Zur Vorgeschichte der Großen Schlacht in Frankreich 51 Militärische Erfolge sind naturgemäß das wirksamste Mittel, die Wei- terführung der Politik in der Richtung eines günstigen Friedens zu unter- stützen. Welches Maß militärischen Erfolges nötig ist, um den Feind zum Nachgeben zu zwingen, ist wohl überhaupt niemals im voraus zu bestim¬ men, zumal im Gefolge militärischer Niederlagen andere Erscheinungen (Friedensverlangen des Volkes, innerpolitische Umtriebe, Revolution usw.) nebenhergehen, die sich jeder Voraussage entziehen. Eine solche Vernichtung (Außergefechtsetzung der feindlichen Armee) ist der einzige militärische Erfolg, von dem man mit Sicherheit sagen kann, daß er unbedingt zum Nachgeben führen muß (Franzosen 1870/71). Ob wir hierzu im Weltkriege den Franzosen oder (noch unwahrschein¬ licher) den Engländern gegenüber gelangen können, entzieht sich völlig mei¬ ner bestimmten Beurteilung, da ich nicht einmal das Stärkeverhältnis der beiden Parteien kenne. Ich halte jedoch eine solche völlige Lahmlegung einer der beiden Heeresgruppen nicht für wahrscheinlich, anderseits aber für un¬ sern Zweck auch durchaus nicht für nötig. Ich glaube, es wird lediglich erforderlich sein, den Feinden durch un¬ sere Erfolge (nicht durch passive Abwehr) die Hoffnung zu benehmen, daß sie den Krieg noch gewinnen können, und in ihnen die Befürchtung zu er¬ wecken, daß sie schließlich noch offenkundig unterliegen möchten. Sind sie so weit, dann werden sie unbedingt den Zwang zum Friedenschließen emp¬ finden und ihm nachgeben. Ob dazu ein Zurückdrängen der Franzosen bis Paris oder eine Besitznahme von Calais nötig sein wird, weiß heute wohl niemand. Ich halte es keineswegs für ausgeschloffen, daß der Zwang be¬ trächtlich früher eintritt, besonders wenn der Feind in den ersten kommen¬ den Schlachten nachdrücklich unsere jetzige Überlegenheit empfunden haben sollte. Eines nur scheint mir unwahrscheinlich, daß die Entente zur Schluß- bilanz sich entschließen wird, zumal wenn diese sich allmählich ungünstiger zu gestalten beginnt, ehe die Frage der amerikanischen Hilfe geklärt ist. Er¬ hofft die Entente von dieser noch einen Umschwung, wenn auch erst 1919, so ist es schon doch sehr wohl denkbar, daß sie selbst bei ungünstigem Aus- gang der vor Eintreffen der Amerikaner stattfindenden Kämpfe einem „Zwang" zum Friedensschluß noch nicht erliegt. Mir fehlen, wie gesagt, alle irgendwie verläffigen Unterlagen zur Be¬ urteilung unserer Aussichten auf Erfolg. Wenn ich aber berücksichtige, was im Osten an Kräften frei geworden ist, und daß die Amerikaner allem An¬ scheine nach doch noch nicht so sehr bald und mit wirklich erdrückender Macht erscheinen werden, so halte ich rein subjektiv unser bevorstehendes Unternehmen für aussichtsvoll. Jedenfalls aber scheint es mir, daß wir zurzeit überhaupt keine andere Wahl haben, wollen nicht w i r uns zum Nachgeben unter empfindlichen Opfern und unter Verzicht auf eine befriedigende Zukunft entschließen. Die beabsichtigte gewaltige Schlußoffensive reiht sich in den Verlauf des ganzen Krieges, wie er sich nach der Marneschlacht gestaltet hat, nach militärischen Begriffen sicher ganz logisch ein. Mit einigen kurzen vernich¬ tenden Schlägen war die gegen uns aufgestandene riesige Feindesmacht nun nicht mehr zu überwinden. Stückweise, im Osten beginnend, wurden nun die einzelnen Kettenglieder der feindlichen Umklammerung zerschlagen: Serbien, Rumänien, Rußland und zum Teil Italien. Nun haben wir dort freie Hand, und die ganze Wucht des letzten Entscheidungsschlages wendet sich gegen Westen. 4