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nur selten getragen, die Chorherren gingen in Zivilkleidern wie Bürgersöhne.
Diese Verweltlichung wurde selbst der staatlichen Obrigkeit zu arg. So erließ
Kaiser Franz 1822 ein Dekret, das allen Ordensgeistlichen seines Reiches strenge
vorschrieb, nicht weiter in Fräcken und Zivilkleidern auszulaufen, so daß man
nicht wisse, wessen Standes sie seien. Sie sollten wenigstens einen kurzerr Habit
tragen und darüber einen Rock von dunkler Farbe; auch die Klausur schärfte dies
Dekret ein. Alte Herren suchten in Schlägl noch Zucht und Ordnung zu retten; als
sie starben, war alle Disziplin dahin. Abt Wilhelm Waldbauer erscheint als ihr
Totengräber. Er war ein schwacher, lässiger Mann, der fast jeden Diener fürchtete
und sich von den Offizialen (Laien) alle Gewalt entringen ließ. Wem: nur seine
Herren lustig waren, war er schon zufrieden. So kam es auch, daß öfter bis tief
in die Nacht in der Kellnerei gezecht wurde, daß man dort an Sonntagen sogar
während des Gottesdienstes lärmte und die Andacht störte. Das Stift war vielfach
eine gemütliche Versorgungsanstalt für Linzer Beamtensöhnchen geworden, die
ohne wahren Berus eingetreten waren. Man kann ohne Uebertreibung sagen:
im Ordensleben sah Schlägl seit seinen traurigsten Zeiten im 16. Jahrhunderte
keinen so tiefen Verfall mehr als zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
So stand es um das Stift, als der erste Abt des abgelaufenen Jahrhunderts,
Adolf Fähtz, gewählt im Oktober 1816, seine Tätigkeit begann. Mit jugend
lichem Eifer ging er an die Beseitigung der Mißstände. Er wollte nicht nur Stifts
vorsteher heißen, sondern es auch sein. Er stellte in: Hause wieder Ordnung her
und besetzte die Pfarreien nach und nach mit würdigen Priestern. Unter ihn:
zog wieder ein Geist ein, der Bürgschaft gab, daß das Stift seiner Verpflichtung
in religiöser und wissenschaftlicher Beziehung gerecht bleiben werde. Aber es
sollte ihm nicht beschieden sein, die große Aufgabe zu vollenden. Hinderlich war
ihm sein oft zu energisches, schroffes Auftreten. Dies verschaffte ihm wohl Respekt
bei Dienern und Untertanen, stieß aber viele seiner Brüder ab. Er fand ungeahnte
Schwierigkeiten und sein Eifer wurde oft verkannt. Dies sowie seine stete Kränk
lichkeit bewogen ihn, im Jahre 1837 zu resignieren. Sein Streben würdigte
sein Bischof und persönlicher Freund Gregorins Thomas Ziegler von Linz treffend
mit der Anerkennung, es sei sein Verdienst, das Stift „so viele Jahre und unter
so schweren Zeitläuften so hoch und vermögend emporgebracht zu haben".
Was Abt Adolf begonnen hatte, sollte sein Nachfolger Dominik Lebschy
vollenden: die Befreiung des Stiftes vom josefinischen Geiste. Fm besten Alter
stehend, er war 1800 geboren, erfreute er sich trotz seiner unscheinbaren Gestalt
einer dauernden Gesundheit. Als Gymnasialprofessor in Linz, als Lyzealprofessor
in Salzburg und Erzieher im gräflichen Hause Thürheim hatte er sich einen weiten
Blick und weltmännische Manieren angeeignet. Er war persönlich fromm und
ein Muster in der Beobachtung der Hausordnung und der Ordensbestimmungen.
Dies ist ihn: um so höher anzurechnen, als er selbst noch die flache, in josefinischem
Geiste geleitete Erziehung im Generalseminare mitgemacht hatte. Er verleugnete
auch als Prälat nie den einstigen Philosophieprofessor. Im Gegensatze zu seinem