Österreich-Ungarns Problem 77 den die genannten Fragen keine Rolle gespielt (vgl. jedoch unten S. 105). Frankreich tritt als Kläger gegen Deutschland in der Llsaßfrage auf und sollte sich eigentlich Italien gegenüber wegen Savoyen ver¬ antworten, aber es wurde nicht angeklagt. Deutschland verantwortet sich in Bezug aus Elsaß und Polen (um von Nordschleswig nicht be¬ sonders zu sprechen), Italien tritt gegen Gsterreich wegen Trento und Triest als Kläger auf, Rußland verteidigt sich gegen Rumänien wegen Beßarabien, hat Ansprüche an die Türkei in Armenien und an Gsterreich im ukrainischen Galizien,- außerdem ist es in der pol¬ nischen Frage neben Österreich-Ungarn und Deutschland engagiert. Gsterreich-Ungarn schließlich spielt Italien gegenüber im Südwesten die Rolle des Angeklagten, Serbien gegenüber im Süden, Rumänien gegenüber im Südosten, Rußland gegenüber im Gsten und in gewis¬ sem Grade auch Polen gegenüber im Nordosten. Ls fällt gleich in die Augen, daß Gsterreich das am meisten be. lastete Land ist (vgl. Karte HI). Auf seinem Konto stehen nicht weni¬ ger als fünf kritische Fragen, und unter diesen die zwei ersten Ranges. Die Nationalitätsfragen vereinen sich auf zwei kritischen Linien: aus der Gstgrenze gegen Rußland und auf der Südgrenze gegen die Lal- kanhalbinsel (sowie Italien). Und bei allen Prozessen ist Gster¬ reich-Ungarn der Angeklagte. Aus seinem Reichskörper haben alle anderen ihre Hypotheken. Sehen wir uns dann innerhalb seiner Grenzen um. so begegnen wir in Böhmen auch einem nationalen Freiheitsproblem, das mit einer Energie gepflegt wird, die bei ge¬ wissen Gelegenheiten während des Krieges die Loyalität abflauen ließ — das einzige Beispiel hierfür, außer gewissen anderen aus dem Lande der Ruthenen (vgl. oben S. 72). Mir machen hier bei einem großen Resultat halt: wenn das türkische Asien die geopolitische Hauptachse des Weltkrieges ist, so liegt der ethnopolitische Schwer¬ punkt, soweit wir bisher gesehen haben, in der Habsburgischen Mon¬ archie. „Oer Schlüssel zu der ganzen Situation", sagt auch Seton- w atso n von seinem Standpunkt aus, „liegt bei Gsterreich-Ungarn." Uj ellän, Probleme des Weltkrieges. 8.5lufl. 6