1-6 VI. Zollvorschriften, Zölle und Verkehrsbeschränknngen» Zunächst wird iit den Artikeln 1 bis 4 des X. Teiles der öster¬ reichischen Friedensbedingungen die einseitige Meistbegünstigung für den Handelsverkehr der alliierten Staaten ausgesprochen. Der Inhalt dieser Artikel entspricht wörtlich dem der Artikel 264 bis 267 der deutschen Friedensbedingungen. Die hauptsächlichsten Einwendungen, die sich gegen den Inhalt dieser Artikel richten, sind, daß sie die Meistbegünstigung nur einseitig für die Alliierten gewähren, daß sie dem handelspolitischen Zusammenschlüsse Deutschösterreichs mit dem Deutschen Reiche tut Wege stehen, ja sogar eine zunehmende Entfremdung beider Länder herbeiführen müssen und daß sie endlich durch das unbestimmte und außerordentlich dehnbare Verbot der Differenzierung im Wege der Spezialisierung des Zolltarifs oder der Hand¬ habung von Monopolen usw. eine unerträgliche Beschränkung der handels¬ politischen Bewegungsfreiheit herbeiführen. Hinsichtlich alles Näheren sei auf die Bemerkungen zu den deutschen Friedensbedingungen verwiesen (zu Ar¬ tikel 23 auf Seite 11 bis 14, ferner III, Regelung der Handelsbeziehungen, Seite 15 bis 20). Diese Bedenken werden durch die Sonderbestimmungen noch verstärkt, die der für Deutschösterreich bestimmte Vertragsentwurf enthält. In Artikel 6 erklären nämlich die alliierten und assoziierten Mächte, die Bestimmungen der Artikel 1 bis 4 über die einseitige Meistbegünstigung nicht zu dem Zwecke geltend machen zu wollen, um sich die Vorteile aus einem etwaigen Sonderübereinkontmen zwischen der österreichischen Regierung einerseits und jener Ungarns oder des tschecho-slowakischen Staates andrer¬ seits zu sichern, welches ein besonderes Zollregime zugunsten der in diesem Übereinkommen angeführten Naturprodukte oder gewerblichen Erzeugnisse aus diesen Ländern errichtet, sofern die Dauer dieses Übereinkommens nicht mehr als fünf .Jahre von dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages an gerechnet beträgt. Die Bestimmung stellt offenbar ein Kompromiß zwischen zwei einander entgegengesetzten Meinungen im Schoße der Konferenz dar. Auf der einen Seite tritt darin das auf französischer Seite bestehende Bestreben zutage, auf wirtschaftlichem Gebiete die Grundlagen für einen neuerlichen Zusammenschluß der aus dem Zerfall der Monarchie hervorgegangenen Staaten zu schaffen und auf diese Weise Deutschösterreich dauernd von der Verbindung mit dem Deutschen Reiche abzuhalten. Dieser Absicht entspricht die Zulassung einer Ausnahme von der Meistbegünstigung zugunsten eines engeren handels¬ politischen Verhältnisses zwischen Deutschösterreich und den übrigen auf deut Boden der Monarchie entstandenen Nationalstaaten. Es ist bekannt, daß diese Bestrebungen auf italienischer Seite entschiedenste Ablehnung erfahren. Sie stoßen auch insofern auf Widerstand, als es durchaus nicht den Interessen aller Ententemächte entspricht, den südslawischen Staat, Rumänien und Polen zu vorzugsweisen Absatzgebieten der westösterreichischen Industrieländer zu machen. Die Mißgunst richtet sich dabei nicht nur gegen Deutschösterreich, sondern ebensogut, ja vielleicht noch mehr, gegen die Tschecho-Slowakei. Diese Anschauung erhält eine Bestätigung durch die Nachricht, daß in jüngster Zeit Rumänien vertragsmäßig verpflichtet wurde, alle staatlichen Lieferungen nach den Ententeländern zu vergeben. Man will das Balkangeschäft selber machen uud ebenso soll es ver¬ läßlichen Nachrichten zufolge beabsichtigt sein, Polen zu einer besonderen Domäne amerikanischen Einflusses und der Betätigung amerikanischen Kapitals zu machen. Ein zollpolitischer Zusammenschluß dieser Länder mit entwickelten Industriestaaten, wie Deutschösterreich und die Tschecho-Slowakei es sind, verträgt sich nicht mit solchen Absichten. Um diesen handelspolitischen Gegen¬ strömungen zu entsprechen, wurde die Altsnahme von der Meistbegünstigung