158 Die rein politische Kriegsleitung Alle auf diesem Wege unternommenen Versuche hatten aber leider die entgegengesetzte Wirkung. Der kluge, immer sachliche und von tiefem Verantwortungsgefühl durchdrungene Zivilberater des Kaisers, der Kabinettschef v. Valentini, mußte im Januar 1918 der Forderung der O.H.L. geopfert werden, woraus sich zweifellos eine weitere Schwächung des monarchischen Prinzips ergab. Valentini stand hoch genug über den Dingen, um zu erkennen, daß im Welt¬ kriege auf deutscher Seite die Schwierigkeiten nicht in den Personen, sondern in der Sache lagen. In allen Kriegen der Vergangenheit waren Gegensätzlichkeiten zwischen politischem und militärischem Denken zutage getreten. Wenn es — vom Ressortstandpunkt aus — der militärischen Oberleitung erwünscht sein mußte, eine gefügige politische Leitung zu erstreben, so stand diese Forderung mit dem Ruf nach „starken Männern" und nach Charakteren wenig in Einklang, denn gerade mit solchen Persönlichkeiten hätte man vom militäri¬ schen Standpunkte aus schwer arbeiten können. Valentini hatte hier¬ über sehr klare Ansichten, die er in einer Konferenz am 11. Januar 1917 — vor dem Entschluß über den unbeschränkten U-Bootkrieg — den Heerführern Hindenburg und Ludendorff deutlich mit den Wor¬ ten aussprach: „Es muß dabei bleiben, daß jeder seine Sache vertritt, und daß Seine Majestät entscheidet. Sonst wird der Kaiser ausge¬ schaltet, und wir haben die Diktatur. In den Kriegen 1866 und 1870/71 hat immer der Monarch die letzte Entscheidung getroffen. So muß es auch jetzt sein. Friktionen werden immer kommen, auch mit jedem Nachfolger." Wenn es Valentini damals gelungen ist, eine zeitweilige Aussöhnung der O.H.L. mit dem Reichskanzler v. Beth- mann Hollweg zu bewirken, so war diese bekanntlich nicht von langer Dauer, und kein geringerer als Hindenburg selbst hat festgestellt, daß die Dinge sich nach dem Abgänge Bethmanns in keiner Weise ver¬ bessert hatten. Ähnliche Feststellungen hat auch Ludendorff in seinen Kriegswerken getroffen. Mit der Entlassung Valentinis im Januar 1918 auf Wunsch der Obersten Heeresleitung ging ein weiteres verfassungsmäßiges Vor¬ recht des Monarchen verloren. Als am 13. Januar der Kronprinz bei Valentini war und ihm nahelegte, seinen Abschied selber zu erbit¬ ten, erklärte letzterer: „Welche Untergrabung der Autorität des Monarchen! Diesmal sind es seine Generale, welche den Kaiser zu einem Wechsel in der Person der nächststehenden Berater zwingen, das nächste Mal wird es das Parlament sein! Und dann wird der Kaiser nicht mehr frei in der Wahl des Nachfolgers sein, sondern den neh¬ men müssen, den der Reichstag wünscht! Wie kann der Thronerbe hierzu die Hand bieten!" Schon Major Niemann hatte, als er sein Kommando beim Obersten Kriegsherrn antrat, das Bestreben gehabt, eine aktivere Be¬