Der Kompetenzstreit um die Verantwortlichkeit 35 Der Kompetenzstreit um die Verantwortlichkeit. Bei den Friedensschlüssen von Brest-Litowsk und Bukarest hatte die politische Leitung des Reichskanzlers Grafen Hertling, der am 1. November 1917 sein schweres Amt übernommen hatte, sich zum ersten Male an einer großen Aufgabe zu bewähren. In den Kreuz- nacher Besprechungen vom 18. Dezember 1917 hatte der Kaiser eine Mitwirkung der O.H.L. bei den Friedensverhandlungen in Brest- Litowsk angeordnet. Mit dem Augenblick, wo hier zum ersten Male im Weltkriege Friedensbesprechungen größeren Umfanges stattfan¬ den, gewann die Zuständigkeitsfrage ausschlaggebende Bedeutung. Die Verhandlungen standen insofern für Deutschland unter einem ungünstigen Stern, als von ihrem schnellen Abschluß die militäri¬ schen Pläne für eine Offensive an der deutschen Westfront abhingen. Man konnte daher die Dinge nicht zur Reife gelangen lassen, son¬ dern mußte die Gegenseite unter Druck stellen. Hing doch nicht nur die Zahl und Art der im Osten freiwerdenden Streitkräfte, sondern auch der zeitliche Beginn der geplanten großen Offensive im Westen davon ab. Hier lag sogar eine doppelte Einengung der deutschen Bewegungsfreiheit vor, denn es mußte auch auf den immer stärker werdenden Einsatz amerikanischer Truppen gerechnet werden, nach¬ dem die Vereinigten Staaten am 6. April 1917 in den Kriegszustand getreten waren. Auf die Einzelheiten des nunmehr einsetzenden Kompetenzstrei¬ tes um die Mitwirkung der politischen und militärischen Führer bei den Friedensverhandlungen im Osten braucht hier nicht näher ein¬ gegangen zu werden. Die beste Einführung in die ganze Frage bil¬ det ein am 7. Januar 1918 vom Generalfeldmarschall v. Hindenburg an den Kaiser gerichtetes Schreiben, in dem er davon ausging, daß die verantwortliche Mitwirkung der beiden Heerführer an den Frie¬ densverhandlungen einem kaiserlichen Befehle entspreche. „Euer Majestät haben uns damit das Recht und die Pflicht übertragen, darüber mitzuwachen, daß das Ergebnis des Friedens den Opfern und Leistungen des deutschen Volkes und Heeres entspricht und der Frieden uns materiell so kräftigt und uns so starke Grenzen bringt, daß unsere Gegner nicht so bald einen neuen Krieg zu entfesseln wagen werden." Von dieser Feststellung ausgehend äußerte nunmehr Hinden¬ burg schwere Bedenken hinsichtlich der Einsicht und der Tatkraft der politischen Leiter. In Brest-Litowsk hatten am 22. Dezember 1917 die Friedensunterhandlungen begonnen. Hierbei sollte Staatssekre¬ tär v. KUhlmann mit den deutschen Unterhändlern „mehr diploma¬ tisch als kraftvoll" aufgetreten sein. Daraus hätten die russischen Unterhändler den Schluß gezogen, daß Deutschland den Frieden eben-