Der Reichstag 33 amtes, Admiral v. Capelle, zur Sprache, daß der Versuch gemacht worden sei, Mannschaften der Flotte zur Gehorsamsverweigerung zu verleiten, um so die Flotte lahmzulegen und den Frieden zu er¬ zwingen. Da hierbei drei Abgeordnete der Unabhängigen Sozial¬ demokratie persönlich des Zusammenspiels mit den Matrosen be¬ schuldigt wurden, und der Reichskanzler die Partei der Unabhängi¬ gen als jenseits der Linie der Vaterländischen Front stehend bezeich¬ nete, entwickelte sich ein schwerer Konflikt zwischen ihm und dem Reichstage, der nunmehr seinerseits zu einer aktiven Politik über¬ ging. Der Rücktritt des Reichskanzlers Michaelis erschien dabei ge¬ radezu als eine Selbstverständlichkeit. Durch Vermittlung des Chefs des Zivilkabinetts v. Valentini wurde dem Kaiser am 23. Oktober ein Schriftstück der Mehrheitsparteien überreicht, das den Kanzler¬ wechsel bereits als unabänderlich erscheinen ließ. Wörtlich hieß es darin: „Sollte Seine Majestät der Kaiser zu dem Entschluß kom¬ men, einen Kanzlerwechsel eintreten zu lassen, so dient es dem höch¬ sten Staatsinteresse, für ruhige innerpolitische Entwicklung bis Kriegsende volle Gewähr zu schaffen. Rur hierdurch kann diejenige Geschlossenheit hergestellt werden, deren das Volk in Waffen und in der Heimat dringend bedarf. Der Weg zu diesem Ziel ist eine ver¬ trauensvolle Verständigung über die äußere und innere Politik des Reiches bis zum Kriegsende. Die innerpolitischen Schwierigkeiten der letzten Monate sind auf den Mangel einer solchen Verständigung zurückzuführen." Der Anspruch des Reichstages auf Mitberatung trat alsdann deutlich in den Schlußworten zutage: „Seine Majestät den Kaiser bitten wir daher, vor der von ihm zu treffenden Entschließung die zur Leitung der Reichsgeschäfte in Aussicht genommene Persönlich¬ keit zu beauftragen, sich mit dem Reichstag zu besprechen." Das be¬ deutete den ersten Vorstoß auf dem Wege zur Parlamentarisierung der Reichsleitung. Am 1. November 1917 genehmigte der Kaiser den Rücktritt des Reichskanzlers Michaelis und berief den bayerischen Minister¬ präsidenten Grafen Hertling an seine Stelle. Dieser hatte, wie bereits mitgeteilt, im Juli 1917 die Nachfolge des Reichskanzlers v. Beth- mann Hollweg abgelehnt. Nunmehr waren so dringende Ruse des Kaisers und des Königs von Bayern an ihn ergangen, daß er sich in vaterländischem Interesse verpflichtet fühlte, die schwere Bürde des Kanzleramtes im Alter von 74 Jahren auf sich zu nehmen. Sein Ent¬ schluß wurde ihm dadurch erleichtert, daß „die O.H.L. feierlichst er¬ klärt hatte, sich in die Führung der Politik nicht mehr einmischen zu wollen" 9 „Ein Jahr in der Reichskanzlei", S. 14. Schwertfeger. Das Weltkrlegsende 3