6 Einleitung nehmste Nutzen, den eine sachliche Betrachtung der Kriegsgeschichte zu stiften vermag, ist es, wenn sie die erreichten Erfolge auf ihr ver¬ dientes Maß zurückführt und damit verhindert, daß Maßnahmen etwa nur ihres Erfolges wegen gepriesen und als Lehren für die Zukunft aufgestellt werden. Gewiß ist jeder Erfolg im Kriege von hohem Wert und wird von der obersten Kriegsleitung mit Dank an¬ genommen, aber es wäre eine verhängnisvolle Irrlehre, wahllos mit dem Erfolge zugleich die vielleicht fehlerhaften Mittel zu preisen, die ihn verursacht haben. Am lehrreichsten, aber auch am bittersten sind verlorene Kriege. Bei ihnen handelt es sich darum, die Ursachen des Scheiterns fest¬ zustellen. Diese Aufgabe ist besonders schwierig, wenn es sich, wie im Weltkriege, nicht um rein militärische Vorgänge handelt, son¬ dern wenn das gesamte geistige und wirtschaftliche Leben, Denken, Fühlen und Handeln des Volkes mit in Betracht gezogen werden muß. Rein militärisch wird der Weltkrieg uns deutschen Menschen niemals als eine Niederlage erscheinen. „Im Felde unbesiegt", „Auf See unbesiegt", unter diesem Titel und in dieser Gedankenrichtung erschienen nach Abschluß des Krieges zahlreiche Bücher, die eine militärische Niederlage Deutschlands im Weltkriege verneinten. Sie trafen damit gefühlsmäßig das Richtige, denn die Bewährung der deutschen Kampfkraft im Weltkriege war eine so überragende ge¬ wesen, daß es bis in den November 1918 hinein gelungen ist, den deutschen Boden vom Feinde freizuhalten. Aber dennoch ging der Weltkrieg verloren. Es müssen also andere Wege für die Erkenntnis dieses End¬ ergebnisses gewählt werden als eine rein militärische Betrachtung der Kriegsereignisse. In höchstem Maße gilt dies für das Jahr 1918. Alles kam damals darauf an, den deutschen Weltkriegsgegnern im Frühjahr und Sommer 1918 den Beweis zu liefern, daß Deutsch¬ lands Widerstandskraft noch ungebrochen war. Gelang es der Entente nicht, die weit vorgeschobenen Stellungen der deutschen Armeen aus Belgien und Frankreich zurückzuschieben, so bedeutete dies im Endergebnis den Sieg Deutschlands und mußte den Entente¬ mächten den Gedanken nahelegen, eine Beendigung des Krieges an¬ zubahnen. Es hätte sich dann um einen Verständiaungsfrieden ge¬ handelt, der auf beiden Seiten ein gewisses Entgegenkommen, be¬ sonders hinsichtlich der Kriegsziele, zur zwingenden Voraussetzung hatte.