128 Das Herbeirufen der Politik dann der Umstand, daß die Entscheidung der nach der Reichsverfas¬ sung über die Frage von Krieg und Frieden allein zuständigen Stelle, Seiner Majestät des Kaisers, bereits am Morgen des 29. September getroffen war, schließlich aber nicht zum wenigsten die bestimmte Empfindung, daß durch die auf Grund dieser Entscheidung ergangene Mitteilung ihres Inhalts an die Bundesgenossen die Kugel bereits aus dem Lauf gelassen war, und daß ein Abgehen von dem damit ein¬ geschlagenen Wege an der Wirkung nicht mehr viel ändern konnte." Wie General Ludendorff am Morgen des 30. September über die Lage dachte, zeigt eine Besprechung, die er zu dieser Zeit mit den drei deutschen Militärbevollmächtigten im Großen Hauptquartier hatte. Nach den darüber vorliegenden Aufzeichnungen des sächsischen Militärbevollmächtigten Generals v. Eulitz, hatte er in den Vorder¬ grund gerückt, daß die Kriegführung auf der Westfront jetzt in erster Linie wegen der Wirkung der Tanks den Charakter eines Glücksspiels angenommen habe; die O.H.L. könne nicht mehr mit sicheren Fakto¬ ren rechnen. Nach den Ereignissen in Bulgarien und bei der Unmög¬ lichkeit, die Lage an der Westfront durch eine Offensive wiederherzu¬ stellen, sei die Beendigung der Feindseligkeiten geboten. Der Oberste Kriegsherr habe befohlen, daß der Reichskanzler und die deutsche aus¬ wärtige Politik der Auffassung der O.H.L. Rechnung zu tragen hät¬ ten. Ludendorff schloß mit den Worten: „Die Lage ist ernst. Sie er¬ fordert einen ganzen Entschluß. Der Generalfeldmarschall und ich haben unseren Entschluß mit voller Überlegung, nicht im Affekt, pflichtgemäß gefaßt." Damit übernahm die O.H.L. die völlige sach¬ liche Verantwortung für ihr Verhalten am 29. September. Die politische und formelle Verantwortlichkeit für die gefaßten Entschlüsse war nunmehr auf den Obersten Kriegsherrn übergegan¬ gen, der sich die Auffassung der O.H.L. fast widerspruchslos zu eigen gemacht hatte. Die wichtige und im Frieden voll verantwortliche Stelle des Reichskanzlers aber war zur Zeit nicht besetzt. Für die Darstellung der Ereignisse in den nächsten Tagen scheint es geboten, sie tageweise in ihrem historischen Ablauf zu schildern. Der 1. Oktober. Der 1. Oktober war der zwischen Ludendorff und Hintze verein¬ barte Tag des Friedensschrittes zu Wilson. Von einer Bildung der Regierung an diesem Tage war aber noch keine Rede. Hierüber sprach Ludendorff telephonisch mit dem in Berlin weilenden Major Frhr. v. dem Bussche und befahl ihm, „in seinem Aufträge auf den die Ge¬ schäfte führenden Vizekanzler v. Payer einen Druck dahin auszuüben, daß das Friedensangebot schleunigst erfolge;" nachdem die O.H.L. die¬ sen schweren Entschluß einmal gefaßt habe, müsse sie darauf bestehen,