Krieg, Nahrung, Alkohol Seit Beginn des großen Krieges wird es von Monat zu Monat klarer, daß die Feinde Deutschlands der Wucht der deutschen Waffen nicht gewachsen sind — und da sich auch ihre Hoffnungen auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch der Zentralmächte als trügerisch erwiesen, gewann der Plan der Aushungerung derselben immer mehr an Gewicht und Bedeutung. Denn dieser Plan konnte doch nicht fehlschlagen: Dieses Deutschland, das sich in seinem Nahrungsbedarf und in seinem Bedarf an Futtermitteln in so hohem Maß auf Zufuhr von außen eingestellt hatte — im Jahre 1913 betrug die Einfuhr an Weizen mehr als 2l/2 Millionen Tonnen, die Ein- fuhr an Futtergerste mehr als 3 Millionen Tonnen —, dieses Deutschland zu isolieren, von jeder Verbindung nach außen ab- zuschneiden, das mußte doch gelingen und sich so die Prophezeiung des berühmten französischen Physiologen und Friedensapostels Charles Richet * erfüllen, die er Ende August im Figaro aus- sprach: „Es würden keine neun Monate vergehen und die Deutschen würden auf den Knien liegen und, soweit sie nicht sprachlos vor Hunger seien, um Frieden betteln". Und heute stehen wir sogar schon im zehnten Kriegsmonat — wie sieht es mit der Erfüllung der Prophezeiungen unserer Feinde ans? Soeben — 14. Mai 1915 — geht ein Bericht der Budget- kommission des deutschen Reichstages durch die Zeitungen: Der Vertreter des Reichskanzlers erklärte dort kurz und bündig, daß Deutschland, wenn die bisherige Sparsamkeit geübt wird, mit seinem Brotgetreide nicht nur bis zur nächsten Ernte reiche, sondern daß sich sogar eine größere Reserve ergebe, als angenommen worden sei. Selbst Zufälligkeiten, wie Lagerbrände, Ernteverzögerung usw. könnten keine nenneswerte Verlegenheit bereiten. Der Kartoffelvorrat sei reichlicher, als man bisher angenommen, so daß auch von einer Kartoffelnot keine Rede sein könne. Ja, eine Anzahl von Maßregeln, die zur Streckung der Vorräte an Rahruugs- und Futtermitteln emp- fohlen war, wie die Einschränkung der Schweinebestände und * Sit. nach Eltzbacher, „Die deutsche Volksernährung", S. 2.