Der Nusmarsch -er Balkanarmeen. 57 □□ befördert. 51 Stunden waren die Leute unter wegs und hatten nichts zu essen. Vom asiati schen Ufer des Bosporus wurden sie auf Dampfern nach Stambul gebracht. Da standen sie nun hilflos und ratlos am Kai. Riemand war da, sie zu empfangen, ihnen zu zeigen, wo sie Hingehörten! Sie zogen in langen Kolonnen durch die Straßen, ziellos und zwecklos. Schließ lich war der Hunger nicht mehr zu ertragen. Sie lösten sich in kleine Trupps auf und diese armen Bauern gingen bei den türkischen Kauf leuten von Tür zu Tür und baten um ein Stückchen Brot. Dann meldeten sie sich in den Kasernen, wo immer sie eine fanden, wurden aber dort abgewiesen mit den Morten: hier wäre alles voll, sie sollten nur in die Stadt gehen, man würde sie schon rufen, wenn sie nötig wären. Wieder zogen die armen Bauern auf den Bettel aus und hätten die Nusländer den Kriegsminister nicht auf diesen skandalösen Zustand aufmerksam gemacht, so liefen sie heute Das ist ein Stimmungsbild aus der türki schen Hauptstadt, für das selbstverständlich dem Berichterstatter die Verantwortung überlassen bleiben muß. Aber die Sorglosigkeit — um nicht ein schärferes Wort zu gebrauchen — ging bei der türkischen Heeresverwaltung so weit, daß die schweren Mängel gar nicht mehr verborgen werden konnten. Hungernde Redifs waren in den Straßen Konstantinopels zu der Zeit der Mobilisierung etwas derartig Ge wohntes, daß sie den Korrespondenten der euro päischen Presse bereits zum Straßenbild zu ge hören schienen. Die Vernachlässigung aller sanitären Maßregeln hat sich auch bereits während der Mobilisierung gerächt: es verging kein Tag, an dem nicht mehrere Fälle von Typhus und schwarzen Pocken konstatiert werden mußten. Was aber für die türkische Armee schon damals als das Schlimmste und Folgenschwerste erkannt wurde, das war die Tatsache, daß der Türkische Kavallerie. noch bettelnd umher. Die Angst vor der fremden Kritik veranlaßte jedoch Razim Pascha, seine Reservisten aufgreifen zu lassen und ihnen Uniformen und Quartiere zu geben. Iu essen aber werden die eingezogenen Reservemann schaften wohl nach wie vor herzlich wenig be kommen, wenigstens wird berichtet, daß ein zur Abfahrt bereites, hungerndes Redifbataillon nur durch die Hodschas, die Priester, davon abgehalten werden konnte, eine Hungerrevolte zu veranstalten. Richt besser als im Reiche der Intendantur sieht es im Medizinalwesen aus. Der Korpsstabs apotheker, ein Deutscher, hat gewissenhaft das nötige Material an Medizinen und Verband stoffen besorgt. Er hat es für 12 Formationen genau verteilt, die Verpackungsvorschriften dazu gegeben und die Aufforderung an die Truppen ergehen lassen, ihren Teil abzuholen. Rur drei Formationen sind der Aufforderung nachgekommen, die anderen sind ohne Sanitätsmaterial in die Front gegangen. Die unbequemen Sachen zu verpacken ist lästig. Und dann kommt es ja doch wie Allah will." Balkankrieg. Train bei diesem Heere nur ungenügend vor handen war. Eine Armee braucht bekanntlich auch noch etwas anderes als tapfere, todesmutige Soldaten, die bereit sind, ihr Leben für das Vaterland zu opfern. Auf Ochsenwagen, wie sie gerade in der Eile aufgetrieben werden konnten, ging den RegimenternBagage,Munition und Proviant nach, so weit nicht Bahnlinien zur Verfügung standen, die aber, wie die Linie nach Adrianopel, fast ausschließlich zum Trans port der Truppen selbst benutzt wurden. In den Tagen kurz vor dem Ausbruch der Feindselig keiten hat ein Kenner der türkischen Verhältnisse das Wort gesprochen: der türkische Soldat ist vielleicht der hefte der Welt. Er hat nur einen Feind, dem er nicht gewachsen ist: die türkische Verwaltung! Wie bitter dieser Mangel an jeder vernünftigen Organisation sich rächen mußte, sollte sich nur zu bald zeigen. Uber den Aufmarsch der osmanischen Truppen ist vor dem Ausbruch des Krieges so viel wie gar nichts bekannt geworden. Man wußte nur, daß die Türkei ihre Hauptmacht den Bulgaren