In Erwartung der Antwort Wilsons. Die schicksalsschwere Note an Wilson war am 4. Oktober nach¬ mittags von Bern nach Washington abgegangen. Ein unwiderruf¬ licher Schritt war getan. Würde sich der Glaube an Wilson als be¬ rechtigt herausstellen? Nur die Zukunft konnte es lehren. Würden die Nerven des deutschen Volkes die neue und ganz unerwartete Be¬ anspruchung ertragen? Das war eine noch ernstere Frage. Nach der Auffassung des Prinzen Max von Baden lag in unserer Note an Wilson eine doppelte Schmach: einmal die Bitte um Waffen¬ stillstand, an der nun nichts mehr zu ändern war; sodann die unein¬ geschränkte Annahme des Wilsonschen Programms. „Nur eine be¬ siegte, am Boden liegende Nation ist gezwungen, das ganze Kriegs¬ ziel des Feindes anzunehmen mit einem Ja ohne Vorbehalt und Kommentar." Mit diesen Worten hat Prinz Max selbst in seinen Erinnerungen die Note an Wilson gekennzeichnet *. Er entschloß sich, in einer Reichstagsrede am 5. Oktober zu den einzelnen Bedingungen Wilsons Stellung zu nehmen, die Demütigung der Note an Wilson damit auszulöschen und den Feinden zu zeigen, daß Deutschland noch Atem habe und nicht zur Ergebung auf Gnade und Ungnade ge¬ nötigt sei. Der ganze 4. Oktober ging mit Vorarbeiten für die Reichskanz¬ lerrede und mit der Bildung der neuen Regierung hin. Für den Prinzen Max war an diesem Tage fast jede Minute durch Bespre¬ chungen mit Parlamentariern und Ministern ausgefüllt. Die Bil¬ dung der Regierung mußte unbedingt vollendet sein, ehe der neue Reichskanzler vor den Reichstag trat. Für die weiteren Unterhandlungen war die Persönlichkeit be¬ sonders wichtig, die das Auswärtige Amt zu übernehmen hatte. Prinz Max schwankte zwischen Sols und dem Grafen Brockdorff-Rantzau, der damals noch Gesandter in Kopenhagen war. Der Kaiser hätte gern den Staatssekretär v. Hintze behalten, was aber an dessen hart¬ näckiger Weigerung scheiterte. Schließlich entschloß sich Prinz Max für Sols, der sich in kraftvollen Reden zu einem Verständigungs¬ frieden bekannt hatte, und in dessen Berufung zugleich eine Beto¬ nung des deutschen Rechtsanspruches auf Kolonien erkennbar ge¬ macht werden konnte. Grundlegend wichtig für unsere Frage der obersten Kriegslei¬ tung im Entscheidungsjahr 1918 war die Regelung, die Prinz Max 1 Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente. Deutsche Der- lagsanstalt Stuttgart-Berlin-Leipzig 1927. Schwertfeger, Das Weltkriegsende 10