Kriegsvorbereitungen und ^riedensbestrebungen der Türkei. Mobilisierung der Türkei an der bulgarischen Grenze hatte angeblich •3^)2/ den vier Balkanstaaten den Anlaß ^ » geboten, auch ihrerseits die Mobil machung anzuordnen. Gewiß ist, daß in der Türkei wie in den Balkanstaaten schon lange vorher mit der Möglichkeit eines Krieges ge rechnet wurde und daß man unter der Hand und in aller Stille die entsprechenden Vor bereitungen traf. Mit der Veröffentlichung der Mobilmachungsbefehle kam nur ein stram meres Tempo in die Aufmarschbewegung. Die Türkei, seit ihrem Bestehen ein Militärstaat mit ungeheuren Vesourcen in Kleinasien, be fand sich trotz der hohen Ziffer ihrer mobilen Streitkräfte von Anfang an in einer schlimmeren Lage als die Vachbarstaaten. Truppentrans porte aus Kleinasien waren wegen der Be drohung dieser Transporte durch die italienische Flotte unmöglich. In der europäischen Armee aber herrschte bis in die letzte Zeit ein gefähr licher Geist. Aus den Tagen der letzten Mili tärverschwörung, die den Stuy der jungtürki schen Regierung durchsetzte, war das Offyiers- korps in zwei feindliche Lager geteilt; war auch in die Armee selbst der verderbliche Funke der Politik geschleudert worden und glimmte noch fort. Der Arnautenaufstand hatte das türkische Heer in keiner guten Verfassung gesehen und man darf wohl glauben, daß unter solchen Um ständen die Pforte viel lieber den Frieden gewahrt, als den Krieg vorbereitet hätte. Immerhin wurde die Mobilisierung mit ziemlicher Energie begonnen. Die Einteilung der Armee im Kriegsfälle stand nicht von vorn herein fest, weil die Truppen stets so verwendet und in Verbände zusammengefaßt wurden, wie es ihre Kriegsbereitschaft verlangte. Vach der Friedenseinteilung -tu schließen, konnten in der europäischen Türkei 7 Armeekorps aufgestellt werden, welche einen Stand von 620 Batail lonen, 163 Eskadronen, 186 Batterien und 250 Maschinengewehren mit insgesamt 450.000 Mann, 21.000 Reitern und 1048 Geschützen aufwiesen. Es zeigte sich jedoch von Anfang an der große Vachteil, daß außer den Train abteilungen keinerlei organisatorische Vorkehrung für mobile Anstalten getroffen waren. Schlechte Kommunikations- und Verkehrsverhältnisse, die Votwendigkeit, den Vachschub fast ausschließ lich mit gemieteten oder requirierten Transport mitteln zu besorgen, erschwerten den Aufmarsch insbesondere im Vordwesten. Dagegen war die Kriegsstimmung in Kon stantinopel selbst eine sehr starke. Der alte Zanitscharengeist, der auch in den Osmanen von heute noch immer fortlebt, das ererbte Ge fühl der Überlegenheit über die benachbarten, bis vor kurzem noch beherrschten Völker, machten die türkische Bevölkerung der Hauptstadt sieges sicher. 3n Konstantinopel wurde schon in den ersten Tagen des Oktober mehr vom Kriege gesprochen, als in den anderen Hauptstädten des Balkans. Die gesamte türkische Presse rief nach Krieg; die türkischen Studenten veran stalteten Straßenumzüge und Demonstrationen vor den Gesandtschaften und Konsulaten der Balkanstaaten und riefen: „Vieder mit Bul gariens" Selbst ein so gemäßigter Mann wie der Minister des Äußern Voradunghian, Armenier und Christ, erklärte: „So geht es nicht weiterl Mir waren geduldig, aber unsere Geduld ist erschöpft. Schrecklich ist es, daß es kein Krieg, sondern ein Schlachten werden wird. Die Erbitterung bei uns läßt sich nicht be schreiben. Wir sind zu allem entschlossen." Die Pforte hatte schon vorher den Trans port serbischen Kriegsmaterials auf der Bahn strecke Saloniki—Üsküb inhibiert und den Inhalt mit Beschlag belegt. Die Schritte Serbiens für die Bewilligung der Durchfuhr wurden von der Pforte zurückgewiesen, auch auf die Gefahr einer sofortigen Kriegserklärung hin. Am 5. Oktober fanden in Konstantinopel auf dem malerischen Riesenplatz vor der Achmed- Moschee zwei patriotische Massenkundgebungen, eine von der liberalen Partei, eine andere von dem jungtürkischen Komitee veranstaltet, statt.