362 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. ein reicher Eeländegewinn gewahrt, zu dem sich auch Zahlreiche Gefangene gesellten: nicht weniger als 1600 Mann nebst 24 Offizieren und 17 Geschützen fielen in unsere Hand. Am 26. April wurde der Eeländegewinn verschiedentlich noch vergrößert. Auch in den nächtlichen Nahkämpfen im Priesterwalde drangen die Unsrigen siegreich vor, wobei sie dem Feinde besonders große blutige Verluste beibrachten. Vom 24. bis 28. verlor dieser allein an Gefangenen die für einen Stellungskampf gewiß sehr stattliche Zahl von 43 Offizieren, darunter drei Regimentskommandeure, und rund 4000 Mann. In der Champagne griffen unsere Truppen nördlich von Le Mesnil ebenfalls an; sie stürmten am 27. April eine französische Befestigungsgruppe und behaupteten sie siegreich gegen mehrere feindliche Gegenangriffe. Die Franzosen verloren 60 unverwundete Gefangene und 4 Maschinengewehre sowie 13 Minenwerfer. _ Am nächsten Tage unternahmen sie neue Gegenangriffe, die aber sämt lich an unserer Front zerschell ten. Die hier gemachten fran zösischen Gefangenen befanden sich in einer jammervollen Ver fassung ; sie zitterten vor Angst, daflhnen von ihren Offizieren vorgeredet worden war, sie würden, wenn sie in deutsche Gefangenschaft gerieten, so fort erschossen werden. — i ' Von den übrigen Teilen des westlichen Kriegschauplatzes wäre zunächst zu bemerken, daß wir auch dort überall siegreich blieben. So waren uns in den Argonnen am 7. und 10. Februar Erfolge beschieden, und auch bei Ver dun, das von unsern Flie gern mit etwa 100 Bom ben belegt wurde, machten wir fast täglich Fortschritte. Mitte des Monats eroberten wir im Argonnenwalde weitere Teile der feindlichen Haupt- stellung , machten 350 Ge fangene und erbeuteten 2 Ee- birgsgeschütze sowie 7 Ma schinengewehre. Daraufhin griffen nun die Franzosen am 17. unsere Stellung bei Bou- reuilles - Vauquo.is an, ohne etwas anderes zu erreichen als den Verlust von 5 Offizieren und 479 Mann an Gefangenen. Bei Toul, im Priesterwalde, sowie östlich von Verdun, bei Combres und Ailly-Apremont wurde der Gegner an den folgenden Tagen teilweise nach anfänglichen Erfolgen gleich falls wieder in seine Stellungen zurückgeworfen. Am 27. erstürmten unsere Truppen südlich von Malancourt mehrere hintereinander liegende feindliche Stellungen. Am 1. März wiederholten die Franzosen bei Vauquois ihre Angriffe, am 3. bei St.-Hubert, wiederum ohne jeden Erfolg. Es verdient in diesem Zusammenhang ein Schriftstück besondere Erwähnung, das bei einem im Walde von Bo- lante in den Argonnen gefallenen französischen Offizier des 5. Kolonialregiments gefunden wurde. Es handelt sich um folgenden Versuch der französischen Heeresleitung, den durch den mißglückten Durchbruchsversuch in der Champagne entmutigten Truppen neue Hoffnungen einzuflößen: „Großes Hauptquartier, 2. Bureau. 8. März 1915. Unser Sieg ist gewiß. Die französischen Armeen haben jetzt sieben Monate hindurch gefochten mit dem Willen zum Siege. Nun aber kämpfen sie mit der Gewißheit des Sieges. 1. Die deutschen Verluste. Das deutsche Heer kann sich nicht mehr verstärken, weder an Zahl noch an innerem Gefechtswert. Es ist dem Untergange verfallen. Die Verluste der Deutschen, einschließlich der Kranken, übersteigen jetzt schon drei Millionen (!!). Die Regimenter und Bataillone sind vollkommen verbraucht. Für jedes Regiment sind durchschnittlich nur noch zwölf Berufs offiziere zum Dienste vorhanden, und da das deutsche Offizierkorps sich nur aus den ersten Gesellschaftskreisen ergänzt, ist Deutschland heute nicht mehr in der Lage, der Truppe Offiziere zuzuführen. Die deutschen Geschütze sind abgenutzt. Viele ihrer Granaten krepieren nicht. Unsere Soldaten wissen es. Für die Rekrutenausbildung steht nur jedem dritten Mann ein Gewehr zur Verfügung. 2. Deutsch land verhungert! Der Nachschub an Kriegsmaterial für die kämpfenden Truppen, der schon bisher schwierig war, fängt an, unmöglich zu werden. Die Flotten Englands und Frankreichs beschlagnahmen alle Waren, die vom Aus lande für Deutschland herangeführt werden. Die deutsche Zivilbevölkerung erhält Brot, Kartoffeln, Bier und Fleisch von der Regierung in nur unzureichender Menge. Be weise für die Unzulänglichkeit der Verpflegung finden sich in Briefen, die deutschen Gefangenen und Toten abgenommen worden sind. Die deutsche Regierung hat diesen Mangel selbst eingestanden, indem sie die amerikanische Regierung ersuchte, die Verpflegung der deutschen Zivilbevölkerung zu sichern und zu beaufsichtigen (!). Ein solcher Vorschlag, der übri gens von Amerika abgelehnt wurde, steht bisher einzig in der Geschichte einer Großmacht da. Das deutsche Geld hat in neutralen Ländern einen Kurs verlust von 15 Prozent er fahren. Die deutschen Solda ten, bisher von ihren Offizieren planmäßig über alle Kriegs ereignisse getäuscht, fangen langsam an, zu begreifen, daß Deutschland geschlagen ist und daß die Hungersnot das durch unsere Waffen begonnene Zer störungswerk vollenden wird. 3. Die Verbündeten Deutsch lands geschlagen. Die Türkei/ der Bundesgenosse Deutsch lands, wird in ihrer eigenen Hauptstadt durch die Flotten Englands und Frankreichs be droht. Griechenland und Ru mänien haben mobil gemacht, um sich uns anzuschließen. Die Russen haben soeben den Ver such eines deutsch-österreichi schen Angriffs im Keime er stickt und dabei noch nicht ein mal den fünften Teil ihrer ungeheuren Kraftquelle an Rekrutennachschub verbraucht. Die Serben haben die Öster reicher für immer aus ihrem Lande vertrieben. Die deutschen' Schlachtschiffe wagen nicht, den schützenden Hafen zu verlassen. Was die Unter seeboote anbelangt, so haben wir und unsere Verbündeten schon mehr davon in den Grund gebohrt, als. sie selbst Handelschiffe vernichten konnten. Der Sieg ist uns sicher. Ohne Mitleid mit dem Feinde muß er bis zum letzten Ende durchgeführt werden. 4. Die Verbrechen der Deutschen. Mitleid verdient Deutschland wahrhaftig nicht. Seine Re gierung hat durch den Einfall in Belgien seine Vertrags pflichten gegen dieses edle Land auf das gröblichste verletzt und zu Lande und zu Wasser jedes Völkerrecht außer acht gelassen. Die deutschen Truppen haben offene Städte beschossen, wehrlose Dörfer in Brand gesteckt, Greise und Kinder ermordet, Frauen und Mädchen geschändet. Die Unterseeboote haben sogar neutrale Handelschiffe versenkt... 5. Die Leiden der französischen Gefangenen. In zahl reichen Kämpfen haben wir gesehen, wie die Deutschen unsere .Verwundeten in planmäßiger Bestialität mit dem Bajonett töteten. Die wenigen, die als Gefangene ab geführt wurden, sind in Deutschland fürchterlichster Willkür und Gemeinheit ausgeliefert. Sie sterben vor Hunger. Ihre Nahrung besteht morgens und abends in einem Aufguß aus Eicheln, mittags in einer Suppe, dazu für je fünf Mann ein verschimmeltes Brot. 6. Der sichere Sieg. Welche Schlußfolgerungen sind nun aus dem allen zu ziehen? Vater und Sohn lesen die Nachrichten aus der Heimat.