165 Fürsorge nicht durch die Staatsbehörden als solche in die Praxis übersetzt werden kann. Wir brauchen dazu die Mitwirkung der Länder und Gemeinden, der Träger der Sozialversicherung, der Vereine und der Privaten, mit einem Wort: wir brauchen dazu die Mitwirkung der ganzen Bevölkerung. Nur wenn die ganze Bevölkerung an der sozialen Fürsorge mitwirkt, kann durch sie Fruchtbares geleistet werden. Es-,;muh also eine g r o ß e Beweg u n g f ü r A.u s ü b u n g s o z i a 1 e r Fürsorge in die Bevölkerung ge trage n, wo sie bereits besteht, auch für die Zeit nach dem Kriege er halten werden, es muß das Interesse an ihren Aufgaben, der Wunsch, an ihr auch nach dem Kriege mitzuwirken, in allen Volkskreisen geweckt werden. Dazu bedarf es intensiver Agitation, die' gerade jetzt, da der Krieg doch in mannigfacher Weise den Boden empfänglich gemacht, eher als zu irgend einer anderen Zeit, auf gute Wirkung rechnen kann. Es müßte dafür gesorgt werden, daß in der Presse aller Richtungen fortwährend Aufsätze über die Probleme sozialer Fürsorge er scheinen; nicht aber in der Art, wie es jetzt geschieht, daß stets nur geschildert wird, was dieser oder jener Verein, diese oder jene Körperschaft dank der Arbeit dieser oder jener Personen Herr liches geleistet hat, so daß man glauben könnte, daß alles auf das beste bestellt sei — sondern die noch zu lösenden Aufgaben, die sich ergebenden Schwierigkeiten müßten zur Erörterung gelangen; es müßten weiters W a n d erlehr e r in alle Städte und größere Gemeinden geschickt werden, die dort die Bevölkerung und vor allem die leitenden Personen der in Betracht kommenden Körper schaften über die Aufgaben sozialer Fürsorge, zum Beispiel über die Aufgaben der Tuberkulosefürsorge und über die Wichtigkeit der Tuberkulosebekämpfung aufklären, mit ihnen die besonderen örtlichen Eigentümlichkeiten besprechen, ihnen bei der Schaf fung von Einrichtungen an Ort und Stelle mit Rat und Tat an die Hand gehen. Solche Wanderlehrer, solche Agitatoren müßten vor allem von den bereits bestehenden privaten Zentral organisationen, sie müßten aber auch von der Sanitäts- und Unterrichtsverwaltung hinausgesendet werden; die Zentralorgam- sationen müßten auch für Beteilung der Presse mit geeigneten Aufsätzen sorgen. Nur wenn es 'gelingt, der Bevölkerung selbst die Ueberzeugung von der Notwendigkeit sozialer Fürsorge beizu bringen, sie zur Mitarbeit zu gewinnen, nur dann können Erfolge erzielt werden. Die Bevölkerung muß den Ausbau und die Aus übung sozialer Fürsorge als ihre eigenste Angelegenheit erkennen, die durchzuführen ihre eigene Aufgabe sei. Sie darf nicht zu der Meinung gelangen, daß all dies zu machen und zu ordnen eine Sache der Staatsverwaltung sei. Eifrige Mitarbeit der Bevölkerung wird nur dann zu erwarten sein, wenn ihr die Möglichkeit zu unbehinderter Tätigkeit gegeben wird; wenn sie allseits auf Be hördliche ' Reglementierung und Bevormundung stößt, wird sie Zu der. Ansicht gelangen, daß dies — ebenso wie Seuchenbekämpfung, Wasserversorgung, Kanalisierung — eine Sache der Behörde sei, an der der einzelne Staatsbürger nicht mitzuwirken brauche. Ein kaiserliches Handschreiben vom *1. Juni 1917 kündigt die Schaffung eines Ministeriums für Volksgesundheit und soziale Fürsorge an. Wie zweckmäßig die enge Vereinigung der