Wilsons zweite Note den, auf die sie gerechterweise mit Schrecken und empörtem Herzen Hinblicken." AIs Voraussetzung eines Waffenstillstandes bezeichnete Wilson „völlig befriedigende Sicherheiten und Bürgschaften für die Fortdauer der gegenwärtigen militärischen Überlegenheit der Armeen der Vereinigten Staaten und der Alliierten an der Front." Schlie߬ lich deutete die Note in unbestimmten Worten an, das deutsche Volk möge sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, wenn der Friede durch das Vorgehen des deutschen Volkes selbst kommen solle. Wilsons zweite Note vom 14. Oktober wirkte bei ihrem Eintref¬ fen am 16. Oktober früh in Berlin geradezu katastrophal. Der müh¬ sam gesicherte Burgfrieden zwischen den Parteien zerbrach. Die Un¬ abhängigen Sozialdemokraten sprachen bereits von einer Regierung Haase-Ledebour als von einem bevorstehenden Ereignis. Die Mehr¬ heitssozialdemokratie vertrat einen ruhigeren Standpunkt, spürte aber die immer fühlbarer werdende Schwächung ihrer Macht, wäh¬ rend die radikalen Stimmen ständig an Einfluß gewannen. Das Elend in den deutschen Städten, ganz besonders in Berlin, war grauenhaft. Es fehlte an Kohlen, an ausreichender Kleidung, an Lebensmitteln. Die über ganz Europa hingehende Grippe-Epidemie forderte Riesen¬ opfer und wütete unter den vollständig erschöpften Menschen mit doppelter Kraft. In Berlin sind allein am 15. Oktober nicht weniger als 1722 Personen daran erkrankt. Von den rechtsstehenden Parteien und unzähligen einzelnen Persönlichkeiten gelangten beschwörende Telegramme und Briefe an den Reichskanzler, er möge die Waffenstillstandsaktion abbrechen, die Glocken läuten lasten und die Nation zum Entscheidungskampf auf¬ rufen. In der „Kreuzzeitung" erließ die konservative Partei auf eigene Faust einen Aufruf zur nationalen Verteidigung. Großadmi¬ ral v. Tirpitz berief sich auf die in der Vaterlandspartei vereinigten Hunderttausende von Männern und empfahl einen Aufruf des gan¬ zen Volkes zur entschlossensten Verteidigung unserer Ehre und unse¬ rer Lebensmöglichkeiten. Ein Brief des Grafen Arnim-Boitzenburg, des Präsidenten des Herrenhauses, vom 16. Oktober, forderte gleich¬ falls das Aufrufen des Volkes zum letzten Widerstand. Auch über Personenfragen dürften wir nicht das große Ganze in den Hinter¬ grund stellen: „Gott fordert von uns, daß wir alles tun, was in un¬ seren Kräften steht. Er hat uns in ein dunkles Tal geführt, vielleicht um unser Volk noch einmal zu erretten und es tüchtig zu machen, durch höchste Anspannung seiner ganzen hohen sittlichen Kräfte den Weg zu finden, der es zum Heil der Menschheit gegen Trug und Lug zum Siege führt. Handeln Sie, Großherzogliche Hoheit, das Vater¬ land würde es Ihnen ewig danken." Am 17. Oktober, während an der Westfront bei der 18. Armee wieder schwere Kämpfe stattfanden, wurde in Berlin über die zweite 11* Mists