Der Umschwung der Kriegslage 89 paganda eine einheitliche Organisation, da hinter den Erfolgen des Heeres eine einheitliche Volksmeinung stehen müsse. Ludendorff las die Riemannsche Denkschrift am 26. Juli, stimmte ihren Ausführungen grundsätzlich zu und ließ Niemann mitteilen, es werde in diesem Sinne schon gearbeitet. Für die Problematik der Kriegsleitung an der höchsten Stelle war es wesentlich, daß gerade Major Niemann dazu ausersehen wurde, durch seine Anwesenheit beim Kaiser eine nähere Verbindung zwischen diesem und den Männern der O.H.L. zu schaffen. Hierbei spielte die Absicht mit, das offenbar etwas ins Wanken geratene Vertrauen des Monarchen zu den Männern der O.H.L. zu stärken und deren Entschließungen und Vorschläge zu vertreten. Niemann holte sich am 3. August in Avesnes seine näheren Anweisungen und sprach bei diesem Anlaß mit sämtlichen maßgebenden Persönlichkei¬ ten. Die ihm von Major v. Bockelberg gegebene Schilderung der Ersatzverhältnisse übertraf seine schlimmsten Erwartungen. Luden¬ dorff zeigte, wie Niemann im Vorabdruck seines Buches „Kaiser und Revolution" im „Tag" hervorgehoben hat, alle Anzeichen starker geistiger und nervöser Überanstrengung, was bei der fast übermensch¬ lichen Arbeitsleistung und Beanspruchung des Generals wirklich nicht wundernehmen durfte. Die militärische Lage beurteilte Luden¬ dorff überraschend günstig: bei Reims sei Ruhe eingetreten, die deutschen Stellungen hätten sich überall gefestigt, und die Gegner seien durch die Angriffshandlungen der letzten Wochen in ihrer Offensivkraft vorläufig erschöpft. AIs Niemann davon sprach, daß die Linien unserer steckengebliebenen Angriffe zur Verteidigung we¬ nig geeignet seien und übermäßige Kräfte beanspruchten, bekundete Ludendorff seine Hoffnung, von der Verteidigung wieder zum An¬ griff auf Amiens übergehen zu können, sobald sich die Truppen einigermaßen erholt hätten. Niemann konnte diese Zuversicht nicht teilen. Auch mit Oberst Bauer besprach Niemann die Lage. Dieser be¬ urteilte sie als so ungünstig, daß ein Friedensschluß nicht mehr lange hinausgeschoben werden dürfe. Am 5. August trat Major Niemann seinen Dienst beim Kaiser an. Die Nachrichtenübermittlung an ihn wurde sorgfältig vorberei¬ tet, so daß keine wichtige Nachricht dem Monarchen vorenthalten werden konnte. Niemanns Bestreben ging von vornherein dahin, eine aktivere Beteiligung des Kaisers an der Führung anzubahnen, damit also die oberste und in letztem Sinne verantwortliche Instanz zu stärken. Nach seiner Ansicht war aus der tätigen Mitarbeit, die den Kaiser zur Zeit, als General v. Falkenhayn die Operationen lei¬ tete, und auch bei Beginn der dritten Obersten Heeresleitung mit so