126 Das Herbeirufen der Politik zeugung, daß die Lage sofortige Schritte erfordere. So fehlten in der entscheidendsten Stunde des Deutschen Reiches für den von der O.H.L. geforderten Entschluß alle Gegengewichte. Der Kaiser entschied sich im Sinne der O.H.L. und des Staatssekretärs v. Hintze; dieser nannte der O.H.L. unter anfänglicher Unterschätzung der bevorstehenden in¬ nerpolitischen Schwierigkeiten Dienstage 1. Oktober, als Termin für das Zustandekommen der neuen Regierung und erzeugte bei Luden¬ dorff die feste Annahme, daß an diesem Tage das Waffenstillstands¬ angebot an die Feinde hinausgehen könne. In seiner bereits mehrfach erwähnten Aufzeichnung vom 31. Ok¬ tober 1918 hat sich Ludendorff selbst dahin geäußert, daß er den Ter¬ min zur Absendung der Rote fallen gelassen haben würde, wenn er die Verhältnisse klarer hätte übersehen und die Schwierigkeiten klarer hätte erkennen können, die sich der Bildung der neuen Regierung ent¬ gegenstellten. „Es kam hinzu", erklärt Ludendorff in seiner Aufzeich¬ nung, „daß die Männer, die in die neue Regierung traten, den Krieg und viele neueren Zusammenhänge nicht kannten, und daß im beson¬ deren der Leiter des Auswärtigen Amtes nicht zu den Männern ge¬ hörte, die die Geschichte meistern." Sicherlich wäre es bester gewesen, wenn General Ludendorff den starken Widerstand gegen seine For¬ derung schon am 29. September sich gegenüber gefunden hätte, den später Prinz Max geltend zu machen suchte, als es leider schon zu spät war. Der 30. September. Run galt es, einen Reichskanzler zu finden, der Mut und Vater¬ landsliebe genug besaß, um in diesem hoffnungslosesten Augenblick die Führung des Reichsschiffes zu übernehmen. Die Wahl fiel nach dem Vorschlage des Vizekanzlers v. Payer auf den Prinzen Max von Baden. Payer war auf das Äußerste bestürzt, als bald nach der An¬ kunft des Sonderzuges aus Spa am 30. September morgens die Staatssekretäre v. Hintze und Graf Roedern ihm über die Vorgänge in Spa berichteten. Bis dahin hatte er immer noch geglaubt, es werde uns so lange möglich sein, in einem Defensivkriege durchzuhalten, bis eine Friedensmöglichkeit gegeben sei. Zweifel an der Möglichkeit eines Endsieges hatte er schon seit Monaten gehegt, konnte sich aber „für die Beurteilung der militärischen Seite dieser Frage nicht für zustän¬ diger erachten als die O.H.L." Eine militärische Niederlage oder gar einen militärischen Zusammenbruch hatte er immer für ausgeschlossen gehalten. Das Schlimmste, was ihm vorschwebte, war, daß wir keine weitere Offensive mehr unternehmen könnten. Es war für Hintze nicht leicht, Payer zur Teilnahme an der Bil¬ dung der neuen Regierung zu bewegen, die sich als recht schwierig her-