96 Unsrer lieben Frauen Gnadenthron. Die 100 Iakre der Verlassenheit. (1785—1885.) Das seines Schmuckes beraubte Gnadenbild wurde nun aus der Kapelle des edlen Don Marradas entfernt. Über höhere Anordnung sollte es der Vergessenheit geweiht werden. In der Kirche stand ein gotischer Seitenaltar mit einer Kreuzes gruppe. Diesem Altar, dessen Hauptbild sich durch Seitenflügel verschließen ließ, nahm man einen solchen Flügel und ersetzte ihn durch das Gnadenbild, dessen Fassung aus schwerem Eichenholz gerade hiezu paßte. Nur der untere Rand der Inschrift ragte einige Zoll breit hervor. Diesen sägte man ab, ersetzte ihn durch eine schwächere Leiste und der Flügel war fertig. Rückwärts befestigte man an das hl. Bild schivere eiserne Charniere, deren Spuren heute noch sichtbar sind und eine ungeübte Hand unterfing sich auf der Rückseite das. hl. Bild zu kopieren. In dieser unwürdigen Stellung mochte das hochverehrte Gnadenbild bis zum Jahre 1792 bleiben. Um diese Zeit erbarmte, man sich seiner und stellte es auf den Hochaltar wieder in jenen silbernen Rahmen, den einst P. Anton Freund hiefür verfertigen ließ. Trotz der argen Verlassenheit in diesen Jahren hörte Unsere liebe Frau nicht auf, ihre Gnaden reichlich zu spenden. Ja wir erleben sogar an's Wunderbare grenzende, wenn auch sehr vereinzelte Gebetserhörungen. Die Piaristen, ihre damaligen Hüter, waren vorzügliche Schulmänner, der Pstege jener Andacht aber, wie sie ehedem an diesem hl. Orte geblüht, ebenso wie jeder anderen Seelsorge standen sie grund sätzlich fern. Das Predigen war teils nicht ihr Zweck, teils, mit Ausnahme ihrer Reden für die studierende Jugend, nicht gestattet. Beichtstühle waren in der Kirche nur einige wenige und selten ein Beicht vater darinnen. Sonn- und Feiertags sammelten sich zur Schul- und Soldaten- Messe die Gläubigen in der Marienkirche; auch der Segen war gut besucht. Doch soll es in jener Zeit nicht wenig Leute gegeben haben, die erstaunt horchten, wenn man ihnen sagte, die „Budweiser Mnttergottes" sek ehedem ein vielverehrtes Gnadenbild gewesen. Dieselben Kultusgesetze, die den Vätern der frommen Schulen gegen ihre Bestimmung die Tätigkeit an Gymnasien und Universitäten ermöglichten, haben sie auch wieder weggefegt. So verließen sie 1871 — aus Mangel an Dotation, wie man sagte — auch die Budweiser Anstalt, ohne der kirchlichen Behörde hievon auch nur die Anzeige zu machen. Rur zwei Patres blieben noch zurück, der provisorische Direktor des k. k. deutschen Gymnasiums P. Hammer und der Religionsprofessor P. Eberl, um der Tätigkeit am gedachten Gymnasium obzuliegen, Rach erfolgter Ver setzung des P. Hammer in den Ruhestand, zog sich derselbe nach Rieder- Osterreich zurück. Infolgedessen verwaiste die Marienkirche gänzlich, so zwar, daß in den Jahren 1871 und 72 der Gottesdienst in derselben von der pfarrlichen Seelsorge besorgt werden mußte. Diese war aber in jener Zeit mit eigenen Arbeiten derart überbürdet, daß ihr die Sorge für die Marien