Das rauhe Leder, so sie von ihrem Schächten haben und wiederum verkaufen wollen, sollen sie selbes den Rot- und Weißgärbern allhier erstlich anbieten; könnten sie aber nicht verkaufen, soll es ihnen ander- orten zu verkaufen nicht verwehret sein. Zu sagen demnach kraft dieses, daß sie also jetzige und künf¬ tige Judenschaft von uns und unsern Nachkommen steif und fest also geschützet und erhalten und ihnen in geringstem hierin Verhinderung zu tun in keiner¬ lei Weise und Wege gestattet werden solle/6 Dieser Vertrag ist im Vertragsbuch der Stadt N. Eine be¬ glaubigte Abschrift erhielt die Judenschaft ausge¬ folgt. In dem Untertanenverzeichnisse, das alle Herr¬ schaften und Städte Böhmens im Auftrage des Böh¬ menkönigs dem Gubernium (Statthalterei) in Prag mit Angaben über Alter, Beruf, Religion und Nation im J. 1651 vorlegen mußten, sind merkwürdigerweise keine Juden von N. genannt. Entweder wurden die Juden von der Schutzherrschaft Haid in einem eige¬ nen Verzeichnis aufgenommen worden, oder die Ju¬ den waren im 30 jähr. Kriege von hier fortgezogen. Neuere Geschichte. Zwischen der Arbeit des Herrn Oberlehrers W. Klimsa-Neustadtl und der vorliegenden liegt ein mächtiger Zwischenraum. Seit dem dreißigjährigen Kriege und der Zeit der Judenausweisung aus Böh¬ men, mit welcher Epoche die Arbeit des Herrn M. Klimsa schließt, gab es Epochen der Rückkehr und einer ruhigen Lebenspause, in welcher sich die jü¬ dischen Gemeinden des Böhmerwaldes wieder er¬ holen konnten. Leider sind uns für N. (ebenso wie für Pfraumberg (Primda) keine Dokumente außer den Grabsteinen erhalten geblieben, weil die zum größten Teil aus Holz erbauten Häuser im Laufe der Zeiten wiederholt dem Feuerbrande zum Opfer gefallen sind. Am furchtbarsten litt N. unter der Feuerkatastrophe im Sommer des J. 1867. Da¬ mals wurde die ganze Stadt, mit ihr auch die Syna¬ goge und das jüdische Gemeindehaus bis auf den Grund vernichtet. Auch die jüdischen Matriken¬ bücher, die weit älter als die josefinischen Dekrete liber die Matrikeneinrichtung waren, sind zu Grunde gegangen. Daß die Gemeinde heute ihre Matriken¬ bücher bis zum J. 1784 in kompletter Folge besitzt, verdankt sie der emsigen Lebensarbeit ihres nach maligen K. V., des sei. ML Dr. Moritz Gans, welcher weder Zeit noch Kosten gescheut und die Matriken¬ bücher in den herrschaftlichen Archiven von Tachau und der katholischen Ortspfarreien, insoweit in den¬ selben die jüdischen Familien eingetragen waren, neu verfaßt und ergänzt hat, so daß die Matrikenbücher seither in der üblichen, gesetzlichen Art und Weise fortgesetzt werden konnten. Das gut erhaltene Buch ist wohlverwahrt beim K. V. Alfr. Lang: „Ge¬ schäftsjournal der Israelit. Matrikenführung Neu- stadtl". Am inneren Titelblatt ist die Abschrift des Aktes „Bestallung des Dr. Moritz Gans zum Matriken¬ führer64 vom 30. Dezember 1895. Die Matriken sind im J. 1847 von David Popper, Religionsweiser aus Neumarkt, gebürtig aus Wällischbirken, Prachiner Kreis, unterfertigt. Die letzte jüdische Hochzeit in N. fand am 13. August 1928 statt (Ernst H a u s s c h i 1 d- Tachau mit Frl. Valerie Lang); der Grund, daß so selten Trauungen dortselbst vorkommen, liegt darin, daß diese in Pilsen oder in Prag abgehalten werden. Dr. Moritz Gans erwarb sich um die nach dem großen Brande total zu Grunde gegangene Juden¬ gemeinde N. große Verdienste. Seinem Eifer und seiner ungemein verbreiteten Beliebtheit hatte es did Gemeinde zu verdanken, daß in verhältnismäßig kur¬ zer Zeit sowohl die schöne Synagoge, als auch das Gemeindehaus mit der Schule und Tauchbad („N. C. 200") neu erbaut worden sind. Im Memorbuche, welches gleichfalls den Flammen zum Opfer gefallen, jedoch dem kolossalen Gedächtnisse Dr. Moritz Gans und einiger „Sekenim66 wieder neu entstanden ist, ist — als erste Eintragung — sein Vater David Gans, geb. 1807, gest. 1884, als zweite, der Mechu- ten Moritz Z e i n e r, geb. 1827, gest. 19] 0 — dies also gewissermaßen eine Dankschuld „pro domo'; —. Die K. G. N. verwaltet eine einzige Stiftung, deren Genuß, ca. 600 Kc Zinsen jährlich, an dem Seelengedächtnistage einigen jüd. Ortsarmen von Haid zufallen. Der Wohltätigkeitsverein, weicher hier zugleich die „Chewra Kadischa" ist, besteht schon einige Jhte. Die Statuten sind jedoch ersi seit der gesetzlichen Konstituierung des Vereines vom 25. Dezember 1898 bestätigt. Eine jüdische Volksschule bestand in N. noch bis zirka 1850; nach deren Auflassung gab es daselbst nur noch jüdische Chederschulen, welche abwech¬ selnd den einzelnen Balbatim bestanden. Als Lehrer an denselben wirkten die jeweiligen Rabbiner bzw. Kantoren der Gemeinde: R. Moses Recht, S. Reich, Brumml; die Kinder besuchten seit dem Verfall der eigenen jüdischen die öffentliche Ge¬ meindevolksschule. Jetzt kann die Gemeinde N. keinen geprüften Rabbiner mehr anstellen, weil nur noch zirka 12 zahlende Mitglieder der Gemeinde an¬ gehören, die mit dem Erhalt des Gemeindebestandes stark belastet sind. Die jüdische Gemeinde hat bloß einen Kantor aus der Reihe der ehemal. Kriegsflücht¬ linge, Pinkas Low, aufgenommen, der die Funk¬ tionen der ehemaligen Rb. und Lehrer ausübt. Tempel (Innenansicht) Die Synagoge besitzt ein eigenes Gebäude, wel¬ ches, vor zirka 200 Jahren erbaut, nach dem großen Brande am 20. Mai 1876 neu errichtet wurde. Der Tempelvorsteher ist Siegmund Lang, dessen wir später noch erwähnen müssen. In den Bänken liegen zahlreiche, mitunter recht wertvolle Bände, zumeist Prager und Sulzbacher Drucke, eine schöne Ménora steht im Hintergrunde, während der „O raun ha Ko- clesch", mit einem kostbaren Perachoth verhängt, den Namen des Spenders (Jakob Holzer) nennt. Stráz 458 JMeustadtl 2