185 Die vierte Note Wilsons in aller Ehrfurcht, durch das höchste Opfer dem Reich den Frieden zu bringen, der allein es retten kann." So brach der Unglückstag des 9. November 1918 über Deutsch¬ land herein. Der Zusammenbruch. Für die Entscheidung der uns beschäftigenden Frage ist die Fest¬ stellung wichtig, daß am 9. November 1918 die oberste Leitung des deutschen Kaiserreiches räumlich weit getrennt und somit nicht in der Lage war, die wichtigsten Beschlüsse sofort und in geistiger Überein¬ stimmung zu fassen. In Spa, wo der Oberste Kriegsherr und die mi¬ litärische Leitung weilten, stand man ganz unter dem Eindruck der Lage an der Front und der immer unerträglicher werdenden Bean¬ spruchung der Truppen. Über die Lage im Reich hatte man nur telegra¬ phische und telephonische Mitteilungen, die, wie immer in solchen ka¬ tastrophalen Lagen, die Vorgänge übertrieben und vergröberten, also eine klare Anschauung nicht entstehen ließen. Sicher war nur das eine, daß in allerkürzester Frist Entschlüsse gefaßt werden mußten, die für das Gesamtschicksal des Reiches und für den Weiterbestand des deutschen Kaisertums entscheidend sein mußten. Hierfür fehlte dem Obersten Kriegsherrn aber durch die räumliche Entfernung von Ber¬ lin die verfassungsmäßig zuständige politische Beratung. Alles er¬ schien im Großen Hauptquartier hauptsächlich und naturgemäß im Lichte der militärischen Lage. In Berlin, am Sitz der politischen Leitung, beherrschte die innere Lage alles. Mit der Ernennung der Waffenstillstandskommission un¬ ter Staatssekretär Erzberger — General v. Gündell war zurückgetre¬ ten — war der entscheidende Schritt zur Einstellung der militärischen Operationen geschehen: jetzt schien die Hauptsache, mit der inneren Lage fertig zu werden. Diese bestimmte durchaus das weitere Ge¬ schehen, nachdem die damals stärkste politische Partei, die Mehrheits¬ sozialdemokratie, sich die Forderung nach Abdankung des Kaisers — zunächst bis zum 8. November mittags, sodann auf dringende Vor¬ stellungen bis 9. November mittags — zu eigen gemacht hatte. Jetzt gab es kein Ausweichen mehr; die Entscheidung in der Kaiserfrage mußte fallen. In der vierten Note Wilsons vom 5. November 1918, die in der Nachkriegsliteratur von deutscher Seite meist als „Vorfriedensver¬ trag" bezeichnet wird, war von irgend welchen Anspielungen auf den Rücktritt des Kaisers nicht mehr die Rede gewesen. Trotzdem über¬ schatteten die in der zweiten und dritten Note Wilsons ausgespro¬ chenen Gedanken, die auf den Rücktritt des Kaisers abzielten, auch den sachlichen Inhalt der vierten Note. In den damals maßgebenden