Die Ursachen des Zusammenbruches der türkischen Armee. 14 Tage, in welchen die türkische PjfcV» Armee von der bulgarischen Grenze bis in die Tschataldschalinie )urück- * * geworfen wurden, haben in der Ge schichte kaum ihresgleichen. Der Zusammenbruch der Türkei erinnert an den Zusammenbruch der napoleonischen Herrschaft vor hundert Zähren und es ist nur begreiflich, daß man eifrig nach Gründen für diesen beispiellosen Zusammenbruch forscht, über die Mängel in der Organisation der türkischen Armee haben wir bereits anläßlich der ersten Mederlagen in Thrakien gesprochen. Jetzt liegt die Katastrophe, von der das osma- nische Reich getroffen wurde, klar vor uns und es mag an der Zeit sein, sich eingehender mit den Gründen, mit den Ursachen dieser Meder lagen zu befassen. Diese Ursachen sind geschicht liche und rein militärische. Geschichtliche, soweit sie den Zusammenbruch der ganzen europäischen Türkei betreffen, militärische, in bezug auf den katastrophalen Zusammenbruch der türkischen Armee. Im Jahre 1356 ist die erste Horde des mittelasiatischen Kriegervolkes der Türken in Europa eingefallen. Das zerfallende Byzanz und die slawischen Königreiche der Serben und Bulgaren lagen unter sich in beständiger Fehde. Der Türke verbündete sich bald mit dem einen, bald mit dem anderen, bis er alle unter seine harte Botmäßigkeit gebracht hatte. Die Schlacht auf dem Amselfeld hat den Balkan für Jahrhunderte unter türkische Herrschaft gestellt, und 1453 fiel Konstantinopel selbst. Rauchende Trümmer, verwüstete Felder, verstümmelte Leich name bezeichneten den Weg der osmanischen Heere und nur wer von den Unterworfenen zum Islam übertrat, wurde als gleichberechtigt in die kriegerische Gemeinschaft der Osmanen aufgenommen. Was „ungläubig" blieb, war die Herde, rechtlose Sklaven, von Beamten und Soldaten mißhandelt und ausgezogen und den Räubereien mohammedanischer Rach barn preisgegeben. Trotzdem sind mehr als vier Fünfteile der Balkanvölker christlich geblieben, haben sich ihr Rationalbewußtsein, ihre Sprache und Rasse erhalten. Die grauenvolle Geschichte des Balkans ist bereits erzählt worden und wir wollen nicht noch einmal der entsetzlichen Dinge gedenken, die sich seit Jahrhunderten auf der Halbinsel ereignet haben. Die Türken verstanden es nicht, die unterworfenen Völker zu türkisieren; sie blieben eine numerisch kleine Herrennation innerhalb der von ihnen beherrschten Slawen völker. Es wurde den Machthabern in Konstan tinopel keineswegs leicht, diese Herrschaft zu behaupten und im Laufe des letzten Jahrhun derts hat die Türkei beinahe die Hälfte ihres euro päischen Besitzstandes verloren. Wie der Türke kein Kolonisator ist, so ist er auch kein Admini strator. Die türkische Mißwirtschaft hat schon früh den Mächten die Vormundschaft über das osmanische Reich gebracht und unter dieser Vor mundschaft, die keineswegs uneigennützig aus geübt wurde, verfiel die Türkei in ihrem Innern immer mehr. Sie hat im letzten Jahrhundert nicht einen Kulturwert geschaffen; Maschinen und Waffen, Schiffe und Seehäfen, Festungen, Paläste und Eisenbahnen mußte der Fremde schaffen, für die Verwaltungs- und Heeresein richtungen mußte der Fremde sorgen. Er tat es, aber die Türkei hat einen ungeheueren Preis dafür bezahlen müssen und mit dem Augenblick, da der Fremde die neugeschaffenen Einrichtungen der Hand des Türken überließ, verfielen sie einer raschen Verlotterung. Abhängig von den Groß mächten hatte die Türkei sich vieler finanzieller Ouellen begeben und litt deshalb ununterbrochen an den schwersten Finanzkalamitäten. Die euro päischen Mächte mußten eigene Postämter unter halten, ihre Angehörigen stehen unter ihren Konsulargerichten, der Geldverkehr des Staates wird durch die ottomanische Bank, ein von Europäern geleitetes Institut, besorgt. Es ist eine geschichtliche Rotwendigkeit, daß ein Staats