132 Das Herbeirufen der Politik Immer in demselben Gedankengange, schnell zu einer verhand¬ lungsfähigen Regierung zu gelangen, sprach General Ludendorff am 1. Oktober abends nochmals mit Herrn v. Lersner und erkundigte sich nach der telegraphischen Verbindung Berlin-Bern-Washington, da¬ mit auch hier alles vorbereitet werde. Die Auswirkung dieser Unter¬ redung mit Lersner zeigt sich in folgendem Telegramm: „Großes Hauptquartier, den 1. Oktober 1918 An das Auswärtige Amt, (Aufgegeben 2.10.12 Uhr 10 vorm., angekommen: 12 Uhr 30 vorm.) General Ludendorff erklärte mir, daß unser Angebot von Bern aus sofort nach Washington weitergehen müsse. 48 Stun¬ den k ö n n e die Armee nicht noch warten. Er (bäte) Euere Exzel¬ lenz dringendst, alles zu tun, damit das Angebot auf allerschnellste Weise durchkäme. Ich wies deutlich darauf hin, daß der Feind trotz aller Be¬ schleunigung kaum vor Ablauf einer Woche antworten werde. Der General betonte, daß alles darauf ankäme, daß das Angebot späte¬ stens Mittwoch nacht oder Donnerstag früh in Händen der En¬ tente sei, und bittet Euere Exzellenz, alle Hebel dafür in Bewe¬ gung zu setzen. Er glaube, daß zur Beschleunigung vielleicht die Rote von der schweizerischen Regierung durch Funkspruch von Rauen an den Adressaten mit Schweizer Chiffre gegeben werden könne. gez. Lersner." Ludendorff rechnete also mit dem Eintreffen des Angebots in Washington spätestens in der Nacht vom 2./3. Oktober oder am 3. Ok¬ tober früh. Sollte dies erreicht werden, so war allerdings größte Eile geboten. Besonders beunruhigend wirkte der Ausdruck, daß die Ar¬ mee nicht noch 48 Stunden warten könne. Vielleicht lag hier ein Mi߬ verständnis vor, indem unter der Armee vielleicht die O.H.L. im Gegensatz zur politischen Leitung verstanden wurde. Es zeigte sich wieder einmal, wie ungünstig es ist, wenn wichtige Aussprachen auf telegraphischem Wege stattfinden müssen. Der mißverständliche Sinn des Satzes: „Die Armee könne nicht noch 48 Stunden warten" hätte mündlich mit wenigen Worten klargestellt werden können. Der 2. Oktober. Prinz Max von Baden sah sich vor die schwerste Entscheidung seines Lebens gestellt. Sollte er die Berufung annehmen oder ableh¬ nen? Er war nach Berlin gekommen in der Auffassung, noch völlige Freiheit des politischen Handelns zu haben. Jetzt sollte er seinen gu¬ ten Namen für einen Schritt hergeben, den er für verfehlt hielt. Nicht