174 Die rein politische Kriegsleitung achtenswerter Gegner aufrecht und bot allen Durchbruchsversuchen der Entente Trotz. Gelang es jetzt, den Durchhaltewillen der deut¬ schen Kämpfer und vor allem auch der deutschen Heimat zu erschüt¬ tern, dann erst war die Bahn zu einem Siegfrieden, wie ihn unsere Gegner wollten, frei. Als Hauptwiderstand auf diesem Wege erschien unseren Gegnern der starke Zusammenhalt, der sich aus der monar¬ chischen Führung, aus der Kaisergewalt, ergab. Gegen diese mußte man also den propagandistischen Stoß richten. Mit der zweiten Note Wilsons schwanden die letzten Zweifel darüber, was beabsichtigt war. Wenn von der Vernichtung jeder mi¬ litärischen Macht darin gesprochen wurde, die es in Händen habe, „allein, geheim und auf eigene Willensbestimmung den Weltfrieden zu stören", wenn weiterhin von der Macht die Rede war, die bis jetzt das Schicksal der deutschen Nation bestimmt habe, so zielte das gerade¬ wegs auf den deutschen Kaiser. „Die deutsche Nation hat die Wahl, dies zu ändern", das war die allerschlimmste Verleitung des deutschen Volkes zu dem Glauben, daß es nur den Kaiser zu beseitigen brauche, um zu jenenr guten Frieden zu gelangen, von dem Wilson in seinen verschiedenen Kundgebungen immer wieder gesprochen hatte. Schon vor dem Eingang der zweiten Note Wilsons in Berlin, die am 16. Oktober erfolgte, verbreiteten sich von mehreren Seiten her in Deutschland Gerüchte, daß ein günstiger Frieden von einer vorherigen Abdankung des Kaisers abhängig sei. Am 14. Oktober kamen die Kaisersöhne Prinz Adalbert und Prinz August Wilhelm in großer Aufregung zum Prinzen Max und erzählten ihm von den Gerüchten über die Abdankung des Kaisers. Prinz Adalbert schien gewillt, mit seinem Vater darüber zu sprechen; der Reichskanzler war aber der Ansicht, daß ein solcher Schritt nicht nötig sei; er hoffte, daß es ihm gelingen würde, eine Lage zu vermeiden, die die Abdankung des Kaisers notwendig mache. Als am 24. Oktober Wilsons dritte Note einging, die noch deut¬ licher als die zweite gegen den Kaiser gerichtet war und ankündigte, daß man mit den „militärischen Beherrschern und monarchistischen Autokraten Deutschlands" nicht verhandeln wolle, erhob sich die Kai¬ serfrage zu großer Schärfe. Im Reichstage sprach an diesem Tage der Mehrheitssozialist Noske von der im Lande herrschenden Stim¬ mung und davon, daß lediglich eine einzige große Geste des Trägers der Kaiserkrone den Druck von Millionen nehmen könnte. Viele kaisertreue Männer, Offiziere und Beamte hofften damals, daß der Kaiser aus freier Initiative die Krone niederlegen würde, wie es der König von Bulgarien getan hatte, niemals aber unter dem Druck der Sozialdemokratie. Dabei hing die überwältigende Mehrheit gerade dieser Berufsklassen und hauptsächlich der Offiziere mit wirklicher, nicht vorgetäuschter, Anhänglichkeit und Verehrung an dem Kaiser.