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Mit Beiträgen von
Generalleutnant z. D. Baron v. Ardenne, Oberarzt der Landwehr Dr. P. Bernoulli,
Hauptmann Dr. Walter Bloem, Marineschriftsteller Hans Bruhnfen, Professor Dr. Karl
Dove, Richard Graf Du Moulin Eckart, Paul Otto Ebe, Oberstudienrat Dr. G. Egel-
haaf. Oberst Egli, Major F. C. Endres, Konteradmiral a. D. M. Foß, Dr. H. Friede-
mann, Oberstleutnant a. D. Frobenius, Ludwig Ganghofer, O. v. Gottberg, Rifat Goz-
dovic Pascha, Dr. P. Grabein, Umversitätsprofessor Dr. Haller, Hofrat Hoppe, Eugen
Kalkschmidt, Vizeadmiral z. D. Kirchhoff, Kriegsberichterstatter Dr. Adolf Köster, Kapitän
zur See z. D. v. Kühlwetter, Dr. B. L. Freiherr v. Mackay, Major a. D. Moraht,
Kapitänleutnant a. D. v. Niesten, Walter Oertel, Dr. Paul Rohrbach, Karl Rosner,
Dr. Colin Roß, Kriegsberichterstatter Carl Graf Scapinelli, Major a. D. Schmäht,
Geh. Negierungsrat Dr. jur. Seidel, Dr. Alfred Semerau, Generalmajor v. Sprosser,
Chefarzt Sanitätsrat Dr. Vulpius, Privatdozent Dr. Weiß, Dr. Fritz Wertheimer, Privat-
dozent Dr. Wigand, Professor Dr. Theobald Ziegler, Professor Dr. Waldemar Zimmer-
mann, Maler R. Aßmann, M. Barascudts, Marinemaler Claus Bergen, Fritz Bergen,
Professor Hans Bohrdt, W. Brandes, Kriegsmaler Hugo L. Braune, G. Adolf Cloß,
KriegsmalerJofef Correggio, M. Zeno Diemer, Martin Frost, Johs.Gehrts, Schlachten-
maler Fritz Grotemeyer, Georg Hänel, Harry Heußer, Paul Hey, Professor Artur
Heyer, Professor Anton Hoffmann, Fr. Kienmayer, Marinemaler Alex. Kircher, E. Klein,
Ludwig Koch, Professor Ernst Liebermann, Curt Liebich, O. Merte, Professor Messer-
fchmitt, W. Moralt, Fritz Neumann, M. Plinzner, Albert Reich, Orientmaler
Bruno Richter, Th. Rocholl, A. Roloff, G. Romin, Professor Hans W. Schmidt, Pro-
fessor Georg Schöbel, Viktor Schramm, Wilhelm Schreuer, Curt Schulz, Professor
Hans Rud. Schulze, Professor Chr. Speyer, Professor Karl Storch, Professor Willy
Stöwer, Paul Tefchinsky, Ewald Thiel, Max Tilke, L. Tuszynski, Kriegsmaler
Ernst Vollbehr, Ernst Zimmer u. a. m.
553 Abbildungen im Text, 25 zum Teil doppelseitige, mehrfarbige Kunstbeilagen, 28 Karten
und Pläne im Text sowie ein Kriegskalender, die Ereignisse im ersten Halbjahr 1917 enthaltend.
Sechster Band
Stuttgart. Berlin. Leipzig. Wien / Union Deutsche Verlagsgesellschaft
II 21465
U'Jß'i
Nachdruck verboten.
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten
Druck der Union Deutsche Verlagßgesellschast in Stuttgart.
Knegskalen-er zur On'ginal-Ein-an-decke
der Lllustrierien Geschichte -es Weltkrieges -19-14/-H. Sechster Ban-
enthaltend die Ereignisse vom 1. Januar bis 30. Juni 1912.
Verlag der Union Deutsche Verlagügesellschafi in Stuttgart, Berlin, Leipzig, Wien.
Januar.
1. Deutsche Erfolge in der Champagne, im Argonnerwald, an der Maas
und am Mt. Faltucanu; Fortschritte an der siebenbürgisch-rumänischen Front
bis Macin; russische Vorstöße bei Riga, Dünaburg und Stanislau abgewiesen.
— 2. Neue Fortschritte zwischen Susita- und Putnatal, gegen Focsani und in
der Dobrudscha; russisch-rumänische Vorstöße auf dem Mt. Faltucanu abge-
wehrt; deutscher Erfolg im Priesterwald, deutsch-ö.-u. bei Majanow. — 3. Deut-
scher Erfolg bei Dünaburg, russischer bei Mestecanesci; bei Sowesa und an der
Oitosstraße mehrere Höhen gestürmt; Macin und Jijila genommen. — 4. Deut-
scher Erfolg bei Loos; Kämpfe bei Friedrichstadt und Dorna Watra; neue
Fortschritte gegen die Serethmündung, bei Odobesci, gegen Braila und Galatz;
Slobozia, Potesti, Gurgueti und Romanul gestürmt. — 5. Russischer Erfolg
an der Aa, bayrisch-ö.-u. am Mt. Faltucanu; neue große Fortschritte von Tartaru
bis Rimnicani, anr Sereth und in der Dobrudscha; Braila genommen. —
6. Englischer Angriff bei Arras, russische bei Mitau, Stanislau, zwischen
Focsani und Funden! abgewiesen; Sturm erfolge zwischen Oitos- und Putna-
tal und am Mgr. Odobesci. — 7. Russische Angriffe bei Riga abgewehrt; die
Russen und Rumänen zwischen Putna- und Oitostal, am Odobesci und bei
Focsani geworfen; die Milcovustellung gestürmt. — 8. Russische Vorstöße an der
Aa und bei Friedrichstadt abgewehrt; neue Fortschritte beiderseits des Easinu-
und Susitatales, an: Putnaabschnitt und bei Funden!; Focsani genommen. —
9. Russische Angriffe bei Riga, im Susitatal und an der Rimnicu-Sarat-
Mündungabgewiesen; neue Erfolge zwischen Focsani und Funden!; das englische
Schlachtschiff „Eornwallis" durch deutsches I7-Boot versenkt. — 10. Englischer
Angriff bei Ppern, russische zwischen Riga und Smorgon abgewehrt; deutsch-ö.-u.
Sturmerfolge zwischen Uz- und Susitatal und nördlich von der Oitosstraße. —
11. Englische Angriffe bei Serre und Veaucourt, russische an der Bahn Wilna-
Dünaburg abgewiesen; weitere Fortschritte an der Oitosstraße, zwischen Galatz
und Braila; La Burtea genommen; französische Angriffe am Ochridasee ab-
gewehrt. — 12. Englische Angriffe gegen Serre abgewiesen, ebenso feindliche
Vorstöße im Oitostal und gegen Stravina abgewehrt; Fortschritte im Slanic-
tal; Mihalea durch türkische Truppen gestürmt. — 13. Deutsche Erfolge an der
Goldenen Bistritz und der Oitosstraße; russischer Angriff bei Braila, russ.-rum.
bei Stojokovo abgewiesen. — 14. Russisch-rumänische Angriffe im Susitatal
abgewehrt; Vadeni gestürmt. — 15. Französischer Vorstoß bei Roye, russisch-
rumänische Angriffe zwischen Casinu- und Susitatal, starke russische bei
Fundeni abgewiesen. — 16. Russische Angriffe bei Smorgon, zwischen Casinu-
und Susitatal und bei La Burtea abgewehrt; deutsche Erfolge auf den Eombres-
höhen und am Coman. — 17. Erfolgreiche Kämpfe bei Loos, Serre, Kraschin
und zwischen Susita- und Putnatal; russische Angriffe an der Oitosstraße
abgewiesen. — 18. Feindliche Vorstöße bei Marasti und Seres abgewehrt;
ö.-u. Erfolg an der Karstfront. — 19. Russische Angriffe bei Belbor, rumänische
im Susitatal abgewiesen; Nanesti gestürmt. — 20. Feindliche Vorstöße an der
Valeputnastraße abgewehrt; deutsche Erfolge bei Baranowitschi und bei Para-
lovo; schwere russische Verluste an der Serethbrücke. — 21. Feindliche Vorstöße
bei Lens, Friedrichstadt, Odobesci und beim Ochridasee abgewiesen; ö.-u. Erfolg
bei Mielnica. — 22. Donauübergang bulgarischer Truppen bei Tulcea; erfolg-
reiche Gefechte bei Armentieres, Fromelles, Dünaburg, im Putna- und
Easinutal; ö.-u. Erfolg bei Görz; Seegefecht in den Hoofden. — 23. Deutscher
Erfolg an der Aa; das Nordufer bei Tulcea wieder geräumt. — 24. Deutsche
Erfolge bei Berry au Bac, an den Combreshöhen, an der Aa, bei Luck und im
Easinutal. — 25. Deutscher Sturmerfolg vor Verdun; weitere Fortschritte an
der Aa; rumänische Vorstöße im Easinutal, serbische am Moglenagebirge
abgewiesen; deutscher Flottenvorstoß gegen Lowestoft und Southwold. —
26. Englische Angriffe bei La Bassee, französische bei Ehilly und vor Verdun,
russische an der Aa abgewehrt; Kaiser Karl im Deutschen Hauptquartier. —
27. Englischer Erfolg bei Le Transloy, russischer bei Mestecanesci, bulgarischer
an der Struma; französische Angriffe vor Verdun, russische an der Aa und
Zlota Lipa abgewiesen. — 28. Englische Angriffe bei Armentiöres, französische
vor Verdun, russische an der Zlota Lipa und bei Mestecanesci abgewehrt;
Sturmerfolg württembergischer Truppen am Hartmannsweiler Kopf, ö.-u. am
Doberdosee. — 29. Französische Angriffe vor Verdun, russische an der Aa ab-
gewiesen; ö.-u. Erfolge bei Kostanjevica und Vertojba. — 30. Französischer
Angriff bei Leintrey, russische an der Serethmündung abgewehrt; deutscher
Sturmerfolg an der Aa, russischer bei Mestecanesci.— 31. Erklärung Deutsch-
lands über den verschärften I7-Boot-Krieg; Sturmerfolg sächsischer Truppen
an der Narajowka. — I7-Boot-Erfolge im Januar: 336 000 Tonnen feind-
licher, 103 500 Tonnen neutraler Herkunft versenkt. — Verluste im Luft-
kriege im Januar: auf unserer Seite 34, auf feindlicher 55 Flugzeuge (feit
Kriegsausbruch 1002), ferner 3 feindliche Fesselballone.
Februar.
1. Englische Vorstöße zwischen Armentiöres und Arras sowie bei Gueude-
court abgewiesen; deutsche Erfolge an der Eombreshöhe und im Aillywald;
englische Niederlage am Tigris. — 2. Russischer Vorstoß bei Bekas abgewiesen.
— 3. Englischer Angriff bei Beaucourt, russischer an der Aa abgewehrt. —
4. Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch die Vereinigten Staaten;
erfolgreiche Kämpfe zwischen Ancre und Somme; ö.-u. Erfolg am Plöckenpaß.
— 5. Deutscher Erfolg an der Beresina, ö.-u. bei Kirlibaba; französischer Vorstoß
bei Mülhausen abgewiesen. — 6. Französischer Vorstoß bei Sennheim, russischer
bei Kirlibaba abgewehrt; deutsch-ö.-u. Erfolge an der Beresina und an der Bahn
Kowel—Luck. — 7. Erfolgreiche Sprengungen im Wytschaetebogen; englischer
Angriff bei Bouchavesnes und an der Ancre, russi scher beim Easinutal abgewiesen;
deutscher Erfolg bei Kisielin. — 8. Englische Angriffe bei Serre, an der Ancre
und am Vaastwald größtenteils abgewehrt. — 9. Englischer Vorstoß bei Sailly,
französischer vor Verdun abgewiesen; deutscher Erfolg bei Vaur, ö.-u. bei
Stanislau und im Görzischen. — 10. Englische Angriffe auf dem Nordufer
der Ancre größtenteils abgewehrt, französische bei Ailly und beiderseits der
Mosel, russische bei Postawy und Zloczow, französisch-englische bei Monastir
und am Doiransee abgewiesen; ö.-u. Erfolg im Görzischen. — 11. Heftige
englische Angriffe bei Armentiöres und an der Ancre abgewehrt, ebenso russischer
im Putnatal; deutscher Erfolg an der Düna und bei Kiesilin, ö.-u. im Suganer-
und Valarsatal. — 12. Feindliche Vorstöße zwischen Ppern und Arras, russische
bei Zwyzyn, italienischer bei St. Peter abgewiesen; Sturmerfolge am Drys-
wjatysee, an der Valeputnastraße, im Cernabogen und im Tonalepaß. —
18. Starke feindliche Angriffe an der Ancre, russische bei Bekas, italienische int
Cernabogen abgewehrt; neue Erfolge an der Valeputnastraße; Kämpfe am
Tigris. — 14. Russischer Angriff am Sereth abgewiesen; erfolgreiche Sturm-
angriffe bei Kisielin und Zloczow. — 15. Deutsche Erfolge bei Ripont und
an der Mosel; russischer Vorstoß bei Bohorodczany abgewehrt. —16. Englischer
Angriff bei Miraumont, ftanzösische Vorstöße bei Ripont, russische bei Jllurt,
Luck, Zborow, Brzezany und Stanislau abgewiesen. — 17. Englische Angriffe
bei Armentieres, Lille, Pys und am Tigris, russische im Oitostal abgewehrt;
wechselnde Kämpfe beiderseits der Ancre. —18. Russische Vorstöße bei Lipnica
Dolna und Brzezany abgewiesen; ö.-u. Erfolg am Monte Zebio; Luftschiff-
angriff aus Arensburg.—19. Englischer Vorstoß bei Messines abgewehrt; Erfolge
bei Le Transloy, vor Verdun, am Smotrec, im Slanictal und bei Focsani.
— 20. Englische Vorstöße bei Flirey und am Doiransee, französische zwischen
A. g. XIII.
Maas und Mosel abgewiesen. — 21. Englische Angriffe bei Armentiöres und
am Wardar, russische bei Riga und am Raroczsee abgewehrt. — 22. Erfolge
Lei Zloczow und Brzezany; russische Angriffe bei Cortul abgewiesen. —
23. Französische Angriffe bei Ripont und Avocourt abgewehrt,- französisches
Lenkluftschiff bei Saaralben abgeschossen. — 24. Englische Vorstöße bei Ipern
und Arras, französischer bei St. Mihiel, russischer am Tartarenpaß, italienischer
bei Vertojba abgewiesen. — 25. Englische Vorstöße bei Armentiöres, franzö-
sischer bei Cernay, russische bei Brzezany und am Tartarenpaß abgewehrt;
ö.-u. Erfolg bei Vertojba,- Torpedobootsvorstoß in den Kanal und die
Downs. — 26. Englische Vorstöße zwischen Ipern und Arras abgewiesen;
Kut-el-Amara in englischen Händen. — 27. Englische Vorstöße irrt Artois,
französische bei Vailly, auf dem linken Maasufer und bei Markirch, italie-
nischer im Cernabogen abgewehrt; Sturmerfolg an der Valeputnastraße. —
28. Englische Angriffe bei Le Transloy und Sailly abgewiesen; Bekanntgabe
der Räumung der deutschen Stellungen beiderseits der Ancre; russische Vor-
stöße an der rumänischer bei Susita abgewehrt. — G-Boot-
Erfolge im Februar: 644 000 Tonnen feindlicher, 137 000 Tonnen neutraler
Herkunft versenkt. — Verluste irrt Luftkrieg: 24 Flugzeuge auf unserer, 91 auf
feindlicher Seite.
März.
1. Englische Angriffe zwischen Ipern und Arras, bei Souchez und an der
Ancre, russische an der Valeputnastraße abgewiesen; deutscher Erfolg an der
Rarajowka; Fliegerangriff auf die Downs. — 2. Englische Vorstöße bei Hulluch,
Liövin und an der Ancre, französische hier und in der Champagne, italienische
bei Scurelle abgewehrt; Sturmerfolg bei Woronczyn; Generalfeldmarschall
Conrad v. Hötzendorf durch General der Infanterie Arz v. Straußenberg
ersetzt. — 3. Deutsche Erfolge bei Chilly, Etain und an der Doller, ö.-u. bei
Vertojba. — 4. Englischer Erfolg bei Bouchavesnes, deutscher im Courriöres-
und im Fosseswalde, ö.-u. bei Tolmein, ital. gegen die Cima di Costabella.
— 6. Englische Angriffe bei Bouchavesnes und in Mesopotamien, russische
bei Brzezany und im Kelemengebirge, italienische an der Tiroler Ostfront
abgewiesen. — 6. Französische Angriffe im Courriöreswald, englische am Wardar,
italienische an der Tiroler Ostfront abgewehrt. — 7.O.-u. Erfolg am Tartaren-
paß.— 8. Deutscher Erfolg bei Wytschaete; ftanzösische Angriffe bei Ripont und
auf dem linken Maasufer abgewiesen; Erstürmung der Magyaroshöhe; Graf
Zeppelin f.—9. Französische Angriffe bei Laucourt, Prosnes, Ripont und Cheppy
abgewiesen; deutscher Erfolg im Courrisreswald, ö.-u. auf der Cima di Bocche.
— 19. Französische Vorstöße zwischen Avre und Oise sowie in der Champagne
abgewiesen; heftige Kämpfe in Mesopotamien. — 11. Französische Angriffe
bei Ripont, italienischer bei Kostanjevica abgewiesen; die Engländer in Bagdad;
Revolution in St. Petersburg. —12. Englischer Vorstoß bei Arras, französische
an der Avre und bei Ripont, italienischer auf der Cima di Costabella abgewehrt;
Erfolge bei Zloczow und Brzezany; Flugzeugangriff auf Valona. — 13. Eng-
lischer Angriff im Ancregebiet, ftanzösische bei Ripont, St. Mihiel und am
Ochridasee abgewiesen; deutscher Erfolg an der Rarajowka. — 14. Französische
Angriffe bei Ripont und Monastir abgewehrt; ö.-u. Erfolge bei Witoniez,
Jamnica und Asiago; China bricht die Beziehungen zu Deutschland ab.—
15. Französische Angriffe bei Monastir und am Ochridasee, italienische bei
Kostanjevica abgewiesen; Abdankung des Zaren. — 16. Russische Vorstöße bei
Stanislau und Solotwina, ftanzösische bei Monastir abgewehrt; ö.-u. Erfolg auf
der Costabella; Luftschiffangriff auf London; L39 bei Compiögne abgeschossen.
— 17. Französischer Vorstoß bei der Chambrettesferme, italienischer auf der
Costabella abgewiesen; Bapaume und Peronne aufgegeben; heftige Kämpfe
in Mazedonien; deutscher Flottenvorstoß gegen die Themsemündung und im
Kanal; Rücktritt des Ministeriums Briand. — 18. Weitere Gebietsräumung
zwischen Arras und Aisne; Sturmerfolg bei Malancourt; ftanzösische Angriffe
an der Chambrettesferme, am Ochridasee und bei Monastir abgewehrt. —
19. Französische Angriffe vor Verdun und in Mazedonien abgewiesen; das fran-
zösische Linienschiff „Danton" durch deutsches G-Boot versenkt. — 29. Fran-
zösische Vorstöße im Fosseswald und in Mazedonien abgewiesen; Sturmerfolge
bei Trnova und Snegovo. — 21. Französische Angriffe bei Chivxes und Missy,
oor Verdun, bei St. Mihiel und in Mazedonien abgewehrt; Sturmerfolg
bei Saberesina; Rückkehr der „Möwe" von der zweiten Kreuzerfahrt; Prinz
Friedrich Karl von Preußen im Flugzeug abgeschossen. — 22. Französische An-
griffe bei St. Simon, Margival, La Bille aur Bois und am Ochridasee abgewiesen.
— 23. Französische Angriffe cm der Ailette, bei Feuville und Margival, russische
bei Smorgon, Baranowitschi und am Stochod abgewiesen; Sturmerfolg im
Csobanyostal. — 24. Französischer Vorstoß bei Vragny, italienischer am Monte
Scorluzzo abgewehrt; Erfolge bei Soupir, Cerny, Samman, Monastir und
Kostanjevica; deutsche Seesperre im Eismeer. — 25. Heftige Kämpfe bei
St. Quentin und Crozat-Reuville; französische Vorstöße bei Craonelle, russische
im Csobanyostal abgewiesen; Torpedobootsangriff auf Dünkirchen. —
26. Kämpfe östlich von Bapaume und Peronne und bei Coucy le Chateau;
Roysel vom Feind besetzt; Sturmerfolge bei Baranowitschi und Biglia; russische
Angriffe bei Luck, Zloczow, Brzezany und beim Csobanyostal abgewehrt.
— 27. Französischer Vorstoß bei La Före, russischer an der Magyaroshöhe
abgewiesen; Sturmerfolge bei Ripont, Stanislau und im Uztal; türkischer
Sieg bei Gaza. — 28. Englischer Angriff bei Croisilles, französische in der
Champagne und vor Verdun abgewehrt; ö.-u. Erfolg bei Jamiano. — 29. Eng-
lische Angriffe bei St. Vaast, französische bei Margival, russischer bei Düna-
burg abgewiesen. — 39. Englische Angriffe bei Lens und Metz en Couture,
französische bei Soissons und Ripont, italienische bei Jamiano und Biglia abge-
wehrt; Heudicourt und St. Emilie von Engländern besetzt; Erfolge bei Widsy,
Rowogrodek und Kirlibaba. — 31. Englische Angriffe bei Lens und Arras,
französische bei Soissons, Combres und St. Mihiel, italienischer am Stilfser
Joch abgeschlagen; englische Fortschritte vor Peronne. — G-Boot-Erfolge
im März: 689 000 Tonnen feindlicher, 196 000 Tonnen neutraler Herkunft
versenkt. — Verluste irrt Luftkrieg irrt März: auf unserer Seite 45, auf feind-
licher 161 Flugzeuge, ferner 19 Fesselballone.
April.
1. Schwere englisch-französische Verluste zwischen Arras und der Aisne,
französische am Aisnekanal, bei Vregny und Ripont, russische beiderseits des
Uztales. — 2. Reue schwere Verluste der Engländer und Franzosen vor Bapaume
und St. Quentin, sowie vor Soissons und in der Champagne; russischer Vorstoß
bei Baranowitschi abgewehrt; Erfolge bei Dünaburg, Bogdanow und am
Ochridasee. — 3. Französische Fortschritte bei St. Quentin, zwischen Somme
und Oise; ftanzösische Vorstöße bei Laffaur abgewiesen; der Brückenkopf
Toboly am Stochod gestürmt. — 4. Erhebliche Verluste der Engländer vor
Peronne; ftanzösischer Vorstoß bei Laffaur abgewehrt; Erfolge bei Reims,
Riga, Brody und Monastir. — 5. Englische Vorstöße zwischen Angres und der
Scarpe, französischer bei Sapigneul, russischer bei Brzezany abgewiesen; Flug-
zeugangriffe auf Doucy, Grado und Gorgo; Wilsons Ankündigung des Kriegs-
zustandes mit Deutschland.—'6. Französische Vorstöße bei Laffaur, Sapigneul und
Malancourt, russische bei Baranowitschi und Stanislau abgewehrt; Österreich-
Ungarn bricht die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten ab. — 7. Englische
Vorstöße nahe der Küste und bei Wytschaete, französischer bei Laffaur abgewiesen;
Erfolge in den Waldkarpgthen; das deutsche Torpedoboot G 88 vor der flandri-
schen Küste versenkt; Erlaß Kaiser Wilhelms II. über das preußische Wahl-
recht; Ergebnis der 6. österreichischen Kriegsanleihe: 6^/1 Milliarden Kronen.
— 8. Beginn der Riesenschlacht bei Arras; Erfolg bei Focsani; Flugzeugangriffe
auf Barcola, Sistiana und Vermigliano. — 9. Englische Erfolge bei Arras,
deutscher bei Ipern; französischer Angriff bei Laffaur abgewehrt. —19. Schwere
englische Verluste vor Arras; französischer Vorstoß bei Berry au Bac abgewiesen.
— 11. Reue schwere Verluste der Engländer bei Vimy, Famrour, Bullecourt
und Hargicourt; Monchy verloren; ö.-u. Erfolg bei Vertojba. — 12. Englische
Angriffe bei Angres, Givenchy en Gohelle, Arras und vor Peronne, fran-
zösischer auf beiden Sommeufern abgewehrt. — 13. Schwere englische Verluste
bei Croisilles und Bullecourt, französische auf beiden Sommeufern. —14. Reue
schwere Verluste der Engländer von der Scarpe bis zur Bahn Arras—Cambrai;
ö.-u. Erfolg bei Tolmein. — 15. Schwerste englische Verluste an der Scarpe,
bei Croisilles, Lagnicourt und Boursies; französische Angriffe bei Vauraillon
und Chivres abgewiesen; ö.-u. Erfolg bei der Cima di Bocche. — 16. Beginn
der Riesenschlacht an der Aisne; überall schwerste Verluste der Franzosen
ohne jeden Erfolg. — 17. Gefechte an der Somme; ftanzösische Teilangriffe
an der Aisne abgewehrt; schwerste Verluste der Franzosen in der Champagne
bei geringen Erfolgen; Sturmerfolg bei Monastir. — 18. Französischer Erfolg
bei Braye, englischer bei Samarra; französische Angriffe am Chemin des Dames
und bei Aubörive, russische am Brimont abgewiesen. — 19. Abschluß des Rück-
zugs auf die Siegfriedstellung; schwerste französische Verluste am Chemin des
Dames, Brimont und in der Champagne; ftanzösische Angriffe bei Monastir
abgewehrt; zweiter türkischer Sieg bei Gaza. — 29. Reue schwerste Verluste
der Franzosen an der Aisne und in der Champagne; ö.-u. Erfolg bei Arsiero;
Rücktritt des Ministeriums Romanones; englischer kleiner Kreuzer durch tür-
kisches G-Boot versenkt; Beschießung von Dover und Calais und scharfes
Seegefecht im Kanal. — 21. Englischer Vorstoß an der Scarpe, ftanzösischer
Bel Ripont abgewiesen; französische Verluste bei Braye, Hurtebiseferme, Reims,
Prosnes und an der Suippe; ö.-u. Erfolg bei den Drei Zinnen; die Türkei
bricht die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten ab. — 22. Englischer Vorstoß
bei Loos und am Doiransee, französische bei La Ville auX Bois und bei
Prosnes abgewehrt. — 23. Zweite Schlacht bei Arras; schwerste englische Verluste
bei geringsten Erfolgen; Guämappe verloren; Sturmerfolg nahe der ctüfte. —
24. Neue schwerste Verluste der Engländer bei Arras; französische Vorstöße
bei Hurtebiseferme, am Brimont und an der Suippe, englischer am Doiransee
abgewehrt; Flottenvorstoß gegen Dünkirchen. — 25. Englische Angriffe bei
Arras und an der Scarpe, französische bei Braye abgewiesen. — 26. Englische
Angriffe bei Arras und an der Scarpe abgewehrt; erfolgreiche Kämpfe am
Chemin des Dames; Vorstoß deutscher Seestreitkräfte gegen Margate und die
Themsemündung. — 27. Englische Angriffe bei Monchy, französische bei Braye,
Hurtebiseferme und Reims abgewiesen; Ergebnis der sechsten deutschen Kriegs-
anleihe: über 13,1 Milliarden Mark. — 28. Dritte Schlacht bei Arras; schwerste
englische Verluste ohne Ergebnis; ö.-u. Erfolg am Tonalepaß. — 29. Englische
Angriffe auf Opp'y, französische von Berry au Bac bis Reims abgewehrt;
Annahme der Wehrpflicht in den Vereinigten Staaten. — 30. Französische
Vorstöße bei Berry au Bac, am Brimont und bei Eourcy abgewiesen;
schwere ftanzösische Verluste bei Prosnes-Auberive; Flugzeugangriff auf
Valona; General Nivelle durch Potain ersetzt. — I7-Boot-Erfolge im April:
822 000 Tonnen feindlicher, 269 000 Tonnen neutraler Herkunft versenkt.
—• Verluste im Luftkrieg irrt April: auf unserer Seite 74 Flugzeuge und
10 Ballone, auf feindlicher 362 Flugzeuge und 29 Ballone.
Mai.
1. Englische Angriffe bei Lens, Monchy und Fontaine, französische bei
Cerny und am Chemin des Dames, russischer beim Oitostal abgewiesen;
Flugzeugerfolge auf der Themse. — 2. Russischer Angriff im Putnatal abgewehrt;
an der flandrischen Küste feindliches Torpedoboot versenkt; Flugzeugangriffe
auf Codigoro, Villa Vincentina und Valona. — 3. Vierte Durchbruchschlacht
bei Arras gescheitert; französische Angriffe bei Braye und Craonne, russischer
im Susitatal, italienischer bei Görz abgewiesen; Flugzeugangriff auf Sagrado.
— 4. Englische Angriffe bei Bullecourt, Lens und Fresnoy abgewehrt; schwerste
ftanzösische Verluste zwischen Aisne und Brimont, sowie bei Prosnes. —
5. Englische Angriffe bei Lens, Qu6ant und Cambrai abgewiesen; neue
Durchbruchschlacht zwischen der Mette und Craonne mit schwersten stanzö-
sischen Verlusten gescheitert; ö.-u. Erfolg bei Görz. — 6. Neue schwerste Ver-
luste der Franzosen in der Aisneschlacht; feindliche Vorstöße im Cernabogen
abgewiesen. — 7. Englische Angriffe bei Roeur, Fontaines und Bullecourt,
französische bei Craonelle, Vauraillon-Corböny, La Neuville und Prosnes
abgewehrt, ebenso feindliche Angriffe am Ochridasee und im Cernabogen. —
8. Fresnoy zurückerobert; englische Angriffe bei Roeur und Bullecourt, ftan-
zösische am Winterberg und bei Berry au. Bac gescheitert; schwerste feindliche
Verluste in Mazedonien. — 9. Englische Angriffe bei Fresnoy, ftanzösische am
Winterberg, bei Cormicy und Prosnes abgewiesen; neue schwerste Verluste
der Feinde in Mazedonien. — 10. Englische Vorstöße bei Fresnoy, Roeur,
Monchy und Bullecourt abgewehrt, ebenso ftanzösische Angriffe am Winter-
berg, bei Corbony und Prosnes, französisch-serbische zwischen Cerna und Wardar;
Seegefecht in den Hoofden. — 11. Starke englische Angriffe bei Arras, fran-
zösische bei Berry au Bac abgewiesen, ebenso im Cernabogen; deutscher Erfolg
bei Cerny. — 12. Schwerste englische Verluste bei Arras mit alleinigem Erfolg
bei Roeur; ftanzösische Vorstöße bei Corböny und an der Cerna abgewehrt.
— 13. Englische Angriffe bei Oppy, Fampour und Bullecourt, italienischer
bei Plava abgewiesen. — 14. Englische Angriffe an der Scarpe, bei Monchy
und Bullecourt, französische bei Ailles, Corböny und Blancöe abgewehrt;
deutscher Erfolg bei Fort de Malmaison; Beginn der 10. Jsonzoschlacht mit
schwersten italienischen Verlusten; L 22 über der Nordsee abgeschossen;
erfolgreicher ö.-u. Flottenvorstoß in die Otrantostraße und Versenkung des
englischen Kreuzers „Dartmouth" durch deutsches I7-Boot. — 15. Deutscher
Erfolg bei La Neuville; neue schwerste Verluste der Italiener an der Jsonzo-
front mit geringem Erfolg bei Auzza. — 16. Englischer Erfolg bei Roeur,
deutsche bei Vauraillon, Laffaur und Braye; englische Angriffe an der Scarpe
und bei Riencourt, ftanzösischer bei Monastir abgewiesen; Fortdauer der
Jsonzoschlacht unter schwersten italienischen Verlusten. — 17. Englischer An-
griff bei Gavrelle, französische bei Braye, Craonelle, Craonne, Sapigneul
und im Cernabogen abgewehrt; Dullecourt geräumt; deutscher Erfolg bei
der La Royöre-Ferme; neue schwerste italienische Verluste am Jsonzo; der
Kuk aufgegeben; Rücktritt Miljukows. — 18. Englische Angriffe bei Arras
und Monchy, französischer am Winterberg abgewiesen; Fortgang der blutigen
Kämpfe an der Jsonzofront. — 19. Englische Angriffe bei Monchy, französische
bei Braye und an der Cerna abgewehrt; die Italiener bei Auzza wieder geworfen;
schwere italienische Verluste bei Vodice und Görz. — 20. Starke englische An-
griffe bei Arras, französische bei Laffaur und in der Champagne abgewiesen;
deutsche Erfolge bei Braye und Cerny, ftanzösische am Cornillet- und Keilberg;
schwerste italienische Verluste zwischen Vodice und Salcano. — 21. Englische
Angriffe bei Bullecourt und Croisilles, französische bei Nauroy und Moron-
viller, italienischer bei Görz abgewehrt. — 22. Englische Vorstöße bei Hulluch
und Bullecourt, starke französische Angriffe von Paissy bis La Ville au Bois,
italienischer bei Görz abgewiesen. — 23. Französische Angriffe bei Froidmont
und Vauclerc abgewehrt; deutscher Erfolg bei Apremont; italienische Massen-
anstürme von Plava bis zum Meere gescheitert bis auf einen Raumgewinn
bei Jamiano; Luftschiffangriff auf London, Sheerneß, Harwich und Norwich;
Rücktritt des Ministeriums Tisza. — 24. Englische Angriffe bei Wytschaete,
Armentiores, Lens, Bullecourt und Loos, französische bei Craonelle und Corbeny
abgewiesen; neue schwerste Verluste der Italiener bei Vodice, am Monte Santo
und auf der Karsthochfläche; Flugzeugangriff auf Lebara. — 25. Deutscher Erfolg
bei Pargny; französische Angriffe bei Nauroy abgewehrt; neue schwerste Verluste
der Italiener an der Jsonzofront; Flugzeugangriff auf Dover und Folkestone.
— 26. Französische Angriffe bei Pargny und Vauraillon abgewiesen; alle
italienischen Angriffe bei Vodice und auf der Karsthochfläche gescheitert. —
27. Englische Angriffe bei Wytschaete und am Sens^ebach, italienische an der
Jsonzoftont abgewehrt; deutscher Erfolg bei Moronviller. — 28. Französischer
Angriff am Pöhlberg, englische am Wardar abgewehrt; neue schwerste Ver-
luste der Italiener bei Vodice, am Monte Santo und bei Jamiano. — 29. Eng-
lische Vorstöße im Artois, französische am Chemin des Dames, italienische
bei Vodice, Jamiano und Berat abgewehrt. — 30. Englische Angriffe an der
Scarpe, bei Monchy und Euemappe, italienischer bei San Giovanni abge-
wiesen; deutsche Erfolge an der Aisne und bei Aub^rive. — 31. Englische Vor-
stöße bei Ppern, Wytschaete, Hulluch, Cherisy und Fontaines, französischer in
Mazedonien, italienischer bei Vodice abgewehrt. — I7-Boot-Erfolge im Mai:
869 000 Tonnen feindlicher und neutraler Herkunft versenkt. — Verluste
im Luftkrieg im Mai: auf unserer Seite 79 Flugzeuge, 9 Ballone, auf
feindlicher 262 Flugzeuge, 26 Ballone.
Juni.
1. Deutscher Erfolg bei Soissons, bulgarischer am Wardar; italienischer
Angriff bei Göitz abgewehrt. — 2. Englische Angriffe bei Loos, Souchez und
Monchy, französische am rechten Maasufer, rumänische in der Moldau abge-
wiesen; ö.-u. Erfolg bei San Marco. — 3. Englische Vorstöße bei Hulluch,
Lens, Monchy und Ch6risy, französischer am Pöhlberg, italienische bei Görz
abgewehrt; deutsche Erfolge am Winterberg und bei Braye, ö.-u. auf dem
Fajti Hrb. — 4. Englische Vorstöße bei Wytschaete, ftanzösische bei Braye
abgewiesen; italienische Niederlage bei Jamiano; ein ö.-u. Torpedoboot ge-
sunken. — 5. Englische Vorstöße bei Wytschaete und an der Scarpe, franzö-
sische bei Braye und am Winterberg, russischer an der Oitosstraße, italienischer
im Görzischen abgewiesen; weitere Fortschritte bei Jamiano; feindlicher Angriff
zur See auf Ostende; Torpedoboot 8 20 gesunken. — 6. Englische Angriffe
bei Hulluch, Loos, Liövin und Roeur, italienischer bei Jamiano abgewehrt;
deutsche Erfolge bei Pargny, ö.-u. bei den Drei Zinnen. — 7. Schwere Schlacht
in Flandern; englische Erfolge bei St. Eloi, Wytschaete und Messines, sonst
alle Angriffe abgewiesen, ebenso französische Vorstöße in den Vogesen und im
Sundgau. — 8. Englische Angriffe bei Messines und an der Douve, bei Ver-
melles, Loos, Croisilles und Lens, ftanzösische bei Braye und Cerny abgewiesen;
Flugzeugangriff auf Folkestone. — 9. Englische Vorstöße bei Ppern abge-
wiesen; deutsche Erfolge bei Alaincourt, Beine, Verdun und Apremont. —
10. Englische Angriffe bei Hollebeke, Wambeke, an der Douve und bei La Bassee
abgewehrt; deutscher Erfolg bei Cerny; schwere italienische Verluste im
Suganertal und den Sieben Gemeinden; Flugzeugangriff auf Lebara und
Arensburg. — 11. Englische Kavallerie bei Messines vernichtet; englische An-
griffe bei Kruis, Fromelles und Arleur, französische bei Cerny, Tahure und
Vauquois abgewehrt; neue schwere italienische Verluste an der Tiroler Front.—
12. Englische Angriffe bei Warneton und am Souchezbach, italienische am Monte
Zebio und Monte Forno abgewiesen. — 13. Französische Angriffe bei Vaur-
aillon abgewehrt; großer Flugzeugangriff auf London; Abdankring König
Konstantins von Griechenland. — 14. Englische Fortschritte zwischen Ppern
und Armentieres,' englische Angriffe bei Monchy und Loos, italienischer am
Rombon abgewiesen; L 43 über der Nordsee abgeschossen. — 15. Englische
Angriffe bei Warneton, Loos und Bullecourt, italienische im Suganertal
und Zebiogebiet abgewehrt; englischer Zerstörer derD-Klasse durch ö.-u. I7-Boot
versenkt. — 16. Englische Angriffe bei Warneton, Monchy, Croisilles und
Bullecourt, russische bei Brzezany abgewiesen; deutscher Erfolg beim Gehöft
Hurtebise; Luftschiffangriff auf südenglische Festungen; L 48 abgeschossen.
— 17. Englische Vorstöße bei Warneton, Vermelles, Loos und Eroisilles
sowie am Doiransee abgewehrt; ö.-u. Erfolg am Rombon. — 18. Fran-
zösische Angriffe beim Gehöft Hurtebise, russische bei Valeputna abgewiesen;
deutscher Erfolg bei Monchy, französische am Hochberg. — 19. Englischer
Erfolg bei Lens, deutscher am Hochberg; schwere Kämpfe auf der Hochfläche
der Sieben Gemeinden mit geringen italienischen Erfolgen,' Rücktritt des
schweizerischen Bundesrates Hoffmann. — 20. Englische Angriffe bei Kooge
abgewehrt; deutscher Erfolg bei Vauraillon; Benghasi von deutschem
I7-Boot beschossen. — 21. Englische Angriffe bei Warneton, Houplines und
Lens abgewiesen; französische Erfolge bei Vauraillon und am Eornillet,
deutsche am Pöhlberg, bei Prunay und Nauroy. — 22. Deutscher Sturm-
erfolg bei Filain; Rücktritt des Ministeriums Clam-Martinitz. — 23. Eng-
lische Vorstöße bei Warneton und an der Scarpe abgewehrt; die Franzosen
am Eornillet wieder zurückgetrieben. — 24. Englische Angriffe am Souchez-
bach, an der Straße Lens—Arras und bei Hulluch, französische bei Vaur-
aillon abgewiesen. — 25. O.-u. Erfolg auf dem Suganer Grenzrücken,
kleiner französischer beim Gehöft Hurtebise; Venizelos wieder am Ruder.
— 26. Englische Angriffe bei Lens und Fontaine größtenteils abgewehrt.
— 27. Deutsche Erfolge an der Straße Eambrai—Arras, bei Nieuport
und am Hartmannsweiler Kopf; Dünkirchen beschossen. — 28. Heftige Kämpfe
zwischen La Bassöe-Kanal und Scarpe; englischer Erfolg bei Oppy, deutsche
bei Eourtecon, Ailles, Eerny, Malancourt und Avocourt. — 29. Englischer
Vorstoß bei Armentieres, französische bei Eerny, russischer bei Koniuchy
abgewehrt; deutsche Erfolge bei Corböny, Eerny und Bethincourt. —
30. Französische Angriffe am Ehemin des Dames und auf dem west-
lichen Maasufer abgewiesen, ebenso russische Massenangriffe von der
oberen Strypa bis an die Narajowka; deutscher Erfolg bei Eerny,
ö.-u. bei Vertojba; Griechenland bricht die Beziehungen zu den Mittel-
mächten ab.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
D i e Geschichte des Weltkrieges 1 9 1 4/1 7: 1. 17. 33.
49. 65. 81. 97. 113. 129. 145. 161. 177. 193. 209. 225. 241.
257. 273. 289. 305. 321. 337. 353. 369. 385.
Wofür kämpfen wir? Von Dr. Paul Rohrbach .... 10
Die starkbefestigte Sighine-Schlucht auf Gallipoli .... 12
Wasserflugzeuge. Von Konteradmiral a. D. Foß .... 14
Die Vorbereitung der Friedenswirtschaft. Von Polizeirat
H. Wendel. IV. 2...........................................15
Das britische Weltreich und der Krieg. Von Professor
Dr. 5t. Dove. I.............................................24
Der Kampf gegen die Rumänen. Von Kriegsberichterstatter
Walter Oertel. III..........................................28
Deutsche Schießbedarswerke. Von Major a. D. Schmäht . 32
Der Tag von Skrobowa. Von Kriegsberichterstatter Dr. Fritz
Werth eimer.................................................40
Schwäbische Regimenter aus der^Sommeschlacht. Von Kriegs-
berichterstatter Eugen Kalkschmidt. I..................43
Das britische Weltreich und der 'Krieg. Von Professor
Dr. K. Dove. II....................................45
Die Verluste des Vierverbandes gegen Ende des Jahres 1916 48
Schwäbische Regimenter aus der Sommeschlacht. Von Kriegs-
berichterstatter Eugen Kalkschmidt. II ......................56
Der Flugplatz. Von Roda Roda............................59
Praktische Ernährungsfragen im Kriege. Von Geheimrat
Dr. Jsmar Boas in Berlin. I.............................62
Praktische Ernährungsfragen im Kriege. Von Geheimrat
Dr. Jsmar Boas in Berlin. II............................70
Die Opferung englischer und französischer Hilfsvölker ... 74
Deutscher Heldenfriedhof in Therapia. Von Major Franz
Earl Endres............................................... 74
Der Krieg in Ostafrika im Oktober und November 1916 und die
Kämpfe an der Ugandabahn im Januar und Februar 1916 76
Eharakterköpfe der Weltkriegsbühne. Von Dr. Frhrn. v. Mackay.
I. Lloyd George als englischer Volksheld...................78
Die roten Teufel in Rumänien. Von Roda Roda ... 88
Fliegerkämpfe bei Ostende und Zeebrügge..........................90
Erfolgloser russischer Sturmangriff auf eine deutsch-türkische
Minenwerferstellung im Kaukasus. Von Hugo L. Braune 91
Rumäniens Erdölquellen......................................... 92
Kriegszeitungen.........................................94
Österreichisch-ungarische Donaumonitore beschießen die Schiff-
brücke bei Rahovo...........................................107
Verladen von Kriegsmaterial und schweren Geschützen in der
Poirasbucht des Schwarzen Meeres. Von Hugo L. Braune 109
Münzrecht in den besetzten Gebieten des Ostens .... 110
Die Wirtschaftslage der kriegführenden Mächte. Von Professor
Dr. Wygodzinski, Bonn......................................111
Die englischen Zerstörungen im rumänischen Petroleumgebiet 118
Charakterköpfe der Weltkriegsbühne. Von Dr. Frhrn. v. Mackay.
II. Wilson........................................119
Verteidigung des polnischen Gutes Poronosziewo .... 122
Die Wahrheit über Eombles. Von Kriegsberichterstatter
Eugen Kalkschmidt..................................126
Deutschlands Weltstellung und der Friede. Von Dr. Paul
Rohrbach...........................................138
Die Neutralität der Schweiz. Von Oberst Egli .... 142
Valuta. Von Dr. H. Friedemann..............................143
Kriegsgefangen. Von Kriegsberichterstatter Eugen Kalk-
schmidt ....................................J...............151
Die Verwaltung von „Ober-Ost". Von Dr. Hermann Schön-
leber. I..............................................154
Generalmajor Anton Höfer................................158
Aufgaben der Luftschiffe beim Eisenbahnrückzug. Von Paul
Otto Ebe...........................................158
Heldentat des Majors Viola. Von Roda Roda .... 167
Die Verwaltung von „Ober-Ost". Von Dr. Hermann Schön-
leber. II..................................................169
Vom deutschen Kleinkrieg zur See. Von Vizeadmiral z. D.
Kirchhofs..........................................172
Minensperren. Von Konteradmiral a. D. M. Fotz .... 172
Fliegerhauptmann Buddecke. Von Major Franz Carl Endres 175
Die Milch-, Butter- und Käseversorgung während und nach
dem großen Kriege. Von Molkereidirektor Reimund, Fulda. I 175
Abschießen von treibenden Minen. Von Konteradmiral a. D.
Foß ...............................................186
Die Kämpfe zwischen Mitau und Riga im Januar 1917. Von
Major a. D. E. Moraht..............................187 |
Seile
Der Kampf gegen die Rumänen. Von Walter Oertel. IV . 190
Die Milch-, Butter- und Käseversorgung während und nach dem
großen Kriege. Von Molkereidirektor Reimund, Fulda. II 192
Der Kampf gegen die Rumänen. Von Walter Oertel. V. 198
Der Krieg in Ostafrika im Dezember 1916 und im Januar 1917 200
Die Milch-, Buffer- und Käseversorgung während und nach dem
großen Kriege. Von Molkereidirektor Reimund, Fulda. III 202
Deutsche Minenleger bei der Arbeit..........................204
Charakterköpfe der Weltkriegsbühne. Von Dr. Frhrn. v. Mackay.
III. Großwesir Talaat Pascha...........................204
Mit der neuen „Möwe" auf hoher See. (Deutsch von Werner
. Peter Larsen) . . . ...................................215
Die Bewertung der Erfolge des D-Bootkrieges. Von Kapitän
z. S. v. Kühlwetter........................................218
Ein tapferes Regiment......................................... 219
Der Suezkanal. Von Major Franz Earl Endres .... 222
Winterflug im Osten. Von Adolf Victor v. Koerber . . . 228
Offensive. Von Major Franz Earl Endres.........................233
Der Kampf um Bagdad. Von Walter Oertel.........................235
Die Ausgaben für den Krieg. Von Fab. Landau . . . 238
Motorboote im Kriegsdienst. Von Oberingenieur E. E. Hey-
mann .................................................. . . 239
Feldmarschalleutnant Alexander Szurmay.........................240
Eine D-Vootfalle...............................................248
Die Luftwaffe. Von Leutnant W. L. Fournier .... 250
Das „Schloßkasino" bei Francs-Fossos. Von Chefarzt
Dr. Vulpius............................................... 251
Die Kämpfe am Kilimandscharo im März 1916......................254
Kriegsentschädigungen. Von Dr. H. Friedemann .... 263
Giftgase als Kampfmittel. Von Dr. Heinz Leo. I . . . 266
Eharakterköpfe der Weltkriegsbühne. Von Dr. Frhrn. v. Mackay.
IV. Miljukow, Rußlands Revolutionsheld ...... 270
Der vaterländische Hilfsdienst. Von Professor Dr. Theobald
Ziegler, Frankfurt a. M.................................. 271
Aus meinem Tiroler Kriegstagebuch. Von Kriegsberichterstatter
Karl Graf Scapinelli.......................................279
Giftgase als Kampfmittel. Von Dr. Heinz Leo. II . . . 282
S. M. Schiff „Szamos" und sein tapferer Kommandant . . 283
Erstürmung der Höhen von Tameczysko bei Grybow durch die
Bayern................................................ . . 283
Die Sicherung marschierender und ruhender Truppen im
Kriege. Von Major Franz Earl Endres.....................284
Angriff eines deutschen Stoßtrupps mit Handgranate,: und
Flammenwerfer auf einen englischen Trichtergraben bei
Sailly-Saillisel...........................................288
Die Verpflegung unseres Feldheeres. Von Max Wießner,
Berlin. I ............................................... 294
Ein I7-Boot irrt Kampf......................................298
Die zweite Kreuzerfahrt der „Möwe".............................299
Wie sich die Deutschen auf feindliche Flugzeuge einschießen . 303
Die Verpflegung unseres Feldheeres. Von Mar Wießner,
Berlin. II..............................................311
Monastir und Saloniki. Von Generalleutnant z. D. Baron
v. Ardenne.................................................315
Unsere modernsten Soldaten. Von Adolf Victor v. Koerber 319
Der Sieg von Toboly. Von Kriegsberichterstatter Dr. Fritz
Wertheimer.................................................326
Unter deutscher Flagge nach Ostafrika..........................330
Rumänische Treibminen..........................................332
Das Schutzgeleit von Handelschiffen............................334
Die der Person Seiner Majestät des Deutschen Kaisers zu-
geteilten Offiziere der mit dem deutschen Heere verbündeten
Armeen. Von Generalleutnant z. D. Baron v. Ardenne 334
Strategischer Rückzug. Von Major Franz Earl Endres . . 335
Auf Patrouille. Nacherzählt von Otto Guem ..... 346
Volltreffer eines deutschen Flugzeugs in die Transportmann-
schaft eines englischen Schiffsgeschützes......................348
Der Schipperdienst. Von Chefarzt Dr. Vulpius .... 349
Die Abendmeldung. Von Hans Schipper............................350
General der Infanterie Rudolf Stoeger-Steiner v. Steinstätten,
der nerre österreichisch-ungarische Kriegsntinister .... 352
Die Rüstungslieferungen der Vereinigten Staaten an den
Vierverband................................................352
Der Stellungswechsel irrt Westen. Von Kriegsberichterstatter
Eugen Kalkschmidt..........................................368
Die russische Sommeroffensive. Von Major a. D. E. Moraht 362
Aufbringen eines Seglers durch ein deutsches Marinelustschiff 366
IV
Inhaltsverzeichnis. — Kunstbeilagen. — Karten.
Seite
Jagdstaffel Richthofen........................................368
Der neue Chef des Feldeisenbahnwesens.........................368
Infanterieflieger. Von Oberleutnant O. Daenbruch ... 376
Sturm. Nacherzählt von Otto Guem..............................376
Pferdeschwemme bei Vaur-les-Mouron im Aisnetal. Von
Chefarzt Dr. Vulpius......................................378
Major v. Olberg, der Leiter der Oberzensurstelle im deutschen
Kriegspresseamt...........................................379
Das Leben unserer D-Bootmannschaften....................... . 382
Seite
Brieftauben. Von Major Franz Carl Endres.......................383
Von der österreichisch-ungarischen Jsonzoarmee. Von Oberst Cgli 390
Schweizerische Sappeure beim Bau einer Behelfsbrücke . . 393
Die Kriegsbrücke bei Caineni ......................................395
Die Abwehrschlacht an der Aisne. Von Kriegsberichterstatter
Eugen Kalkschmidt..............................................396
Die Kriegsorden und -ehrenzeichen Deutschlands, Österreich-
Ungarns, Bulgariens und der Türkei. I....................398
Kriegskalender................................... am Schluß
Kunstbeilagen.
Nach Seite
Rumänische Heeresteile verwüsten auf ihrer regellosen Flucht
vor der Armee Mackensen die Ortschaften der Walachei.
Nach einem Originalgemälde von Mar Tilke . Vor dem Titel
Aus den Wochen der deutschen Heeresreserve in Flandern:
Deutsche Feldgraue bei einem fröhlichen Plauderstündchen
auf einem flandrischen Bauernhöfe. Nach einer Aquarell-
skizze des Kriegsmalers Th. Rocholl...................... 24
Einzug des Generalfeldmarschalls v. Mackensen in Bukarest
an der Spitze deutscher und bulgarischer Truppen: Emp-
fang durch die Stadtvertretung und andere Behörden auf
der Ealea Victoriei. Nach einer Originalzeichnung von
Ladislaus Tuszynski.......................................40
Rast eines Gefangenentransportes afrikanischer Jäger in der
Abenddämmerung am Toten Mann. Nach einer Original-
zeichnung des der Kronprinzenarmee zugeteilten Kriegs-
malers Josef Correggio.......................................48
Bulgarische Truppen setzen in der Nacht auf den 10. Dezember
1916 im Schutze der Dunkelheit zwischen Tutrakan und
Cernavoda über die Donau. Nach einer Originalzeichnung
von Mar Tilke................................................64
Der Munitionstransportdampfer „Suchan" der russischen Frei-
willigenflotte wird auf seiner Fahrt von Amerika nach
Archangelsk durch ein deutsches 17-Boot im Nördlichen
Eismeer aufgebracht und in schwerem Wetter, im Schnee-
und Regensturm durch die Nordsee in einen deutschen
Hafen geleitet. Nach einer Originalzeichnung von Pro-
fessor Hans W. Schmidt..................................88
Angriff ungarischer Honved auf russische Infanterie. Nach
einem Originplgemälde von Professor Anton Hoffmann . 104
Vernichtung rumänischer Petroleumraffinerien in Ploesci
durch die skrupellose englische „Zerstörungskommission" im
Dezember 1916. Nach einer Originalzeichnung von Mar Tilke 120
Auffahrende Artillerie. Nach einem Originalgemälde von
Wilhelm Schreuer........................................128
Torpedobootsangriff. Nach einem Originalgemälde v onG.Romin 144
Minensprengung an der kurländischen Küste. Nach einer
Originalzeichnung von Professor Karl Storch .... 176
Aus den Kämpfen an der Aa bei Mitau. Ostpreußische Füsi-
liere stürmen in der Nacht vom 23. auf den 24. Januar 1917
die russischen Stellungen im Walde von Mangal. Nach
einer Originalzeichnung von Professor Hans W. Schmidt 184
Kar
Seite
Kartenskizze zum Kampf am Skrobowabach....................37
Die Festung Bukarest............................................47
Die Ubergangstelle der Armee Mackensen über öle Donau und das
Kriegsgebiet von Bukarest, nach Generalstabskarten bearbeitet 47
Das Flußgebiet des Sereth und Pruth im nördlichen Teil von
Rumänien....................................................97
Übersichtskarte von Athen und Umgebung mit dem Piräus
Kartenskizze 1 zu dem Aufsatz „Die Wahrheit über Eombles" 126
Kartenskizze 2 zu dem Aufsatz „Die Wahrheit über Eombles" 126
Kartenskizze 3 zu dem Aufsatz „Die Wahrheit über Eombles" 127
Kriegslage beim deutschen Friedensangebot......................128
Was die Mittelmächte nach dem Willen des Vierverbands bei
dem Frieden verlieren sollen...............................128
Karte zu den Kämpfen an der Aa........................ . . . 129
Übersichtskarte der Moldau................................... 135
Kartenskizze zu dem Artikel „Ausgaben der Luftschiffe beim
Eisenbahnrückzug"..........................................160
Nach Seite
Auf der Rückzugstraße der geschlagenen Rumänen. Nach einer
Originalzeichnung von Professor Anton Hoffmann . . 192
Die Erstürmung der Höhe 185 bei Ripont in der Champagne am
15. Februar 1917. Nach einer Originalzeichnung von Pro-
fessor Anton Hoffmann.......................................208
Zu den Kümpfen im südöstlichen Kaukasus. Die Vorhut russisch-
kaukasischer Reiterei gerät in einen türkisch-persischen Hinter-
halt. Nach einer Originalzeichnung von Mar Tilke . . 224
Deutsches Torpedoboot im Kampf mit englischen Zerstörern
bei bewegter See. Nach einer Originalzeichnung von
Gustav Romin............................................248
Die nach stärkerem Artillerie- und Minenwerferfeuer bei
Kostanjevica vorbrechenden Italiener werden von den
k. u. k. Truppen mit Handgranaten und Bajonetten zurück-
geworfen. Nach einer Originalzeichnung von Professor
Anton Hoffmann.............................................256
Österreichisch-ungarische Verwundetensammelstelle in einem
eroberten italienischen Ort. Nach einer Originalzeichnung
von Professor Hans W. Schmidt..............................280
Aus den Straßenkämpfen der russischen Revolution. Vor dem
kaiserlichen Winterpalast in Petersburg. Nach einer far-
bigen Originalzeichnung von Mar Tilke ...... 288
Beschießung von Dünkirchen durch deutsche Torpedoboote in
der Nacht vom 26. zum 26. März 1917. Nach einer Origi-
nalzeichnung von Professor Willy Stöwer..............312
Der Sieg von Toboly. Eindringen deutscher Sturmbataillone
in die „Tobolylöcher", die völlig verwahrlosten russischen
Unterstände am Stoch odbrückenkopf. Nach einer Original-
zeichnung von Professor Anton Hoffmann.........................328
Nach vorn zum Schanzen. Nach einem Originalgemülde von
Professor Hans W. Schmidt..................................344
Reitergefecht irrt Diala, einem Nebenfluß des Tigris. Im
Hintergrund die flachen Berge des Djebel Hamrin. Nach
einer Originalzeichnung des auf dem türkischen Kriegschau-
platz zugelassenen Kriegsmalers Fritz Grotemeyer . . . 352
Bei Braye an der Aisnefront zum Gegenstoß vorgehende
deutsche Sturmtruppen. Nach einer Originalzeichnung von
Johs. Gehrts............................................ 368
Die wichtigsten Kriegsorden und -ehrenzeichen Deutschlands,
Österreich-Ungarns, Bulgariens und der Türkei in 2/s der
natürlichen Größe. Tafel 1.....................................392
Len.
Seite
Kartenskizze zu den Kämpfen im Raume Mitau-Niga . . 162
Skizze zu dem Artikel „Minensperren"............................172
Skizze zu dem Artikel „Minensperren"............................173
Karte zur deutschen Sperrgebietserklärung.......................178
Vogelschaukarte zu den Kämpfen um Galatz.....................198
Karte zu den Kämpfen südlich von Ripont.........................209
Kartenskizze vom Suezkanal.................................... 224
Kartenskizze zu den Kämpfen um Kut-el-Amara .... 236
Karte des von den Deutschen geräumten Gebietes im
Westen.....................................................276
Karte zum deutschen Erfolg an der Schtschara....................292
Kartenskizze zu dem Artikel „Der Sieg von Toboly" . . . 322
Vogelschauansicht der Gegend am Brückenkopf voll Toboly
am Stochod.................................................323
Karte zu der Schlacht bei Arras . ... . . . . . . 338
Karte zu der Schlacht an der Aisne ..........................342
Wie sich die Franzosen den Angriff an der Aisne dachten . 342
Karte 311 der französischen Offensive in der Champagne . 342
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17
(Fortsetzung.)
Da der bisherige Verlauf des großen Ringens die er-
hoffte Entscheidung noch nicht gebracht hatte, traf man in
allen am Kriege beteiligten Ländern großzügige Vorberei-
tungen zu einem neuen Frühjahrsfeldzug. England be-
mühte sich eifrig, seine Verbündeten von der Notwendig-
keit der Fortführung des Kampfes zu überzeugen und
die Aussichten des Vierverbandes als glänzend hinzu-
stellen. Seinem Petersburger Botschafter Buchanan gelang
es sogar, durch seine Machenschaften ganz erheblich zum
Sturze des russischen Ministerpräsidenten Stürmer bei-
zutragen. Dieser stand bei England in dem Verdacht,
deutschfreundliche Gesinnungen zu hegen und dem -Frieden
geneigt zu sein, was ihn bei den Verbandsdiplomaten von
vornherein unmöglich machte. Er mußte also weichen, und
an seine Stelle trat Trepow, ein ausgesprochener Deutschen-
hasser. Dieser Mann schien England die Gewähr zu bieten,
daß Rußland weiterhin zur treuen Gefolgschaft Englands
gehören und bereit sein würde, für dieses zu verbluten. Die
Gefahr, daßRußland
etwa einen Sonder-
frieden schließen
würde, wie immer
häufiger auftau-
chende Gerüchte be-
haupteten, war vor-
erst beseitigt; seine
Regierung bekun-
dete auch den Wil-
len 5ur Weiterfüh-
rung des Krieges
durch die Einberu-
fung der Rekruten
des Jahrgangs 1918,
was eine Vermeh-
rung des Heeres um
500 000 Mann be-
deutete.
Auch in Frank-
reich, wo man in-
folge des gelunge-
nen Vormarsches auf
Monastir neuen Mut
gefaßt hatte, sehte
man die Rüstungen
energisch fort.Gleich-
zeitig forderten das
Kabinett und die
Presse wieder ein-
mal eine stärkere
Beteiligung eng-
lischer Truppen, weil
die eigenen Streit-
kräfte bei den fort-
gesetzten Angriffen
an der Somme rie-
sig gelitten hatten.
Diesem immer wie-
derholten Drängen
hatte ja England bis
zu einem gewissen
Grade bereits nach-
gegeben, das franzö-
sische Volk wünschte
aber die Ausdeh-
nung der englischen Front für die Wintermonate in
einem solchen Umfange, daß die französische Armee, im
ganzen genommen, sozusagen einmal zu fast völliger Aus-
spannung kommen könne. Dank der einschneidenden Gesetze,
die England während des Krieges zu erlassen gezwungen
war, konnte es auch seine Wehrmacht gewaltig verstärken;
eine erhöhte Leistungsfähigkeit seiner Truppen war somit
für das kommende Frühjahr in sichere Aussicht zu nehmen.
Wesentlich unterstützt wurden die Anstrengungen der
Gegner Deutschlands und seiner Verbündeten durch die
japanische und amerikanische Kriegsindustrie, die beide unter
Anspannung aller Kräfte arbeiteten, um die Armeen der
Vierverbandslünder mit ungeheuren Mengen Kanonen und
Munition zu versehen.
Diesen Tatsachen gegenüber konnte Deutschland nicht
mehr mit den gewöhnlichen Mitteln zur Führung des
Krieges auskommen. Es hatte sich gezeigt, daß für den
Erfolg der Besitz an ausreichendem Artilleriematerial von
ausschlaggebender Bedeutung ist. Dieser Erkenntnis galt es
Rechnung zu tragen. Der neue Kriegsminister v. Stein,
der an die Stelle des Generals Wild v. Hohenborn trat,
erblickte deshalb seine Hauptaufgabe in der Verstärkung und
Verbesserung der Ausrüstung des deutschen Heeres und der
Streitkrüfte seiner Verbündeten. Kanonen und Granaten
mußten fortan in bisher nicht gekannten Mengen erzeugt
werden. Auch auf allen anderen Gebieten mußte der
Kräfteentwicklung der Feinde die Fruchtbarmachung aller
eigenen Mittel für die Abwehr der gegnerischen, auf völ-
lige Vernichtung abzielenden Pläne entgegengestellt werden,
Dem Kriegs-
ministerium wurde
aus diesen Gründen
ein Kriegsamt an-
gegliedert, dem in
erster Linie die Lö-
sung der Aufgabe
anvertraut wurde,
die gesamten Hei-
matkrüfte,die ander
Front nicht verwen-
dungsfühig waren,
mehr als je zuvor
dem Heere nutzbar
zu machen.
Ganz Deutsch-
landsollte ein großes
Heer- und Kriegs-
lager werden; alle
überhaupt nur ver-
wertbaren wirt-
schaftlichen, indu-
striellen und Men-
schenkräfte sollten
in den Dienst der
Vaterlandsverteidi-
gung gestellt wer-
den. Bewährte und
erfahrene Männer
berief man in die
Leitung des Kriegs-
amtes, an dessen
Spitze Generalleut-
nant Grüner trat, der
in ganz Deutschland
wohlbekannte Würt-
temberger, dessen
ausgezeichnete Fä-
higkeiten besonders
in die Erscheinung
getreten waren, als
er noch als Chef des
Feldeisenbahn-
wesens wirkte (siehe
Bild in Band II
Seite 386 und den
Artikel ebenda Seite 396). Ihm zur Seite wurden
Oberst Marquard als Leiter des Kriegsarbeits- und -ersatz-
amts und der Direktor der Grusonwerke in Magdeburg,
Dr. Kurt Sorge, gestellt (siehe die Bilder Seite 2),
welch letzterer mit den der deutschem Industrie und Wirt-
schaft innewohnenden Kräften aus eigenem Schaffen aufs
innigste vertraut war. Diese Männer und ihre Mitarbeiter
sollten auch die letzten Felddienstfähigen Deutschlands an
die Front bringen, !ie vorzüglich ausrüsten und die Erzeu-
gung von Kriegsmitteln aller Art im höchsten Maße för-
dern. Es war ein hochbedeutsamer Plan, mit dem das
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 by Union Deutsche Bcrlagsgesellschast in Stuttgart.
VI Band. 1
Hofphot. Pietzner, Wien.
Kaiser Karl von Österreich, König von Ungarn.
2
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Kriegsamt um die Mitte des Novembers hervortrat; er
bedeutete die größte Umwälzung, die das deutsche Wirt-
schaftsleben seit Kriegsbeginn betroffen hatte, er bot aber
zugleich auch die einzige Möglichkeit, dem Vaterlande wirk-
lich alle Mittel für den Krieg zu erschließen. Zweifellos
wurde durch die Annahme uud Durchführung des vater-
ländischen Hilfsdienstgesetzes, das alle Parteien
des Reichstages in seinen Grundzügen guthießen, weil es
durch die Lage der Verhältnisse hinreichend als notwendig
für einen baldigen, den Deutschen günstigen Frieden gekenn-
zeichnet war, die Schlagfertigkeit des deutschen Heeres für
das Frühjahr 1917 aufs höchste gesteigert. Hieraus war zu
schließen, daß die hervorragenden Leistungen der deutschen
Truppen und ihrer Verbündeten an der Somme, in Ru-
mänien und in Siebenbürgen nur das Vorspiel zu ent-
scheidenden Schlägen sein konnten. —
Unterdes nahmen die Kriegsereignisse auf allen Fronten
ihren Lauf. Siebenbürgen, das die Rumänen schon
für alle Zeiten sicher zu haben glaubten, war vom Feinde
um Mitte November fast ganz befreit worden. Auf einer
Fläche von 80 Quadratkilometern hatten sich die Rumänen,
denen starke russische Abteilungen beigegeben waren, im
äußersten Nord-
osten des Lan-
des, in der Nähe
der sogenannten
Dreiländerecke,
noch gehalten; sie
traten hier sogar
angriffsweise auf.
Infolge der
weit ausladenden
Grenzen Rumä-
niens hatten sich
vier deutlich ab-
geteilte selbstän-
dige Kriegschau-
plätze ergeben,
nämlich die Front
an der Grenze
der Walachei, die
Dobrudscha, die
sehrlangeDonau-
front, an der bis
über die Mitte
des Novembers
hinaus nur vor-
bereitende Hand-
lungen unter-
nommen wur-
den, und der schon
angeführte nord-
siebenbürgische oder die Moldaufront. Hier bot sich den
Feinden eine der äußeren Lage nach gegebene Möglich-
keit', durch kräftige Vorstöße die Armee Falkenhayn, die
sich in fortschreitendem Angriff auf die Walachei befand,
in der Flanke zu gefährden. Deshalb setzten hier auch
die Russen mit ihrer Hilfe ein. Gelang es ihnen, die
österreichisch-ungarisch-deutsche Front an dieser Stelle
zum Schwanken zu bringen oder gar zu durchbrechen,
dann mußte Falkenhayn in eine schwierige Lage geraten;
er würde gezwungen sein, seine mühevollen Angriffsunter-
nehmungen, all das Schritt für Schritt gewonnene Ge-
lände in Feindesland aufzugeben oder erhebliche Verstär-
kungen von anderen Fronten heranzuführen, wodurch
diese gefahrdrohend geschwächt werden mußten.
In der Zeit vom 13. bis 19. November entwickelten sich
an dieser Front entscheidende Kämpfe. Zunächst hatte es
General Arz an und vor den Hauptpässen hauptsächlich
mit Rumänen zu tun, die sich in ihren Stellungen verzweifelt
wehrten, schließlich aber doch zurückgedrängt wurden. Auf
dem linken Flügel begannen die Rumänen den Russen
Platz zu machen. Es handelte sich um livländische Regi-
menter, die schon eine recht lange Reise hinter sich hatten.
Sie waren um Mitte September, nachdem sie vorher bei
Baranowitschi und am Naroczsee gekämpft hatten, in Mol-
decna eingeladen worden und dann auf dem weiten Wege
über Minsk und Bessarabien nach Czernowitz gekommen.
Phot. Berl.' Jllustrat.-Ges. nt. b. H.
Oberst Marquard,
der Leiter der Ersatzabteilung und des Arbeitsamts
im neugeschaffenen Kriegsamt, bisher Generalstabschef
einer Armee.
Die zerstörten Brücken und Bahnen in der Bukowina hatten
sie dann zu langen Fußmärschen durch die Bukowina ge-
zwungen. Ein Teil der Truppen mußte bis in die rumäni-
schen Stellungen marschieren, ein anderer erreichte den
rumänischen Bahnanschluß und ging bis nach Piatra weiter.
Dieser Bahnknotenpunkt war die wichtigste Stelle für den
russisch-rumänischen Nachschub in die Räume des Tölgyes-,
Betas- und Gyimespasses.
Die Russen machten sich sofort durch erhöhte Flieger-
tätigkeit bemerkbar und hatten auch sehr reichliche Artillerie
mitgebracht, die sich mit großem Eifer einzuschießen begann.
Lebhafte Angriffsunternehmungen ließen nicht lange auf
sich warten; starke Streiftruppe wurden von den Russen
angesetzt, um für gründliche Aufklärung in dem bergigen
Gelände zu sorgen, das beiden Gegnern Gelegenheit zu
häufigen Überfällen bot.
Bei diesen Streifzügen sollten die Russen bald durch
schmerzliche Aberraschungen getroffen werden. Zunächst
vermochten sie zwar vor dem wichtigen Tölgyespaß die
Österreicher und Ungarn, die ihnen an Zahl stark nachstanden,
stellenweise bis zu zwei Kilometer Tiefe zurückzudrücken;
dann aber wendete sich das Blatt. Die Aufklärungsabtei-
lungen, die mit großer Frische und Zuversicht weiter vorzu-
dringen suchten, wurden in Massen abgefangen, wodurch
die russische Füh-
rung im unklaren
über die Vor-
gänge in und hin-
ter den österrei-
chisch-ungarischen
Stellungen blieb.
Dort bereiteten
sich aber große
Dinge vor.
Unbemerktvom
Gegner wurden
deutsche Verstär-
kungen, aus er-
probten baye-
rischen Gebirgs-
truppen beste-
hend, zwischen
zwei Kampfes-
gruppen der k.
und k. Streit-
kräfte eingescho-
ben. Letztere
deckten die Auf-
marschbewegung
der Deutschen so
glänzend, daß
diese sich für die
wichtige Fest-
legung der Ar-
tilleriestellungen und die Heranschaffung der Geschütze Zeit
lassen konnten. In langen Autokolonnen wurden Trag-
tiere nach vorn geschafft, um mit deren Hilfe den Muni-
tionsnachschub bis in die vordersten Schützenlinien zu
sichern. Über Nacht entstanden ausgezeichnete Fernsprech-
verbindungen, Sanitätskolonnen richteten sich ein und Re-
serven bezogen günstige Lagerplätze. Nachdem so alles
bis ins kleinste wohl vorbereitet war, brachen die Ver-
bündeten ungestüm gegen die Russen vor.
Ihr Angriff zielte über eine ganze Anzahl schwer zu
nehmender hoher Gipfel in der Richtung nach Nordost
unmittelbar auf Eyergyo-Tölgyes und auf das hinter ihm
ost-westlich verlaufende Bistricioaratal. In unwidersteh-
lichem Vordringen warfen sie die ganze russische Linie im
ersten Ansturm über den Haufen. Von allen Höhen wurde
der Gegner trotz mannhaften Widerstandes vertrieben; die
wichtigen Berge Batca Rohusda, Nagy Qbcina und Nis
Qbcina, die jeder über tausend Meter hoch sind, fielen in die
Hände der Sieger. Schon am ersten Kampftage sahen sich
die Russen auf einer Breite von 10 Kilometern 5 Kilometer
tief zurückgedrängt. Ein nicht geringer Anteil am Gelingen
des Vorstoßes gebührte der Artillerie. Die Geschütze der
Deutschen feuerten in gerader Richtung auf die russischen
Linien, während die Österreicher und Ungarn ihre Haubitzen
so aufgestellt hatten, daß ihr Feuer die Russen hauptsächlich
in der Flanke traf. Gerade die zahlreiche Artillerie (siehe
Dr. Kurt Sorge,
Direktor des Magdeburger Grusonwerkes,
der Chef des technischen Stabes des neuen
Kriegsamis.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
3
Bild Seite 6 unten)
kam für die Russen
unerwartet; waren doch
zum Jnstellungbringen
eines einzigen größe-
ren Geschützes in dem
dortigen ungemein
schwierigen Gelände dis
zu sechzehn Pferdege-
spanne nötig. Nichts-
destoweniger haften
aber die Verbündeten
diese mühevolle Arbeit
in zäher Ausdauer und
in verhältnismäßig kur-
zer Zeit geleistet.
Die Deutschen wa-
ren bis an die Bistri-
cioara gelangt und
machten nun eine
Schwenkung, so daß
sie nicht mehr in west-
östlicher, sondern in
nord-südlicher Richtung
gegen den Feind stan-
den und geradeswegs
auf das Putnatal vor-
stoßen konnten. Sie
überquerten dieses Tal
und marschierten durch
den von ihnen gewonnenen und besetzten Ort Eyer-
gyo-Tölgyes weiter vorwärts.
Die Österreicher und Ungarn nahmen den Paltinisberg,
der über 1330 Meter hoch aufragt, und schlugen an anderen
Stellen wuchtige russische Gegenstöße ab.
Die ganze russische Linie zwischen den Hauptpässen
geriet ins Wanken. Um alle Bergspihen, so in der Richtung
des Bekaspasses, auch um den über 1440 Meter hohen
Kerekhavas, entwickelten sich schwere Kümpfe. Die Russen
mußten weichen, nachdem sie die für Truppenverschie-
bungen günstige Linie
des Bistricioaratales
verloren hatten und
ihnen von den k. und k.
Truppen auch der Berg-
rücken Balasz Nyaka
genommen war. Da-
mit war ihnen eine
zweite sehrwichtigeVer-
bindungslinie durch -
schnitten worden, auf
der sie bisher ihreStreit-
kräfte vom Bekas- bis
zum Tölgyespaß nach
Belieben verschieben
konnten. Überdies ver-
loren die Russen in den
wälder- und schluchten-
reichen EeliUen nicht
nur viele Mannschaften
durch Eisen und Blei,
sondern auch durch den
Abgang zahlreicherVer-
sprengter und Verirrter,
die in großer Zahl ge-
fangen oder aufgerie-
ben wurden.
Als schweres Hin-
dernis tat sich den Ver-
bündeten jetzt das über
1500 Meter hohe Hegyesmassiv auf. Auch nördlich und
südlich von ihm ergaben sich große Schwierigkeiten, die
aber, wenn auch stellenweise langsam, überwunden wurden.
Da versteifte sich plötzlich der Widerstand der Russen
durch das Eintreffen schnell herangeführter großer Verstär-
kungen. Ihr Druck wurde so stark, daß die Verbündeten
nach ihrem frischen und siegreichen Vorstoß ihre Stellungen
zunächst zur Verteidigung festlegten. Sie erblickten einst-
weilen ihre Hauptaufgabe darin, das Erreichte festzuhalten,
möglichst viel russische Streitkräfte zu binden und sie durch
Typen rumänischer Gefangener aus 'der Walachei.
Talmacz an der Roten Turm-Straße, das die Rumänen auf ihrer Flucht durchzogen.
Nach einer Originalskizze des auf dem rumänischen Kriegschauplatz weilenden Kriegsmalers A. Reich-München.
©et Donauübetgang bet Ttuppen bes ©enetalfelbnif^0^ v. 9Itac6enfen am 24. Stefcembet 1916 bei Svistow.
Nach einer Originalz^""6 von Fritz Neumann.
6
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Photothek, Berlin.
Minenräumer der österreichisch-ungarischen Donauflottille auf der Streife gegen Rumänien.
kräftige Abwehr ihrer Angriffe zu schwächen. Diese Absicht
gelang vollkommen. —
In der Walachei rangen die Deutschen gegen Mitte
November immer noch um den Ausgang aus den Tälern;
sie hatten die rumänische Front aber schon stark erschüttert
und immer mehr Anzeichen sprachen dafür, daß der Wider-
stand des Gegners trotz der Zusammenziehung aller seiner
verfügbaren Streiter und trotz des zur Verteidigung vor-
züglich geeigneten Geländes allmählich nachließ. Teils
litt der Feind schwer unter den äußerst hohen Blutopfern,
die er hatte bringen müssen, teils sank ihm aber auch bei
den: unablässigen harten Druck der Angreifer der Mut.
Dies kam besonders in den regelmäßig hohen Eefangenen-
ziffern zum Ausdruck. Am Roten Turm-Paß (siehe Bild
Seite 3 unten) verloren die Rumänen am 13. November
allein 6 Offiziere und 650 Mann an Gefangenen. Die
Kümpfe des nächsten Tages an den in die Walachei
hineinführenden Straßen waren für sie noch erheblich ver-
lustreicher,- sie büßten dabei 23 Offiziere und über 1800 Mann
sowie 4 Geschütze und mehrere Maschinengewehre ein. Am
15. November gerieten wieder über 1200 Mann in Ge-
fangenschaft (siehe Bild Seite 3 oben). Tags darauf er-
zielten die Truppen des Generalleutnants Krafft v. Del-
mensingen einen schönen Erfolg, der zur Gefangennahme
von 10 Offizieren und 1500 Mann führte, zu denen in be-
nachbarten Abschnitten weitere 650 Gefangene traten.
Außerdem wurden noch 12 Maschinengewehre erbeutet.
Deutscher 21-em-Mörser kurz nach dem Abschuß im Roten Turm-Paß.
Der deutsche Heeres-
bericht über den 16. No-
vember enthielt auch die
Mitteilung, daß sich die
Bevölkerung in Rumä-
nien am Kampfe betei-
ligte. Es ist unbegreif-
lich, daß die Behörden
diese völkerrechtswidrige
Betätigung nicht verhin-
derten, obwohl sie sich
doch sagen mutzten, daß
sie dafür bei der ersten
sich bietenden Gelegen-
heit mit zur Verantwor-
tung gezogen werden
würden.
Die Reihe schwerer
Kampftage setzte sich
fort. Die Rumänen mutz-
ten weiter zurückweichen
und waren schlietzlich ge-
zwungen, in dem harten
Verteidigungskampf, der
das Vorrücken Falkenhayns an der wichtigen Walacheifront
doch nicht aufzuhalten vermochte, nach und nach ihre ge-
samten Streitkräfte einzusetzen und so die übrigen Fronten
zu entblötzen.
Run holte Falkenhayn zum vernichtenden Schlage aus.
Am 18. November lieferte er den Feinden bei Targu Jiu
eine entscheidende Schlacht und durchbrach, indem er den
Feinden die schwersten blutigen Verluste zufügte,chie russische
Front, warf auch die von Osten in den Kampf eingreifenden
Reserven der Rumänen nieder und drängte mit seinen sieg-
reichen Truppen dem fliehenden Feinde, dessen Rückzug
durch Brandstiftungen und Verwüstungen gekennzeichnet
war (siehe die Kunstbeilage), sofort machtvoll nach. Die
ausgezeichneten vorbereiteten Stellungen mit Panzertür-
men, die die Rumänen am Ausgang des Gebirges ein-
gerichtet hatten (siehe Bild Seite 7 unten), konnten den
Siegeszug nicht aufhalten; Volltreffer aus schweren Ge-
schützen schleuderten die Panzertürme die Berge hinab.
Auch die verschlammten und verschneiten Wege boten kein
unüberwindbares Hindernis für den Vormarsch. Es gelang,
die wichtige Bahnlinie Orsova—Craiova zu erreichen und
südlich des Noten Turm-Passes auch den Weg Calimanesci-
Cuici zu überschreiten.
Rach den Schlachten in Siebenbürgen, dem Ringen
um die Pässe, war nun der Feldzug in Rumänien, zum
mindesten in der Walachei, in einen neuen Abschnitt ein-
getreten: den Einmarsch der verbündeten Angreifer in die
walachische Ebene. Das
bedeutete den Vormarsch
auf Bukarest, die Haupt-
stadt und Hauptfestung
des Landes.
Ohne Rücksicht auf die
seitlich zurückbleibenden
Rumänen gingen die ver-
bündeten Truppen nach
Süden vor und breiteten
sich auch nach Westen
und Osten aus. Die
Orsovagruppe der Ru-
mänen geriet dadurch in
große Gefahr, abgeschnit-
ten zu werden, Andere
abgeschnittene und im
Vormarsch überholte ru-
mänische Truppenteile,
die anfangs die kühne
Absicht hatten, den Sie-
gern in den Rücken zu
fallen, ohne zu bedenken,
datz sie dabei zwischen
zwei Feuer geraten mutz-
ten, wurden durch klei-
nere Abteilungen der
Verbündeten gefangen
oder aufgerieben. Das
Photothek, Berlin.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Gros der deutschen 9. Ar-
mee rückte mit erstaunlicher
Schnelligkeit weiter vor und
suchte immer wieder aufs
neue Fühlung mit dem
Feind. Am 20. November
stand die deutsche Infan-
terie in weniger als sieben
Kilometer Entfernung vor
Craiova, der alten Haupt-
stadt der kleinen Walachei.
Schon am Vormittag des
nächsten Tages zogen die
deutschen Soldaten in Crai-
ova ein, wo 300 beladene
Eisenbahnwaggons erbeutet
wurden. Die Sieger stan-
den nun, von der Nord-
grenze, von der sie einge-
drungen waren, aus ge-
rechnet, bereits über 110
Kilometer tief in Feindes-
land und waren von der
Donau nur noch 60 Kilo-
meter entfernt.
Gefangene wurden in
Massen eingebracht, wo
Widerstand an Stelle der
wilden Flucht trat, wurde
er blutig gebrochen. Das
rasche Vorgehen der sieg-
reichen Infanterie, die der
v orrückend en Kav all eri e.
(siehe nebenstehendes Bild)
schnell folgte, trug guten
Lohn; die Rumänen ver-
loren immer mehr Boden
und fanden nicht den Mut,
ernstliche Versuche zum Auf-
halten des deuksch-österrei-
chisch-ungarischen Vormar-
sches zu machen.
Auch die vom Roten
Turm-Paß kommendenVer-
bände konnten sich rasch auf beiden Ufern des Altflusses vor-
arbeiten und den zähen Widerstand der Rumänen auf die-
sem schwierigen Abschnitt überwinden. Erleichtert wurde das
Vordringen dieser Gruppe durch das ununterbrochene Vor-
wärtsschreiten der nach Craiova gezogenen Streitkräfte in
der Richtung auf den Unterlauf des Altflusses. — Den feind-
lichen Widerstand in dem abgeschnittenen Ostzipfel Ru-
mäniens endgültig zu bre-
chen, glückte bis zum 23. No-
vember. Orsova und Turnn
Severin (siehe die Karte
Band V Seite 444) fielen
in die Hände der verbün-
deten Sieger. —
Während dieser Vorgänge
kam auf einmal auch jene
rumänische Kampffront in
kraftvolle Bewegung, an der
es bisher nur zu gelegent-
lichem Geplänkel gekommen
war: die Donaufront.
Am 24. November morgens
überschritten Truppen Ma-
ckensens die infolge des Tau-
wetters hochangeschwollene
Donau bei Svistow, wo vor
einigen Wochen die Bul-
garen den Rumänen schon
die Donauinsel entrissen
hatten. Die ersten Abtei-
lungen setzten auf Flößen
über den mächtigen Strom,
dann erfolgte der Brücken-
bau. Nach verhältnismäßig
kurzer Zeit konnten die Ver-
bündeten über vier Brücken
das jenseitige Ufer gewin-
nen. Am Morgen des 25.
November war der Über-
gang der zahlreichen Streit-
kräfte so gut wie beendet.
Die mächtige Sperre war
genommen, der kilometer-
breite Strom, der das Land
im Süden mit einem Gürtel
von Sümpfen und Seen
sichert, hatte die vorgehen-
den Truppen sowenig auf-
halten können wie die hier
stehenden schwachen Kräfte
der Rumänen. An dersel-
ben Stelle, wo einst die Russen 1877 im Krieg gegen die
Türken und 1913 die Rumänen im verräterischen Über-
fall auf Bulgarien den Uferwechsel vollzogen hatten, über-
querten nun in der entgegengesetzten Richtung Deutsche,
Bulgaren und Türken den Fluß (siehe Bild Seite 4/5). —
Stromaufwärts von dieser Stelle gingen bulgarische Streit-
kräfte an verschiedenen Punkten aus das jenseitige Ufer über.
Photothek, Berlin.
Auf Patrouille im Roten Turm-Paß. Sichtung des Feindes.
Phot. Az Est, Budapest.
Durch Panzertürme befestigter rumänischer Schützengraben auf rumänischem Gebiet, den österreichisch-ungarische Truppen im ersten Sturm eroberten.
8
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Von dem rumänischen Orte Zimnicea aus begannen die
Truppen Mackensens den Vormarsch in drei Richtungen,
und zwar auf Caracal, Alexandria und Giurgiu.
Schon am 25. November standen sie vor Alexandria.
In siegreichem Vorgehen begriffene deutsche Reiterei unter
Generalleutnant Graf v. Schmettow warf im Gelände
östlich des unteren Alt eine sich ihr entgegenstellende ru-
mänische Kavalleriedivision und stellte die Verbindung mit
den aus den Bergen kommenden Truppen her. Die Ver-
einigung der Armeen Mackensens und Falkenhayns erfolgte
bei Slatina und die verbündeten Truppen bildeten ;etzt
auf rumänischem Gebiet eine einheitliche Front.
Den nun noch im Raume von Orsova kämpfenden
rumänischen Truppen bot sich infolgedessen überhaupt keine
Aussicht mehr, den Anschluß an die Hauptmacht ihres
Heeres wiederzufinden. Ihre Bekämpfung, die durch die
das Freiwerden des Stromes als Verkehrsweg für die Ver-
bündeten (siehe Bild Seite 6 oben). Auch auf ihm fiel den
Siegern große Beute zu; bis zum 27. November wurden
aus den Donauhäfen zwischen Orsova und Rustschuk 6 Damp-
fer und 80 Schleppkähne eingebracht, die meist sehr wert-
volle Ladungen führten. —
An der Do brutsch afro nt verhielt sich Mackensen ab-
wartend. Er hatte nördlich der Linie Cernavoda—Constanza
eine Feldstellung bezogen und wehrte in ihr alle Angriffe
des mit immer stärkeren Kräften vorfühlenden Generals
Sacharow überlegen ab. —
rir ❖
*
In Mazedonien hatte der Widerstand der Deutschen,
Bulgaren und Türken kräftigere Formen angenommen.
Am Ochridasee (siehe die Bilder Seite 11) mußten sich
Straßenleben in der mazedonischen Stadt Jftip.
Nach eino-r Originalskizze des Kriegsmalers A. Reich-München.
Schwierigkeiten des zur Verteidigung ausgezeichnet ge-
eigneten Geländes sehr erschwert war, machte rasche Fort-
schritte. Von Turnu Severin her drängten deutsche Trup-
pen den Rest ber Orsovadivision nach Südosten ab, wo
andere Abteilungen zu ihrem Empfang bereit standen.
Die Rumänen wurden geschlagen,' sie büßten hier 28 Offi-
ziere und 1200 Mann Gefangene ein und mußten 3 Ge-
schütze, 27 gefüllte Munitionswagen und 800 beladene Fahr-
zeuge aller Art preisgeben.
Die Truppen Falkenhayns errangen an diesem Tage
ebenfalls einen großen Sieg. Sie warfen den Feind hinter
den Topologuabfchnitt zurück; östlich von Tigveni durch-
brach 'das sächsische Infanterieregiment 183 die feindliche
Front, wobei es von dem neumärkischen Artillerieregiment
54, das zu schneller Wirkung gegen den Feind sehr nahe
vor seinen Linien aufgefahren war, vortrefflich unterstützt
wurde. An dieser Stelle verlor der Feind allein 10 Offiziere
und 400 Mann an Gefangenen und 7 Maschinengewehre.
Eine wichtige Folge der Überschreitung der Donau war
die Feinde am 23. November nach vergeblichen Vor-
stößen wieder zurückziehen; auch an der deutsch-bulgari-
schen Front Zwischen dem Prespasee und dem östlichen
Cernalauf scheiterten ihre Teilangriffe, und ebensowenig
glücklich waren sie an der Höhenstellung von Paralovo,
wo sie ebenfalls zurückgeschlagen wurden. Italiener
holten sich nordwestlich von Monastir blutige Köpfe,
und serbischen Truppen wurde nördlich von Eruniste
eine Schlappe zugefügt. So erwiesen sich alle Versuche
Sarrails, seinen Erfolg von Monastir weiter auszubauen,
als vergeblich; seine Gegner wußten neue Fortschritte
immer zu vereiteln. —
-j- *
*
Gegenüber den Ereignissen an den rumänischen Fronten
trat der russische Kriegschauplatz, der noch vor kurzem so
furchtbare Zusammenstöße gesehen hatte, ziemlich zurück.
Vollständige Ruhe herrschte hier freilich nicht. Die deutschen
Vorposten zeigten sich wiederholt recht unternehmungslustig,
Illustrierte Geschichte des Welttrieges 1914/17
Das „Eiserne Tor Bulgariens", die Schlucht des Jskerflusses im Balkan.
Nach einer Originalzeichnung ron Professor M. Zeno Diemen
und gelegentlich kam es auch zu größeren Teilangriffen,
durch die Frontverbesserungen beabsichtigt wurden. An der
Stochodfront gelang am 23. November morgens eine Unter-
nehmung gegen eine russische Feldstellung nordöstlich von
Powursk an der Kowel-Sarny-Bahu. Dort befanden sich
stellung selbst erhielt ebenfalls so schweres Feuer, daß die
später vorgehenden österreichisch-ungarischen und deutschen
Abteilungen dort nicht mehr viel zu tun fanden. Sie brachten
einige Gefangene mit zurück, nachdem sie die Stellung völlig
unbrauchbar gemacht hatten. —
Die Wiederaufrichtung des Königreiches Polen beant-
auf Hügeln einige russische Batterien, die durch einen Feuer-
überfall der Deutschen vernichtet wurden. Die Feld-
VI. Band.
wartete die russische Regierung mit einer Kundgebung, in
R,'S-'b U ■B&5*
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|| ■ 'MW'''-’ L ,v-n^Jx "v * * ‘M/KMEM MJ
-
10
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
der den Polen das Versprechen der Wiedererrichtung ihres
Reiches über die von den Mittelmächten in Aussicht ge-
nommenen Grenzen hinaus zugesagt wurde, allerdings
mit der Einschränkung: „unter dem Zepter der russischen
Herrscher". Die Kundgebung enthielt auch eine Verwah-
rung gegen die Aufstellung eines polnischen Heeres, weil
die von den Mittelmächten beseht gehaltenen polnischen
Gebiete immer noch ein „integrierender Bestandteil des
russischen Reiches" seien. Dessenungeachtet ging das polnische
Heer Schritt für Schritt seiner Vollendung entgegen. Um
jedoch den polnischen Heeresteilen nach den bestehenden
völkerrechtlichen Bestimmungen die Eigenschaft von Truppen
eines kriegführenden Staates zu sichern, wurden sie dem
deutschen Heere angegliedert. —
* *
, Einen sehr schmerzlichen Verlust hatten die Öster-
reicher und Ungarn am 21. November zu beklagen. Ihr
allverehrter Kaiser und König Franz Joseph, der treue
Waffengefährte Kaiser Wilhelms, schloß die Augen für
immer. _ Sein Nachfolger wurde der junge Kaiser Karl
(siehe die Bilder Seite 1 und 16 unten), der bisher im
Osten eine Heeresgruppe geführt hatte. — «Fortsetzung folgt.»
Illustrierte Kriegsberichte
Wofür kämpfen wir?
Von Dr. Paul Rohrbach.
Vielleicht können wir uns die Frage, wofür- wir kämpfen,
ihrem Inhalte nach einmal dadurch klar machen, daß wir
umgekehrt fragen: wofür kämpfen denn unsere Feinde,
zumal der Hauptfeind England? Da sind jene sofort mit
der Antwort zur Hand: Wir kämpfen für Menschlichkeit
und Recht und für die Freiheit der Welt vom deutschen
Militarismus. Diese Melodie kennen wir ja alle seit Aus-
bruch des Krieges. Wir wissen auch, daß die große Mehrheit
der öffentlichen Meinung in England und Frankreich, ja
zum Teil sogar in Rußland, halb oder ganz davon überzeugt
ist, daß Deutschland Weltherr-
schaftsgedanken hegte, als es
in den Krieg ging, und es ist
ohne Zweifel ein großer Erfolg
der Politik unserer Gegner,
daß sie durch die Presse, durch
Ministerreden, durch Versamm-
lungen und sonstige Umtriebe
die Fabel vom herrschsüchtigen
und gewalttätigen Deutsch-
land verbreitet haben. Fragen
wir aber einen einsichtigen
Politiker oder einen wirklichen
Staatsmann des Vierverbands
aufs Gewissen, wofür sein
Land, sein Volk kämpfen, so
wird er, wenn er ehrlich ant-
worten will, etwas ganz ande-
res eingestehen.
Denken wir uns einmal
einen Engländer die Lage über-
blickend, in die sein Vaterland durch den Entschluß zur
Teilnahme am Kriege nach mehr als zwei Jahren ge-
raten ist. Englands Sicherheit vor feindlichen Angriffen
und seine Überlegenheit in der Weltpolitik gegenüber allen
anderen Mächten bestanden darin, daß es durch seine Insel-
lage und die vollkommene Überlegenheit seiner Flotte nicht
angreifbar war. „Dies Land ist eine Insel." Dieser in
englischen Parlaments- und Volksreden unendlich oft gehörte
Satz war wirklich die Grundlage der englischen Politik. Sie
schien zuerst erschüttert zu werden, als Rußland sich seit den
sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit seinem
Vordringen in Mittelasien den Grenzen Indiens näherte,
denn in Indien wäre England beinahe ebenso angreifbar,
wie auf der Insel Großbritannien selbst. Dann aber zeigte
sich, daß England imstande war, so große Massen von Trup-
pen mit Leichtigkeit über See zu befördern, und daß
die wegelosen Gebirgslandschaften Afganistans und Per-
siens ein so starkes Hindernis für die rasche Heranführung
genügend großer russischer Armeen waren, daß diese Sorge
bei den militärischen Sachverständigen entschwand. Als
viel gefährlicher dagegen erwies sich die Notwendigkeit, zur
Beherrschung des wider Englands Willen erbauten Suez-
kanals nach Ägypten zu gehen und das Land in Besitz zu
nehmen. Der Suezkanal bildet heute den Haupteingang in
den Indischen Ozean, und rund um dieses Weltmeer liegen,
mit der einzigen Ausnahme Kanadas, die wichtigsten und
besten Teile des englischen Weltreichs: Indien, Australien,
Südafrika und die zahlreichen Zwischengebiete.
England selbst ist unangreifbar, solange es die See
beherrscht. Nach Ägypten aber kann ein Feind zu Lande
hinkoinmen, sobald er die Möglichkeit besitzt, mit der Türkei
zusammen zu wirken. Eine große Armee braucht dazu
ausgiebige Eisenbahnverbindungen, aber solche lassen sich
schaffen, und wenn sie bedauerlicherweise vor dem Kriege
auf den schwierigen Eebirgstrecken in Kleinasien und Syrien
noch nicht ganz durchgeführt waren, so ist man jetzt im
Begriffe, diesen Mangel zu beseitigen. Früher oder später
wird er es in solchem Maße sein, daß sich von selber nicht
nur Palästina als wirksamer Stützpunkt gegen Ägypten,
sondern auch das untere Mesopotamien als solcher auf dem
Wege über Persien gegen Indien ausgestalten werden.
Das ist heute schon eine schwere Sorge der englischen Politik,
und wir brauchen, um das zu belegen, nur auf den Vortrag
eines der bedeutendsten englischen Publizisten, Garvin,
hinzuweisen, der im Sommer
1916 in der Kolonialgesell-
schaft in London sagte: So-
lange die Verbindung zwischen
Deutschland und Mitteleuropa
auf der einen, dem türkischen
Orient auf der anderen Seite
durch Serbien und Bulgarien
hindurch besteht, ist der Krieg
für uns verloren und für
Deutschland gewonnen; wir
haben nicht eher gesiegt, als
bis Serbien als Glied der
Entente wiederhergestellt und
Bulgarien aus dem mitteleuro-
päischen Bündnis entfernt ist.
Solange das nicht der Fall ist,
bleibt die lebensgefährliche
Bedrohung für den Zusam-
menhalt unseres Reichs durch
das politische Bündnis zwischen
Mitteleuropa und dem Orient bestehen.
Nun, die Ereignisse in Rumänien und der Mißerfolg der
großen Salonikiarmee bei ihrem Plane, Bulgarien im Rücken
zu fassen, werden diese Seite der englischen Erwäguvgen sich
nicht gerade befriedigender haben gestalten lassen. Geradezu
verzweifelt aber muß man an allen Stellen in England sein,
wo klares Denken besteht, sobald man sich die zukünftige
Lage Englands gegenüber der deutschen See- und Untersee-
macht vorstellt. Daß die Schlacht vor dem Skagerrak kein
Sieg war, sondern das Gegenteil, hat England selber durch
die Enthebung des Admirals Jellicoe vom Oberkommando
der Flotte eingestanden. Daß er Chef des Admiralstabs
geworden ist, ändert nicht viel daran. Die englischen Fach-
leute sind sich wohl darüber klar, worin die eigentliche
Katastrophe in der Jütlandschlacht bestand: darin, daß sich
das deutsche Material an Schiffen, Geschützen und Geschossen
dem englischen als überlegen erwies. Auch die deutschen
Schiffe wurden getroffen, manche sogar von zahlreichen
Einschlägen, aber sie blieben schwimmen und feuerten weiter,
während einige Treffer aus den deutschen, im Kaliber sogar
schwächeren schweren Kanonen hinreichten, um die eng-
lischen Schlachtkreuzer in die Luft zu sprengen. Das war
eine furchtbare Einsicht für die englische Marineleitung. Noch
schlimmer aber steht es für England mit den Unterseebooten.
England sieht, wie es uv s gelungen ist, unterden erschwerenden
Verhältnissen des Weltkrieges in zwei Jahren die Untersee-
bootswaffe so zu entwickeln, daß wir trotz der Behinderung
durch die feindliche Politik der tatsächlich mit England ver-
bündeten Vereinigten Staaten von Amerika der englischen
Handelschiffahrt furchtbar werden. Was ein rücksichtsloser
Unterseebootkrieg noch einige Jahre später bedeuten würde,
Österreichisch-ungarische Gebirgshaubitze an dev griechisch-
mazedonischen Front.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 191J/17.
11
r.' ■};? ch
'
Phot. A. Grohs, Berlin.
Blick von der Festung auf den Ort Ochrida am Ochridafee Ln Mazedonien. Im Vordergründe bulgarische Infanterie.
wenn diese Waffe entsprechend vervollkommnet ist und sich
zu unsern heutigen Tauchkreuzern so verhält, wie diese zu
den Booten, mit denen Weddigen seine ersten Taten voll-
führte, das vermag kein Engländer ohne Grauen auszu-
renken. England ist eine Insel, aber auf dieser Insel leben
dreimal soviel Menschen, als von dem Ertrage ihres Grund
und Bodens sich nähren können. Das sagt genug. Mit
halb gebundenen Händen und mit einer Waffe, die noch in
voller Entwick-
lung begriffen
ist, haben wir
400 000 Schiffs-
tonnen in einem
Monat versenkt.
Was wird sein,
sobald wir spie-
lend leicht eine
Million im Mo-
nat versenken?
Das Blut in eng-
lischen Adern
mutz erstarren,
wenn England
versucht, diese
Zukunftsaussicht
auszudenken,und
wenn es sich klar
macht, datz
menschlicher Vor-
aussicht nach hier
einer der Haupt-
schlüssel des zu-
künftigen Ver-
hältnisses von
Stärke und ge-
genseitiger Rück-
ichtnahme Zwi-
lchen Deutsch-
and und Eng-
Wunder, wenn die Engländer entschlossen sind, bis zum
Nutzersten zu kämpfen, ihre und ihrer Bundesgenossen
Kräfte anzustrengen, solange sich noch etwas heraus-
holen lätzt, bevor sie eine so grundstürzende Verände-
rung der Weltlage zu ihren Üngunsten als unabänderlich
hinnehmen müssen. Dafür kämpft England; wir aber
können ruhig sein, und von Tag zu Tage sehen wir deut-
licher: am Schlutz wird England doch nichts anderes
übrigbleiben, als
’T_ ; ~ i l Frieden auf eben
^ läKjT’: felis1: 4’ dieser von ihm
MBjk: |li| über alles verab-
■mr&tjät' * iÜ scheuten neuen
Grundlage zu
M f M machen.
Hier sehen
■Hi »jdüg LA! wir auch die
M f. .yMgJgKj, Ä,, Hauptsache von
rwWMi dem, wofür wir
^WW». J'. /] li.’»»MW8UM kämpfen. Die
.. Hauptsache ist,
England zu zwin-
gen. England
zwingen, das
heitzt nicht, das
englische Welt-
reich, den eng-
lischen Welthan-
del, den eng-
lischen Reichtum
und die englische
Kultur vernich-
ten, sondern
durch die Be-
nutzung des mit-
teleuropäischen
Gedankens, der
Verbindung mit
dem Orient, der
Gunst der dor-
Zü -;V.'
Phot. R. S-mieck-, B-rü».
land liegt. Kein
Stand eines Töpfers im Basar der mazedonischen Stadt Ochrida am Ochridafee.
--JIM
12
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
LKW
Türkisches Ballonabwehrgeschütz an der Südspitze von Gallipoli, wo sich die Dardanellen mit
dem Agäi.chen Meer vereinigen.
Der Kampfplatz der Franzosen nnd Engländer, den sie am 9. Januar 1916 fluchtartig verließen. Auf
der Hohe Sedd ul Bahr. Drüben, auf asiatischer Seite, Kum Kaleh und das Tal von Troja.
Nach einem Originalaquarell von Georg Wagenführ.
tigen geographischen Zwangslage Englands und durch die
Unterseebootwaffe als Druckmittel in den Meeren, die die
übervölkerte Insel England umgeben, in eine solche Lage
England gegenüber zu kommen, daß wir unsere weltwirt-
schaftlichen und weltpolitischen, das heißt unsere Lebens-
interessen auch dort durchsetzen können, wo England sich
ihnen bis jetzt in den Weg gestellt hat.
Die Gefahr unserer bisherigen Lage bestand darin,
daß wir sowohl starke und uns feindliche Nachbarn zu Lande,
als auch den Feind jenseits der Nordsee hatten, der imstande
war, uns das Meer, über das allein wir mit allen über-
seeischen Ländern verkehren können, zu „versiegeln". Sobald
diese Vereinigung sich gegen uns zusammenfand, ging es für
uns vom ersten Tage an auf Tod und Leben. Dem einen
Feinde, England
gegenüber, bedarf
es jetzt nichts wei-
ter, als der kräf-
tigen Fortsetzung
der Politik, die
Verbindung mit
dem Orient auf-
rechtzuerhalten
und die Untersee-
bootwaffe weiter-
zubilden. Die
Kampfmittel, die
England dagegen
anwenden kann,
Durchbruch und
Sieg in Frank-
reich und Belgien
und Zerdrückung
Bulgariens durch
die vereinigte
Macht der rumä-
nischen und der
Salonikiarmee,
sind wirkungslos
oder zerbrochen.
Das zweite
große Ziel, für das
wir kämpfen, liegt
im Osten. Es läßt
sich kurz dahin er-
klären: Rußland
darf nach dem
Kriege nicht wie-
der stark genug
werden, um eines
Tages durch die
Eroberung Kon-
stantinopels und
der Dardanellen
unsereVerbindung
mit dem Orient zu
zerschneiden oder
uns mit überwäl-
tigenden Kräften
direkt anzugreifen.
Beides könnte ge-
schehen, wenn die
russische Masse sich
wie bisher auf
ungeschmälertem Raum alljährlich um 3 Millionen Men-
schen und mehr vergrößert. Deutschland wächst im Jahre
um 0,8 Millionen, mit fallender Vermehrungstendenz;
Deutschland und Österreich-Ungarn zusammen wachsen um
1,3 Millionen. Mit anderen Worten: Mitteleuropa, das
120 Millionen Bewohner hat, wächst um mehr als die
Hälfte langsamer als Rußland, das 175 Millionen zählt.
Im Jahre 1950 kann Deutschland vielleicht 90 Millionen
Einwohner haben, Österreich-Ungarn gegen 70 Millionen,
Rußland aber gegen 300 Millionen. Rußland hat sechsmal
soviel Ackerland als Deutschland überhaupt Bodenfläche
besitzt, und schon eine Verbesserung der russischen Landwirt-
schaft soweit, daß sie auf der Flächeneinheit den halben
Ertrag gibt wie die unserige, würde vollkommen hin-
reichen, um das 300-Millionen-Rußland in Europa, Si-
birien und Mittelasien zu ernähren.
Dieser russischen Gefahr kann nur begegnet werden,
indem man diejenigen Teile des russischen Reichs, die nicht
innerlich durch Nationalität, Kultur, Religionsbekenntnis
und Geschichte mit Rußland vereinigt, sondern von diesem
im Laufe der letzten Jahrhunderte mit Gewalt erobert sind,
von Rußland wieder abtrennt und sie in die Lebensgemein-
schaft Mitteleuropas, wohin sie ihrem Wesen nach gehören,
einfügt. Ein glücklicher Anfang hiermit ist durch Polen
gemacht worden. Um Polen aber unwiderruflich von
Rußland zu scheiden, wird es nötig sein, ihm möglichst viel
Land gegen Osten hinzuzufügen, das jetzt russisch ist, früher
aber polnisch war und von selber wieder polnisch und
katholisch, also mitteleuropäisch, werden würde, wenn man
es den Polen gibt. Außer Polen aber liegen, um die Reichs-
kanzlererklärung
dessen, wofür wir
im Osten kämpfen,
hier anzuwenden,
auch noch verschie-
dene andere Ge-
biete „zwischen den
_ wolhynischen
Sümpfen und dem
baltischen Meer":
Litauen, Kurland
und die übrigen
Ostseeprovinzen,
endlich Finnland.
Werden alle diese
Länder, die Ruß-
land durch ein har-
tes Gewaltregi-
ment bei sich hält,
von der Knute
Rußlands befreit,
so kommen hier-
durch statt 10 bis
12 Millionen, wie
es bei Polen allein
der Fall wäre, 20
bis 25 Millionen
nichtrussische Men-
schen von der rus-
sischen auf die eu-
ropäische Seite
herüber. Damit
könnte auch die
russische Gefahr als
beseitigt gelten.
Alles, was sonst
noch an Teilant-
worten auf die
Frage, wofür wir
kämpfen, zu geben
wäre, tritt anWich-
tigkeit weit hinter
der Zerstörung der
englischen und der
russischen Gefahr
zurück. Sind die
beiden großen
Ziele für die Aus-
gestaltung unseres
zukünftigen Le-
bens als Weltvolk erreicht, so werden wir vermutlich eher
Grund haben, uns auf der Suche nach anderen Kriegszielen,
Erwerbungen und Garantien weise so weit zu beschränken,
daß wir nicht den Neid des Schicksals und die Furcht der
Völker Hervorrufen, als Umschau auf der Erde zu halten,
was wir sonst noch an Kriegszielen nennen könnten.
Die starkbefestigte Sighine-Schlucht auf
Gallipoli.
(Hierzu die Bilder Seite 12 und 13.)
Die stärkste und mit allen Mitteln moderner Verteidi-
gungskunst am großartigsten ausgebaute Stellung der Eng-
länder auf der Südspitze von Gallipoli befand sich in der von
steilen Felsen romantisch umrahmten Sighine-Schlucht, wo es
dem Feinde nach Riederkämpfung der alten äußeren Dar-
Die Sighine-SchluchL auf GaMpoli.
Diese Schlucht, die vom Golf von Saros bis zum Dorfe Krythia unterhalb des heißumstrittenen Berges Altchi-Tepe sich hinzieht, war von den Engländern auf das großartigste befestigt worden. Die fast senkrechten
Abhänge waren oft bis acht Stockwerke übereinander mit Unterständen versehen und auf alle Art uneinnehmbar gemacht. Aber die Einsicht, daß ein weiteres Vordringen unmöglich war und das englische Riesen»
grab auf Gallipoli täglich mehr Menschen verschlang, veranlaßte sie, sich aus dieser einzigartigen Befestigung zurückzuziehen.
Nach einer an Ort und Stelle nach der Natur gefertigten Originalskizze des Kriegsmalcrs Hugo l'. Braune.
14
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
danellenforts unter schweren Verlusten gelungen war, sich
festzusetzen. Hierher waren nach Beseitigung unzähliger
Hindernisse die großen, weittragenden Schisfsgeschütze ge-
schleppt worden: um sie gedeckt vor der türkischen Artillerie
aufzustellen, mußten oft ganze Felswände gesprengt werden.
Geschütz reihte sich hier an Geschütz; die meisten waren auf
betonierten Fundamenten eingebaut und durch Palisaden
und Drahtverhaue gegen Sturmangriffe der Türken ge-
schützt worden, kurz, die Engländer hatten hier eine Felsen-
festung geschaffen, die sie in ihrer Art für geradezu unein-
nehmbar halten mußten. Trotzdem gelang es ihnen nicht,
von hier aus den Angriff gegen die türkischen Stellungen
erfolgreich vorzutragen, und ihre Artillerie vermochte dem
gegenüberliegenden Feind nicht viel anzuhaben. Als im
Dezember 1915 die Türken zur Gegenoffensive übergingen,
waren die Engländer nicht imstande, diese Stellung zu halten.
Sie mußten sie ebenso rasch und fluchtartig wie ihre weniger
stark ausgebauten Schützengräben räumen und sich auf ihre
Schiffe zurückziehen. Es war ihnen dabei nicht mehr mög-
lich, die großen Geschütze rechtzeitig in Sicherheit zu bringen,
die samt ungeheuren Vorräten an Kriegsmaterial und
Lebensmitteln aller Art in die Hände der siegreichen Türken
fielen.
Seitdem bietet die ehedem so stolze englische Stellung ein
Bild trauriger Verwüstung dar. Drahtverhaue und Pali-
saden sind den Arten türkischer Pioniere zum Opfer gefallen;
hinter zerschossenen Wällen ragen halbumgcstürzt die längst
verstummten Rohre der riesigen Geschütze hervor. Ver-
nichtetes Kriegsmaterial, das der fliehende Feind noch rasch
unbrauchbar zu machen suchte, bedeckt allenthalben den von
Eranattrichtern aufgerissenen Felsboden.
Wasserflugzeuge.
Von Konteradmiral a. D. v. Fotz.
' (Hierzu die Bilder Seite 14 und 15.)
Wie von allen Staaten ist auch von Österreich-Ungarn
seit einer Reihe von Jahren fleißig an der Entwicklung
der Luftschiffahrt gearbeitet worden. Zunächst ist es ge-
lungen, für die Verwendung im Landkriege brauchbare
Flugzeuge zu bauen, deren Leistungen immer mehr be-
friedigten. Erstaunlich groß sind die Fortschritte, die im
Laufe des Weltkriegs gemacht worden sind. Die Anforde-
rungen, die an diese Fahrzeuge gestellt wurden, waren
außerordentlich vielseitig. Das hat zur Folge gehabt, daß
für bestimmte Zwecke besondere Arten geschaffen wurden.
Auch hier, wie fast überall, tritt die Spezialisierung be-
stimmend auf. Die Flugzeuge, die für den Beobachtungs-
und Eckundungsdienst bestimmt sind und von denen aus das
Artilleriefeuer geleitet wird, werden mehr leisten, wenn sie
nur für diesen Zweck gebaut sind. Andere werden dazu
eingerichtet, größere Mengen von Bomben an Bord zu
nehmen, die sie dann auf bestimmte Orte abwerfen. Und
schließlich werden wieder andere als Kampfflugzeuge ge-
schaffen, deren Hauptaufgabe die Vernichtung der feind-
lichen Flieger ist. Rach den Zeitungsmitteilungen sind
unter diesen letzteren drei Arten zu unterscheiden: eine kleine,
nur mit dem Führer besetzte, der auch das festeingebaute
Maschinengewehr bedient; eine größere Art, die mit drei
bis fünf Mann besetzt ist und mehrere Maschinengewehre
oder Revolverkanonen als Bewaffnung erhält. Hierher
gehören die italienischen Caproni-Flugzeuge, die fünf
Mann Besatzung haben. Und schließlich haben die Russen
ein Riesenflugzeug entwickelt, das als Luftdreadnought
bezeichnet werden kann und noch stärker bewaffnet und
bemannt wird.
Diese Fahrzeuge waren über See unverwendbar. Es
wird nie an Fällen fehlen, die den Führer zwingen, nieder-
zugehen. Das tritt ein zum Beispiel, wenn das Heiz-
material ausgeht, wenn der Motor versagt, wenn feind-
liche Geschosse den Apparat beschädigen, so daß er nicht
weiterfliegen kann. Es werden aber auch Aufgaben an
den Führer herantreten, die nur zu lösen sind, wenn das
Flugzeug dazu niedergeht. Landflugzeuge über dem Meere
würden in solchen Fällen einfach versinken; um als Wasser-
flugzeuge dienen zu können, mußten sie durch Schwimmer
befähigt werden, daß sie auf der Wasseroberfläche sich
treiben lassen konnten. Die Lösung
der Aufgabe war nun nicht so einfach,
wie sie auf den ersten Blick erscheinen
mag. Recht lange Zeit hindurch haben
die Leistungen der Wasserflugzeuge
durchaus nicht befriedigt, und auch die
Tatsache, daß sich keine der verschiede-
nen Lösungen durchgesetzt hatte» läßt
erkennen, daß das allgemein und un-
bestritten als das Beste Erkannte noch
nicht gefunden war.
Bei einer Art sind zwei Schwimmer
angewandt worden, die wie Schlitten-
kufen unter dem Apparat liegen. Das
hatte den Vorteil, daß Seitenwind
ihn nicht so leicht umwirft. Diese
Rücksicht spielt bei der Größe der
Tragflächen eine große Rolle. Der
Führersitz befindet sich bei dieser Art
über den Schwimmern. Es ist auch ein
Schwimmer angewendet worden, der
die nötige Stabilität durch seine große
Breite sicherte. Auch hier ist der
Führersitz über dem Schwimmer an-
geordnet. Eine dritte Lösung sieht
ein gedecktes Boot vor, das gleich-
zeitig den Führer aufnimmt. Ein
Umwerfen des Flugzeugs wird da-
durch verhindert, daß an den äußeren Enden der unteren
Tragflächen kleine, schlank gehaltene Schwimmer ein-
gebaut werden.
Das Wasserflugzeug muß aber auch vom Wasser auf-
fliegen können. Deshalb müssen die Schwimmer derart
geformt werden, daß sie leicht durchs Wasser gleiten. Liegt
das Gebiet, in dem das Flugzeug tätig sein soll, seinem
Stützpunkt nahe, so kann es unmittelbar von seinem Hafen
auffliegen. Aus dem Schuppen oder Zelt, in dem es gegen
die Unbilden der Witterung geschützt gelegen hat, wird es
über eine schiefe Ebene ins Wasser geschoben, die Besatzung
nimmt ihre Plätze ein, der Motor wird angeworfen, die Luft-
schraube beginnt ihren sausenden Dreh. Unter ihrem Druck
läuft das Flugzeug zunächst wie ein Boot auf der Wasser-
fläche hin, bis es sich, gehoben von den schrägen Tragflächen,
vom Wasserspiegel löst und in die Luft schwingt.
Befindet sich das Arbeitsgebiet in weiterer Entfernung,
so müssen die Flugzeuge durch Schiffe möglichst nahe an
dasselbe herangebracht werden. Das ist geschehen bei dem
Luftangriff der Engländer gegen die deutschen Fluß-
mündungen; es muß selbstverständlich erst recht geschehen,
wenn englische oder französische Flugzeuge zum Beispiel in
Syrien Verwendung finden sollen. In der britischen und
französischen Marine sind zu diesem Zweck Flugzeug-
mutterschiffe eingerichtet worden, Dampfer, die eine
größere Anzahl von Flugzeugen an Bord nehmen kön-
nen. An dem Punkte angekommen, von dem diese ent-
Phot. Ed. Frankl, Berlin-Friedenau.
Der Beobachter eines österreichisch-ungarischen Wasserflugzeuges beim Anlassen des Motors.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
1Z
Phot. Ed. Frankl, Berlin-Friedenau.
Österreichisch-ungarisches Wasserflugzeug wird zu einem Aufstieg aus dem Schuppen geholt.
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' \WmM* */' • JJIR , '
ü ~ \ 1 ~ * 's 444
*3^
* y?
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lassen werden sollen, stoppt der Dampfer und setzt die Flug-
zeuge entweder mit Kränen aus, so daß sie von der Wasser-
fläche aus auffliegen, oder er ist mit einer brückenartigen
Laufbahn versehen, die lang genug ist, um den: Flugzeug
den notwendigen Anlauf zu gestatten. Für die Rückkehr
kommt diese Brücke allerdings nicht in Frage. Ein Landen
auf ihr ist völlig ausgeschlossen. Jedes Flugzeug mutz in
der Nähe des Mutterschiffs niedergehen und wird dann
auf dieselbe Weise wieder an Bord genommen, in der es
vorher zu Wasser gebracht wurde. —
Die Vorbereitung der Friedenswirtschaft.
Von Polizeirat H. Wendel.
4. Hebung der wirtschaftlichen Tätigkeit.
II.
Hand in Hand mit der Erleichterung der Einfuhr von
Rohstoffen wird die planmäßige Förderung des weiteren
Ersatzes von früher aus dem Auslande bezogenen Roh-
stoffen durch im Jnlande gewonnene Ersatzstoffe gehen
müssen. Was in dieser Beziehung während des Krieges
durch die angespannte Tätigkeit von Wissenschaft und
Technik in erfolggekröntem Zusammenarbeiten errungen
worden ist, mutz weiter ausgebaut und nach Möglichkeit
ausgedehnt werden. Wohl noch nie zu irgend einer anderen
Zeit hat ja die Rot so erfinderisch gemacht wie gerade wäh-
rend des Krieges unter dem Drucke der englischen Einkrei-
sung und Abschlietzung Deutschlands vom Weltverkehre. Die
Deutschen haben nicht nur gelernt, die vorhandenen Lebens-
mittel durch Mitverwendung von sonst kaum dazu benutzten
Stoffen zu „strecken" und die Futtermittel zum Beispiel
durch Heranziehung von Hefe als Futtermitteleiweitz und
von gemahlenem Stroh als Mastpulver zu verstärken: vor
allem hat der Ersatz von Rohstoffen für die Industrie wahre
Triumphe gefeiert. Eine der wichtigsten Errungenschaften
ist die Entdeckung und Ausbeutung des aus der Luft ge-
wonnenen Stickstoffes, der den Salpeter ersetzt; hierdurch
ist nicht nur die unbeschränkte Erzeugung von Explosiv-
stoffen gewährleistet worden, für die bisher der Salpeter
unentbehrlich erschien, sondern auch für die Landwirt-
schaft ein sehr wertvolles Düngemittel geschaffen worden.
Als Ersatzmittel für Jute und auch für Schießbaumwolle
hat man mit Erfolg zur Zellulose gegriffen, Baumwolle
ist zum Teil durch Brennesselfasern, Gummiisolierung durch
Papierisolierung ersetzt worden; an die Stelle von Kupfer
und Messing sind zum Teil neue Legierungen von Eisen
mit Kupfer- und Zinkgehalt getreten. Die wichtige Frage
der Ersetzung des natürlichen Kautschuks (von dem noch
im Jahre 1913 für mehr als 137 Millionen Mark nach
Deutschland eingeführt worden ist) durch künstlichen (so-
genannten synthetischen) Gummi ist ihrer Lösung näher
gebracht worden.
Der Ausbau dieser Ersetzungstechnik würde nicht nur den
großen Vorteil mit sich bringen, Deutschland in der Rohstoff-
versorgung auf manchen Gebieten unabhängig von Er-
schwerungen durch feindliche Absperrung oder Mangel an
Beförderungsmöglichkeit zu machen, er hätte auch besonders
noch den Vorzug, es finanziell dadurch zu stärken, daß
die für diese Stoffe bisher in das Ausland geflossenen
riesigen Summen dem deutschen Volksvermögen erhalten
blieben; er böte endlich auch durch das Aufkommen neuer
Phot. N. Atuf, Zürich.
Vom Erholungsurlaub der kriegsgefangenen Internierten der krieg-
führenden Staaten in der Schweiz.
In Luzern ist ein Hvspiial errichtet, in dem sich eine Anzahl Kriegsinter-
nierter befindet. Die bereits wiederhergestellten Soldaten besorgen täglich
die Post für ihre Kameraden, wobei jedesmal ein Deutscher, ein Franzose
und ein Engländer unter Aufsicht eines Schweizer Soldaten zu gleicher
Zeit den Dienst versehen.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
blühender Industrien reiche und lohnende Beschäftigung
für Unternehmer und Arbeiter.
Nicht übersehen werden darf in der Übergangszeit,
wie mit Recht auch schon im Reichstage gewünscht wurde,
daß der Preisbildung bei der Rohstoffversorgung gebührende
Aufmerksamkeit durch die Behörden geschenkt wird, um bei
der sehr starken Nachfrage
wucherische Ausbeutung zu
verhindern. Daher werden
auch in der Übergangszeit
die Bundesratsverordnungen
zur Verhütung von Preis-
treibereien noch längere Zeit
in Kraft bleiben müssen. —
Aus den Erörterungen
über die Arbeitsbeschaffung
wie über die Rohstoffversor-
gung ist ersichtlich, wie eng
beide miteinander in Zu-
sammenhang stehen: bei ge-
nügender Rohstoffversorgung
wird an Arbeitsgelegenheit
kein Mangel sein, aber auch
schon die zur Vorbereitung
und Sicherung dieser Ver-
sorgung notwendigen Maß--
nahmen werden voraussicht-
lich Arbeitsmöglichkeit zur
Gmüge schaffen. Unter der
Voraussetzung rechtzeitiger
Einleitung dieser Maßnah-
men ist daher Grund genug
zu der erfreulichen Annahme
vorhanden, daß Arbeitslosig-
keit in größerem Umfange
kaum zu befürchten sein wird.
Da sie sowohl mit der
Frage der Arbeitsbeschaffung
wie überhaupt mit der Über-
gangswirtschaft eng zusam-
menhängt, sei hier zumSchluß
noch kurz hingewiesen auf
die Frage der Wohnungs-
fürsorge. Seit Kriegsbeginn
hat bekanntlich die Bautätigkeit schon infolge des Arbeiter-
mangels und wegen der Schwierigkeit der Kreditbeschaffung
außerordentlich nachgelassen; in allerneuester Zeit hat sie viel-
fach auf Anordnung der militärischen Kommandobehörden
ganz eingestellt werden müssen, vermutlich um die dabei
beschäftigten Personen für andere wichtigere Arbeiten frei
zu machen.
Als Folge dieser Einschränkung der Tätigkeit ist schon
jetzt ein Mangel insbesondere an Kleinwohnungen ein-
getreten, der sich nach dem Kriege, wenn viele Kriegs-
vermählte zur Gründung eines eigenen Hausstandes
schreiten wollen, noch erheblich steigern wird.
Auch viele Familien, die durch den Tod ihres Ernährers
oder aus anderen mit dem Kriege zusammenhängenden
Gründen in ihrer wirtschaftlichen Lage zurückgekommen sind,
sehen sich ebenfalls veranlaßt,
kleinere Wohnungen zu mie-
ten, wodurch der Mangel an
diesen noch empfindlicherwird.
Die Lage der Hausbesitzer,
die schon vor dem Kriege,
zumal in Großstädten, nicht
immer auf Rosen gebettet
waren, ist besonders infolge
starker Mietausfälle während
des Krieges teilweise recht
schlecht geworden, so daß der
Anreiz zu Neubauten sehr
gering sein wird. Sache des
Reiches oder der Bundes-
staaten ist es daher, hier hel-
fend und regelnd einzugrei-
fen, damit nicht Wohnungs-
not und übermäßige Miete-
steigerung Platz greifen, ge-
gen die besonders die aus
dem Feldzuge heimkehren-
den Krieger ein Anrecht auf
Schutz haben.
Es ist daher dringend zu
wünschen, daß recht bald
staatliche Maßnahmen ge-
troffen werden, die am
besten wohl auf d^r Grund-
lage der wohnungsreforme-
rischen Bestrebungen auf-
gebaut werden. In Frage
kommen hier besonders der
Erwerb eigenen Grundes
und Bodens durch die Ge-
meinden, die Förderung und
geldliche Unterstützung ge-
meinnütziger Baugenossen-
schaften, die Hergäbe billiger Tilgungshypotheken, die
Errichtung von Wohnungsämtern, endlich auch die Ge-
währung von Beihilfen an solche Hausbesitzer, welche
größere Wohnungen oder Läden zu Mittel- oder Klein-
wohnungen umbauen wollen. Auch diese Förderung der
Bautätigkeit kommt wiederum der Arbeitsbeschaffung für
einen großen Teil der Bevölkerung zugute: was der
Staat hier leistet, wird er infolgedessen auf der anderen
Seite an Arbeitslosenunterstützungen sparen können.
Phot. Gebr. Haeckcl, Berlin,
Vereidigung österreichisch-ungarischer Truppen in Lida in Rußland anläßlich der Krönung des Kaisers Karl.
Z" dem n5cvmaügcn Vorstoß deutscher Seestreitkräfte gegen die englische Küste in der Nacht vom 26.;27. November 1916: Versenken eiües englischen
Vorpostenschiffes und Gefangennahme der Mannschaft.
Nach einem Origiiialaauarell von Marinemaler R. Schmidt-Hamburg.
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Eopr., 1917 bg Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.
Vl. Band. 3
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
(Fortsetzung.)
Gegen Ende November kamen aus England Gerüchte,
nach denen das englische Ministerium einer Umbildung
unterzogen werden sollte. Der Krieg, der im wesentlichen
auf einen Entscheidungstampf mit England hinauslief, war
nach der Meinung der Eng-
länder trotz der gewaltigen,
wollte, vollkommen zu Bo-
den zu werfen. Hieran
änderten auch die heftigen
Vorstöße nichts, die die Eng-
länder und Franzosen an
der Somme und vor Ver-
dun, die Russen an der Narajowta, in den Karpathen und
Ln den Transsylvanischen Alpen, sowie die Italiener im
Oberloulnnnt zur See Kapitänleutnaut der Reser.ve
Kurt Frankenberg, Max Dietrich,
die Führer der in der Nacht zum 28. November 1916 beim Lustschisfangriff auf
England verunglückten Fahrzeuge.
Karst unternahmen, um die Schlagkraft ihrer Gegner zu
lähmen und deren Streitkräfte zu binden.
Die großzügigen Vorbereitungen, 1 ie Deutschland für
den kommenden Frühjahrsfeldzug traf (siehe Seite 1 u. ff.),
trugen ebenfalls nicht we-
nig dazu bei, englische Ge-
müter mit banger Sorge
für die Zukunft zu erfüllen
uno ihre Eitelkeit schwer
zu verletzen. Dazu traten
noch die Schwierigkeiten, die
sich der Versorgung mit
Lebensmitteln entgegen-
stellten und schon zur Ein-
führung des „National-
brotes" gezwungen hatten,
eines Seitenstückes zu den«
so viel geschmähten deut-
schen Kriegsbrot, das zu-
dem noch billiger war. Die
Nahrungsmittelnot hatte
ihren Grund hauptsächlich
in dem sich fortgesetzt fühl-
barer machenden Fracht-
raummangel, an dem Eng-
land infolge der Tätigkeit
der immer häufiger auf-
tretendendeutschenlt-Boote
litt. Die Regierung sah sich
daher gezwungen, mehr Schiffe als bisher zum Herbei-
schaffen von Getreide, Fleisch und anderen Nahrungs-
18
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Mitteln zur Verfügung zu stellen. Das ließ sich aber nicht
lange durchführen, weil dadurch die Versorgung des Heeres
mit Kriegsmaterial und Rohstoffen zu seiner Herstellung
ins Stocken geriet und somit gleichzeitig die militärische
Bereitschaft gefährdet wurde. Hier die richtige Entschei-
dung zu treffen, fiel der Regierung recht, schwer.
Die Einbuße an Schiffsraum berechnete man auf
wöchentlich durchschnittlich 70 000 Tonnen, für die durch
Neubauten natürlich kein Ersatz geschaffen werden konnte,
denn die englischen Werften mußten in erster Linie die Auf-
träge der Heeresverwaltung befriedigen.
Die sich häufenden Schwierigkeiten und die steigende
Unruhe im Lande ließen es dem Ministerpräsidenten
Asquith geraten erscheinen, dem König „zum Zwecke der
wirksamen Fortführung des Krieges" zu empfehlen, einer
Neugestaltung der englischen Regierung zuzustimmen. In
dieser etwas gewundenen Erklärung liegt das Eingeständnis,
daß die leitenden Männer in England die Unmöglichkeit
Der Unwille einer großen Gruppe englischer Politiker
über die bisherige vorsichtige und zurückhaltende Art der
englischen Kriegführung hatte vorher schon in der Besetzung
der wichtigsten leitenden Stellen in der englischen Flotte
eine bedeutungsvolle Änderung erzwungen. Der komman-
dierende Admiral Jellicoe erhielt den Posten des ersten
Seelords,' an seine Stelle trat der bisherige Führer der
Panzertreuzerflotte, Admiral Beatty, von dem man als
sicher annahm, daß er auf allen Gebieten des Seekampfes
zu gewaltsameren Mitteln gegen die Deutschen greisen
würde als sein Vorgänger. —
Während diese Vorgänge in England sich abspielten,
wurde das Land auch wieder von dem Besuch deutscher
Marineluftschiffe heimgesucht. Ihr sehr erfolgreicher An-
griff galt diesmal den Industrieanlagen Mittelenglands.
In der Nacht zum 28. November bewarfen mehrere Luft-
schiffe Hochöfen und Fabriken mit Bomben, wobei an ver-
schiedenen Stellen große Brände und Erplosionen beobachtet
Artilleriestellung australischer Truppen nördlich der Somme.
Nach einer englischen Darstellung.
erkannt hatten, auf dem eingeschlagenen Wege die Geschäfte
zur Zufriedenheit des Landes fortzuführen. Asquith mußte
dem auf ihn ausgeübten Druck weichen, an seine Stelle
trat Lloyd George (stehe Bild in Band IV Seite 418),
der damit sein Amt als Kriegsminister aufgab.
Lloyd George hatte schon die Einführung der Wehr-
pflicht für England eben noch im rechten Augenblicke dem
Minister Asquith aufgezwungen, und jetzt sollte seinem Ein-
fluß die Fortführung des Kampfes gegen Deutschland bis zu
einem glücklichen Ende anvertraut werden. Dieses Ziel in
gemeinsamer Arbeit mit ihm zu erreichen, wurden unter
anderem noch folgende Männer in das neue Kabinett be-
rufen: Bonar Law als Finanzminister und Mitglied des
Kriegsrats, Balfour als Staatssekretär des Äußern, der an
Stelle des ebenfalls zurückgetretenen Grey trat, Lord
Derby als Staatssekretär des Krieges. Carson wurde
erster Lord der Admiralität. Wie kurz zuvor in Rußland,
haUe sich damit auch in England eine Regierung gebildet,
die von einem ausgesprochenen Kriegs- und Vernichtungs-
willen gegen Deutschland beseelt war.
werden konnten. Leider gingen auch zwei Luftschiffe ver-
loren. Die Engländer hatten ihre Äbwehrmittel ganz er-
heblich verstärkt und vervollkommnet und machten sich auch
die bei früheren Angriffen aus der Luft gesammelten Er-
fahrungen zunutze. Die Gegenwirkung der englischen
Ballonabwehreinrichtungen war diesmal stärker als je; sie
wurde durch englische Flieger, die in großer Zahl auf-
gestiegen waren, wesentlich unterstützt. Einem der Flieger
gelang es, einen Zeppelin in der Nähe der Küste von Durham
anzugreifen und in Brand zu setzen, so daß der Ballon ins
Meer stürzte. Ein anderes Luftschiff wurde von Fliegern
und Abwehrgeschützen stark beschädigt; es verlor seine
Bewegungsfähigkeit fast völlig und konnte auf seinem
Rückfluge nur langsam vorankommen. Erst bei Tages-
anbruch erreichte es die Nähe der Küste. Wie der englische
Bericht meldete, fuhr es von dort mit großer Geschwindigkeit
weiter, als hätte es die Beschädigung ausgebessert. Dann
aber konnte es doch noch von englischen Fliegern erreicht
und von diesen unter Beihilfe der Besatzung eines Fisch-
dampfers morgens 6 Uhr 45 Minuten in Flammen ge-
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
19
gehüllt zürn Absturz gebracht werden. — Diesem Vorstoß
deutscher Luftstreitkräste fielen bedauerlicherweise auch zwei
besonders ausgezeichnete Zeppelinführer, der Oberleut-
nant zur See Frantenberg und der Kapitänleutnant
Dietrich, zum Opfer (siehe die Bilder Seite 17).
Letzterer hatte sich schon zu Beginn des Krieges einen
Namen gemacht. Er war jener Offizier, der damals als
Kapitän des Lloyddampfers „Brandenburg" sein Schiff
von Baltimore trotz aller ihm auflauernden englischen
Kreuzer nicht nur durch die Blockade von Baltimore, son-
dern auch durch die englische Schiffsperre nördlich von
Schottland sicher bis nach Bremerhaven zu bringen wußte.
Auch die deutschen 0-Boote entfalteten im November
eine rege Tätigkeit. Unter anderem versenkte eines dieser
Schiffe am 14. November im englischen Kanal ein fran-
zösisches Bewachungsfahrzeug, einen Zerstörer der Aro-
oder Sapeklasse. Dasselbe D-Boot, das dieses französische
Kriegschiff unter den Augen der Engländer unschädlich
belegt. Da auch jetzt die englische Flotte sich noch nicht
zeigte, traten die deutschen Schiffe den Rückweg an. Die
Engländer behaupteten nachher kühn, daß weder Rams-
gate beschossen, noch ein Schiff ihrer Flotte, das zu den
Vorpostenfahrzeugen gehörte, verloren gegangen sei.
Schon in der Nacht zum 27. November setzten die Deut-
schen wieder einen Vorstoß mit leichten Streitkräften gegen
die englische Küste an. Diesmal gelang es ihnen, unweit
Lowestoft ein feindliches Uberwachungsfahrzeug so ungestört
zu versenken, daß die Besatzung gefangen genommen
werden konnte. Es handelte sich um den im Minensuchdrenst
tätigen Fischdampfer „Naval", der mit Mannschaften der
Royal-Naval-Reserve besetzt war (siehe Bild Seite 17).,
Aber nicht nur die deutschen Seestreitkräfte setzten der
englischen Flotte erheblich zu, sie wurde auch von zahlreichen
anderen Unglücksfällen betroffen. So geriet der kleine,
1909 vom Stapel gelaufene Kreuzer „New Castle" in der Nähe
des Firth of Forth auf eine Mine und versank, nachdem
Französische 15,3-cm-Batterie-Stellung an der Sommefront.
Nach einer französischen Darstellung.
machte, vernichtete außerdem noch 6 englische Handels-
dampfer und ferner das norwegische Schiff „Ullwang",
das Bannware für die französische Regierung an Bord führte.
Ein anderes Boot traf ein englisches Flugzeug in be-
schädigtem Zustande. Die Besatzung rettete die auf dem
Wrack hilflos im Wasser treibenden englischen Offiziere und
nahm sie als Kriegsgefangene an Bord. Das Flugzeug
wurde vollständig vernichtet.
Außer den D-Booten bewiesen auch sonstige leichte
Kräfte der deutschen Kriegsmarine große Rührigkeit. In
der Nacht zum 24. November stießen sie nach der Themse-
mündung vor, um ähnlich wie in der Nacht zum 27. Oktober
und in der zum 2. November die englischen Uberwachung-
streitkräfte zu überfallen. Aber obgleich die Engländer
gedroht hatten, daß den Deutschen dank der „ausgezeich-
neten englischen Sicherungsmaßnahmen" ein neuer Über-
fallversuch teuer zu stehen kornmen würde, trafen die
Deutschen nur ein einziges Vorpostenfahrzeug, das sie
durch Geschützfeuer versenkten. Danach wurde der befestigte
Platz Ramsgate an der Themsemündung rnit Artilleriefeuer
er einen vergeblichen Versuch gemacht hatte, den Hafen zu
erreichen. Am Morgen des 21. November sank das auf
dem Wege nach Saloniki befindliche englische Hospitalschiff
„Britannic" im Leakanal im Agäischen Meere. Das gewal-
tige, erst 1914 vom Stapel gelaufene Schiff, eines der
größten der Welt, das 47 500 Tonnen verdrängte, war mit
über 1200 Menschen besetzt, von denen 1100 gerettel werden
konnten. — Am 24. November ging wieder im Agäischen
Meere, diesmal im Kanal von Myhoni, ein englisches
Hospitalschiff, der Dampfer „Breamer Castle", 6280 Ton-
nen groß, unter; auch dieser Dampfer, der Verwundete
nach Malta bringen sollte, lief auf eine Mine.
Ein anderes Ereignis trug ebenfalls nicht dazu bei, die
Stimmung der Engländer zu verbessern. Das Handels-
unterseeboot „Deutschland", das zum zweiten Male nach
Amerika gefahren war, verließ, voll beladen mit Nickel und
anderen für Deutschland wertvollen Gütern, seinen Anker-
platz, um die Heimat wieder zu erreichen. Nachdem durch
einen Unfall einige Tage zuvor die Ausfahrt verhindert
worden war, ging die Reise so schnell und glücklich von-
—
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Rückeroberung des Nordrandes des SL. Pierre-Vaast-Waldes in der NachminMnierung des 15. November 1916 durch das hannoversche FüsilierregimenL Nr. 73
Nach einer OriginalzeickM Professor Hans W. Schmidt.
22
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
statten, daß die Ankunft vor der Wesermündung bereits
am Mittag des 10. Dezember erfolgte. —
An der deutschen Westfront stand die Sache der Engländer
und die der Franzosen nicht besonders günstig. Nach Mitte
November hatten namentlich die Engländer versucht, durch
einen heftigen Stoß zu beiden Seiten der Ancre Luft in
der Richtung auf Bapaume zu bekommen. Das Unter-
nehmen war mit starken Kräften an Menschen und Gerät
angesetzt und großzügig angelegt worden. Aber dennoch
wurden alle Opfer umsonst gebracht; die deutsche Front
blieb unerschütterlich.
Es kostete den Angreifern nur Verwundete und Tote, als
sie in der Nacht zum 20. November zwischen Beaucourt und
Serre, Erandcourt und Courcelette ihre Sturmkolonnen
gegen die Gräben der Deutschen anlaufen ließen. Tagsüber
legten sie dann schweres Feuer auf die deutschen Stellungen
zu beiden Seiten der Ancre und im St. Pierre-Vaast-Wald,
doch kam es nicht mehr zu Jnfanterieangriffen. Die Be-
schießung durch Artillerie wurde fortgesetzt bis zum 22. No-
vember. Danach richteten die Engländer wieder nördlich
von Eueudecourt und die Franzosen gegen den Nordwest-
rand des St. Pierre-Vaast-Waldes,
den am Abend des 15. November
das hannoversche Füsilierregiment
Nr. 73 erstürmt hatte «siehe Bild
Seite 20/21), heftige Teilangriffe zur
Verbesserung ihrer Stellungen, sie
wurden aber blutig abgewiesen. Vom
nächsten Tage an erfuhr ihre Tätig-
keit an den verschiedensten Punkten
der Front eine merkliche Steige-
rung. Das Artilleriefeuer schwoll
namentlich in der Gegend von Ar-
mentisres an; auch bei Ppern und
Wytschaete wurde es lebhafter.
Den Deutschen lag währenddem
hauptsächlich daran, die Kräftever-
teilung der Feinde an einigen Stellen
der Front aufzuklären. Bei Beau-
mont brach eine Abteilung des ba-
dischen Infanterieregiments Nr. 185
überraschend in die feindlichen Li-
nien ein und brachte neben sehr
wertvollem Material über die Ab-
sichten der feindlichen Leitung 4Offi-
ziere, 157 Mann und 1 Maschinen-
gewehr aus den englischen Stellungen
mit zurück. Mit ähnlichem Erfolg
gingen Gruppen mecklenburgischer
Grenadiere und Füsiliere und des
Infanterieregiments „Bremen" nord-
östlich von Arras gegen die feind-
lichen Stellungen vor und holten
daraus insgesamt 26 Gefangene. Die
Ursache dieses Unternehmens waren
Gasangriffe der Engländer, die auf
ein besonderes Vorhaben schließen
ließen. Dank dem kühnen Vorgehen ihrer Truppen war
die deutsche Führung auch hier in der Lage, die feindlichen
Absichten und Truppenverschiebungen durch die einge-
brachten Gefangenen festzustellen.
Bei Armentieres entwickelten die Feinde so starke Ar-
tillerietätigkeit, als ob sie hier einen größeren Jnfanteriestoß
vorhätten. An der Somme war ihr monatelang fast un-
unterbrochenes Feuer etwas abgeflaut, doch lebte es an den
Hauptbrennpunkten von Zeit zu Zeit immer wieder auf (siehe
die Bilder Seite 18 und 19). In der Gegend von St. Marie-
ä-Py, das häufiger in den Meldungen vom Kampfplatze
wiederzukehren begann, setzten die Franzosen einen Patrouil-
lenvorstoß an, der nicht vom Glück begünstigt war, obgleich
sie mit Gas vorgearbeitet hatten. Am 25. November suchten
stärkere französische Abteilungen an die deutschen Stellungen
am Apremontwalde heranzukommen; durch Sperrfeuer
wurden sie gleich nach den ersten Sprüngen heimgeschickt.
Auch am Hilsenfirst tauchte eine französische Patrouille auf
und holte sich eine blutige Zurückweisung. Am St. Pierre-
Vaast-Walde unternahmen die Franzosen, wie schon früher
einmal, einen Angriff ohne Artillerievorbereitung. Wenn sie
dabei auf die Sorglosigkeit der Deutschen gerechnet hatten,
so sahen sie sich bitter enttäuscht. Maschinengewehrfeuer
hielt sie beim Vordringen wesentlich auf und dann tat auch
das deutsche Artilleriesperrfeuer mit aller Kraft seine Wir-
kung. Ohne daß es zum Nahkampf gekommen wäre,
mußte die französische Infanterie unter schweren Blutopfern
in ihre Stellungen zurückflüchten. Östlich von St. Mihiel
wagten die Franzosen ebenfalls einen Handstreich, erlebten
aber auch hier eine glatte Abweisung.
Am 28. November wollten die Engländer unter dem
Schutze des Nebels eine Überraschung bei Givenchy, süd-
westlich von Lens, ausführen; sie mißlang vollständig. Ein
weiterer Angriff erfolgte am nächsten Tage im Ppernbogen.
Die Engländer drangen dort auf einer drei Kilometer breiten
Front vor, konnten aber nur an einzelnen Stellen die
deutschen Linien erreichen, wo sie im Nahkampf große
Verluste erlitten, ohne einen Fortschritt zu erzielen. Auf den
übrigen Punkten der Angriffsfront wurde der Stoß schon
durch das Sperrfeuer niedergekämpft.
In der Gegend um Ppern und Wytschaete blieb die
Tätigkeit des Feindes auch in den folgenden Tagen leb-
haft. Im Anschluß an große Sprengungen griffen am
3. Dezember starke feindliche Abteilungen die deutschen
Linien wuchtig an. Dabei gelang
es einzelnen Gruppen, in den vor-
dersten deutschen Graben zu kommen,
dort wurden sie aber im Handge-
menge überwältigt oder zurückge-
trieben. Nach kurzer, aber starker
Artilleriewirkung stießen die Feinde
am nächsten Tage unter Benutzung
des Frühnebels östlich der Straße
Warlencourt-Albert vor; sie wurden
jedoch von so kräftigem Feuer emp-
fangen, daß sie unter erheblichen
Verlusten in ihre Ausgangstellungen
zurück mußten.
Die Deutschen blieben nicht
untätig während dieser Zeit, nur
versuchten sie keine rasch verpuf-
fenden, im Grunde zwecklosen
Überfälle, sondern tasteten die wich-
tigsten Punkte in sorgfältig vorbe-
reiteter Aufklärungsarbeit planvoll
ab, uin über die feindlichen Ab-
sichten Klarheit zu gewinnen. Sie
verschafften sich im besonderen Ge-
wißheit über die Kräfteverhältnisse
und die gegnerischen Befestigungs-
arbeiten bei Fromelles, in der Ge-
gend von Wytschaete, in der Cham-
pagne und in der Umgebung von
St. Mihiel. Ferner fühlten sie im
Raum von Nomeny vor, bei Chemi-
not an der Seille, im Gelände süd-
westlich von Baccarat und bei Ban-
de-Sapt. Die deutschen Patrouillen
arbeiteten mit Gewissenhaftigkeit und
kriegserfahrenerKlugheit und konnten
überall die gewünschten Feststellungen vornehmen.
Im ganzen betrachtet, hatten Engländer und Franzosen
seit dem 19. November ihre größeren Jnfanterieangriffe
an der Somme eingestellt; nur gelegentlich erfolgte dort
einmal ein kräftigerer Teilangriff. Die Kraft der englischen
Heeresteile hatte sich an der Ancre, die der französischen
an der Sailly-St. Pierre-Vaast-Wald-Stellung gebrochen.
Nun mußten erst die gewaltigen Lücken, die durch die ergeb-
nislosen Stürme in ihre Reihen gerissen waren, wieder
gefüllt, und es sollte auch versucht werden, die Wirkung
des Trommelfeuers noch mehr zu steigern.
Um Munition war man ja nicht verlegen, auch die ab-
genützten Geschützrohre konnten immer rechtzeitig ausge-
wechselt werden «siehe Bild Seite 23). Überhaupt war der
Nachdruck auf die ausgiebigste Verwendung der ungemein
verbesserten und vermehrten technischen Kampfmittel ge-
legt worden. Einige Zeit hindurch waren die Feinde den
Deutschen in bezug auf die Masse der Geschütze und die
Riesenmenge der Munition zweifellos überlegen. Der tech-
nische Vorsprung würde jedoch von den Deutschen in zäher
Arbeit wettgemacht. Ihre Feinde hatten längst erkannt,
daß sich die deutsche Gegenwirkung ganz bedeutend ver-
stärkte. Die Engländer glaubten zwar noch einen Vor-
Phot. Verl. Jllustrat.-Ges. m, b. H.
Generalleutnant Otto v. Garnier,
dessen Truppen zugleich mit denen der Generale v. Kathen,
v. Boehn, v. Schenck, Sixt v. Arnim und Freiherr v. Hügel
an der Sommefront den blutigsten feindlichen Angriffen
standhielten. Generalleutnant v. Garnier ist Führer eines
Reservetorps und erhielt den Orden Pom’ le Merite.
lSiehe Band Y Seite 838.)
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
23
Munitionsnachschub für die schwere englische Artillerie an der Somme.
Nach einer englischen Darstellung.
sprung in ihren „Tanks" (siehe Bild auf dieser Seite) zu
besitzen. Aber diese Ungetüme machten gar keinen Ein-
druck auf die Deutschen, trotzdem sie auch noch mit blu-
tigen Kriegszenen bemalt waren. Sie blieben häufig genug
im Schlamm stecken und boten mit ihrer geringen Fahr-
geschwindigkeit der deutschen Artillerie sehr gute Ziele. —
❖ rsr
*
Auf betn italienischen Kriegschauplaß wurde die nach
der neunten Jsonzoschlacht eingetretene Ruhe kaum durch
gelegentliche Teilangriffe der Italiener au den verschiedenen
Teilen der Front unterbrochen. Schnee war schon gefallen
und erschwerte größere Unternehmungen; der Winter nahte.
Unter diesen Umständen hatten es besonders die Kämpfer'
im Hochgebirge nicht
leicht, wenn mitunter
an weniger verschneiten
Stellen, die allenfalls zu
einem Vorstoß noch ge-
eignet erschienen, einer
der planlosenitalienischen
Angriffe erfolgte. Solche
wurden bald hier, bald
dort angesetzt, ohne daß
sie einen Zusammenhang
erkennen ließen. Es war
mit diesen Angriffen so,
als glaube Cadorna, daß
irgendwo irgend etwas
geschehen müsse. So ließ
er gegen die Stellungen
der Tiroler Kaiserjäger
am Monte Piano Ab-
teilungen anstürmen, die
auch bis in die Nähe
der österreichisch-ungari-
schen Stellungen gelang-
ten, dort aber kraftvoll
zurückgeworfen wurden;
Handgranaten, Gewehr-
kolben und Bajonette
räumten unter den Stür-
menden auf und machten alle ihre An-
strengungen zunichte (s. Bild Seite 25).
Im Hochgebirge galt es jetzt auch
wieder, die Vorbereitungen für die
Überwinterung zu treffen. Neue
Schützengräben und Unterstände wur-
den in die Felsen gebaut (siehe das
mittlere Bild Seite 24). Sehr schwie-
rig gestalteten sich in den verschneiten
Gletschergebieten die Patrouillengänge
(siehe Bild Seite 24 oben), die zeit-
weilig außerordentliche hochtouristische
Leistungen, ungewöhnlichen Mut und
zäheste Ausdauer im Ertragen der
Anstrengungen von dem einzelnen
Mann forderten. Häufig sah man sich
auch in die Notwendigkeit versetzt, Ge-
schütze auf hohe Berggipfel zu bringen,
was meistens nur unter den größten
Schwierigkeiten zu bewerkstelligen war.
Die k. und k. Truppen stellten ein
Geschütz an einem Punkte auf, der in
3860 Meter Höhe liegt (siehe Bild
Seite 24 unten); was das heißt, kann
sich jemand, der die Verhältnisse nicht
kennt, kaum vorstellen. Von dieser
luftigen Höhe aus krachten dann die
Schüsse verderbenspeiend nach den
italienischen Linien hinunterund sicher-
ten die österreichisch-ungarischen Sol-
daten in der Bergeinsamkeit vor Über-
füllen.
Südlich von Biglia versuchten die
Italiener am 20. November mittels
eines tiefgegliederten Gegenangriffes
die ihnen dort von den Österreichern
und Ungarn entrissenen Gräben zurück-
zugewinnen, was ihnen jedoch nicht
gelang. Danach hörten die Vorstöße der italienischen Infan-
terie fast vollständig auf. Das brachte den Italienern seitens
ihrer Verbündeten um so größeres Mißtrauen ein, als die füh-
rende italienische Presse anläßlich der Vorgänge in Rumänien
sich fortwährend sehr abfällig über die militärischen Maß-
nahmen des Vierverbandes aussprach. Nun wurde eine Ent-
lastungsunternehmung von der italienischen Armee verlangt.
Cadorna mußte aber nach den in der neunten Jsonzoschlacht
erlittenen großen Verlusten seine Truppen erst zur Ruhe
kommen lassen und neue Mannschaften heranführen, was
viel Zeit erforderte. Zu Beginn des Monats Dezember
schienen die Italiener wieder angriffsbereit zu sein. Jeden-
falls steigerten sie ihr ständig mehr oder weniger stark
aufrechterhaltenes Artilleriefeuer nun zu größerer Wucht
Eines der von den Engländern an der Westfront gebrauchten, von deutscher Artillerie vielfach zusammengeschossenen
Panzerautomobile, „Tank" oder auch «.Caterpillar" (Raupe) genannt, auf die die Engländer vergeblich ihre Hoff-
nungen setzten.
Die Panzerung, gegen die Infanterie- und Maschinengewehrfeuer wirkungslos bleiben, hat eine Stärke von drei Zenti-
metern. Als Fortbewegüngsmittel dienen zwei seitliche Kettenbänder, mittels deren das schwerfällige Fahrzeug im Fuß-
gängertempo ruckweise vorwärts gleitet und sich über Bodenunebenheiten, Granatlöcher und selbst Schützengräben hin-
wegarbeltet, wie das oben wiedergegebene Bild zeigt. Das Hintere Rad — einige dieser Ungetüme sind auch mit zwei
Rädern versehen — dient als Steuer. Die Bestückung besteht meist aus zwei dreizölligen Schnellfeuertanonen und vier
bis vierzehn Maschinengewehren. Nach einer englischen Darstellung.
, ,v ':
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 191^/17.
Österreichisch-ungarische Hochgebirgspakrouille begibt sich auf ole Lief verschneite Ortlerspitze.
Das am höchsten stehende Geschütz im Weltkrieg auf einem 3860 Nieter hohen Berggipfel.
Die Wacht an der österreichisch-ungarischen SüdwestfronL im Gebiet des OrLlers.
Nach Ausnahmen vor; Wilhelm Müller, Bozen.
und schossen Tag und
Nacht ununterbrochen auf
die österreichisch-unga-
rischen Linien, als ob ein
Angriff bevorstände Für
einen solchen sprach auch,
daß nach dem 3. Dezem-
ber immer kräftigere
Lagen schweren Minen-
feuers gegen die k. und
k. Stellungen gerichtet
wurden. Die Flieger-
tätigkeit lebte ebenfalls
auf. Es schien somit, als
ob sich doch wieder grö-
ßere Ereignisse an dieser
Front vorbereiteten. —
(Fortsetzung folgt.»
Illustrierte
Kriegs-
berichte.
Das britische
Weltreich und der
Krieg.
Von Professor Dr. K. Dove.
I.
Bewundernswert in
seinem Bau, großartig
in seinem Verkehr und
Handel wie in seineil
jetzigen und zukünftigen
Hilfsmitteln, verblüffend
endlich in seiner Abhän-
gigkeit von einem ein-
zigen, nicht einmal gro-
ßen Lande, nahm das
britische Weltreich noch
vor wenig Jahren eine
einzigartige Stellung un-
ter den Staatsgebilden
der Erde ein. Und wir
wärenübel beraten, woll-
ten wir seine innere
Festigkeit, wollten wir
Zähigkeit und Ausdauer
des Ganzen wie der ein-
! zelnen Teile, mit eineni
i Worte, wollten wir die
Gefahren unterschätzen,
die uns von dieser Seite
jetzt und selbst nach Be-
endigung des Krieges be-
drohen. Aber wir dürfen
doch mit Genugtuung
feststellen, daß die mit
dem äußeren und inne-
ren Gefüge der Welt-
macht verbundenen
Schwächen infolge der
von seinen gewissenlosen
Ministern leichtfertig her-
aufbeschworenen Teil-
nahme an dem Welt-
kriege sich immer mehr
geltend machen. Sie
werden auch nach dem
Ausgang des Völkerrin-
gens bestehen bleiben,
denn sie sind in der
wirtschaftlichen Eigenart
Englands so tief begrün-
det und mit seinen Vor-
Schützengrabenbau im Hochgebirge.
Tiroler Kaiserjäger weisen am Monte Piano heftigste italienische Angriffe ab, nachdem sie am Tage vorher verloren
gegangene Stellungen Ln kühnem Gegenangriff zurückgewonnen hatten.
Nach einer Oriyinalzeichnung non M Ledelt
VJL Band
4
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17»
zügen so eng verknüpft, daß sie stets bleiben werden, was
sie sind, Nachteile, die die künftigen Führer des gewaltigen
Reiches sicher zu größerer Vorsicht und weiserer Zurück-
haltung bei späteren Streitigkeiten des europäischen Fest-
landes nötigen werden, als sie sie im Jahre 1914 be-
wiesen haben.
So günstige Wirkungen die engen Beziehungen Groß-
britanniens zum Meere im Frieden auch haben, so wenig
darf man übersehen, daß die wirtschaftliche und selbst die
militärische Verwundbarkeit dieses Landes dadurch aufs
höchste gesteigert wird. Die im Kriege unvermeidliche
Stockung des Schiffsverkehrs trifft naturgemäß einen viel
größeren Teil der Gesamtbevölkerung als in den Festland-
staaten. Sitzt doch allein in den Hafenorten Großbritanniens
und Irlands mit über hunderttausend Bewohnern mehr
als ein Viertel von jener, während die entsprechenden
Hafenstädte Deutschlands zuletzt nur etwa ein Dreißigstel
aller Einwohner beherbergten. Die Lähmung des Er-
werbslebens, wie sie bei uns in vollem Umfange nur Ham-
burg und Bremen empfinden, trifft demnach auf den
britischen Inseln einen sehr beträchtlichen Teil des Volks-
Phot. Presse-Centrale, Berlin.
Einer der österreichisch-ungarischen Donaumonitore, die sich im Feldzug gegen Rumänien besonders hervorgetan haben.
ganzen. Auch sind eine ganze Reihe von Häfen wegen der
Nähe der offenen See dem unmittelbaren Angriff viel
mehr ausgesetzt als anderwärts; rein strategisch ist das
Land mit seinen ausgedehnten Küsten viel schlechter ge-
schützt als die deutschen Nordseestüdte. Was im Frieden
als Stärkung der britischen Seegeltung zu betrachten
ist, das wandelt sich in Zeiten wie den jetzigen zu einem
Anlast dew Schwäche.
Viel mehr als durch die Verteilung der Bevölkerung
auf Küstengebiet und Binnenland mutz sich aber jeder
denkende Engländer augenblicklich durch die Volksmenge
und die damit zusammenhängenden Ernährungsschwierig-
kelten bedroht fühlen. Es ist ganz verkehrt, von einer staat-
lichen Förderung der Landwirtschaft in Großbritannien und
Irland ähnliche Erfolge zu erwarten, wie sie die deutsche
Organisation bei uns erzielt hat. Das uns feindliche Land
kann das einfach nicht; feine Natur, in erster Linie sein
Klima, macht eine nennenswerte Ausdehnung des Land-
baus über die bisher von ihm eingenommenen Flächen
hinaus unmöglich. Die regennassen Sommermonate der
meisten Gegenden erlauben weder einen großzügigen
Getreidebau, noch sind sie der Ezielung hinreichender
Kartoffelmengen förderlich, und einzig und allein die für
die Rinderhaltung geeigneten Grasweiden erfreuen sich
auf diesen ewig feuchten Inseln eines guten Standes.
Diese natürliche Schwäche der britischen Volkswirt-
schaft wird aber in gefährlicher Weise durch die Volksdichte
gesteigert. Die einseitige Entwicklung der Industrie, durch
den Staat eher gefördert als gehemmt, hat eine Anhäufung
von Menschenmassen auf engem Raume zur Folge gehabt,
wie wir sie in diesem Umfange an keiner anderen Stelle
Europas beobachten. Wenn Deutschland bei seinem viel
besseren Klima eine Volksmenge nur notdürftig zu er-
nähren vermag, die mit 120 Menschen auf den Quadrat-
kilometer schon als reichlich dicht gelten kann, so dürfen
Grostbritannien und Irland mit einem Durchschnitt von
146 Einwohnern auf derselben Einheitsfläche schon als
reichlich übervölkert gelten. Dabei erntete man im Deut-
schen Reiche 1913 an den vier mitteleuropäischen Getreide-
sorten rund die fünffache Menge wie im Britischen Reiche,
an Kartoffeln aber gar annähernd das Siebenfache! Kein
Wunder, datz England nicht allein den grötzten Teil seines
Bedarfs an Brotkorn und Kartoffeln, sondern auch an
Fleisch, dast es ferner allen Zucker auch im Frieden von
fernher einführen mutz. Im Kriege aber gilt das in noch
weit höherem Maste, da in ihm ja' auch dort die Landwirt-
schaft ihrer ohnedies nicht
sonderlich zahlreichen Ar-
beitskräfte ermangelt und
für die Versorgung des
Heeres und der ungezähl-
ten Munitionsarbeiter
alles reichlicher als sonst
geliefert werden mutz.
Ist so, was einst die
wirtschaftliche Stärke des
Mutterlandes zu sein
schien, zu einer Quelle des
Meis und zunehmender
Sorge für dieses gewor-
den, so ist es um die
vorwiegend von Meisten
besiedelten, sich selbst re-
gierenden Kolonien des
Weltreiches nicht viel bes-
ser bestellt. Es ist grund-
falsch, anzunehmen, der
Krieg sei für diese — es
handelt sich dabei um die
Staatenbünde von Ka-
nada, Australien undSüd-
afrika, sowie um Neusee-
land — zu einer ähn-
lichen Quelle des Reich-
tums geworden wie für
die nordamerikanischen
Industriestaaten. Dieser
weitverbreitete Trug-
schluß beruht auf einer
gänzlichen Verkennung
dessen, was diese Gebiete ihrer Natur nach sind und was
sie bisher zu leisten vermögen. Es ist deshalb von Bedeu-
tung, datz man sich darüber klar wird, um nicht in den
Fehler einer Merschätzung der augenblicklichen wie der
später einmal möglichen Kraft des britischen Weltreiches
zu verfallen.
Ein grundlegender, aber leider weit verbreiteter Irrtum
mutz dabei von Anfang an bekämpft werden. Die riesigen
Flächen der genannten Länder erwecken in den meisten
Menschen das Gefühl, als handle es sich um einen un-
geheuren Machtzuwachs, den sie für das Mutterland be-
deuteten. Dieser Trugschluß ist allerdings durchaus zu ent-
schuldigen, denn in unserem Weltteil sino so riesige und
so menschenleere Einöden, wie sie in den beiden grötzten
britischen Kolonien den überwiegenden Teil des Ganzen
erfüllen, völlig unbekannt. Man bedenke, datz zum Bei-
spiel innerhalb des australischen Festlandes auf einer Fläche,
mehr als elfmal so groß wie das Deutsche Reich, weniger
Menschen leben als in der einen Stadt Hamburg! Wollte
man aber selbst die Gesamtbevölkerung des Landes ganz
gleichmäßig über dieses verteilen, so käme erst auf je
1,6 Quadratkilometer ein Mensch gegen 192 auf derselben
Fläche in Deutschland. Ganz ähnlich liegen die Verhält-
nisse in Kanada, wo bei der letzten Zählung nur genau so
viel Einwohner festgestellt wurden» wie sie der Polizei-
Phot. Bert. Jllustrat.-(s ^s. m. b. H.
Ein neuer Brückenteil wird angesetzt.
PbotM. F.u.F
Generalfeldmarschall v. Mackensen und sein Generalstabschef General
major Tappen besichtigen das Gelände am rumänischen Zollhaus gegen
über von Svistow.
Phot M. F. u. F
)eneralfeldmarschall v. Ilkackensen und sein Generalstabschef General-
major Tappen beobachten auf der rumänischen Seite den Übergang.
Der Donauübergang der Armee Mackensen bei Svistow.
Die Brücke während des Baues. ^
An der Ansatzstelle der Brücke.
Phot. Bert. JÜustrat.--Ges. m. b. H.
Artilleriebeobachter am rechten Donauufer.
Phot. Bert. Jllustrat.--«
Artillerie überschreitet die fertige Brücke.
Phot. M. F. u. F
Eine Dampffähre setzt Truppen über die Donau.
28
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
bezirk der Stadt London beherbergte. Und dabei ist Kanada
nur um ein weniges kleiner als der Weltteil Europa!
Nach diesen Angaben wird es niemanden verwundern,
wenn er erfährt, daß die militärische Leistungsfähigkeit der
sogenannten weihen Kolonien Großbritanniens nur eine
recht beschränkte ist. Die beiden größten, von denen eben
die Rede war und die auch allein in größerem Umfang für
die Heeresergänzung in Betracht kommen, hatten nach der
letzten Volkszählung nur so viel Einwohner wie Russisch-
Polen, das als selbständiges Gebiet an die Seite der
Mittelmächte tritt. Neuseeland aber und Britisch-Süd-
afrika zählen zusammen auf Grund der letzten Erhebung
kaum zweieinhalb Millionen Weiße, also etwa ebenso-
viel, wie die Einwohnerzahl des Königreichs Württem-
berg im Jahre 1910 betragen hat, für ein Gebiet von der
fünffachen Größe des Deutschen Reiches ebenfalls keine
sonderlich imponierende Bevölkerungsmenge.
In der Tat haben denn auch die sämtlichen hier er-
wähnten Gebiete nach den uns zugänglichen Angaben
bisher kaum eine halbe Million Kämpfer ins Feld gestellt.
Die Rückwirkung des Krieges auf
die genannten Kolonialländer wird aber
diese keineswegs zu weiteren großen
Opfern ermutigen. Vor allem muß
man beachten, daß schon die bloßen
Menschenverluste dort viel schwerer wie-
gen als in dem übervölkerten Mutter-
lande. Wer einmal in außereuropäischen
dünn bewohnten Gegenden gelebt hat,
der weiß, daß die Arbeitskraft des
Weißen dort viel höher geschätzt wird
als in den gewerbfleißigsten Landschaften
Europas. Zu dem Nachteil der unver-
hältnismäßig großen Einbuße an wert-
vollsten Kräften kommt aber in einer
dieser Staatengruppen, der südafrika-
nischen, noch ein schon für die nächste
Zukunft noch weit fühlbarerer Schaden.
Hier kommt auf 1 300 000 Weiße etwa
die vierfache Zahl von Farbigen. Mit
der Verringerung der Buren und Eng-
länder durch den Krieg hat sich dies
ohnehin höchst gefährliche Übergewicht
der waffenfähigen Schwarzen stark zu-
ungunsten der Europäer verschoben,
von dem Verlust an moralischem An-
sehen der weißen Rasse ganz zu schweigen.
Es ist sicher, daß in späteren Zeiten
die europäischen Kolonisten der großen
Staatenbünde einen erheblichen Macht-
zuwachs des britischen Weltreiches be-
deuten werden, wenn sie auch unter kei-
nen Umständen in die Hunderte von
Millionen wachsen werden, wie das von
reinen Theoretikern vielfach angenom-
men wurde und noch wird. Dazu um-
fassen die weiten Gebiete Kanadas allzu-
viel geradezu polare Gegenden, die Länder Australiens und
Südafrikas zu große Steppen und selbst wirkliche Wüsten.
Wohl aber verfügen sie, und damit muß man vernünftiger-
weise rechnen, über große Schätze in ihrem Boden und in
ihren immerhin recht ausgedehnten Acker- und Weideland-
schaften. Fraglos werden sie nach dem Kriege erheblich zur
Stärkung der stark verminderten Finanzkraft Englands bei-
tragen. Denn wir müssen festhalten, daß auch in dieser Rich-
tung die Vewohnerzahlen der Kolonien nicht nach der bloßen
Menge abgeschätzt werden dürfen. Ein einzelner Kolonist
in dem fast nur von Weißen bewohnten Kanada oder
Australien hat, obwohl diese Länder selbst Industrie treiben,
als Käufer englischer Warem einen viel höheren Wert als
ein Farbiger aus den anderen Kolonien. So betrug der
Geldwert der auf den Kopf der Bevölkerung entfallenden
Einfuhr im Jahre 1912 in Kanada rund 400, in Australien
330, in Britisch-Jndien dagegen nur 7—8 Mark.
In einer Hinsicht wird der Krieg den Wert der soge-
nannten Dominions für Eroßbriiannien freilich stark herab-
mindern. Sie sind neben fremden Ländern wichtige
Liest rer von Nahrungsmitteln aus dem Tierreich, aber auch
von Mehl und Korn. Sollte eine weitergehende Entnahme
von Truppen aus den aroßen Euroväerkolonien statt-
finden, so würde damit auch die Getreideernte einen wesent-
lichen Rückgang erfahren und die Verlegenheiten, denen
sich das Mutterland schon jetzt infolge der Mißernte in den
meisten der ihm Brotkorw liefernden Länder ausgesetzt
sieht, würden sich noch längere Zeit nach dem Friedens-
schlüsse fühlbar machen. Man sieht jedenfalls aus all diesem,
daß selbst der Besitz dieser großen Kolonien nicht jene
Machtsteigerung für England bedeutet, die allzu ängstliche
Gemüter darin erblicken möchten, und daß die Sorge für
ihr Gedeihen die Briten eines Tages gefügiger für die
Rechte und Ansprüche anderer Nationen machen könnte.
Hoffen wir, daß das schon bald der Fall sein möge.
Der Kampf gegen die Rumänen.
3.
Die Eroberung der kleinen Walachei.
Non Kriegsberichterstatter Walter Oertel.
(Hierzu die Bilder Seite 26—29.)
Nach der Schlacht bei Kronstadt, als das siegreiche
Heer von Falkenhayns die geschlagene
rumänische 2. Armee vor sich hertrieb,
während Arz die Rumänen aus Ost-
siebenbürgen hinausfegte, war den Rus-
sen doch der Ernst der Lage allmählich
klar geworden.
Um einen Durchbruch in den Süd-
karpathen und deren Ausläufern zu ver-
hü en, der zugleich eine Trennung der
russischen Streitkräfte von den Rumä-
nen und eine Unterbrechung der wich-
tigen Bahnlinie Roman-Focsani—Ploesci
zur Folge gehabt hätte, lösten sie die
Rumänen an der Ostfront ab, indem sie
zunächst die Linie von Dorna Watra bis
zum Bekaspaß Übernahmen und dehn-
ten diese dann noch weiter in südlicher
Richtung bis zum Oitozpaß aus.
Diese so freigewordenen Kräfte wur-
den von der rumänischen Heeresleitung
eiligst nach dem Süden gebracht und
ihre Hauptmasse am Paß von Predeal
sowie an der Törzburger Senke zusam-
mengezogen, wo man in erster Linie
einen Durchbruch der verbündeten Ar-
meen befürchtete.
Die Heeresleitung der letzteren hatte
an der Versteifung des rumänischen
Widerstandes im Abschnitt südlich Pre-
deal und Törzburg sehr bald die Ver-
teilung der rumänischen Kräfte festgestellt
und dementsprechend rasch ihre Anord-
nungen getroffen. Während sie durch
weitere scharfe Stöße an diesem Front-
teile die Rumänen in dem Glauben ließ,
daß hier tatsächlich die geplante Durch-
bruchskante sei, zog sie in aller Stille
eine starke Stoßgruppe weiter westlich zusammen.
Mit überraschender Schnelligkeit stießen die beiden
Kolonnen vor. Während die eine im Schyltale auf Targu Jiu
vorging, bahnte sich die andere Kolonne im Motrutale
den Weg. Die Rumänen konnten dem mächtigen Anprall
nicht standhalten. Aus dem Gebirge hinausgedrängt, ver-
suchten sie, durch frisch herangeführte Kräfte verstärkt, ihr
Heil in offener Feldschlacht. Auf dem Felde von Targu Jiu
bereits, am Rande der walachischen Tiefebene, rollten die
eisernen Würfel. Sie fielen zuungunsten der Rumänen,
die nach heißem blutigem Ringen den mit hervorragender
Tapferkeit anpackenden verbündeten Kräften unter schweren
Verlusten weichen mußten. Ein Flankenstoß, den in dem
letzten Abschnitt des Kampfes eingetroffene rumänische
Reserven führten, wurde blutig abgewiesen. Die geschlagenen
Heeresteile wichen auf Craiova, die Hauptstadt der kleinen
Walachei, zurück, während die Sieger die Verbindung mit
der Motrutalkolonne herstellten und dann dem geworfenen
Gegner dichtauf folgten, um ihm keine Zeit zu erneuter
Sammlung zu lassen.
Dieses energische Vorgehen trug sehr bald glänzende
Früchte, denn fast gleichzeitig mit den rumänischen Nach-
huten langte die deutsche Vorhut vor Craiova an. Ein
Phot. Berl. Jttustrat.--Ges. m. b. H'.
Der siegreiche Reiterführer in der Walachei,
Generalleutnant Eberh. Graf v. Schmetrow,
der mit seiner Reiterei eine rumänische Kaval-
leriedivision am Alt zurückschlug, ein Sohn des
Kommandeurs der Halberstädier Kürassiere bei
dem Todesritt von Mars-la-Tour.
MonHOffMAHH
Ms£tiC*£hf-iQii
'UWM
WW
Deutsche Kavallerie unter Führung des Generalleutnants Grafen v. Schmettow wirft am 25. November 1916 im Gelände östlich des unteren Alt eine stch zum Kampf stellende
rumänische Kavalleriedivision unter siegreichem Nachdrängen.
Nach einer Originalzeichnung von Professor Anton Hoffmann.
30
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
kurzer letzterKampf,
dann drangen west-
preutzische Grena-
diere und das Kü-
rassierregimentKö-
nigin, die berühm-
ten Pasewalker,
gleichzeitig in Crai-
ova ein, aus dem
die Reste des ge-
worfenen Heeres
hinausflüchteten.
Die Hauptstadt
der kleinen Wala-
chei, dieser Haupt-
kornkammer Ru-
mäniens, war ge-
nommen. Das blitz-
schnelle Vorstotzen
der deutschen und
der österreichisch-
ungarischen Trup-
pen hatte die Ru-
mänen derartig
überrascht, datz sie
große Vorräte dem
Gegner überlassen
mutzten.
Nach dem Durchbruch bei Targu Jiu und der Einnahme
von Craiova durch die verbündeten Truppen sah sich die
rumänische Heeresleitung vor eine autzerordentlich schwere
Aufgabe gestellt. Während sie sich bisher noch in dem
trügerischen Wahn wiegte, die Hauptgefahr liege bei Predeal,
und deswegen ihre noch unverbrauchten Kräfte immer
und immer wieder im Raume von Campulung gegen die
Verbündeten anrennen ließ, sah sie sich nun einer gänz-
lich veränderten
Lage gegenüber.
Der Austritt aus
dem Gebirge war
erkämpft, und die
Sieger standen
mitten in der wa-
lachischen Tiefebe-
ne, so datz die Ru-
mänen nunmehr
eine Ausrottung
ihrer ganzen Front
längs der Trans-
sylvanischen Alpen
befürchten mutzten.
In eine geradezu
verzweifelte Lage
waren aber die-
jenigen rumäni-
schen Kräfte gera-
ten, die bei Orsova
und Turnn Seve-
rin den äußersten
linken Flügel der
Rumänen decken
sollten. Diese wa-
ren durch den ra-
schen Vormarsch
auf Craiova zwischen die Heeresmassen der Verbündeten ein-
geklemmt, und auch schleunigster Abmarsch bot ihnen nur
sehr geringe Aussichten auf Entkommen. Der einzige noch
offene Weg bot sich für sie längs der Donau.
Da wurde auch diese letzte Hoffnung zunichte, denn der
Sieger von Eorlice, der Zertrümmerer des Serbenreiches
und Eroberer der Dobrudscha, Mackensen, der schon lange
wie ein Löwe zum Sprunge bereit an dem Südufer der
Dreherei. Hydraulische Presse zur Formgebung der Geschosse
Füllen der Schrapnelle mit Bleikugeln.
Aus einer staatlichen Geschotzfabrik.
Nack Ausnahmen der Gebrüder Haerkel, Berlin.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
31
Donau gewartet
hatte» überschritt
bei Svistow die Do-
nau und brach von
Süden in die Wa-
lachei ein. Mit die-
sem Augenblicke
wurden aus den
Truppen von Or-
sova und Turnn
Severin verlorene
Haufen. Wohl
wehrten sich noch
einzelneBataillone
dieses Armeerestes
unter dem Rumä-
nengeneral Culcer
bei den Hügeln
nordöstlichderschon
gefallenen Stadt
Turnu Severin
verzweifelt ihrer
Haut, doch ihr
Kampf war zweck-
los und ihr Schick-
sal besiegelt, denn
mangels jeglichen
Munitionsnach-
schubes hatten sie nach Verschießen ihrer letzten Patrone
nur die Wahl zwischen Waffenstreckung oder Untergang.
Wie ein Donnerkeil wirkte die Nachricht von Mackensens
Donauübergang auf die Rumänen. Mit kühler Ruhe hatte
der Feldmarschall den Zeitpunkt abgewartet, wo die ver-
bündete Armee die Karpathenpässe durchbrochen hatte und
in die walachische Ebene hinabgestiegen war. Erst dann,
als das Zusammenwirken der von Norden und Süden
vorgehenden Teile
gesichert war, ent-
schloß sich Macken-
en zu dem ent-
cheidenden Ma-
növer. Die Do-
naumonitore (siehe
Bild Seite 26>
wurden herange-
zogen, starke deut-
sche und österrei-
chisch-ungarische
Pioniergruppen
bereitgestellt und
das Brückenmate-
rial stromaufwärts
im Beleukanal vor-
bereitet. Nachdem
alle diese Maßnah-
men in umsichtig-
ster Weise getrof-
fenworden waren,
begann der Über-
gang. Hierfür wur-
de wiederum Svi-
stow gewählt, je-
ner Ort, wo die
Russen im Jahr
1877 und zuletzt die Rumänen im Jahre 1913, allerdings
von der entgegengesetzten Richtung kommend, die Donau
überschritten. Es war eine dunkle, unfreundliche Novem-
bernacht, als die Vortruppen der Armee Mackensen in Pon-
tons und Booten den Strom überquerten. Sie landeten,
überrannten die schwachen rumänischen Abteilungen am
jenseitigen Donauufer und stießen sofort vor, um in einer
unverzüglich ausgebauten Brückenkopfstellung den Übergang
Teil eines Lagerraums für Geschosse der Fuß- und Feldartillerie.
Abnahme der Geschosse für Fuß-- und Feldarlillerie.
Aus einer staatlichen Geschoßfabrik.
Nach Aufnahmen der Gebrüder Haeckel, Berlin.
32
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17*
der Hauptmacht zu sichern (siehe die Bilder Seite 27). —
Sobald die ersten Truppen übergesetzt waren, wurde mit
dem Bau der Brücken begonnen und im ganzen vier
Übergänge hergestellt, auf denen deutsche, bulgarische und
türkische Truppen in die Walachei hinüberzogen, um sogleich,
nachdem genügende Kräfte beisammen waren, den Vor-
marsch auf Eiurgiu Und Merandria anzutreten, während
der linke Flügel die Verbindung mit dem rechten Flügel
der Armee aufnahm, die von Craiova auf Slatina im Vor-
marsch war.
Auf der ganzen Front gingen die Rumänen zurück, ge-
drängt von der rastlos nachsetzenden Kavallerie, von der Regi-
menter des Grafen Schmettow, ein in der deutschen Reiter-
geschichte historischer Name, im Gelände östlich des unteren
Alt eine sich dort zum Kampf stellende rumänische Kavallerie-
division zusammenhieb (siehe die Bilder Seite 28 und 29).
Deutsche SchieFbedarfwerke.
Von Major a. D. Schrnahl.
(Hierzu die Bilder Seite 30 und 31.)
Wie in manchen Betrieben, so haben wir auch in der An-
fertigung unserer Geschosse viel im Kriege zulernen müssen.
berufsmäßigen Verleumder des Londoner Auswärtigen
Amtes auch tausendmal in die Welt schreien, daß Deutsch-
lands Vorbereitungen schon jahrzehntelang getroffen ge-
wesen seien, um durch diesen „vom Zaun gebrochenen"
Krieg die Weltherrschaft zu gewinnen. Es ist vielmehr kein
Geheimnis mehr, daß wir eine Zeitlang recht knapp mit
Eeschützbedarf daran waren und die späte Erkenntnis teuer
bezahlen mußten. Es ist eine alte Weisheit, aber leicht ver-
gessen, daß einer im Kriege mit Blut bezahlen muß, was
er nicht mit Geschützen erreichen kann. Es muß also auch
im kommenden Frieden heißen: wer ihn erhalten will,
der gieße Granaten und baue Schiffe!
Unser erstes Bild zeigt uns eine hydraulische Presse in
Tätigkeit. Während das Geschoß um seine Achse gedreht
wird, drückt der gut sichtbare hydraulische Hammer die
Kupferführungen fast geräuschlos in den schwalbenschwanz-
förmig um den unteren Teil des Geschosses eingearbeiteten
Ring hinein. Kupfer ist ein weiches Metall und gerade
für den genannten Zweck unentbehrlich. Die dazu be-
stimmten Kupferstäbe sehen wir auf dem Tisch liegen.
Nachher wird es in der Dreherei glatt in der richtigen Foriy
abgedreht. Es hat die Aufgabe, sich beim Abfeuern des
Schusses in die Schraubenzüge der Rohrseele einzupressen
Schweizer Patrouille auf dem Monte Rosagletscher mit Blick auf Matterhorn und Gornergrat.
Phot. Franz Otto Jörnai.
Unsere Maschinen waren zwar leistungsfähig und arbeiteten
genau; wir hatten auch für den Kriegsfall eine große Anzahl
bereitstehen und auch Verträge mit solchen Werken abge-
schlossen, die im Frieden anderweitig beschäftigt waren,
mit der Mobilmachung aber zur Herstellung von Kriegs-
bedarf überzugehen hatten. Wir wußten auch, daß Schnell-
lade- und Schnellfeuergeschütze Unmassen von Geschossen
in kürzester Zeit verbrauchen konnten
Soviel mehr Schießbedarf aber, als sie verbrauchen
„konnten", glaubten wir nicht bereitstellen zu sollen, weil
wir nicht so viel verbrauchen „wollten", als wir konnten.
Wir vermeinten, die Fähigkeit des Schnellfeuerns nur auf
kurze entscheidende Augenblicke ausnützen zu sollen, und
hielten den für einen gefährlichen Verschwender, der
immerzu mit aller Kraft hätte feuern wollen. Aber unsere
Gegner schrieben uns in dieser Hinsicht das Gesetz vor. Cie
gedachten, ihre vermeintliche Geldüberlegenheit mit der
Übermacht technischer Hilfsmittel — beides nur möglich
durch ein Einverständnis mit den „neutralen" Vereinigten
Staaten von Nordamerika — dahin zu vereinigen, daß sie
uns durch Unmengen von Eisen zertrommeln könnten-
Dem waren unsere Vorräte nicht aewachsen. wenn die
und dadurch allmählich dem Geschoß die Drehung um seine
Längsachse zu geben.
Das zweite Bild versetzt uns in eine Art Apotheke.
Nur daß die bitteren Pillen, welche da in die Schrapnell-
hülsen eingefüllt werden, aus Blei bestehen, dazu bestimmt,
über den feindlichen Linien freizuwerden und flach über das
Schlachtfeld hinzufegen. Der frische fröhliche Bewegungs-
krieg in Rumänien brachte das Schrapnell, das kein Freund
des Schützengrabens ist, wieder zu Ehren.
Wenn die Geschosse fertig sind, erwarten sie den
Feuerwerker, der sie „abnimmt" (siehe Bild Seite 31
untenü Das heißt, er prüft sie, ob sie nach Gewicht, Ab-
messungen und allem übrigen genau den Bestimmungen
entsprechen, damit es beim Laden oder Schießen keine
Störungen gibt und eine Flugbahn der anderen möglichst
gleicht, was bei verschiedenem Gewicht oder verschiedener
Schwerpunktlage nicht der Fall wäre.
Den Aufbewahrungsraum zeigt uns das letzte Bild
(siehe Seite 31 oben). Da immer gleich viele der fertigen
Geschosse in jedem Stockwerk stehen, und zwar regel-
mäßig dieselbe Anzahl nach der Breite und nach der Tiefe,
so bat der Offizier in der Arbeitskutte leicht zu zählen.
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
(Fortsetzung.)
Auf der gesamten deutschen und österreichisch-ungarischen
Ostfront kam es gegen Ausgang November und zu Anfang
Dezember wieder zu lebhafteren Kämpfen. Beide Gegner
hatten Truppen von verschiedenen Punkten der langen
Kampflinie weggezogen, um sie zur Unterstützung der auf
den rumänischen Kriegschauplätzen tätigen Verbände zu
verwenden. Durch kleinere und größere Unternehmungen
suchte man sich gegenseitig über diese Verschiebungen zu
täuschen und trachtete dabei gleichzeitig, schwache Stellen
herauszufinden, an denen ein kräftigerer Vorstoß zur Schädi-
gung des Feindes und Erzielung bestimmter Vorteile Aus-
sicht auf Erfolg versprechen würde. Daneben wurde die
Absicht verfolgt, durch dieses Verfahren möglichst viele
Kräfte des Gegners zu binden und ihn zu hindern, so
zahlreiche Verstärkungen an die wichtigen Teile der er-
wähnten Front zu bringen, daß sie dort ausschlaggebende
Bedeutung gewinnen könnten. Diese kleineren Kämpfe
waren somit auch bestimmt, entlastend zu wirken.
Je näher der bevorstehende Zusammenbruch des rumä-
nischen Heeres heranrückte und je vorteilhafter sich die
in mühevoller Arbeit geschaffene Lage der verbündeten
Truppen der Mittelmächte in Rumänien gestaltete, desto
lebhafter und unruhiger wurden die Russen, die auf der
ganzen Front die Artillerietätigkeit steigerten. Südlich und
westlich von Riga kam es in der Zeit vom 29. November bis
zum 10. Dezember häufig zu Feuerüberfällen, denen nicht
selten Angriffe russischer Jagdkommandos folgten. Die
Unternehmungen waren sehr oft recht kühn angelegt und
wurden mutig und geschickt durchgeführt; einen Erfolg
konnten sie aber nicht'bringen. Die Deutschen waren auf
der Hut und be-
nützt, n jede Ge-
legenheit zu Ge-
genstößen. So ge-
lang es südlich von
Riga preußischen
Landsturmtrup-
pen, eine russische
Feldwache aufzu-
heben. Ohne ei-
gene Verluste kehr-
ten die wackeren
Kämpfer mit 33
Gefangenen und
zwei erbeuteten
Maschinengeweh-
ren zurück. In der
Gegend von Jllurt
bliesen die Russen
gegendie deutschen
Gräben Gas ab;
es verpuffte jedoch
wirkungslos im
Winde. Ein am
1. Dezember gegen
die deutschen Stel-
lungen im Ab-
schnitt von Smor-
gon gerichteter '
Sturm kam an-
fänglich ganz gut
vorwärts, dann aber zerschellte er im Eeschoßhagel des
Maschinengewehr- und Geschützfeuers vollkommen. Einen
so schönen Erfolg, wie ihn brandenburgische Regimenter
Anfang November mit ihrem Sturm auf befestigte rus-
sische Feldstellungen nördlich des Skrobowabaches auf-
zuweisen hatten (siehe den Sonderbericht: Der Tag von
Skrobowa, Seite 40 und das Bild Seite 36/37), konnten
die Russen an keiner Stelle dieser Front erzielen, obwohl
sie auch hier in der Überzahl waren.
Bei Pinsk scheiterten an jenem Tage ebenfalls Stürme
der Russen. Nördlich des Dryswjatysees drangen sie am
3. Dezember mit starken Kräften vor; doch trotz ausgiebiger
Feuervorbereitung vermochten sie die deutschen Linien nicht
ernstlich zu gefährden. Ebensowenig Glück hatten die Russen
mit Vorstößen im Raume von Luck; ein daselbst errichtetes
Feldlazarett zeigt uns das Bild Seite 35 unten. — An der
Front des Generalobersten v. Linsingen machten sich zahl-
reiche feindliche Flieger bemerkbar, die die emsige Aufklärungs-
tätigkeit der Patrouillen unterstützten. Es war anscheinend
auf eine Bedrohung Kowels abgesehen. Jagdkommandos
der verbündeten Streitkräfte verstanden es jedoch vortreff-
lich, die Aufklärer empfindlich zu stören und auf diese Weise
die Pläne des Gegners zu durchkreuzen. Der wichtige Ort
blieb sicher in der Hand der Verteidiger, die an der Bahn-
strecke Kowel—Sarny sogar nicht zu unterschätzende Vorteile
erkämpften. Dort wurde nordöstlich von Zajaczowka eine
russische Feldwache aufgehoben. Nach einer kurzen Feuer-
vorbereitung drangen deutsche und österreichisch-ungarische
Truppen in die erschütterte feindliche Stellung, überwältigten
im Nahkampf die Besatzung und kehrten nach gründlicher
Zerstörung der Anlage mit einem Rest der am Leben ge-
bliebenen Feinde zurück. Westlich von Luck fiel eine andere
russische Feldwache der Wegnahme anheim, wobei 40 Ge-
fangene gemacht wurden. Die Sieger blieben in der er-
oberten Stellung und fügten dem Feinde bei seinen fünf-
maligen Rückeroberungsversuchen schwere Verluste zu.
In der Nähe von Wielicka schädigten Honvedabteilungen
(siehe Bild Seite 34 oben) bei einem ähnlichen Überfall den
Feind beträchtlich; es gelang ihnen dabei, bis in den zweiten
russischen Graben vorzustoßen. Nördlich des Naroczsees, in
der Skoryenge, entwickelten die Russen am 8. Dezember
hartnäckige Angriffe, die jedoch trotz schwerer Feuervorbe-
reitung nicht mit Erfolg gekrönt waren.
Im Narajowkagebiet hofften feindliche Kräfte wieder-
holt gegen otto-
manische Truppen
Vorteile erringen
zu können, doch
war ihr Streben
auch hier vergeb-
lich. Am 30. No-
vember wehrten
die Türken den
Feind nicht nur ab,
ondern sie führten
ofort einen kräf-
tigen Gegenstoß
aus. den sie bis in
jbie gegnerischen
Stellungen vor-
trugen, in denen
schwere Zerstörun-
gen angerichtet,
zahlreiche Feinde
getötet und viele
Gefangene ge-
macht wurden.
Südlich der Bahn
Tarnopol-Krasne
schickten die Russen
bei Augustowka
stärkere Abteilun-
gen vor; sie wur-
den aber bald aus-
gehalten und mit
großen Verlusten zurückgetrieben. An der Narajowka selbst
begnügten sie sich mit der Abgabe von heftigem Artillerie-
feuer, dem keine Infanterie angriffe folgten. Westlich von
Zalocze überfielen ain 6. Dezember Deutsche russische Stel-
lungen, in denen sie 90 Gefangene machten; auch bei Tar-
nopol wurden an diesem Tage 20 Mann eingebracht. —
Während auf dem Lande lebhafte Kanrpftätigkeit
herrschte, spielten sich auch an den russischen Küsten be-
merkenswerte Vorfälle ab» unter denen die Russen beträcht-
lich zu leiden hatten. Deutsche Marineluftschiffe und Flug-
zeuge erschienen wieder an der Küste des Rigaischen Meer-!
busens und ließen dort Voniben fallen (siehe Bild Seite 39)
Der russische Flottenstützpunkt Reval am Finnischen Meer-
busen erhielt ebenfalls ihren Besuch. Was für gute Ergeb-
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für dev Schutz gegen Nachdruck in Amerika'
I Rand
Copr
1917 by Union Deutsche Verlagsgesellschast in Stuttgart.
5
Russische Soldaten, links das Idealbild eines Russen, wie ihn die französische Zeitung «Le Temps"
ihren Lesern in ihrer Nr. 28 vorführt mit der Bemerkung, daß mehrere Millionen Leute wie
dieser dem Verbündeten im Osten zur Verfügung ständen. Wie der russische Durchschnittsoldat
in Wirklichkeit aussieht, zeigt das Bild auf der rechten Seite.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1814/17
Nisse dort die Beobachtung aus den
Flugzeugen zeitigte und wie sicher die
abgeworfenen Bomben ihre Ziele
trafen, lassen die während des An-
griffs über dem Hafen aufgenomme-
nen Photographien, die wir auf Seite38
wiedergeben, deutlich erkennen. —
Wie sich Ende November heraus-
stellte, waren ausgestreute Minen zwei
großen russischen Truppentransport-
schiffen verhängnisvoll geworden. Die
Dampfer sollten das 428. Regiment,
las in Finnland den Machtdienst ver-
sehen hatte und in voller Kriegsaus-
rüstunr an Bord war, von Helsingfors
nach Reval bringen; sie erreichten
den Hafen jedoch nicht, sondern gin-
gen auf ihrer Fahrt mit. Mann und
Maus unter.
Ein anderes schweres Unglück er-
eignete sich in Archangelsk, dem rus-
sischen Hafen am Weißen Meer
(siehe Bild Seite 40). Dort fanden
ungeheure Erplosionen statt, die schreck-
liche Folgen hatten. In den ersten
Meldungen über das Ereignis wurde
die Zahl der Opfer auf über 700
geschätzt, später ergab sich aber, daß
die Zahl viel zu niedrig und fast zu
Sieben Dampfer,
Sturm ungarischer Honvedinfanterie.
verzehnfachen sei.
die mit für Rumänien bestimmter
Munition voll beladen waren, flogen
in die Luft, mehrere andere wur-
den sehr schwer beschädigt. Mäch-
tige Krane im Hast ngebiet, die eine
Tragkraft von zehn Tonnen besaßen,
brachen zusammen. Die ganze Um-
gebung glich einem riesigen Trüm-
merfeld. —
Als der Kampf auf dem rumä-
nischen Kriegschauplatz, insbesondere
an der walachischen Front, für die
Rumänen eine immer bedenklichere
Wendung nahm, hatten die Russen be-
reits an der Moldaufront, in den
Bukowinrr Karpathen und den Trans-
sylranischen Alpen heftige Angüsse
angesetzt, die jedoch durch Gegen-
stöße der Deutschen und Österreicher
und Ungarn, die nach der Ernennung
des Erzherzog Thronfolgers zum Kaiser
unter dem Oberkommando des Gene-
ralobersten Erzherzog Joseph (siehe Bild
Seite 3ö oben) standen, zurückgeschlagen
wurden. In den Tagen vom 29. No-
vember bis zum 10. Dezember, in denen
sich das Schicksal Rumäniens vollzog,
wiederholten sie ihre mit großen Mas-
sen geführten Vorstöße. Wie die Rus-
sen im Mai, als die Österreicher und
Ungarn auf dem italienischen Krieg-
schauplatz in die Linie Arsiero—Asiago
einbrachen, im Augenblick der höch-
sten Not der Italiener mit einer ge-
waltigen Entlastungsunternehmung an
der wolhynischen Front hervortraten,
Rast in einem kleinen Ort unweit der Front.
so wollten sie jetzt wieder auf einer
300 Kilometer langen Front den Ru-
mänen die verheißene Rettung bringen.
Während die Russen im Mai die Öster-
reicher und Ungarn in Wolhynien,
Galizien und in der Bukowina über-
raschen und die für die Italiener
sehr gefährliche Lage wirklich bessern
konnten, schlug ihre Absicht diesmal
fehl. Die Verbündeten hatten mit
Entlastungsunternehmungen gerechnet
und entsprechende Maßnahmen ge-
Transport einer schweren Haubitze auf schneebedeckten Waldwegen.
Von der Fwnt des Generalobersten Erzherzog Joseph.
Phot. Photopresse Kankowski-, Budapest
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
35
troffen. — Die ganze
südlich gelegene Front
hatten die Russen gewal-
tig verstärkt; ihre Streiter
bewiesen hohen Mut, und
selbst die Reiterei griff m
die Kämpfe ein. Daß
dieser von vornherein der
Untergang bestimmt war,
wenn sie sich zu Pferde
in den Maldgebicten der
Bukowina mEefechte ein-
lüß (siehe Bild Seite 41),
unterlag keinern Zweifel,
die Russen erreichten da-
mit aber wenigstens, daß
die Verbündeten zur Ab-
wehr der fortwährenden
Angriffe dauernd eine
erhebliche Anzahl Trup-
pen bereithacken muh-
ten. Letzteres erschien um
so gebotener, als das
ganze Verhaltendes Geg-
ners noch nachdrücklichere
Anstrengungen von seiner
Seite erwarten lie h.
Diese erfolgten auch bald.
Am 28. und 29. Novem-
ber stießen die Russen in
den Waldkarpathen und
in den Grenzgebirgen der
Moldau mit einer Reihe
von wütenden Angriffen
vor. So kraftvoll diese
auch geführt wurden, so
leiteten sie doch nur wie-
der eine neue Folge von
Niederlagen ein, wie sie
die Russen an dieser Stelle
schon im August und
September davontrugen,
als Brusfilow im Westen
des oberen Biftritzatales,
an der Dreiländerecke,
vorging, um die sein Fort-
kommen in Ostgalizien unmöglich machenden Karpathen-
stellungen der Verbündeten hinwegzuräumen. Ein ge-
lungener Durchbruch an dieser Front würde die Russen
in die Flanke und in den Rücken der Armee Falkenhayns
gebracht haben, was die Rettung Rumäniens bedeutet
hätte; wenigstens vorläufig. Doch alle Hingebung der
Russen führte zu keinem Erfolg.
Am 30. November waren sie, unterstützt durch rumä-
nische Abteilungen, auf dem südlichsten Flügel der ganzen
weiten Linie zwischen dem Jablonicapaß und den Höhen
östlich des Beckens von Kezdivasarhely wieder im Vor-
dringen, doch auch aus
dieser langen Strecke war
den Angreifern trotz des
hohen Einsatzes an Men-
schen und Munition kaum
ein nennenswerter Er-
folg beschieden; wo sich
Fortschritte zeigten, hat-
ten sie höchstens örtliche
Bedeutung. Tags darauf
kam es bei den Stellun-
gen an der Baba Ludo-
wa und Eura Rucada,
östlich von Dorna Waträ
— wohlbekannte Namen
von früheren Gcfechts-
tagcn — sowie im Troto-
sul- und Oitostal neuer-
dings zu besonders wü-
tenden Zusammenstößen.
Die Russen und Rumänen
versuchten vergeblich ihre
Lage zu ändern. Bei den
Gegenstößen gelang den
deutschen Truppen sogar
die Gefangennahme von
über 1000 Russen. Am
nächsten Tage boten die
Russen in den Waldkar-
pathen an Kräften auf,
was sie dort zusammen-
zubringen vermochten.
Trotzdem waren alle ihre
Stürme erfolglos. Das
deutsche Abwehrfeuer riß
breite Lücken in die Rei-
hen der Stürnienden, die
unter ungeheuren Ver-
lusten immer wieder zu-
rückfluteten und an einer
Stelle bei einem kühnen
Gegenangriff der Deut-
schen 4 Offiziere und über
400 Mann an Gefange-
nen einbüßten.
Nach diesem Miß-
erfolg rafften sich die Russen am 3. Dezember in den Wald-
karpathen nur noch zu schwächlichen Unternehmen auf, da-
gegen setzten sie an der siebcnbürgischen Front wieder rück-
sichtslose Stürme an, die ihnen kleine örtliche Vorteile ein-
brachten. Diese wurden von ihren Gegnern aber bald
wett gemacht. In den Kämpfen des folgenden Tages ge-
lang es den verbündeten Truppen am Werch Debry, süd-
lich des Tatarenpasses, verlorene Stellungen zurückzuge-
winnen, wobei sie über 100 Gefangene machten und 5 Ma-
schinengewehre erbeuteten; nördlich des Oitosiales, am
Berg Nemira, blieben 350 Gefangene und 3 Maschinen-
Phot. Kilophot G.m. h. H., Wien.
Generaloberst Erzherzog Joseph, der neue Oberkommandierende im Frontabschnitt,
den bisher Kaiser Karl befehligt hat.
Erzherzog Joseph (nicht zu verwechseln mit Erzherzog Joseph Ferdinand, der früher
die 4. österreichisch-ungarische Armee bei 2uck kommandierte) stand in Friedenszeiten
an der Spitze des 7. Armeekorps in Budapest und führte dieses Armeekorps auch seit
Beginn des Krieges, besonders erfolgreich in den Karpathenkämpfen. A's der Krieg
mit Italien ausgebrochen war, übernahm er das Oberkommando einer Armee an der
Jsonzofront.
Hofphor. Kühlewindt, Königsberg i. P.
Ein deutsches Feldlazarett westlich vor» Lucik
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
gewehre in ihrer Hand. Am 5. Dezember '"«errv' -
waren die Russen neuerdings im Vorgehen;
ihre Gegner setzten sich jedoch energisch zur
Wehr. Im Bazkatal besonders, südöstlich
des Beckens von Kezdivasarhely, glückte deut-
schen und österreichisch-ungarischen Truppen
ein Handstreich gegen rumänische Stellungen.
Die Verbündeten besetzten ein beträchtliches /
Stück der feindlichen Linie, nahmen 2 Offi-
ziere und 80 Mann gefangen und erbeuteten , '
große Munitionsmengen.
An den nächsten Tagen ließen es Russen ER fc
und Rumänen bei Feuerüberfällen und meist / Vji/
bedeutungslosen Vorfeldgefechten bewenden; '■■■'.jJmä
die russische Entlastungsunternehmung an
der Moldaufront hatte die erhoffte Wirkung
bisher nicht gehabt.
Um dieselbe Zeit spielten sich auch an der W
Dobrudschafront Kämpfe ab. Hiersollte MH
im besonderen die Armeegruppe Mackensens DWWW»
geworfen oder doch mindestens am Ein- ""
greifen zugunsten Falkenhayns verhindert
werden. Mit heißem Bemühen hatte der » \ 1
General Sacharow durch frontale Stöße
die Erschütterung der Stellungen Macken- i r
sens quer durch die schmälste Stelle der Do- |||| <
brudscha, von der Donau nach dem Schwär- HU l Jä
zcn Meere, nördlich der Lmie Cernavoda—
Constanza, erstrebt. Hauptsächlich der rechte
Flüqel Mackensens am Schwarzen Meer
inußte einen starken Druck aushalten. Nach ß
einer Ruhepause versuchte Sacharow durch M -
Opferung zweier sibirischer Divisionen den R \ |
linken Flügel der Armee Mackensen, der von «L V |
Bulgaren und Türken (siehe die Bilder Seite 43 Ms
und 44 oben) gehalten wurde, niederzuringen.
Mächtiges Artilleriefeuer unterstützte den An-
griff. Die Bulgaren konnten den Feind aber
schon durch ihr Sperrfeuer aufhalten, woran ppliLlillk:,
auch von den Gegnern ins Treffen geführte
Panzerkraftwagen nichts zu ändern vermoch-
ten. Zwei von letzteren blieben vor den bul- p|
garischen Hindernissen zerschossen liegen. Mit
verstärktem Nachdruck wiederholten die Feinde «ÄWWW
am nächsten Tage, und besonders auch am
2. Dezember, ihre Anstrengungen. Vom WW8WE
frühen Morgen an bereitete ihre Artillerie BlipPf*
das Unternehmen durch eine äußerst schwere
Beschießung vor und dann griffen siegegen
300 Schritt Eroberung
„ .l
verheerendes Feuer
i. Drei auf dem
„ eng-
ten von der treffsicheren Artil-
ganzen Front wurde der schwere
einem Abschnitt
zum Gegenstoß vor,
't der Besatzung und
von drei russischen Divisionen ein (siehe
An der Standhaftigkeit der Bulgaren und
zerschellt. Infolge des Scheiterns
ihres Durchbruchversuches zwischen der Donau und dem Orte
Satiskoej blieben die Russen auch nicht in ihren Ausfall-
stellungen stehen, sondern zogen sich in ihre weiter zurück-
liegenden stark befestigten Linien zurück. Die Bulgaren zähl-
ten nach dem Kampf vor einem schmalen Frontstück der
Höhe 234 allein über 600 feindliche Leichen. Die Kampf-
tätigkeit auf der Dobrudschafront flaute in den nächsten Tagen
mehr und mehr ab und ging in fast vollständige Ruhe über.
General Sacharow wagte nach den vergangenen Schlacht-
tagen nicht, sich auf weitere größere Gefechte einzulassen.—
Der eigentliche Kriegschauplatz, auf dem die Rumänen
um ihr Schicksal zu ringen hatten, war die W a l a ch e i. Sie
ist ein verhältnismäßig leicht zu verteidigendes Gebiet, weil
die vielen in nordsüdlicher Richtung verlaufenden Neben-
flüsse der Donau, die selbst wieder reichlich durch Neben-
flüsse gespeist werden, das ganze Gelände in zahlreiche
Abschnitte auflösen, die immer wieder günstige Stellringen
drängen die Schlagkraft des rumänischen
Heeres zerrüttet hat, beweist die schneidige
Neitertat des Rittmeisters v. Borcke von den
Pasewalker Kürassieren, der bei Eiolanesti
eine feindliche Kolonne von 1200 Mann mit
17 Offizieren, 10 Geschützen und 3 Maschi-
nengewehren mit einer einzigen Schwadron
tollkühn anritt und sie zur Waffenstreckung
zwang (siehe Bild Seite 45).
So näherten sich von Westen her Be-
siegte und Sieger immer mehr der Haupt-
stadt Rumäniens, gegen die auch von Süden
her auf der Straße Eiurgiu—Bukarest die
Donauarmee im Vorrücken war (siehe die
Karte Seite 47 unten). Nach scharfem Kampfe
wurde die Neajlowaniederung durchschritten
und der Widerstand des Gegners durch
energischen Bajonettstoß bulgarischer Regi-
menter gebrochen: allerdings war Vorsicht
geboten, denn es mußte angenommen wer-
den, daß die Rumänen und die bei ihnen
befindlichen russischen Kräfte sich auf die
Flanke der Donauarmee werfen würden, um
diese letzte Gelegenheit zur Rettung von
Bukarest nicht ungenützt verstreichen zu lassen.
So kam es denn im Raume des un-
teren Arges zu einer großen Schlacht. Nicht
umsonst hatte der rumänische Heerführer
General Stratilescu in seinem Befehl ge-
sagt, daß von dem Ausgange dieses Kampfes
das Schicksal Rumäniens abhinge. Mit
äußerster Erbitterung wurde gerungen, und
lange schwankte die Schale des Sieges hin
und her. Da setzten Deutsche, Österreicher
und Ungarn noch einmal mit äußerster
Energie zum Angriff an. Ein mächtiger
Stoß, und die Verbündeten brachen durch
die feindliche Linie, wobei ein bayerisches
Regiment mit wilder Tapferkeit bis zum
Standpunkt eines rumänischen Divisions-
stabes gelangte und dessen Eeneralstabs-
offiziere gefangen nahm.
Da war es mit dem Zusammenhalt der
rumänischen ersten Armee vorbei. Noch ein-
mal in letzter Stunde versuchte die rumänische
Heeresleitung das Schicksal des Tages zu
wenden. Auf dem rechten Flügel wurde die
letzte Reserve ins Prahovatal zum Gegen-
stoß vorgeworfen, doch auch ihr Anlauf zer-
schellte an dem mörderischen Schnellfeuer
' -I... --
^ v --- vj»»| (vu I wv yvyvii
sechs Uhr abends die Bulgaren und weiter
östlich auch die Türken an. Bis auf 300 Schritt
ließen diese die Russen an ihre Stellungen
herankommen; dann eröffneten sie ein i
auf die dichten feindlichen Kolonnen, au,
bulgarischen Flügel zur Unterstützung vorgehende eng'
lische Panzerwagen wurden von der treffsicheren Artil
lerie vernichtet. Auf der ganzen Fi" '
Angriff äußerst blutig abgewiesen,
gingen Bulgaren und Ottomanen ^
erbeuteten zwei Panzerkraftwagen mit
brachten Gefangene
Bilo Seite 42). O______________v„
Türken war der Sturm zerschellt.
It*__r p v — -
Armee hatte eine vernichtende Niederlage erlitten. Ganzen
Truppenkörpern und einem großen Teil der Artillerie fehlte
die Zeit zum geordneten Rückzüge, so ungestüm traf der
Stoß der Deutschen die rumänische Front; sie wurden ab-
geschnitten und gefangen, der Rest flutete entmutigt in
Unordnung auf
Bukarest zurück,
wohin nun
Stratilescu
seine geschlage-
nen Scharen zu-
rückführte.
Das Arges-
tal wurde über-
schritten, wobei
westpreußische
Grenadiere den
Rumänen in
schneidigem
VII. VII V V V V' V' 1 V * v ■ I w _
von deren Innerem er sechs bis neun Kilometer ablag.
Die Werke waren stark profiliert und mit einer sehr reich-
lichen Panzerwehr versehen, von der Brialmont stets ein
Anhänger gewesen ist. Nicht weniger als 61 Panzertürme
für je zwei 12- oder 15-om-Kanonen hatten in den Be-
festigungen Aufstellung gefunden, ferner 74 Türme für
je eine 21-om-Haubitze und 127 Cenkpanzer für Sturmab-
wehrgeschütze, zumeist 5,3-om-SchneIlfeuerkanonen. Alle
Werke waren durch eine Gürtelbahn und eine Ringstraße
miteinander verbunden.
Gegen diese Festung rückten nun die Heere Falkenhayns
und Mackensens heran.
Der leitende Grundsatz der von drei Seiten andringen-
den Armeen der Verbündeten war, dem Gegner durch un-
ablässiges Nachdrängen keine Zeit und Gelegenheit zu er-
neuter Sammlung zu geben.
Von Norden her vordringend, nahmen Teile des linken
Flügels der Armee Falkenhayn das so heiß umstrittene
Campulung und öffneten sich damit die letzte Paßstraße,
die bisher noch nicht dem ungehinderten Verkehr dieser
Armee von Siebenbürgen nach der Walachei gedient hatte,
so daß sich nunmehr alle Übergänge vom Eisernen Tor
bis zum Törzburger Sattel in den Händen der Verbün-
deten befanden.
Von Westrumänien her aber blieben auf der ganzen
Front die Verfolger den weichenden rumänischen Nach-
huten auf den Ferssn. Me stark dieses unablässige Rach-
aZirin
/Karscljewo
, Skrobowa
öoroditsche
IföldyhcljemJte
>aranovfritedii
sjDarowo
Tabusy
.jacljowUscHi
Nachtangriff
sechs Haubitzen
abnahmen.Ekne
rumänische
Gruppe, die
südwestlich von
Bukarest -ver-
suchte , gegen
den Neajlowa-
Kartenskizze znm Kampf am Skrovowabach
«siehe Sette *0).
10: " 4 ' 3 1
’\vl ■ jä R
p -i
; Js j K 1V fh Mi Li.. 4 v
li |L ■ ' , , -V
• j I ilw ' 5 . HM m.k:
&
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
Russen geschlossen hatte.
Von Craiova her war die
Offensivgruppe desGene-
ralleutnants Kühne (siehe
Bild Seite 46) gegen das
mittlere Argestal vorge-
rückt und hielt Verbin-
dung mit der Donau-
armee unter General
Kosch (sieheBildCeite 46»,
die von Süden gegen
Bukarest im Anmarsch
war.
Auf dem linken Flügel
überrannte General v.
Morgen die Rumänen bei
Targoviste westlich von
Ploesci, Generalleutnant
v. Krafst zertrümmerte
mit wuchtigen Schlägen
den Westflügel der Ab-
wehrarmee und trieb ihre
Reste von Earsci 30 Kilo-
meter ostwärts, teils ent-
lang der Bahn über die
Station Titu gegen den
nordwe stliche n Fortgürtc l
von Bukarest, teils sogar
in entgegengesetzter Rich-
tung aufCampulung und
Pitesci den nachfolgen-
den Truppen des Ge-
nerals Schmidt v. Kno-
belsdorfs in die Arme.
Auch westlich und süd-
westlich der Hauptstadt wandelte der machtvolle Angriff der
Donauarmee den Gegenstoß der Rumänen in wilde Flucht
und trieb den zahlenmäßig bedeutend überlegenen Gegner
vor sich her.
Während der rechte Flügel der Donauarmee alle Gegen-
stöße von Russen und Rumänen blutig abschlug, und die
Mittelgruppe der Armee nach dem Siege bei Draganascr,
der ihr allein 36 Geschütze einbrachte, die Rumänen auf
das nördliche Ufer des Arges zurückwarf, überschritt der
linke Flügel diesen Fluß auf den nicht gesprengten Brücken
und schob sich damit m
die unmittelbare Nähe
I des südwestlichen Fort-
gmtels.
Die Armee Falken-
hayn warf die rumäni-
schen Nachhuten, die an
kleinen Abschnitten ihrem
Nachdrängen Einhalt zu
gebieten suchten, und
überschritt mit ihrem aus
dem Gebirge kommenden
Heeresflügel die Tahn-
DWWbLWWWSlWWMMSl linie Bukarest—Targo-
viste—Pietrosita. Wo sich
die Rumänen auf den
Ji' W JUBb Höhen beiderseits der
Predcalstraße verzweifelt
noch zu halten suchten,
sahen sie nun in Flanke
und Rücken das gleiche
V Verhängnis nahen, das
mit unheimlicher Sicher-
x!EMW>WU>!EV8E8»WWl heit bereits alle Berg-
stellungen vom Oberlauf
sWkMWWWöWWWM» des Alt bis üster Cam-
pulung zu Fall gebracht
Wßßs *
Phot. A. Grohs, Berlin.
Angriff deutscher Seeflugzeuge auf feindliche Streitkräfte im Hafen von Reval.
Im Vordergrund ein Flugzeugmutterschiff mit zwei Unterseebooten , links der Hafen mit Krieg- und Hilfschiffen,
rechts die Werft.
abschnitt vorzustoßen, wurde umfassend angepackt und unter-
schweren Verlusten geworfen.
Von allen Seiten zog sich das Netz immer enger um die
Rumänen zusammen.
Die im Südwesten und Südosten von Campulung her
vordringenden Kräfte führte der zum Rumänenschreck ge-
wordene Generalleutnant Krafft v. Delmensingen, wäh-
rend vom Törzburger Paß General v. Morgen, Hinden-
burgs bewährter Ünterfeldherr, Herabstieg, der einst in
der blutigen Schlacht von Tannenberg den Ring um die
hatte: ihre Rückzugslnrie
war stark gefährdet, aber
auch die vielgenannte
Petroleumstadt Ploesci
erschien bedroht, die in
einer Entfernung von
nur 46 Kilometern öst-
lich von Targoviste an
Phot. A. GrohS, Berlin.
Angriff deutscher Seeflugzeuge auf militärische Anlagen im Hafen des russischen Stützpunktes Reval.
Der Rauch kennzeichnet die Einschlagstellen der geworfenen Bomben
■'Tl^ähr- ^ ’jj pi , ‘ Tvf"
Mr:
. 'J, '■7'
Angriff deutscher Luftstrertkräfte auf die Küste am Rigaischen Meerbusen
Nach einer Originalzeichnung von Gustav Romin.
40
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
der von Predeal nach Bukarest führenden Hauptstraße ge-
legen ist.
Immer mehr erfüllte sich das Schicksal.
Als die siegreich vordringende 9. Armee sich der Bahn
Bukarest—Campina—Ploesci näherte, mutzten die Ru-
mänen auch ihre Stellungen bei Sinais räumen; die Donau-
armee war im Vordringen auf Bukarest.
Am 4. Dezember erreichten die Vortruppen den Fort-
gürtel, und am 5. Dezember zehn Uhr dreißig Minuten vor-
mittags überbrachte Eeneralstabshauptmann Lange dem
Kommandanten
von Bukarest die
Aufforderung zur
Übergabe. Als die
AnnahmedesBrie-
fes des Eeneral-
feldmarschalls v.
Mackensen mit der
Begründung abge-
wiesen wurde, daß
Bukarest keine
Festung, sondern
eine offene Stadt
sei, wurde der Be-
fehl zum Angriff
gegeben.Jm schnei-
digen Vorstoß nah-
men Teile des
Kavalleriekorps
Schmettow ein
Fort auf der Nord-
front , wobei die
Rumänen mit In-
fanterie Wider-
stand zu leisten
versuchten, der je-
doch rasch gebro-
chen wurde. Das
nachdrängende
deutsche Korps be-
mächtigte sich dar-
auf der gesamten
Fortlime von
OdaileanderNord-
front bis Chiajna
an der Westfront.
Von der Süd-
front her drangen
% Phot. Franz Otto Koch, Berlin.
Dev Hafen von Archangelsk am Weißen Meer, in dem eine furchtbare Explosion mehrerer für
Rumänien bestimmter Munitionsdampfer ausbrach.
Die russische Zeitung Archangelsk teilt darüber mitz: „Gestern abend wurde die Stadt von einem entsetz-
lichen Lärm erschreckt. Gleich darauf wurde-überall sichtbar, daß fast der gesamte Hafen in Flammen
stand. Um 6 Uhr 15 Minuten waren wie auf ein Signal 7 Munitionsdampfer, die am Morgen ange-
kommen waren, in die Luft gegangen. Die Explosion war so gewaltig, daß Eisenteile von den Schiffen
700 Meter weit geschleudert wurden. Der Hafen glich minutenlang einem feuerspeienden Vulkan. Glut-
stücke fie'en srussischer Zensurstrich) so daß die ganze Anlage l) des Hafens gefährdet wurde. Unglück-
licherweise (Zensurstrich). In dieser Weise wurden 37 Speicher dem Erdboden gleich gemacht. Der
Schaden wird aus sZensurlücke) Millionen Rubel geschätzt. Nach den letzten Ausweisen wurden ....
Leichen geborgen sowie 763 Schwerverletzte in die Krankenhäuser eingeliefert. Doch dürfte die Zahl der
Opfer sich als wesentlich größer herausstellen, wenn die Aüfräumungsarbeiteu vollendet sein werden.
Der Zutritt zur Hafengegeud bleibt weiter verboten."
Teile der Donauarmee durch den Fortgürtel nach Buka-
rest hinein, ohne daß ihnen Widerstand geleistet wurde.
Als erste Truppe zogen die Bulgaren des 12. Regiments
nach Bukarest hinein, mit grimmiger Befriedigung im Ge-
danken an den hinterlistigen Überfall, den die Rumänen
im Jahre 1913 auf sie ausgeführt hatten (siehe die Kunst-
beilage).
Große Vorräte waren mit der Hauptstadt in die Hände
der Sieger gekommen. Alle achtzehn Forts der Bukarester
Befestigungen waren samt den Batterien völlig unversehrt,
die Kasematten gefüllt mit Munition, Petroleum, Lebens-
mitteln und riesigen Mengen von Stacheldraht.
Bukarest war gefallen. Auf den Türmen der rumänischen
Hauptstadt, auf den sturmfreien Wällen der Forts, welche
die Stadt in dich-
tem Kranze um-
geben , flatterten
stolz die Fahnen
der Mittelmächte
und ihrer Verbün-
deten.
Und gleichzeitig
mit Bukarest fiel
Ploesci.
Das kostbare
Olgebiet, das man
selbstim Falle einer
etwa notwendig
werdenden Räu-
mung von Buka-
rest zu behaupten
beabsichtigte, wur-
de von den unge-
stüm nachdringen-
den Truppen der
Armee Falkenhayn
besetzt, ein Erfolg,
dessen wirtschaft-
liche Folgen von
tief einschneiden-
der Bedeutung
waren.
Auch die Reste
der in der West-
walachei noch um-
herirrenden abge-
schnittenen rumä-
nischen Heeresteile
konnten sich nicht
länger halten. Sie
wurden am Alt-
flusse durchdeutsche
gestellt und zur
und österreichisch-ungarische Truppen
Kapitulation gezwungen. Abermals streckten 8000 Mann
die Waffen, und 26 Geschütze wurden erbeutet. —
«Fortsetzung folgt.)
Illustrierte Kriegsberichte.
Der Tag von Skrobowa.
Von vr. Fritz Wertheimer, Kriegsberichterstatter der
„Frankfurter Zeitung".
«Hierzu Bild und Kartenskizze Seite 88)37.)
In den Juni- und Julitagen des Jahres 1916 brauste
Brussilows Offensive gegen die Südteile der deutsch-öster-
reichisch-ungarischen Ostfront. Kowel (Wolhynien), Lem-
berg (Galizien) und die Karpathen (Ungarn) waren ihre
Ziele. Teils um die Gelegenheit zu benutzen, eigene Lor-
beeren zu ernten, teils auch nur um durch Offensivstöße
deutsche Truppen zu binden und Verschiebungen nach
Süden zu verhindern, griffen im Norden und in der Mitte
die russischen Führer an. Bei Riga und an der Straße von
Groß-Ekkau zerschellten einige Divisionen an den „Eisen-
schädeln" (Beseler nannte sie einmal so), an den Bran-
denburgern, in der Mitte der Ostfront brauste das braune
Russenmeer vergeblich gegen schlesische Wälle des General-
obersten v. Woyrsch. Hier war der wichtige Eisenbahn-
knotenpunkt Baranowitschi das russische Ziel. Es war den
Russen im Sommer 1915 verloren gegangen. Die Brest-
Litowsk—Minsk—Smolensker Bahn schneidet dort die
Strecke Dünaburg—Wilna—Rorono. Für die Russen war
der Punkt zu Truppenverschiebungen hinter ihrer Front
so wichtig, daß sie alsbald die beiden nun sozusagen in
der Luft schwebenden Systeme der Minsker und Rownoer
Bahn in der Gegend von Kraschin und Ljachowitschi durch
eine Kriegsbahn verbanden — eine für russische Verhält-
nisse sehr anerkennenswerte Leistung. So erhielten sie
sich trotz des Verlustes von Baranowitschi die Möglichkeit
zu Truppenverschiebungen, aber Baranowitschi blieb mit
seinen weiten Geleis- und Umgehungsanlagen und seinem
Barackenlager der russischen Eisenbahntruppen ein be-
gehrenswertes Ziel.
Der Druck auf diesen Zentralpunkt der Ostfront war
ungeheuer. Von Stylowitschi nach Süden zum flachen
Hügelland bei Darowo und zur Sandinsel im Schtschara-
sumpf bei Labusy rannten die Massen an. Wiederholt
wechselten diese Brennpunkte der „Schlacht um Barano-
witschi" ihren Besitzer, die ganze erste Julihälfte wurde
hier mit Erbitterung gestritten. Aber der endliche Erfolg
blieb bei der schlesischen Landwehr. Nur im Nordteil des
etwa vierzig Kilometer breiten Angriffraumes durften die
Russen sich eines Erfolges rühmen: das war bei Skrobowa,
am Serwetschknie. Wirrnissen, daß am 9. November, noch vor
Eintritt des rauhen russischen Winters, dieser Erfolg durch
eine glänzende Waffentat der Brandenburger unter Führung
des Generals v. Woyna mehr als nur ausgeglichen wurde.
j ||
-x *. -
mPWRUt^
fm M
Einzug des Generalfeldmarschalls v. Mackensen in Bukarest an der Spitze deutscher und bulgarischer Truppen. Empfang durch die StadtvertreLung und andere Behörden aus der Calea VicLoriei.
Nach einer OriginalzeichniW von Ladislaus Tuszynski.
ii im in ..................................................................................
VI Band
Kämpfe miL russisch-kaukasischen Streifkorps (Tscherkessen) ln den Waldkarpachen nördlich des Prislop-Sattels
Nach einer Originalzeichnung von Professor Anton Hoffmann.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Etwa 20 Kilometer nördlich von Baranowitschi liegt
in hügeligem Gelände, sanft angeschmiegt an Hänge und in
Mulden, das kleine Städtchen Gorodischtsche, überragt von
seiner Steinkirche, die weithin die Gegend übersieht. Nur
wenige Häuser, wie die Synagoge, sind aus Stein errichtet,
im übrigen herrscht der leichte billige Holzbau vor. In
Morästen und Sümpfen westlich der Stadt entspringt der
Serwetsch, der dann durch versumpfte Täler und Niede-
rungen gen Osten sich hinzieht, um die Stadt herumgreift
und südlich der Städtchen Zirm und Kartschewo scharf aus
der Ostrich^ung nach Norden umbiegt. Dort befindet sich
das sogenannte „Serwetschknie". Gleich oberhalb der
Serwetschbiegung mündet die schmale Rinne des Skro-
bowabaches ein. An ihm liegt das Dorf Skrobowa, das
eigentlich aus zwei Teilen besteht, aus Dolnoje skrobowa
am westlichen und Eornyj Skrobowa am östlichen Ufer.
In den Wäldern und Sümpfen südwestlich des Dorfes
entspringt der Bach, dem schwere Kämpfe weltgeschicht-
lichen Namen gegeben haben Südöstlich von Gorodischtsche
strömt aus dem mächtigen Sumpfgebiet des Koldytschewo-
sees die Schtschara.
Am 2. und 3. Juli erfolgte hier im Raume zwischen
Serwetsch und Schtschara der russische Angriff gegen
Stellung wieder, so gut es eben nach schwacher Artillerie-
vorbereitung ging, und machten dabei über 1500 Mann
zu Gefangenen. Dann aber brauchte die über die Masten
angestrengte Truppe Ruhe. An anderen wichtigen Punkten
der Ostfront herrschte Leben und Bewegung, Skrobowa
wurde ganz vergessen. Bis da urplötzlich am 9. November
der dritte und letzte Mt des Spieles aufgeführt wurde, den
seine Leiter ganz in der Stille mit einer außerordentlichen
Gründlichkeit vorbereitet hatten. Von drei russischen
Regimentern an 50 Offiziere und 3400 Mann Gefangene,
36 Maschinengewehre und 16 Minenwerfer als Beute, das
war ein Abschluß schönster Art!
Das russische XXXV. Korps war in der Zwischenzeit im
Stellungausbau recht fleißig gewesen. Es hatte noch vor
die ehemalige erste österreichisch-ungarische Linie zwei
Stellungen gebaut und stark befestigt. Das erste Er-
fordernis war, durch Patrouillen- und Fliegertätigkeit dieses
ganze Stellungsystem aufs genaueste zu erkunden, um
jede mögliche Gegenwirkung vorzubereiten und theore-
tisch auszuprobieren. Die wochenlange Vorbereitung jedes
Mannes und jedes Verbandes führte zu dem schnellen
Erfolge, der den Angreifern selbst so wenig Opfer
fnftpfp 9Ttrt ü ^nnpmWr ftrnnh hpr <?»nrtpirhirm mi<x G?-
Von den türkischen Truppen in der Dobrudscha gefangene Russen auf dem Transport
österreichisch-ungarische Verbände, die dort seit geraumer
Zeit zwischen die deutschen Truppen eingeschoben waren.
Nach vielstündiger Artillerievorbereitung griffen die Russen
an. Sie gewannen eine beherrschende Stellung im Ser-
wetschknie, wurden aber von deutschen Reserven sofort
wieder geworfen. Dagegen gelang es ihnen in der ganzen
Skrobowalinie der Österreicher und Ungarn festen Fuß zu
fassen. Deutsche Reserven kamen erst spät und vermochten
nur noch den Gegner aus der dritten und zweiten Linie
wieder zu vertreiben. Die wichtige „Waldnase", eine Höhe
unmittelbar südlich des ' Serwetschknies, sowie die an-
schließende Kirchhofhöhe blieben dem Feinde, der nun auf
dem westlichen Skrobowaufer in den von den k. u. k Trup-
pen vorzüglich ausgebauten Stellungen festsaß und einen aus-
gezeichneten Einblick in das Gebiet der erheblich schlechter
führenden Gräben seiner Gegner bekommen hatte. Die Linie
war um 300 bis 800 Meter Tiefe zurückgedrückt. Sofort
versuchten die Russen die Einbeulung zum Durchbruch
auszugestalten. Aber die Brandenburger wiesen sie zurück,
ohne Gräben, m zu Kleinholz zerschossenen Wäldern, im
freien Felde. Am 4., 7. und 8. Juli kamen die Russen trotz
des verschwenderischsten Einsatzes von Munition und
Menschen um keinen Schritt mehr voran. Schon am
15. Juli holten die Brandenburger Teile der verlorenen
Bering
schützen und Minenwerfern los. Als gegen Mittag die
Sonne das Nebelgewölk bezwang, tummelten sich zahl-
reiche Flieger in den Lüften, teils um zu beobachten, teils
um durch Maschinengewehrfeuer aus nur 100 bis 200 Meter
Höhe neue Verwirrung in die feindlichen Linien zu tragen.
Auf etwa 4000 laufende Meter anzugreifender Gräben
sauste das Massenfeuer der schweren Minen. Die Artillerie
half das Zerstörungswerk vollenden und hielt das Hinter-
gelände, namentlich die erkannten Unterkunftsräume der
Reserven unter schwerem Feuer. Pünktlich um ein Uhr
setzte der Jnfanterieangriff der Sturmtruppen ein. Rach
vier Minuten war der erste feindliche Graben genommen.
Stellung auf Stellring wurde erstürmt, Trupp auf Trupp
ging vor und verbreiterte durch Handgranaten seine Er-
folge. Ein betonierter, festungsartiger Hauptpunkt der
feindlichen Stellung hielt sich noch kurze Zeit, fiel aber
dann durch Umfassung vom Rücken her. In einem einzigen
Stoße drangen die Brandenburger so durch, daß nach
einer Stunde das gesamte Angriffziel erreicht war. Und
das gegeir einen Feind, der nicht etwa feige floh, sondern
sich zähe und tapfer verteidigte. Mit Recht durfte der
deutsche Hauptquartierbericht andeuten, wem und welchen
Umständen der Erfolg zu danken ist: „Die Ursache des Erfolges
bei Skrobowa liegt in dem Geheimnis der Organisation
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
43
M. Sf. u. 5.
Generalfeldmarschall v. Mackensen mit seinem Stab bei einer Parade türkischer Truppen nach den siegreichen Kämpfen gegen die Rumänen.
und Gründlichkeit und in dem dadurch bis zuin Sieges-
bewußtsein gesteigerten Selbstvertrauen einer planmäßig
durchgebildeten, mit allen technischen Angriffsmitteln aus-
gerüsteten und unterstützten Sturmtruppe." So siegten die
Deutschen und ihre Verbündeten bei Skrobowa, so erklärt,
sich der Sieg bei Witoniz an der Höhe 192 am Oberlauf
des Stochod, so der schöne Sturm preußischer Garde an
der Narajowka. Der Tag von Skrobowa ist deshalb mehr
als nur ein Tagesereignis, er ist ein Kennzeichen für den
Geist und die Kraft der gesamten Ostfront der Mittelmächte.
Schwäbische Regimenter aus der Somme-
schlacht.
Von Kriegsberichterstatter Eugen Kaltschmidt.
I.
Als die Schlacht an der Somme begann, hatte eine
Württembergische Reservedivision den Abschnitt beiderseits
der Ancre besetzt. Mir ist die Kilometerzahl der Breite dieser
Stellung zwischen Eomnwcourt und Ovillers bekannt —
nennen darf ich sie nicht. Aber ich darf sagen, daß es nicht
viel überzeugendere Beispiele für die unüberwindliche Kraft
deutschen Widerstandes gegen eine ungeheure Übermacht
geben dürfte, als die Kämpfe dieser Schwabenregimenter.
Von den Tübingern, die
während der ersten Juli-
woche Ovillers behaup-
teten, habe ich schon er-
zählt (siehe Band V Seite
266). Jetzt kann ich von
zwei Schwesterregimen-
tern berichten, die bis in
die kritischen November-
tage hinein auf vorge-
schobenen Posten tapfer
ausgehalten haben.
Das achttägige Vor-
bereitungsfeuer der Eng-
länder zum ersten großen
Ansturm am 1. Juli er-
ging über den ganzen
Divisionsabschnitt. Als
der Angriff abgeschlagen
war, begnügten sich die
Engländer damit, diese
ganze Front unter Feuer
zu halten, und verlegten
ihreinfanteristischen Vor-
stöße weiter südwärts,
mit der Richtung von der
Somme aus nach Nor-
den. So gedachten sie
dieStellungen bei Thiep-
oal und an der Ancre zu
flankieren und von rück-
wärts gleichsam auszuhöhlen, denn für den Frontalangriff,
das merkten sie bald, waren diese Werke zu stark. Es war, so
versicherten mir die Offiziere, das persönliche Verdienst
des Divisionskommandeurs, der unermüdlich darauf drang»
daß in den langen Monaten des vorhergehenden Stellungs-
krieges die Gräben und Unterstände festungsartig ausgebaut
wurden. Ein Vierteljahr und länger haben die Engländer
gebraucht, bis sie die Gräben von Thiepval, die Schwaben-
und Staufenschanze mürbe geschossen hatten.
Die englischen Berichte über die Eroberung von Thiepval
sind dermaßen phantastisch ausgefallen, daß wenigstens die
gröbsten Behauptungen entkräftet werden müssen. Reuter
fabelte von deutschen Maschinengewehren und Minenwerfern,
die durch Aufzüge versenkt und gehoben wurden. Die „Times"
wußte von schauerlichen Tragödien in den Kellern und Kata-
komben des Schlosses, von tausend Gefangenen eines einzigen
Regiments bei der Erstürmung des Dorfes am 27. Septem-
ber zu berichten. — Das ist zum Teil glatter Unsinn, zum
Teil arg entstellt. Elektrisch betriebene Aufzüge hätte sich
wohl mancher Mann im vorderen Graben gewünscht, aber
vorderhand wurden zuverlässigere Einrichtungen für besser
gehalten. Das Regiment von Ovillers, das bei Thiepval
vom 23. Juli bis 30. September und teilweise bis 6. Ok-
tober eingesetzt war, hat von Katakomben nichts gemerkt.
Der Tchloßkeller, der schon im Frieden von einem Deutschen
militärisch ausgebaut
worden sein soll, gehörte
einenr Pariser Bankier
und war längst unbe-
wohnbar und durch
Sprengungen verschüt-
tet, als die Angriffe der
Engländer begannen.
Thiepval wurde von vier
Kompanien verteidigt,
die nach den fortwäh-
renden Angriffen längst
nicht mehr ihre volle Ge-
fechtstärke von etwa 800
Mannbesaßen. Wie viele
von ihnen dem Feinde
lebend in die Hände
fielen, wissen wir nicht,
aber 1000 Mann können
es kaum gewesen sein.
Das Reserveregiment,
das mit seinem Abschnitt
nordwestlich der Ancre
an die Thiepvalstellung
angrenzte, lag hier be-
reits vom Mai 1915 an,
mit ganz geringen Ab-
lösungen, bis zum 8. Sep-
tember 1916. Dann Ruhe
mit Schanzarbeit bis
Ende September. Am
General. Hilmi Pascha, der Führer der Türken in der Dobrudscha, und General
Toscheff, der Generalissimus der bulgarischen Truppen auf dieser Kampffront, auf
ihrem Gefechtftand vor Medgidia in der Dobrudscha.
44
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Bulgarische Batteriestellung an der Donau«
26. und 28. September von neuem an alter Stelle zu
Gegenangriffen vorgeführt, heftige Kämpfe um Feste
Schwaben und Staufen. Am 8. Oktober Ablösung und
Einsatz an ruhigerer Front.
Die gesteigerte Gefechtstätigkeit begann für das Regi-
ment, nach Abwehr des Juliangriffs, ungefähr vom 10. August
ab. Der Engländer legte von nun ab täglich auf einen
Kompanieabschnitt annähernd 2000 schwere Granaten und
400 schwere Minen; dazu Streufeuer von Schrapnellen.
Jeden Abend war das Hindernis weggefegt, aber in jeder
Nacht errichteten die Schwaben ihre spanischen Reiter aufs
neue. Die Gräben waren eingetrommelt, aber die Unter-
stände hielten aus, nur die Eingänge wurden verschüttet,
und beim Freilegen gab es Verluste. Doch her Mut war
ungebrochen.
Am 1. September begannen die Engländer ihr Hinder-
nis wegzuräumen. Das bedeutete Sturm. Am 3. morgens
sechs Uhr stiegen sie aus ihren Gräben, und gingen in ge-
drängten Kolonnen gegen den linken Flügel des Regiments
vor. Hier hatte das Feuer der schweren Kaliber verheerend
gewirkt, der rechte Flügel dagegen konnte seine Gräben
„ausfegen", so sauber erhalten waren sie. Den Kolonnen
voraus gingen die „bowbsrs", die Handgranatenwerfer.
Im Scheine der Leuchtkugeln, die die Dämmerung erhellten,
stürmte eine fünfzehnfache Übermacht gegen drei Kom-
panien des Regiments. Leute von drei englischen Brigaden
waren dabei. Vor dem deutschen Drahthindernis stauten
ste sich in Massen, bluteten sie schwer. Aber dann brachen
sie durch bis zum dritten Graben, wo als Reserve drei
Phot. Welt-Preß-Photo, Wien.
Einschiffen von deutschem schwerem Geschütz durch österreichisch-ungarische Pioniere an der Donau.
Maschinengewehre standen. Da machten sie halt. Denn
nun mußten sie wohl auch ihre Angriffsbefehle studieren.
Die sind bekanntlich sehr genau. Für jedes englische Ma-
schinengewehr, jeden Minenwerfer war der Platz im^deut-
schen -Graben festgelegt, und der Zielstreifen ebenso.
Aber die Schwaben sind nicht gewillt, den Feind ge-
währen zu lassen. Jetzt ist der Augenblick, wo der einzelne
Offizier, der einzelne Mann Mut und Entschlossenheit
beweisen kann. Da war ein Generalstäbler, Hauptmann
T., der sollte just in Urlaub fahren, als der Sturm ruchbar
wurde. Anstatt des Urlaubs erbat er sich eine Kompanie,
um im Kampf dabei zu sein. An der Spitze von 8 Mann
ging er vor, säuberte ein Grabenstück und eroberte 1 Ma-
schinengewehr. Im ersten Graben saßen die Engländer auf
einer Breite von 800 Metern; sie hatten sich abgeriegelt und
2 Maschinengewehre und einen Flasch enminenwerfer auf-
gestellt. Ein blutjunger Leutnant ging mit 7 Mann zum
Handgranatenangrifs vor und überwältigte 20 Mann Bedie-
nung. Die Engländer fühlten sich unsicher, gingen zurück und
setzten sich in Granatlöchern vor dem ersten Graben fest.
Von hinten her gingen neue Kolonnen zum Angriff über,
siebenmal, immer vergebens. Die Löcher füllen sich mit
Toten und Verwundeten, zu 4—5 Mann liegen sie beiein-
ander. Vor dem Abschnitt der Kompanie zählt man
350 Tote. Fünf Maschinengewehre hat der Feind verloren.
Nachmittags zwei Uhr ist die ganze Stellung wieder im
Besitz des Regiments, ohne daß es fremder Kräfte dazu
bedurft hätte. Dabei kam zeitweilig auf 40 Meter Graben
1 Mann als Besatzung (siehe auch das Bild Seite 48 oben).
Der deutsche Heeres-
bericht sprach an diesem
Tage von „einer Schlacht
größter Ausdehnung und
Erbitterung".
Vom 5. bis 8. Sep-
tember wurde das Regi-
ment abgelöst, hatte acht
Tage Ruhe, mußte dann
aber regelmäßig Kom-
panien vorschicken zum
Schanzen. Am 27. Sep-
tember fiel Thiepval.
Bereits am Tage vorher,
mitten in der blutigen
dreitägigen September-
schlacht der Engländer,
übernahm das 2. Batail-
lon wieder einen Ab-
schnitt und stürmte im
Gegenangriff mit einer
Kompanie die Feste
Staufen. Es war der Be-
ginn eines mehrtägigen
wilden Ringens um die
beiden Werke Staufen
und Schwaben. Bereits
am 28. hatte das Regi-
ment mittags wuchtige
englische Vorstöße gegen
die beiden Werke zu be-
stehen. In zwanzig Li-
nien hintereinander ging
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
45
der Gegner vor, die Bataillonsführer hoch zu Roh. Ein
zweistündiger Handgranatenkampf folgte. „Staufen" war
gehakten worden, „Schwaben" hatten die Engländer.
Nachts zum 29. ein neuer Angriff, mittags Trom-
melfeuer auf die vorgeschobenste Höhenstellung gegen
Thiepval, auf den „Autograben". Der Feind überrennt
die Besatzung und will uns in den Rücken fallen. Die
Leute schreien auf vor Wut und Schreck zugleich. „Schießet,
und schreiet nicht!" ruft der Kompanieführer streng. Das
Feuer prasselt, die Engländer springen zurück und richten
sich mit Maschinengewehren im Autograben ein. Sie
müssen heraus. Aber es fehlt an Handgranaten. Man
holt sie von hinten rasch heran, packt den Feind von zwei
Seiten, nimmt ihm 4 Maschinengewehre und 80 Karabiner
ab und jagt ihn zurück. Ein zusammengeschmolzener Zug
von 30 Mann hat an diesen beiden Tagen 5000 Hand-
granaten geworfen; der Zugführer allein 500 Stück. Der
Arm tat ihm ordentlich weh von der Arbeit.
Die Engländer standen nun 30 Meter entfernt im
auch auf seine Siedlungskolonien keine Anwendung findet,
so ist selbst der Nutzen, den es von seinen reichen Handels-
und Pflanzungskolonien zieht, für den Augenblick ein recht
geringer. Freilich unterscheidet sich dieser Teil des Welt-
reiches in einer Hinsicht sehr wesentlich von den bereits be-
handelten Dominions (siehe Seite 27 und 28). Diese kom-
men» wie wir sahen» in ganz besonderem Matze für die Aus-
fuhr des Mutterlandes in Betracht; sie nehmen in erster Linie
Waren des Mutterlandes auf und liefern ihm Lebensmittel,
während der einzige Rohstoff, den sie ihm in ungewöhnlich
großen Massen zuführen, in der Wolle besteht. Da nament-
lich Australien, Südafrika und Neuseeland, bis zu einem
gewissen Grade aber auch Kanada während des Friedens
zum großen Teile auf Großbritanniens Jndustrieerzeug-
nisse angewiesen sind, so ist klar, daß sie während des Krieges
den Rückgang der britischen Fabrikation auf das schwerste
empfinden müssen. Men erwäge doch nur, daß der Aus-
fall an englischen Waren, soweit er überhaupt gedeckt wird,
von Amerika und zum Teil wohl auch von Japan her aus-
Eine Eskadron des Pasewalker Kürassier-Regiments „Königin" nimmt
rumänische Kolonne bei Ciolanesti gefangen. S
Graben, wagten aber keinen entschiedenen Angriff mehr.
Durch ein heftiges zweistündiges Trommelfeuer aus schweren
Kalibern suchten sie den Autograben sturmreif zu schießen.
Es gelang ihnen nicht. Während der folgenden elf Tage
hielten sie Ruhe; ausgenommen östlich der Feste Staufen,
wo sie noch einen Versuch machten.
Am 7. und 8. Oktober konnte das Regiment seinen
Abschnitt der Ablösung übergeben. Es kann sich rühmen,
keinen Meter Boden seines zugewiesenen Gebietes ver-
loren zu haben. Bitt 2 Bataillonen hat es dem linken
Nachbarregiment beim blutigen Sturm auf die Feste
Schwaben kameradschaftlich geholfen. Die Verluste waren
nicht gering, aber die des Feindes steigerten sich ins Viel-
fache. Es waren Englands eigenste Söhne, die sich an der
harten Schwabenecke bei Thiepval die Köpfe einrannten.
Das britische Weltreich und der Krieg.
Von Professor Or. K. Dove.
II.
Wie das unendlich törichte Wort Ereys, der Krieg
werde England nicht mehr schädigen als die Neutralität,
am 28. November 1916 unter Führung des Rittmeisters v. Borcke eine
knch einer Originalzeichnung von M. Baraseudls.
geglichen wird, und man hat sofort eine weitere schwere
Schädigung, die das wirtschaftliche Leben des Kolonial-
reiches so gut wie Englands trifft und deren Folgen auch
mit dem Ende des Völkerringens nicht so schnell verschwinden
werden. Dieser Schaden macht sich selbstverständlich auch
in den tropischen Ländern geltend, soweit diese, wie Indien
und einzelne Teile von Westafrika, überhaupt größere
Mengen europäischer Waren beziehen.
Werfen wir zunächst einmal einen Blick auf die Menschen-
massen, über die England in den hierhergehörenden Ländern
des Reiches verfügt.
Im Vordergründe steht das Kaiserreich Indien. Mit
den 316 Millionen Menschen, welche die letzte Zählung
dort festgestellt hat, mit seinen üppig bewässerten Strom-
niederungen, denen freilich in: Westen und im Inneren
auch trockene Landschaften gegenüberstehen, scheint es eine
unerschöpfliche Quelle des Reichtums für feine Bewohner.
Und gerade dies alte Wunderland liefert den besten Beweis,
daß die Masse der Bewohner an und für sich weder Wohl-
stand noch Macht verbürgt. Für die Engländer ward es
allerdings zu einer wichtigen Ursache des Volkswohlstandes,
nicht aber für die ungezählten Scharen seiner eigenen Ein-
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b. H.
Generalleutnant Kühne,
siegreicher Heerführer in der Schlacht am Arges.
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b« H.
Geneval der Infanterie Kosch,
Führer der von Svistow vorgedrungenen Donauarmee.
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b. H.
Generalleutnant Kühne,
siegreicher Heerführer in der Schlacht am Arges.
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b« H.
Geneval der Infanterie Kosch,
fführer der von Svistow vorgedrungenen Donauarmee.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
wohner. Schon die vorher mitgeteilte Höhe des auf den
Kopf verrechneten Einfuhrwertes zeigt die geringe Kauf-
kraft der armen, ausgesogenen Bevölkerung. Ihr gegen-
über steht eine Unmenge hoher und mittlerer Beamter,
eine Fülle von Offizieren englischer Nation, deren sehr
reichlich bemessene Gehälter Und Pensionen alljährlich unge-
heure Summen in die Taschen der höheren Klassen briti-
scher Volksangehöriger fliesten machten.
Das indische Volk aber ist keineswegs der unerschöpf-
liche Menschenhaufen für die Rekrutierungen, der er nach
seiner Kopfzahl so manchem scheinen möchte. Mehr als
zwei Drittel, weit über 200 Millionen Menschen, kommen
als Bewohnet dex glühend heisten lieferen Landschaften
für Aushebungen in Europa verwendbarer Truppen über-
haupt kaum in Frage. Äuch die kräftigeren Stämme der
Hochländer und Steppen sowie der Grenzgebiete sind
sieben bis acht Monate lang auf den Kriegschauplätzen von
Mitteleuropa nicht gut zu gebrauchen, so daß der Wert
indischer Truppen, so sehr er uns im einzelnen Abbruch zu
tun vermag (stehe Bild Sette 48), für eine Kriegführung, die
die höchsten Anforderungen an den einzelnen stellt, min-
destens auf die Entscheidung der modernen Riesenschlachten
keinen allzu grohen Einfluh üben wird. Dazu kommt, dast
aus religiösen, politischen und sozialen Gründen die über-
wiegende Mehr-
zahl der Inder
einer zwangs-
weisen Massen-
aushebungwohl
einen wirk-
samen passiven
Widerstand ent-
gegensetzen
dürfte. — Aber
die Ausfuhr des
reichen Landes,
so wird man
sagen, sie kommt
doch sicherlich
dem Vereinig-
ten Königreich
im höchsten
Grade zustat-
ten? Gewiß ist
das der Fall,
und für die Be-
lieferung Eng-
lands ist Indien
ganz sicher im
Frieden ein
höchst wertvol-
ler Besitz. Aber
wir sind im
Kriege, und da ist von geringer Bedeutung, dast Groß-
britannien als der glückliche Besitzer der indischen Fruchtland-
schaften von hier aus den Teehandel der Welt beherrscht.
Auch die Baumwolle dieses Reiches nützt ihm wenig, denn
in dem Bezug des wichtigen Stoffes bleibt es doch zunächst
ganz auf Nordamerika angewiesen. Von besonderer Be-
deutung sind augenblicklich nur zwei Erzeugnisse, da sie für
die Erhaltung des Mutterlandes und seiner Verbündeten
in Betracht kommen: der-Reis der hinterindischen Niede-
rungen und der Weizen. Von diesem für die britische
Volksernährung unentbehrlichsten Brotgetreide erzielte das
Kaiserreich Indien in den letzten Jähren nach Schulte im
Hofes Berechnung einen Ausfuhrüberschuß, der noch nicht
einmal ein Viertel der gleichzeitig notwendigen Einfuhr des
Mutterlandes erreichte. Wenn, wie gerade im Jahre 1916,
eine schlechte Ernte in den Hauptweizenländern die britische
Volksernährung mit großen Schwierigkeiten bedroht, dürfte
die Zufuhr aus Indien schwerlich genügen, die englischen
Minister von dieser Sorge zu befreien. Zudem kann bei
der Bauart der meisten Dampfer für die Beförderung
von Weizen und Reis von dort nach England in erster
Linie nur die Fahrt durch den Suezkanal in Frage kommen.
Während dieser aber sind die Schiffe noch mehr durch
Unterseeboote gefährdet als auf der Reise von Amerika
nach Europa. Großen Nutzen wird demnach auch die in-
dische Kolonie dem britischen Staate im Kriege nicht
mehr bringen. Nach dem Kriege freilich ist sie mit ver-
doppeltem Wert in die Reihe der englischen Besitzungen
einzusetzen, da sie in ihrem wertvollsten Kapital, der Ar-
beitskraft des Menschen, die erlittenen Einbußen nur in
sehr geringem Grade spüren wird und sofort mit vollen
Kräften in die Ausnützung ihres reichen Bodens eintreten
kann, allerdings unter der Voraussetzung, daß das nötige
Kapital in diesem Lande dann noch vorhanden ist.
Dasselbe gilt eigentlich auch von den übrigen tropischen
Kolonien Großbritanniens. Sehr wenig bekannt dürfte
sein, daß ihr Hauptteil, die hauptsächlich in Afrika ge-
legenen Handels- und Pflanzungsgebiete, großenteils erst
in neuester Zeit erworben wurde. Von den rund 4700000
Quadratkilometern tropischer Länder, die England außer
Indien und Eehlon sein eigen nennt, find fast genau drei
Viertel erst nach dem Jahre 1884, als auch Deutschland
in dein großen Weltteil erschien, unter englische Herrschaft
gebracht worden. Diese Tatsache ist aber ungemein wichtig.
Denn sie erklärt uns einerseits die Unterschätzung, die
diese ganz jungen Kolonien bis auf den heutigen Tag selbst
in manchen englischen Kreisen erfahren haben. Sie sind
eben noch gn unentwickelt, um bereits ihrem wahren Werte
nach bekannt zu sein. Auf der anderen Seite lassen sie
abermals die kluge Voraussicht britischer Staatsinänner er-
fprmpii, hprpn ptnpr unmittelbar nach den Entdeckungen des
großen David
Livingstone die
Worte sprach:
„Afrika ist un-
ser zweites In-
dien." Hier
sicherten sie dem
Mutterlande in
der Tat ein völ-
ligneuesRiesen-
gebiet von der
vier- bis fünf-
fachen Ausdeh-
nung des Deut-
schen Reiches
für die Zukunft.
Denn das muß
festgestellt wer-
den, daß Eng-
land gar nicht
imstande ist,
wertvolle Ge-
biete von dieser
Ausdehnung in
absehbarer Zeit
allein von sich
aus zu entwik-
keln. Genau ge-
nommen haben
alle europäischen Völker, auch einige unserer Gegner, die wie
wir der Rohstoffe bedürfen, ein dringendes Interesse daran,
daß die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas schneller voran-
schreitet, als sie selbst England der Welt gewährleisten kann.
Gerade diese Teile des britischen Weltreichs, das mag
ganz besonders betont werden, haben als Lieferer wich-
tiger Rohstoffe, aber auch als Erzeuger von Nahrungs-
und Eenußmitteln eine hervorragende Bedeutung. Für
Großbritannien allerdings ist der tropische Teil seiner
kleineren Kolonien, soweit er sich längere Zeit unter Kultur
befindet, bisher vorwiegend als Zuckererzeuger von Wichtig-
keit gewesen, wozu sich in neuerer Zeit noch gewaltige
Mengen von Kakao gesellt haben. Aber diese Länder, be-
sonders die afrikanischen, vermögen neben Baumwolle»
Pflanzenfetten, Kautschuk, Kaffee, Tabak und Reis auch
Mengen tierischer Erzeugnisse, vor allem Fleisch und Leder
dem Welthandel zuzuführen und sie werden daneben noch
eine durchaus nicht zu unterschätzende Wichtigkeit als Ab-
nehmer europäischer Waren erlangen, denn gerade die
englischen Gebiete im tropischen Afrika sind zumeist von
zahlreichen und recht bildungsfähigen Schwarzen be-
wohnt. Man darf diese Eigenschaft namentlich der west-
afrikanischen Untertanen Englands nicht unterschätzen. Kam
doch auf jeden Bewohner der allerdings landwirtschaftlich
am weitesten vorgeschrittenen Eoldküste 1911 allein an ein-
geführten Waren für vierzig Mark, das heißt das Fünf-
fache des indischen Durchschnittswertes.
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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
Akt niedrigster
Räuberei, der un-
terdem Namendes
Burenkrieges noch
allgemein bekannt,
an gewissenloser
Selbstsucht nur von
dem jetzigen Ver-
halten des Jnsel-
volkesindenSchat-
ten gestellt wird.
Fassen wir das
Wesentliche unse-
rerBetrachlung zu-
sammen, so ergibt
sich, daß Groß-
britannien zunächst
noch von der Nah-
rungsmittel- und
Rohstoffzufuhr
auch aus anderen
als seinen eigenen
Gebieten in hohem
Grade abhängig
bleiben wird. Auch
eine nennenswerte
militärische Stär-
kung aus seinen
kolonialenTochter-
staaten erscheint
nach ihrem heu-
Fn einer Be-
ziehung freilich hat
England während
desKrieges nur ge-
ringen Nutzen von
seinen tropischen
Kolonien außer-
halb Indiens ge-
zogen. Militärisch
sind die Bewohner
dieser Länder von
weit geringerem
Wert als die Be-
wohner der fran-
zösischen Senegal-
gebiete oder gar
Nordwestafrikas,
wofür freilich ne-
ben den klimati-
fchen Einflüssen
auch die mangelnde
Ausbildung ver-
antwortlich zu ma-
chenist. Wirtschaft-
lich aber vermögen
gerade diese Län-
der, zumal die
westafrikanischen
und Uganda, nach
dem Ende des
Kampfes außer-
ordentlich zur Heilung der finanziellen Schädigungen Groß-
britanniens beizutragen.
Hierbei darf auch ein anderer Punkt nicht vergessen
werden. England beherrscht völlig die Erzeugung des für
den Handelsverkehr wichtigsten Metalls, des Goldes, denn
feine beiden Staatenkolonien Südafrika und Australien,
besonders das erste, erzeugen zusammen in neuester Zeit
mehr als die Hälfte der gesamten Goldausbeute der Erde.
Auch diese maßgebende Stellung ist, wie in so vielen Fällen,
dem Britenreiche nicht durch die natürlichen Vorzüge von
den Vorfahren überkommen und durch eigene Tüchtigkeit
erworbenen Besitzes zuteil geworden, sondern durch jenen
Nach der Frankfurter Zeitung.
tigen Bevölkerungsstande in den nächsten Iahten so gut
wie ausgeschlossen, gehört indessen in Jahrzehnten zu
den Möglichkeiten, mit denen man jschon heute rechnen
sollte. Das ganze Kolonialreich aber ist schon jetzt zu
groß, als daß England es ohne die Mitwirkung anderer
Völker mit der für die Eütererzeugung der Welt wünschens-
werten Schnelligkeit zu entwickeln vermöchte. Sollte dieses
gar noch — tfrt für Deutschland schlimmsten Falle — eine
weitere Vergrößerung erfahren, so würde England zürn
Schaden der Welt in der Lage sein, die Erzeugung einer
Reihe wichtigster Rohstoffe und Nahrungsmittel allein zu be-
herrschen. Ich betone nochmals ausdrücklich: zum Schaden
Di- Ubergangstelle der Armee Mackensen über die Donau und das Krtegsgebiet von Bukarest, nach Generalstabskarten bearbeitet
48
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
lelbst einzelner seiner heutigen Verbündeten. Wer allen
Ernstes von sich sagen darf, daß er das allgemeine Interesse
der Kulturvölker vertritt, der mutz auch den Wunsch hegen,
datz das britische Weltreich infolge des Krieges eine Ein-
schränkung erfährt, da sein Einflutz andernfalls trotz aller
heutigen Erschütterungen weit gefährlichere Grade er-
langen würde, als das bisher der Fall war.
Die Verluste desVierverbandes gegen Ende
des Jahres 1916.
Die Menschenverluste des Vierverbandes lassen sich nur
in bezug auf die Anzahl der Gefangenen genau bestimmen.
Sie beträgt in runden Zahlen 2 800 000 Mann. Davon
befinden sich in Deutschland mehr als 1 700 000 Mann mit
17 000 Offizieren. Österreich-Ungarn hat ungefähr 1 Million,
der Rest befindet sich in Bulgarien und der Türkei. Die
Anzahl der blutigen Verluste durch Tod und Verwundung ist
beträchtlich größer. Wir stützen uns hierbei auf die Er-
hebungen der „Studiengesellschaft für soziale Kriegsfragen"
in Kopenhagen, die mit aller möglichen Genauigkeit ge-
macht wurden. Natürlich bringt es der Krieg mit sich, datz
die Zahlen nur annähernd richtig sind, da auch die Verlust-
listen — Frankreich gibt
überhaupt keine heraus—
nicht die Gewähr völli-
ger Zuverlässigkeit bieten.
Nach diesen neutralen Er-
hebungen hat Rußland
heute rund 1500 000 Tote
und 4 Millionen Verwun-
dete aufzuweisen. In
Frankreich sind die ent-
sprechenden Zahlen
900 000 und 21/* Millio-
nen, in England 225000,
in Italien 110 000 und
250 000, in Serbien
110 000 und 150 000, in
Belgien 50 000 und
110 000, in Rumänien
werden sie zusammen
auf rund 250 000 ge-
schätzt. Die Gesamtzahl
aller Verluste übersteigt
demgemäß die 12. Mil-
lion bereits unr ein sehr
Beträchtliches. Am mei-
sten hat Nutzland gelitten;
verfügt allerdings auch
über die größte Volkszahl.
Der Verlust Frankreichs
dürfte am folgenschwer-
sten sein, angesichts des Bevölkerungs-
rückganges, den dieses Land schon im
Frieden aufzuweisen hatte. Neben
diesen ungeheuren Verlusten an Men-
schen (als Ergänzung diene, datz un-
gefähr 2 Millionen dauernd Invalide
vorhanden sein werden) kommen nun
die gewaltigen Einbußen an Land»
welche unsere Feinde bisher erleiden
mutzten, und denen nur sehr geringe
Verluste auf deutscher Seite gegen-
überstehen. Auch hier steht Rußland
an erster Stelle Der Eesamtverlust
Rußlands beträgt rund 280 000 Qua-
dratkilometer. In Serbien haben wir
87 000 Quadratkilometer in Händen.
In Rumänien haben wir bis zum
14. Dezember 65 000 Quadratkilometer
Land erobert. In Belgien ist der er-
oberte Besitz mit 29 000 Quadratkilo-
meter nicht verändert worden. Da-
gegen ist unser Besitz in Frankreich
durch die Sommeoffeiisive, der vorher
ungefähr 21000 Quadratkilometer be-
trug, im Verhältnis zu diesen großen
Zahlen ganz unerheblich verkleinert
worden. Wir können jetzt unseren fran-
zösischen Besitz in runden Zahlen mit 20 000 Quadratkilometer
berechnen^ In Montenegro haben wir noch 14 000 Quadrat-
kilometer Landes besetzt. Auf der anderen Seite haben wir
kaum eine Einbuße von 22000 Quadratkilometer zu verzeich-
nen, von denen 1000 Quadratkilometer auf das von den
Franzosen im Elsaß besetzte Gebiet und ungefähr 20—21000
Quadratkilometer auf das von den Russen in Galizien und der
Bukowina besetzte Land entfallen. Endlich sei noch der ge-
waltige Abgang an feindlichem Kriegsmaterial erwähnt, der
alle bisherigen Zahlen weit hinter sich läßt. Es ist dabei zu
berücksichtigen, datz die richtigen Zahlen überhaupt nicht fest-
gestellt werden können, da eine auch nicht annähernd zu bestim-
mende Zahl von Geschützen, Maschinengewehren und Ge-
wehren mit Munition sofort von unseren Truppen im Felde
in Gebrauch genommen worden ist und darum nicht mehr be-
rechnet werden kann. Nur die nach Deutschland zurückgeführte
Beute kann angegeben werden. Schon vor dem rumänischen
Kriege betrug sie weit über 11 000 Geschütze mit rund 5 Mil-
lionen Geschossen. Hierzu kamen noch 3500 Maschinengewehre,
über 1,5 Million Gewehre und Karabiner und rund 10 000Mu-
nitionsfahrzeuge. Durch den rumänischen Krieg wurde diese
Beute um rund 500 Geschütze, 500 Maschinengewehre und
eine ungeheure Anzahl von Munitionsfahrzeugen vermehrt.
Von den farbigen Engländern: Indische Soldaten mit einem Hokchkißmaschinengewehr an der Front von La Bass§e.
Rast eines Gefangenenkransporkes afrikanischer Jäger in der Abenddämmerung am Token Mann.
Nach einer Originalzeichnung des der Kronprinzenarmee zugeteMen Krtcgsmalcrs Joses Correggio.
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/1?
(Fortsetzung.)
Ein besonders denkwürdiger Tag im Verlaufe des großen
Völkerringens war der 12. Dezember 1916, an dem die
Mittelmächte und ihre Verbündeten mit einem Friedens-
angebot an ihre gemeinsamen Feinde herantraten. Durch
die Bekanntmachung eines Armeebefehls des Deutschen
Kaisers erhielt die Öffentlichkeit zuerst Kunde von dem
bedeutsamen Schritt, der in der Hoffnung, das furchtbare
Blutvergießen beendigen zu können, getan worden war.
„Ob das damit verbundene Ziel erreicht wird, bleibt dahin-
gestellt. Ihr habt weiterhin mit Gottes Hilfe dem Feinde
standzuhalten und ihn zu schlagen —" so hieß es in der
Kundgebung an die Truppen.
In der mit großer Spannung erwarteten Reichstag-
sitzung, die am Nachmittag des 12. Dezembers in Berlin
stattfand (siehe untenstehendes Bild), setzte der deutsche
Reichskanzler die Gründe auseinander, die die Verbündeten
veranlaßt hatten, ihren Feinden zu diesem Zeitpunkt Frie-
densverhandlungen vorzuschlagen, und gab den Wortlaut
der an die feindlichen Mächte gerichteten Note wie folgt
bekannt:
„Der furchtbarste Krieg, den die Geschichte je gesehen hat,
wütet seit bald zweieinhalb Jahren in einem großen Teil
der Welt. Diese Katastrophe, die das Band einer gemein-
samen tausendjährigen Zivilisation nicht hat aufhalten
können, trifft die Menschheit in ihren wertvollsten Errungen-
schaften. Sie droht den geistigen und materiellen Fort-
schritt, der den Stolz Europas zu Beginn des zwanzigsten
Jahrhunderts bildete, in Trümmer zu legen.
Deutschland und seine Verbündeten, Österreich-Ungarn,
Bulgarien und die Türkei, haben in diesem Kampfe ihre
unüberwindliche Kraft bewiesen. Sie haben über ihre an
Zahl und Kriegsmaterial überlegenen Gegner gewaltige
Erfolge errungen. Unersämtterlich halten ihre Linien den
immer wiederholten Angriffen der Heere ihrer Feinde stand.
Der jüngste Ansturm am Balkan ist schnell und siegreich
niedergeworfen worden. Die letzten Ereignisse beweisen,
daß auch eine weitere Fortdauer des Krieges ihre Wider-
standskraft nicht zu brechen vermag, daß vielmehr die Ge-
samtlage zu der Erwartung weiterer Erfolge berechtigt.
Zur Verteidigung ihres Daseins und ihrer nationalen
Entwicklungsfreiheit wurden die vier verbündeten Mächte
gezwungen, zu den Waffen zu greifen. Auch die Ruhmes-
taten ihrer Heere haben daran nichts geändert. Stets haben
sie an der Überzeugung festgehalten, daß ihre eigenen Rechte
und begründeten Ansprüche in keinem Widerspruch zu den
Rechten der anderen Nationen stehen. Sie gehen nicht
darauf aus, ihre Gegner zu zerschmettern oder zu vernichten.
Getragen von dem Bewußtsein ihrer militärischen und
wirtschaftlichen Kraft und bereit, den ihnen aufgezwuugenen
Kampf nötigenfalls bis zum Äußersten fortzusetzen, zugleich
aber von dem Wunsche beseelt, weiteres Blutvergießen zu
verhindern und den Greueln des Krieges ein Ende zu machen,
schlagen die vier verbündeten Mächte vor, alsbald in Frie-
densverhandlungen einzutreten.
Die Vorschläge, die sie zu diesen Verhandlungen mit-
bringen werden, und die darauf gerichtet sind, Dasein, Ehre
und Entwicklungsfreiheit ihrer Völker zu sichern, bilden nach
ihrer Überzeugung eine geeignete Grundlage für die Her-
stellung eines dauerhaften Friedens. Wenn trotz dieses
Anerbietens zum Frieden und Versöhnung der Kampf fort-
dauern sollte, so sind die vier verbündeten Mächte ent-
schlossen, ihn bis zum siegreichen Ende zu führen. Sie lehnen
Phyt. A. GrohZ, Berlin.
Der deutsche Reichskanzler v. Vethmann Hollweg verliest, das Friedensangebot der
Mittelmächte.
Die denkwürdige Reichstagsitzung am 12. Dezember 1916
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.
VI. Band. 7
50
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Alarmierung einer deutschen Sturmabteilung an der Somme.
aber feierlich jede Verantwortung vor der Menschheit und
der Geschichte ab."
Diese Note war am Vormittag den Vertretern derjenigen
Mächte, die die Rechte -der Deutschen in den feindlichen
Staaten wahrnehmen, also den Vertretern Spaniens, der
Vereinigten Staaten von Nordamerika und der Schweiz
mit der Bitte um Übermittlung an die feindlichen Mächte
übergeben worden. Das gleiche war in Wien, Konstantinopel
und Sofia geschehen. Die übrigen neutralen Staaten und
der Papst wurden ebenfalls von dem Schritte benachrichtigt.
Seine eindrucksvolle, mit großem Beifall aufgenommene
Rede schloß der Kanzler mit den Worten: „Wir wollen
furchtlos und aufrecht unsere Straße ziehen, zum Kampfe
entschlossen, zum Frieden bereit." —
Der Eindruck der Friedenskundgebung war groß, doch
nicht überall gleich. In der Presse aller Länder erhoben
sich Stimmen für und wider das Angebot. Am meisten
begrüßten die Neutralen den Schritt, weil auch sie unter
dem Kriege wesentlich zu leiden hatten und deshalb seine
baldige Beendigung wünschten. Nur in Amerika zeigte man
sich nicht durchweg erbaut von der in Aussicht stehenden
Wiederkehr friedlicher Zustände in Europa, weil dadurch
die Einnahmequellen für die Kriegsindustrie versiegen wür-
den. In den feindlichen Ländern herrschte die Friedens-
neigung wohl allgemein vor, aber die Kriegshetzer wollten
sie nicht aufkommen lassen. Selbst die verschiedenen Re-
gierungen waren geteilter Ansicht. In Frankreich eiferte
Briand gegen Verhandlungen, und in Italien sprach sich
Zu den außerordentlichen artilleristischen Anstrengungen der Franzosen und Engländer an der Sommefront: Der Verkehr auf einer Straße hinter
der Front. Nach einer französischen Darstellung.
V' . ■ * . .. V H WM
DU
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
51
Photothek,' Berlin.
Sonntno in einer Weise aus, die ihm im Notfall das Um-
fallen nach der einen oder anderen Seite ermöglichen sollte.
In schroffer Form lehnte der russische Minister des Äuße-
ren, Pokrowsky, den Vorschlag ab, und sein Kollege in
London, Lloyd George, behandelte die Angelegenheit unter
Berufung auf frühere Äußerungen Asquiths, die er zu den
seinigen machte, in gleicher Art. Er benutzte wieder die
alten Schlagworte: „vollständige Wiederherstellung", „völ-
lige Schadloshaltung" und „wirksame Garantien", und
wollte seiner giftsprühenden und von Verleumdungen
strotzenden Rede nach nicht eher ruhen, als bis der ge-
fürchtete „preußische Militarismus" vernichtet sei. So schien
dem im Interesse der Menschheit unternommenen Schritt
kein Erfolg beschieden zu sein. —
Indessen nahmen die Kämpfe an allen Fronten ihren
Fortgang. Auf dem westlichen Kriegschauplaß fanden in
der Zeit vom 5. bis zum 18. Dezember im Gebiet der
Somme Gefechte statt, die jedoch nicht mehr mit der
Erbitterung geführt wurden, die früheren Zusammenstößen
in diesem Abschnitt eigen war. Das schlechte Wetter, das
sich eingestellt hatte, mag zur Verringerung der Kampftätig-
keit mit beigetragen haben, hauptsächlich aber waren dar-
an die riesigen Verluste
schuld, die Engländer
und Franzosen bei ihren
Stürmen erlitten hatten.
Sie betrugen seit dem
1. Juli 1916 bei einenr
Einsatz von 226 Divisio-
nen bis Ende November
bei den Franzosen min-
destens 250000 Mann,
bei den Engländern
550000 Mann, insgesamt
also mindestens 800000
Mann. Sie übersteigen
demnach weit die von
unseren Feinden errech-
nete Zahl von 690 000
Mann deutscher Somme-
verluste, die in Wirklich-
keit unter einer halben
Million bleiben und wo-
bei zu bedenken ist, daß
etwa 76 °/o aller Ver-
wundeten in Deutschland
in verhältnismäßig kurzer
Zeit kampffähig wieder
zur Front abrücken. Fran-
zosen und Engländer
waren gezwungen, die
klaffenden Lücken neu zu
füllen, und verstärkten
gleichzeitig ihre Artillerie
ganz beträchtlich. Auf den
Straßen hinter der feindlichen Front herrschte daher lebhafter
Verkehr; reihenweise rollten dort Fuhrwerke aller Art nach
und von den Munitions- und Gerätesammelpunkten, von
wo immer neue Vorräte herbeigeschafft wurden (siehe Bild
Seite 50 unten). Mit Artillerie hofften die Gegner alles er-
reichen zu können, und deshalb waren sie unablässig bemüht,
durch mitunter heftige Beschießungen aus schweren Ge-
schützen die deutschen Stellungen zu zerstören. Oft genug
zeigte daneben der Feind an bestimmten Punkten auch wieder
Neigung zu Sturmangriffen, so daß die deutschen Truppen
häufig in ihren Unterkunstsräumen alarmiert wurden (siehe
Bild Seite 50 oben). So näherten sich in der Nacht zum 9. De-
zember starke Abteilungen australischer Regimenter nach
vielstündrgem starkem Artilleriefeuer den deutschen Linien
bei dem Bollwerk Le Transloy. Im Nahkampf wurden
sie Zurückgewiesen, wobei sie eine ganze Anzahl Gefangener
einbüßten (siehe Bild auf dieser Seite). Am nächsten Tage
kam es östlich von Eueudecourt zu ähnlichen Nachtkämpfen,
in denen die Deutschen ebenfalls Sieger blieben. Dann
folgten Tage, an denen das feindliche Eefchützfeuer ganz
erheblich gesteigert wurde; Jnfanterieangriffe ereigneten
sich jedoch nicht. —
Starker Geschützkampf herrschte auch an der Front des
Herzogs Albrecht von Württemberg während dieser Tage.
Im P p e r n b o g e n waren die Deutschen öfters die
Angreifer, und besonders am 15. Dezember stießen sie nach
starker Vorbereitung durch Artillerie bei Zillebeke bis in die
zweite englische Linie vor, aus der der Feind geflüchtet war.
Nicht minder lebhaft ging es an der Maasfront zu.
So brachen am 6. Dezember auf dem Westufer Abteilungen
des Infanterieregiments Nr 15 südwestlich von Malancourt
in die französischen Gräben ein und nahmen die Kuppe der
Höhe 304 in Besitz (siehe Bild Seite 53). Dabei wurden
5 Offiziere und 190 Mann gefangen. Am „Toten
Mann" kämpften deutsche Truppenteile erfolgreich und
brachten von einem Vorstoß in die feindlichen Linien 11 Ge-
fangene mit (siehe die Kunstbeilage). Diese Niederlage
suchten die Franzosen unter Aufwendung vieler Opfer wett-
zumachen, doch waren ihre Bemühungen regelmäßig umsonst.
Auf dem Ostufer der Maas entwickelten sich vom 12. De-
zember ab ebenfalls Kämpfe. Am 13. Dezember nach-
mittags nahm dort der Artilleriekampf bedeutend an Heftig-
keit zu, und abends setzten die Franzosen starke Infanterie-
massen zu immer neuen Stürmen an. Diese scheiterten
am Pfefferrücken schon im deutschen Abwehrfeuer, und auf
dem Südabhang der Feste Hardaumont bei Douaumont
konnten die Feinde im deutschen Zersiörungsfcuer ihre Ab-
In Kämpfen nördlich der Somme gefangene Australier.
sichten ebensowenig verwirklichen. Der Feind gab sein Vor-
haben aber noch nicht auf. Vom frühen Morgen des 15. De-
zembers trug er in jenem Gebiet wieder starke Angriffe
vor, die nach Aberwindung hartnäckiger Gegenwehr in der
Richtung auf Louvemont und Hardaumont Fortschritte
machten. Es gelang den Franzosen, die Deutschen aus
ihrer vordersten Stellung in eine zweite vorbereitete Linie
Talourücken—HöhennördlichvonLouvemont—Chambrettes-
Ferme — südlich von Bezonvaur, zurückzudrängen. Tags
darauf fanden neue schwere Kämpfe statt, in deren Ver-
laufe sich die Franzosen in Bezonvaur und dem Wald
westlich des Dorfes festsetzten. Nordwärts weitergeführte
Stöße brachen jedoch zusammen. —
Hier mögen auch die Unterkunftstätten Erwähnung finden,
die von den schwarzen Truppen der Franzosen in diesem
Abschnitt und an anderen Orten der Front errichtet worden
sind. Ganze Negerdörfer mit Erdhütten sind entstanden,
die vollkommen in der Art der Behausungen gebaut sind,
die von den Schwarzen in ihrer Heimat bewohnt werden
(siehe Bild Seite 52). Diese Hütten gewähren guten Schutz
gegen die Unbilden der Witterung. Bombensicher, wie jener
vorzüglich gebaute deutsche Unterstand an der Westfront,
den wir auf Seite 54 im Bilde wiedergeben, sind sie frei-
lich nicht. —
Aufs trefflichste unterstützt wurden die kämpfenden
52
Illustrierte Geschichte des Wcllkricgcs 1914/17.
Truppen auch wieder.-durch die deutschen Lu ft str e it-
k r ä f t e. In einem Bericht über die Ergebnisse der Luft-
kämpfe im Monat November wurde der deutsche Gesamt-
verlust auf 31 Flugzeuge beziffert. 'Dagegen verloren die
Feinde allein im Luftkampf 71 Flugzeuge, durch Abschutz
von der Erde aus 16 und 7 durch unfreiwillige Landungen,
im ganzen 94 Flugzeuge, von denen 42 in deutschen Besitz
gelangten und 52 hinter den feindlichen Linien abstürzten.
Unfreiwillige Landungen erfolgen dabei häufig. Sie sind
nicht immer eine Folge feindlicher Einwirkungen, sondern
nicht selten liegt ein Versagen des Motors zugrunde. In
solchen Fällen ereignet es sich dann mitunter, datz der
Führer die Herrschaft über das Flugzeug verliert und dieses
vorschriftswidrig verkehrt zur Erde kommt, wie jener auf
Seite 55 abgebildete Apparat auf einem der südöstlichen
Kriegschauplätze. —
Am 11. Dezember vollzog sich eine Umwandlung in den
französischen Oberbefehlsverhältnissen, die für die Krieg-
bisherige Generalresident von Marokko, General Liautey,
wurde Kriegsminister; an seine Stelle trat General Eouraud.
Im Seekrieg zeigten die Deutschen ihren alten Unter-
nehmungsgeist. Die Liste der versenkten Handelschiffe wurde
infolgedessen immer länger. Neben Torpedoschüssen ver-
ursachten auch Minen wieder den Untergang einiger Trup-
pentransportdampfer. Nach einer Meldung vom 2. Dezem-
ber wurde am 27. November in der Nähe von Malta der
vollbesetzte französische Transportdampfer „Kajnak", der sich
auf dem Wege nach Saloniki befand, versenkt. Der franzö-
sische Bericht darüber suchte glauben zu machen, datz das
Schiff ein Postdampfer gewesen sei und keine Truppen be-
fördert hätte. Ähnliche Behauptungen tauchten fast jedesmal
auf, wenn feindliche Schiffe verloren gingen; derartige Mel-
dungen wurden aber durch die Regelmätzigkeit ihrer Wieder-
kehr nicht glaubhafter.
Am 4. Dezember morgens erschienen deutsche Untersee-
boote auf einem weit entlegenen neuen Schauplatze, der
Pyor. Pre>je-Pyoto-Berlrtev, Jümui.
Ein von den deutschen Truppen bei Verdun erobertes Negerdorf. Erdhütten der Senegalneger.
- t Mch. r?
|i J <2-
führung im Westen besondere Bedeutung hatte. Der bis-
herige französische Oberbefehlshaber General Joffre, in den
die leitenden Kreise in Frankreich nicht mehr das rechte Ver-
trauen setzten, weil es ihm nicht gelungen war, die deutsche
Front zu durchbrechen, wurde seiner Stellung enthoben.
Er erhielt unter Verleihung des Titels eines Marschalls von
Frankreich das Präsidiunr des obersten Uberwachungsrates
der Verbündeten übertragen, das eine Erhöhung seiner Stel-
lung sein sollte, tatsächlich aber die Ausschaltung seines Ein-
flusses auf die weitere Führung des Krieges bedeutete.
Zu Joffres Nachfolger wurde General Nivelle (siehe
Bild Seite 56 oben) ernannt, der Held von Verdun, dem
große Entschlußkraft und rasches Handeln nachgerühmt
wurden. Er erhielt jedoch nicht den Oberbefehl über die ge-
säurte französische Streitmacht, sondern nur über die Ar-
meen im Norden und Nordosten, das heißt also in Frank-
reich. Die Kräfte im Osten, also Mazedonien, blieben
General Sarrail unterstellt., dessen Machtbefugnisse eine
wesentliche Erweiterung erfuhren, indem ihm selbständiges
Handeln auf jenem Kriegschauplatz zugebilligt wurde. — Der
für ihre Wirksamkeit von besonderer Bedeutung werden
konnte. Sie zeigten sich in Funchal, dem Haupthafen der
portugiesischen Insel Madeira, und griffen die dort liegenden
feindlichen Schiffe an (siehe Bild Seite 57). Torpediert wur-
den dabei von dem deutschen 14-Boot 38 (Kapitänleutnant
Valentiner) das französische Kanonenboot „Surprise", ein
bewaffneter französischer Transportdampfer und der be-
waffnete englische Handelsdampfer „Dacia". Auch das
O-Boot-Begleitschiff „Kangaroo", wahrscheinlich ein englisches
Torpedoboot, wurde vernichtet. Funchal und feine Hafbn-
anlagen wurden dann mit 50 Granaten beschossen, wobei
hauptsächlich die Station des englischen Unterseekabels als
Ziel diente. Der zweistündigen Beschießung fielen nach einer
portugiesischen Meldung auch 34 Menschen zum Opfer.
Wie feindliche Handelschiffe, namentlich die englischen,
immer noch versuchten, Unterseeboote zu rammen, selbst wenn
diese noch keinerlei feindliche Handlung vorgenommen hatten,
ergab sich wieder recht deutlich aus der am 9. Dezember
bekannt gewordenen Meldung eines deutschen D-Bootes.
Dieses Boot, das im Mittelmeere tätig war, versuchte
54
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Max Wipperling, Elberfeld.
Mächtiger bombensicherer deutscher Unterstand Ln einem französischen Walde.
der englische Passagierdaurpser „Caledonia", ein Schiff von
über 9009 Tonnen Wasserverdrängung, zu rammen, obwohl
er gar nicht angegriffen worden war. Das deutsche Fahr-
zeug konnte sich dem Rammstos; nur durch rasches Tauchen
gerade noch entziehen, nachdem es ihm vorher gelungen
war, einen Torpedo auf den Angreifer abzuschießen. Ganz
heil kam das ll-Boot freilich nicht davon, es erlitt Beschädi-
gungen am Periskop, die jedoch glücklicherweise unverzüglich
ausgebessert werden konnten. Als das Boot wieder auf-
tauchte, fand es von dem Dampfer selbst keine Spur mehr,
dagegen trieben auf dem Wasser eine ganze Anzahl voll be-
mannter Boote. Wie sich nachher herausstellte, waren es
Rettungsboote init den Überlebenden der „Caledonia", die
der Torpedo so schwer getroffen hatte, daß das Schiff inner-
halb kurzer Frist unterging. Die Deutschen sahen sich nun
die Geretteten etwas näher an und machten dabei einen
recht guten Fang. Sie entdeckten in den Booten den eng-
lischen Generalmajor Ravenshaw, einen Brigadeführer der
Salonikiarmee, der sich auf dem Wege nach England befand,
den Generalstabshauptmann Vickerman und den Kapitän
der „Caledonia" namens James Blaiki, die gefangen ge-
nommen wurden. Sehr erfreulich war die Festnahme des
Kapitäns, der nun einem deutschen Gericht zur Aburtei-
lung wegen seines heimtückischen Verhaltens übergeben
werden konnte.
Im Mittelmeer verloren die Franzosen infolge eines
Torpedoschusses das schon im Vorjahre einmal durch einer;
Torpedo schwer getroffene Linienschiff „Suffren". Es faßte
12 730 Tonnen und befand sich nach einer Pariser Meldung
auf dem Wege nach den: Orient. Ein anderes französisches
Linienschiff, zur Patriaklasse gehörig, wurde 55 Seemeilen
ostsüdöstlich von Malta am 12. Dezember durch ein deutsches
U-Boot stark beschädigt, nachdem Tags zuvor südöstlich der
Insel Pantellaria der 6027 Tonnen fassende bewaffnete
französische Transportdampfer „Maghellan" mit über
1000 Mann schwarzen und weißen Truppen an Bord ver-
senkt worden war. Die Patriaklasse besteht nur aus zwei
Schiffen: entweder war also die „Patria" selbst oder die
„Ropublique" das Opfer des einen Angriffes gewesen. Die
Schiffe haben eine Friedensbesatzung von 742 Mann, sind
mit vier 30,5-om-Eeschützen bewaffnet und verdrängen
14 200 Tonnen; sie stammen aus den Jahren 1902/03.
In der Zeit vom 28. November bis zum 8. Dezember
verursachten deutsche U-Boote auch an der französischen
Kanal- und Atlantikküste den Feinden wieder viel Schaden.
Sie versenkten dort eine Anzahl Kohlenschiffe mit Ladungen
von insgesamt 17 060
Tonnen und einen eng-
lischen Dampfer mit 6000
Tonnen Kriegsmaterial.
Von der Leistungs-
fähigkeit der deutschen
U-Boote bekommt man
einen Begriff aus der
Meldung über die Mitte
Dezember erfolgte Rück-
kehr eines solchen Fahr-
zeuges. Es war 55 Tage
unterwegs gewesen, ohne
einen Hafen anzulaufen
oder sonstwie Unterstütz-
ung empfangen zu ha-
ben. Diese hervorragende
Leistung, die der Mann-
schaft und dem Material
das beste Zeugnis aus-
stellte, war um so bemer-
kenswerter, als wieder-
holt gegen schwere See
anzukämpfen gewesen
war. Wenn man die
Summe der vielen Er-
folge der deutschen U-
Boote gegen feindliche
Schiffe zieht, versteht
man es sehr wohl, daß
die Engländer mit der
Tätigkeit ihrer mit so
großen Kosten geschaffe-
nen Kriegsflotte nicht
zufrieden waren. Die Gefahr, daß die Deutschen eines
Tages in der Lage sein würden, England mit Hilfe ihrer
Unterwasserfahrzeuge zu blockieren, schien den Engländern
immer nähergerückt.
Deutsche Torpedoboote stießen in der Nacht zum 9. De-
zember in die Hoofden, am Ausgange des Kanals zwischen
Holland und dem englischen Norfolk, vor. Dort hielten sie
den holländischen Dampfer „Caledonia" und den brasilia-
nischen Dampfer „Rio Pardo" an und brachten beide in
einen Hafen an der flandrischen Küste.
Selbst Angriffen mi5 der Luft waren feindliche Schiffe
ausgesetzt. An den Gestaden des Schwarzen Meeres er-
schienen am 16. Dezember deutsche Seeflugzeuge und be-
warfen im Hafen von Sulina liegende russische Fahrzeuge
mit Bomben. Ein zum Gegenangriff aufgestiegenes russi-
sches Flugboot wurde durch Maschinengewehrfeuer zum
Absturz gebracht.
Eine Schwächung seiner Kriegsmarine erfuhr Frankreich
auch durch seine Freunde, die Engländer. Infolge eines
„Versehens" versenkte der englische Transportdampfer
„Teviot" den französischen Torpedojäger „Patagan" durch
einen Rämmstoß, bei dem das Torpedoboot zusammen-
gequetscht und sein Kommandant erdrückt wurde. Englische
Torpedojäger konnten einen Teil der französischen Mann-
schaft in Sicherheit bringen. Die englische Regierung be-
eilte sich zwar, sich wegen des Vorfalls zu entschuldigen,
sie konnte ihn dadurch aber natürlich nicht aus der Welt
schaffen. —
Auf dem italienischen Kriegschauplaß schien es Anfang
Dezember, als ob es im Karstgebiet zu neuen Angriffen
kommen würde. Die Italiener eröffneten dort wiederholt
schweres Eeschützfeuer, ohne indes größere Jnfanterievorstöße
zu unternehmen. Am 7. Dezember war der Artilleriekampf
im Raum von Costagnavica besonders heftig. Die Öster-
reicher und Ungarn blieben die Antwort nicht schuldig.
Dabei spielten die 30,5-om-Mörser, die sich leicht abbauen
und wieder aufstellen lassen (siehe Bild Seite 56 unten),
eine hervorragende Rolle. Doch auch die k. u. k. Infanterie
verzichtete auf Angriffe, so daß über die Zeit bis zum 18. De-
zember nichts Wesentliches vom italienischen Kriegschauplatz
zu berichten ist. Diese verhältnismäßige Ruhe wurde be-
nutzt zur Vornahme von Befestigung-- und Sicherungs-
arbeiten aller Art. Es galt, Schützengräben und Unter-
stände auszubessern oder neu anzulegen und telephonische
Verbindungen der Kommandostellen mit vorgeschobenen
Beobachtungsposten herzustellen. Die Beobachter befanden
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
55
sich häufig genug auf schwer zu ersteigenden Bergen, und
es war keine Kleinigkeit, die Leitungen über die steilen Hänge
zu legen und sicher zu befestigen. Truppenverschiebungen,
in die auch deutsche Abteilungen einbezogen wurden (siehe
Bild Seite 69), fanden ebenfalls in geringerem Umfange
statt. Die Deutschen griffen vorerst allerdings nicht in die
Gefechte ein, sie beteiligten sich vielmehr mit an dem
Wach- und Vorpostendienst (siehe Bild Seite 58), der in
dem unübersichtlichen Gelände manche Schwierigkeit bot.
Sie hatten infolgedessen reichlich Gelegenheit, sich mit den
Eigentümlichkeiten des hochgelegenen Kampfgebietes ver-
traut zu machen.
Ein österreichisch-ungarisches Seeflugzeüggeschwader stat-
tete am 6. Dezember den Italienern wieder einen Be-
such ab. Es kreuzte über dem Flugplatz von Beligna und
den Sdobbabatterien an der küstenländischen Front und
warf Bomben ab, wobei drei Flugzeugschuppen Volltreffer
erhielten. Das Geschwader kehrte wohlbehalten an seinen
Ausgangspunkt zurück, obwohl es von den Italienern stark
beschossen worden war. —
In Mazedonien blieben die Ereignisse im Fluß. Die
Bulgaren und Deutschen, zu denen auch Türken in die
Verteidigungsfront auf dein linken Flügel getreten waren,
hatten sich gegen eine starke Übermacht des Völkergemisches
der Feinde zu verteidigen. Mit dem Fortschreiten der Vor-
gänge in Rumänien konnte jedoch ein Ausgleich der Kräfte
als nahe bevorstehend angenommen werden. Dieser Aus-
gleich hätte aber Sarrails Armee äußerst gefährlich wer-
den können, und deshalb bemühte er sich, seine Truppen
nach vorwärts in günstigere Stellungen zu bringen, in denen
sie Angriffen besser standhalten konnten. Zu Anfang De-
zember waren die Kämpfe, die sich im Anschluß an die
Einnahme von Monastir entwickelt hatten, noch nicht zum
Abschluß gekommen; sie richteten sich vorzugsweise gegen
den Raum von Eruniste, die Höhe 1212 und Makovo. Die
Mitte der feindlichen Armee übte einen Druck in der Rich-
tung auf Mogila aus und erschöpfte sich im ungünstigen
Sumpfgelände der Czerna in fortgesetzten erfolglosen Vor-
stößen. Am Wardar und ganz rechts an der Struma fanden
nur Plänkeleien statt.
In der Ebene von Monastir und im Czernabogen holte
sich Sarrail in ununterbrochenen Angriffen fast Tag für
Tag blutige Niederlagen. Einer der schwersten Vorstöße,
der ebensosehr die Entlastung der Rumänen wie die Ver-
besserung der eigenen Lage bezweckte, scheiterte am 26. No-
vember auf der ganzen Linie von Trnova, nordwestlich
Monastir, bis Makovo (siehe Bild Seite 60,61). Die Truppen
unter dem Befehl des Generals Otto v. Below (siehe Bild
Seite 62), die übrigens eine für die Verhältnisse auf jenem
Kriegschauplatz höchst zweckmäßige Ausrüstung erhalten
hatten (siehe Bild Seite 63), bereiteten dem Gegner eine
schwere Niederlage.
Die Namen Monastir, Eruniste und Czerna kehrten seit
Ende November in den Tagesberichten der Deutschen und
der Bulgaren bis in den
Dezember hinein als Ge-
fechtsorte immer wieder.
Und jedesmal erzählten
sie von schweren feind-
lichen Niederlagen. Wo
einmal ein Abhang, ein
Dorf, ein Graben ver-
loren ging, da gab es er-
bitterte Gegenstöße. So
warf das masurische In-
fanterieregiment Nr. 146
am 6. Dezember die Ser-
ben aus einer am Vor-
tage verlorenen Stellung
bei Trnova und machte
nach erbittertem Nah-
kampf 6 Offiziere und
50 Mann zu Gefangenen.
Großen Wert legten
die Serben auf den Besitz
Monastirs. Nach Schwei-
zer Meldungen beabsich-
tigten sie, in diese Stadt
ihre Regierung zu ver-
legen, um von dort aus
die Wiedererstehung des serbischen Königreiches beginnen
zu lassen. Die Stadt und ihre Umgebung lag aber noch
unter dem Geschützfeuer der Deutschen und Bulgaren. AIs
daher um die Mitte des Dezembers serbische Minister und
Abgeordnete sich in der Stadt aufhielten und die Zerstörungen
besichtigten, ereignete es sich, daß plötzlich die Granaten in
ihrer Nähe einschlugen. Zwei serbische Eeneralstabsoffiziere
wurden auf der Stelle getötet, ein Abgeordneter schwer
verletzt. Das Gebäude, das in der Nähe des Bahnhofs zu
besonderen Feierlichkeiten ausersehen war, wurde durch
eine Anzahl Volltreffer völlig niedergelegt.
Zur Sicherung des Nachschubes an Truppen, Nahrungs-
mitteln und Kriegsmaterial für die Verbündeten mußte in
den unwirtlichen Gebirgsgegenden Mazedoniens viel getan
werden. Für Kriegszwecke brauchbare Straßen waren selten
vorhanden, so daß sich der Verkehr nur auf schlechten
Wegen vollziehen mußte, die sich für schwere Gefährte
und stärkere Inanspruchnahme gar nicht eigneten. Es
blieb somit nichts anderes übrig, als die bestehenden
Straßen den Bedürfnissen anzupassen, indem man sie aus-
baute und verbesserte, oder indem man sie auch ganz neu
anlegte, denn nur so war es möglich, alles Nötige bis in
die Nähe der Kampflinie vorzubringen (siehe die Bilder
Seite 64). —
Gegen Griechenland trat der Vierverband weiterhin mit
der bekannten Unverschämtheit auf. Der französische Admiral
Fournet verlangte am 1. Dezember im Einverständnis mit
seiner Regierung von der griechischen Regierung nichts weni-
ger als die Auslieferung einer Anzahl Batterien leichter Ee-
birgsgeschütze und wollte Gewalt anwenden, als die Griechen
auf diese ungeheuerliche Zumutung nicht eingingen. Er ließ
Truppen landen und hoffte, mit Hilfe eines von Venizelisten
in Athen angezettelten Aufruhrs den König Und seine Re-
gierung einschüchtern und gefügig machen zu können. Das
sollte ihm aber nicht gelingen. Die königstreuen griechischen
Soldaten zeigten sich den gelandeten Abteilungen der Feinde
und den mit ihnen vereinigten Venizelisten gewachsen. Es
entwickelte sich um Athen und in seinen Straßen ein heftiges
Gefecht, in dem die Feinde schließlich zum Rückzug ge-
zwungen wurden und die Venizelisten vorzogen, sich zu
zerstreuen. Trotzdem gelang es, von letzteren viele gefangen
zu nehmen. Das kraftvolle Auftreten der Griechen ließ
ihre Peiniger doch vor der Durchführung ihrer Absichten
zurückschrecken; die Stellung des Königs schien bedeutend
gefestigt. Der Vierverband suchte nun die Griechen seinem
Willen geneigt zu machen, indem er die Blockade zunächst
noch mehr verschärfte. Aber schon um die Mitte des De-
zembers erging ein neues Ultimatum an Griechenland,
demzufolge die gesamte bewaffnete griechische Macht aus
Nordgriechenland nach dem Peloponnes überführt werden
sollte. Das war allerdings ein Mittel, die drohenden Ge-
fahren für Sarrails Heer abzuwenden, denn in Südgriechen-
land, auf dem Peloponnes, wären die Griechen so gut wie
interniert gewesen. «Fortsetzung sorgt.;
Notlandung eines österreichisch-ungarischen Flugzeuges.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
56
Illustrierte Kriegsberichte.
Schwäbische Regimenter
aus der Sommeschlacht.
Von Kriegsberichterstatter
Eugen Kalkschmidt.
II.
Die Fenster des französischen
Bauernhauses klirrten, der Eng-
länder war ärgerlich und funkte
irgendwo in der Nachbarschaft her-
um. Der Major und Regiments-
führer erfreute sich ungemein guter
Laune. „Jetzt sitzt man doch wie-
der über der Erde. Das lernt man
schätzen, wenn man solange im
dumpfen Loch drunten gewesen
ist. Die Luft! Na, ich danke! Der
Engländer wär dran schuld. Nicht
weit von meinem Gefechtstand war
nämlich ein gewisser Ort. Der
Engländer schloß aus dem ver-
dächtigen Verkehr in jener Gegend,
daß da unbedingt eine Beobachtung
von uns liegen müsse. Und nun
ging's los: 500—600 Schuß täglich.
Eine saubere Sache!"
Der Stab des Reserve-Infan-
terieregiments Nr. ... lag vom
23. Juni bis zum 7. November in
demselben Unterstand nördlich der
Ancre, im Raume Beaumont—
Serre. Das Regiment selber hatte
Phot. Berl. Jllustrat.--Ges. m. b. H.
Der französische General Nivelle, der Verteidiger Ver-
duns und Nachfolger Joffres im Oberbefehl an der
Westfront.
am Ablösungstage
sieben Monate Stellungsdienst an der Westfront hinter sich
und sollte nun Ruhe haben. Da fiel es dem Engländer
ein, am 13. November zu stürmen. Sofort mußte ein Ba-
taillon aufs neue vor als Divisionsreserve. Am anderen
Tage erfolgte das Einrücken in die Stellung, die bis zum
20. gehalten wurde.
Die Engländer eröffneten ihren Kampf am 1. Juli durch
eine gewaltige Sprengung: sie hatten einen Stollen von
350 Metern gegen Beaumont vorgetrieben und sprengten
die Kammer in 30 Meter Tiefe.
Der Trichter, der zum Glück etwas
zu kurzlag, maß 70 Meter im Durch-
messer und 15 Meter bis zum
Grunde. Er hatte also Platz für
ein stattliches Haus.
Dieselbe Beschießung wie auf
dem Nebenabschnitt setzte ein:
Trommel- und Wirkungsfeuer im
Wechiel, und ziemlich dick. So bis
zum 20. Juli dauerte das, dann
auffallende Ruhe, bis zum 10., 12.
September. Danach tägliche Feuer-
überfälle, ein bis zwei Stunden
lang. Das machte die Nerven
lebendig bei Offizieren und Mann-
schaften. Alles lag in beständiger
Bereitschaft. Doch der Engländer
wollte noch nicht. Erst schoß er
planmäßig alle Verbindungsgräben
in Trümmer, legte dann schweres
Feuer auf die zweite Stellung und
schoß sich langsam und vorsichtig
ein auf die deutschen Batterien und
Beobachtungstände. Darauf folgte
gründliches Trommelfeuer. Wieder
lag alles in angespannter Bereit-
schaft. Wann kommt er denn end-
lich heraus da drüben? Aber er
kam noch nicht. Er wurde un-
schlüssig, hielt sich drei, vier Tage
ganz ruhig. Ende September war's
geworden. Am 27., beim Angriff auf Thiepval, deckte er
das Regiment mit schwerem Feuer ein, um jede Unter-
stützung zu verhindern.
Anfang Oktober endlich wurde es klar, daß der Feind
Absichten auf den Dorfhügel von Serre hatte. Seine
schwere Artillerie legte ihr Feuer rechtwinklig und konzentrisch
auf diese ganze Stellung. Es war auch kein Zweifel mehr,
daß die Engländer minierten. Die Sandsackmauern wurden
groß und größer, die anscheinend so unschuldigen Erdhaufen
wuchsen immer verdächtiger. Das Regiment sicherte, so
Aufstellung eines österreichisch-ungarischen 30,3-cm-N7orsers.
Pbot. Kilopdot G. m. b. H., Wien.
VI Band.
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HZyMÄ'M-
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:^”v4^ ^9VH,
Englisches Unterseeboot-Begleitschiff „Kangaroo".
Französisches Kanonenboot „Surprise".
Vorstoß deutscher Tauchboote in den Hafen von Funchal auf Madeira am 4. Dezember 1916 morgens
Nach einer Originalzeichnung von Professor Willy Stöwer.
—
Photothek, Berlin.
Deutscher Soldat in den Alpen auf Vorposten,
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
gut es ging. Aber es hatte nicht viel Mannschaften zum
Minieren, die Arbeit schritt nur langsam vorwärts, trotz
redlichster Mühe der angestrengten Leute.
Im letzten Drittel des Oktobers gab es täglich eine
wahnsinnige Schießerei. Am 19. Oktober fünf Uhr dreißig
Minuten früh trommelte der Feind auf Beaumont: lauter
ganz schwere Zuckerhüte, 24—38 Zentimeter. „In meinem
ganzen Leben hab' ich so was nicht gehört," sagte der Major,
der doch schon allerhand in diesem Kriege gehört hatte.
Aber merkwürdig, als sich der Schwarm verlaufen hat,
sind die Schäden und Verluste lächerlich gering. Kein ein-
ziger Unterstand ist eingedrückt. Der gewachsene Kreide-
und Kalkstein hält. Das Trommelfeuer wiederholte sich
fortab täglich, und pünktlich auf die Minute: eine halbe
Stunde schwere, eine halbe kleine Granaten. Sie schossen
drüben nach der Uhr, nicht nach der Zahl der Munition.
Darauf kam es ihnen
absolut nicht an. Die
eine englische Division
hatte diese bestimmten
Gewohnheiten, die neue
wieder andere.
In den letzten Tagen
des Oktobers schien der
große Angriff sicher be-
vorzustehen. Aber es er-
folgte nichts. Die Unge-
wißheit blieb bestehen
bis zum 7. November.
An diesem Tage wurde
das Regiment heraus-
gezogen. Die Stellung
hatte vom schwerenFeuer
gelitten, die Gräben
waren verschwunden,
aber die Hindernisse wur-
den unermüdlich er-
neuert, die Unterstände
sind unverwüstlich. Die
neue Truppe wurde vor
der scheinbaren Ruhe des
Gegners gewarnt. Er
führte etwas Größeres
im Schilde, das fühlte
man.
Das Regiment hat
knapp sechs Tage Ruhe
zum Waschen, Putzen
und Flicken, da wird es
alarmiert. Am Abend
des 13. Novembers fährt
es auf Lastautos vor.
Gerücht: Beaumont sei
genommen! „Wir haben
es aber nicht geglaubt."
Eine Zwischenstellung
im alten Abschnitt ist so
rasch wie möglich zu be-
setzen; bei hellem Tage
geht das Bataillon am
14. nachmittagsvor,unter
dem Schutze der Flieger. Die Anmarschwege liegen unter
schwerem Feuer, feindliche Flieger und Ballone stehen
am Himmel —trotz alledem gelingt der Anmarsch glän-
zend, die Kompanien werden geschlossen eingesetzt. Der
linke Flügel des Abschnittes soll vor der Flankierung ge-
sichert werden.
Teile verschiedener Regimenter, erschöpftvonden Kämpfen
der beiden harten Tage, liegen vereinigt bei einem stark
bedrohten Stützpunkt. Die Kompanien schwärmen ein,
jedes Gewehr bleibt vorn. Die Schwaben kennen hier jeden
Schritt im Gelände. Nachts wird die neue Front auf-
genommen, das Regiment bildet in vorerst ziemlich dünn
besetzter Linie den Rückhalt für die Verteidigung der zweiten
Stellung, nachdem die erste dem übermächtigen Anprall
der Engländer nachgegeben hat. Wichtig ist jetzt, die
feindliche Erkundung zu verhindern, denn der Feind, auch
seine Artillerie> weiß nicht, wie unsere neue Linie verläuft.
Sofort gehen unsere Patrouillen vor, zahlreiche kleine
Nachtgefechte entspinnen sich.
Am nächsten Tage, dem 15., unternimmt der Feind
aus Beaumont heraus einen Angriff, der auf 100 Meter
erledigt wird; am 16. dasselbe Manöver, mit Handgranaten
wird er diesmal heimgejagt. Am 17. herrscht Ruhe vor
Jnfanterieangriffen, aber die Luft wird allmählich sehr dick.
Feindliche Flieger wagen sich bis auf 300 Meter über unsere
Stellung, fliegen sie ab bis in die sinkende Nacht. Alle diese
Nächte sind erbärmlich kalt._ Am Morgen sind die Leichen
im Gelände, die Tornister, die Hindernisse mit Reif bedeckt.
Man liegt unter freiem Himmel, eng aneinandergedrückt;
ein jeder sucht zu schlafen, wo und wie er kann. Verpflegung
kommt vor. Der verteilte Hartspiritus tat seine guten
Dienste, es gibt gewärmten Kaffee, Brot und Leberwurst.
Am 18. November gegen sieben Uhr früh beginnt ein
wildes Minenfeuer. Eine Viertelstunde später schreit alles:
„'raus, 'raus! Sie kommen!" Unter der Feuerglocke der ein-
fallenden Minen kom-
men sie im bleichen Licht
des Morgens daher,
khakibraun, in mehreren
Wellen, die Seitenge-
wehre aufgepflanzt. Das
Minenfeuer ist recht un-
angenehm, nur keine
Lücken im Graben, die
zu feindlichen Nestern
werden können! Holla,
es macht sich, die ersten
beiden Wellen fluten
aufgelöst zurück, auch die
„bowbeiL-weichen, aber
auf der Straße Beau-
court—Beaumont
schnauft ein neuer Feind
heran: ein großer„Tank",
eine gepanzerte Graben-
walze.
Der Oberleutnant
sagte: „Es war ein ur-
komisches Bild, dieses
fauchende plumpe Unge-
tüm, wie es da langsam
auf uns zukroch, von der
Straße abbog, sich stöh-
nend, pfeifend über Grä-
ben und Trichter wälzte
und dann, etwa 150
Meter vor unserem Gra-
ben, im Dreck steckenblieb.
Mit wilden Gestalten be-
malt,feuerte es aus seinen
Geschützen und Maschi-
nengewehren zwar sehr
freigebig, doch anschei-
nend wenig treffsicher.
Es kam aber nicht näher,
wendete vielmehr sehr
langsam und streckte den
Räderschwanz indieLuft,
der Motor rasselte und
fauchte; fast schien es
schneckengleich Fühlhörner über das nächste Hindernis vor-
zustrecken. Dann zog es dröhnend denselben Weg zurück,
den es gekommen war." — Der Unteroffizier meinte: „Wie
ä Rache het's ausg'sehe, un Hinte sin zwei breite Räder
gwä, wie bei ner Straßewalze."
Der Tank ist verschwunden, die Engländer auch; es gibt
etwas Ruhe und Aufatmen. Der Abschnitt ist gesichert.
Aber weiter links scheint etwas passiert zu sein. Da wandert
ein Trupp deutscher Soldaten waffenlos, geführt von etwa
zehn Engländern, anscheinend ohne Ziel zwischen unseren
Gräben dahin; voran ein langer englischer Offizier. Die
Schwaben, nicht faul, drehen sich um und schießen. Da
flüchtet der langbeinige John schleunigst zu den Deutschen
zurück und deckt sich. Es dauerte nur ein paar Minuten,
da waren die Rollen getauscht, die zehn Engländer entwaffnet
und die Deutschen, ein Trupp von 150 Mann, mit Ge-
wehren in die Gräben verteilt.
Solche Verirrungen waren nicht selten. Dabei ereignete
sich folgendes: Ein Engländer verläuft sich mit seinen beiden
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
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Gefangenen in die Nähe des deutschen Grabens, trifft zwei
andere Engländer, die auch Anschluß suchen, und als sie
ihren Irrtum merken, ist es zu spät. Die beiden anderen
Tommies wollen noch rasch den wehrlosen Deutschen den
Garaus machen, aber ihr richtiger Führer hält sie von dem
Morde ab. Solche Gemeinheit war immerhin vereinzelt
auf englischer Seite. Die Schwaben sagten ernsthaft: „Die
Leut wäre mit uns sehr nobel." Man verband sich gegen-
seitig, hals sich, wie man konnte. Ein solcher Fall: ein ver-
wundeter deutscher Unteroffizier führt mit einem Eng-
länder zusammen einen englischen Verwundeten nach
hinten, schimpft aber mörderlich: der Kerl wäre bloß zu
faul, um allein zu gehen. Den müsse man „oifach liege
lasse". Also grollend und fluchend stützte und schob er be-
hutsam den faulen Feind aus dem Schußbereich.
Der 19. November brachte mittags ein erhebliches Feuer,
das anhielt bis gegen vier Uhr. Es hatte geregnet, der
Schlamm war unergründlich. Werden sie da den Angriff
wagen? Wahrhaftig, kurz nach vier Uhr—unsere Leute trauen
ihren Augen nicht! — stapfen die Kerle schwerfällig durch
den Sumpf heran. Aber sie kommen nicht weit: von Split-
löchert heimgekommen ist. Der Russe schießt gar gut.
Die Löcher in den Tragflächen werden nun ehrenvolle
Narben sein; eben verklebt man sie.
In der Offiziersmesse des Barackenlagers sitzen die
jungen Herren beim Tee. Sie reden von den Freuden
Lembergs.
Wird heute geflogen? Ist noch nicht bestimmt. Der
Hauptmann prüft die Wetterlage.
Ich frage nach Oberleutnant Schindler, dem Sohn des
bekannten Geodäten Schindler.
„Grade er ist vor einer Woche bei Tarnopol abgeschossen
worden. Volltreffer einer Abwehrkanone in den Motor.
Das Flugzeug mußte im Eleitflug niedergehen. Im
Eleitflug noch hat Oberleutnant Schindler seine Maschinen-
munition verschossen und sich dann mit dem Karabiner bis
zur letzten Patrone verteidigt. Damit der Apparat Zeit
hatte, zu verbrennen."
„Und der Oberleutnant?"
„Ist verwundet. Ebenso sein Pilot. Die Russen wollten
beide lynchen. Doch ein russischer Flieger, der das Gescheh-
nis mit angesehen hatte, war neben ihnen gelandet und nahm
Photothek, Berun.
Ankunft deutscher Soldaten in einer österreichischen Ortschaft an der italienischen Front.
tern des englischen Granatfeuers getroffen, von unserem
Sperrfeuer gefaßt, schultern sie die Gewehre und machen
kehrt. Einer muß den anderen vor dem Versinken schützen.
Sie ziehen ihre Beine mit den Händen aus dem Morast.
Unsere Schwaben sehen es lachend: „Uns hat's bloß ge-
schlaucht, daß wir nicht besser hinterherpfeffern konnten!"
Bei uns war derselbe Urschlamm: mit Schippen und Stangen
müssen Kameraden aus der Versenkung heraufgeholt wer-
den; Tornister, Gewehre, Munition drohen ständig zu
versinken.
Endlich, am 20. und 21. November, wurde das Regiment
abgelöst. Am 23. besuchte ich die Truppe. Was tat sie?
Sie bereitete sich vor, in Stellung zu gehen!
Der Flugplatz.
Von Roda Roda.
Ein weites, leichtgewölbtes Blachfeld, am Rand zahl-
lose geteerte Baracken. Das ist das Heim der rten Flieger-
kompanie.
Der Hauptmann läßt einen der Schuppen öffnen, das
„Spital", und zeigt mir darin den jüngsten Patienten:
einen Apparat, der gestern von Schrapinlllugeln durch-
sie in Schutz. Wir hörten das alles von Gefangenen; gestern
hat ein Brief des Oberleutnants die Darstellung bestätigt."
„Wie? Es konnte ein Brief des Oberleutnants ein-
treffen? Nach einer Woche schon?"
„Ja. Russische Flieger haben den Brief bei uns ab-
geworfen."
Ich hätte gern noch mehr über den Oberleutnant ge-
wußt. Doch das Gespräch entschlüpft mir; es wendet sich
wieder Lemberg zu, und ich, der East, mag die Unter-
haltung nicht gewaltsam hemmen.
Tückische Wolken am Himmel — je schwärzer, desto
böiger. Es muß aber dringliche Arbeit geben, denn die
Mannschaft rollt zwei Apparate auf das Blachfeld, dem
Wind entgegen.
Wer fliegt heute? Das wird der Hauptmann erst an-
ordnen. Draußen trägt die Mannschaft Bomben nach den
Apparaten; „Mäuschen", kleine Kaliber, dann andere,
die so groß wie Mehlsäcke sind und fast wie die schweren
Skodamörser wirken; — Maschinengewehre, Patronen,
Kamera sind schon im Flugzeug verstaut.
Die Leutnante, die Kadetten hier im Zimmer necken
einander mit Geschichten aus dem Cafs Americain.
Da erscheint der Komnmndant und ruft zwei Herren
Schwere Niederlage der Armee Sarrail in der Monastirebene und in den Bergen des CernabogenMirch Scheitern eines großen Angriffs meist afrikanischer Truppen von Trnova (nordwestlich Monastir)
bis ilakvvo.
Nach einer Orig«n°kich.:ung von Max Tille.
62
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
auf. Sie gehen, immer noch lachend, ohne großen Ab-
schied.
Zwei Unteroffizierspiloten warten schon gerüstet am
Flugzeug. Der eine hat den Kopf verbunden; er ist gestern
leicht verwundet worden. Der Hauptmann klopft ihm auf
die Schulter und sagt gleichsam vorstellend: „Unser braver
Zugführer Magerl; hat sich selbst aus der Gefangenschaft
befreit."
Rasch ist auf der Karte die Aufgabe des Tages bezeichnet:
Weg, Gegenstände der Erkundung, Ziele des Bombarde-
ments. Die Beobachter schlüpfen in die Lederhosen, in
die Pelze, stülpen die Helme auf, nehmen ihre Plätze ein
hinter den Führern und ziehen die Strohstiefel über. Der
Propeller wird angeworfen und tobt. Noch sind die Räder
der Flugzeuge verkeilt; je zwei, drei Mann halten die
Schwänze der Apparate nieder. Das Gras hinten zittert
und wirbelt weithin im Luftzug. Die weißroten Wimpel
an den Tragflächen flattern.
„Freigeben!" rufen die Flugzeugführer; ohne Regung.
„Gut Land!" die Zuschauer; ohne Sentimentalität.
Ein Apparat nach dem an-
deren läuft an und schwebt da-
von. Man blickt ihnen mit rein
fachlichem Interesse nach, wie
sie so leicht und steil sich in den
Himmel heben. Mir allein unter so
vielen Näherbeteiligten bangt um
die vier jungen Menschenleben.
„Der erste Apparat," beginnt
der Hauptmann, „ist unsere
neueste Kampftype. Ein Dop-
peldecker, dem Fokker an Steig-
kraftebenbürtig, an Geschwindig-
keit überlegen. Österreichisches
Erzeugnis," betont der Haupt-
mann stolz. „Wir haben unlängst
aus diesem Flugzeug den Bahn-
hof von Tarnopol mit Bomben
belegt und einen Munitionszug
in die Luft gesprengt."
„Das andere Flugzeug?"
„Oh, das ist schon veraltet.
Vor drei Monaten erbaut. Dient
auch nur mehr zu kleineren Flü-
gen — Beobachtung der Artil-
leriewirkung. Eine sehr unan-
genehme Sache das übrigens, so
drei Stunden auf einem Fleck
zu kreisen; die Abwehrkanonen
des Gegners müssen einen da
endlich treffen. Das Flugzeug
gibt Signale an die Batterie."
„Wie steht's beim Gegner
mit dem Flugwesen?"
„Die Russen kommen selten,
ihre Motoren taugen nichts. Wir
wissen aus einem Brief, den ein
gefangener Offizier bei sich hatte, daß drüben jeder Flieger
einen Orden bekommt, wenn er nur dreißig Kilometer zu
uns dringt ... Wir fliegen tagtäglich hundertfünfzig Kilo-
meter. Ünd im Fliegerkampf? Als drüben noch Franzosen
flogen, war's gefährlicher für uns. Mich hat dieser Tage
ein russischer Farman verfolgt. Ich lasse ihn auf vierhundert
Meter nahekommen, dann schieße ich ihm mit dem Stutzen
eins zwischen die Tragflächen. Er war so verblüfft über
die Erplosion, daß er im Sturzflug verschwand. Sie gehen
gern zu ihren Truppen hinab; dahin kann man ihnen
nicht nach."
Am ergiebigsten für die Erkundung sind die Fliegerauf-
nahmen. Sie geschehen nicht immer mit der senkrecht ge-
richteten Kamera, darum muß man sie durch ein eigenes
Verfahren nachträglich „entzerren". Ist das aber geschehen,
dann greift man aus den Bildern wie auf der Karte Ent-
fernungen ab und mißt sie. Den Maßstab gibt der fest-
gestellte Stand des Höhenmessers zur Zeit der Aufnahme
an in Verbindung mit den Höhenziffern der Karte — ge-
nauer noch der Vergleich mit den entsprechenden hervor-
tretenden Punkten des Geländes. Es zeigt sich der Lupe
auf dem Bild jede kleinste Grabenzacke, jedes Schützenloch,
jedes Trainfuhrwerk. Frische Erdauswürfe heben sich weiß
Mit Genehmigung der Photographischen Gesellschaft in Berlin-Charlottenburg. P©Gr-
General der Infanterie Otto v. Below, der heldenmütige Er-
stürmer eines Berggipfels in Serbifch-Mazedonien, wurde zum
Chef des Jägerbataillons ernannt, an dessen Spitze er den
Sturm ausführte (siehe auch Seite 66).
Im Felde gezeichnet von Professor A. Busch.
ab, und das ist sehr wichtig — man kann das Fortschreiten
der russischen Erdarbeiten unmittelbar kontrollieren. Auf
den Bildern sieht man, wie tief und sorgfältig die Stellungen
ausgebaut sind.
Auch die Verwertung der Fliegererkundung mußte erst
im Krieg erlernt werden. Organisation ist da alles — ein
geregelter, übergreifender Nachrichtendienst, dessen Ergeb-
nisse in einer Zentralstelle gesammelt und bearbeitet werden.
Auf diese Art erhält man durch richtiges Lesen von Flieger-
aufnahmen zum Beispiel nach einer Woche schon einen
Fahrplan der Eisenbahnen hinter der russischen Front und
ist imstande, fahrplanmäßige Züge von außerordentlichen
Militärtransporten zu unterscheiden. Ebenso dankbar ist
die Überwachung des Trainverkehrs. Truppen können sich,
rechtzeitig gewarnt, vor dem Flieger verbergen; Trains
nicht. _ Wo aber Troß ist, müssen Truppen liegen.
Wie einst der Kavallerie neben der Aufklärung feind-
lichen Verhaltens auch die Verschleierung der eigenen
Truppenbewegung zufiel, so hat jetzt der Flieger, beson-
ders vor dem Gefecht, wenn Verschiebungen bevorstehen,
„Luftsperre" zu halten, das heißt,
feindliche Flugzeuge abzuwehren
und die Fesselballone des Fein-
des niederzuzwingen. Es gibt
neue und neueste Erfindungen,
die den Angriff auf Fesselballone
des Gegners sehr erleichtern.
Die Rüstung des Fliegers
vervollkommnet sich eben mit
jedem Tag. Aus Fliegerpfeilen
sind „Mäuschen" geworden, aus
ihnen Brisanzgeschosse von un-
geheurer Wirkung, mit Zündern,
die den Schützen vor vorzeitigen
Erplosionen sichern, anderseits
aber ein Blindgehen fast aus-
schließen. Was vorige Woche neu
im Fliegerwesen war, ist heute
überholt, die Höchstleistung von
gestern wird heute geschlagen.
— — Es war Abend gewor-
den. Ich atmete auf, als das
Telephon die glückliche Heim-
kehr der beiden ausgeschwärm-
ten Flieger voraussagte.
PraktischeErnährungs-
fragen im Kriege.
Von Geheiinrat Di-, Jsmar Boas
in Berlin.
I.
Wenn eine Hausfrau für eine
ausreichende Ernährung ihrer
Familienmitglieder sorgen will,
so hat sie die Aufgabe, Zahl
und Alter der Hausangehörigen zu berücksichtigen, die etwa
in ihrem Besitz befindlichen Vorräte abzuschätzen, die Preis-
lage der einzelnen Nahrungsmittel zu kennen und zuzu-
sehen, inwieweit die letztere in einem richtigen Verhältnis
zu ihrem Wirtschaftsgeld steht, endlich auch auf die Ge-
wohnheiten und Lieblingspeisen ihrer Angehörigen tun-
lichst Rücksicht zu nehmen. In diesen Bahnen pflegte
sich der Gedankengang einer tüchtigen deutschen Haus-
frau in der langen Friedenzeit, deren wir uns erfreuen
durften, zu bewegen. Jetzt, während der langdauernden
Kriegszeit, haben sich die Verhältnisse ganz gewaltig ver-
schoben. Die Hausfrau kann ihre Angehörigen nicht mehr
ernähren, wie sie will, sie kann auch die Markt- und
Preislage nicht mehr in dem früheren Umfange in Rech-
nung setzen, sie darf sich auch nicht mehr von Neigungen
und Abneigungen ihrer Angehörigen leiten lassen, sondern
muß dasjenige für den Hausbedarf einkaufen, was gerade
von käuflichen Lebensmitteln vorhanden ist, und kann es
nur in den Mengen, die ihr und ihren Familienmitglie-
dern Zugebilligt werden, erwerben. An die Stelle einer
freihändigen Mundversorgung ist also ein Kaufzwang quanti-
tativ begrenzter Lebensmittel getreten.
Wenn wir die Notwendigkeit solcher uns durch Eng-
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1014/17.
63
lands Aushungerungspolitik aufgezwungenen Maßnahmen
begreifen wollen, so müssen wir zunächst die Summe der
Nahrungsmittel kennen, mit denen uns der auswärtige
Handel in Friedensjahren versorgt hat. Aus den Er-
mittelungen,- die Dr. Schulte am Hofe in einer sorg-
fältigen Arbeit über die Versorgung Deutschlands mit
ausländischen Lebensmitteln angestellt hat, geht hervor,
daß uns im Jahre 1913 von pflanzlichen Nahrungsmitteln
30 874 000 Doppelzentner zugeführt wurden. Nach einer
vom Reichstagsabgeordneten Quessel aufgestellten Be-
rechnung fällt von dieser Zufuhr auf jede Haushaltung
(von fünf Personen) eine Menge von nicht weniger als
232 Kilogramm, auf die wir also in der Kriegszeit ver-
zichten müssen. Der wesentlichste Anteil davon betrifft das
Brotgetreide mit 64 Kilogramm auf jeden Haushalt. Von
Interesse ist, daß die Zufuhr von Nahrungsmitteln aus dem
Tierreich, die wir vom Auslande bezogen, erheblich ge-
ringer ist. Sie beträgt nur 5 485 100 Doppelzentner.
Hierin sind auch die Fette tierischen Ursprungs, sowie Milch-
und Molkereiprodukte und Eier enthalten.
Für das Verständnis unserer inländischen Fleisch-
erzeugung ist ferner die Tatsache von Bedeutung, daß wir
für diese auf einen sehr erheblichen Zuschuß ausländischer
Futtermittel ange-
wiesen sind. Er
beträgt nicht we-
niger als 7418272
Tonnen.
AusdiesenZah-
len geht in ein-
wandfreier Weise
hervor, in welchem
Umfange wir uns,
sollen wir den vor-
handenen Schwie-
rigkeiten nicht er-
liegen, den Ein-
schränkungen unse-
rer gesamten Le-
benshaltung an-
passen müssen.
Unsere Nah-
rungsversorgung
während der
Kriegszeit er-
scheint aber noch
kritischer, wenn
wir bedenken, daß
Millionen von
Soldaten, militä-
rischen Beamten
und Munitionsarbeitern in einer die Friedenszeit weit
übertreffenden Qualität und Menge ernährt werden müs-
sen, daß ferner Tausenden und Abertausenden von ver-
letzten und erkrankten Soldaten eine kräftige Nahrung zu-
geführt werden muß, daß weiter eine stetig wachsende Zahl
Gefangener mit ausreichenden Mengen von Lebensmitteln
versorgt werden müssen, daß endlich auch die Bewohner
der von uns besetzten Länder auf einen Nahrungsmittel-
zuschuß aus Deutschland angewiesen sind. Bei erheblich ge-
ringerem Import vom Ausland ist demnach die Zahl der
Konsumenten ganz erheblich gestiegen.
Diese Tatsachen könnten dazu führen, unsere gegen-
wärtige Ernährungslage in einem bedenklichen, wenn nicht
geradezu gefahrdrohenden Lichte erscheinen zu lassen. In-
dessen hat die Erfahrung gelehrt, daß mit Hilfe der Ratio-
nierung der Nahrungsmittel ein einigermaßen gangbarer
Weg gefunden worden ist, die Ernührungsschwierigkeiten
wenn auch nicht zum Schwinden zu bringen, so doch bis
zu einem immerhin erträglichen Grade herabzumindern.
Wir dürfen eben bei einem Vergleich der Kriegs- mit
der Friedenzeit nicht den wichtigen Gesichtspunkt außer
acht lassen, daß Deutschland und seine Verbündeten während
der letzten Jabrzehnte nicht etwa bloß den notwendigen,
sondern einen überreichen Import, einen Lurusimport auf-
zuweisen hatten. Die Kriegszeit hat gelehrt, daß wir mit
dem, was wir in unserem eigenen Lande zu produzieren
vermögen, soweit die Hauptvertreter der Volksnahrung
in Frage kommen, den Bedarf an Nahrungsmitteln zur
Not zu decken imstande sind.
Um der gewaltigen Umwälzung nuferer Nahrungs-
mittelversorgung Herr zu werden, mußten wir unsere
Ansprüche an gewohnte Lebensgenüsse allerdings sehr
herabsetzen. Waren wir früher Qualitätsesser, so mußten
wir in der Kriegszeit der Lurusküche entsagen. Das hat
sich für unsere Volksgesundheit im ganzen als Wohltat er-
wiesen und wird sich ohne Zweifel noch auf Jahre hinaus
in günstiger Weise geltend machen. Krankheiten wie Eicht,
Fettsucht, Nieren- und Leber-, Magen- und Darmstörungen
haben, soweit der einzelne ein Urteil darüber abzugeben
vermag, wesentlich abgenommen. Die einfache, reizlose
und müßige Kost, das Aufhören der zahllosen Festlichkeiten
mit ihren bis spät in die Nacht sich hinziehenden Gelagen
und Alkoholerzessen hat Tausenden von Menschen Kraft
und Gesundheit wiedergegeben, die sie früher in Kurorten
und Sanatorien vergeblich zu erreichen sich bemühten.
Wir waren aber in der Friedenzeit auch Quantitäts-
esser. Zahlreiche Statistiken haben ergeben, daß unser Fleisch-
konsum von Jahrzehnt zu Jahrzehnt steigende Zahlen auf-
wies, ja, daß unser Fleischverbrauch den aller anderen Kultur-
länder, England nicht ausgenommen, weit übertroffen hat.
Auch nach dieser Richtung hin hat die Kriegszeit aus
der Not eine Tugend gemacht. Sie hat uns gelehrt, daß wir
nicht bloß mit einer
einfachen Kost,son-
dern mit weit ge-
ringeren Mengen,
als wir früher ge-
glaubt hatten, un-
seren Nahrungsbe-
darf befriedigen
können. Aberängst-
liche Gemüter
glaubten aller-
dings in unserer
gegenwärtigen Er-
nührungsbeschrän-
kung das Gespenst
drohender Unter-
ernährung zu er-
blicken und befrag-
ten sorgenvoll all-
wöchentlich die
Wage. Aus dem
Nahrungsmangel
entwickelte sich all-
mählich eine Er-
nährungsangst.
Wie unberech-
tigt diese Angst ist,
ersehen wir am
besten aus den jetzt vorliegenden Sterblichkeitsergebnissen, in
welchen die Folgen der Ernährungschwierigkeiten am deut-
lichsten zum Ausdruck kommen müßten. Nach den amtlichen
statistischen Feststellungen starben auf 1000 Einwohner im
Jahre 1911:16,3; imJahre 1912:14,6; imJahre1913:14,0;
im Jahre 1914: 16,1; im Jahre 1915:19,7 und in den ersten
sechs Monaten 1916 (auf das ganze Jahr berechnet) 17,0 Per-
sonen. Die Erhebungen beziehen sich nur auf die Städte mit
15 000 und mehr Einwohnern, schließen aber sämtliche Militär-
personen, also insbesondere auch sämtliche Kriegsverluste ein.
Es folgt daraus, daß in den ersten sechs Monaten des
Jahres 1916 die Gesamtzahl der Gestorbenen nur um
0,7 auf Tausend größer war als im entsprechenden Zeit-
raum des Friedensjahres 1911. Von großem Interesse
für die Beurteilung unserer Ernährungslage ist ferner die
Säuglingsterblichkeit. Mit größter Regelmäßigkeit pflegt
dieselbe in Deutschland in den Sommermonaten Juni,
Juli, August ihren Höhepunkt zu erreichen, um dann schnell
wieder zu sinken. Von entscheidendem Einflüsse sind hier-
bei die in den Sommermonaten mit besonderer Heftigkeit
auftretenden Magen- und Darmkatarrhe der Kinder und
Säuglinge. Aberraschenderweise zeigt nun eine vergleichende
Statistik, daß die Ernährungschwierigkeiten, denen nicht zu-
letzt die Kinder unterworfen sind, keineswegs einen schäd-
lichen Einfluß auf die Säuglingsterblichkeit ausgeübt haben.
Es geht dies aus folgender Tabelle hervor:
Von hundert lebendgeborenen Kindern starben im ersten
Lebensjahre im Deutschen Reiche und zwar in Orten mit
15 000 und mehr Einwohnern:
Photothek, Berlitt.
Deutsche Soldaten in der neuen Tropenuniform vor einer Lehmhütte in Doiran am Doiransee.
Phot. A. Grohs, Berlin.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Deutsche Kolonne durchschreitet einen Gebirgsbach Ln den Babunabergen (Mazedonien).
im Mai
im Juni
im Juli
im August
1910 1911
14,4 13,5
17,6 14,6
17.6 25,3
21.6 49,1
Die Säuglingsterb-
lichkeit war also in die-
sem Jahre und zwar ge-
rade in der gefährlichen
Sommerzeit so gering
wie in keinem früheren
Jahre, insbesondere in
keinem der letzten Frie-
densjahre.
Man könnte aller-
dings den Einwand er-
heben , daß die Sterb-
lichkeitziffern zwar nicht
zugenommen haben,
wohl dagegen die Krank-
heitziffern. Was die
letzteren betrifft, so
stehen hier bekanntlich
dieJnfektionskrankheiten,
die in früheren Kriegen
durch Einschleppung auch
auf die Zivilbevölkerung
übergegriffen hatten und
unter dieser viele Op-
fer forderten, obenan.
In dein großen Welt-
kriege sind wir glück-
licherweise von Krank-
heitsepidemien, wie z. B.
Typhus, Cholera, Ruhr,
Pocken, dank unserer
vorzüglichen hygieni-
schen Einrichtungen vor
und hinter der Front,
vollkommen verschont
geblieben. Ebenso kann
von einer Anhäufung
chronischer Krankheiten
nicht die Rede sein.
1912
13.5
13.6
18,1
19,9
1913
13,3
13,7
14,2
15,9
1914
12,1
12.7
18,6
26.8
1916
12,2
11,2
12,6
14,9
Plioi. A. lÄroh?. BerUn.
Ein deutsches Auto auf halber Höhe des Babunapasses (Mazedonien).
Im Vordergründe ein deutscher Soldat, der mit der eingeborenen Bevölkerung beim
Zerkleinern des Stiatzeupflasiers beschäftigt ist.
Die genannten günstigen Ergebnisse der Kriegsernäh-
rung bilden eine der größten Überraschungen. Wer hätte
wohl je vorausahnen können, daß wir mit einem Defizit
eines Drittels unserer Nahrungsmitteleinfuhr unseren Be-
darf derart decken würden, daß eine gefahrvolle Notlage
verhütet werden konnte?
Es ist von großem In-
teresse, dieser Frage
vom ärztlich-wissen-
schaftlichen Standpunkte
aus näher zu treten.
Es ist allgemein be-
kannt, daß der Haupt-
kräger der Kraft und
Leistungsfähigkeit das
pflanzliche und tierische
Eiweiß ist.
Während die anderen
Nährstoffe, Fette und
Kohlehydrate einander
in ausgedehntem Maße
vertreten können, wäh-
rend ferner das eine
oder das andere ohne
jeden Schaden wesent-
lich vermindert werden
kann, ist dagegen die
Herabsetzung des Eiwei-
ßes in unserer Nahrung
nur bis zu einem ge-
wissen Grade möglich,
wenn nichtrecht verhäng-
nisvolle Zustände voll
Schwäche und Blutarmut
die Folge der Einschrän-
kung sein sollen. Der
springende Punkt hierbei
ist demnach die sehr wich-
tige Frage: Mit wie
wenig Eiweiß können
wir denn, wenn es die
Not uns gebietet, über-
haupt noch auskommen?
Fortsetzung folgt.)
Bulgarische Truppen setzen in der Nacht auf den 10. Dezember 1916 im Schutze der Dunkelheit zwischen Tutrakan und Cernavoda über die Donau.
Infolge dieses kühnen Unternehmens wurden die gegenüber Cernavoda liegenden russischen und rumänischen Truppen gezwungen, ihre mächtig ausgebauten Stellungen zu räumen und Ln überstürzter Weise
den Rückzug anzutreten.
Nach einer Originalzeichnung von Max Tilke.
.
: ■
' -
-
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17
(Fortsetzung.)
An der Ostfront (siehe die Bilder Seite 67) kam es
in der Zeit vom 11. Dezember bis Weihnachten 1916 sehr
häufig zu lebhaften Gefechten, die zum Teil größeren Um-
fang annahmen.
Im Abschnitt des Generalfeldmarschalls Prinzen Leo-
pold von Bayern gingen am 14. Dezember nördlich der
Bahn Zloczow— Tarnopol die Deutschen zu einem kräftigen
Angriffstos; vor, um eine geroaltsaine Erkundung auszu-
führen. Das Unternehmen gelang überaus gut; die An-
greifer fügten den Feinden schwere blutige Verluste zu und
machten in den Gräben etwa 90 Gefangene. Am nächsten
Tage traten die Österreicher und Ungarn weiter nördlich,
westlich von Luck, mit einer ähnlichen Unternehmung her-
vor. Sappeure und Pioniere hatten dort eine umfang-
reiche Sprengung vorgenommen, an die sich ein Überfall
der feindlichen Linien anschloß. Sprengung und Überfall
krönte ein voller Erfolg. In den Gräben wurden viele
Geräte erbeutet, die Stellungen fielen gründlicher Zer-
störung anheim und eine ganze Anzahl Feinde geriet in
Gefangenschaft. Bei Augustowka ließen sich die Russen
mehrmals in Kämpfe mit k. u. k. Jägern ein, ohne jedoch
Vorteile erringen zu können.
Uber die Bedeutung und den Umfang dieser kleineren
Gefechte ging ein am 16. Dezember angesetzter Angriff
deutscher Truppen weit hinaus. Nördlich der Bahn Ko-
wel—Luck stürmte das brandenburgische Reserveregiment
Nr. 52 die russischen Stellungen in einer Breite von
600 Metern. Der glänzend angelegte Vorstoß kostete den
Feinden außer hohen Einbußen an Toten und Verwun-
deten über 300 Gefangene (siehe Bild auf dieser Seite), dar-
unter 6 Offiziere; eine ganze Anzahl Maschinengewehre
und Minenwerfer sielen den Siegern außerdem in die
Hände. Die Russen unternahmen sofort zahlreiche Wieder-
eroberungsversuche und trachteten vor allem danach, die
bei Bol. Porst verlorenen Gräben zurückzugewinnen, doch
prallten ihre verzweifelten Angriffe an dem Widerstand der
wackeren Verteidiger ab. Auch bei Augustowka, südlich von
Zborow, erzielten sie gegen Österreicher und Ungarn keinerlei
Erfolg, und bei Jllurt wurden sie mit starken Verlusten
abgewiesen. Am 18. Dezember schwoll das russische Ar-
tilleriefeuer südlich des Naroczsees und südlich der Bahn
Tarnopol—Zloczow beträchtlich an, doch erst nach einigen
Tagen ging die feindliche Infanterie zu Angriffen über.
Zwischen Dünaburg und dem Naroczsee steigerte sich der
Eeschützkampf ebenfalls, und nordöstlich von Eoduzischki
sowie nördlich des Dryswjatysees versuchten starke russische
Abteilungen die vermutete Wirkung des Feuers auszunützen.
Sie mußten sich aber sehr zu ihrem Schaden davon über-
zeugen, daß die deutschen Stellungen noch keineswegs er-
schüttert waren. Am Stochod traten die Russen als An-
greifer gegen deutsche Landwehr auf, die sich dort nördlich
von Helenin in rastloser Kleinarbeit einige Stellungsvorteile
erzwungen hatte. Alle ihre Bemühungen schlugen fehl.
Auch südöstlich von Riga stießen zwei russische Kompanien
vergeblich vor. Dagegen hatten die Deutschen nordwestlich
von Zalocze wieder Erfolg. Ihre Stoßtruppen drangen tief
in die beiden vorderen russischen Linien ein, bahnten sich
den Weg in das Dorf Zwyzyn, sprengten vier feindliche
Minenwerfer und kehrten mit 34 Gefangenen und 2 er-
beuteten Maschinengewehren in ihre Stellung zurück.
Die Hauptanstrengungen der Russen erfolgten mehr im
südlichen Teile der Front, namentlich im Befehlsbereich des
Erzherzogs Joseph, dem auch die Heeresgruppen der General-
obersten Kövesz und Arz unterstanden. Die russische Heeres-
leitung hatte allmählich zwei der Brussilowschen Angriffs-
armeen, die achte und die neunte, in der Moldau zusammen-
Russische Gefangene am Lagerfeuer.
Nach einer Originalzeichnung von Professor Karl Storch.
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 bv Union Deutsche Vcrlagsgesellschast in Stuttgart.
VI. Band. 9
66
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
gezogen und in den Waldkarpathen und den transsylvanifchen
Alpen zürn Angriff angesetzt. Im zweiten Drittel des Dezem-
bers fiel die Hauptaufgabe der russischen achten Armee unter
General Kaledin zu, dem sich südlich, Arz gegenüber, die
Armee Letschihky anschloß. General Kaledin sollte in den
Waldkarpathen die Österreicher und Ungarn unter Kövesz
über die für sie sehr wichtige Linie Dorna Watra-Prislop-
sattel hinausdrängen. Sein Angriff erfolgte dement-
sprechend ron Osten gegen Dorna Watra, ferner beider-
seits der von Kimpolung nach Jakobeny führenden Straße,
dann in der Richtung auf Kirlibaba (siehe Bild Seite 70),
endlich über Gura Rucada und Cretela unmittelbar gegen
den Prislopsattel.
Südlich davon, beiderseits des Negratals, ließ Kaledin zu
sehr heftigen Scheinangriffen schreiten, um dorthin die öster-
reichisch-ungarischen Hauptkräfte zu locken, außerdem sollte
Letschitzky in der Moldau möglichst viel feindliche Truppen
auf sich ziehen. Im Norden versuchte er auch beider-
seits der Goldenen Bistritz seine Gegner durch ungestüme
Vorstöße in Gefahr zu bringen. Ein schweres Trommel-
feuer vom Bayernberg nördlich Dorna Watra bis zum
Mestecanesci leitete den Kampf ein. Die Verteidiger saßen
währenddessen dichtgedrängt in den Unterständen, ließen,
ohne zu verzagen, die Gewalt des Feuers über sich hin-
brausen und erwarteten gefaßt die russischen Vorstöße.
Kurz ehe diese ausgeführt wurden, belegten die Russen die
gegnerischen Stellungen in der Regel noch mit dichten Lagen
von Chlorgasgranaten. Wenn der süßliche Geruch des Gases
sich bemerkbar machte, setzten die Verteidiger der beschossenen
Gräben ihre Gasmasken auf und schützten sich so gegen
Vergiftung. Roch während die letzten Granaten die Luft
durchschnitten, begannen die russischen Schwarmlinien sich
durch die Ausfalltore ihrer Drahtverhaue zu winden. An-
fänglich zögernd im deutschen Sperrfeuer, kamen die russi-
schen Infanteristen in eine raschere Gangart, wenn ihre
Offiziere und Unteroffiziere auf sie mit Peitschen und
Stöcken loszuprügeln begannen und die eigenen Maschinen-
gewehre mit ihren Kugeln den Mut der Stürmenden zu
heben bestrebt waren. Es ist begreiflich, daß die Russen
auf diese Weise erschreckend hohe Verluste erlitten und doch
die gewünschten Ergebnisse nicht erzielten. Ihre Aufgabe
war um so schwerer, als sie die Stürme gewöhnlich bergauf
ausführen mußten. Die Handgranaten der Verteidiger
räumten dann fürchterlich unter den Angreifern auf.
In dieser Art verliefen die meisten Kämpfe in jener
Bergwelt. Was hier von den Russen ins Treffen geführt
wurde, waren die letzten zusammengerafften und notdürftig
ergänzten Kräfte ihrer stärksten Angriffsarmee. Mit ihr
hatte Brussilow im Sommer die österreichisch-ungarischen
Linien einige Zeit bedenklich ins Wanken gebracht. In den
erbitterten Schlachten des Herbstes war seine stattliche Armee
aber an dem Widerstand der Deutschen und der neu-
belebten Kraft der Österreicher und Ungarn zusammen-
gebrochen und sie zerschellte zum Teil auch im Kampf mit den
Türken an der Narajowka. Die zersplitterten Einheiten, die
namentlich durch turkestanische Truppen aufgefüllt worden
waren, reichten trotz aller Kühnheit der russischen Führer
und der von ihnen gebrachten rücksichtslosen Öpfer nicht
mehr aus, die Verbündeten aus ihren Stellungen zu ver-
drängen und dadurch Falkenhayn und Mackensen an der
Durchführung ihrer Pläne zu hindern.
Trotzdem spannten die Russen in den Tagen um den
12. Dezember hier wieder alle ihre Kräfte an. Ihr Artil-
leriefeuer übertraf an Heftigkeit noch jenes vom 28. No-
vember, als hier ihr erster nachdrücklicher Entlastungsvorstoß
angesetzt wurde. Das ganze linke Ufer der Goldenen
Bistritz war zwischen Czekanestie und dem Bernarielul, dem
Bayernberg, ein Flammensaum. Auf letzterem hatten sich
bayerische Bataillone zwei Monate hindurch gegen mehr
als zehnfache russische Übermacht mit unerschütterlicher
Tapferkeit gewehrt. Jetzt hielten den Berg österreichisch-
ungarische Bataillone mit der gleichen Zähigkeit. Vor
ihm, auf der Paßhöhe Mestecanesci und auf der zwischen
beiden liegenden Höhe 1295, breiteten sich weite Leichen-
felder, deren Grauen kein Schnee mehr deckte. Drei Tage
und drei Nächte rannten die Russen fast ohne Unter-
brechung gegen die Höhe über Jakobeny und Czekanestie
an. Sie konnten keinen Schritt Gelände gewinnen. Bei
Kirlibaba hatten Jäger und Grenadiere eine Stellung be-
setzt. Darüber aber lagen noch die Russen, die plötzlich
Fässer niederrollen ließen, die mit Sprengstoffen gefüllt
waren. Im Niederkollern stießen die Fässer gegen die
Hindernisse vor den Stellungen der Verbündeten, explo-
dierten dort mit großer Gewalt und verschütteten dadurch
die Gräben der Verteidiger. Die Russen nutzten den gün-
stigen Augenblick und stürzten sich auf die Reste der noch
kampffähigen Erabenbesatzung. Diese wehrte sich ver-
zweifelt und wich kämpfend nur unbedeutend zurück. Drei
Tage lang mühten sich die Feinde nun vergebens, die Ein-
bruchstelle zu erweitern: reihenweise fielen sie den Hand-
granaten und dem Maschinengewehrfeuer der Verteidiger
zum Opfer. Was der Feind gewinnen konnte, waren kleine
Geländestücke, die mit Tausenden an Toten viel zu teuer
bezahlt und ihm häufig im Gegenangriff wieder entrissen
wurden.
Nach dem Fehlschlagen ihrer Hauptangriffe suchten die
Russen durch kleine Vorstöße an den verschiedensten Punkten
ihre Erschöpfung zu verdecken und füllten gleichzeitig nach
Möglichkeit ihre stark verminderten Streitkräfte auf. Ihre
Pläne hatten sie trotz aller Mißerfolge nicht aufgegeben.
Schon am 13., 14. und 15. Dezember wiederholten sie mit
neuen Truppen ihre Vorstöße und vermehrten damit die
blutigen Verluste der Vortage erheblich. An der Haupt-
angriffstelle setzte wieder schweres Geschützfeuer ein, und
Kaledin und Letschitzky drückten nochmals mit allen ihnen
zu Gebote stehenden Mitteln auf die deutschen und öster-
reichisch-ungarischen Linien. Der Brennpunkt der neuen
Schlacht war wieder die Bergkette oberhalb der Goldenen
Bistritz zwischen Jakobeny und Dorna Watra, nament-
lich die Paßhöhe Mestecanesci. In dem Abschnitt vor der
Paßhöhe stellten österreichisch-ungarische Flieger, die in
diesen Kampftagen hier mehrmals feindliche Flugzeuge
zum Absturz brachten, allein 30 russische Batterien fest.
Tagelang hatten die Russen jedes Geschütz auf vorher be-
stimmte Punkte genau eingeschossen, dann prasselte auf
ein gegebenes Zeichen das Trommelfeuer der Batterien
los, nach dem drei Divisionen gegen den Berg vorbrachen.
Doch erst nach Einbruch der Dunkelheit gelang es ein-
zelnen Abteilungen, sich in eingeebneten Grabenstücken
der österreichisch-ungarischen Linien festzusetzen. Kurz dar-
auf entrissen Landsturmleute und Honveds dem Feinde
wieder allen Gewinn in hartnäckigem Handgranatenkamps.
Trotz drei- bis zehnfacher. Übermacht hatten die Russen
abermals nichts erreichen können. Erschöpft hielten sie nach
den neuen schweren Verlusten inne.
Zur Ruhe sollten die Russen aber nicht kommen, denn
vom 18. Dezember ab setzten ihnen kleine Jagdkommandos,
aus k. u. k. Truppen und deutschen Jägern gebildet, mit
ihren fortgesetzten Angriffen kräftig, zu. Gegen diese Be-
lästigungen suchten sie sich am 20. Dezember zu wehren,
indem sie wieder einige Vorstöße am Mestecanesci unter-
nahmen; an der Widerstandskraft österreichisch-ungarischer
Bataillone wurden jedoch auch diese Versuche zunichte. In
den nächsten Tagen gelang es dagegen den Verbündeten, ihre
Stellungen hier durch kleine Gewinne wesentlich zu verbessern.
Die Kämpfe in den Karpathen waren so trotz aller Öpfer
fast ergebnislos für die Russen verlaufen. Sie hatten sich in
den blutigen Zusammenstößen nur völlig erschöpft und ver-
mochten nun erst recht nicht, ihre Streiter zur Entlastung für
die Rumänen wirksam ins Feld zu führen. Was den Russen
im Jahre 1915 entrissen war, hatte 1916, im ganzen be-
trachtet, gehalten werden können. Weite Gebiete des ehe-
maligen russischen Reiches lagen hinter den Linien der
deutschen und österreichisch-ungarischen Soldaten in sicherer
Hut. Das Königreich Polen festigte jeder neue Tag. In
Warschau hielt polnisches Militär, Kavallerie der polnischen
Legion, seinen Einzug in die Hauptstadt des neuerstandenen
Reiches (siehe die Bilder Seite 71). Auch der Traum von der
Lostrennung Siebenbürgens war zerronnen. Die Heere
der Verbündeten hatten das Land von den eingefallenen
Horden der Feinde befreit und geordnete Zustände waren
wieder an Stelle des Schlachtgetümmels getreten. Ruhig
konnten die siebenbürgischen Bauern in ihre Heimat zurück-
kehren (siehe Bild Seite 72) und die Bestellung ihrer Felder
wieder in Angriff nehmen. —
* ❖
❖
Nach dem Fall von Bukarest hatten die Rumänen im
Verein mit russischer Kavallerie, die zu ihrer Verstärkung
herbeigeeilt war, versucht, dem Vordringen Mackensens an
Stellungswechsel der Artillerie im winterlichen Osten.
Die größte für Kriegszwecke gebaute Brücke, die Brücke über das Tal des Szczeberkabaches im Osten, die 845 Meter lang ist und in 16 Tagen von
einer deutschen Eisenbahnkompanie errichtet wurde.
Deutsche Patrouille im Sumpfgebiet am Stochod.
Bilder von der Ostfront.
Nach Aufnahmen von Hofphotograph Kühlewindt.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
der Jalomita ein Halt entgegen-
zusetzen. Der Widerstand des Fein-
des konnte die Sieger freilich nicht
dauernd in ihrem Vordringen auf-
halten. Er brach vollends zusam-
men, als am 10. Dezember die
Bulgaren zwischen Tutrakan und
Cernavoda unter dem Schutze der K*'
Dunkelheit über die Donau setzten
(siehe die Kunstbeilage) und den
am rumänischen User stark ver-
schanzten Gegner zurückwarfen.
Die russischen und rumänischen
Truppen wurden gezwungen, ihre
gut ausgebauten Stellungen zu
räumen und schleunigst den Rück-
zug anzutreten. Das erleichterte
wesentlich die Aufgabe der Heere
Mackensens, die nun den ganzen
Abschnitt überfluteten und den
rasch weichenden Gegnern mit
eiserner Beharrlichkeit folgten.
Gefangene wurden in großer Zahl
eingebracht,- noch wichtiger war
der Gewinn weiteren Geländes.
Die Schnelligkeit des Bor-
rückens in der Walachei verhütete
auch, daß die umfangreichen Ee-
treidevorräte Rumäniens wegge-
führt werden konnten oder feind-
lichen Anschlägen zum Opfer fielen.
Französische Agenten versuchten
zwar in der Walachei, die ru-
nränische Mühlenindustrie zu ver-
nichten, um den Siegern die wirt-
schaftlichen Vorteile der Eroberung
möglichst zu entziehen. Man
wollte Dynamitbomben in die
Fabriken und Mühlen werfen.
Aber die rumänischen Verwal-
tungsbeamten waren doch nicht so
töricht, auf diesen Plan einzu-
gehen. Sie ließen dadurch aller-
dings die gewaltigen Vorräte und
die Bearbeitungsvorrichtungen für
Rohstoffe in die Hände der Sieger
fallen, verhinderten aber zugleich
auch die Vernichtung einer wich-
tigen Industrie Rumäniens, die
sich sonst bis lange Zeit nach dem
Kriege nicht mehr hätte erholen
können. Die Vorräte kamen in
erster Linie der Türkei, Österreich-
Ungarn und Deutschland zugute»
da Bulgarien wegen der günstigen
Lage seiner eigenen Landwirt-
schaft auf die Zuteilung von Ge-
treide verzichten konnte.
Die Engländer hatten auf die
rumänische Petroleumindustrie ein
ähnliches Attentat beabsichtigt, wie
die Franzosen auf die Mühlenin-
der^Ei'nnchme"vonÄescß"dem -• • i ■web
Mittelpunkte der rumänischen Öl- Beschießung einer rumänischen Stellung im Gebirge durch Teile des linken Flügels der 9.
quellen, richtete aber die rumä-
. cv> .' 1 * •'*' ~
,---wuu Ute UirilQs
nische Regierung, die mit Recht von ihren Bundesgenossen
keine Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse Rumäniens voraus-
setzen konnte» an die Leiter der Petroleumgesellschaften die
Aufforderung, im Falle des Vorrückens der Verbündeten die
Quellen nicht zu zerstören, sondern höchstens wichtige Maschi-
nenteile zu entfernen und außerdem das vorhandene Öl in
Gruben ablaufen und dort verbrennen zu lassen. Trotzdem
erschienen eines Tages die englischen Offiziere Clifford und
Thomson mit Pionieren und Ingenieuren und trafen die
Vorbereitungen zu einer umfassenden Zerstörung der ge-
samten Anlagen. Die rumänische Regierung gab noch
einmal den Befehl, die Petroleumwerke nicht anzurühren
und selbst mit der Abnahme der Maschinenteile bis auf
eine besondere Verfügung zu warten. Aber dennoch be-
gannen die Engländer am 5. Dezember vormittags mit
dem Anzünden einiger großer Raffinerien. Thomson
brannte selbst ein voll Öl gepumptes Maschinenhaus an und
ließ dieses erhebende Beispiel englischer Hilfe für Rumänien
durch eine kinematographische Aufnahme der Nachwelt er-
halten. Die Engländer wurden in ihrem menschenfreund-
lichen Treiben bald gestört, denn die Deutschen rückten unter
General v. Morgen so rasch vor, daß die Brandstifter fliehen
mußten. Es gelang, sehr große Vorräte an Benzin, Öl
und Petroleum zu retten. Zwischen ausgebrannten Öl-
behältern fanden die Truppen zahlreiche unversehrte
Maschinen- und Kesselhäuser, Kraftanlagen und ganze Reihen
unbeschädigter Benzinspeicher. Vor allem waren die unter-
irdischen Anlagen, Röhren und Kabelleitungen noch völlig
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
69
WWMG
Nach einer Originalzeichnung non Fritz Neumann.
brauchbar. Infolgedessen waren sehr bald fleißige Hände
damit beschäftigt, die Werte zum Zwecke der Ölgewinnung
wieder herzurichten. Dank ihrer unermüdlichen Tätigkeit
wurde das Olgebiet von Ploesci in ganz kurzer Zeit eine
neue Kraftquelle für die Mittelmächte.
Das rumänische Land und seine Bewohner, die sich viel-
fach als Freischärler am Kampfe beteiligt hatten (siehe
Bild Seite 73), sollten aber noch in ganz anderer Weise
erfahren, was es heißt, als Bundesgenosse Englands,
Frankreichs und Rußlands für „Kultur und Freiheit" zu
kämpfen. Als Rumäniens Heer infolge der fortwähren-
den Niederlagen zusammengeschmolzen war und die Ru-
mänen somit völlig dem guten Willen ihrer Kampf-
genossen ausgeliefert waren, nahm der Krieg für Land und
lung keine
vanischen
Zeit lassen. Um die südöstliche Ecke der transsyl-
, , Alpen drehten sich jetzt die verbündeten Heere in
weitem Bogen herum, wobei besonders die ganz südlich an
der Donau stehenden Truppen große Entfernungen zurück-
zulegen hatten. Der wichtigste Pfeiler des Buzeuabschnit-
tes, die Stadt Buzeu, wurde schon am 15. Dezember von
den verbündeten Heeren besetzt. Wieder hatte der linke
Flügel der neunten Armee in den Eebirgskämpfen den
Sieg davongetragen. In zweitägigen Kämpfen erlitten die
Rumänen neue schwere blutige Verluste und büßten außer-
dem insgesamt weitere 4000 Gefangene und 5 Maschinen-
gewehre ein. Eine recht willkommene Beute für die vor-
rückenden Truppen waren vier vollbeladene Eisenbahnzüge.
Außer dem Buzeuabschnitt mußte auch jener im Gebiet
Bevölkerung alle die traurigen
Formen an, die der Kriegführung
ihrer Freunde eigen ist. Hatten
die Rumänen in Hinblick auf die
Zukunft häufig die Zerstörung von
Flußübergängen und Eisenbahn-
brücken vermieden, so mußten sie
nun mitansehen, wie Kosaken
unter Anleitung russischer, fran-
zösischer und englischer Pionier-
offiziere Getreidespeicher in Flam-
men aufgehen ließen, Brücken
und Stellwerke planmäßig spreng-
ten und auch vor der Vernichtung
und dem Raub von Privateigen-
tum nicht zurückschreckten. Die
rumänischen Soldaten mußten
tatenlos zuschauen, wie ihre
Frauen und Kinder in bitterste
Rot gebracht wurden. Unbarm-
herzig steckten die „Freunde" auch
rumänische Gehöfte und Dörfer
in Brand.
Die Bevölkerung begriff sehr
bald, daß für sie mit dem Erschei-
nen der Deutschen und ihrer Ver-
bündeten die Ordnung wieder-
kehrte. Denn diese sorgten sofort
dafür, daß Handel und Wandel
rasch die alten Formen annahmen
und die Trümmer der durch
Kriegshandlungen hervorgerufe-
nen Zerstörungen beseitigt wur-
den (siehe Bild Seite 75 unten).
Bei dem Vordringender neun-
ten Armee unter Falkenhayn
(siehe Bild Seite 74 und 75 oben)
und der Donauarmee unter
Mackensen über den Jalomitaab-
schnitt hinaus verloren die Rumä-
nen schon am 12. Dezember über
4000 Gefangene, unter denen sich
viele Truppenteile befanden, die
aus den Gebirgstellungen heraus-
getrieben worden waren. Der
linke Flügel der neunten Armee,
der zum Teil noch im Gebirge
vorschreitend kämpfte und die Ru-
mänen aus ihren günstigen natür-
lichen Schanzen warf (siehe neben-
stehendes Bild), nahm an dem Vor-
marsch gegen den Buzeuabschnitt
mit teil, in dem nun Rumänen
und Russen ihre Feinde aufhalten
wollten. Dem weiteren Vor-
dringen der Truppen der Mit-
telmächte stellten sich jetzt bedeu-
tende Schwierigkeiten in den Weg.
Die Straßen, auf denen sich schon
der Rückzug der Gegner vollzogen
hatte, wurden fast ungangbar;
schwere Regenfülle weichten den
Boden nrehr und mehr auf, und
doch mußte man dem geschlage-
nen Feinde auf den Fersen bleiben
und durfte ihm zu neuer Samm-
70
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
des sumpfigen Calmatuiui überwunden werden. Mit der
Einnahme von Buzeu war im Westen in beide Abschnitte
eine Bresche geschlagen. Der linke Flügel der neunten Armee
hatte immer noch die Hauptarbeit zu leisten,- er erstritt sich
am 15. Dezember freie Bahn für den Vormarsch auf der
Straße Buzeu—Rimnicul-Sarat und machte dabei über
2000 Gefangene. Gleichzeitig war es dem rechten Flügel
der Heere Mackensens an der Donau gelungen, ebenfalls nach
Nordosten vorzudringen. Die siegreichen Heere näherten sich
nun mehr und mehr der wichtigsten rumänischen Verteidi-
gungslinie, dem Sereth. Am 16. Dezember glückte es, den
Buzeuabschnitt in breiter Front zu durchschreiten. Das geschah
nach hartem Kampfe. Der russische General Beladjew war
mit erheblichen Kräften herbeigeeilt, um Hilfe zu bringen.
Er vermehrte jedoch nur noch die Rückzugschwierigkeiten seiner
und der rumänischen Divisionen, als deutsche Regimenter
im Nachtangriff in die Stellungen der Feinde einbrachen
und letztere in die Flucht schlugen. Dabei wurden über
1150 Mann gefangen genommen. Die sonstige Beute war
überaus wertvoll. Sie bestand aus 19 Lokomotiven, über
400 meist vollbeladenen Eisenbahnwagen und einer Menge
Fuhrwerke jeder Art. In den sich anschließenden Teil-
kämpfen wurden bis zum 18. Dezember wieder 1000 Ge-
fangene eingebracht. Die Zahl der erbeuteten Lokomotiven
Blick auf Kirlibaba in den östlichen Karpathen.
stieg auf 25, die der vollbeladenen Eisenbahnwagen wuchs
auf mehr als 5OO an.
Die weiteren Bewegungen der siegreichen Heere vollzogen
sich nun etwas langsamer. Der Grund hierfür lag haupt-
sächlich in der Wendung der Frontlinie, die jetzt vorgenommen
werden mutzte und die auch eine Neuausgestaltung der rück-
wärtigen Verbindungen nötig machte. Der für die großen
Heeresmassen erforderliche Nachschub, namentlich an Kriegs-
gerät, mutzte sich gerade hier, wo die Truppen im Angriff
bleiben sollten, mit unbedingter Sicherheit vollziehen. Aber
auch die Truppenbewegungen selbst mutzten sich notgedrun-
gen verlangsamen. Seit Mitte November waren auf dem
rumänischen Schauplatze Kämpfe und Märsche an der
Tagesordnung gewesen. Der rasche Lauf der Ereignisse
nach dem Fall von Bukarest hatte besondere Ansprüche an
die Leistungsfähigkeit der Truppen gestellt, was für Men-
schen und Pferde Anstrengungen mit sich brachte, die einige
Tage verhültnismätziger Ruhe gebieterisch erheischten.
Während so in der Walachei eine Kampfpause eingetreten
war, bereiteten sich in der Dobrudscha wichtige Ent-
scheidungen vor. Der russische General Sacharow hatte hier
gewaltige Streitmassen zusammengezogen, weil die Armee
Mackensen schon die Südgrenze Betzarabiens zu bedrohen
schien. Seine Truppen konnten zunächst bis nördlich der
Linie Cernavoda—Constanza vorrücken. Hier gelang es
ihnen jedoch trotz heftiger Stürme nicht, den aus schwachen
bulgarischen und türkischen Kräften bestehenden Gürtel zu
sprengen. Die Fortschritte der Donauarmee seiner Gegner
zwangen Sacharow schließlich sogar zum langsamen Abbau
seiner Stellungen in der Dobrudscha. Die Aufgabe der
russischen Linien wurde vom 15. Dezember ab beschleu-
nigt, weil die bulgarischen, osmanischen und deutschen Ab-
teilungen, die namhafte Verstärkungen erhalten hatten, nun
auch angriffsweise den Russen entgegentreten konnten. Am
15. überschritten die Verbündeten bereits die Linie Cogealac
—Cartal—Harsova und drängten dem Feinde stetig nach.
Dieser leistete nur wenig Widerstand und suchte sich in
möglichst kurzer Zeit in Sicherheit zu bringen, denn Sacha-
rows Streitkräfte konnten im Serethabschnitt notwendig
gebraucht werden. Außerdem bestand noch die Gefahr, von
in der Walachei vorrückenden Truppen seiner Gegner eines
Tages am Rückzüge gehindert zu werden. Überdies eröffnete
sich den Russen die Möglichkeit, im Waldgebiet der Dobrudscha
dem Vormarsch der Angreifer unter günstigen äußeren Be-
dingungen erhebliche
Schwierigkeiten bereiten
zu können. Doch schon am
18. Dezember vermochten
die Verfolger die Linie
Babadagh—Pocineagazu
überschreiten. Die Russen
wollten nun neuerdings
den weiteren Vormarsch
der Gegner anhalten, sie
wurden aber aus zwei
befestigten Stellungen
weiter nach Norden zu-
rückgeworfen.
Das Mündungsgebiet
der Donau, das von den
Russen immer noch als
Zufahrtsweg für die Se-
rethfront benutzt werden
konnte, ward von Tag
zu Tag stärker gefährdet.
In ständigen Nachhut-
kämpfen suchten sie dieses
ihnen sehr wichtige Ge-
biet in dem leicht zu ver-
teidigenden Gelände zu halten. Allein sie wurden immer
wieder aus Wald und Busch und Sumpf geworfen und ver-
loren am 21. Dezember über 900 Gefangene. Am 22. De-
zember erhöhte sich die Eefangenenzahl auf über 1600.
Der Hauptgewinn des Tages bestand aber in der Er-
stürmung der Stadt Tulcea an der Donau. Die für die
Russen wichtigsten Wasserstraßen: der Sulinakanal und der
St. Eeorgskanal, wurden nun von den Siegern beherrscht;
die russische Donauschiffahrt war unmöglich geworden.
In der äußersten Nordwestecke der Dobrudscha standen
die Reste des Sacharowschen Heeres. Die Orte Braila,
Marin und Jfaccea waren die Rückzugspunkte, die den
Russen geblieben waren. Es bestand die Aussicht, diese
Punkte als Brückenköpfe zu halten; Hügel und Sumpf
gestatteten kräftigen Widerstand. Aber schon am 23. De-
zember donnerten zu beiden Seiten von Tulcea die Geschütze
der Verbündeten auf das betzarabische Donauufer hinüber.
Der Russe war nicht mehr auf dem Wege nach Konstanti-
nopel, sondern er sah sich gezwungen, sein eigenes Gebiet, die
Grenzen seiner Weizenkammer, zu sichern. — «Fortsetzung folgt.»
Phot. Bert. Jllustrat.-Ges. m. b. H.
Illustrierte Kriegsberichte.
Praktische Ernährungsfragen im Kriege.
Von Geheimrat Dr. Jsmar Boas in Berlin.
II.
Bis vor nicht langer Zeit hat man in Deutschland und
anderen Kulturländern die für die Erhaltung und Leistungs-
fähigkeit des Organismus notwendige Eiweitzmenge schein-
bar weit überschätzt. Überall galt die von der Münchner
Schule aufgestellte und später von dem berühmten Ber-
liner Physiologen Rubner verteidigte Eiweitzmenge von
118 Gramm pro Tag für den mäßig arbeitenden gesunden
Menschen als unabänderliche Durchschnittszahl. Diese hohe
Forderung von Eiweitzwerten ging von den Gelehrten in
die Kreise der Arzte und von diesen wieder in das Publikum
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/1?.
71
über. Man erblickte in einer reich-
lichen Eiweiß- und besonders Fleisch-
nahrung eine Hauptquelle, ja sogar
die einzige Quelle von Kraft und
Gesundheit. Von der vollbesetzten
Tafel der Wohlhabenden erstreckte
sich diese Überschätzung des Fleisch-
genusses auf die Küche der minder
begüterten Volkskreise. Die Fleisch-
nachfrage und der Preis wuchsen
von Jahr zu Jahr, die eigene Er-
zeugung konnte nicht mehr entfernt
mit dem Verbrauch Schritt halten.
Vernünftige Arzte versuchten in
populären Artikeln die Schädlich-
keiten einer übertriebenen und ein-
seitigen Fleischernährung zu be-
leuchten. Man beachtete sie nicht
und ging darüber zur Tagesordnung
über. Inzwischen war auch von der
exakten Wissenschaft die Eiweiß-
frage von neuem und zwar mit
überzeugenden Experimenten auf-
genommen worden. Ein amerika-
nischerPhysiologeChittenden, früher
selbst ein leidenschaftlicher Fleisch-
esser, hatte in der Absicht, die Not-
wendigkeit eines großen Eiweißkon-
sums für die Erhaltung der Gesund-
heit experimentell zu beweisen, an
einer großen Zahl von Studenten,
Ärzten, Athleten und anderen Per-
sonen den Eiweißgehalt der Nahrung allmählich vermindert,
indem er ihn durch andere Nährstoffe (Fette, Kohlehydrate)
ersetzte, und fand dabei, daß die Versuchspersonen nicht nur
nicht an Kraft und Sportsleistungen einbüßten, sondern im
Gegenteil gewannen. Schließlich kam der genannte Forscher
zu dem Ergebnis, daß man mit nur etwa 56 Gramm Ei-
weiß, das heißt der Hälfte der von der Münchner Schule
verlangten Eiweißmenge, Kraft und Leistungsfähigkeit auf
der vollen Höhe erhalten könne. Genau zu den gleichen
Resultaten war schon vor Chittenden der bekannte dänische
Ernährungsphysiologe Hindhede gelangt, der bei einer aus-
schließlich aus Kartoffeln und Obst, Brot und Margarine
bestehenden Nahrung Kraft und
Gewicht nicht bloß zu erhalten,
sondern noch zu steigern vermochte.
Auch Hindhede fand einen Eiweiß-
gehalt von etwa 50 Gramm als
völlig ausreichend für Gesundheit
und Wohlbefinden. Erst ganz all-
mählich, eigentlich erst während des
Krieges, brach sich auch in deutschen
Gelehrten- und Arztekreisen die Er-
kenntnis Bahn, daß wir in der lan-
gen Friedenszeit einem abnormen
Eiweiß- und Fleischkultus gefrönt
haben. Mehr und mehr müssen
wir uns von dem Gedanken frei
machen, daß mit einem hohen Ei-
weißkonsum eine Steigerung von
Kraft und Arbeitsfähigkeit Hand in
Hand geht.
Hierbei darf auch nicht über-
sehen werden, daß die Fleischge-
winnung,vomnationalökonomischen
Standpunkte betrachtet, als ein
zweifelhafter Gewinn angesehen
werden muß. Man hat nämlich
an der Hand exakter Versuche fest-
gestellt, daß von den Nahrungsmit-
teln, die ein Schwein zu sich nimmt,
noch nicht ganz die Hälfte in Form
von Fleisch und Fett wiedergewon-
nen wird, von den Eiweißstoffen, die
es erhält, nicht einmal ein Viertel.
Noch viel ungünstiger liegen die Dinge beim Rindvieh, bei
dem von den verfütterten Nährstoffen nur etwa ein Sieben-
tel, von den Eiweißsubstanzen nur etwa ein Fünftel in Ge-
stalt von Fleisch und Fett als brauchbare Nahrungsmittel der
Allgemeinheit zugute kommen. Beim Rindvieh liegen die
Dinge allerdings insofern günstiger für uns, als dessen
Ernährung Substanzen erfordert, die für die menschliche
Nahrung keinen Wert haben (wie Stroh, Heu, Schlempe
und andere Surrogate). Die Schweinezucht dagegen er-
fordert als Nahrungstoffe neben Abfällen des Haushaltes
doch auch solche, die unmittelbar für die menschliche Er-
nährung unentbehrlich sind, wie Magermilch, Kartoffeln,
Phot. Berl. Jlkustrat.
Graf Stanislaus Szeptycki,
Kommandant der polnischen Legion.
Phot. Presse-Photo-Vertrieb, Berlin.
Einmarsch der polnischen Legion in Warschau.
Die polnische Kavallerie im Vorbeimarsch am Hotel Bristol, vor dem der deutsche Generalgouverneur von Polen General der Infanterie v. Beseler die
Parade abnimmt. Nachdem polnische Legionen schon ruhmreich an der Seile der Mittelmächte gegen Rußland gefochten, war die Bewilligung einer eigenen
Wehrmacht ein brennender polnischer Wunsch und ein Zeichen besonderen Vertrauens der Mittelmächte.
72
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Welt-Preß-Photo, Wien.
Siebenbürgische Flüchtlinge kehren nach der Wiedereroberung ihres Landes durch die Armee Falkenhayn in ihren Heimatort zurück.
wegs schon eine Beeinträchtigung der Volksgesundheit er-
blickt werden. Denn Fett ist keine zum Leben unbedingt
notwendige Substanz. Ist sie doch, wie bereits erwähnt,
durch Kohlehydrate wenigstens bis zu einem gewissen Grade
ersetzbar.
Wie man sieht, hat wissenschaftliche Forschung und
praktische Erfahrung im Verein mit der Not der Kriegs-
verhältnisse zu einer gänzlichen Umwälzung unserer gegen-
wärtigen Ernährung geführt. Der ungesunde, weit über
das notwendige Matz gesteigerte Eiweitz- und Fleisch-
konsum der Friedenszeiten hat einer im wesentlichen vege-
tarischen Lebensweise Platz machen müssen. Das Massen-
erperiment, das die Kriegszeit herbeigeführt hat, hat be-
wiesen, datz wir uns mit einem Mindestmatz von Erzeug-
nissen aus dem Tierreich, wenn auch nicht gerade üppig, aber
doch einigermatzen ausreichend ernähren können. Der alte
Streit, ob die vegetarische oder die gemischte Kost für die
Volksernährung und Volksgesundheit den Vorzug ver-
diene» ist damit nicht entschieden — denn man kann auf
die die Not der Lebenshaltung in höherem Grade als jene
auszugleichen imstande waren. Aber auch bei diesen ist es
ohne Entbehrungen und Verzicht auf die Behaglichkeit
des Lebens nicht abgegangen.
Und doch sind alle diese Opfer winzig und klein zu nennen
verglichen mit den Mühsalen, die unsere Helden im Schützen-
graben zu ertragen hatten. Wer in diesen schweren Kriegs-
läuften sich über Mangel und Entbehrungen beklagt, der
sollte sich immer wieder an die Unsumme von Gefahren,
Leiden und Schrecken erinnern, die unsere Brüder fern von
der Heimat und ihren Lieben zur Ehre und zum Ruhme
des Vaterlandes täglich und stündlich zu erdulden haben.
Die geringen Nährschäden, von denen wohl keiner in
den letzten zweieinhalb Jahren verschont geblieben ist,
werden zudem in der Friedenszeit binnen kurzem beim
Zuströmen der früheren Nahrungsquellen ausgeglichen
werden. Beneidenswert ist aber wahrlich derjenige nicht,
der nicht von sich sagen könnte, datz er während des Krieges
freiwillig und selbstlos einen Teil der Sorgen und Mühen,
Getreide und anderes. Mit diesen Substanzen kann man
aber doppelt so viel Menschen ernähren als mit dem hier-
bei gewonnenen Fleisch und Fett. Es ergibt sich hieraus,
datz in Kriegszeiten, in denen äutzerste Sparsamkeit in
der Verteilung der unentbehrlichen Lebensmittel oberstes
Gebot sein mutz, besonders die Schweinezucht einer großen
Einschränkung bedarf, und datz daher die viel kritisierte
Schweineabschlachtung des Jahres 1915 als eine wohl-
überlegte und vom Standpunkt der Volksernährung durch-
aus gerechtfertigte Maßnahme zu betrachten ist.
Können wir demnach ohne Gefahren die Herabminde-
rung an Eiweitzsubstanz in unserer Nahrung ertragen, so ist
bekanntlich der Mangel an Fettsubstanzen, der, abgesehen
von den ländlichen Kreisen, im ganzen Deutschen Reiche
herrscht, lebhaft zu beklagen. Zweifellos werden wir fast alle
mit einer ansehnlichen Fett-, das heißt Gewichtsverminde-
rung aus dem Kriege gehen. Indessen kann darin keines-
den verschiedensten Wegen zum Ziele kommen — indessen
steht so viel fest, datz das tierische Eiweitz an Nährwert dem
Pflanzeneiweitz keineswegs überlegen ist. Hierzu kommt
aber weiter, datz das pflanzliche Eiweitz felbst in der Kriegs-
zeit sich erheblich billiger stellt als das tierische.
Trotzdem hieße es das Bild allzu rosig färben, wollten
wir behaupten, datz unsere augenblickliche Ernährungslage
als eine besonders befriedigende anzusehen ist. Um der
ihm aufgezwungenen wirtschaftlichen Blockade erfolgreich zu
begegnen, hat das deutsche Volk und seine Verbündeten
ein hohes Matz von Entbehrungen auf sich nehmen und
sich den schwierigen Ernährungsbedingungen der Kriegs-
zeit mit großer Selbstverleugnung anpassen müssen. Es
würde eine Verkleinerung des Eemeinsinnes bedeuten,
wenn wir nicht anerkennen wollten, datz von den armen
Bevölkerungschichten ein gleiches Matz von Selbstent-
sagung geübt worden ist wie von den oberen Zehntausend,
VI. Band.
74
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
die uns die Not der Zeit auferlegt hat, auf sich genom-
men hat.
Sollen aber, so müssen wir schließlich fragen, die Er-
nährungslehren, die der Krieg geliefert hat, nur eine
flüchtige Episode unseres Lebens bilden, etwa wie ein
schwerer Traum, der im Augenblicke des Erwachens unseren
Geist umnebelt, um sich für immer in ein Nichts aufzu-
lösen? Oder dürfen wir hoffen, daß eine geläuterte Er-
kenntnis von der Schädlichkeit überfeinerter Lebens- und
Ernährungsgewohnheiten die Kriegsepoche überdauern und
uns den Weg zur Natur, den uns die Not aufgezwungen
hat, auch für fernere Zeiten weisen wird? Wir glauben,
wenn nicht alle Zeichen trügen, diese Fragen mit voller
Zuversicht bejahen zu dürfen. Zu tief sind die Verluste, zu
schmerzlich die Wunden, die der Weltkrieg unserem Volks-
körper geschlagen hat, als daß wir in spielerischer Sorg-
losigkeit die Forderungen von morgen außer acht lassen
könnten. Mehr denn je wird die Zukunft ein starkes, mann-
haftes, von Lurus und verweichlichender Genußsucht freies
Menschengeschlecht heischen.
Freuen wir uns, daß die Kriegszeit uns trotz aller ihrer
Entbehrungen und Einschränkungen
doch die Vorzüge einer naturgemäßen
und vernünftigen Lebensweise ge-
zeigt und damit uns und der künf-
tigen Generation den Weg zur Förde-
rung derVolksgesundheit gewiesen hat.
Die Opferung
englischer und französischer
Hilssvölker.
Außer Artilleriekämpfen und un-
bedeutenden örtlichen Angriffen, wie
westlich Serre am 21. November und
nördlich Eueudecourt und am St.
Pierre-Vaast-Walde am 22. Novem-
ber fehlten in den letzten Tagen des
Jahres 1916 zwischen Somme und
Ancre umfassendere Kampfhandlun-
gen. Die große Sommeschlacht stockte
abermals, und die kühnen Hoffnun-
gen, die die Engländer und Fran-
zosen an den groß angelegten An-
griff an der Ancre knüpften, waren
bereits wieder begraben. Die un-
geheure Verschwendung von Men-
schen und Munition war wieder um-
sonst. Englische Blätter schrieben am
15. November, nunmehr sei Hoff-
nung, daß der Siegespreis Bapaume
noch in diesem Jahre errungen werde.
Bapaume hat allerdings weder eine
militärische, noch eine wirtschaftliche
oder politische Bedeutung. Sein
geringer moralischer Wert aber stünde
in einem schreienden Mißverhältnis zu dem Opfer von über
600 000 Mann. Von Bapaume bis zum nächsten Punkt
der belgischen Grenze sind noch 65 Kilometer, bis an die
deutsche nicht weniger als 165. Indessen nicht einmal Ba-
paume vermochten die Engländer und Franzosen in vier-
zehntägiger Schlacht zu erreichen. Aus allen Berichten
verdichtete sich immer mehr der Eindruck, daß die Somme-
offensive in Blut und Schlamm stecken blieb. Die Witte-
rungsverhältnisse waren derart geworden, daß alle Angriffe
aussichtslos erscheinen mußten. Ein großer Teil der Granaten
platzte in dem aufgeweichten Boden nicht mehr. Die
Sturmtruppen traten durchnäßt und frierend mit verschmutz-
ten Gewehren an. Die Liegengebliebenen erwartete ein
jämmerliches Schicksal.
Diese unsinnigen Angriffe, deren Aussichtslosigkeit weder
der englischen noch der französischen Heeresleitung ver-
borgen geblieben sein konnten, fanden ihre Erklärung wohl
darin, daß die Heeresleitungen nur um des Ansehens willen
die Schlacht fortsetzten, und daß sie in erster Linie nicht ihre
eigenen Landeskinder, sondern ihre weißen und farbigen
Hilfsvölker verbluten ließen. Am Großkampftage vom
5. November führten die Engländer volle drei australische
Divisionen rücksichtslos ins Feuer, nachdem die Australier
schon seit 23. Juli an der Somme eingesetzt worden waren.
Volle sechs Wochen kämpften sie in dem heißumstrittenen
Gelände von Poziöres. Zum großen Teil wurden junge,
kriegsunerfahrene, nur kurze Zeit ausgebildete australische
Soldaten gegen die deutschen Maschinengewehre vorgeschickt.
Selbst bei dem einzigen ernsten Angriff, der seit Beginn
der Kämpfe an der Somme an der übrigen englischen Front
bei Fromelles am 19. Juli stattfand, wurde neben einer
englischen Division eine australische Division ungeübter
junger Truppen zum Angriff eingesetzt, der blutige Ver-
luste kostete.
Immer wieder tauchten australische Truppen in der
vordersten Linie auf, so oft sie auch schon im Feuer dezimiert
wurden. Im Juli, August und September verloren die
Australier und Neuseeländer rund 35 000 Mann, bei Fro-
melles außerdem 5000 Mann. Drei ihrer Divisionen wurden
an der Somme vollständig aufgerieben. Auch die Kanadier
wurden, nachdem sie im Juli bei Ppern die schwersten Ver-
luste hatten und etwa auf ihren halben Bestand vermindert
wurden, anfangs September an der Somme eingesetzt.
An allen Großkampftagen vom 9. September bis 23. Ok-
tober standen sie in vorderster Linie. Eine Brigade Süd-
afrikaner wurde im Delvillewalde
vollkommen vernichtet. Die An-
klagen aus den verschiedenen Domi-
nions haben die englische Heeres-
leitung veranlaßt, bei dem Angriff
auf Beaumont und Beaucourt aus-
drücklich hervorzuheben, daß dieser
.Angriff durch Truppen von den eng-
lischen Inseln durchgeführt worden
sei. Allein, an der Butte de Warlen-
court mußten die Australier schon
wieder ihren Blutzoll zahlen. Die
englischen Werber haben sie, wie aus
allen Aussagen der Gefangenen her-
vorging, mit Verlockungen betrogen.
Die australischen Kontingente wur-
den lediglich für Ägypten und später
für die Dardanellen angeworben.
Auch die Franzosen haben ihre
Hilfsvölker rücksichtslos eingesetzt. An-
fang Juli sollten Senegaltruppen im
Verbände mit Kolonialdivisionen den
ersten Stoß südlich der Somme füh-
ren. Wie vor Verdun bei einem
Angriff auf Fort Douaumont, wur-
den auch bei den Vorstößen am St.
Pierre - Vaast - Walde Senegalc sen
festgestellt. Nachdem die Wahrheit
trotz Zensur langsam in den Kolo-
nien bekannt wurde und dort die
Reaktion einzusetzen begann, verdop-
pelten die englischen Werber ihre
Anstrengungen in den Vereinigten
Staaten von Nordamerika.
Deutscher Heldenfriedhof in Therapia.
Von Major a. D. Franz Carl Endres.
(Hierzu das Bild Seite 78(77.)
Schon viele von den deutschen Soldaten, die freiwillig
oder ihrer soldatischen Pflicht gehorchend in den Orient
gezogen sind, um dort gegen Franzosen, Engländer und
Russen zu kämpfen, sind gefallen und ruhen irgendwo im
weiten türkischen Reiche, in den Bergen von Armenien,
im gelben Sand der Wüste oder im blutgetränkten Boden
von Eallipoli. Nicht alle haben ein Fleckchen deutscher
Erde zum letzten Schlafe bekommen können, wie diejenigen,
die in dem wundervollen Garten der deutschen Botschaft
in Therapia begraben liegen. Von diesem Garten aus ist
der Bosporus weit zu übersehen. An einem Frühlingstag
mit blauem Himmel und ganz unbeschreiblich blauem Meere
gehört das Landschaftsbild wohl zu den schönsten, die man
schauen kann. Vom jenseitigen asiatischen Ufer grüßen da
die grünen Hügel des Riesenberges und die Höhen von
Beikos mit den rotblühenden Judasbäumen herüber,
während in Therapia selbst sich eine liebliche Bucht in das
europäische Ufer einschneidet, die eingesäumt ist von den
Holzhäusern der Türken, den Sommersitzen der verschiedenen
Botschaften und von einer Reihe von Hotels und Villen.
Generaloberst v. Aalkenhayn,
der Führer der siegreichen 9. Armee vor seinem Haupt-
quartier in einer kleinen rumänischeu Stadt.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
75
LML/L-MMK
Photothek, Berlin.
Von deutschen Pionieren bei dem Vormarsch auf Bukarest über den Alt geschlagene Schiffbrücke.
Im Hintergrund die Ortschaft Cainenl. Truppen beim Überschreiten der Brücke.
Alles ist dann in leuchtende Farben getaucht und ergibt ein
Gesamtbild, in das man sich wohl ein orientalisches Märchen
hineindenken kann.
Der Ort Therapia selbst, der sich vom Bosporus aus zu
beiden Seiten des entzückenden Krionerobaches in einem
schattigen Tal landeinwärts zieht, ist von etwa 5000 Men-
schen bewohnt. Es ist einer der vielen Vororte Konstanti-
nopels, von denen jeden Morgen die geschäftigen Bosporus-
dampfer Kaufleute, Beamte und Offiziere in die Kontore
und Büros der Hauptstadt führen und sie am Abend nach
des Tages Arbeit wieder zurückbringen.
Der deutsche Botschaftsgarten, im Frieden eine Stelle
heiteren gesellschaftlichen Verkehrs und fröhlichen Lachens,
hat sich dem Ernst des Weltkrieges nicht entziehen können.
Jahre und Jahrzehnte werden vergehen, glänzende Gesell-
schaften werden den Park wieder füllen, fröhliches Lachen
wird wieder durch seine Gehege huschen. Aber das sichtbare
Gedächtnis an die furchtbaren Opfer, die das Volk gebracht
hat, wird auch den fernsten Geschlechtern eine ernste Mah-
nung sein, die geeignet ist, die Gedanken aus der oberfläch-
lichen Alltäglichkeit zu den liefen und gewaltigen Motiven,
die dem nationalen Existenzkampf zugrunde lagen, immer
wieder hinzuführen. Und wenn das auch in fernsten Jahren
nur mehr ein flüchtiger Gedanke sein sollte, so wird er doch
noch vielleicht seinen erzieherischen Wert behalten. Denn
stumme alte Kreuze haben eine eindringliche Sprache» und
die Kreuze in Therapia werden ewig erzählen von Not
und Sieg in den Dardanellen und auf Eallipoli, von des
alten deutschen Marschalls v. d. Goltz Todesfahrt nach
Babylonien und von den beiden trotzigen deutschen Schiffen
„Eoeben" und „Breslau", die auf dem Schwarzen Meer,
wie die alten Wikinger, ein Schrecken des Feindes waren und
deutsche Schiffe geblieben sind trotz türkischer neuer Namen.
Und neue Menschen sollen den alten Kreuzen lauschen.
E
Friedhof der in der Türkei gefallenen deutschen Helden im Botschaftsgarten zu Ara am Bosporus,
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Der Krieg in Ostafrika im Oktober und
November 1916 und die Kämpfe an der
Ugandabahn im Januar und Februar 1916.
«Hierzu die Bilder Sette 78-80.»
Das weitere Vordringen der feindlichen Kolonnen unter
dem Oberbefehl des Generals Smuts (siehe Bild Seite 79)
in der deutsch-ostafcikanischen Kolonie (siehe die Karte
Band V Seite 79) ist zu Beginn des Monats
Oktober infolge des außerordentlichen, zähen,
erbitterten und erfolgreichen Widerstandes der
unvergleichlich tapferen deutschen Schuhtruppe
nördlich des großen Ruaha- und des Rufidji-
flusses zum Stillstand gebracht worden. Auch
den Truppen des Generals Norther», die sich
von Westen her noch im September auf dem
Anmarsche gegen die Linie Mahenge—Mponda
—Ssongea befanden, wurde Anfang Oktober
ein kräftiges Halt geboten.
Gegen die Truppen Northeys richteten am
19. Oktober stärkere Teile der deutschen Schutz-
truppe eine Reihe heftiger Angriffe. Die feind-
lichen Kolonnen wurden nach mehreren glück-
lichen Gefechten über den Kilombero (Neben-
fluß des Rufidji) und den Ruhudje (Nebenfluß
des Kilombero) geworfen und in scharfem Nach-
drängen nach Westen in Richtung auf Lupembe
und Jringa zurückgetrieben.
Gleichzeitig mit diesen großangelegten An-
grisfsbewegungcn, die auf einer Front von un-
gefähr 150 Kilometern in verschiedenen Ab-
schnitten unternommen wurden, versuchten die
von der deutschen Hauptmacht abgeschnitte-
nen, unter dem Befehle des Generals Wahle
stehenden Truppen, bei Jringa durch die eng-
lischen Linien durchzubrechen, um sich mit der
Hauptmacht zu vereinigen. Diese Streitkräfte
mußten infolge des Vormarsches der belgischen
Brigaden auf Tabora (siehe Bild Seite 78
unten) diesen Ort und den ganzen nordwest-
lichen Teil des Schutzgebietes preisgeben und
zogen sich dann nach Südosten zurück. Es ent-
wickelte sich nun, nach amtlichen englischen
Berichten, am 22. Oktober bei Ngominji ein sehr
heftiges Gefecht „unübersichtlicher Art". Dabei
geriet eine britische Abteilung, vermischt mit
Polizei- und rhodesianischen Eingeborenen-
truppen (siehe Bild Seite 79 oben), mit dem
englischen Oberst Barendale an der Spitze, in
einen deutschen Hinterhalt und wurde im Laufe
des Kampfes im dichten Busch vollkommen
vernichtet. Oberst Barendale selbst fiel ver-
wundet nebst einigen Geschützen und Maschi-
nengewehren in die Hände der Deutschen. Die
Kämpfe gingen Ende Oktober an zahlreichen
Stellen der langen Front sehr heftig weiter,
ohne daß es den Truppen des Generals Wahle
gelang, die beabsichtigte Verbindung rasch mit
der Hauptmacht herzustellen, obgleich diese
zur Unterstützung mehrere kraftvolle Vorstöße
gegen die starken feindlichen Linien machte.
Anfang November teilte sich Wahles über 1000
Mann starke tapfere Kampfgruppe in zwei Ab-
teilungen, von denen es der größeren mit ihrem
heldenmütigen Führer an der Spitze gelang, sich
durch die feindlichen Truppen durchzuschlagen
und mit der deutschen Hauptmacht endlich zu
vereinigen. Nach Erreichung dieses Zieles zogen sich die
gesamten Streitkräfte ohne Belästigung durch den Feind
auf ihre strategisch günstigen Stellungen im Bezirke Mahenge
zurück. Die andere Abteilung, die südwärts marschiert
war, um eine günstige Durchbruchstelle auszukundschaften,
konnte trotz größter Tapferkeit und Aufopferung nicht
verhindern, daß sie von den feindlichen übermächtigen
Truppen umzingelt wurde. Nach mehrtägiger Einschließung
mußte sie am 26. November kapitulieren. Englischen Mel-
dungen zufolge sollen dabei 7 deutsche Offiziere, 47 euro-
päische Soldaten und 229 Askari (siehe Bild Seite 78
oben) in die Hände der Feinde gefallen sein. —
Die Portugiesen meldeten in amtlichen Berichten im
Oktober und November in sehr übertriebener Weise von
angeblichen „Erfolgen" ihrer Kolonialtruppen, die diese
über die deutschen Schutztruppen errungen haben wollten.
Danach hatte eine starke portugiesische Kolonne deutsche
Kräfte aus ihren vorgeschobenen Verteidigungstellen bei
Newala (etwa 20 Kilometer nördlich des Rowumagrenz-
flusses) geworfen und nach heftigem Kampfe diesen Ort
(eine Missionstation) selbst am 26. Oktober eingenommen.
blutigen Köpfen über den Rowuma auf ihr eigenes Ge-
biet zurück. So wurde im November den Portugiesen
das ihnen früher freiwillig überlassene Gebiet in der
südöstlichen Grenzecke der Kolonie zum größten Teil in
siegreichen Gefechten wieder abgenommen.
Die heldenmütige, achtundzwanzigmonatige Verteidi-
gung der größten und reichsten deutschen Kolonie in Mer-
see fand im November durch den Kaiser die äußerliche wohl-
verdiente Anerkennung durch die Verleihung des Ordens
Lour ls Merite an den unermüdlichen Führer
der Truppen, den Obersten v. Lettow-Vorbeck
(siehe Bild Band V Seite 76). Ihm ist es gelun-
gen, seine Streiter stets schlagfertig, ihren Mut
und ihre Kampfesfreudigkeit trotz ungeheuren
Anforderungen auf der Höhe zu halten.
*
Mit einem größeren, erfolgreichen Angriffs-
unternehmen gegen Britisch-Ostafrika, vornehm-
lich gegen die britische Ugandabahn, die Lebens-
ader dieser englischen Kolonie, leitete die deut-
sche ostafrikanische Schutztruppe den Beginn des
Jahres 1916 ein. Die Einzelheiten sind erst
später bekannt geworden und sollen an dieser
Stelle nachgetragen werden.
Nachdem im Laufe des Jahres 1915 deut-
schen Erkundungsabteilungen Vorstöße gegen
die Ugandabahn geglückt waren, ohne daß ihnen
die Engländer wirksam entgegentreten konnten,
entschloß sich die deutsche Führung, mit stär-
keren Kräften gegen den Feind vorzugehen. Es
wurden zwei Angriffslinien gewählt: von Jassin
über Wanga nach Mombassa, und von Taveta
nach Voi. Die deutschen Kolonnen setzten sich in
den letzten Dezembertagen 1915 und ersten
Januartagen 1916 gegen die britische Kolonie
in Bewegung. Die Abteilung, die von Jassin
aufgebrochen war und an der Küste des In-
dischen Ozeans vorging, überschritt am 6. Januar
den Moamandi und gelangte dabei in bedroh-
liche Nähe von Mombassa und der Uganda-
bahn. Hier traten ihr die Engländer am 7. und
8. Januar mit etwa 2000 Mann Indern und
schwächeren englischen Abteilungen unter Füh-
rung von einigen englischen Majoren entgegen.
Es kam zu einem scharfen, zweitägigen Ge-
fecht bei Shimba, westlich Mombassa, das den
Engländern und Indern über 280 Mann an
Toten kostete, darunter 2 englische Majore und
2 englische Leutnante, und mit dem Rückzüge
des Feindes in Richtung Mombassa endete.
Die Engländer bezogen westlich vor Kilindini,
dem Hafen von Mombassa, und bei Rabak,
nordwestlich Mombassa, neue stark befestigte
Stellungen und konnten mit eiligst herange-
führten frischen Kräften die Deutschen am wei-
teren Vordringen gegen Mombassa verhindern.
Während nun deutsche Verstärkungen die feind-
lichen Kräfte in der Mombassagegend in Schach
hielten, gingen die übrigen deutschen Abteilun-
gen an der Ugandabahn entlang ins Innere
des feindlichen Gebietes vor. Sie sprengten
dabei Brücken, englische Material- und Panzer-
züge in die Luft, zerstörten auf weite Strecken
den Bahnkörper und die Telegraphenleitungen
und besetzten nach leichteren, für sie glücklichen
Gefechten die größere englische Station Sa.n-
buru und verschiedene kleinere Ortschaften.
Die deutschen Streitkräfte, die vom Kilimandscharo und
von Taveta aus in feindliches Gebiet ostwärts vorgestoßen
waren, trafen hinter Taveta auf stärkere englisch-indische
Abteilungen, die nach kurzen heftigen Gefechten (siehe Bild
Seite 80) in regellose Flucht geschlagen wurden. Ohne
besonderen weiteren Widerstand zu finden, rückten dann
die Deutschen bis in die Buraberge (unweit der Uganda-
bahn) vor. Dort gerieten sie am 3., 4. und 6. Januar
wieder in heftige Gefechte mit starken feindlichen Kräften,
die von ihnen gezwungen wurden, nach schweren Verlusten
eiligst nach Norden zurückzuweichen. Die Deutschen Waagen
ungestüm nach und nahmen um diese Zeit den wichtigen
Festung ausgebaut hatten. Um diese Feste entbrannten
in der Zeit vom 20. bis 28. November ununterbrochene
heftige Kämpfe, in deren Verlauf die Portugiesen einen
schweren blutigen Denkzettel erhielten. Wie selbst feindliche
amtliche Berichte zur Genüge erkennen lassen, wurde die
starke portugiesische Besatzung vollständig vernichtet oder
gefangen genommen. Eine portugiesische _ Hilfskolonne,
die in Eilmärschen herbeigeeilt war, um die in Newala
eingeschlossenen Kämpfer zu entsetzen, wurde in einem
Nach einer Originalzeichnung von Georg Wagenführ.
Die schwache deutsche Truppe zog sich nach Preisgabe dieses
Postens mit ganz geringen Verlusten nach Norden zurück,
nachdem sie ihrem Gegner zuvor eine empfindliche Schlappe
beigebracht hatte. Letzteres ging schon daraus hervor,
daß die Portugiesen nicht wagten, den Deutschen nach-
zurücken, sondern sich in hastiger Weise in dem „eroberten"
Ort verschanzten. Die deutsche Truppe stellte nicht weit
nördlich Newala ihren „Rückzug" ein und wartete dort
Verstärkungen ab. Nachdem sie diese im November in
genügender Zahl erhalten hatte» ging sie wieder gegen
Newala vor, das die Portugiesen, in der Erwartung eines
deutschen Gegenangriffes, mittlerweile zu einer kleinen
zwölfstündigen Gefecht geworfen und in regelloser Flucht
über den Rowuma zurückgeschlagen. Der Posten Newala
war am 28. November wieder im Besitze des Siegers,
dem eine ungemein reiche Beute zufiel.
Andere portugiesische Abteilungen unternahmen in den
Oktober- und Novembertagen verschiedentlich Streifzüge
auf deutschem Schutzgebiet, wobei sie in schamloser Weise
raubten und plünderten und mehrere Dörfer friedlicher
Eingeborenen niederbrannten. Aber lange konnten sie sich
dieses frevelhaften Tuns und Treibens nicht erfreuen.
Deutsche Truppenabteilungen jagten diese portugiesischen
Raubgesellen nach ihrem Auftauchen in kurzer Frist mit
Askari-Hornist von Deutsch-Ostafrika.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Ort Voi, dann Maunau
an der Ugandabahn, süd-
lich davon Sagala und
noch mehrere wichtigere
Orte an der Bahnlinie
oder in deren Nähe in
Besitz. Schwächere deut-
sche Abteilungen hatten
Zwischen Voi und Sam-
buru Anfang Januar
mehrere leichte Gefechte
zu bestehen, die überall
günstig für sie verliefen.
Der Feind, meistens in-
dische Truppen, mutzte
sich stets zurückziehen.
Die tapferen deut-
schen Ostafrikaner waren
nun während eines Teiles
des Januars 1916 Herren
der englischen Uganda-
bahn von Voi bis westlich
Mombassa, auch die neue
englische Kilimandscharo-
kahn Voi—Taveta, die
allerdings nur zum Teil
fertiggestellt war, befand
sich in ihrem Besitz. Das
Innere Britisch - Ostasti-
kas, mit der Hauptstadt
Nairobi, war damit von
der Küste vollständig ab-
geschnitten und der ganze
wichtige Verkehr lahm-
gelegt. Die Aufregung
der Engländer war be-
greiflicherweise sehr grotz,
und sie befürchteten» datz
die Deuts chenno ch grötzere
Gebiete der englischen
Kolonie in ihre Hände
bringen würden. Des-
halb wurde eiligst die bis-
her in Ägypten gestan-
dene 2. südafrikanische
Burenbrigade nach Mom-
bassa geschickt, die gegen Mitte Januar dort gelandet wurde.
Angesichts dieser gut ausgerüsteten Truppenübermacht
zogen sich die Deutschen aus der Samburu- und Mom-
basfagegend beinahe kampflos wieder gegen die deutsche
Grenze zurück. Die Burenbrigade ging nun längs der
Ugandabahn vor und stellte mit ihren Tausenden von far-
bigen Hilfstruppen die zerstörten Teile der Bahn wieder
her. Ende Januar gab die deutsche Schuhtruppe auch Voi
und die anderen Orte auf und rückte ohne besondere Kämpfe
auf ihre Ausgangstellungen im Kilimandscharo- und Ta-
vetagebiet zurück, nach-
dem sie vorher die von
den Engländern fertig-
gestellten Teile der Kili-
mandscharobahn gründ-
lich zerstört hatte. Sie
beschränkte sich aber im
nachfolgenden Monat
Februar nicht nur auf
erfolgreiche Verteidigung,
sondern uuternahm wie-
derum kräftige Vorstöße
gegen die llgandabahn.
Hierbei wurde am 12. Fe-
bruar, wie wir schon kurz,
aber unvollständig be-
richten konnten, die 2.
südafrikanische Brigade
bei Oldorobo, nordöstlich
Taveta, am sogenannten
Salaitahügel, schwer aufs
Haupt geschlagen. Mit
einem Verlust von 172
Toten und 350 Verwun-
deten mutzten sich die
Buren nach mehrstündi-
gemKampfe zurückziehen,
doch waren die Deutschen
gegen Ende Februar ge-
zwungen, wieder auf ihre
Kilimandscharostellungen
zurückzugehen, dadie Eng-
länder weitere Buren-
brigaden nach Ostafrika
schickten.
Nach weiteren, sicheren
Nachrichten bützten die
Engländer in den beiden
Monaten Januar und
Februar in sämtlichen Ge-
fechten über 5000 Mann
an Toten, Verwundeten
und Vermißten ein, da-
von die 2. südafrikanische
Burenbrigade allein 1500
Mann, das ist ein Drittel
ihres Bestandes; ferner verloren sie viel wertvolles Ma-
terial und mehrere stark bemannte Panzerzüge.
Charakterköpfe der Weltkriegsbühne.
Von vr. Frhr. v. Mackay.
1.
Lloyd George als englischer Volksheld.
(Hierzu das Bild Seite 80.)
In Blunystandrvy lebte vor Jahrzehnten und lebt noch
heute ein Schuhflicker und sonderbarer Kauz. Neben seinem
Blick auf Tabora, das am 4. September 1916 vom Feinde besetzt wurde.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
79
Phot. Franz Otto Koch, Berlin.
Eine Abteilung rhodesianischer Truppen, die auf ihrem Vormarsch im dichten
Busch Deutsch-Oftafrikas von den Deutschen vollkommen vernichtet wurde.
Schemel war ein großes Wandloch, vollgepfropft mit
Zeitungen und Erbauungsschriften; gleichsam die Speck-
räucherkammer, aus der er in jeder Arbeitspause seine
geistige Nahrung entnahm, die er beim Nägelklopfen
verdaute, um sie bei seinen sonntäglichen Laien-
predigten wieder nutzbar zu nmchen. Daneben gab
es in dem kleinen, weltabgeschiedenen Waliser Dorf
eine andere Leuchte, einen kongregationalistischen
Schmied und Diakon, einen seltsamen Querkopf,
der immer bereit war, zu beweisen, daß weder
Methodisten noch Baptisten die geringste Bestätigung
ihrer Lehren in der Heiligen Schrift fänden und daß
die Staatskirche ein leibhaftiger Sündenpfuhl der
Ketzerei sei- Und es war noch jemand da in diesem
ländlichen Stilleben: ein kleiner, kraushaariger, auf-
geweckter und lernbegieriger Junge, Tavy gerufen,
der Sohn armer und früh verstorbener Schullehrers-
leute, der hier bei dem Onkel Schuhflicker in beschei-
densten Verhältnissen großgezogen wurde und heute
der erste Mann im britischen Weltreich ist: nämlich
David Lloyd George, der neuernannte Minister-
präsident lsiehe Bild Band IV Seite 418).
Er selbst hat einmal gemeint, jene Schusterwerk-
statt und Schmiede, wo Tag und Nacht die abstrakten
Fragen von diesseitiger und jenseitiger Welt in
den Beziehungen zu Theologie, Philosophie und
Wissenschaft behandelt worden seien und wo kein
Problem zu verwickelt gewesen, um nicht ohne den
geringsten Zweifel gelöst zu werden, sei sein erstes
Unterhaus gewesen. Sicher ist soviel, daß er in
seinem ganzen Leben niemals diese eigentümliche
Vorschule verleugnet hat. Er ließ sich zunächst als
Solicitor, das heißt als eine Art Winkeladvokat
nieder, und vermochte dann durch die Mittel seiner
Beredsamkeit und seines Ansehens bei den Dissenter-
Wählermassen einen Platz unter den Gemeinen sich
zu erobern. Von da ab war er stets der Mann, der,
mit der Jakobinermütze auf dem Kopf, gegen jede
Autorität anrannte und herunterriß, was die Volks-
stimmung geißelte, feierte, was diese bejubelte. Als
die britischen Schiffsgeschütze AleXundria bombar-
dierten, rief er dreifaches Wehe über die barbarischen
Vergewaltiger schwacher Völker und stimmte Lobes-
hymnen auf Arabi Pascha, den „Washington an den
Ufern des Nils", an. Als Schatzkanzler wetterte er
in allen Tonarten gegen die Stadtgrundbesiher,
die „Hausmietewucherer", die „bierbrauenden Volks-
vergifter", die Großgrundbesitzer, die „Schmarotzer
und Drohnen des Landes", gab in billigen Witzen die
shop barony und peerage der Burton, Ardilaun,
Saville, Beauchamp dem Gelächter der Massen preis
und predigte das Evangelium eiues neuen sozialen
Zeitalters der Gerechtigkeit, Gleichheit, Volkswohl-
fahrt. Zur Zeit des Marconiskandals wurde er plötz-
lich, ganz gegen seine Natur, ein sehr stiller Mann:
aus nur zu guten Gründen. Er mußte sich einen
„error iu judgment“ vorwerfen lassen, wie die bieg-;
same englische Doppelmoral Befleckungen der weißen
Weste bei hochgestellten Persönlichkeiten zu entschul-
digen liebt. Er hatte sich als Börsenspekulant er-
wiesen, der „eifriger ans Eeldverdienen als an die
Würde der Negierung und die Verantwortung seines
Amtes dachte"; damals wurden ihm sogar von den
eigenen Parteigenossen gröbste Vorwürfe gemacht.
So vom „Daily Telegraph": er gefalle sich in einer
Wahlmache schauspielerischer Redelünste fünfter
Klasse, die durch ihre Unaufrichtigkeit besonders
widerwärtig wirkten, und er sinke auf die Stufe
schäbiger Gaukelei herab, welche die Bloßstellung
seiner staatsmännischen Unfähigkeit als Feindschaft
gegen seine Gedankentiefe ausgebe. Dann aber
schwemmte ihm zur rechten Zeit der Strom des
Weltkriegs Treibholz zu, an das anklammernd er
sich vor dem Ertrinken retten konnte, ja aus dem
er sich geschickt ein Floß für neuen Stand als
rettender Genius des hochbedrängten Vaterlandes
zu zimmern wußte. Er hielt seine schmetternden
„Zu spät"-Reden, in denen er klarlegte, wie seine
Ministerkollegen in fast vaterlandsverräterischer
Schlaffheit und Fahrlässigkeit alles versäumt hätten,
um die Kriegsrüstung Englands in der nötigen Schnelligkeit
und organisatorrscyen Planmäßigkeit voranzutreiben, und
Phot. Franz Otto Koch, Berlin.
General Smuts, der Kommandeur der englischen Truppen in Ostafrika, besichtigt
von seinem Panzerauto aus das Gelände.
80
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Englische Offiziere beobachten den Verlauf eines Gefechtes an der Tanga—MofchL-ELfenbahn von dem Dache eines Hauses aus.
Nach einer englischen Tarstellung.
ließ sich» um diese Schäden wett zu machen» mit der eigens
für ihn geschaffenen Würde eines Munitionsministers be-
kleiden.
Man sagt, der Mensch wachse mit seinen höheren Zwecken.
Ist das richtig» so darf man sich seltsamer Dinge von Tavys
Regiment versehen. Was hat er auf seiner merkwürdig
verschlungenen Laufbahn geleistet? Man kann ihm nicht
das Verdienst absprechen» erstmals und richtunggebend in
Gemeinschaft mit Asquith gegen die Grundübel der sozialen
Verfassung Englands mutig angekämpft, tatkräftig für
eine durchgreifende Agrarreform sich eingesetzt und durch
eine daran sich anschließende, im Entwurf überaus groß-
zügige Sozialgesetzgebung den Besitzenden und Mächtigen
das Gewissen geschärft, das kategorische Pflichtgebot der
Fürsorge für die Schwachen und die Anerkennung ihrer
gleichen Menschenrechte wieder wirksam in den Mittel-
punkt des politischen Lebens gestellt zu haben. Aber prak-
tisch war seine gerühmte Sozialversicherung in allen Teilen
lediglich eine Nachahmung des deutschen Vorbildes und da,
wo sie auf eigenen Wegen den andersartigen britischen
Verhältnissen sich anzupassen suchte, ein ziemlich stümper-
haftes Flickwerk. Seine Staatshaushaltung war so mangel-
haft, unzuverlässig und undurchsichtig, so sehr auf den
schönen Schein hin und so wenig auf den Boden innerer
Wahrhaftigkeit aufgebaut, daß nicht nur die Parteigegner,
sondern auch die gesamte Fachkritik völlige Zerrüttung der
Staatsfinanzen unter seinem Regiment voraussagten. Hatte
der große Solicitor-Staatsmann dann aber in St. James
genug Brandreden gegen Eeldsackherrschaft und smart sst
unter dem Schlagwort: „Für das Glas Bier des armen
Mannes" gehalten, dann reiste er zu seinen
Landsleuten nach dem Waliser Kohlen-
revier, hielt den Arbeitermassen flam-
mende Wahlmacherreden in der Mund-
art ihrer Heimat und versprach ihnen,
was immer ihr Herz begehrte: Mindest-
löhne, hohen Verdienst bei geringer Ar-
beitszeit, ein Zeitalter der frei in den
Mund fliegenden gebratenen Tauben un-
ter dem Schutz von Lohn- und Betriebs-
verstaatlichung. Demgemäß hatte er seine
Ämter nach dem Kriegsausbruch weiterge-
führt. Seine Idee des Munitionsministe-
riums war zweifellos ein glücklicher Wurf:
treffsicher hat er eine wunde Stelle im
Rüstzeug Englands erkannt und sie nach
Kräften ausgeflickt. Die alte Weise, den
Arbeitern alle möglichen Versprechungen
zu geben, deren Einlösung ihm keine
Sorge machte, setzte er auch weiterhin
fort und paktierte so auch heute mit den
Gewerkschaftlern und Sozialisten wie mit
seinesgleichen, muß aber sehen, daß
Lloyd George, der englische Diktator.
ihm gerade von dieser Seite der größte Argwohn ent-
gegengebracht wird. Dafür genießt er scheinbar desto un-
bedingter das Vertrauen der Rechten. Das Unerhörte
wird Ereignis. Er, der einstmalige Draufgänger von der
äußersten Linken, schart einen Ministerausschuß unter
liberaler Flagge um sich, der in Wahrheit ein echtes rechtes
Torykabinett bildet! Man muß diesen Volkshelden in seiner
Redebetriebsamkeit gesehen haben, um seinen Charakter
oder vielmehr seine Charakteruntiefen zu verstehen. Eine
untersetzte schmiegsame Gestalt, bekrönt von einer Fülle
Zurückgestriegelten braunen Haares, eine vorspringende,
durchfurchte, von übersprudelndem Temperament zeugende
Stirn, ein unruhig flackerndes Auge» ein bärbeißiger Schnurr-
bart, wie Windmühlenflügel gestikulierende Arme; ins
Oberhaus aufgenommen muß er sich unter den Pairs aus-
nehmen wie spritziger leichter Apfelmost unter abgelagerten
Burgunderflaschen. AIs Cozialgesetzgeber hat er Deutsch-
lands vorbildliche Refornwrbeit überschwenglich gelobt, frei-
lich auch gelegentlich, so bei der Marokkokrise, „zerschmet-
ternde" Brandreden gehalten, die wie Kriegserklärungen
an Berlin anmuteten. Als er aber darüber von Balfour zur
Rede gestellt wurde: „Sie sagten mir doch, Sie wollten eine
Friedensrede halten!", antwortete er: „Gewiß, und das tat
ich auch!" — „Aber Sie haben ja eine Kriegsrede gehalten!"
Tavy ist eben so wenig Diplomat, so sehr walisischer Hitzkopf
und Schwärmer, daß ihm jedes Unterscheidungsvermögen für
die Bedeutung und Wirkung seiner Reden und Handlungen
über den engen Gesichtskreis der Parteirichtung, in deren
Fahrwasser er jeweils schwimmt, fehlt, eben darum aber stets
ein handgerechtes Werkzeug für die Drahtzieher hinter den
Kulissen der politischen Bühne. Und mehr
als die Rolle eines Briand oder eines ins
Bürgerlich-Englische übersetzten Boulan-
ger dürfte ihm auch jetzt nicht zufallen, mag
immer er durch Reden gegen den Frieden,
„die kalt wie Eisen und voll Grauen
wie tiefe Nacht sind", als echter, rechter
Demagoge sich bewähren. Der Triumph
Preußens, so hat er gemeint, würde dahin
führen, daß die Menschheit hilfios im
Sumpf stecken bliebe. England schiebt stets
die Menschheit vor, wenn es ihm selbst um
seine Sache angst wird; aber keine Wahr-
scheinlichkeit spricht dafür, daß gerade der
Streber um jeden Preis, Lloyd George, be-
fähigt sein sollte, das britische Reichsgefährt
aus dem Sumpf zu ziehen. Im Gegenteil!
Sieht man wie die- Schatten größerer Män-
ner hinter ihm sich erheben, im „innerenKa-
binett" ein Curzon und Milner, im äußeren
ein Carson, so gedenkt man des britischen
Mahnworts: Siehe, die Füße derer, die dich
hinaustragen» stehen vor der Tür!
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
<F»rtfttz«»g.>
Wie sehr sich alle Kulturvölker, die am Krieg nicht be-
teiligten ebenso wie die beteiligten, nach dem Frieden sehnten,
trat deutlich in die Erscheinung, nachdem die Mittelmächte
und deren Verbündete mit einem Friedensangebot hervor-
getreten waren Nie bisher hatte auch ein Krieg solche
Opfer gekostet und solche Umwälzungen in den gesamten
Beziehungen der Völker untereinander hervorgerufen wie
der Weltkrieg während der Jahre 1914 bis 1916 Was er
allein an Menschen gekostet' hatte, wurde aus den Veröffent-
lichungen einer „Gesellschaft für soziale Erforschung der
Folgen des Krieges" in Kopenhagen gegen Ende Dezember
bekannt Danach büßten bis zu den letzten Wochen des
Jahres 1916 über 4,6 Btillionen Menschen durch den Krieg
ihr Leben ein. Das waren weit mehr, als in allen europäi-
schen Kriegen zusammen seit der Zeit Napoleons, diese ein-
geschlossen, gefallen waren. Napoleons Kriege, die sich
über einen Zeitraum von 25 Jahren erstreckten, forderten
2,1 Millionen Tote, der Deutsch-Französische Krieg 184 000,
der Russisch-Japanische Krieg 160 000. Auf den Tag be-
rechnet starben durch die Napoleonischen Schlachten etwa
235 Menschen täglich, im Deutsch-Französischen Kriege 875,
im Russisch-Japanischen Kriege 292, im Weltkriege dagegen
6336. Ähnliche Verhältnisse ergaben sich hinsichtlich der
Verwundeten und Invaliden; die Gesamtzahl aller Ver-
wundeten wurde auf 11,2 Millionen, die der Invaliden auf
3,4 Millionen berechnet. Auf vollkommene Genauigkeit
können diese Zahlen natürlich keinen Anspruch erheben, weil
nicht alle am Kriege beteiligten Staaten vollständige Ver-
lustlisten veröffentlichten. (Siehe auch den Artikel auf
Seite 48.)
Trotz aller Friedensehnsucht fand das Angebot bei den
Negierungen und der Presse der den Mittelmächten feind-
lichen Länder heftige Zurückweisung. Besonders in Frank-
reich wurde dagegen geeifert. Die Schärfe der Kritik, die es
dort fand, wurde höchstens noch von der Beurteilung übertrof-
fen, die die russische Regierung dem Friedensangebot wider-
fahren ließ. Aber ebenso wie in Rußland, sprach in Frank-
reich nur die Regierung und die Hetzpresse, nicht aber das
Volk, das die Riesenopfer gebracht hatte. In England war
es übrigens kaum besser. Lloyd George hatte sich nicht an
die Spitze der Negierung gestellt, um Frieden zu schließen,
sondern uni den Krieg mit äußerster Heftigkeit weiterzu-
führen. Jedoch aus den englischen Schützengräben drangen
andere Stimmen zu uns. Wie aus den Aussagen eng-
lischer Gefangener hervorging, hatte man dort zuversicht-
lich mindestens auf Verhandlungen gehofft und war nun
schwer enttäuscht. Man kann es daher verstehen, daß
die Kriegstreiber sich gestört fühlen mußten, als am 22. De-
zember den kriegführenden Mächten eine Note Wilsons,
des amerikanischen Präsidenten, überreicht wurde, die eben-
falls der Herbeiführung des Friedens dienen sollte und so-
mit den Schritt der Mittelmächte unterstützte. In dieser
Note wurde angeregt, auf Grund der von beiden Par-
teien bekanntzugebenden Friedensbedingungen in Unter-
handlungen einzutreten und die Ansichten über die Vor-
kehrungen mitzuteilen, die gegen eine Wiederholung des
Krieges eine zufriedenstellende Bürgschaft leisten könnten.
Wilsons Schriftstück hatte ein ähnliches Schicksal wie die vor
ihm ergangene Friedensnote. Es fand eine ziemlich kühle
Aufnahme und begegnete besonders in den . Ländern des
Vierverbands großem Mißtrauen.
■ Die Antwort der deutschen Negierung auf diese An-
regung erfolgte schon am 26. Dezember. In ihr wurde
mitgeteilt, daß der kaiserlichen Regierung ein unmittelbarer
Gedankenaustausch als der geeignetste Weg erschiene, um
zu dem gewünschten Ergebnis zu gelangen. Cie beehre
sich daher, im Sinne ihrer Erklärung vom 12. Dezember,
die zu Friedensverhandlungen die Hand bot, den alsbaldigen
Zusammentritt von Delegierten der kriegführenden Staaten
an einem neutralen Orte vorzuschlagen.
Wilsons Note an die Kriegführenden war unmittelbar
eine Note gleicher Art von dem schweizerischen
Bundesrat gefolgt. Die Bestrebungen des amerika-
nischen Präsidenten fanden darin freudige Unterstützung.
Sie war geboren aus der tiefgehenden Friedensehnsucht
der Schweiz, „die wie eine Insel inmitten der Brandung
des schrecklichen Völkerkrieges gelegen und in ihren ideellen
und materiellen Interessen auf das empfindlichste bedroht
und verletzt sei". Auch der schweizerische Bundesrat er-
klärte sich bereit, mitzuhelfen, um den Leiden des Krieges»
die ihm durch Berührung mit den internierten Schwer-
verwundeten und Evakuierten täglich vor Augen geführt
würden, ein Ende zubereiten. Die deutsche Negierung ant-
wortete darauf im Sinne ihrer Erwiderung an Wilson und
hob dabei hervor, daß es ihr hoch-willkommen sein würde, wenn
die Schweiz zur Sicherung des Weltfriedens beitragen wolle.
Nach einer französischen Darstellung.
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika» Covr, 1917 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.
VI. Band fl
82
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Einige Tage später lief bei den Kriegführenden auch
eine Friedenskundgebung der drei skandinavi-
schen Reiche, Dänemark, Norwegen und Schweden,
ein, in der sie ihre wärmste Sympathie für alle Bestre-
bungen, dem Kriege ein baldiges Ende zu machen, aus-
sprachen.
Diese Haltung der neutralen Staaten bewies, daß die
Mittelmächte mit ihren Verbündeten durchaus auf dem
rechten Wege waren, als sie der Welt die Segnungen des
Friedens zurückgeben wollten, nur ihre Gegner verschlossen
sich noch immer hartnäckig der Einsicht.
Um die Jahreswende erfolgte endlich die Antwort des
Vierverbandes auf das Friedensangebot. Es war nicht leicht
gewesen, die widerstreitenden Ansichten und Interessen der
einzelnen Regierungen in eine alle befriedigende Form zu
bringen und damit die „Einigkeit" des Vielverbandes zu
beweisen. Am 30. Dezember wurde die Antwort dem Bot-
schafter der Vereinigten Staaten in Paris zur Mermittlung
an die Mittelmächte übergeben. Wie es nach den voraus-
gegangenen Äußerungen der Staatsmänner des Verbands
nicht anders zu erwarten war, lautete sie ablehnend, und in
ihr fanden sich fast alle unwahren Beschuldigungen wieder,
die seit Beginn des Krieges gegen Deutsch-
land erhoben worden waren, das als
Friedenstörer hingestellt wurde.
So blieb leider nichts anderes übrig,
als den Kampf fortzuführen und zu ver-
suchen, den Vierverband durch kräftiges
Vorgehen an den ausschlaggebenden Fron-
ten zum Eintritt in Friedensverhandlun-
gen und zu einer vernünftigeren Auffas-
sung der ganzen Lage zu zwingen.
Der Hauptstoß des Jahres 1916» den
Franzosen und Engländer an der deutschen
Westfront ausführten, war bestimmt ge-
wesen, einen Umschwung in der Kriegslage
hervorzubringen. Das war nicht gelungen,
und die feindlichen Militärkritiker, die um
die Jahreswende einen Rückblick auf die
Ereignisse warfen, konnten sich der Tatsache
nicht verschließen, daß die Unternehmun-
gen des Verbandes von wenig Glück be-
gleitet gewesen waren. Der russische An-
sturm, der im Mai den Österreichern und
Ungarn im ersten Anprall einigen Ge-
bietsverlust gebracht hatte, war trotz mo-
natelanger Kämpfe nicht weiter vorange-
kommen, und die ungeheuren Anstren-
gungen in der Sommeschlacht hatten
die deutsche Front nur um ein geringes
zurückdrücken können, ohne strategisch aus-
wertbare Punkte zu erreichen. Die große
Schlacht war trotz aller Opfer in sich
Zusammengebrochen. Zwar donnerten im-
mer noch französische und englische Ge-
schütze zu beiden Seiten der Somme, im-
mernoch stiegen nachts Leuchtgranaten und Raketen auf, fuh-
ren zischend hoch in die Luft und verbreiteten für Augenblicke
strahlende Helle (siehe Bild Seite 81), aber die Kämpfe waren
bei weitem nicht mehr so heftig, wie sie Monate hindurch ge-
tobt hatten. Die Franzosen rasteten nach vergeblichen Kämpfen
gegen den St.Pierre-Vaastwald und die Sailly-Saillisel-Stel-
lung, und die Engländer konnten der Hügelstellung von Mar-
len court weder aus dem Süden noch zu beiden Seiten der
Ancre von Westen her näher kommen. Am 18. Dezember
lebte auf beiden Seiten der Somme das Minenwerfer- und
Eeschützfeuer wohl stärker auf, aber zu größeren Infanterie-
vorstößen kam es nicht. Auch am übernächsten Tage stei-
gerte sich die Artillerietätigkeit infolge klaren Wetters ganz
bedeutend. Die Geschosse richteten in den deutschen Stel-
lungen manchen Schaden an; Bäume zersplitterten und
stürzten in und über die offenen Gräben (siehe Bild Seite 83
oben), Erdschollen und Eesteinsmassen wurden aufgewir-
belt, Drähte, Bohlenstücke und Sandsäcke in wirren Haufen
durcheinandergeworfen, und häufig mußte die Besatzung
der Stellungen verschüttete Kameraden ausgraben.
Die Deutschen dagegen unternahmen einen kräftigen
Jnfanterievorstoß bei Horgny, unweit Villers-Carbonnel,
einer kleinen Ortschaft westlich der Somme an der schnur-
geraden Straße von St. Quentin nach Amiens. Er wurde
nach schwerem deutschem Wirkungsfeuer von Eardegrena-
dieren und ostpreußischen Musketieren ausgeführt, die weit
in die feindliche Stellung einbrachen.' Dort zerstörten sie
eine Anzahl Unterstände durch umfangreiche Sprengungen
und kehrten dann befehlsgemäß in ihre Gräben zurück. Die
Beute des wagemutigen Vorgehens betrug 4 Offiziere und
26 Mann an Gefangenen und 1 Maschinengewehr.
Am selben Tage versuchten die Engländer, zwar nicht
unmittelbar an der Sommefront, aber doch noch im Ab-
schnitt der Heeresgruppe des bayrischen Kronprinzen, bei
Arras eine ähnliche Unternehmung. Sie beschossen lange
Zeit und lebhaft das für den Angriff bestimmte deutsche
Stellungstück und stürmten schließlich mit starken Kräften
unter Einsetzung ihrer Riesenpanzerautomobile (siehe die
Bilder Seite 83 unten und 84/85) an der Straße Arras-Lens
vor. Vier-, an anderer Stelle fünfmal suchten sie an die zer-
schossenen deutschen Gräben heranzukommen; immer wieder
wurden sie abgeschlagen, und immer von neuem griff die
englische Artillerie mit ein. Schließlich gelang ein Einbruch
in den vordersten deutschen Graben, doch bald nachher
wurden die Feinde daraus vertrieben.
Bis zum Jahresende blieb dann das feindliche Artillerie-
feuer an der Somme im Gange, doch
entwickelte es sich nur ganz gelegentlich
zu größerer Heftigkeit. Durchbruchver-
suche wurden nicht unternommen; die
Feinde gaben stillschweigend die Somme-
schlacht verloren. Das war ein großer
Gewinn für die Deutschen und bedeutete
den vollen Sieg ihrer Verteidigung. Sie
rechneten indessen mit weiteren Angriffen
und bauten deshalb eifrig ihre Stellungen
neu aus. Lange Auto- und Tragtier-
kolonnen mit Munition rückten hinter der
ganzen Front an die vorderen Linien
heran (siehe die Bilder Seite 86) und
brachten neue Vorräte. Ende Dezember
war die deutsche Front an der Somme neu
ausgebaut und so fest wie vor der großen
Dauerschlacht. Die Feinde hätten bei
einem nochmaligen ernsten Durchbruch-
versuch dieselben Schwierigkeiten über-
winden müssen, die sich ihnen beim ersten
Male entgegengestellt hatten; sie würden
aber jedenfalls mit noch höheren Ver-
lusten zu rechnen gehabt haben. —
Im Bogen von Ppern und Wyt-
schaete waren die Engländer im letzten
Drittel des Dezembers mit besonderem
Nachdruck tätig. Am 22. Dezember
flammte dort das Artilleriefeuer gewal-
tig auf. Als die Engländer glaubten,
die Beschießung habe die erhoffte Wir-
kung getan, brachen sie beiderseits Wieltje
mit großen Jnfanteriemassen gegen die
deutschen Linien vor. Nur zu bald sollten
sie erfahren, daß ihre Berechnung falsch war, denn sie gerieten
in ein vernichtendes Abwehrfeuer. Aü einer Stelle nur
gelangten die Feinde in die Nähe der deutschen Gräben.
Hier wurden sie von den Verteidigern erwartet, und sogleich
entwickelte sich ein Nahkampf, in dem neben Handgranaten
und Gewehrkolben auch Spaten als Waffen dienten. Da
suchten die Angreifer ihr Heil in der Flucht. Wie hier in
der Abwehr, so waren an diesem Tage deutsche Truppen
südlich von Boesinghe auch im Angriff erfolgreich. Sie
drangen in die feindlichen Stellungen, die infolge des
vorausgegangenen Artilleriefeuers zum Teil schon verlassen
waren, ein, machten Gefangene und erbeuteten Maschinen-
gewehre und andere Kriegsgeräte.
In den Weihnachtstagen setzten die Engländer ihre An-
griffe fort. Diese wurden regelmäßig durch starke Artillerie-
tätigkeit eingeleitet, worauf dann die Infanterie vorging.
Aber in keinen: Falle führten die Unternehmungen zu dem
erstrebten Ziele. —
Nach dem Abflauen der Sommeschlacht waren die Fran-
zosen auf dem von ihnen besetzten Teile der Westfront noch
regsamer, als dje Engländer auf dem nördlichen Teil des
westlichen Kriegschauplatzes. In der Gegend von Soissons,
stärker noch in der Champagne, in den Argonnen und um
Verdun steigerte sich die Kampftätigkeit außerordentlich. Die
Phot. Leipziger Presse-Büro.
In voller Ausrüstung gefangen genom-
mener französischer Soldat.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
83
Schlacht von Verdun
trat auf beiden Maas-
ufern in einen neuen
Abschnitt. Auf dem öst-
lichen Ufer hatten die
Franzosen unstreitig Er-
folg. General Nivelle,
der schon Ende Oktober
mit gutemGelingen einen
Angriff zur Wiedererobe-
rung der Forts, die in
der Gewalt der Deutschen
gewesen waren, durch-
führte, hatte fast zwei
Monate lang ein neues
Unternehmen vorbereitet
und in dieser Zeit Tag und
Nacht mit Geschütz- und
Minenwerferfeuer nicht
gespart. Am 17. und
18.Dezember stießen seine
Truppen wuchtig vor und
erzwangen eine Zurück-
verlegung der Linie der
Deutschen, die in ihren
völlig zerschossenen bis-
herigen Stellungen den
Sturm nicht mehr aufhal-
ten konnten. Bei einem
Gegenangriff glückte die
Rückeroberung des Gutes Chambrettes, doch ging es nach-
träglich wieder verloren. In der großen Schlacht büßten
die Verteidiger naturgemäß viel Material ein und erlitten
auch entsprechende Verluste. Doch hatten die Franzosen
ebenfalls schwere Einbußen, und sie vermochten infolge-
dessen nicht, auch die vorbereitete zweite deutsche Linie,
die aus günstigen Hügelstellungen von der Maasschleife bis
Bszonvaur bestand, zu nehmen. Ihr Gewinn an Gelände
löste noch lange nicht den dichten deutschen Stellungsgürtel
um Verdun, den deutsche Tatkraft auf dem Feinde ab-
gerungenem Gelände im Jahre 1916 hier errichtet hatte.
Die deutschen Ausgangstellungen der Februarangriffe 1916
lagen auf der ganzen neuen Linie immer noch 7 bis
10 Kilometer weit zurück. Die Franzosen richteten auch gegen
die übrigen noch im Besitz der Deutschen befindlichen Linien
um Verdun stärkstes Artilleriefeuer, doch trotz aller An-
strengungen konnten sie keinen Schritt weiter vorkonrmen.
Ihr Feuer suchte sogar Ziele weit hinter den deutschen
Stellungen und richtete mitunter in französischen Dörfern
große Verheerungen an; wie in Vory (siehe Bild Seite 87),
so bildeten oft auch die
Gebäude in anderen Or-
ten nur Trümmerstätten.
Konnten sich die Fran-
zosen auf dem östlichen
Maasufer guter Fort-
schritte rühmen, so sahen
sie sich auf dem westlichen
hart bedrängt. Hier un-
ternahmen die Deutschen
neue Stürme und sicher-
ten sich wertvollen Ge-
winn. Der Erfolg des
6. Dezembers, der auf
dieser Front den Besitz
der ganzen Höhe 304
brachte, sollte ausgebaut
werden. Planmäßig ging
der deutsche Angriff nach
äußerst wuchtiger Vorbe-
reitung durch Artillerie
am 28. Dezember vor sich.
Am Abhang der Höhe 304
und am Südhang des
„Toten Mannes" griffen
Teile der Jnfanterieregi-
menter 13 und 155 und
des Füsilierregiments 37
an, drangen bis in die
zweite und dritte feind-
Phot. Preffe-Photo-Vertrieb, Berlin.
Schützengraben Lm Westen nach schwerern Minen- und Artilleriefeuer.
liche Linie vor und führten 222 Mann und 4 Offiziere als
Gefangene (siehe Bild Seite 82) neben 7 Maschinengewehren
zurück. In den eroberten Gräben wurden Gegenstöße der
Franzosen vollständig abgewehrt.
Das schwere Feuer der Deutschen lag aber nicht nur auf
den Höhen „Toter Mann" und 304, sondern auch auf den
gegnerischen Stellungen gegen die Argonnen hin auf dem
Südrand des Waldes von Cheppy und bei Avocourt. Auf
weitem Raume wurden die französischen Hindernisse ver-
nichtet. Als die deutschen Kämpfer an den vielunistrittenen
Hügeln durch den von langen Regengüssen aufgeweichten
Boden zum Vorstoß ansetzten, trafen sie auf der einen Kilo-
meter breiten Angriffsfront nur auf wenige Feinde, woraus
sich die verhältnismäßig kleine Zahl der Gefangenen erklärt.
Welcher Geist die deutschen Truppen beseelte, läßt sich daran
erkennen, daß sie nur mit Mühe davon abgehalten werden
konnten, über die vorher bestimmten Punkte hinauszu-
stürmen. Ani Walde von Cheppy und bei Malancourt
gingen gleichzeitig deutsche Erkundungstruppe vor; Württem-
berger und Badenser holten eine Anzahl Gefangener aus
Die Fahrspuren der englischen Riesen-Panzerwagen, der sogenannten Tanks.
Nach einer englischen Darstellung.
Englische Riesen-Panzerwagen, sogenannte «Tankst !m Kampf an der Sommefront.
Nach einer französischen Darstellung
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. A. Grohs, Berlin.
Deutsche Tragtierkolonne mit Jnfanteriemunition durchschreitet den Ort Lebocourt im Westen.
den feindlichen Stellungen, die sie Zerstörten. — In den
anderen Gebieten der Front tarn es ebenfalls hier und
da zu Zusammenstößen. Bei Nouvion bliesen die Fran-
zosen am 20. Dezember Gas ab; als dann aber starte
Abteilungen vorbrachen, gerieten sie in heftiges deutsches
Abwehrfeuer und mußten unter bedeutenden Verlusten
zurückkehren. — Am 22. Dezember glückten deutsche Pa-
trouillenrmternehmungen in den Vogesen nordwestlich von
Münster, wo die Aushebung eines französischen Sappen-
postens gelang. Bei Frapelle, östlich von St. Dio und
südlich des Rhein-Rhone-Kanals richteten die Franzosen
starkes Vorbereitungsfeuer auf die deutschen Linien;
nichtsdestoweniger wurde ihre Infanterie, die danach in
großer Starte anzugreifen suchte, mit schwersten Verlusten
zurückgeworfen. Wensowenig Glück hatten französische
Streiftruppe an der A i s n e am 29. Dezember.
Im Lustkampf ver-
loren die Franzosen am
20. Dezeinber allein im
Sommegebiet sechs Flug-
zeuge, aber auch durch
Abschuß von der Erde aus
hatten sie Verluste. Die
deutschen Abwehrge-
schütze, die, häufig auf
Kraftwagen aufgestellt,
den Fliegern mit großer
Schnelligkeit folgten
(siehe Bild Seite 89),
wurden von den feind-
lichen Fliegern mit Recht
sehr gefürchtet. Der 26.
Dezember war ein be-
sonders heißer Tag der
Luftkämpfe trotz des un-
günstigen Wetters. Die
Deutschen verloren zwei
Flugzeuge; eines imLuft-
tampf und eines durch
Absturz. Die Gegner
büßten neun Flugzeuge
ein; davon stürzten sechs
hinter den deutschen Li-
nien ab oder wurden dort
zur Landung gezwungen,
ein anderes lag 50 Meter vor den deutschen Gräben, und die
Vernichtung der restlichen zwei tonnte einwandfrei beobachtet
werden, obwohl sie hinter den feindlichen Linien auf die Erde
fielen. Am 27. Dezember wurden wieder acht feindliche Flug-
zeuge in weit über hundert Lufttämpfen von den Deutschen
zunl Absturz gebracht. Dabei tat sich Hauptmann Zander be-
sonders rühmlich hervor. Einer seiner besten Kameraden,
Leutnant Leffers, Ritter des Ordens Pour le Merite, fand
an diesem Tage den Heldentod. Er gehörte zu den her-
vorragendsten deutschen Jagdfliegern und hatte neun Gegner
abgeschossen, ehe er selbst ein Opfer des Lufttampfes
wurde (siehe die Bilder Seite 88). —
Wie in der Luft, so errangen die Deutschen auch zur See
wieder eine große Anzahl bedeutender Erfolge. In den
letzten Monaten des Jahres hatte der deutsche U-Kreuzer-
krieg die Verluste der
Kriegs- und Handelsflot-
ten der Feinde abermals
beträchtlich gesteigert. Mit
dem Untergang des „ Suf-
fren" waren den feind-
lichen Kriegsflotten ins-
gesamt 192 Schiffe von
zusammen 744 600 Ton-
nen verloren gegangen;
hierzu zählten alle Krieg-
schiffarten, aber leine
Hilfskreuzer und für Hilfs-
kriegzwecke eingestellten
Schiffe und Fahrzeuge
der Handelsmarinen.
England war an dem
Verlust mit 123 wirtlichen
Kriegschiffen von über
563 000 Tonnen betei-
ligt, Frankreich mit 29
Schiffen von über 53 000
Tonnen, Italien mit 20
Schiffen von mehr als
69 000, Rußland mit 16
Schiffen von über 54 000
und Japan mit 4 Schiffen
von 9100 Tonnen.
Das bisherige höchste
Ergebnis des Tauchboot-
trieges gegen Handel-
schiffe, das im Oktober
Phot. A. Grohs, Berlin. 1916 erreicht war, wurde
Tragtier mit Jnfanteriemunition begibt sich durch einen Laufgraben in eine vordere Stellung im Westen. im Rovember N0ck) UM
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
87
15 000 Tonnen überboten und betrug insgesamt 408 600
Tonnen; darunter waren 53 neutrale Handelsfahrzeuge von
über 94 000 Tonnen, die wegen Beförderung von Bannware
zum Feinde versenkt wurden. Die feindlichen Handelsflotten
waren mit 138 Fahrzeugen von 314 500 Tonnen beteiligt,
davon sind 244 000 Tonnen englischen Ursprungs. Damit
waren seit Kriegsbeginn durch kriegerische Maßnahmen der
Mittelmächte 3 636 500 Tonnen feindlichen Handelschiffs-
raums verloren gegangen, davon 2794 500 Tonnen englische
Schiffe. Die englische Handelsflotte hatte so einen Ausfall
von etwa 12,3 Prozent ihrer Eesamttonnage erlitten und sah
sich in ihrer Aufgabe, Nahrungsmittel für die englische Be-
völkerung und Rohstoffe für die englische Industrie herbeizu-
schaffen, erheblich beeinträchtigt. Der ganze versenkte feind-
liche Schiffsraum überstieg weit die Hälfte des Eesamt-
bestandes der deutschen Handelsflotte; er betrug 67 Prozent
ihres Eesamtraumgehaltes. Der feindliche Verlust zählte
noch eine halbe Million Tonnen mehr, als die ganze
Handelsflotte Frankreichs im Frieden. Einen hervorragen-
Der Versuch wurde unternommen, obwohl die Kohlen-
und Kesselwasservorräte des Dampfers gering waren und
ein Gelingen des Planes nur bei langsamer Fahrt voraus-
gesetzt werden konnte. Eine Prisenbesatzung von 7 Mann
unter dem Befehl des Oberleutnants zur See d. R. Hashagen
ging auf den erbeuteten Dampfer und beaufsichtigte bei der
Reise des Schiffes nach Deutschland die russische 48 Mann
starke Besatzung. Die russischen Offiziere wurden in das
ll-Boot gebracht. Die Fahrt verlief durchaus nicht glatt;
ein schwerer Orkan zwang zum Beidrehen. Das mit Muni-
tion überladene Schiff rollte um 40 Grad nach jeder Seite,
so daß die massigen Spritzer der schweren gebrochenen
Wellen selbst über den Schornstein hinfluteten (siehe die
Kunstbeilage). Bei der Weiterfahrt wurden die Kohlen
immer knapper, ein orkanartiger Weststurm trieb das Schiff
in einer Nacht 65 Meilen aus der Kursrichtung ab, und
zum llberfluß weigerten sich die russischen Heizer, ihren
Dienst weiter zu versehen. Die Tatkraft des deutschen
Kommandanten sorgte dafür, daß trotzdem die Reise fort-
Rast vor der Kirche von Very vor Verdun.
Nach einer Originalzeichnung des der Kranprinzenarmee zugeteilten Kriegsmalers Jos. Correggio.
den Anteil daran hatte Kapitänleutnant Valentiner (siehe
Bild Seite 91 unten), der bisher insgesamt 128 Schiffe
mit 282000 Tonnen versenkte, darunter auch verschiedene
Einheiten der feindlichen Kriegsflotten.
Und noch immer rasteten die deutschen Tauchbootkomman-
danten nicht. Gegen Ende des Jahres wurden Einzelheiten
über eine seemännische Glanzleistung bekanntgegeben, die zu
den spannendsten und inhaltreichsten des ganzen D-Kreuzer-
krieges gehört. Ein deutsches Boot brachte im Nördlichen
Eismeer den der russischen Freiwilligen Flotte angehörigen
3871 Tonnen großen Dampfer „Suchan" auf. Später stellte
sich heraus, daß es der Dampfer „Spezia" der Hamburg-
Amerika-Linie war, der bei Kriegsausbruch im Hafen von
Wladiwostok lag und dort von den Russen beschlagnahmt
wurde. Weil der russische Kommandant funkentelegraphische
Hilferufe aussenden ließ, als ihn das deutsche ll-Boot zum
Anhalten aufforderte, erhielt das Schiff einen schweren Gra-
nattreffer in den Kollisionsraum. AIs der Führer des U=
Bootes, Kapitänleutnant Buß (siehe Bild Seite 90), erfahren
hatte, daß das russische Schiff 6800 Tonnen Explosivstoffe an
Bord hatte, beschloß er, diese wertvolle Beute nicht zu ver-
senken, sondern sie nach einem deutschen Hafen zu bringen.
gesetzt werden konnte. Die Russen bemächtigten sich dann
der Weinvorräte des Schiffes und betranken sich, worauf
der Kommandant sämtliche alkoholischen Getränke über
Bord werfen ließ. Auf der Höhe des Skagerraks mußte
das Schiff nochmals infolge eines schweren Sturmes bei-
drehen. Als es nachher glücklich in einem deutschen Hafen
festgemacht hatte, war der Kohlenvorrat auf eine halbe
Tonne zusammengeschmolzen.
Die Ladung des direkt aus Amerika gekommenen Schiffes
bestand aus Geschossen, Pulver, hochwertigen Sprengstoffen,
Zündern, Autos, Bleibarren, Eisenbahnschienen, Sohlen-
leder und Stacheldraht. Ihr Wert betrug über 20 Millionen
Mark. Allein die Eeschoßmunition an Bord des „Suchan"
belief sich auf eine Menge, die der Wochenproduktion der
gesamten russischen Kriegsindustrie gleichkam. Zu erwähnen
wäre noch die Tatsache, daß zu der Ladung auch 147 Stahl-
flaschen mit einer Flüssigkeit zur Erzeugung giftiger Gase
gehörten.
* *
*
Auf dem italienischen Kriegfchauplaße dauerte die Ruhe
wie in den Vorwochen an. Die Klagen Cadornas über das
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Berl. Jllustrat.-Gej. m. b. H.
Leutnant d. R. Gustav Leffers, Ritter des Ordens
Pour le Merite, am 27. Dezember 1916 im Luft-
kampf gefallen.
für kriegerische
Unternehmun-
gen ungünstige
Wetter waren
um diese Zeit
gerechtfertigt.
Schwere Stür-
me brausten
über die Gipfel
der Berge da-
hin, und unge-
wöhnlich große
Schneemassen
machten weite
Gebiete un-
gangbar. La-
winen brachen
vielerorts los,
zahlreiche Un-
terstände wur-
den eingedrückt,
Drahtverhaue
verweht, Tele-
phonverbin-
dungen unter-
brochen und
ganze Weg-
strecken, die mit
vieler Mühe er-
baut waren,hin-
weggerissen. Im Küstengebirge schwemmte der ununter-
brochene dichte Regen rote Erde in die Schützengräben und
verschlammte sie knietief. Unablässig hatten die Truppen
auf beiden Seiten damit zu tun, sich der Wetterunbilden zu
erwehren, und die kriegerische Tätigkeit blieb fast nur auf
Erkundungen beschränkt. Patrouillengänge konnten trotz
aller Schwierigkeiten nicht unterlassen werden, sie waren
auch insofern nötig, als gefangene und übergelaufene
Italiener berichteten, ihre Heeresleitung treffe unifang-
reiche Vorbereitungen zur baldigen Wiederaufnahme der
Kämpfe am Jsonzo. —
Zur See hatten vier österreichisch-ungarische Torpedo-
boote in der Nacht auf den 23. Dezember ein für sie glück-
lich verlaufenes Zusammentreffen mit italienischen Streit-
kräften. Sie versenkten in der Straße von Otranto zwei
feindliche llberwachungsdampfer durch Artilleriefeuer. Auf
der Rückfahrt verlegten ihnen wenigstens sechs feindliche
Torpedobootzerstörer den Weg. In dem sich entspinnenden
heftigen Geschütz-
kampf wurde ein
italienischer Zerstö-
rer in Brand ge-
schossen und blieb
liegen, drei andere
erhielten auf kurze
Entfernungen
mehrmals Treffer
und ergriffen die
Flucht. Die k. u. k.
Zerstörer dagegen,
denen der Durch-
bruch glänzend ge-
lungen war, hatten
nur einen Toten
und keine Verwun-
deten; eines ihrer
Schiffe wies zwei
Treffer im Schorn-
stein auf, ein an-
deres einen solchen
in den Aufbauten.
Auf den tür-
kischen Schau-
plätzen machte sich
wieder eine erhöhte
Eefechtstätigkeit
bemerkbar. Die
Engländer fühlten
Phot. Berl. Jlluftrat.-Gef. m. b. H.
Hauptmann Zander, einer unserer erfolgreichen
Luftkämpfer. der sich in den Kämpfen am 27. De-
zember 1916 besonders auszeichnete.
Ein südwestlich von Lille gelandeter
am 22. Dezem-
ber in der Rich-
tung auf El
Arisch inAgy fi-
ten vor und
stießendabeiauf
den Widerstand
zweier türki-
schen Batail-
lone. Infolge
ihrerllbermacht
gelang es den
Engländern,die
Türken zurück-
zudrängen. Sie
meldeten dann
den Vorfall in
einer Weise, als
ob sie einen
großen Sieg er-
rungen hätten,
und gaben an,
große Beute ge-
macht zu haben.
— Etwas stär-
ker traten die
Engländer an
der Jrakfront
hervor. Sie un-
ternahmen wie-
derholt Vorstöße in der Richtung auf Kut-el-Amara und be-
schossen vom 22. Dezember an planmäßig die türkischen Stel-
lungen. Als sie dann am 25. Dezember zum Angriff vorgin-
gen, wurden sie aber unter Hinterlassung zahlreicher Gefan-
gener (siehe Bild Seite 91 oben) blutig zurückgeschlagen. —
Auch wo die Türken mit den Russen zusammentrafen,
wie an der Kaukasusfront und in: Raume von
Hamadan in Persien, hatten ihre Abwehrmaßnahmen
durchaus Erfolg und hielten die Feinde in Schranken. —
(Fortsetzung folgt.!
Illustrierte Kriegsberichte.
Die roten Teufel in Rumänien.
Von Roda Roda, Kriegsberichterstatter der „Reuen Freien Presse".
Als ein Beispiel für die Kampfart im Kelemengebirge,
im Norden Sieben-
bürgens, mag ein
Streifzug dienen,
den Oberleutnant
Freiherr v. Blom-
berg mit fünfund-
siebzig Honved-
husaren ausführte
und den der be-
kannte Kriegsbe-
richterstatter Roda
Rodainder„Neuen
Freien Presse" wie
folgt schildert. Der
Oberleutnant hatte
die Aufgabe» den
NordwestzipfelRu-
mäniens bis zum
Monte Funzariei
aufklärend durch-
zustoßen. Der Fun-
zariei erhebt sich
1630 Meter hoch,
etliche Kilometer
südöstlich von Dor-
na-Watra. Der
Oberleutnant mit
seinen Leuten mar-
schierte los, hielt
sich im Bergwald,
so oft feindli che Jn-
fanteriegeschosse
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b. H.
englischer Vickers-Doppeldecker.
Flugzeugabwehrgeschütz auf einem Kraftwagen beschießt feindliche Flieger.
Nach einer Originalzeichnung von Johannes Gehrts.
VI Band
12
90
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
ihm das offene Tal verleideten, hatte die Augen überall, zwei
wachsame Zigeuner in den Flanken, und kam so am ersten
Tag eine Meile ins Rumänische, bis Coverca. Schon unter-
wegs wurde fleißig patrouilliert und das Ergebnis der Er-
kundungen zurückgemeldet. Der sonst so dicht bevölkerte
Bezirk Neagra war von der Bevölkerung völlig verlassen,
verlassen in solcher Hast, daß dem Oberleutnant folgende
Abteilungen tausende Stück Schafe, Pferde, Unmengen
von Heu beitreiben konnten. Die Gegend hat keinen Wein-
bau, trotzdem fand man Stückfässer voll in jedem Keller.
Ganze ungarische Reiterregimenter hätten sich da mit
Bauernpelzen ausrüsten können. Und von dem Vieh, das
man erbeutete, nährte sich die Division wochenlang.
Freiherr v. Blomberg blieb drei Tage auf Coverca und
spürte den Rumänen weit
nach ins Königreich. Dann
brach er seine Zelte ab
und marschierte — noch
weiter, gegen Darmocsa.
Überall zog sich die ru-
mänische Erenzsicherung
vor den paar Husaren
zurück. (Wieviel Mann
konnten nach Entsendung
der Patrouillen und
Meldereiter dem Ober-
leutnant geblieben sein?)
Dagegen sah sich Blom-
bergs Fähnlein immerzu
aufs unangenehmste von
sp äh end er B au ern s ch aft
umlauert. Die Späher
wurden vertrieben oder
eingefangen.
Eines Morgens beim
Erwachennahmder Ober-
leutnant zwei rumänische
Infanteristen wahr. Er
ließ sie von zehn Husaren
umgehen, um sie abzu-
fassen — da wurden aus
den zwei Feinden Dut-
zende und hundert, unter
einer Brücke und hinter
Heuschobern sammelte
sich eine feindliche Kom-
panie. Blomberg ver-
fügte nur noch über acht
Karabiner. Er wußte
aber: wenn erst die
Schüsse knallen, werden
seine Patrouillen aus
allen Richtungen helfend
herbeieilen. Sie müssen
nur Zeit haben, zu kom-
men. Und er nahm das
ungleicheTreffen an.Nach
einer Stunde war die ru-
mänische Kompanie in
Atome zersprengt. Mit
dem Zählen ihrer Toten
hielt man sich nicht auf.
Der Oberleutnant
ging, von neu heranwim-
melnden Haufen gezwungen, langsam auf seinen Ausgangs-
punkt zurück. War schon glücklich daheim, als er die Meldung
erhielt, ein anderes ungarisches Streifkommando sei auf ru-
mänischem Gebiet in arger Not, von anderthalb Kompa-
nien in einem Haus umzingelt. Das Hurra der stürmen-
den Walachen hallte als Hilferuf der Eigenen ob dem Wald.
Blomberg eilte spornstreichs auf den Schauplatz. Zu spät.
Von zwölf eingeschlossenen Husaren waren acht tot, vier
hatten sich schwerverwundet durchgeschlagen. Keiner er-
gab sich.
t Da war unter Blombergs Leuten ein Korporal, Franz
Czinczar, ein treuer, ruhiger Mann. Ein rumänisches Rudel
nahte und schoß schon von weitem. Es handelte sich dem
Oberleutnant darum, Gefangene zu machen, um von ihnen
Märke und Stellung des Gegners zu erfragen. Der Ober-
leutnant rief Freiwillige zu dem Wagnis auf. Es meldeten
sich alle. „Bitte, mich allein zu schicken," sagte Czinczar.
Das verschaffte ihm den Auftrag. Allein, wie er aus-
geschritten war, konnte er auch nur einen Gefangenen ein-
bringen — den Kommandanten der Rumänen. Czinczar
hatte die feindliche Schwarmlinie umgangen, den Kom-
mandanten hinten am Genick gepackt und in den Wald
verschleppt.
„Fürchte dich nicht, Onkelchen," sprach Czinczar auf
sein Opfer ein, ich tu' dir nichts zuleide. Der Herr Ober-
leutnant hat befohlen, daß er dich lebend haben muß."
Als Czinczar ihn aber einführte, war der Rumäne vor
Schreck halbtot; und das läßt sich verstehen.
Der Oberleutnant erzählte: „Damals, als ich elf Tage
in Rumänien war, benahmen sich die Gegner anscheinend
feig. Wir hätten längst
davonmüssen, wenn sie
ernstlich wollten. Viel-
leicht überschätzten sie
meine Kräfte; oder sie
hatten Weisung, uns aus-
zuweichen. Seither habe
ich mein Urteil über die
Rum änen ändern müssen.
Der Rumäne ist ein ganz
guter Soldat.
Am Verful Muncei-
lor greifen eines Tages
zwei Bataillone Rumä-
nen unsere Stützpunkte
an. Die Lehne dort ist
konkav, gegen den Gipfel
zu besonders steil. Ein
trüber Morgen und Bo-
dennebel. Wie stellen es
nun die Rumänen an,
auf den Berg zu kom-
men? Das erste ihrer
Bataillone sendet zwei
Kompanien, das andere
gar nur eine Kompanie
in Schwärmen vor. Die
Angreifer schreien hals-
brechend und pulvern von
fernher in den Nebel, die
Besatzung der Stütz-
punkte ist alarmiert. Ein
Honvedleutnant mit acht-
zehn Mann verteidigt den
einen Stützpunkt, zwei
Maschinengewehre stehen
lm anderen. Die Wa-
lachen dringen ein. Da
gewinnt Rittmeister v.
Fördes mit sechzig Hu-
saren ihre Flanke, und
nach einer Viertelstunde
Feuergefechts ist alles
vorüber; 40 Tote, 25
Schwerverwundete beim
Feinde; die Verwun-
deten haben wir gebor-
gen. Eigene Verluste:
1 Mann tot, 3 verwun-
det. Nun das Typische:
Der Rest der Rumänen wirft Waffen und Rüstung von
sich und flieht. Unsere Truppen stehen Dor einem Rätsel;
ihre alten Gegner, Russen, Serben, selbst Italiener, hätten
sich unterwegs noch zwanzigmal gestellt, hätten Nachhuten,
Baumschützen ausgeschieden, die Verfolgung nach Kräften
aufgehalten. Die Rumänen flohen in einem Strich vom
Gipfel bis ins Tal."
Fliegerkämpfe bei Ostende und Zeebrügge.
Welchen Wert der Besitz der flandrischen Küste für
die kriegführenden Mächte in diesem Kriege hat, zeigten
die Anstrengungen der Engländer, um jeden Preis Ant-
werpen und damit auch die Küste zu halten. In ratloser
Verzweiflung und völliger Verkennung der Angriffs-
wucht deutscher Truppen hatte der englische Marineminifter
Die Besatzung des deutschen U-Bootes, das den russischen NkunitionstransporL-
dampfer „©ui^an“ in einen deutschen Nordseehafen brachte.
Von links nach rechts stehend: Deckoffizier Berner, Oberleutnant z. S. Mertens, Deck-
offizier Bergmann,- sitzend: Marineoberingenieur Ahrens, Kapitäuleutnant Buß fKom-
mandant), Oberleutnant z. S. d. R. Hashagen (Prisenoffizierj.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
91
Gefangene Engländer von Kut-el-Amara auf dem Abtransport.
r «U M. %/S|- teL jpj
Churchill im September 1914 an Soldaten zusammen-
gerafft, was gerade Uniform trug. Mit seinen Horden
unausgebildeter Marinerekruten wollte er dem deutschen
Ansturm trotzen. Mer es war nur eine Frage von Tagen,
bis Antwerpen fiel; die englische Besatzung konnte sich zum
größten Teil nur durch schleunige Flucht in das neutrale
Holland retten, der kleinere Teil schlug sich nach der Küste
durch und trat mitsamt Mr. Churchill die stark beschleunigte
unfreiwillige Heimreise nach England an. Ihnen nach stürmte
die deutsche Marinedivision, und schon einige Tage nach
dem Fall Antwerpens waren Zeebrügge und Ostende, die
wichtigsten belgischen Häfen, in deutscher Hand. In zäher
mühevoller Arbeit wurde die flan-
drische Küste in ein Bollwerk ver-
wandelt, wie es stärker bisher noch
kein Küstenstrich war. Die dort sta-
tionierten deutschen Seestreitkräfte be-
schränkten sich aber nicht allein auf die
Verteidigung, sondern gingen bald in
kühnen Vorstößen dem englischen Han-
delschiffsverkehr und ebenso den Be-
wachungschiffen zu Leibe.
Die unbequeme Nachbarschaft der
deutschen Seestreitkräfte sich vom Halse
Zu schaffen, ist der englischen Admirali-
tät immer mehr ans Herz gelegt wor-
den. Als die großen Schiffe infolge
der Tätigkeit der deutschen ki-Boote
und auch der Wirkung deutscher Minen
gänzlich versagten, baute England für
viele Millionen eine besondere Schiffs-
klasse, die Monitore, die, äußerst flach
gehend, mit ein oder zwei schweren
Geschützen bewaffnet, möglichst dicht
unter Land an die Befestigungen heran-
gehen sollten. Aber auch sie wurden
bald von den deutschen Matrosen-
artilleristen verjagt.
Als einzige Waffe gegen die deut-
schen Stützpunkte blieben den Englän-
dern nur noch ihre Flugzeuge, die mit
ihren Bomben den Deutschen den Auf-
enthalt an der Küste verleiden und die
mit so vieler Mühe geschaffenen An-
lagen und ebenso die dortigen deut-
schen Streitkräfte vernichten sollten. Von den Flugstationen
der Grafschaft Kent und auch von Flugzeugmutterschiffen
stiegen die Flieger auf, aber kaum hatte die allzeit be-
reite deutsche Küstenwache sie in Sicht, als die Abwehr-
batterien losdonnerten und deutsche Flieger aufstiegen, den
Gegner zu vertreiben. Gar manches feindliche Flugzeug
stürzte in die See ab oder mußte eine Notlandung inner-
halb des deutschen Bereichs vornehmen oder wurde nach
Holland abgedrängt, was auch hier und da vorkam (siehe
auch Band V Seite 432 und 433).
Erfolgloser russischer Sturmangriff auf eine
deutsch-türkische Minen-
werferstellung im Kaukasus.
Von Hugo L. Braune.
(Hierzu die Bilder Seite 92 und 93, sowie die
Karten Band II Seite 302 und Band IV Seite 379.)
Erzerum war gefallen; triumphie-
rend überfluteten die aus den Hoch-
gebirgstälern des Kaukasus drängen-
den russischen Truppen die Hochebene
westlich der Festung. Es rächte sich
auch hier bitter, daß die wechselnden
türkischen Regierungen bisher über den
inneren Zwistigkeiten versäunit hat-
ten, die äußersten Grenzen des Reiches
gegen etwaige feindliche Einfälle be-
sonders zu schützen und durch rück-
wärtige Bahnverbindungen für eine
möglichst schnelle Unterstützung bei
drohender Gefahr zu sorgen. Diesem
Mangel an Verbindung mit dem
Herzen des türkischen Reiches, mit
Konstantinopel, erlag denn auch Erze-
rum mehr als dem Mangel an zeit-
gemäßer Befestigung und Bestückung
mit modernen Geschützen. So zogen
sich die türkischen Truppen in eine
zweite Verteidigungslinie zurück, de-
ren linke Flanke die altehrwürdige
Stadt Trapezunt am Schwarzen Meer
war. Die ausgezeichnete Verbindung
Trapezunts zur See mit der türkischen
Hauptstadt ermöglichte eine bessere
Phot. Urbahns.
Kapitänleutnant Max Valentiner, Kommandant
des U-Boots 38,
der bis Ende 1916 128 Schiffe von 282 000 Brutto-
registertonnen versenkte. Er führte auch de« Angriff
im Hafen von Funchal (stehe Seite 52) aus und wurde
mit dem Orden kour 1v Nörit« ausgezeichnet.
92
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
Versorgung dieser Front mit
Munition und Kriegsmaterial
unter dem Schutze der deutsch-
türtischen Flotte. Da einige
der russischen Kriegschiffe noch
im Bau begriffen mären, hiel-
ten sich die übrigen in ach-
tungsvoller Entfernung von
den deutschen D-Booten. Vor
ihren llberraschungsbejuchen
war bis dahin die russische Küste
von Sewastopol bis Datum
(siehe die Karte Band I Seite
342) nie sicher. Jedoch war der
übermächtige Druck des Geg-
ners vom Land aus so stark,
daß auch Trapezunt geräumt
werden mußte. Es war ein
harter Schlag, daß diese ur-
alte Kulturstadt, die seit an-
derthalb Jahrtausenden mit
Konstantinopel eng verknüpft
war, in feindlichen Besitz über-
ging. Bei der schwachen Be-
setzung der türkischen Front und
dem Mangel an geeigneten:
Kriegsmaterial ließ es sich je-
doch nicht vermeiden. Indessen
waren deutsche Kanonen, Mi-
nenwerfer und Munition von
Konstantinopel aus unterwegs.
Da aber für diese Transporte
die Landwege gewählt werden
mußten, vergingen Wochen, bis
die Verstärkungen an ihrem Bestimmungsort anlangten
(siehe untenstehendes Bild). Inzwischen beschränkten sich die
türkischen Truppen darauf, die Pässe des über 3000 Meter
hohen Kolatgebirges und der weiter südlich sich erstreckenden
Felskolosse zu verteidigen. Aus dem zerstörten Trapezunt
trieben die plündernden Kosaken die Einwohnerschaft, die
bunt genug aus Griechen, Armeniern, Turkomanen, Juden
und noch einem halben Dutzend anderer Volkstämme sich
zusammensetzte, in die unwegsamen schneebedeckten Fels-
gebirge. Energisch war unter-
des von dem deutsch-türkischen
Generalstab (siehe nebenstehen-
des Bild) daran gearbeitet wor-
ben, die Täler des Dzoroch-
flusses und der übrigen Küsten-
flüsse und Gebirgszüge zu ver-
rammeln und den Russen ein
weiteres Vordringen unmög-
lich zu machen. Ihre Sturm-
angriffe wurden trotz Ein-
setzens stärkster Truppenmas-
sen blutig abgewiesen. Moch-
ten Verrätereien seitens der
armenischen Eingeborenen, die
den russischen Verheißungen
zu leichtgläubig Gehör schenk-
ten, ihnen noch so nützlich sein,
an der türkischen Zähigkeit,
ihre Heimat zu verteidigen,
und an der deutschen Kriegs-
erfahrung scheiterten alle An-
griffe der Russen. Sie hatten
auch hier an der Schwelle des
Orients — wie in Galizien, in
Polen und in Rußland selbst —
die Rechnung ohne die Deut-
schen gemacht. Rach monate-
langen, blutigen Kämpfen muß-
ten sie sich wie zur See, so auch
zu Lande überzeugen, daß sich
kein Weg für sie nach Kon-
stantinopel fand, und—aus der
Rot eine Tugend machend —
entschädigte sich das große Rußland für seine Enttäu-
schungen in der Türkei an dem neutralen Persien.
Rumäniens Erdölquellen-
Das bedeutendste und älteste Erdölgebiet Rumäniens
ist nach von fachmännischer Seite in den „Münchner Neuesten
Nachrichten" veröffentlichten Darlegungen zweifellos das
von Campina, dem sich jedoch in jüngster Zeit noch die
Phot. A. Grohs> Berlin.
Oberstleutnant Guse (X). Chef des Generalstabes der IN. ottoma-
nischen Armee, und Major Paulke (XX), Instrukteur und Kom-
mandeur der Schi- und Hochgebirgstruppen.
Phot. A. Binder, Berlin.
Bayerische 15-em-Haubitzbatterie geht an die Front in Mesopotamien. Die Gespanne bestehen aus zwanzig Ochsen.
Erfolgloser russischer Sturmangriff auf eine deutsch-türkische Minenwerferstellung im Kaukasus.
Nach einer Oviginalzeichnpng des KrtegSmalers Hugo L. Braune auf Grund seiner Sludien und Skizzen vom türkischen Kriegschauplatz.
94
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Gebiete von Bustenari, Moreni und
Baicoi und Plopeni würdig an-
reihten. In letzter Zeit sind auch
die Gebiete um Buzeu, Chitura
mit der Ausbeutung in Angriff ge-
nommen worden. Der Ausschließung
dieser Petroleumgebiete hat das Land
neben den ungeheuren Erträgnissen
aus dem Getreidebau hauptsächlich
seine Wohlhabenheit zu verdanken,
wenngleich aber es Ausländern vor-
behalten war, die ganze Industrie
ins Leben zu rufen und zu heben,
um die verborgenen und schlum-
mernden Schätze des Erdinnern zu
fördern und so die wirtschaftliche
Entwicklung des Landes auf die heu-
tige Stufe zu bringen.
Insbesondere wirkte deutsches
Kapital und deutsche Arbeitskraft
befruchtend auf die Schöpfung und
Entwicklung der rumänischen Pe-
troleumindustrie, daneben teilen sich
französisches, holländisches und ame-
rikanisches Kapital in die Ausbeu-
tung der Olfelder und die indu-
strielle Verwertung der dort gewon-
nenen Rohöle.
Diese vier Finanzgruppen er-
schienen jedoch verhältnismäßig spät
in Rumänien, den Keim zu dem
Aufblühen legte Deutschland, wie es
auch während der ganzen Fortent-
wicklung den ersten Platz in der
rumänischen Petroleumindustrie ein-
nimmt.
Die Lage der Olfelder und die
Bearbeitung derselben zwecks Ge-
winnung des in mehrer.cn Schichten
lagernden Rohöles geht anschaulich
aus dem auf Seite 388 des V. Ban-
des wiedergegebenen Bilde hervor.
Von Bohrtürmen, welche je nach
der Ergiebigkeit und Größe der Ol-
felder oft zu Hunderten und Tau-
fenden vereinigt sind, erfolgt die
Bedienung der in die Erde mittels
Bohrmeißels vorgetriebenen Erd-
löcher. Diese erreichen je nach der
Tiefe der erdölführenden Schicht
etwa 80—1000 Meter. — Sobald
das Bohrloch auf die erdölführende
Schicht stößt, wird mit der Gewin-
nung des Rohöls begonnen. Stehen
die angebohrten Ollager unter Gas-
druck, so wird beim Anbohren der
Schicht das Ol explosionsartig her-
ausgeschleudert, wobei gleichzeitig
erhebliche Mengen an Gasen und
Bohrschutt entweichen. Das heraus-
geschleuderte Ol wird in schnell auf-
geworfenen Gruben oder Seen auf-
gefangen und wird von dort aus
mittels Rohrleitungen den Verarbei-
tungsstätten oder den Exporthäfen
zugeführt. Solche eruptiven Öl-
vorkommen sind in Rumänien haupt-
sächlich in den neueren Gebieten
KriegsZeitung
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Kriegs-Zeitung
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der Hauptsache in Ploesci vereinigt
sind. Dort werden aus den Rohölen
die verschiedenen Benzinfabrikate,
Leuchtpetroleum, Gas- und Treiböle,
Schmieröle aller Art und Paraffin
hergestellt. Die Raffinerien sind
durch Rohrleitungen mit den wich-
tigsten Erporthäfen an der Donau
und dem Schwarzen Meere, näm-
lich Cernavoda und Constanza ver-
bunden, so daß auf dem raschesten
Wege die Verladung in die Ver-
brauchsländer stattfinden kann.
Rur zum geringen Teile erfolgt
die Verarbeitung des Rohöles in an-
deren Ländern als in Rumänien.
Dies hängt besonders mit den Zollver-
hältnissen in den Verbrauchsländern
zusammen,da sich nur dann eine zweck-
mäßige Verarbeitung desRohöles im
Verbrauchsland erzielen läßt, wenn
für Rohöl geringere Einfuhrzölle als
für die Fertigfabrikate bestehen.
Vor dem Kriege wanderte der
weitaus erheblichste Teil der Erdöl-
produktion infolge einer eigentüm-
lichen Stellung, der interessierten
Finanzgruppen untereinander nach
England, Kleinasien, Frankreich und
Italien, während für Deutschland
nur für Benzin ein nennenswerter
Absatz vorhanden war.
Die Umwälzung, welche der Krieg»
sowohl im Zusammenhang der in-
teressierten Finanzkreise, wie in der
gesamten wirtschaftlichen Lage der
rumänischen Petroleumindustrie her-
vorgerufen hat, läßt jedoch vermuten,
daß Rumänien in Zukunft den Haupt-
stützpunkt für den deutschen Bedarf
an Rohölen und der daraus gewon-
nenen Produkte darstellen wird. Das
ist um so mehr zu erwarten, als die
Frage der flüssigen Brennstoffe bei
dem heutigen Stand der Großindu-
strie und deren Hilfsmittel eine ähn-
liche Bedeutung für das ganze deut-
sche Wirtschaftsleben gewonnen hat
wie die Kohle, daß es infolgedessen
auch vom kriegswirtschaftlichen
Standpunkt aus angezeigt erscheint,
diesen Bedarf für alle Fälle sicherzu-
stellen. Sofern die Transportfrage
eine entsprechende Lösung findet,
dürfte die noch lange nicht auf dem
Höhepunkt angelangte rumänische
Rohölproduktion mit der galizischen
Erzeugung ausreichen, um den Be-
darf von ganz Mitteleuropa an diesen
Stoffen zu decken.
Bei der Lösung dieser Fragen
dürfte für Bayern die Donau eine
nicht zu unterschätzende Rolle spie-
len. Die Anfänge für diese ange-
deutete Entwicklung sind geschaffen
im neuen Petroleumhafen in Re-
gensburg, wo sich auch bereits eine
bedeutende Petroleum- und Schmier-
Köpfe von Krlegszeikungen, davon die erste eine Feld-
zeitung der österreichisch-ungarischen Armee, die letzte
in türkischer Sprache für die türkischen Truppen.
verhältnismäßig häufig. In anderen $er »Champagne-Kamerad" hat auch in Deutschland Ver. Ölindustrie ansässig gemacht hat.
Fällen jedoch ist es notwendig, das ° gesunden.
Ol mittels Pumpen oder Löffeln herauszuschaffen, sofern
der Gasdruck im Erdinnern nicht groß genug ist, um das
Ol selbsttätig herauszubefördern. Diese mechanische Ge-
winnung des Rohöles ist zuletzt in jedem Fall auch bei
den eruptiven Sonden notwendig, da die Gase aus den
Bohrlöchern entweichen. Die Bedienung der Bohrlöffel
und Pumpen erfolgt von den Bohrtürmen aus, mittels
«Elektrizität oder Dampfes.
Die Aufarbeitung des Rohöls erfolgt zum größten Teil
ln Rumänien selbst, und zwar in den Raffinerien, welche in
Kriegszeitungen.
(Hierzu die Bilder Seite 94—96.)
Eine der eigentümlichsten und erfreulichsten Erscheinungen
des Weltkrieges sind die Kriegszeitungen, die im Lauf des
Stellungskrieges eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht
haben und einst eine wertvolle Fundgrube für die sein
werden, die die Geschichte des Weltkrieges schreiben werden.
Sie spiegeln wie kaum etwas anderes die Stimmung wieder,
die im Felde herrscht, zeigen, wie der deutsche „Barbar"
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
95
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auch in den Fährlichkeiten des
Krieges sich mit Dingen be-
schäftigt, die weitab vom Kriege
liegen. Der Soldat selbst hat
die Kriegszeitungen geschaf-
fen; die meisten von ihnen
sind ohne Eeldunterstützung
durch die Heeresverwaltung
entstanden, manche hat schwer
zu kämpfen, um sich finanziell
über Wasser zu halten. Von
den Schwierigkeiten, mit de-
nen sie zu ringen haben,
macht man sich daheim kaum
einen rechten Begriff. Viele
erscheinen unmittelbar hinter
der Front, und der Donner
der Kanonen dringt oft in
die Redaktionstuben, mancher
Schriftleiter hat sein Arbeits-
zimmer im Unterstand und
schreibt seine Artikel, in der
einen Hand den Bleistift, in
der anderen die Handgranate.
Einige Zeitungen können sich
der Einsendungen nicht erweh-
ren, andere Schriftleiter müs-
sen ihren Mitarbeitern in den
Schützengräben im wahrsten
Sinn des Wortes nachlaufen.
Häufig genug haben die Zei-
tungen unter Papiernot zu
leiden, oft stockt der Versand,
wenn Truppenverschiebungen
stattfinden, oft versagen die
Maschinen oder geht die Druck-
farbe aus, oft auch das Geld
für die Drucker, von denen
mancher seine Rechnung be-
zahlt haben will, bevor noch
der erste Artikel gesetzt ist.
Mancherlei Schwierigkeiten er-
geben sich aus der Zustellung
und beim Verkauf. Eine der
Feldzeitungen vertreibt ihre
Nummern mit gutem
Erfolg durch feldgraue
Hausierer, die in ihren
freien Stunden von Un-
terstand zu Unterstand,
von Schützengraben zu
Schützengraben wan-
dern. Kurz, Herausgeber
und Schriftleiter der
Kriegszeitungen sind nicht
zu beneiden.
Die erste Soldaten-
zeitung in diesem Kriege
war die „Kriegszeitung
der Feste Doyen und
Stadt Lötzen", deren
erste Nummer am 4.
September 1914 erschien.
Sie ist aber wie etwa
die „Kriegszeitung der
Festung Borkum" mehr
eine Garnisonzeitung.
Die erste wirkliche Kriegs-
zeitung waren die von
dem Münchner Feld-
webel Edmeier heraus-
gegebenen „Hohenacker
Neueste Nachrichten", die
mit ihrer ersten Num-
mer am 14. September
1
1 ’ §
Köpfe von Kriegszeikungen. von denen zwei in französischer Sprache erscheinen, die
erste, »Le Journal du Camp d'Ohrdruf^, als Blatt des französischen Kriegsgefan-
genenlagers zu Ohrdruf in Thüringen, die letzte, »Gazette des Ardennes", als offi-
zielles Nachrichtenblatt in den besetzten Teilen Frankreichs.
Diese enthält auch ein Verzeichnis sämtlicher in deutsche Gefangenschaft geratenen Fran-
zosen und ist in der kurzen Zeit ihres Bestehens (seit 1. November 1915) bereits zu einer
Auflage von über 100 900 Exemplaren angewachsen Ziehe auch die Abbildungen aus ihrem
Betriebe Band IV Seite 77). Grober Beliebtheit erfreut sich die seit Mitte Oktober 1911
erscheinende „Liller Kriegszeitung" auch in Deutschland.
herauskam und später den Titel „Der bayerische Land-
wehrmann" annahm. Ihr folgte ebenfalls noch im Sep-
tember der „Landsturm", die Zeitung des Leipziger Land-
sturmbataillons. Beide Zeitungen sind zunächst wenig be-
kannt geworden, erst durch die großzügig geleitete „Liller
Kriegszeitung", die unzweifel-
haft durch ihr glänzendes Ein-
schlagen dieMutter aller Kriegs-
zeitungen wurde, erfuhr die
Allgemeinheit auch von den
ersten Kriegszeitungen mehr.
Hauptmann Paul Oskar Hoek-
ker, der bekannte Romanschrift-
steller, hat in Verbindung mit
feinem Kollegen Freiherrn v.
Ompteda in der „Liller" ein
prächtiges Blatt geschaffen,
dessen Beliebtheit im Feld und
in der Heimat nicht zuletzt
auf die künstlerisch ganz vor-
züglichen Zeichnungen des
Münchner Künstlers Karl Ar-
nold Zurückzuführen ist, dessen
sinniger Humor so recht das
traf, was dem Soldaten im
Felde lieb ist.
Für Sammler von Kriegs-
zeitungen, unter denen be-
sonders viele verwundete Of-
fiziere sind — in München hat
sich sogar eine „Vermittlungs-
stelle für Kriegszeitungen"
gebildet, deren Reingewinn
der Bekleidungshilfe für Ver-
wundete zuflieht —, wie für
manchen, der sich aus anderen
Gründen mit der Kriegslite-
ratur beschäftigt, wird es von
Wert sein, zu erfahren, wie-
viel Kriegszeitungen es über-
haupt gibt.
Man unterscheidet Kriegs-
zeitungen im eigentlichen
Sinn, das heißt solche, die le-
diglich für Soldaten und von
Soldaten geschrieben sind und
sich in der Regel an bestimmte
Truppenkörper wenden, dann
Zeitungen, die für die Sol-
daten und die Bevölkerung
der besetzten Gebiete be-
stimmt sind, ferner Ee-
fangenenzeitungen und
Kriegszeitungen der Hei-
mat, Lazarettzeitungen,
Zeitungen, die von grö-
ßeren Werken, von stu-
dentischen Vereinigun-
gen, von Schulen und
Kirchengemeinden für
ihre im Felde stehenden
Angehörigen heraus-
gegeben werden. ,
ZudenKriegszei-
t un g e nim eigentlichen
Sinne gehören: 1.Hohen-
acker Neueste Nachrichten
(herausgegeben von
Feldwebel Edmeier des
l.bayerischen Landwehr-
regiments). 2.Der Land-
sturm (Landsturmbatail-
lon Leipzig). 3. Liller
Kriegszeitung (O.Armee).
4. Der bayerische Land-
wehrmann (1. bayeri-
sches Landwehrregi-
ment). 5. Champagne-
Kamerad (3. Armee).
6. Champagne-Kriegs-
Kriegszeitung der 2. Armee.
9. Kriegszeitung der 5. Ar-
11. Kriegszeitung der
Zeitung (7. Reservekorps). 7.
8. Kriegszeitung der 4. Armee
mee. 10. Kriegszeitung der 7. Armee
10. Armee. 12. Kriegszeitung der II.Armee. 13. Kriegszeitung
der Bugarmee. 14. An Flanderns Küste (Marinekorps).
96
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
15. Kriegszeituug des 16. Armeekorps. 16. Feldzeitung, her-
ausgegeben von der Etappenkommandautur Nr. 2 des
17. Armeekorps. 17. Der Schützengraben (4. Refervekorps).
18. Im Schützengraben (54. Infanteriedivision). 19. Ba-
paumer Zeitung am Mittag. 20. Die Wacht im Osten.
21. Kriegszeituug von Barcmowitschi. 22. Zwischen Maas
und Mosel (Druckort Metz). 23. Kriegszeitung von Chauny.
24. Im Schützengraben in den Vogesen. 25. Dünazeitung.
26. Seillebote, Kriegszeituug zwischen 211 und 242. 27. Land-
sturmbote von Briey. 28. Kriegszeitung der Festung Bor-
kum. 28. Kriegszeitung der Feste Bogen und Stadt Lötzen.
29. Kriegsbote des Landsturms (2. bayerisches Landsturm-
bataillon, 4. Kompanie). 30. Frankfurter Landsturm.
31. Zeitung des Land-
sturmbataillons Zit-
tau. 82. Die Patrulle
(2. bayerische Land-
sturmeskadron). 33.
Schützengrabenzeitung
des 1t. Bataillons 19.
34. Vogesenwacht (6.
bayerische Landwehr-
division-Sanitätskom-
panie Nr. 1). 35.Draht-
oerhau (bayerisches
Landwehr-Infanterie -
regiment Nr. 1). 36.
„Hurra!", Kriegszei-
tung des Infanterie-
regiments Bremen.
37. Deutsche Solda-
tenpost Brüssel. 38.
Deutsche Taten (Lille).
39. Letzte Kriegsnach-
richten (Lille). 40. Ar-
meezeitung (St.Quen-
tin). 41. Tiroler Sol-
datenzeitung. 42. Kar-
nisch-Julische Zeitung.
43. Armeezeitung des
k. u. k. 4. Etappenkom-
mandos. 44. Kriegs-
nachrichten der Be-
satzung von Przemysl.
45. Soldatenzeitung
(Österreichische Presse-
abteilung , Feldpost-
station 239). 46. Weih-
nachtsblatt der Kran-
kentransportabteilung
der 4.Armee. 47.Weih-
nachtszeitung Cour-
celles. 48. Weihnach-
ten 1914 (bayerische
Etappenkraftwagen-
Kolonne 4, Carnin).
Zu den Kriegszei-
tungen, die teils für
die Besatzungstrup-
pen , teils auch für
die Bevölkerung be-
stimmt sind, gehören:
1 .Deutsche Warschauer
Zeitung. 2. Wilnaer
Zeitung. 3. Kownoer Zeitung. 4. Deutsche Lodzer Zei-
tung. 5. Lodzer Volksblatt. 6. Mitausche Zeitung. 7. Grod-
noer Zeitung. 8. Pinsler Zeitung. 9. Libausche Zeitung.
10. Bialystoker Zeitung. 11. Der Landmann (Brüssel).
Verschiedene dieser Zeitungen erscheinen auch in der Sprache
des besetzten Gebietes.
Lediglich für die Bewohner der besetzten Gebiete sind
bestimmt: 1. Gazette des Ardennes. 2. L'Ami de I'Ordre
(Namur). 3. Le Neveil (Brüssel). 4. Bulletin de Lille.
5. Journal de Guerre (Laon). 6. La Belgique (Brüssel).
7. Le Brurellois. 8. Eazet van Brussel. 9. L'Echo de Mau-
beuge. 10. Gazette Wienna. 11. Dabartis (Kowno). 12. Ho-
man (weißrussisch). 13. Daimkenes Linas (lettisch). 14. Dzien-
nik Wilenski. 15. Letzte Nai's (jiddisch).
Eine Gruppe für sich bilden die Eefangenenzeitun-
gen, die oft mit den einfachsten Mitteln, teilweise sogar
ohne Wissen des Lagerkommandanten von den Gefangenen
oder für die Gefangenen herausgegeben werden. Von
deutschen Gefangenenzeitungen in französischen, russischen
und englischen Lagern hört man nur wenig. Am be-
kanntesten ist wohl „die Stobsiade" eines englischen Lagers
geworden. Frankreich gibt für die deutschen Gefangenen
eine „Kriegszeitung für deutsche Gefangene" heraus, außer-
dem wird an die deutschen Gefangenen in der Schweiz,
in Frankreich und England ein „Sonntagsblatt für die
deutschen Kriegsgefangenen" und eine „Jnternierten-
zeitung" verteilt.
In deutschen Gefangenenlagern bestehen für die Inter-
nierten folgende Zeitungen: 1. Le Journal de Camp d'Ohr-
druf. 2. In Ruhleben
Camp. 3. Les Camps
de Hanovre. 4. Le
Horaut (Zossen). 5. El
Dschihad (Zossen). 6.
L'Echo de Zossen. 7.
Döberitz-Eazette. 8.Le
Camp de Güttingen.
9. Onze Taal (Göt-
tingen). 10. The woo-
den City (Güttingen).
11. Les Camps d'Alle-
magne (Güttingen).
Von feindlichen
Frontzeitungen
sind folgende bekannt
geworden: Le Eri de
Vaur (die erste fran-
zösische Kriegszeitung,
die im Januar 1915
zum erstenmal er-
schien), Avant-Poste,
Blighty, New Church
Times, Dump, Aver-
tisseur, Buzzer, Le
Poilu, Bochofage, Le
Marcheur de 88 (Maro-
boche), La Voir du
75, Rigolboche. L'Echo
des gourbis, Le Töle-
Mail , Le Tourne-
Boche, L'Echo du
Ravin, L'Echo des
Tranchoes, L'Echo des
Marmites.
Eine Abart der
eigentlichen Kriegszei-
tungen sind die La-
zarettzeitungen,
die in vielen größeren
Lazaretten herausge-
geben werden, so in
Bonn, Frankfurt,
Hamburg, Darmstadt»
Lübeck, Gleiwitz, Bres-
lau.
Sehr zahlreich sind
die Kriegszeitungen»
die die Heimat für die
Feldtruppen geschaf-
fen hat. Sie wenden
sich an einen engbegrenzten Leserkreis, so haben Bur-
schenschaften, Korps und andere studentische Vereine,
Schulen (Frankfurt, Berlin, Dresden), Kirchengemeinden
(„Heimatglocken", „Heimatklänge", „Grüße aus der Hei-
mat") und Fabriken (z. B. Schuckert, Stollwerck, Kathrei-
ner, Pelikan) Zeitungen herausgegeben, die sich ausschließ-
lich an ihre Angehörigen wenden. — Diese Zeitungen, wie
die zahllosen Vereinszeitungen, enthalten in der Äegel
neben rein unterhaltendem Stoff Mitteilungen über das
Schicksal von Kollegen, Feldpostbriefe, Gedichte. So werden
diese „Kriegszeitungen" gewissermaßen zu einem vereinfach-
ten Briefwechsel zwischen Zurückgebliebenen und Kriegern
und zwischen den bei den verschiedenen Truppenteilen
stehenden Arbeitern, Vereinsbrüdern, Mitschülern und Lands-
leuten. Eine neuere Erscheinung ist die in Görlitz für die dort
untergebrachten griechischen Soldaten gegründete Zeitung.
NEA TOYi '§ GÖRLITZ
‘EAAqvixrj^fe ^ ex6oai9
i lÄPAElEYH 3 H8£M8F1QY 1910
Verantwortlicher Herausgeber: E Glauberd. J.,Qörlit3. UebersoUst von Dionyrioa Agapitoü,'z. Z. in Görlitz. Brook und Vorlag der Aktiengesellschaft Gorliizer Nachrichten and Anzeiger, Görlitz, Demianipiata 23/24. - YsAuUuvo; ixivrr,«: AlptXwi.TiAcwtipicep: , U’ ’ A''rtr.r~Jr, owuivov «v Görlitz. ' xad ri,r ’Lwtpi«; Görliteer Nach- richten und Anzeiger, Deimanipiau 23, 24, 25.
iiMpavföten ,ti itpwtov <puXX<jv rwp' ipn&v ixttSep&r,* UtapröjC ' BütfCoj»*», Sn r, hfrt- aorr(, xqstv« juxpa tö .8» •}«««»} jMtti gspäc tctv ««p* 'FAXrpxuy, bütsv« &jrf* Cciiiv. StfSb» 0« itsjucpwUnhi jiövcv «(? rfy awSpop^v, 4XXA Ui UsXr(«o»3t vi ouvsp-janay .twv oiä isw»tXwv orjjj.oais<;j5.u.'v, «Tnv« cijax»;. Öä yfov'/rm dsxTal t?«p' y-jiaiv* *Ev Görlitz, Nosjtöpi'ou 1918 ■ ‘0- ’ExiSnjv AiprXi»: T&; AumOuvri,; rrfi ' Extipshi ' Görlitzer Nachrichten und Anzeiger.
MWUMMMM MKPA rrPATHnilON 1 1918 AVTIKO.V »EATPON 2TPATIÄ TOY AIA&OXOY POYOPEXT Etf ätAXi Iypri» Trjc itsptojrr^ tun -4p pKt mpfStthztä. Kat« fcnapLpÄ icv«f}W!K <ütA t(. prM rijc Ooorcelöttö -xal.spb rtst Öuedeooiin• Leeboeäf« : ri,-; Ooureelette dmpevs&r, % vM t-rl xifi 4jAuvT,;r Sj-oxük Si Le Trsm»toy , ' jtsrt« . «tJtWawv, «7; tsv*. cnrjjttf» ix ■»§ 2TAT!Ä TOY K0PN0PINT2 ‘0 flrpiTsapwStAtxau irl t?4< dvatuhotTjC M«i{ j*4wiv tuxxA FM x*,v Bhtryc* Solotwin'sS». ■ jt«t» Utä »5 'tja.JjjMetat* SKTISil m wtMl M WM tNILSM Ul-Mi Ei; Kishev bärge t, xatctTr»«:; iss&%(a»' tos«» xrst PredcahStrasJse IExpsn», xi fAt&t «fe’tic poa* _ {*<tvotic bs7*«r xal *«tiXa8av 10 mpvifaa xa! ? mhjfäk*. Nors'»uvaro).u,«ö; 7-1» Ttsv^v Toi Roten Turm r, «mtkri; BJUmMJHPII mm m mümiOT »mm OüStv m^rKstk» fyfcvk. ' makkaonikon metuoon Ei; Xb Orna-Bogen xat prvarö Xtpväiv Bntkovo x«1 Tahinos *Äw h «^wv . '*0 tcfm-»: AOTNTKNNTOP<t>
AN'ATOAfKON HEATPON mm w mmmvi mam mmmi m mmi ’ f'xmsov nSit üf' f.otüv. irtv 30, 10* Uäbi- im M rij». ifxrtoXfxTjj ni P»>33'H, xanhtty tV/'jpoi iyänm ixz- ktfcm- •»» jpsi&HiMt, dvr8J»Ui«ü, «Tnyss i-rrjw_r,vS^)r(73v iutA «tp'rrr.pAv ' Erisr,; ~A Tw.xtxi ptiVwAfnn sxp5ttl/T'xv rij - vfitiznx IteTi;; 'bvöiur-if/yA* istfriiifuf dzin'/Witv hi U El UM! ' AjiinU4Sai»w 1. iE Etc i?rpt?(v* ‘ »- /.' ‘ is AU>,»*^. Stt u tvÄve yas>« iri ^ Mariv.on t. ri ^'.v - U «vo,nfvvttyi su- -A CT,tT>ara y>w> h> ' «m pr-4 au-.p»/.'»> 'V n 1v*“Ayi "... 'I Ui' iiira'sta». atSaJjtvh ’.Uix ^ «*n»XiUisa tAi- ^ ^ 3«, ~,z<. jihv'.v K-i?:pvr,nv 4> Iv.'-ä'»’- jfttTt, Us«»pstta> Wtvrvvr strjua :w ir.tv*- . -> :e
Phot. Bert. JNustrat.-Ges. m. b.H.
Die erste Nummer der griechischen Zeitung „NEA TOY GÖRLITZ“, die in Görlitz für
die dort untergebrachten griechischen Gäste in ihrer Sprache herausgegeben wird.
Die Zeitung wird von griechischen Soldaten gesetzt und bringt außer dem deutschen Heeres-
bericht Nachrichten aus Griechenland und einen großen Vergnügungsanzeiger, da die grie-
chischen Offiziere alle ößentlichen Veranstaltungen besuchen können.
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
»Fortsetzung.»
Der rumänische Kriegschauplatz wurde schon gegen
Ende des Jahres 1916 fast vollständig zu einem Teil der
russischen Front. Um diese Zeit wurden die Reste des
rumänischen Heeres aus der Kampflinie zurückgezogen und
diese mit russischen Truppen besetzt (siehe Bild Seite 100/101).
Nur unbedeutende Verbände der Rumänen blieben noch in
den Stellungen, namentlich im Norden der Gebirgsfront
an der Grenze Siebenbürgens.
Nach der Überwindung des Buzeuabschnittes befand
sich die Armee Mackensen, die ständig im Vorrücken blieb, in
einer Linie mit der Armee des Erzherzogs Joseph. Dessen
Truppen besorgten nun nicht mehr die Rückendeckung der
Armee Mackensen, sondern bildeten nur noch deren Flanken-
schutz, aber auch diesen nicht mehr als besondere Aufgabe.
Sie verschmolzen vielmehr mit der Armee Mackensen zum
äußersten rechten Flügel der deutschen und österreichisch-
ungarischen Ostfront. Der Krieg gegen Rumänien begann
hier in den Kampf gegen Rußland überzugehen.
Die Russen hatten beabsichtigt, nicht gleich ganz auf den
Sereth zurückzugehen, sondern den Vormarsch der Gegner
schon westlich und östlich des Buzeuabschnittes, etwas nörd-
lich der Stadt Buzeu, zum Stehen zu bringen (siehe die
untenstehende Karte). Als ihnen das nicht gelungen war,
nahmen sie weiter zurückliegende vorbereitete Stellungen
ein, die wegen ihrer günstigen Lage gute Verteidigungs-
möglichkeiten boten und dadurch die Aussicht eröffneten, in
ihnen nachhaltigen Widerstand zu leisten. Diese Linie
Rimnicul-Sarat—Braila war ungewöhnlich stark ausgebaut
worden. Rimnicul-Sarat bildete darin einen Stützpunkt
von besonderer Stärke; der 2 Kilometer vor der Stadt
liegende» von Norden nach Süden ziehende und steil ab-
fallende Höhenrücken östlich des Cilnautales war fast zu
einer richtigen Festung umgewandelt worden. Ein anderer
wichtiger ' Stützpunkt war das Dorf Filipesti, das man
durch Anlage einer reichlichen Anzahl von Verhauen und
mittels geschickt eingebauter Maschinengewehre in Ver-
teidigungszustand versetzt hatte. Die hier errichtete Sperre
ging in ihrer Bedeutung beträchtlich über den Wert eines
gewöhnlichen Vorwerks der eigentlichen Serethstellung hin-
aus. Das Festungsystem der letzteren konnte ihr als Rück-
halt dienen, und die vorzüglichen rückwärtigen Verbindungen,
sowie die Häfen und Lagerräume der Städte Braila, Galatz
und Focsani gewährten ihr gute und sichere Versorgungs-
gelegenheiten.
Um ein noch weiteres Ausbauen dieser Stellung zu ver-
hindern, ging Mackensen kurz entschlossen zum Frontalangriff
über und wandte sich mit besonderer Wucht gegen Rimnicul-
Sarat, den stärksten Punkt der ganzen Linie. Das rief eine
Imunterbrochene Folge hin- und herschwankender, äußerst
erbitterter Kämpfe hervor, denn die Feinde suchten sich
hier unter allen Umständen zu halten. Die Namen Rimnik,
Filipesti—Liscosteanca und das Cilnautal bei Rimnicul-
Sarat bezeichnen die Orte der blutigsten Zusammen-
stöße.
Seit dem 20. Dezember trafen die Verbündeten in fort-
währenden Gefechten auf immer stärkere russische Stel-
lungen, in denen die besten russischen Truppen, nament-
lich sibirische Regimenter, in großer Zahl lagen. Sie wurden
noch immer verstärkt und waren besonders reich mit Ma-
schinengewehren ausgestattet. Schritt für Schritt mußte
dem Gegner Boden abgerungen werden, nachdem die
schweren Geschütze entsprechend vorgearbeitet hatten. Der
Feind erwiderte das Geschützfeuer lebhaft und entwickelte
mit Hilfe seiner reichen Mittel an Menschen und Muni-
tion heftige Gegenwirkungen. Aber trotz der beispiellosen
Anstrengungen, denen die verbündeten Streitkräfte eben
erst ausgesetzt gewesen waren, indem sie fortwährend
hart kämpfend große Märsche ausführen mußten» gingen
sie mit frischem Mut daran, die russische Riegelstellung
zu nehmen. Die Erdlöcher, die sie sich dem Feinde
gegenüber auf wenig geschütztem Gelände in den schweren
Lehmboden hineingruben, waren bald zu zusammen-
hängenden Gräben geworden. Sie boten den Ausgangs-
punkt für mutvolle Vorstöße gegen den tief eingegra-
benen und ausgeruhten Feind. Täglich ward den Russen
ein wichtiges Stück ihrer Linien entrissen, und mit eiserner
S c by/ a r z e js />
j)onä ündungen
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Üfc- Wsihtefe
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Das Flußgebiet des Sereth und Pruth im nördlichen Teil von Rumänien.
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 bi) Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.
VI. Band. 1Q
bazcs/yasarhefy
- IR
98
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Tatkraft arbeiteten sich die Verbündeten an die Kern-
stellungen des Gegners heran.
Ein großer Sturmangriff gelang am 23. Dezember
einer Division, die am See von Jarlaul kämpfte. Sie
vertrieb den Feind aus den Orten Andrea sti und Pinte-
cani und nahm dabei über 1300 Mann gefangen. Nörd-
lich anschließend an die genannten Orte wurden auch
die durch Maschinengewehre stark gesicherten Höhen 60
und 69 und noch weiter nordwestlich bald darauf das Dorf
Balaceani genommen. Der linke Flügel der Angriffs-
truppen kam ein gutes Stück auf der Straße nach Rim-
nicul-Sarat vor,' ganz am Rande des Gebirges fielen eine
Reihe wichtiger Höhen und Orte in ihre Hände, obwohl die
Abteilungen auf ihrem Wege weite kahle Felder über-»
schreiten mußten, wobei
sie dem Gegner gute
Ziele boten.
Rach fünftägigem
Ringen war eine über
17 Kilometer breite
Bresche in den Vertei-
digungsgürtel der Russen
südwestlich von Rimni-
cul-Sarat gelegt. Das
erösfuete die Möglichkeit
zur Führung des ent-
scheidenden Hauptstoßes,
der in der großen zwei-
tägigen Weihnacht-
schlacht bei Rimnicul-
Sarat seinen Höhepunkt
erreichte. Deutsche und
österreichisch-ungarische
Divisionen vertrieben
gemeinschaftlich die Rus-
sen aus dem ungemein
stark verschanzten Dorf
Filipesti und den beider-
seits anschließenden,
ebenfalls sorgfältig aus-
gebarrten Linien.
Damit war eine
schwere russische Nieder-
lage in hartem Kampfe
eingeleitet, und am 27.
Dezember wurde sie ver-
vollständigt. Die 9. und
die Donauarmee stießen
über befestigte Dörfer
und verdrahtete Linien
rasch vor und brachten
viel Material und zahl-
reiche Gefangene ein;
die Donauarmee hatte
in den Kümpfen dieser
Tage 1300 Gefangene
gemacht, die Armee Fal-
kenhayn brachte insge-
samt 7600 ein und er-
beutete außerdem 27
Maschinengewehre sowie
2 Minenwerfer.
Der volle Sieg wurde
-gekrönt durch die Einnahme der Stadt Rimnicul-Sarat, in
der die Bewohner die siegreichen Truppen freudig emp-
fingen, weil sie froh waren, die russischen „Freunde" vor-
aussichtlich für immer los zu sein. Die Russen hatten
nichts unversucht gelassen, um durch mächtige Gegenstöße
die Angreifer noch aufzuhalten. Die 9. Armee, vornehm-
lich preußische und bayrische Infanteriedivisionen, faßte
den Feind aber ungestüm, warf ihn zurück und drängte ihn
dann auch aus frisch ausgehobenen Stellungen weit über
die Stadt hinaus.
Auch die südöstlich anschließenden Truppenteile kamen
vorwärts und durchbrachen die russischen Linien. Bei dieser
neuen Niederlage hatten die Russen wieder äußerst schwere
blutige Verluste und büßten weitere 3000 Gefangene und
22 Maschinengewehre ein. Die Zahl der allein von der
9. Armee eingebrachten Gefangenen wuchs an diesem Tage
auf 10 200 Mann an. Unaufhaltsam ging besonders der
linke Flügel dieser Armee unter Generalleutnant Krafft
v. Delmensingen weiter vor. Diese unermüdlichen Streit-
kräfte erreichten am 23. Dezember nach Überwindung starken
Widerstandes rumänischer und russischer Truppen Dumi-
tresti, 20 Kilometer westlich von Rimnicul-Sarat. Nach
Bewältigung mannigfaltiger natürlicher und künstlicher
Hindernisse gelang es diesem Flügel schon an diesem Tage,
östlich von Rimnicul-Sarat aus dem Seeabschnitt längs
des Buzeu herauszukommen; 1300 Gefangene, 3 Geschütze
und einige Maschinengewehre vermehrten zugleich die Beute
Unter den Gefangenen befanden sich zahlreiche jugendliche
Soldaten, die dem jüngsten Jahrgange entnommen waren,
ihre Ausbildung also in großer Hast erfahren haben mußten.
In fortschreitenden Kämpfen hatte die Armee Mackensen
nunmehr eine Linie er-
reicht, die sich mit dem
rechten, dem östlichen
Flügel, an die Donau
südlich Braila anlehnte,
mit der Mitte westlich
des Dorfes Filipesti den
Buzeu überschritt und
mit dem linken Flügel
nördlich von Rimnicul-
Sarat in die Vorberge
der Transsylvanischen
Alpen hineinführte. Sie
stand damit genau vor
der „Pforte der Mol-
dau", zu deren Schutz
die Rumänen die Be-
festigungslinie amSercth
angelegt hatten. Wie
schon früher erwähnt,
war diese Festungsperre
ursprünglich als Schutz
gegen Rußland entstan-
den , als den eigent-
lichen Feind Rumäniens,
sie hatte dann aber eine
Erweiterung erfahren,
so daß sie nun auch nach
Süden, aus welcher Rich-
tung die Armee Macken-
sen sich näherte, ihre Wir-
kung entfalten konnte.
Der östlichste Stützpunkt
der ganzen Linie ist die
Festung Ealatz. Die
Mitte der Serethbefesti-
gungen wird durch die
Fortsgruppe von Namo-
losa, 40 Kilometer von
Galatz serethaufwärts,
gebildet. Sie besteht aus
mehreren Festen auf bei-
den Flußufern und ist
ein doppelseitiger Brük-
kenkopf, der gegen Nor-
den und Süden vertei-
digt werden kann. Ein
Hauptstützpunkt der Se-
rethlinie ist die Stadt
Focsani, 30 Kilometer nordwestlich von Namolosa; sie soll
den Raum zwischen dem Südufer des Sereth und dem Ge-
birge abschließen. Diese Stadt ist auch militärisch von großer
Bedeutung, weil in ihr viele Straßen und Bahnlinien zu-
sammenlaufen. Die Pläne zu den Werken der Serethbefesti-
gungen sind ebenso wie die von Bukarest von Brialmont
entworfen worden. Der Sereth ist in dem Gebiet der
Befestigungen überall 50 bis 80 Meter breit und gilt, be-
sonders auch wegen seiner sumpfigen Ufer, als ein sehr
schwer zu nehmendes Hindernis.
Gegen diefe Befestigungsanlagen rückte die Armee Mak-
kensens nach den Weihnachtsiegen kämpfend heran. Am
29. Dezember standen seine Truppen auf der Linie nord-
östlich Bizirul—Sutesti (am Buzeu)—Slobozia. Auf dem
rechten Flügel, an der Donau, war das nächste wichtige Ziel
Braila. Dieser Stadt, neben Bukarest der größte Handels-
platz Rumäniens, legten die Feinde nicht geringe Wichtig-
Photothek, Berlin.
Kolonnen überschreiten die Donaubrücke bei Svistow.
hy r V
Phot, M. F. u. F.
Deutsche Feldpostautos vor dem Grand Hotel de Londres in Bukarest.
Bor dem Königlichen Schloß in Bukarest.
Phot. M. F. u. F.
Deutsche Radfahrerkompanie (Jäger) überquert den Schloßplatz in
Bukarest.
Links das Sparkassengebände.
Phot. M. F. u. F.
Der Vierbund beim Einkauf: ein türkischer, deutscher, österreichisch-un-
garischer und bulgarischer Soldat beim Einkäufen von Pfefferkuchen
auf dem Schloßplatz von Bukarest.
Österreichisch-ungarische Kavallerie zieht, von einer schaulustigen Menge
betrachtet, in Bukarest ein.
Gefangene eines Bukarester Regiments werden durch die Calea Vir
toriei, die Hauptstraße von Bukarest, geführt.
Im eroberten Bukarest.
gerieten die Feinde erheblich in Bedrängnis. Dort wurden
von dein westpreußischen Deutschordens-Jnfanteriereginrent
Nr. 152 Slobozia und Rotesti arn 4. Januar irn Sturnr ge-
nommen und die Russen darüber hinaus vertrieben. Der
bedeutendste Fortschritt des Tages zeigte sich in der Rich-
tung auf Braila. Die Brückenkopfstellnng dieser wichtigen
Stadt wurde von deutschen Divisionen mit ihnen zugeteilten
österreichisch-ungarischen Bataillonen heftig bestürmt und
nach schweren Kämpfen durchbrochen. Die Orte Eurgueti
und Romanul mußten mit Bajonetten und Handgranaten
in hartem Ringen von Haus zu Haus erobert werden.
Mit so raschem Vordringen der Verbündeten hatten
die Feinde nicht gerechnet; noch am 5. Januar behaup-
teten englische Militärkritiker, daß Braila dank der in
seiner Umgebung angelegten vortrefflichen Feldstellungen
dem Vormarsch der Armee Mackensen zunächst Halt gebieten
würde. Und gerade an jenem Tage fiel dieser wichtige
Handelsplatz Rumäniens (siehe Bild Seite 104 unten) in die
Gewalt der Deutschen, Österreicher und Ungarn. Wert-
■
Phot. Leipzigcr Presse-Büro.
Deutsche Haubitze fährt durch einen Nebenfluß der Putna in Stellung.
volle Unterstützung fand die Niederringung des russischen
Widerstandes auch vom jenseitigen Donauufer her, aus
der Dobrudscha, wo die Kämpfe so weit vorgeschritten
waren, daß am 5. Januar nicht nur die schwere Artillerie
vom östlichen Donauufer ein entscheidendes Wort mit-
sprechen konnte, sondern auch deutsche und bulgarische
Truppen über die Donau setzen und gleichzeitig mit den
Streitkräften auf dem Westufer dieses Flusses in das Gefecht
eingreifen konnten. Auf der ganzen Linie der Armee
Losch, der Mackensenschen Donauarmee, räumten die Russen
unter stetem Nachrücken der Angreifer das südliche Sereth-
ufer und gingen unter Drangabe starker Nachhuten auf das
Nordufer des Flusses zurück.
Der Sereth wurde an demselben Tage weiter nordwest-
lich auch von dem verstärkten Kavalleriekorps des schon von
den Kämpfen in der Kleinen Walachei her bekannten Reiter-
führers Generalleutnant Graf v. Schmettow erreicht, das
die Orte Olaneasca, Gulianca und Marinem genommen
hatte. Auf dem linken Flügel stürmten zu derselben Zeit
die unter dem Befehl des Generalleutnants Kühne stehenden
Divisionen der Generalleutnants Schmidt v. Knobelsdorfs
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
keit bei und gestalteten deshalb das Vorgelände dieses Ortes
zu einem Haupthindernis aus, das den Weg nach dem nur
17 Kilometer entfernten Ealatz sperren sollte. Östlich und
nördlich der Ortschaften Dedulesti und Vizirul entwickelten
sich äußerst heftige Zusammenstöße. Die Gelegenheit zu
Flankenangriffen und Überflügelungen, die den siegreichen
Heeren in der Kleinen Walachei und in den Kämpfen vor
Bukarest rasch und mit verhältnismäßig geringen Opfern
Erfolge gebracht hatten, war in dem schmalen und gut aus-
gebauten Zwischengelände von der Donau bis zum Gebirge
nicht gegeben. Immer mußten erst Frontalstöße Breschen
legen, ehe die örtliche Flankierung und damit die Erschütte-
rung wichtiger Höhenstellungen oder anderer stark gesicherter.
Punkte möglich war. Mit glänzend geführten Angriffen
kam Mackensen auch bei den genannten zwei Ortschaften
trotz erbitterten Widerstandes in die feindlichen Stellungen
hinein. Versuche der Russen, die Ausnutzung dieser Ein-
brüche zu vereiteln, scheiterten an der Tapferkeit ihrer Geg-
ner, die sich auch durch sechs der mächtigen englischen Kriegs-
wagen nicht schrecken ließen. Zwei dieser Ungetüme wurden
völlig kampfunfähig gemacht, die anderen zogen vor, sich
rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, um nicht in die Hände
der Verbündeten zu fallen. Unaufhaltsam schoben sich diese
von Süden und Südwesten gegen Braila vor.
In scharfen Nachhutkümpfen zwang die 9. Armee, die
westlich des Buzeu vorging, die Russen auch am 1. Ja-
nuar 1917 zu raschem Weichen und näherte sich mit deut-
schen und österreichisch-ungarischen Truppen den Brücken-
köpfen von Focsani und Fundeni nordwestlich Namolosa.
Am 2. Januar wurde der Angriff auf die Festungswerke
westlich und südlich von Focsani eingeleitet; am Mil-
covul wurden an jenem Tage schon die Orte Pinte-
cesti und Mera erstürmt und 400 Gefangene gemacht.
Oberhalb von Odobesci, nordwestlich von Focsani, wurde
der genannte, schwer verschanzte Flußabschnitt schon am
nächsten Tage überwunden. An der Mündung des Buzeu
in den Sereth waren die rasch weichenden Russen gezwungen,
zu ihrer Sicherung mit starker Kavallerie vorzustoßen, der
es jedoch nicht gelang, die Verfolger aufzuhalten. Auch
an der Mündung des Flusses Rimnicul-Sarat in den Sereth
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
(Heinrich) und v. \ ~
Oetinger die mit
kierungseinrich-
tungen ausgebau-
ten Grüben der
ccnt. Gegen har-
Wegnahme der
der Übergang über ]HhKm
den stark ver-
sumpften Flußab-
schnitt gegen den 8
Sereth; auch hier
standen die An- :ff
greiser vor den ^WDWWW^^WWWW^U^^^
letzten Verteidi- D
gungspunkten ih- «WWWMAM»^!
rer Feinde auf W
dem Südufer des 8
Flusses.
Ein Monat war Verhör eines gefangenen rumänischen Offiziers d
seit dem Fall von Bukarest (siehe die Bilder Seite 99) ver-
gangen. In dieser Zeit legten die Streitträfte der Mittel-
mächte bis Braila einen Weg von reichlich 180 Kilometern
zurück; das war eine recht ansehnliche Leistung, denn es ist
zu berücksichtigen, daß die Truppen auf ihrem Wege zahl-
reiche Gefechte gegen stets frische feindliche Regimenter zu
" Ml bestehen hatten.
Trotzdem errangen
. .. ■. die wackeren Käm-
L U pfer Mackensens in
-•l i T/ ItHigwa den gewaltigen
•^jr Schlachten vom 4.
K und 5. Januar noch
U. IkL»||| jHW bedeutende Er-
folge; die Sereth-
linie war fast auf
n9H9l<iB der ganzen Front
W erreicht worden,
Braila gefallen
und der Angriff
LAU MM'' anfalle Hanptpfei
MWMtzWW^W^WWWU^ ler der Festiings-
MM«VMW8M>8W linie unnnterbro-
mr^DWW888W^^WWWWM.chLi eben im Gange.
U8^'^M^8^8W^88^8WW Der Vormarsch
ans dem linken,
westlichen Flügel
P88^|£||£|aH^9HH8i der9. Armee wurde
wesentlich unter-
stützt durch Teile
M^WSSWS8MMW»>S8 dir Heeresgruppe
Phot. M. F. u. F. des Erzherzogs Jo-
h deutsche und österreichisch-ungarische Offiziere, hierZU-
gehörige Armee des Generals v. Kövesz griff in die Schlachten
vor der Serethlinie seit den Weihnachtstagen in zunehmen-
dem Umfange ein. Weiterhin schlossen sich an die 9. Armee
die Truppen des österreichisch-ungarischen Feldmarschalleut-
nants v. Ruiz an, der von.Westen her aus der Richtung des
Berges Latoz ge.gen Focsani vorwärts drängte; dann folgten
Eine Gruppe gefangener rumänischer Soldaten,
MIM
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KbIk ■ r^IL m . jeJB
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.MMm? WM pjjj i St
iMilrw
104
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b. H.
Ansicht von Galatz von den Hafenanlagen aus.
Pbot. Berl. Jllustrat.--Gest m. b. H.
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b. H.
Lagerräume des österreichischen Lloyd im Hafen von Gälatz.
Ansicht des Hafens von Braila.
mehr nördlich die Streit -
kxäfte des deutschen Ge-
nerals v. Eerok, der in
nordöstlicher und südöst-
licher Richtung überOcna
nach dem Sereth zu kom-
men suchte. Diese Heere
brachten die gesamte Be-
festigungslinie an diesem
Flusse mit jedem Schritt
vorwärts in die Gefahr
der Flankierung, gleich-
zeitig bedrohten sie aber
auch die Russen in den
Waldkarpathen, die hier
Vorteile zu erringen
suchten, um dadurch hem-
mend auf das weitere
Vorrücken ihrer Feinde
in Rumänien einzuwir-
ken. Am 23. und 24. De-
zember griffen die Russen
im Abschnitt der Heeres-
gruppe v. Kovesz heftig
an; nördlich des Uztales,
wo der General v. Gerok
stand, konnten sie sich
nach fehlgeschlagenen
Unternehmungen ani
Höhenkamm des Magya-
ros festsetzen, dagegen ge-
lang es ihnen in dem
südlicher gelegenenOitoz-
tal nicht, Gewinne zu
erzielen, weil alle ihre
Vqrstöße in dem äußerst
wirkungsvollen Abwehr-
feuer deutscher und öster-
reichisch-ungarischer Bat-
terien erstickten. In der
Gegend von Ludowa be-
reiteten die Russen große
Angriffe durch starkes
Trommelfeuer vor. Nach
schweren Artilleriekämp-
fen erhöhte sich bis zum
27. Dezember die Ge-
fechtstätigkeit im Oitoz-
und im Putnatal be-
trächtlich. Eine besondere
Höhe erreichte sie im
Grenzraume von Sos-
mezö und südöstlich da-
von, wo sich die Öster-
reicher und Ungarn nebst
deutschen Truppen mit
unwiderstehlicher Gewalt
den Russen entgegen-
stemmten und sie von der
ungarischen Grenze wei-
ter zurückschlugen.
In die schwierigen
Gebirgskämpfe griffen
hüben und drüben auch
zahlreiche Flieger unter-
stützend ein, was ge-
legentlich . zu Gefechten
in der Luft führte, denen
auf russischer Seite am
27. Dezember zwei Far-
manflugzeuge zumOpser
fielen; zwei andere wur-
den zur Notlandung ge-
zwungen.
Ein Vorstoß deutscher
und österreichisch-unga-
rischer Truppen hatte
vollen Erfolg. Die Feinde
wurden am 28. Dezem-
ber aus mehreren hinter-
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
105
Dsterreichisch-ungarische Donaumonitoee beschießen die rumänische Schiffbrücke bet Rahovo.
Nach einer Originalzeichnung von Professor M. Zeno Diemer.
einander liegenden Eebirgstellungen vertrieben und ver-
loren dabei 1400 Gefangene, 3 Geschütze und 18 Maschinen-
3"vehre. General der Infanterie v. Eerok war es mög-
lich, sich in Abereinstimmung mit den großen Vorwärts-
bewegungen in der Walachei in beschwerlichen Kämpfen
lrotz allen Widerstandes der Russen, die hier bedeutende
Kräfte einsetzten, ostwärts vorzuschieben. Hier waren eben-
VI. Band.
falls Flieger tätig, die auch die rückwärtigen Verbindungen
der Russen zu stören suchten, indem sie den für diesen
Frontabschnitt wichtigen Bahnhof von Onesci wirkungsvoll
mit Bomben belegten.
Die Russen empfanden das machtvolle Vordringen des
Südflügels der Heeresgruppe des Erzherzogs Joseph als
für sie feU gefährlich und unternahmen deshalb gm 29. De-
106
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
zernber wütende Gegenstöße. Ihren Zweck erreichten sie
allerdings auch damit nicht, denn wo sie die Streitkräste der
Verbündeten auch angriffen, wurden sie geschlagen und
weiter zurückgedrängt. Obwohl der Feind in dem Erenz-
gebirge der Moldau jeden Fußbreit Boden kraftvoll vertei-
digte, rückten die Angreifer auch am 30. Dezember wieder
weiter gegen den Sereth vor. Nördlich des Uztales entrissen
deutsche Truppen den Russen die wichtige Höhe Solymtar
imd hielten sie gegen immer wieder einsetzende Gegenstöße
fest. Beiderseits des Oitoztales nahmen Deutsche, Österreicher
und Ungarn (siehe die Kunstbeilage) rumänisch-russische
Stellungen; im Putnatal wurde der Feind in blutigem
Häuserkampf aus Tulnici geworfen. Bei Naruja und im
Zabalatal kamen die feindlichen Linien unter dem stän-
digen Druck der rastlosen Angreifer ebenfalls ins Wanken.
Die in den Tälern der Zabala und Putna ringenden
österreichisch-ungarischen und deutschen Truppen (siehe
Bild Seite 102) des Feldmarfchalleutnants v. Ruiz kamen
in fortschreitendem Angriff am 31. Dezember in rascheren
Fluß und stürmten im Raum von Harja eine Anzahl stark
befestigter feindlicher Stellungen. Reue glückliche Vorstöße
längs des Bereczeker Gebirges in den zum Sereth führen-
den Flußtälern
sorgten auch am
1. Janu'ar dafür,
daß der Feind nicht
zur Ruhe kam.
Mehrere Höhen-
stellungen, wie süd-
lich des Trotus der
vielumstrittene
Berg Faltucann,
konnten gegen
deutsche Stürme
nicht gehalten wer-
den. Tags darauf
gelangten die An-
greifer über Ne-
grile sci hinaus und
nahmen zwischen
dem Susita- und
Putnatal mehrere
Höhenstellungen
im Sturm; die
Orte Barsesci und
Topesci wurden
nach Kampf eben-
falls besetzt. Die
Russen und ihnen
angeschlossene ru-
mänische Streit-
kräste bemühten
sich an diesem Tage
besonders, die An-
greifer in ihrem
Fortschreiten aufzuhalten. Südöstlich von Harja, auf dem
Berg Faltucanu, der ihnen am Vortage genommen war,
rückten sie nach starker Vorbereitung durch Artillerie mit
großen Massen an, doch wurden sie blutig zurückgewiesen.
Die Verbündeten litten um diese Zeit schwer unter den
Unbilden des Wetters. Die Artillerievorbereitung, die gerade
in den Kämpfen gegen gut verschanzte Höhenstellungen
wichtig ist, mißriet wegen des dichten Nebels, und tiefer
Schnee erschwerte das Vorwärtskommen. Der Feind wollte
um jeden Preis einen Durchbruch seiner Linien verhindern
und setzte sich mit größtem Nachdruck zur Wehr. Infolge-
dessen entwickelten sich erbitterte Handgranaten- und Bajo-
nettkämpfe, in denen die Angreifer siegreich blieben. Die
Verbündeten drangen in allen Tälern unter Erstürmung
schwierig zu erreichender Höhen weiter vor und brachten
neuerdings über 350 Gefangene (siehe die Bilder Seite 103)
und 3 Maschinengewehre als Beute ein.
Am 6. Januar schafften sich die Truppen des Generals
v. Eerok in hitzigen Gefechten Raum über Colacu an der
Putna und gegen Campurile an der Susita. Die Russen
führten hier frische Kräfte in den Kampf und richteten gegen
die deutschen sowie gegen die österreichisch-ungarischen Ba-
taillone des Generalmajors Goldbach beiderseits der Oitoz-
straße nicht weniger als neun vergebliche Angriffe.
Einen weiteren Gegenstoß versuchten die Russen gleich-
zeitig gegen die 9. Armee. Während sie nordwestlich von
Focsani nicht hindern konnten, daß das Münchener Jn-
fanterieleibregiment den Gipfel des Berges Odobesci er-
stürmte, gingen sie südöstlich von Focsani auf einer bis Fun-
den! reichenden 25 Kilometer breiten Front zu einem ge-
waltigen Angriff vor, der den Durchbruch der Armee Mak-
kensen bezweckte oder doch mindestens den Druck der Gegner
abschütteln, wenn nicht völlig lösen sollte. Diese erkannten
die großangelegte Unternehmung sofort in ihrer ganzen Be-
deutung und trafen entsprechende Maßnahmen. Der tapfere
Widerstand der vorübergehend in die Verteidigung ge-
drängten Truppen der Mittelmächte vereitelte denn auch
hier den russischen Plan. Überall fanden die Russen eine
kräftige Abweisung. Nur an einer Stelle nördlich von
Obilici gewannen sie ein wenig Raum, doch wurde ihr Stoß
sehr bald aufgefangen. Dieser Teilerfolg konnte natürlich
keinen Einfluß auf die Gesamtlage ausüben.
Im Gebirge und in der Ebene bis an die Donau ging
das Ringen um die Serethlinie weiter, wobei die Streit-
kräfte der Mittelmächte stets im Angriff blieben. Trotz
mächtiger Schneestürme und empfindlicher Kälte wurde der
Feind am 7. Januar zwischen dem Putna- und dem Oitoz-
tal erneut zurück-
gedränct, und im
Anschluß daran er-
eilte ihn auf dem
linken Flügel der
9. Armee vor Foc-
sani eine schwere
Niederlage. Hier
wurdenRussenund
Rumänen aus dem
stark befestigten
Eebirgstock des
Berges Odobesci
gegen das Putna-
talzurückgeworfen.
Weiter südlich fiel
unter einem kräf-
tigen Sturm die
schon seit Oktober
ausgebaute, nun-
mehr mit aller
Kraft verteidigte
Milcovustellung»
aus der der Feind
auf eine zweite
Linie zurückgehen
mußte. Aber auch
dort, am Kanal
zwischen Focsani
und Jarestea,
konnte er sich nicht
halten. Die gut
gesicherte und mit
besten Vertridigungsvorrichtungen versehene Stellung wurde
von den Angreifern ebenfalls durchstoßen und überrannt.
Weiteres Nachdrängen zwang den Feind, auch die Linie Foc-
sani—Bolotesti aufzugeben.
Starke Feld- und Panzerwerke hinderten die Deut-
schen endlich auch nicht an der Erstürmung der Feste Foc-
sani. Sie fiel am 8. Januar frühmorgens; mit ihr war der
nördlichste Hauptpfeiler am Sereth niedergebrochen. Diesen
großen Erfolg hatten alle russischen Massenstöße südöstlich
Focsani weder abwenden noch verzögern können.
Während der Südflügel der Heeresgruppe des Erz-
herzogs Joseph schon einheitlich mit dem westlichen Flügel
der Gruppe Mackensen die Bezwingung der Serethlinie
erstrebte, erfuhr jetzt auch der östliche Flügel der Armee
Mackensen eine erwünschte Verstärkung durch das Eingreifen
der hauptsächlich unter bulgarischer Führung stehenden
Dobrudschaarmee, die ihre Aufgabe, die Dobrudscha vom
Feinde zu säubern, glänzend gelöst hatte.
Der Dobrudschafeldzug wurde in das neue
Jahr hinein mit Lebhaftigkeit fortgesetzt; er verdiente in
Deutschland besondere Aufmerksamkeit, weil nördlich der
Linie Cernavoda—Constanza Bauern deutscher Abstam-
mung wohnten. Die Russen verwüsteten bei ihrem Rück-
züge auch die wenigen Kulturstätten der nördlichen Dobru-
dscha; das mutzte, wenn sie nicht rasch vertrieben wurden,
Phot. A. (Äcohs, Berlin.
Bulgarische Kriegsauszeichnungen.
1. Das Tapferkeitskreuz 3. Klasse. 2. Das Tapferkeitskreuz 4. Klasse. 3. Der Orden Pour le Merite
für Mannschaften. 4. Alexanderorden mit Schwertern 5. Klasse. 5. Der Militärverdienstorden 4. Klasse
am Kriegsbande. Die Orden werden mit Ausnahme des Alexailderordens, der an einem roten Bande
befestigt ist, an einem lila Band, das an der Seite mit Silber durchwirkt ist, getragen.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
107
auch die etwa 7000 deutschen Bauern, die in zwölf rein
deutschen Dörfern und >n acht gemischten Gemeinden das
Land besiedelt hatten, schwer treffen.
Schon gegen Ende des Jahres 1916 war der ganze weite
Raum östlich der Donau bis zu dem großen Donaubogen
vom Feinde befreit. Heftigen Widerstand leisteten die feind-
lichen Streitkräfte unter Sacharow nur noch auf einer
Hügelkette, die sich an den russischen Brückenkopf von Macin
anschloß. Während die Bulgaren hier die Lage der Russen
durch Artilleriefeuer und ständige Beunruhigung durch
größere Jnfanterieabtrilungen von Tag zu Tag unerträg-
licher gestalteten, rückten sie nordöstlich über die befestigten
Stellungen der Feinde auch weiter in den Donauwinkel
hinein und schickten gleichzeitig gewandte Führer mit kleinen
Abteilungen in das Gewirr von Flußarmen, Seen und
Sümpfen, aus dem das Donaudelta besieht. Die Russen
nütz en die vom Gelände gebotenen Verteidigungsmög-
lichkeiten gründlich aus und gaben den Donauwinkel
und das gesamte Mündungsgebiet erst nach hartnäckigem
Widerstand preis. Selbst ihre Donaumonitore beteiligten
sich an den kriegerischen Handlungen. Diese beschossen am
25. Dezember Tulcea, konnten jedoch nicht viel ausrichten,
weil sie von der Artillerie der Verbündeten heftiges
Feuer erhielten.
Die Kämpfe um
den Brückenkopf
von Macin nah-
men einen guten
Fortgang. Aus
stark gesicherten
Hügelstellungen
wurden die Geg-
ner durch bulga-
rische und otto-
manische Trup-
pen mit großem
Schneid hinaus-
geworfen; die
Stadt Rachel fiel
am 28. Dezember
in die Hände der
Angreifer. Tags
darauf stießen bul-
garische Streit-
kräfte am St. Ee-
orgs-Arm der Do-
nau auf eine 50
Mann starke rus-
sische Abteilung,
die in blutigem
Nahkampf nieder-
gemacht wurde.
Am 31. Dezem-
ber gelang es deut-
schen und bulgarischen Truppen, die feindliche Stellung um
Macin weiter einzuengen. Die Russen hatten dabei schwere
blutige Verluste und verloren über 1000 Gefangene außer
4 Geschützen und 3 Maschinengewehren. Schon am nächsten
Tage erfolgte unter der Mitwirkung der Pommern vom
Reserve-Infanterieregiment Nr. 9 die Einnahme der Höhen-
Osterreichisch-ungarische Donaumonitore
beschießen die Schiffbrücke von Nahovo.
«Hierzu das Bild Seite 105.)
Wie zu Beginn des Krieges gegen Serbien durch ihre
erfolgreiche Beschießung Belgrads, so hat die österreichisch-
ungarische Donauflottille auch gleich in den ersten Wochen
?j:f Kampfes gegen Rumänien durch ihr kühnes und ent-
schlossenes Vorgehen dem Gegner bedeutenden Schaden
zugefügt, der um so höher zu bewerten ist, als es sich um
rumänischer Verieidigungs- und anderer
militärischer Anlagen handelte, die einen feindlichen Über-
gang über die Donau erleichtern und decken sollten.
So hatten die Rumänen bei Rahovo bereits mit dem
Bau einer Donaubrücke begonnen und sie teilweise schon
nahezu fertiggestellt. Sie suchten hier den auf dem linken
siellungen des Brückenkopfes, dessen Schicksal damit besie-
gelt war. Macin und die wenigen anderen vom Feinde
noch besetzten Punkte in der Dobrudscha wurden immer
lebhafter bedrängt, und trotz hartnäckiger Verteidigung rückten
am 3. Januar deutsche und bulgarische Regimenter in die
Orte Macin und Jijila ein. Die Beute betrug hier 1000 Ge-
fangene und 10 Maschinengewehre.
Durch die Kämpfe vom 4. und 5. Januar wurde der Do-
brudschafeldzug beendet, und seit dem 5. Januar stand kein
rumänischer oder russischer Soldat mehr südlich der Donau.
Die 3. bulgarische Armee unter dem General Nereczoff, der
auch andere bulgarische sowie deutsche und osmanische Trup-
pen zugeteilt waren, hatte über die Reste der Armee des
Generals Sacharow einen vollen Sieg davongetragen. Diese
Truppen konnten nun bei dem Angriff auf Galatz (siehe die
Bilder Seite 104) mitwirken, der nach dem Fall von Braila
vom westlichen Donauufer aus kräftig eingeleitet worden war.
Die Festung lag bereits unter Artilleriefeuer. Die Russen
suchten mit allen Mitteln weitere Fortschritte ihrer Gegner
zu vereiteln und schickten mit dem gleichen Mißerfolg wie
früher auch ihre Monitore wieder ins Treffen.
Nach der Säuberung der Dobrudscha von der Armee
Sacharows bildeten die Streitkräfte der Verbündeten eine
zusammenhängen-
de Linie, die der
Donau und dem
Sereth entlang
verlief. Aus der
Karte ergibt sich,
daß dieser Linie
eine ganz beson-
dere Wichtigkeit
innewohnt. Würde
die untere Donau
an der nördlichen
Grenze der Do-
brudschavoneinem
starken Heere über-
schritten» so gerie-
ten dadurch nicht
nur die Stellun-
gen der Gegner
hinter dem Sereth
durch Flankierung
in große Gefahr,
sondern gleichzeitig
auch etwa hinter
dem Pruth vorge-
sehene Verteidi-
gungsanlagen, die
mit jenen am
Sereth gleichlau-
fen würden. Die
Verteidiger wären
somit gezwungen, beide Linien sofort zu verlassen und
bis hinter den Dnjestr zurückzugehen. Die Inbesitznahme
der Donau-Sereth-Linie durch die Verbündeten konnte dem-
nach für den weiteren Verlauf des ganzen Krieges unter
Umständen von ausschlaggebender Bedeutung werden. —
«Fortsetzung folgt.)
Donauufer über Silistria hinaus vorrückenden Verbün-
deten in den Rücken zu fallen und sie so zur Preisgabe
des in der Dobrudscha gewonnenen Geländes zu zwingen.
Allein die k. u. k. Monitore waren auf der Lauer und
hatten bereits am 1. Oktober 1916 die Vorbereitungen
des Feindes erkannt. Im Laufe des Nachmittags wurden
zunächst einige Patrouillenboote vorgeschickt, denen in einiger
Entfernung eine Abteilung Monitore folgte. Nachdem sich
die kleine Flottille gewandt an den Gegner herangeschlichen
hatte, fuhr sie ruhig durch die feindliche Feuerzone zwischen
Zimnicea und Eiurgiu. Damit hatten sich die Angreifer der
Brücken stelle auf Schußweite genähert und konnten sie nun
unter ein wirksames Geschützfeuer nehmen, das von den
rumänischen Batterien zwar lebhaft, aber ohne Erfolg er-
widert wurde. Nachdem am anderen Morgen noch mehrere
Monitore als Verstärkung der bereits im Kampfe befind-
Mot. A. Grohs, Berlin.
Österreichisch-ungarische Kriegsauszeichnungen.
Das Mililärverdienstkreuz mit Kriegsdekoration 1) 1. Klaffe, 2) 2. Klasse, 3) 3. Klaffe. Die Farben des
Ordens sowie der Schleife sind weiß und rot.
Illustrierte Kriegsberichte
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
Anatoli Feuer (Leuchtturm).
,Breslau".
ioebech
KVNKMM
Kriegsleben am Schwarzen Meer. Verladen von schweren
dculschen Geschützen und Krrrgsmaterial in der Poirasbncht.
Simplefadeu-Felsen der Iasonsage.
Ruiuikl^ Feuer D (Leuchtturm)..
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
109
Nach einein Originalgemälde auf Grund von an Ort und Stelle
gefertigten Studien und Skizzen des Kriegsmalers Hugo L. Braune.
lichen eingetroffen waren, setzten die k. u. k.
Schiffe den Angriff fort, der durch die zahl-
reichen im Wasser treibenden Minen und
Torpedos wie durch das feindliche Sperr-
feuer am nördlichen Donauufer bedeutend
erschwert wurde. Im Laus des Tages hat-
ten sie sich endlich so nahe an die Brücke
herangearbeitet, daß sie diese aus nächster
Nähe unter Feuer nehmen konnten. Mit
Hilfe der Schiffsgeschütze und durch Ver-
senken von Treibminen, die von der Strö-
mung gegen die Brücke getrieben wurden,
gelang es schließlich, an mehreren Stellen
Breschen zu schlagen und die mühsame
Arbeit der rumänischen Pioniere binnen
wenigen Stunden zu vernichten.
Die Zerstörung der Donaubrücke bei
Rahovo sicherte die verbündete Dobrudscha-
armee vor feindlichen Umgehungsversuchen
im Rücken, und Eeneralfeldmarschall v.
Mackensen sprach für den ausgezeichneten
Dienst, den ihm die kampferprobte k. u. k.
Donauflottille erwiesen hatte, den tapferen
Offizieren und Mannschaften der Moni-
tore seine besondere Anerkennung aus.
Verladen von Kriegsmaterial
und schweren Geschützen in der
Poirasbncht des Schwarzen
Meeres.
Aus meinem Tagebuch. Von Hugo £. Braune.
(Hierzu das nebeusteheilde Bild.)
Von den Wegen, die nach Konstanti-
nopel, dem Ziel der politischen Träume
Rußlands, führen, ist der über das Schwarze
Meer für die Feinde des türkischen Reiches
der bequemere und kürzere. Für diese
Spazierfahrt bis unter die Minarette des
moscheenreichen Neubyzanz bereitete sich
die russische Schwarz-Meer-Flotte seit den
revolutionären Tagen, die dem japanischen
Kriege folgten, recht gut vor. Daß es eine
Spazierfahrt werden sollte, dafür boten
die Engländer ihre hilfreiche Hand, dafür
wollte die englische, im Dienste der otto-
manischen Regierung stehende Marine-
mission sorgen! Bis in die letzten dem Krieg
vorausgehenden Tage Vorbereitungen tref-
fend, täuschte sie das ihr entgegengebrachte
Vertrauen aufs gröblichste und ebnete den
russischen Mitverschworenen den Weg, in
das Herz der türkischen Macht zu stoßen.
Man braucht kein großer Stratege, noch
nicht einmal Militär zu sein, um über die
merkwürdigen Maßnahmen den Kopf zu
schütteln, die nach englischer Versicherung
Konstantinopel uneinnehmbar machen soll-
ten. Die Tätigkeit der englischen Marine-
uiission war eine direkt hochverräterische.
Daß ihr ein Erfolg versagt blieb, war der
deutschen Militärmission zu danken. Be-
scheiden und unauffällig arbeiteten die deut-
schen Offiziere im Seraskierat, dem tür-
kischen Kriegsministerium, neben den Eng-
ländern. Während die letzteren die tür-
kischen Schiffe abmontierten und die Ge-
schütze „zur Reparatur" auf Nimmerwie-
dersehen nach England schickten, entwarfen
die ersteren strategische Pläne, die englische
Tätigkeit unschädlich zu machen.
Die unvergleichliche Schönheit dieses
Teiles unserer Erdkugel ist nicht nur für
jeden Reisenden, der das Glück hat, diese
Fülle von Naturwundern zu genießen,
unvergeßlich. Seit langem glauben auch
fremde Nationen das sogenannte „Erbe
des kranken Mannes am Bosporus" für sich
beanspruchen zu können. Daß aber die
110
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Russen es sind, die sich dazu berechtigt halten, können am
wenigsten die verstehen, die den Feldzug in Polen und
Rußland mitmachten und wissen, was „russische Kultur" heißt.
Aus ihren Steppen hierher an die Wiege der Geschichte in
eine 3000 Jahre alte Kulturwelt versetzt, würden sie sich aus-
nehmen wie die Faust auf dem Auge. Wie ein überirdisch
schöner Traum liegt Konstantinopel, die Minarette nur
überragt von dem fernen schneegekrönten Gipfel des Olymp,
glänzt das Goldene Horn wie ein leuchtendes Band und
zieht sich im Zickzack wie eine Flut Ultramarin, aus einem
Riesenfarbentopf gegossen, der Bosporus. Harmlos und
unbehelligt zogen die Schwärme Delphine noch durch seine
blaue Flut, als an den Dardanellen die Engländer schon
vernichtend geschlagen waren, als die schweren Geschütze des
Forts Hamidie schon den „Bouvet", „Jrresistible" und
„Ocean" versenkt hatten. Aber es war die höchste Zeit,
mit starker Faust in die Märchenwelt des Bosporus zu
greifen. Die klotzigen Türme von Rumili Hissar (euro-
päisches Schloß) und Anatoli Hissar (asiatisches Schloß), an
der schmälsten Stelle des Bosporus errichtet, an der schon
Darms seine Heerscharen übersetzte, sind keine Drohung
mehr für moderne feindliche Geschütze. Eine einzige
Granate aus ihren über zwanzig Kilometer weit tragenden
Schiffsgeschützen würde aus ihnen einen Trümmerhaufen
machen. Der Wille zum Sieg ist noch nicht der Sieg,
sondern darauf kommt es an, wer den Willen hat. Und
den hatte der vormalige Verteidiger der Dardanellen und
Kommandant des siegreichen Forts Hamidie, der deutsche
Kapitän und ottomanische Oberstleutnant Wossidlo, der
berufen ward, den Bosporus und die Küsten des Schwarzen
Meeres gegen die Russen in Verteidigungszustand zu setzen.
Sachkundigeren Händen konnte dieses wichtige Amt nicht
anvertraut werden. Infolge des offenen Transportweges
dur-ch Serbien war es möglich, die alten Kanonen gegen
moderne auszuwechseln, und die beiden Ufer des Bosporus
starren jetzt von großkalibrigen, weittragenden Geschützen.
Keine Flotte der Welt würde jetzt, ohne der Vernichtung
gewiß zu sein, den Eingang des Bosporus vom Schwarzen
Meere aus erzwingen oder auch nur in seine Nähe kommen
können. Die felsigen Küsten zu beiden Seiten des Meeres
erleichtern es ungemein, aufs vorteilhafteste — auch gegen
Fliegersicht — die größten Geschütze einzubauen. Eine
Flottille von Hilfsfahrzeugen ist zwischen Konstantinopel
und der Poirasbucht ständig unterwegs, die Befestigungen
zu versorgen. Große Geschützrohre, schwere Unterbauten
werden ausgeladen, weitertransportiert oder wechseln ihren
Standort. Riesige indische Wasserbüffel ziehen die schwersten
Geschoßtransporte und wo sie nicht ausreichen, rollen lange
Kolonnen türkischer Armierungssoldaten die Lasten aufwärts.
Mit einer Sorgfalt wird gegraben, gehackt und betoniert, als
wenn ringsum tiefster Friede wäre Kleine zweirädrige
Karren, die den trojanischen Kriegswagen zum Verwechseln
ähnlich sehen, werden von malerischen, Bassermannschen
Gestalten gelenkt. Ihre kreischenden Räder erinnern an das
Wort des Koran: Wer mit Geräusch fährt, den höret Gott!
Ein Genuß ohnegleichen ist es, von den Höhen der
asiatischen Küste auf dieses Kriegsleben niederzusetzen und
den Blick weiter über die violetten Fluten des Schwarzen
Meeres schweifen zu lassen bis dahin, wo sie sich mit dem
tiefdunkelblauen Wasser des Bosporus vermischen. Wo
ehemals die Schiffchen der kühnen Argonauten auf der
Jagd nach dem „Goldenen Vlies" segelten, dampfen jetzt
die Panzerkreuzer „Eoeben" und „Breslau" und ziehen
ihre weißen Furchen durch die dunklen Fluten. Still liegen
die Felsen der Simplejaden unterhalb des Leuchtturms
von Rumili Feuer, seitdem Orpheus von der Argo herab
durch sein Saitenspiel die sich ewig bewegenden, alles
zwischen sich zermalmenden in lautlos lauschende verwan-
delte. Keine Gefahr droht mehr von ihnen und deutsche Was-
serflugzeuge und Minensuchboote sorgen dafür, daß keine an-
dere Gefahr sich heimtückisch naht. Die Leuchtfeuer sind ver-
löscht und nur der weiße Marmor der Tempelüberreste auf
den Simplejaden leuchtet über das tiefdunkle Meer herüber.
Münzrecht in den besetzten Gebieten des
Ostens.
(Hierzu dle Bilder Sette 111.)
Den kämpfenden Heeren ist überall in den eroberten
Gebietsteilen sehr bald die deutsche Verwaltung gefolgt, um
in dem Lande, über das der Krieg verheerend zog, die
Schäden, die er brachte, auszuheilen und ihm die Seg-
nungen deutscher Ordnung zuteil werden zu lassen
Es sind ungeheure Gebiete, die so vor dem Untergange
und völliger Vernichtung gerettet wurden. Zählt man ihre
Quadratkilometer zusammen, so ergibt das ein Gebiet, das
nur 20 000 Quadratkilometer kleiner als Deutschland ist.
In diesem gewaltigen Gebiet, von dem mehr als die
Hälfte, 280 000 Quadratkilometer, auf das Verlustkonto
Rußlands zu setzen ist, war deutscher Beamtengeist ein-
gekehrt, der mit der ihm eigenen traditionellen Gründlichkeit
überall Ordnung schaffte.
Alle waren sie bestechlich, die russischen Staatsdiener,
vom Gouverneur der Provinz bis zum Polizeispitzel herab,
und ihre Taschen waren um so größer, je höher der Rang
war, in dem der Beamte stand. Das Militär.machte keine
Ausnahme.
Und nun kamen diese Deutschen ins Land, und die Ver-
wunderung stieg von Tag zu Tag Straßen wurden gebaut,
Felder bestellt, Schulen errichtet; aber was das beste war,
alles, was sie brauchten, diese feldgrauen Männer, das
zahlten sie mit gutem deutschen Geld. Es war zwar Papier-
geld und nicht so glänzend und glatt wie die russischen Rubel-
scheine, auch schlichter in Zeichnung und Aussehen, aber es
war deutsches Geld und sicher wie alles an diesen Deutschen
Die Bewohner der besetzten Gebiete waren bald zufrieden
mit den neuen Verhältnissen. Noch nie hatten der polnische,
litauische und lettische Bauer so viel und so reichlich ver-
dient wie in diesen Tagen. Sie sind zum Teil sehr,prak-
tische Leute, diese russischen Bauern der Grenzlande. Sie
häuften Markschein auf Markschein, und die langen blauen
100-Mark-Scheine der Deutschen, die 50 Rubel bedeuten,
wollten ihnen sehr gut gefallen.
Der deutsche Geldmarkt aber kam dadurch in Not. Das
Kleingeld wurde spärlich, und bald auch das große. Millionen
von Deutschen waren ja draußen in fremdem Land und
deckten ihre Bedürfnisse mit deutschem Geld. Man denke,
mehr als die Hälfte von Deutschland ist besetztes Gebiet
im Osten!
Hier mußte Wandel geschaffen werden. Zu den sonstigen
Rechten der Verwaltung des Oberostgebietes trat das Münz-
recht, das sonst nur der Staat übt.
Fortan sollte im Lande nur mit eigener Münze gezahlt
werden. Außer dem schon erwähnten Hauptzwecke der
Zurückführung deutschen Geldes auf den heimischen Geld-
markt sollte dadurch der Handel in den besetzten Gebieten
erleichtert werden Die Leute sollten mit gewohnten Werten,
mit Kopeken und Rubeln, rechnen und die für sie oft recht
schwierige Umrechnung in Mark und Pfennig nicht mehr
nötig haben. Der Verkehr sollte sich also vereinfachen.
Wir sehen das schlichte Oberostgeld im Bilde vor uns,
eine Münze und zwei Scheine mit Vorder- und Rückseite.
Die Münze ist ein Dreikopekenstück und hat etwa die
Größe eines deutschen Markstücks, nur ist sie stärker und
natürlich nicht aus Edelmetall geprägt. Ihre Vorderseite
zeigt ein ausgestanztes Kreuz mit der russischen Inschrift
„3 Kopeken 1916". Die Rückseite zeigt in einem in der
Mitte unterbrochenen Punktring die deutsche Inschrift „Ge-
biet des Oberbefehlshabers Ost". Den einzigen Schmuck
des schlichten Geldstücks bilden vier Eichenreiser, die die
Inschrift begleiten. Das Geldstück ist handlich und leicht und
hat den Zweck, das Kleingeld zu ersetzen
Die beiden Scheine sind Darlehnskassenscheine, die ein
ähnliches Aussehen haben. Wuchtig heben sich nur die
Zahlen heraus, die ja allen verständlich sind.
Die Vorderseite zeigt in einem Rechteck von Rosetten
den deutschen Aufdruck und den Namen der deutschen
Bank, die die Oberostscheine ausgibt. Ganz klein steht an
dem unteren Rand: „Wer Darlehnskassenscheine nachmacht
oder verfälscht oder nachgemachte oder verfälschte sich ver-
schafft und in Verkehr bringt, wird mit Zuchthaus bis zu
acht Jahren bestraft."
Die gleiche Strafandrohung steht auf der Rückseite in
polnischer, lettischer und litauischer Sprache. Dieselbe Seite
trägt auch in der Sprache der Volkstämme der besetzten Ge-
biete des Ostens die Aufschrift: „Darlehnskassenschein, fünfzig
Kopeken" und dementsprechend „ein Rubel". Den Mittel-
raum nehmen, von Rosetten umgeben, die Wertzahlen ein.
Außer diesen Darlehnskassenscheinen kamen bald andere
in Umlauf, und zwar zu 3, 10, 60 und 100 Rubeln, die
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
111
den vorerwähnten in der Aufschrift gleichen und nur in
Farbe und Größe voneinander abweichen.
Mit diesem Gelde übt Oberost sein Münzrecht aus, und
die Einwohner, die sich anfangs nur schwer von dem deutschen
Markschein trennen konnten, weil er „echter" sei als dieses
neue Geld, gewöhnten sich allmählich an seinen Gebrauch.
Der Heimat aber floß auf diese Weise das deutsche Geld
zu, das vorher in fremde Hände gelangte und von ihnen an-
gesammelt wurde zum Schaden des heimischen Geldmarktes.
Die Wirtschaftslage
der kriegführenden
Mächte.
Von Professor Dr. Wygodzinsti,
Bonn.
Jeder Krieg ist in erster Li-
nie ein Kampf um die Macht,
und so auch der jetzige Welt-
krieg. Aber dieser hat doch die
Besonderheit, daß er zuerst von
England, dann von seinen Ee-
folgstaaten als ein Kampf um
die wirtschaftliche Vorherrschaft
geführt wurde» und daß die
wirtschaftlichen Mittel kaum
weniger hervortraten als die
rein militärischen. Die Aus-
sichtigen. Seinerzeit rechtfertigte Grey den Eintritt Eng-
lands in den Krieg damit, daß „businoss as usual“, das
Geschäft wie gewöhnlich sein werde.
Zunächst Deutschland und seine Verbündeten! Wir
werden nicht so töricht sein, leugnen zu wollen, daß der
Krieg unser Wirtschaftsleben aufs tiefste beeinflußt hat.
Unser auswärtiger Handel ist so gut wie stillgelegt, un-
gezählte Werte im Ausland sind als Folge der englischen
Raubpolitik vorläufig, vielleicht für immer verloren ge-
gangen, eine Reihe von Er-
werbszweigen des Inlands, wie
das große Baugewerbe, sind
fast beschäftigungslos gewor-
den, andere, wie zum Beispiel
die Textilindustrie, durch den
Mangel an Rohstoffen, schwer
bedrängt. Der Ausfall von
Millionen von Arbeitskräften,
zumeist des kräftigsten Alters,
die jetzt im Felde stehen oder
gefallen, gefangen, verwundet
sind, macht sich schwer bemerk-
bar. Unsere Ernährung ist aufs
äußerste verknappt und be-
schnitten und nur durch eine
eiserne Organisation durchzu-
haltem Das alles wollen wir
zugeben: trotz alledem wird kein
Unbefangener im heutigen
Ein Dreikopekenstück, das der Oberbefehlshaber Ost zur Hebung
des Kleingeldmangels hat schlagen lassen.
Vorder- und Rückseite.
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fkü tfti/iU. wäJ wjltotac
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toek fodit» v
»Air r*rfaU«tkt oder oadHpsucht* »der vejtaiUdbt«^
»tfk vororhaSl (« Vorkebr bringt mU KBobtbau* sm »«? J«hrao koatyaft.
Vorderseite.
Rückseite
Ein Fünfzig-Kopeken- und ein Ein-Rubel-Schein, die mit Genehmigung der Regierung von der Ostbank für Handel und Gewerbe in Posen für daL
Gebiet des Oberbefehlshabers Ost herausgegeben wurden.
Phot. Bert. Jllustrat.-Ges. m. b. H.
hungerung an Nahrungsmitteln und Rohstoffen, der Raub des
Privateigentums, die Handelspionage, die Schwarzen Listen,
UT?J?ur einiges zu nennen, sind ein Versuch, die Mittel-
mächte auch ohne Aufgebot militärischer Machtmittel, nur un-
ter Benutzung der Überlegenheit zur See, niederzuzwingen.
_ Petzt, wo der Krieg seiner Krisis naht, dürfte wohl die
'P'chle aufgeworfen werden, wieweit dieser Wirtschaftskrieg
Erfolg gehabt hat. Hat doch dieser größere oder geringere
Erfolg auch auf den Ausgang des Kampfes entscheidenden
Einfluß. Dabei ist aber nicht nur die Lage der Mittel-
mächte, sondern nicht minder die ihrer Gegner zu berück-
Deutschland (und ähnlich liegt es bei unseren Bundesgenos-
sen) das Gefühl eines wirtschaftlichen Niedergangs haben.
Einen Beweis dafür bietet die Tatsache, daß sowohl unsere
Gegner in den Beschlüssen der Pariser Wirtschaftskonferenz
wie auch neutrale Staaten es für nötig gehalten haben, durch
entsprechende gesetzliche und zollpolitische Maßnahmen sich
gegen eine Überschwemmung durch deutsche Waren direkt nach
dem Friedenschluß zu sichern; so hoch schätzt man dort jetzt
noch die Tatkraft und Leistungsfähigkeit der deutschen Wirt-
schaft ein. Aber es bedarf dieses Zeugnisses von außen nicht,
um Deutschland seine wirtschaftliche Stärke zu zeigen. Der
112
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Ein französischer Lenkballon, im Begriff, aufzusteigen.
Nach einer französischen Darstellung.
schwierigste Punkt ist nach wie vor die Ernährung» zumal
durch die schlechte Kartoffelernte die Hoffnung auf eine bal-
dige Vermehrung der Fleischnahrung entschwunden ist.
Aber Deutschland hatte vor allem eine außerordentlich gute
Brotge.reideernte» womit die Grundlage zu einer aus-
reichenden Ernährung gesichert ist. Dazu kommt die Er-
oberung des reichsten Kornlandes Europas, Rumäniens,
das uns über jeden Zweifel hinaus sichert. Wenn auch die
dort vorhandenen Vorräte teilweise durch die vereinigte
„Kulturtätigkeit" von Russen und Engländern vernichtet
worden sind, so ist doch genug davon geblieben; den Boden
konnten sie weder verbrennen noch forttragen, und ihm
werden nunmehr die Hilfsmittel der deutschen Landwirt-
schaftstechnik Erträge entlocken, die ryeit über das hinaus-
gehen, was die mit äußerst einfachen Mitteln betriebene
rumänische Landwirtschaft gewann.
Genau jo steht es mit den Rohstoffen. Sie sind knapp,
aber wir wußten uns einzurichten. Die eroberten Länder
lieferten reiche Zuschüsse, wie jetzt wieder Rumänien Petro-
leum; im Tauchbootverkehr holen wir uns wenn auch nur
kleine Mengen wichtigster Stoffe aus Amerika. In weitem
Umfange hat die erfindungsreiche deutsche Wissenschaft für
scheinbar unersetzliche Stoffe einen solchen Ersatz gefunden,
wie für den aus Chile eingeführten Salpeter oder für den
hinterindischen Wolfram zur Stahlhärtung. Die Industrie
hat sich in staunenswerter Weise „umgestellt" und wird
dies mit Hilfe des Zivildienstgesetzes immer mehr tun; so
hat sie dem Kapital wie der Arbeit reichlichen Verdienst
geschaffen. Dabei haben wir den großen Vorteil, daß
unser Kapital, eben durch die Absperrung, im Lande bleibt,
im Gegensatz zu unseren Feinden, die sich immer stärker
dem neutralen Auslande verschulden. Den äußerlichen
Ausdruck für die Kraft des deutschen Wirtschaftslebens
finden wir in der Tatsache, daß der deutsche Markt, fast
ohne jede Unterstützung der Neutralen, Kriegsanleihen in
Höhe von 47 Milliarden Mark aufbringen konnte. Durch
die Festsetzung der Kurse für Steuerzwecke am 31. De-
zember 1916 sind wir in der Lage, durch Vergleichung mit
den Friedenskursen sozusagen ein Barometer der Wirt-
schaftslage aufstellen zu können. Nehmen wir einige
Stichproben. Es betrug der Kurs am 31. Dezember
1918 1916
3prozentige Deutsche Reichsanleihe . 75,70 66
Anatolische Eisenbahn .... 117,00 122
Deutsche Bank................. 248,75 244
Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft . 233,25 220
Phönir........................ 232,50 245
Laurahütte ........................... 149,00 189
Bremer Wollkämmerei........... 267,00 255
1 Diese Kurse von Unternehmungen aus den verschiedensten
Gebieten des Wirtschaftslebens zeigen alle eine solche
Widerstandskraft, daß von einer Riederringung der deut-
schen Volkswirtschaft keine Rede sein kann. Vielleicht
noch schlagender aber ist die Tatsache, daß der Kurs der
französischen dreiprozentigen Rente um dieselbe Zeit auf nur
60l/ä (gegen 66 der deutschen Anleihen I), der der englischest
2'/2prozentigen Konsols
nur 551/4 stand.
Überhaupt ist eine
richtige Einwertung der
deutschen Lage erst mög-
lich durch eine Verglei-
chung mit den wirtschaft-
lichen Zuständen im geg-
nerischen Lager. Hier ist
zunächst die Ernährungs-
grundlage aufs schwerste
durch die Weltmißernte
gefährdet. Von den geg-
nerischen Ländern sind
nur zwei in der Lage, in
Friedenszeiten Lebens-
mittel auszuführen: da-
von haben die Mittel-
mächte das eine, Rumä-
nien, im Besitz; das
zweite, Rußland, ist durch
die Dardanellensperre
abgesondert und vermag
infolge der schlechten Ent-
wicklung seines Eisenbahnnetzes und der Verkommenheit sei-
ner Beamtenschaft nicht einmal die reichen Ernten des Südens
in den anderen Teilen des Riesenreiches voll nutzbar zu
machen. Die Erntekstappheit und die Schiffsraumnot, der Er-
folg der Tätigkeit unserer unvergleichlichen li-Boote, hat in
allen gegnerischen Ländern bereits zuEetreidepreisen geführt,
die weit über die unseligen hinausgehen. Am 1. Dezem-
ber 1916 standen die Weizenpreise in New Pork auf 197V2
Cents, das ist ungefähr das Doppelte der normalen Preise.
Auf das Friedensangebot Deutschlands stürzten sie auf 158,
um dann nach der abweisenden Antwort des Vierverbands
wieder auf die unglaubliche Höhe von 199 zu steigen.
Die Frachtraumnot im Bunde mit der verminderten
Leistungsfähigkeit der englischen Industrie durch den Über-
gang zur allgemeinen Wehrpflicht hat aber auch die Kohlen-
versorgung und damit den allgemeinen Nerv des Lebens
überhaupt wie insbesondere jeder wirtschaftlichen und mili-
tärischen Betätigung daselbst aufs schwerste betroffen. Das
stolze England, das bisher bedeutendste Kohlenland Europas,
muß seine Schnellzüge ausfallen lassen, Frankreich muß
seine Fabriken sperren, Italien muß frieren und hungern.
Es kann gar keine Rede davon sein, daß die Feinde,
wie es ihre Absicht war, die Mittelmächte von den neu-
tralen Märkten verdrängten; sind sie doch nicht einmal
imstande gewesen, ihren eigenen Bedarf an Kriegsgerät
aller Art herzustellen, sie haben dafür ungeheuerliche
Summen an andere Länder zahlen müssen. Frankreich
wies in den ersten elf Monaten des Jahres 1916 einen
Überschuß der Einfuhr im Werte von 11,5 Milliarden Fran-
ken auf, welche Summe es also an das Ausland zu zahlen
hatte! Das ist der offene Bankerott, dem diese Länder
entgegensteuern. So ist es denn begreiflich^, daß selbst
das amerikanische Schatzamt, dem man Deutschfreund-
lichkeit wahrhaftig nicht vorwerfen kann, öffentlich vor
der Hingabe weiterer kurzfristiger Darlehen an die Ver-
bandstaaten warnte.
Das Bild der Wirtschaftslage der Mittelmächte und
ihrer Gegner konnte hier nur in den äußersten Ümrissen
angedeutet werden. Klar aber leuchtet aus allem hervor,
daß die Mittelmächte hier nicht die schwächeren sind. Den
eigentlichen Vorteil aber aus dem selbstmörderischen Vor-
gehen der unter Englands Vormundschaft stehenden Staa-
ten haben die „lachenden Dritten", die Vereinigten Staaten
und Japan, das den europäischen Krieg immer wieder neu
zu schüren das lebhafteste Interesse hat. Ihre Wirtschaft
ist in einem Maße aufgeblüht, wie sie selbst es kaum für
denkbar gehalten hätten; Japan konnte seine Schulden
zurückzahlen, die Ünion ist auf dem Wege dazu, an Eng-
lands Stelle Weltbankier zu werden.
Aus dem blutigen Ringen dieses Krieges wird auch
Deutschland zweifellos mit schweren Verlusten hervorgehen.
Aber es hat sich vor allen Dingen seine Unabhängigkeit
bewahrt, seine Erwerbskräfte gesteigert und der staunen-
den Welt Proben einer unvergleichlichen Leistungsfähig-
keit gegeben. Den Wirtschaftskrieg nach dem Kriege hat
Deutschland sowenig zu fürchten wie den Krieg selbst.
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
(Fortsetzung.)
Die siegreiche Beendigung des Feldzuges in der Dobru-
dscha durch die Mittelmächte und ihre Verbündeten erweckte
bei den Gegnern Besorgnis wegen des Schicksals ihrer Armee
in Saloniki. Es bestand die Möglichkeit, daß die freige-
wordenen Streitkräfte gegen Sarrails Truppen eingesetzt
würden, die, unfähig weitere Erfolge zu erzielen, schon
wochenlang in ihren alten Stellungen lagen. Ihre Ver-
suche, Fortschritte zu machen, brachen regelmäßig blutig zu-
sammen, noch bevor die Angreifer die Linien der Ver-
bündeten erreichten. So verlief auch ein am 23. Dezember
abends von englischen Bataillonen zwischen dem Wardar
und dem Doiransee (siehe die Karte in Band V Seite 436)
nach vielstündigem Vorbereitungsfeuer unternommener
Vorstoß. Befriedigende Ergebnisse zeitigten dagegen in
den folgenden Tagen mehrere Streifzüge bulgarischer Ab-
teilungen nordwestlich von Monastir und in der Struma-
ebene (siehe Bild Seite 117), bei denen sie von türkischen
Kräften unterstützt wurden.
Die lebhafte Aufklärungstätigkeit hielt auf beiden Seiten
in der ersten Hälfte des Monats Januar 1917 an. Beide
Parteien zogen Verstärkungen heran. General Sarrail
hatte erkannt, daß er seine Aufgabe nur dann würde er-
füllen können, wenn er an der mazedonischen Front mit
großer Übermacht auftrat. Er erhielt hauptsächlich von
den Italienern Zuzug, von denen zwischen dem Ochrida-
und Prespasee größere Verbände standen. An diese schlossen
sich Serben an, die von hier aus ihre verlorene Heimat zu-
rückerobern wollten. Sarrails Bemühungen blieben den
Gegnern natürlich nicht verborgen, die infolgedessen ihre
eigenen Streitkräfte in diesem Kampfgebiet ebenfalls ver-
mehrten.^ Besonders bulgarische Kavallerie und bulgarische
Infanterie (siehe die Bilder Seite 114 und 115) zogen
herbei, doch trafen auch osmanische und deutsche Truppen-
teile (siehe die Bilder Seite 116 und 118 unten) zur Ver-
stärkung hier ein.
Daneben beteilig-
ten sich Lster-
reicherund Ungarn
neuerdings gleich-
falls mit einer An-
zahl Bataillone an
der Besetzung der
Front in Maze-
donien.
Die Italiener,
die in den Alpen
und im Karst ge-
gen die k. u. k.
Truppen nichts
auszurichten ver-
mochten , zeigten
sich in Mazedonien
recht rührig, aller-
dings mit der glei-
chen Erfolglosig-
keit. Am 7. Januar
erlitt eine starke
von ihnen vorge-
schickte Abteilung
eine größere
Schlappe, bei der
sie außer zahlreichen Toten und Verwundeten viele Gefan-
gene verlor (siehe beistehendes Bild). — Ebenso wie auf
dem östlichen und westlichen Kriegschauplah standen auch an
dieser Front zum Teil recht altertümliche Waffen in Be-
nutzung, die der Stellungskrieg wieder zu Ehren gebracht
Aule. So verwendeten die Bulgaren nicht selten Kata-
pulte, mit deren Hilfe sie dem Feinde ihre Grüße in Form
von Handgranaten zusandten (siehe Bild Seite 118 oben). —
Dre wachsende Spannung, die das rücksichtslose Vor-
gehen des Vierverbands gegen Griechenland hervorrief,
tneb dre Peiniger des kleinen Landes zu immer neuen Ge-
walttaten an. Seit Beginn des Januars 1917 dehnten sie
Zugriffe auch auf die griechische Küste zwischen Struma-
und Metamündung, also zwischen dem südöstlichen Teil der
mazedonischen Front längs der griechischen Küste bis an die
bulgarische Grenze aus. Die Hafenstädte auf diesem Küsten-
streifen standen fast täglich unter dem Feuer der französischen
und englischen Schiffsgeschütze.
Um gegen Überraschungen von dieser Seite gesichert zu
sein, trafen die Truppen des Vierbunds entsprechende Ver-
teidigungsmaßnahmen. Unter anderem war in der Nähe
der griechisch-bulgarischen Grenze eine Station für Wasser-
flugzeuge errichtet worden (siehe Bild Seite 119), von der
aus Erkundungsflüge erfolgten.
Sarrails Armee lehnte sich nach der Einnahme Mona-
stirs mit ihrem rechten Flügel an den Tachinosee, etwas nord-
östlich des Dorfes Kakaraska, an; von dort lief die Front auf
dem östlichen (linken) Strumaufer in etwa drei Kilometer
Entfernung vom Flusse bis einige Kilometer unterhalb des
Butkovafees, bis zu dem sie der Struma folgte. Nordwest-
lich davon traf die Linie die Eisenbahn Demir-Hissar—
Doiran und folgte ihr knapp unterhalb des Belasicagebirges
zum Doiransee. Bis dorthin erstreckten sich die Stellungen
in weiter Runde um Saloniki, von wo aus die gesamte Ver-
sorgung des Heeres zu geschehen hatte. Dann aber hängte
sich der linke Flügel so an, daß er nirgends mehr Rückhalt
und Anlehnung fand, und bei einem Anstoß aus dem Süden
zerfallen konnte. Er zog sich von Doiran aus in ungefähr
westlicher Richtung bis in den Raum von Valona; westlich
von Monastir lockerte sich die Aufstellung, die hier durch
italienische Streitkräfte gebildet war, in schwach zusammen-
hängende und schwach besetzte Postenlinien auf. Darin lag
die Haüptgefahr für die Armee, wenn sie etwa plötzlich von
griechischen Truppen im Rücken angegriffen würde. Des-
halb ging man in der Knechtung Griechenlands noch einen
Schritt weiter, denn Sarrail durfte nicht auch noch von
dieser Seite aus in Gefahr geraten. Es sollte vielmehr da-
für gesorgt werden, daß er südlich seines linken Flügels
eine sichere Anleh-
nung an das grie-
chische Gebiet fand.
Den Weg dazu
sollte die am 31.
Dezember 1916
übergebene neue
Note an Griechen-
land ebnen,- in der
die Verminderung
der griechischen
Streitkräfte bis
auf einen Nest von
Mannschaften, der
für die Aufrecht-
erhaltung des
Ordnungs- und
Polizeidienstes
ausreichte, ver-
langt wurde. Die
dadurch entbehrlich
werdenden Waf-
fen, worunter auch
Mas chinengewehre
und Geschütze mit
der dazu gehöri-
gen Munition ver-
standen wurden, sollten nach dem Peloponnes geschafft
werden und so lange dort bleiben, wie die Schutzmächte es
verlangten. Diesen Hauptforderungen schlossen sich eine
Anzahl Nebenwünsche an, wie zum Beispiel die Freilassung
der venizelistischen Revolutionäre, wodurch der griechischen
Regierung so ziemlich der Rest ihrer Selbständigkeit ge-
nommen wurde. Im Grunde betrachtet verlangte der Ver-
band nichts weniger als die Auslieferung der noch bestehen-
den Wehrkraft des Landes in seine Hände. Befristet war
die Note nicht, aber durch die Blockade wurde ihr entsprechen-
der Nachdruck verliehen. Da das Land auf die Versorgung
mit Nahrungsmitteln von der See her angewiesen war,
ließ sich voraussehen, daß der griechischen Regierung nichts
anderes übrigbleiben würde, als dem schmählichen Ver-
Phot. Bert. HUustrat.-Ees. m. b. H.
Italienische Gefangene am Lagerfeuer auf dem Balkankriegschauplatz.
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.
VI. Band.
15
114
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Bulgarische Kavallerie auf dem Marsche.
langen zuzustimmen. Die Henker Griechenlands schnitten
bald auch alle weiteren Erörterungen dadurch ab, daß sie
am 9. Januar ein neues kurzbefristetes Ultimatum an die
griechische Regierung richteten, nach dem sich letztere inner-
halb 48 Stunden über die Note der sogenannten „Schutz-
mächte", zu denen sich England» Frankreich und Rußland
zählten, zu entscheiden hatte.
Obwohl das königstreue Volk und die Reservistenver-
bände in Athen und anderen griechischen Städten die Ableh-
nung des Ultimatums verlangten, kam nach gewissenhafter
Prüfung der Sachlage doch nur dessen Annahme in Betracht.
War doch im Falle der Ablehnung mit sofortiger Beschießung
der Hauptstadt zu rechnen, die die Gesandtschaften der
Mächte des Verbands bereits verlassen hatten. Die Krieg-
schiffe der „Beschützer der kleinen Staaten" waren schon
aus dem Hafen von Piräus (siehe die Karte Seite 120)
Zurückgezogen worden, um jeden Augenblick ihr Zerstörungs-
werk beginnen zu können. Zweifellos wäre Athen, wie auch
die griechischen Hafenstädte dem Untergang geweiht ge-
wesen; Gewalt ging hier vor Recht. —
Die große Not des Landes fand auch in der Antwort,
die die griechische Regierung am 12. Januar auf die Frie-
densanregungen Wilsons erteilte, Ausdruck. Darin wurde
die trostlose Lage Griechenlands geschildert und darauf auf-
merksam gemacht, daß es trotz seiner Bemühungen, neutral
zu bleiben, einer Blockade ausgesetzt und seiner Flotte be-
raubt worden sei, sein Heer werde bedroht, eine künstlich
angefachte Revolution spalte das Land in zwei Lager, und
die friedliche Bevölkerung sehe sich dem Hungertode preis-
gegeben. Der diplomatische Verkehr mit den Mittelmächten
sei unterbunden und die Post- und Telegraphenverbindungen
würden vom Vierverband beherrscht. Hiernach war Grie-
chenland alles genommen, was als Grundlage staatlicher
Unabhängigkeit zu betrachten ist und dem Präsidenten Wilson
wäre ein weites Feld zur Betätigung seiner Menschlichkeits-
gefühle geboten gewesen. —
Zweck der Knebelung Griechenlands war nicht nur der
Wunsch, Sarrail den Rücken zu decken, sondern auch sich vor
den Tauchbooten der Mittelmächte wenigstens auf dem für
Transporte wichtigen Mittelmeer zu sichern. Gerade
das Mittelmeer war für viele Krieg- und Transportschiffe
zu einem Grabe geworden, das ihnen von deutschen, öster-
reichisch-ungarischen und türkischen U-Booten bereitet worden
war. Die Schiffe des Vierverbandes gingen von Marseille
über Malta südlich um Griechenland herum in das Agäische
Meernach Saloniki. Der kürzeste Weg, von dem italieni-
schen Hafen Otranto nach Valona an die mazedonische
Front, kam nicht in Frage, weil von der albanischen Küste
aus die Bahnverbindungen nach dem Innern Mazedoniens
fehlten. Aber der Golf von Korinth war über Athen und
Larissa mit Saloniki verbunden. Man konnte sogar den
Weg über Athen vermeiden, wenn eine leicht herzustellende
Verbindung des kleinen Hafens Jtea mit der an Delphi vor-
überlaufenden Bahnstrecke geschaffen wurde. Mit der Er-
öffnung der Verbindung Jtea—Delphi—Larissa—Saloniki
wäre die Dauer der gefahrvollen Reise über das Mittel-
meer von acht Tagen auf vierundzwanzig Stunden ver-
kürzt worden.
Das neue Jahr ließ sich für die Gegner des Vierbundes
nicht gut an. Ein U-Boot, das im Mittelmeer kreuzte, ver-
senkte in elftägiger Fahrt 11 Dampfer, davon fünf mit ins-
gesamt etwa 15 000 Tonnen Kohlen, die für Italien be-
stimmt waren, wo ohnehin großer Kohlenmangel herrschte.
Unterm 10. Januar meldeten die Italiener das Linienschiff
„Regina Margherita" (siehe Bild Seite 123 unten) als
durch Torpedoschuß oder Mine verloren. Damit hat Italien
seit seinem Eintritt in den Krieg folgende große Schiffe
verloren:
15 000 Tonnen
22 400 „
13 400
10 400
7 360
Linienschiff „Benedetto Brin" . . .
„ „Leonardo da Vinci" . .
„ „Regina Margherita" . .
Panzerkreuzer „Amalfi"...............
„ „Giuseppe Garibaldi" .
Insgesamt 5 Schiffe mit 68 550 Tonnen.
Bei einem Eesamtbestand von 262 800 Tonnen an
kriegsbrauchbaren Linienschiffen und Panzerkreuzern be-
deutet dieser Verlust eine Einbuße von mehr als einem
Viertel der Gefechtsstärke.
Französische und englische Krieg- und Handelschiffe
fielen im Mittelmeer ebenfalls deutschen U-Booten zum
Opfer. Am 2. Januar 1917 wurde die am 27. Dezember 1916
erfolgte Versenkung des französischen Panzerschiffes „Gau-
lois" bekannk, das sich, mit serbischen Truppen an Bord, auf
dem Wege von Korfu nach Saloniki befand, als es vom
Schicksal ereilt wurde. Da das Schiff erst eine halbe Stunde
nach erhaltenem Torpedotreffer unterging, konnte fast die
gesamte Besatzung gerettet werden; nur 81 Tote wurden
gemeldet.
Das aus dem Jahre 1907 stammende, 14 900 Tonnen
große französische Linienschiff „Verite" (siehe mittleres Bild
Seite 123) war durch einen Torpedo an Bug und Heck über
und unter der Wasserlinie schwer beschädigt worden und lag
nun, völlig unbrauchbar geworden, vor dem Hafen von Malta.
Nhot. Rudolf Zabel, Berlin.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
.115
Die Engländer verloren inr Mittelmeer am 1. Januar
den mit Truppen besetzten Cunarddampfer „Jvernia",
14 278 Tonnen groß, bei dessen Untergang Truppen und
Besatzung nicht vollständig in Sicherheit gebracht werden
konnten. Ein anderer, über 5000 Tonnen verdrängender
Trav sportdampfer wurde am 23. Dezember im östlichen
Mittelmeere durch einen Torpedoschuß vernichtet. Die
Landeszugehörigkeit des bewaffneten und von zahlreichen
Schuhfahrzeugen begleiteten Dampfers konnte nicht er-
mittelt werden. Ein weiterer unbekannter, über 6000 Ton-
nen großer Transportdampfer, der auffallend tief ging, be-
waffnet war und schwer beladen sein mußte, wurde durch
einen deutschen Torpedo am 3. Januar auch auf den Grund
des Meeres geschickt.
Ebenfalls am 1. Januar versenkte ein deutsches D-Boot,
Kommandant Kapitänleutnant Hartwig, 60 Seemeilen süd-
östlich von Malta das durch leichte Streitkräfte gesicherte
englische Linienschiff „Cornwallis" (siehe Bild Seite 123
oben), 15 250 Tonnen, durch Torpedoschuß. England hat
hiermit nach einer vom „Tag" gegebenen Zusammenstel-
lung 13 Linienschiffe in diesem Kriege verloren, und zwar:
„Audacious", Stapellauf 1912 (23 400 Tonnen), verloren
an der Irischen Küste durch Mine; „Bulwark", Stapellauf
1899 (16 250 Tonnen), bei Sheerneß durch Pulvererplosion;
„Formidable", Stapellauf 1893 (15 260 Tonnen), im Kanal
durch „U 24"; „Goliath", Stapellauf 1898 (13150Tonnen),
bei den Dardanellen durch den türkischen Torpedoboots-
zerstörer „Muavenet-i-Millije"; „Jrresistible", Stapellauf
1898 (15 250 Tonnen), bei den Dardanellen durch Mine;
„Ocean", Stapellauf 1898 (13150 Tonnen), bei den Darda-
nellen durch Mine; „Triumph", Stapellauf 1903(12 000 Ton-
nen), beiden Dardanellen durch deutsches Ii-Boot; „Majestic",
Stapellauf 1895 (15 150 Tonnen), bei den Dardanellen durch
deutsches II-Boot; „King Edward VII.", Stapellauf 1903
(16 600 Tonnen), an der Schottischen Küste durch Mine,
von „Möwe" gelegt; „Rüssel", Stapellauf 1901 (14 200
Tonnen), bei Malta durch Mine; „Warspite", Stapel-
lauf 1913 (28 500 Tonnen), am Skagerrak durch Seeschlacht;
„Marlborough", Stapellauf 1912 (28 000 Tonnen), am
Skagerrak durch Seeschlacht; „Cornwallis", Stapellaus 1901
(15 250 Tonnen), im Mittelmeer durch Ii-Boot.
Zu Beginn des Krieges besaß England ausschließlich
der in der Fertigstellung begriffenen Neubauten 75 Linien-
schiffe. Mithin hat es ein Sechstel seiner damaligen Linien-
schiffe eingebüßt, wogegen Deutschland in diesem Kriege
von seinen 35 Linienschiffen nur ein Schiff, die „Pommern",
verloren hat. Ein Ausgleich der Stärkeverhältnisse zwischen
der deutschen und englischen Flotte ist also in dieser Hin-
sicht bedeutend näher gerückt. Mit den neu gemeldeten
Verlusten beträgt die gesamte Einbuße der feindlichen
Kriegsflotten — abgesehen von den Hilfskreuzern —
189 Schiffe mit 776 000 -Tonnen, deren Wert auf rund
ls/4 Milliarden Mark beziffert wird. Davon entfallen auf
England allein 127 Schiffe mit 582 000 Tonnen.
Insgesamt sind bis Anfang Januar 1917 nach der
amtlichen Zusammenstellung des deutschen Admiralstabes
3 338 500 Tonnen feindlichen Schiffsraumes (davon
2 794 800 Tonnen englischen Ursprungs) versenkt worden.
Auch im Atl anti s ch e n Oz e an, an der spanischen
Küste, waren deutsche U-Boote mit großem Nachdruck auf
der Jagd nach feindlichen Schiffen oder solchen mit Bann-
ware. Im Laufe des Januars wurden denn auch viele
Nachrichten über die in der Nähe der spanischen Küste er-
folgte Versenkung spanischer, dänischer, norwegischer und
feindlicher Handelschiffe bekannt, was in Spanien, wo
der Handel mit den Feinden des Vierbunds blühte, großen
Eindruck machte.
Viele Erfolge hatten auch die von zahlreichen Vor-
postenbooten (siehe Bild Seite 121) unterstützten deutschen
U-Boote, die im K a n a l in unmittelbarer Nähe der fran-
zösischen und der englischen Küste auf der Wacht lagen. Nach
einer amtlichen deutschen Mitteilung vom 12. Januar ver-
senkte ein solches Boot am 23. Dezember nachts einen
8000 Tonnen großen Transportdampfer, der mit abgeblen-
deten Lichtern inmitten zahlreicher feindlicher Zerstörer fuhr.
In der Nacht zum 31. Dezember wurden von dem französischen
Hilfskreuzer „Rouen" fortgesetzt drahtlose Hilferufe auf-
gefangen, auf Grund deren der Schleppdampfer „Constaure"
zur Hilfeleistung ausgeschickt wurde. Beide Schiffe blieben
seitdem verschollen. Torpedobootgeschwader und Schlepp-
dampfer, die nach allen Richtungen Nachforschungen an-
stellten, konnten lediglich drei schwerverletzte Matrosen des
„Rouen" auffischen.
Am 3. Januar wurden wieder allein an der französi-
schen Kanalküste zehn Fischdampfer versenkt. So mehrten
sich die Verluste an feindlichen und neutralen Schiffen von
Tag zu Tage. AIs daher die Nachricht verbreitet wurde,
der französische Zerstörer „Gadion" habe im Golf von Bis-
kaya das deutsche Tauchboot „II 46" versenkt, schöpften die
Franzosen daraus einen Trost, der aber auch zerrann, nach-
dem von deutscher Seite die amtliche Meldung vorlag, daß
das genannte Fahrzeug wohlbehalten in Deutschland ein-
getroffen sei und auch kein anderes deutsches Boot in Frage
kommen könne. Derartige falsche Berichte erklärten sich
mitunter aus Gefechten, die sich Schiffe der feindlichen
Kriegsmarinen irrtümlicherweise untereinander lieferten.
Ein solches hatte erst in den letzten Tagen des Dezembers
wieder zwischen einem französischen Panzerkreuzer und
einem italienischen Hilfskreuzer stattgefunden, wobei es
zahlreiche Tote und Verwundete auf beiden Seiten gab.
In die Reihe der deutschen v-Booikommandanten, die
für hervorragende Leistungen die höchste Kriegsauszeich-
Bulgarische Infanterie auf dem Marsche in Mazedonien.
116
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
nung, den Orden „Poti? le Merite", erhielten, traten auch
Kapitänleutnant Hans Walter, der den „Suffren" versenkte,
ferner Kapitänleutnant Franz Becker, der auf seiner ersten
Reise 55 Tage unterwegs gewesen war, und der Ober-
leutnant zur See Walter Steinbauer (siehe Bild Seite 122),
der den „Eaulois", ferner die „Jvernia" und am 3. Januar
im Mittelmeer auch noch den über 6000 Tonnen großen
unbekannten Transportdampfer vernichtete.
* *
*
Zur Friedensfrage hatte am 1. Januar noch die spa-
nische Regierung das Wort ergriffen. Ihre Kund-
gebung hob sich von denen der anderen Neutralen dadurch
auffallend ab, daß sie die Wilsonsche Note nicht unterstützte,
sondern kurzerhand den Augenblick für Verhandlungen zwi-
schen den Kriegführenden als noch nicht gekommen erklärte.
Sie machte den Vorschlag, die Bemühungen zur Herbei-
führung des Friedens bis zu einem Zeitpunkt aufzuschieben,
zu dem sie mehr Nutzen und Wirksamkeit haben würden und
ein Eingreifen begründetere Aussicht auf Gelingen bieten
könne. Die spanische Regierung sprach aber sehr nachdrück-
lich den Wunsch aus, einen Zusammenschluß der nicht am
Kriege beteiligten Staaten herbeizuführen, um für Eut-
machung oder Verminderung des Schadens, den Neutrale
erlitten hatten, zu sorgen. Diese Haltung wurde nicht nur
als Unfreundlichkeit für den amerikanischen Präsidenten be-
trachtet, sondern in Frankreich und England auch als deutsch-
feindlich angesehen. In Spanien selbst besprach man sie als
Entgleisung des Grafen Nomanones in einer Art, aus der
mindestens keine Vierverbandsfreundlichkeit geschlossen wer-
den konnte. —
Die ablehnende und beleidigende Antwort der West-
mächte und ihrer Verbündeten auf das Friedensangebot der
Mittelmächte wurde von den Neutralen ebenso verurteilt,
wie von den Völkern des Vierbundes. Der Auffassung in
Deutschland entsprach ein Aufruf des Deutschen Kaisers an
Heer und Maxine vom 5. Januar, in dem gesagt war: „Die
Feinde haben meinen Vorschlag abgelehnt. Ihr Macht-
hunger will Deutschlands Vernichtung. Sie haben die von
mir angebotene Verständigung nicht gewollt.' Mit Gottes
Hilfe werden unsere Waffen sie dazu zwingen." Ähn-
liche Kundgebungen erließen auch der Kaiser von Öster-
reich-Ungarn, der türkische Sultan und der Zar von Bul-
garien.
Um diese Zeih fand in Rom ein Kriegsrat der hervor-
ragendsten Regierungsvertreter des Vierverbandes statt. Wie
schon so oft, so sollte auch diese Beratung dazu dienen, das
Vorgehen der vereinigten Mächte in allen Beziehungen ein-
heitlich zu gestalten und nicht zuletzt sollte die Antwort auf
die Note des Präsidenten Wilson fertiggestellt werden.
Bevor jedoch die Antwort übergeben werden konnte, traf bei
den Neutralen eine deutsche Note ein, in der in ruhiger, sach-
licher Form die in der Ablehnung des Friedensangebots ent-
haltenen falschen Behauptungen eine Richtigstellung erfuhren,
wobei hervorgehoben wurde, daß die Mittelmächte ihr
Kriegsziel mit der Wahrung ihrer Freiheit als erreicht be-
trachten, wogegen die Feinde so ziemlich alles, was Deutsch-
land und seine Bundesgenossen besitzen, wollten (siehe die
Karte Seite 128 unten). Der Russe wollte Konstantinopel,
Galizien, die Bukowina, Ost- und Westpreußen, der Italiener
Triest und einen Teil von Tirol, der Franzose Elsaß-Loth-
ringen und das linke Rheinufer, der Engländer die deutschen
Kolonien, selbstverständlich auch Helgoland und die Häfen
der Nord- und Ostsee; die Flotte, die gesamte Artillerie und
das ganze Eeschoßmaterial sollten ausgeliefert, das Heer
aufgelöst und das Volk wehrlos gemacht werden. Dazu
hätte dann das deutsche Volk alle im Lauf des Krieges be-
schädigten Gebiete wieder herzustellen, Garantien für die
Zukunft zu bieten, daß es nie wieder eigene, selbständige
Wege gehe, welche die Wege der an-
deren Völker durchkreuzen. Weiter
müßte es eine Kriegsentschädigung be-
zahlen, von, sagen wir einmal, jähr-
lich 100 Milliarden Mark, und die
Feinde würden das Aufbringen die-
ser Summe freundlichst erleichtern,
indem sie alle öffentlichen Verkehrs-
einrichtungen in Verwaltung neh-
men , die staatlichen Wälder und
andere nutzbringenden Liegenschaf-
ten mit Beschlag belegen, den Staat
also aller Einkünfte berauben wür-
den, kurz, die Feinde wollten nicht
mehr und nicht weniger, als Deutsch-
land und seine Verbündetenvernichten.
Daß diese Annahme richtig war,
ergab sich aus der am 10. Januar in
Paris überreichten Antwort des Vier-
verbandes auf die Note Wilsons.
Die Verwirklichung dieser mehr
als überspannten Ziele war nur des-
halb einstweilen nicht möglich, weil
die Truppen des Verbands noch ziem-
lich entfernt von den Hauptstädten
ihrer Gegner standen und diese selbst
nicht zerschmettert waren, was doch
die unerläßliche Voraussetzung für
das Gelingen des schönen Planes
gewesen wäre. Waren im Anfang
des Jahres 1917 doch von den Trup-
pen der Mittelmächte an feindlichem
Gebiet besetzt:
In Belgien................. 29 000 Quadratkilometer
„ Frankreich.............. 22 310 „
„ Rußland................ 280 450 „
„ Rumänien...... 100 000 „
„ Serbien............... 85 867 „
„ Montenegro............14180 „
„ Albanien ...... 20040_________„_______
Insgesamt............rund 550 000 Quadratkilometer
Dagegen waren vom Feinde besetzt:
Im Elsaß ....... 900 Quadratkilometer
In Galizien ...... 28 231_________„_______
Insgesamt..............rund 29 000 Quadratkilometer.
Die von den Mittelmächten besetzte Fläche von 550000
Quadratkilometer übertrifft das Gebiet des Deutschen
Reiches um 10 000 Quadratkilometer (siehe die Karte
Seite 228 oben).
Zu gleicher Zeit richtete Belgien eine besondere Note
an den amerikanischen Präsidenten, in der die schon früher
gegen Deutschland erhobenen schweren Beschuldigungen
wieder aufgewärmt wurden.
Beide Noten fanden in der Presse des nicht am Kriege
beteiligten Auslandes fast allgemein die schärfste Ablehnung.
Die Neutralen begriffen jetzt, daß der Vierverband einen
reinen Eroberungskrieg führte und der Vierbund um Sein
Phot. Berl. Jllustrat.-Gef. m. b. H.
Bau eines bombensicheren Unverstandes durch deutsche Truppen in Mazedonien.
Bulgaren stürmen eine von serbischen Truppen verteidigte Ortschaft Ln Mazedonien.
Nach einer Ori^inalzeichnung von A. Roloff.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
und der Meere un-
ter dasselbe Joch»
das zähneknir-
schend jetzt Grie-
chenland trägt.
Aber was sie in
dreißig Monaten
des blutigsten
Kampfes und des
gewissenlosesten
Wirtschaftskrieges
nicht erreichen
konnten, das wer-
den sie auch in al-
ler Zukunft nicht
vollbringen. Un-
sere glorreichen
Siege und die
eherne Willens-
kraft, mit der unser
kämpfendes Volk
vor dem Feinde
und daheim jed-
wede Mühsal und
Not des Krieges
getragen hat, bür-
gen dafür, daß
unser geliebtes
Vaterland auch fernerhin nichts zu fürchten hat. Hellflam-
mende Entrüstung und heiliger Zorn werden jedes deutschen
Mannes und Weibes Kraft verdoppeln, gleichviel, ob sie
dem Kampf, der Arbeit oder dem opferbereiten Dulden
geweiht ist. Der Gott, der diesen herrlichen Geist der Frei-
heit in unseres tapferen Volles Herz gepflanzt hat, wird
uns und unseren treuen, sturmerprobten Verbündeten auch
den vollen Sieg über alle feindliche Machtgier und Vernich-
tungswut geben." ,Fortsetzung folgt.,
oder Nichtsein
kämpfte. Diese Er-
kenntnis hatte sich
bei den Völkern
der Mittelmächte
längst Bahn ge-
brochen, jetzt, nach-
dem die Ziele of-
fen zugegeben wa-
ren , wurde ihr
Wille, bis zum
endgültigen Siege
durchzuhalten und
den heuchlerischen
Feind durch Waf-
fengewalt zum
Frieden zu zwin-
gen, nur noch ge-
stärkt. Dem deut-
schen Volke aus
dem Herzen ge-
sprochen war da-
her ein vom Deut-
schen Kaiser erlas-
sener Aufruf, der
folgendermaßen
lautete: „An das
deutsche Volk! Un-
sere Feinde haben die Maske fallen lassen. Erst haben
sie mit Hohn und heuchlerischen Worten von Freiheitsliebe
und Menschlichkeit unser ehrliches Friedensangebot zurück-
gewiesen. In ihrer Antwort an die Vereinigten Staaten
haben sie sich jetzt darüber hinaus zu einer Eroberungsucht
bekannt, deren Schändlichkeit durch ihre verleumderische Be-
gründung noch gesteigert wird. Ihr Ziel ist die Nieder-
werfung Deutschlands, die Zerstückelung der mit uns ver-
bündeten Mächte und die Knechtung der Freiheit Europas
Photothek, Berlin.
Katapulte zum Handgranatenschleudern bei der bulgarischen Armee an der mazedonischen Front.
Illustrierte Kriegsberichte
fallene Land begann. Die reichen Olfelder am Südhang
der Karpathen haben wir ja bereits auf Seite 92 geschil-
dert; das dort gewonnene Petroleum bildete einen Haupt-
ausfuhrartikel Rumäniens. Wenn also die Mittelmächte
dieses Gebiet besetzten, mußte das bei dem herrschenden
Mangel an Schmierölen für sie ein geradezu unschätzbarer
Kriegserfolg sein. Das ließ sich nur verhindern durch völ-
lige Vernichtung der Anlagen und Inbrandsetzung der Öl-
quellen. Aber selbst die sonst reichlich skrupellose rumänische
Regierung scheute vor diesem Zerstörungswerk zurück, wußte
Die englischen Zerstörungen im rumänischen
Petroleumgebiet.
/Hierzu die Kuustbeilage.)
Die gleisnerische Behauptung der englischen Regierung:
„Wir führen diesen Krieg lediglich zum Schutze und im In-
teresse der kleinen Nationen", hat wieder einmal eine
glänzende Widerlegung erfahren, als nach den Niederlagen
der Rumänen in den siebenbürgifchen Erenzgebirgen der
Einmarsch der verbündeten Truppen in das treulos abge-
stMIWl
Phot. A. Gcoys, Bepun,
Deutsche Soldaten vor ihrem Quartier in einem türkischen Bauernhause in Prilep (Mazedonien),
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
119
sie doch, daß damit die wichtigste Industrie des Landes auf
Jahre hinaus brach gelegt wurde. Sie gab deshalb gleich
nach den ersten Niederlagen den Befehl, im Falle eines
feindlichen Einmarsches nichts zu zerstören und nur die
wertvollsten Maschinenteile zu entfernen. Das patzte aber
den Engländern nicht, hatte doch der englische Militärattache
in Bukarest, Oberstleutnant Thomson, schon längst einen
vollkommenen Plan für ein geradezu barbarisches Vernich-
tungswerk ausgearbeitet. Seine Helfer gingen denn auch
ohne Zögern an die Ausführung. Noch einmal erließ das
rumänische Ministerium der öffentlichen Arbeiten telegra-
phisch den strengsten Befehl, alle Betriebe bis auf ausdrück-
liche Anweisung in Gang zu lassen und nichts zu entfernen.
Die Engländer kümmerten sich wenig daruin. Am 5. De-
zember begannen sie die Raffinerien anzuzünden und die
Bohrlöcher auf die durchtriebenste Weise mit Eisenstäben,
Steinmeitzeln, Drahtseilstücken und dergleichen zu verstopfen.
Als Haupthandlanger werden vom Berichterstatter des
„Nieuwe Rotterdamsche Courant" die englischen Ingenieure
Eumpson und Masterson genannt, die bis dahin selber im
Olgebiet als Beamte angestellt gewesen waren, jener in
Campina, dieser in Ploesci; nun entpuppten sie sich plötzlich
als Offiziere der englischen Armee. Die „Daily Mail" nennt
außerdem noch einen Oberst Northon Eriffith, der „geradezu
nen Quellen decken jedenfalls den Bedarf der Mittelmächte
an Benzin, Petroleum und Schmieröl auf Monate hinaus.
Inzwischen werden so viel der übrigen Bohrstellen wieder
betriebsfähig gemacht sein, daß die Versorgung der Vier-
bundmächte mit diesen Stoffen dauernd gedeckt ist. Die
Rumänen aber und die mitgeschädigten Neutralen mögen
sich für ihre schweren Verluste bei England bedanken, dem
berufsmäßigen Schutzengel aller Schwächeren, solange ihm
dies zum Vorteil gereicht.
Charakterköpfe der Weltkriegsbühne.
Von vr. Frhr. v. Mackay.
2.
Wilson.
(Hierzu das Bild in Band IV Seite 417.)
Aus amerikanischem Botschaftermund ist noch wenige
Wochen vor ihrem Abbruch das Wort gefallen, die Be-
ziehungen zwischen der Union und Deutschland seien nie-
mals besser gewesen als heute. Die Bemerkung setzte
notwendig in Staunen. Das Sternenbannerreich hatte
Deutschland die stärkste Waffe gegen England, den Haupt-
feind, aus der Hand gewunden; es hat diesen sonst in jeder
Weise, offen und im geheimen, begünstigt, und es war der
verliebt in die Zerstörung war" und beim Entflammen der
Petroleumbehälter mehrfach sein Leben aufs Spiel setzte.
Ihm suchte es der schon erwähnte Thomson gleichzutun, der
einen solchen Akt englischer „Hilfe für den kleinen Verbündeten"
sogar durch eine Kinoaufnahme für alle Zeiten verewigen ließ.
Indessen kann erfreulicherweise festgestellt werden, daß
die Engländer ihr Ziel verfehlt haben, soweit es die
Mittelmächte betrifft. Wohl soll der allein an oberirdischen
Anlagen verursachte Schaden rund 200 Millionen Franken
betragen, aber gerade die deutschen. Gesellschaften, die ihren
Hauptsitz in Campina haben, sind weit weniger daran be-
teiligt als neutrale und solche feindlicher Länder. Und
auch der kriegerische Zweck des Zerstörungswerkes wurde
nicht erreicht. Deutsche Techniker setzten sofort mit eiserner
Zähigkeit ein, zu retten, was zu retten war, und das gelang
vielfach über Erwarten schnell. Vieles hatten die Feinde
mit bestem Willen nicht vernichten können, wie zum Beispiel
eine eben erschlossene, sehr ergiebige Quelle bei Moreni, deren
Inbrandsetzung wahrscheinlich den Rückzug der gesamten dort
noch im Gebirge steckenden rumänischen Armee unmöglich
gemacht hätte. Endlich ist die große Röhrenleitung von
Bacoi nach Cernavoda und Constanza betriebsfähig geblie-
ben, durch die man früher das Petroleunr zur Verschiffung
leitete. Jetzt werden dort umgekehrt die in Constanza vor-
gefundenen^ riesigen Vorräte nach der Donau zurückge-
pumpt. Diese, dazu alle jene, die man noch im Lande
retten konnte, und die Erträgnisse der unversehrt gebliebe-
Massenerzeuger von Mordwerkzeugen, deren Lieferung
einzig den Gegnern Deutschlands zugute kamen. Dafür
leistete es diesem hochherzig etwas Samariterdienste, die den
deutschen Kriegern als eigentümliche Pflaster auf Wunden,
die der Pfleger mittelbar selbst geschlagen hat» erscheinen
mußten. Wilson selbst hat die Deutschamerikaner in einer
Weise geschmäht und verdächtigt, wie es noch kein Präsi-
dent gegen irgend einen der niedrigst stehenden Gäste in
der amerikanischen Völkerherberge wagte; er hat sich das
dauernde Auftreten deutscher Unterseeboote im westlichen
Atlantik verbeten, weil es einer Sperre der amerikanischen
Häfen gleichkäme, und eine eben solche Blockade „auf weite
Entfernungen" britischerseits in aller Ruhe und Geduld hin-
genommen. Er hat „wie ein Tiger" gegen Senat und Kon-
greß dafür gekämpft, daß zu Englands Gunsten die Befrei-
ung der unter den Sternen und Streifen fahrenden Küsten-
schiffe von den Panamazöllen wieder aufgehoben wurde,
und was dergleichen Liebesbezeigungen für England, Feind-
seligkeitsbeweise gegen Deutschland mehr sind.
Es ist hier nicht der Ort, Betrachtungen über Theorie
und Praris, über Moral und Machiavellismus der Politik
anzustellen. Aber doch erscheinen gerade solche Erinne-
rungen an das eigentümliche Wesen des Verhältnisses
zwischen Berlin und Washington als natürlicher Ansatz-
punkt zur Lösung des eigentümlichen Seelen- und Cha-
rakterproblems, das der höchste Beamte des Sternenbanner-
reichs in den Weltkriegskrisen der Menschheit aufgab.
120
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Der Vater Woodrow Wilsons, Reverend Joseph R. Wil-
son, war presbyterianischer Pfarrer in Augusta (Georgia);
William Vayard Hale weiß von ihm einen sehr charakte-
ristischen Zug mitzuteilen. Es war in den Tagen, da Lin-
coln die in den aufständischen Landesteilen gehaltenen
Sklaven für frei erklärte, als dieser Mann in salbungsvollem
Ton aus der Bibel bündig darlegte, daß „Gott das Arbeit-
system des Südens eingesetzt habe, es als heilig anerkenne
und jeden Widerspruch dagegen als unsittlich verdamme".
Hiernach ist klar, daß diesem Seelenhirten nichts leichter
gewesen wäre als der Beweis» wie das Granatendrehen
und das Herstellen vergiftender Gase durch die amerikanische
Industrie für die Verbandsbrüderschaft ein frommes Werk
im Auftrag des Höchsten sei. Das Gesetz der Vererbung
von Blut, Charakter, Gemütsart, geistigen Anlagen der
Väter aus die Kinder kann sich schärferen und beredteren
Zeugnisses nicht bewähren als hier. Im angelsächsischen
Presbyterianertum steckt nun einmal tief die doppelte Moral,
das Prinzip der frommen Gebärde und der Wohlanständig-
herausgegebene Schrift „Kongreßregierung" durchblicken.
Die marktgängige Auffassung, Wilson sei plötzlich und unvor-
bereitet wie einKiebitz,der mit der halben Eierschale auf dem
Kopf aus dem Nest fällt, aus der Gelehrtenstube ins poli-
tische Leben gestoßen worden, ist also durchaus unhaltbar;
er hat sich vielmehr, so gründlich es vom Katheder aus mög-
lich ist, für die staatsmännische Laufbahn vorbereitet und
sich demgemäß in ihr bewährt. Seine Präsidentenwürde
an der Princeton-Universität legte er nur wegen eines Streit-
falls nieder, bei dem es darauf ankam, ob er um eines Opfers
seiner demokratischen Überzeugung willen am Amt kleben
sollte, und als er dann zum Gouverneur von New Jersey
ernannt wurde, kämpfte er sofort tapfer und erfolgreich wie
ein erprobter Rittersmann gegen die gerade hier besonders
mächtige Trusthydra an. Nicht minder schief ist die Auf-
fassung, als ob Wilson deutschem Wesen fremd gegenüber-
stehe. Für dessen Tiefen hat er freilich gewiß so wenig Ver-
ständnis wie alle seine Landsleute mit wenigen Ausnahmen.
Wie eingehend er sich aber mit deutscher Wissenschaft befaßt
Übersichtskarte von Athen und Umgebung mit dem Piräus und der Bucht von Phaleron.
keit nach außen und zugleich des schrankenlosen Trachtens
nach Nutzen daheim. Auf der anderen Seite ist freilich
diese Weltanschauung zugleich in gewisser Weise die Grund-
lage eines hochgespannten Arbeitspflichtbewußtseins, eines
ernsten, wenn auch stark kapitalistisch durchsäuerten Lebens-
stils und jenes unerschütterlichen Auserwählungsglaubens,
in dem vorab der Engländer Brite sein und Mensch sein als
sinngleiche Begriffe behandelt: eine Übersteigerung des Ich-
bewußtseins, deren seltsame, oft widersinnige, aber zur Natur
gewordene Äußerungen die so selbstkritischen Deutschen ziem-
lich hilflos nur als Heuchelei zu deuten wissen. Nimmt man
hinzu, daß Wilsons Mutter eine Engländerin, daß er selbst
durchaus in britischer Weltanschauung auferzogen worden
ist, so kommt man den Rätselgründen seines Wesens schon
um vieles näher.
Bereits mit Zweiundzwanzig Jahren veröffentlichte
Wilson eine Studie: „Kabinettsregierung in den Vereinigten
Staaten", die sich weniger durch Tiefgründigkeit als durch
scharfes Erkennen der zeitgemäßen politischen Krankheiten
und der Beherrschung der Wahlmaschine durch einzelne
Parteiführer auszeichnete. Ganz dieselbe seine Kampf-
natur verratende Art ließ die sieben Jahre später von ihm
hat, bezeugt schon sein Werk „Der Staat", das, wie er selbst
hervorhebt, „vielfach auf deutscher Fachliteratur fußt", das
aber zugleich noch einen anderen wichtigen Fingerzeig für
Wilsons Charakterart gibt. Der Verfasser untersucht das
Regierungsystem der Griechen und findet darin eine fort-
laufende Kette von Zeugnissen für die Theorien seiner Volks-
herrschaftsideale, während in Wirklichkeit längst der Be-
weis erbracht ist, daß beispielsweise der von ihm gefeierte
Demosthenes im Grunde nichts als ein echter rechter Dema-
goge mit allen Untugenden dieser Art Staatsmänner —
politischer und militärischer Unfähigkeit, Schmähsucht, Leicht-
fertigkeit, Phrasenhaftigkeit — war. Aber all dergleichen
braucht auch der höchstgebildete Amerikaner nicht zu wissen;
die Hauptsache ist, daß er, meist in traktätchenhaftem Ton,
seinen Landsleuten die Demokratie, will sagen die ameri-
kanische Regierungsform, als höchste Erdenweisheit erklärt
und sie der Finsternis des europäischen monarchisch-absolu-
tistischen Geistes gegenüber als strahlende Morgenhelle an-
preist.
Das also war Laufbahn und Weltanschauung, auf deren
Wegen und in deren Sonnenlicht Wilson den Einzug ins
Weiße Haus hielt. Als der Weltkriegsbrand aufloderte, war
Vernichtung rumänischer Petroleumraffinerien Ln Ploesci durch die skrupellose englische «Zerstörungskowmission« im
Dezember 1916.
Der Vorgang wird durch die Engländer l'inernatographisch aufgenommen.
Nach einer Originalzeichnung von Max Tilke.
2Cuf der Kommandobrücke eines deutschen Vorpostenbootes (Fischdampfer) im Schneesturm.
Nach einer Originalzeichuung auf Grund einer an Bord eines Borpostenbootes gefertigten Skizze von Kurt Hassenkamp.
122
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
für ihn die grundsätzliche Stellung gegeben: er verkündete
die Neutralität der Vereinigten Staaten, aber er fühlte sich
von der Zehe bis zürn Scheitel als Britenfreund. Und die
Londoner Presse, vorab der Harrnsworthring, der schon in
der Friedenszeit so vortrefflich es verstanden hatte, auf dem
Fuß der innigen großkapitalistischen Freundschaft zwischen
Lombard- und Wallstreet die maßgeblichen Zeitungen
New Yorks für die Eduardsche Einkreisungspolitik zu gewin-
nen, machte ihm diese Parteinahme so leicht wie möglich.
Jeder „Mann auf der Straße" betete die Ereuelnachrichten
von den teutonischen Vandalen nach, und es erschien nichts
selbstverständlicher, als daß der Präsident im Namen der
freiheitliebenden und auf höchster Kulturblüte stehenden
amerikanischen Nation, als Weltgewissen und Richter über
Gut und Böse in der Völkergesellschaft, schirmend vor die
durch das germanische Barbarentum vergewaltigten großen
und kleinen Völker sich stellte. So
kamen die Tage der „Lusitania", da die
Entscheidung, ob das Sternenbanner-
reich sein Schwert mit in die Schanze
des Verbandsrings schlagen sollte, auf
des MZsers Spitze stand.
Allmählich freilich konnte eine noch
so planmäßig betriebene Lügenfabri-
kation das Durchsickern der Wahrheit
über die Vorgänge auf den euro-
päischen Kriegschauplätzen nicht ver-
hindern, und jetzt ward Wilsons Hal-
tung erst recht merkwürdig. London,
das wußte, daß es von Washington
nichts zu fürchten hatte, nahm sich in
der bekannten hemdärmeligen Manier
John Bulls heraus, was es wollte;
um das Gesicht zu wahren, sah sich
der Präsident genötigt, von Zeit zu
Zeit eine mehr oder weniger gelinde
Protestnote gegen Posträubereien, die
willkürliche Maßregelung des Handels-
verkehrs und ähnliche Abergriffe nach
der Themse zu senden. Aber:
Was über altem Schein, trag ich in mir,
All' dies ist nur der Freundschaft Kleid
und Zier:
so durfte man von diesen diploma-
tischen Schriftstücken in Abwandlung
eines bekannten Shakespeareschen
Spruches sagen. Wilson hat sich mit
Bryan überwarfen, als dieser die
amerikanische Politik auf einen Kurs
festlegen wollte, der die Neutralität
der Union dauernd gesichert hätte;
aber er hat niemals sich darüber be-
schwert gefühlt, daß im Auswärtigen
Amt der Pennsylvania Avenue eine
ganze Reihe von Männern, die gebo-
rene Briten und zum Teil nicht einmal
naturalisiert sind,' einflußreiche Stel-
lungen einnehmen und für die nötige
Hrrzensvertraulichkeitder Beziehungen
mit Downing Street sorgen. Gleich-
wohl wäre es ungerecht, zu über-
sehen, wie der Präsident es tatkräftig durchsetzte, daß Lon-
don dem amerikanischen Hilfswerk für Belgien und dessen
Versorgung mit Lebensmitteln freien Weg ließ; es mußte
eben doch etwas Wirkliches im Namen der „Menschlichkeit"
geschehen, die der immer wiederkehrende Erundton in allen
Reden und amtlichen Schriftstücken des Herrn im Weißen
Haus ist. Im übrigen aber zog dieser sich immer mehr
gleichsam in das Schneckengehäuse seiner politischen Lehr-
haftigkeit zurück. Bei seinem Amtsantritt hatte er das
Schlagwort von der „erbarmungslosen Öffentlichkeit" aus-
gegeben, in der er sein Amt führen und jedem Rede stehen
wolle, um die Regierung in möglichst reinen Eleichklang mit
der Volkstimmung zu bringen. Die Wirklichkeit zeigt ein
genau gegenteiliges Bild. Kaum jemals hat die Fühlung
zwischen dem Präsidenten und dem Kongreß und Senat
mehr zu wünschen übrig gelassen als zu Wilsons Zeit; nie-
mals hat sich ein dichterer Schleier über die Geheimnisse der
in den diplomatischen Kabinetten am Potomac von wenigen
verantwortlichen und unverantwortlichen Geschäftsführern
gebrauten Außenpolitik gebreitet. In der Mitte seiner
Vertrauten aber sitzt Wilson und hütet „das Gesetz" mit der
Starrköpfigkeit eines Shylock. Er baut seine Politik wie
ein Rechtsanwalt und Richter auf; das harte Gesetz, nicht das
quellende, urwüchsige, in hunderterlei Farben schillernde
und in tausend Begehrlichkeiten vorwärtstreibende Leben
der Völker erscheint ihm als Grundsatz und schöpferisches
Element der Staatskunst. Wenn aber irgendwo, so gilt hier
das Eoethesche Mahnwort:
Vernunft wird Unsinn, Unsinn Plage,
Weh dir, daß du ein Enkel bist,
Vom Rechte, das mit uns geboren,
Von dem ist, leider! nie die Frage.
Ein wirklich großer Staatsmann kann nicht sein ohne das
tiefe sittliche Bewußtsein und Empfinden, daß noch weniger
als des einzelnen Menschen Taten die Handlungen der Na-
tionen nach juristisch formulierten Be-
griffen zu beurteilen sind, daß, zähmt
die Politik Blut und Sprache des Her-
zens, sie es tun soll aus dem Drang,
das Leben mit dem Verstand zu durch-
schauen, aus seinen Leidenschaftlich-
keiten und scheinbaren Zufälligkeiten,
wie bei der Verkettung tragischen
Szenenspiels, das Zwangsläufige und
aus ihm den Sinn des Daseins und
der Welt, die sich drohend gegen den
Menschen erhebt, zu erkennen, sie zu
beherrschen, als Denkender ein Logiker,
als Handelnder aber ein Ethiker zu
werden. Das sind die Eigenschaften
und Jnnenkräfte, die Wilson fehlen;
darum hat er kein wirkliches Ver-
ständnis für den Heldenkampf Deutsch-
lands gegen einen Ring haßerfüllter
Feinde, darum konnten die Mittel-
inächte auch kein Vertrauen zum
Schiedsrichteramt, zu dem er sich be-
rufen fühlte, gewinnen. Darum blieb
ihnen auch, als nach Ablehnung ihres
Friedensangebots der verschärfte U=
Bootkrieg eine dringende Notwendig-
keit wurde, nichts anderes übrig, als
kühlen Herzens abzuwarten, welche
Taten den: Abbruch der diplomati-
schen Beziehungen folgen würden.
Verteidigung des polnischen
Gutes Poronosziewo.
(Hierzu das Bild Seite 124/123.)
Ein Teil der von General Rennen-
kampf geführten Niemenarmee hatte
sich in den fünf bis sechs Wochen, die
dem eiligen Rückzug aus Nordost-
preußen im letzten Augustdrittel 1914
folgten, unter teilweise heftigen Ge-
fechten (Tilsit, Shaki, Wladislawow,
Kirbarty) in weitem Bogen nach Wilna
zurückgezogen. Den äußersten linken
Flügel der nachdrängenden deutschen
Streitkräfte bildete die Landwehrdivision der Hauptreserve
Königsberg unter Generalleutnant Sommer, die am 13.
und 14. September die Russen aus Tilsit hinauswarf und
hierauf der Grenze entlang über Ragnit, Lasdehnen, Cchir-
windt-Wladislawow, Wilkowischki den Vormarsch auf Ma-
riampol fortsetzte. Überlegene russische Massen geboten je-
doch einem weiteren Vordringen in den letzten September-
tagen halt, und die Division nahm zwischen Wladislawow
und Wilkowischki eine Ausnahmestellung ein, deren Mittel-
punkt das große Gut Szukle des Fürsten Wronsky war.
Brandenburgische und pommersche Landwehrersatzbatail-
lone bildeten hier auf vier Wochen den Eckpfeiler der zäh-
verteidigten „Feldstellung um Wirballen", wie die Ab-
schnittsgefechte in diesem Teil des Gouvernements Su-
walki zusammenfassend jetzt genannt werden.
Das ziemlich umfangreiche Gut Poronosziewo, zwei
Kilometer nordwestlich Szukle an der Szeimena gelegen,
wurde am Abend des 5. Oktober 1914 von 2 Kompanien
des 1. Ersatzbataillons Landwehrregiments 12 besetzt und
Phot. Presse-Photo-Vertrieb, Berlin.
Oberleutnant z. S. Wolfgang Steinbauer,
der Kommandant des II-Bootes, das am 27, Dezem-
ber 1916 im Ägäischen Meer das von Bewachnngs-
streitkräften gesicherte französische Linienschiff „Gau-
lois", am 1. Januar 1917 im Mittelmeer den von
Zerstörern begleiteten englischen Truppentransport-
dampfer „Jvernia", und am 3. Januar ebenda einen
weiteren Transportdampfer versenkt hat.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
123
sofort nach besten Kräf-
ten in Verteidigungszu-
stand gesetzt. ,
Die I.Kompame hatte
am Tage vorher in einem
heftigen Begegnungsge-
fecht mit russischer Ka-
vallerie, die in der Nacht
vom 4. zum 5. Oktober
einen Werfall versucht
hatte, das Vorhanden-
sein anscheinend beträcht-
licher feindlicher Kräfte
festgestellt und war be-
fehlsgemäß zur Verstär-
kung von Poronosziewo
herangerückt. Der Kom-
panie war an der Nord-
front des großen Ge-
höfts ein80Meter langer,
Das italienische Linienschiff «Regina Margherita", das vor Valona gesunken ist.
Es war 1901 vom Stapel gelaufen, verdrängte 13 400 Tonnen und lief 20,3 Knoten in der Stunde. Seine Bewaffnung
bestand aus vier 30,5-em-, vier 20,3-om-, zwölf 15-em- und zwanzig 7,6-em-Geschützen. Die Besatzung unlfaßte 820 Mann,
H.
Das englische Schlachtschiff „Cornwallis". das am 1. Januar 1917
von einem deutschen Unterseeboot im Mittelmeer versenkt wurde.
Die „Cornwallis" wurde im Jahre 1901 gebaut und verdrängte 15260
Tonnen. Sie führte vier 30,5-em- und zwölf 15-om-Gefchütze. Die
Besatzung betrug 750 Mann.
größte Eile befohlen war, denn bereits im Morgen-
grauen hatten Landwehrdragoner den Anmarsch
starker feindlicher Kolonnen aller Waffen auf der
etwa 3 Kilometer nördlich vorbeiführenden großen
Straße Wilkowischki—Wladislawow gemeldet.
Gegen halb zehn Uhr vormittags verkündete
vereinzeltes Eeschützfeuer auf der rechten Flanke
die Fühlung mit dem Feind. Ein schwerverwun-
deter Dragonerunteroffizier brachte bald darauf die
Gewißheit, daß auch unsere Front in Kürze mit dem
Angriff des Feindes zu rechnen habe. Es dauerte
auch nicht lange, als plötzlich aus dem gegenüber-
liegenden Laubwald (etwa 1200 Meter entfernt)
eine lose Schützenlinie von etwa 20 Mann heraus-
trat. Ihre Frontbreite betrug ungefähr 400 Meter.
Diese Art des inf ant eristischen Vorgehens war uns
sie erwies kick sväter als der
Das am
einem deutschen Unterseeboo
55 Seemeilen ostsüdöstlich voi
Malta torpedierte sranzösisch
Linienschiff «Verite" von de
«Patrieklasse«.
Es ist 1907 vorn Stapel gelaufen
^verdrängt 14900 Tonnen un
läuft 19,3 Knoten in der Stundl
Seine Bewaffnung besieht au
vier 30,6- ein-, zehn 19,4-
dreizehn 6,5-em und zehn 4,7-ow
Geschützen. Die Besatzung uw
faßt 735 Mann.
massiv gebauterViehstalk,
der in seinem Oberge-
schoßvollständig mit Fut-
termitteln gefüllt war,
zugewiesen worden.
Außerdem hatte ein Zug
den Befehl, einen an
den Stall anschließenden
Teil des vorbeiführen-
den Straßengrabens zu
besetzen, sich einzugraben
und feldmäßige Deckun-
gen herzustellen. Fieber-
haftwurde gearbeitet, da
124
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
125
Verteidigung des polnischen Gutes Poronosziewo (Gouvernement Suwalki) durch die 1. Kompanie des 1. Ersatzbataillons des ^str-Jnfanterieregimenks Nr. 12 gegen Teile der russischen Jnfanterieregimenter Tambow Nr. 122 und Koslow Nr. 123 und Kommandos
vom 4. Sappeurbataillon am 6. Oktober 1914. Nach einer ßlzeichnung von A. Wald, der an jenem Tage den Truppenteil befehligte.
Nahmen des Gefechtsabschnitts für fast fünf Kompanien des
Feindes. Eine Gruppe von vier berittenen Offizieren
hielt auf dem äußersten Flügel der langsam vorgehenden
ersten Welle — Artilleriebeobachter! Bis auf 600 Meter
gingen die erste und die nächstfolgenden vier bis fünf
Schützenlinien vor, gruben ihre Mulden und verschwanden
zunächst spurlos. Allmählich eröffneten sie das Feuer, das
von uns ebenfalls in steigendem Maße erwidert wurde, und
versuchten nun, sich gruppenweise vorzuarbeiten. Das von
mehreren Abzugsgräben durchzogene Wiesengelände gestat-
tete ihnen, an mehreren Stellen bis auf 300 Meter heran-
zukommen. Dort verstummte sofort ihr Feuer, und es be-
gann ein verblüffend schnelles Eingraben. Mehrere weitere
Vorstöße scheiterten jedoch, und das lebhafte Feuer ließ
etwas nach. Nicht lange aber dauerte diese Feuerpause.
Von fernher tönte plötzlich ein pfeifendes Heulen, und un-
mittelbar darauf schlug dreißig Schritt vor unserer Stellung
eine Granate in den schweren Wiesenboden, eine kohl-
schwarze Erd- und Rauchwolke in die Höhe schleudernd.
Sofort lebte das Jnfanteriefeuer wieder auf. Eine zweite
Granate schlug in die Vorderfront des Stallgebäudes und
blieb, ohne zu platzen, bis zur Hälfte darin stecken, die dritte
platzte auf dem Wege vor dem Schützengraben, während
die vierte, mitten auf dem Gutshof krachte und dort einen
Gutswagen zertrümmerte, sowie zwei, trotz des Gefechts
butternde Offiziersburschen in einer Scheune Deckung zu
suchen veranlaßte.
Aber mit größter Treue hielt die Erabenbesatzung
ihre Plätze, die immer wieder einsetzenden Versuche ein-
zelner Gruppen des Gegners zum Sturmangriff vorzu-
stoßen, durch ihr gutgezieltes Feuer niederhaltend. Die
Geschosse der russischen Artillerie setzten jetzt den Dachstuhl
des Stallgebäudes in Brand; beizender Qualm und Ee-
treidestaub füllte das Innere, während die Infanterie-
geschosse immer ungehinderter durch die zerschossene Vor-
derwand pfiffen. Die Lage der wackeren Verteidiger wurde
von Minute zu Minute schwieriger. Da kam endlich Hilfe
durch deutsche Artillerie. Einige Granaten suchten ihr
Ziel bei den Russen, deren Feuer sofort abflaute.
Wie sich später ergab, war der Standort der russischen
Artillerie im Walde druck) unsere Artilleriebeobachter ent-
deckt und die Geschütze durch Feuerüberfall nach wenigen
Minuten zum Schweigen gebracht worden. Das wieder auf-
lebende Feuer der russischen Infanterie nahm jetzt Formen
an, die der unsinnigsten Munitionsverschwendung gleich-
kamen. Die deutsche Infanterie dagegen schoß langsamer und
zielte dafür genauer. Die Treffergebnisse ihrer Fleckschüsse
auf 250 und 300 Meter mehrten sich, immer weniger ant-
wortete der Feind, um plötzlich mit einem Schlag zu ver-
stumnren. An einzelnen Stellen seiner Linie wurden auf
aufrecht gestellten Gewehrmüudungen kleine Flaggen sicht-
bar, offenbar das Signal zum Rückzug. Sofort begann ein
ameisenartiges Rückwärtskriechen und Verschwinden in den
Wassergräben hinter der Gefechtslinie. Unser lebhaftes
Verfolgungsfeuer im Verein mit den wirkungsvollen
Lagen unserer Batterie, deren Schrapnelle förmlich dem
Lauf der Wassergräben folgten, veranlaßte die Russen zu
immer größerer Eile, und es dauerte kaum zwanzig Minu-
ten, bis die Überreste der zuletzt große Klumpen bildenden
ausgedehnten Schützenlinie im gegenüberliegenden Wald
verschwunden waren.
Da die Lage in den deutschen Nachbarabschnitten noch
ungeklärt war, worauf entfernter Kanonendonner schließen
ließ, wurde zunächst unsere Stellung in den paar letzten
Slhifincrlc Äeschichte des Weltkrieges I9l4/l7.
Kartenskizze 1 zu dem Aufsatz »Die Wahrheit über Combles".
Nachmittagstundennach Möglichkeit verbessert, und die Sorge
für unsere Gefallenen und Verwundeten setzte nunmehr
ein. Die Toten wurden in Zeltbahnen gesammelt und
zur Beisetzung im Eutspark zusammengetragen. Die an
verschiedenen Stellen des ausgedehnten Eutsbezirks ent-
standenen Haus- und Scheunenbrände konnten jedoch nicht
gelöscht werden und beleuchteten noch lange in der Nacht
unsere in Erwartung des üblichen Nachtangriffs wieder
dichtbesetzte Stellung. Ein am nächsten Tag einsetzender
Vorstoß des 2. deutschen Reservejägerbataillons, dem sich
gegen Abend auch unsere 1. Kompanie anschloß, führte uns
über das Eefechtsfeld des vergangenen Tages. In der so
lange gehaltenen Feuerstellung der Russen sah es böse aus.
Der ganze Feldweg vor unserer Front, wohl 500 Meter, war
im Laufe des Gefechts ein zusammenhängender Schützen-
graben geworden, der die Gefallenen von den russischen
Infanterieregimenten Tambow 122 undKoslow 123 reihen-
weise barg; alle 60 bis 70 Schritt war eine Art kleiner
Verbandplatz eingerichtet gewesen, in dessen Umgebung es
nun besonders wüst aussah. Die Dutzende von kleinen
Schützenlöchern im Vorgelände waren fast sämtlich mit
Toten belegt, die fast alle Kopfschüsse aufwiesen und häufig
über hundert abgefeuerte Hülsen neben sich liegen hatten,
ein Beweis, wie zähe der Gegner im sicheren Gefühl
seiner Überzahl auszuhalten versucht hatte» was ihm aber
Brandenburger Landwehr empfindlich verleidete. A. W.
Die Wahrheit über Combles.
Von Kriegsberichterstatter Eugen Kalkschmidt.
(Hierzu die 3 Kartenskizzen Seite 126 und 127.)
außerordentlich war der lähmende Eindruck der deut-
schen Widerstandskraft auf die Angreifer gewesen, daß
sie in lautes Triumphgeschrei ausbrachen, als doch
zwei elende französische Trümmerhaufen ihnen zufielen.
In ihrem Siegestaumel haben die Gegner über
die Einnahme der beiden Plätze die wunderbarsten Ge-
schichten in die Welt gesetzt. Die Legende von Thiep-
val habe ich bereits früher zu zerstören versucht. Auch
die Wahrheit über Combles sieht anders aus, als sie
in englischen und französischen Blättern geschrieben
stand. Ich habe mir diese Wahrheit bei denjenigen
verschafft, die über die letzten Tage von Combles am
besten Bescheid wissen müssen, nämlich bei den Ver-
teidigern des Ortes.
Zunächst ein paar Proben der Legende. Die „Li-
bertö" vom 27. September schreibt: „Der Kampf in
Combles war wild, jeder kleine Trümurerhaufen wurde
zum Schlachtfeld. Die Kirchenruine ging dreimal aus
einer Hand in die andere." Ein französischer Offizier,
der von Combles zurückkehrte, erzählt ebenda: „Hun-
derte von Verwundeten lagen in den Kellern und Trich-
tern. Die Gefangenen waren in den letzten Stadien
des Elends. Zahlreiche Kanonen und Maschinenge-
wehre fielen in unsere Hand." Der Pariser Korrespon-
dent der „Times" am 27. September: „Ein Teil der
Verteidigungstruppen war mit dem Material abge-
rückt . . ., aber 2 Bataillone (2000 Manu) blieben zu-
rück mit dem Befehl, auszuhalten bis ans Ende, ein
Befehl, der nach französischenMeldungen auch befolgt wurde."
Der Korrespondent der „Times" im britischen Hauptquartier
am 27. September: „Ein zurückkehrender Offizier sagte mir,
daß noch eine Garnison von 1000 Mann vorhanden war .. .
Die britisch-französischen Truppen drangen gleichzeitig ein
und trafen sich, fast ohne auf Widerstand zu stoßen, an der
Bahn inmitten des Ortes." — Diese Proben mögen genügen.
Das Dorf Combles (1150 Einwohner) ist das größte der
Dörfer im eroberten Kampfgelände nördlich der Somme.
Durch die Großkampftage vom 3. bis 5. September war
die feindliche Front bis auf wenige hundert Meter süd-
westlich gegen Combles vorgeschoben worden. Die Klein-
bahn, die Hardecourt mit Combles verbindet, war die
Grenze zwischen den Armeen der Engländer und Franzosen.
Das Dorf war weder eine „Festung" noch ein besonders
stark befestigter Platz. Die Stellung im westlichen Halb-
kreise um Combles wies nur zur Hälfte Graben und Hindernis
auf, die andere Hälfte bestand aus besetzten und notdürftig
verbundenen Trichtern. Die Nordwest-, die Nord- und die
Ostseite des Dorfes, das in einer wenig günstigen Mulde
liegt, waren völlig offen. Von der Kirche aus zog sich
quer durch den Ort eine innere Verteidigungslinie, im Süd-
osten war eine flüchtig hergerichtete Stellung in der Richtung
auf die Ziegelei und die Priezferme, von wo aus die Fran-
zosen mit Artillerie und Maschinengewehren bequem in die
südöstlichen Dorfstraßen schießen konnten. Einen sicheren
Schuh auch gegen die schwerste Beschießung boten die sehr
Am 26. September 1916 sind die Franzosen und
Engländer in Combles eingedrungen. Am gleichen
Tage fiel Thiepval den Engländern in die Hand. Die
Sommeschlacht hatte mit dem Falle dieser beiden Ba-
stionen der deutschen Verteidigung einen Gipfel er-
reicht ; sie hatte aber zugleich in diesen Großkampftagen
vom 25. bis 27. September ihren Höhepunkt über-
schritten. Nach drei Monaten eines unablässigen und
langsam gesteigerten Ringens, bei dem der Feind nach
und nach 90 Divisionen ins Gefecht geworfen hatte, nach
einem zähen Kampfe gegen eine ungeheure Übermacht
an Menschen und Maschinen hatte die deutsche Front
etwa 300 Quadratkilometer Boden verloren. Bapaume
und Peronne, die ersten größeren Durchbruchziele des
Feindes, waren nicht erreicht worden. Aber dafür
Thiepval und Combles — zwei Namen, von denen
man vorher nicht viel wußte. Die Verbündeten aber
begrüßten die Nachricht von der Eroberung dieser
Flecken mit einem Jubel, wie wenn sie Metz und Straß-
burg eingenommen hätten. Sie schienen völlig ver-
gessen zu haben, daß sie eigentlich um diese Zeit längst
hatten an der belgischen Grenze stehen wollen. So
Kartenskizze 2 zu dem Aufsatz »Die Wahrheit über Combles".
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
127
tiefen Kellergewölbe, die sogenannten „Katakomben" oder
„Muches". Der Haupteingang dieser sehr alten Schutz-
höhlen, die in Nordfrankreich häufig anzutreffen und schon
bei Cäsar erwähnt sind, befand sich in Combles gegenüber
der Kirche. Als das Dorf zum ersten Male beschossen wurde,
führte der Pfarrer die Einwohner in diese halbvergessenen
und verschütteten natürlichen Unterstände hinab. Es sind
trotzdem manche Einwohner durch die französischen Granaten
ums Leben gekommen bei diesen plötzlichen Feuerüberfällen,
die aus weiter Entfernung mit den schwersten Kalibern aus-
geführt wurden. Einen gedeckten Zugangswe'g nach Combles
gab es nicht, der Verkehr ging entweder auf der Straße
nach Sailly oder durch die nördliche Mulde an dem kleinen
Wäldchen entlang.
Am 18. September wurde das Reserveinfanterieregi-
ment im Westabschnitt von Combles eingesetzt. Am 21.,
einem klaren Tage, steigerte sich die Beschießung erheblich.
Das Feuer wurde von Fliegern aus wenigen hundert
Metern Höhe geleitet. Auf den Versuch der deutschen
Truppe, die Flieger mit Maschinengewehren und Schnell-
feiler zu vertreiben, antworteten sie mit Raketen in die
Richtung des Angriffes. Innerhalb der nächsten fünf
Minuten war das Feuer feindlicher Batterien zur Stelle
und lag eine volle Stunde lang auf demselben kleinen Fleck.
Am 22. September
abends brachen die Fran-
zosen in den Nachbarab-
schnitt Ziegelei—Priez-
ferme ein (siehe die Karte
Seite 126 oben); sie waren
um zehn Uhr abends im
Besitz der Ziegelei und
lagen auf den Höhen südlich
Frögicourt. Der Vorstoß
war für die rückwärtige
Verbindung der Deutschen
bedenklich und verstärkte
den Flankendruck des Geg-
ners auf Combles von Süd-
osten her, wo die Stellung
ohnedies nicht wider-
standskräftig war. Die
Meldungen geschahen an
diesem Tage noch durch
eine Läuferkette. Als mehr
als zwei Drittel der ver-
fügbaren Läufer gefallen
waren, beschränkte man
sich auf Lichtsignale, die
mit Sailly gewechselt wur-
den und bis zum letzten
Tage aufrecht erhalten wer-
den konnten. Telephone
Kartenskizze 3 zu dem Aufsaß „Die Wahrheit über Combles"
und Erdkabel gab es dagegen schon längst nicht mehr.
Eine besondere Schwierigkeit war die Versorgung der
Trupps mit Wasser und Verpflegung. Fuhrwerke kamen
kaum bis Sailly (4 Kilometer) vor, geschweige denn darüber
hinaus. Jeder Mann, der vorging, erhielt zwei Flaschen
Sauerbrunnen, Fleischkonserven und Brot mit. Äußerst
gefährdet und auf lange Stunden ganz ungangbar war die
Verbindung mit den vordersten Gräben des Regiments.
Von 2000 Flaschen Wasser kamen kaunr 300 vor, in einer
mühsam herangeschleppten Kiste fanden sich nur noch vier
unzerbrochene Flaschen. Je vier Mann mußten sich in
den Inhalt einer einzigen Flasche teilen. Im Dorfe selbst
gab es unter den Trümmern nur noch einen Brunnen, der
wenigstens Waschwasser hergab.
Am 23. September legten die Franzosen zum ersten
Male ein Sperrfeuer von Gasgranaten hinter Combles.
4n den Ort selbst gingen Tausende dieser giftigen Ge-
schosse, die Luft war ganz gelb von Qualm und Staub.
Mit großen Feuerbränden, vor den Eingängen der Keller
und Höhlen angezündet, versuchte man das Gas zu zerteilen.
Am 24. fünf Uhr früh machten die Engländer einen
Gasangriff, den sie beim Vorgehen durch Nebelbomben
unterstützten. Sie kamen diesmal nicht wie sonst in Ko-
lonnen anmarschiert, sondern sie krochen vorsichtig an der
Bahn entlang in der Breite von etwa zwei Kompanien
)um Sturm vor. Es gelang ihnen auch, in den vorderen
Graben einzudringen, aber mit Handgranaten wurden sie
wieder hinausgeworfen. Ein Leutnant nahm ein Maschinen-
gewehr auf den Rücken, sprang ihnen nach und schoß von
einer Brustwehr vernichtend hinter ihnen drein.
In der Nacht vom 24. auf 25. erhielt Combles ununter-
brochen schwere Gasgranaten. Die Absicht des Feindes
war klar: er wollte sich den Angriff, der bisher immer miß-
lungen war, so leicht wie möglich machen und das deutsche
Bollwerk ausräuchern. Daß die Stellungen im südwest-
lichen Halbrand um das Dorf zerschossen waren, meldeten
ihm seine Flieger. Ein Ausbau inmitten dieses Trommel-
feuers war völlig ausgeschlossen. Jedermann im Graben
wußte, was bevorstand. Der Sturmtrupp des Regiments
brachte noch einmal Verpflegung und Wasser vor. Die
Verwundeten aber konnten nicht mehr abtransportiert
werden, sie lagen gedrängt in den Katakomben. Bei Tages-
anbruch prasselte das Feuer aus allen Kalibern auf den
Ort und die rückwärtigen Verbindungen herab. Eine
französische 15-om-Batterie, die im Priezgrunde stand,
flankierte die südlichen Gräben ungemein bösartig. Feind-
liche Flieger leiteten das Feuer äußerst genau auf die Ein-
gänge der Katakomben und diejenigen Stellen des vorderen
Grabens, die noch einigen Schutz versprachen.
Ein ganz großer Angriff war im Anzuge. Gegen Mittag
teilte die Division mit, daß Verstärkungen bereitgestellt
seien. Um zwei Uhr dreißig
Minuten nachmittags mel-
dete die Regimentsbeobach-
tung, die Franzosen seien
über die Priezferme hinaus
vorgerückt, sie ständen be-
reits nahe Frsgicourt. Um
drei Uhr dreißig Minuten
wurde die Meldung be-
stätigt, man sah die Fran-
zosen eifrig an ihren neuen
Stellungen schanzen (siehe
die Karte Seite 126 un-
ten). Gleichzeitig brachen
starke englische Schützen-
schwärme, von Kolonnen
gefolgt, im Norden von
Combles gegen das vor
Morval stehende Regiment
vor. Der Angriff wurde
durch Flammenwerfer und
Tanks (siehe auch das Bild
Seite 84/85) unterstützt. Ei-
nes dieser Ungetüme wurde
von der deutschen Artil-
lerie Zusammengeschossen.
Um vier Uhr fünfzehn
Minuten nachmittags (im-
mer noch des 25. Septem-
ber) kam die Meldung, die Engländer seien am rechten Flügel
des Abschnittes ins Birkenwäldchen eingedrungen, die Deut-
schen gingen zurück. Um fünf Uhr war Morval vom Gegner
besetzt. Nun forderte das Regiment sein letztes Bataillon
zur Verstärkung und zum Schutz der stark bedrohten Verbin-
dung nach rückwärts. Sturmtruppe und Träger wurden
bereitgestellt. Die Stellung der beiden Bataillone vor
Combles war unhaltbar geworden. Aber wenn's befohlen
wurde, sollte sie gehalten werden bis zum Äußersten.
Der Befehl lautete: Combles ist während der Nacht zu
räumen.
Um acht Uhr dreißig Minuten abends begann der Ab-
marsch in die vorbereitete Riegelstellung halbwegs Sailly.
Jeder trug und schleppte, was er schleppen konnte: die Ver-
wundeten, die Maschinengewehre, die Munition. So ging
es durch das Sperrfeuer hindurch, das die englischen und
französischen Geschütze verschwenderisch auf den schmalen
kilometerbreiten Streifen (siehe die Karte Seite 127)
zwischen ihren Fronten legten. Die Nacht war dunkel.
Die Bataillone marschierten 300 bis 400 Meter an der fran-
zösischen Linie vorbei. Alle Geräusche erstickten in den Wir-
beln der tanzenden Geschosse. Der Feind merkte nichts.
Mit den letzten Gruppen verließ der Ortskommandant
von Combles, Baron von W., den Ort. Seine Eefechts-
ordonnanz — er war zugleich Bataillonsführer — geleitete
ihn. Der Mann machte den Todesweg zum fünften Male
an diesem Tage. Er hatte einen geheimnisvoll sicheren In-
128
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
stinkt für die beste Art, dem
Sperrfeuer eine Nase zu
drehen. Er kommandierte:
„Jetzt hinlegen, Herr Haupt-
mann !" Zehn bange Minu-
ten dehnen sich zu Stunden.
Leuchtkugeln steigen. Erde
und Splitter sprühen durch
die Luft. „Nu aber los!
Laufen!" Sie springen auf
und rennen über Trichter,
Leichen und Hindernisse hin-
weg. Der Hauptmann ist
schwer bepackt, nach hundert
Metern will er innehalten,
er kann einfach nicht mehr.
„Nee, nee, Herr Hauptmann,
laufen, immerzu laufen!"
Und der treue Bursche er-
greift den Hauptmann am
Arm und reißt ihn mit, un-
widerstehlich. „Wenn ich
nicht gelaufen wäre, lägen
meine Gebeine heute in ir-
gend einem Eranatloch ver-
streut," sagte der Baron.
Der Mann aber machte den-
selben Weg in der Nacht
noch einmal, zum sechsten
Male, hin und zurück und
kam unverletzt durch.
In Combles waren etwa
zwanzig Schwerverwundete in den Katakomben zurück-
gelassen worden. Auf dem Rückmarsch wurde ein Offizier
mit dreißig Mann der Nachhut gefangen. Insgesamt hat
das Regiment während der ganzen Kämpfe an Gefan-
genen fünfundachtzig Mann verloren. Es hat vom 18.
bis 25. September sieben größere und kleinere Angriffe
abgewehrt. Der Rückmarsch vollzog sich in größter Ord-
nung. Alle Maschinengewehre kamen schußbereit zurück.
Die beiden Bataillone wurden sofort in der Riegelstellung
kampfkräftig eingesetzt.
Während der ganzen Nacht wurde Combles mit den
schwersten Kalibern vom Feinde beschossen. Achtundvierzig
Stunden lang ununterbrochen dauerte nun die Eas-
beschießung an. Am 26. September, fünf Uhr früh, drangen
die Franzosen mit wildem Ungestüm in Combles ein. Sie
waren überhaupt viel schneidiger im Angriff als die Eng-
länder, die nicht selten die
Vorsicht als den besseren
Teil der Tapferkeit erkann-
ten. Sie folgten etwas
später von Norden und
stießen zu ihrer Verwunde-
rung am Bahnhofsplatz an-
statt auf die Deutschen auf
ihre Verbündeten. Die
Freude dürfte kurz gewesen
sein, denn die deutsche Ar-
tillerie spendete sogleich be-
reitwillig ihren Segen zu
der Verbrüderung.
Ein paar Zahlen mögen
kurz die Fürsorge für die
leidliche Wohlfahrt der käm-
pfenden Truppe erläutern:
Die Reservedivision, die in
diesen schweren September-
tagen im Abschnitt Combles
kämpfte, schickte an ihre
Regimenter vom 24. bis
29. September hinaus: 425
Flaschen Sekt, etwa 10 000
Flaschen Rotwein, 127 000
Flaschen Wasser, 72 000 Kilo-
gramm Fleischportionen.
Der Divisionsstab hat keinen
Wein gehabt indiesen Tagen.
Eben, da ich diese Zeilen
beschließe, lese ich in dem
Bericht des Marschalls Haig von: 23. Dezember über die
Sommeschlacht: „Die Einnahme von Combles auf diese
wohlfeile Art bedeutete einen nicht unerheblichen taktischen
Gewinn. Obwohl in einer Mulde gelegen, war das Dorf
sehr stark befestigt und besaß, unterstützt durch Feldwerke,
ungemein große Keller und tiefe Gänge ..."
Wir sehen, der Marschall kommt der Wahrheit schon
etwas näher als die Offiziere rnrd sonstigen Märchen-
erzähler über die Erstürmung von Combles. Aber so ganz
richtig in die Wahrheit hinein steuert er doch noch nicht.
Seinen Ärger über die mißglückte Abschneidung der tapferen
Verteidiger verbirgt er hinter der Genugtuung über den
„wohlfeil" erstandenen taktischen Gewinn. Nun, mir scheint,
daß die vielen Tausende großer Granaten, die Combles
zu allem übrigen die Feinde gekostet hat, auch in Eng-
land nicht gerade von den Bäumen geschüttelt werden.
Kriegslage beim deutschen Friedensangebot.
Auffahrende Artillerie.
Nach einem Originalgemälde von Wilhelm Schreuer.
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
(Fortsetzung.)
wadei
itnnen
Mevenhc*
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b. H.
Die deutsche Front am Rigaischen Meerbusen, der äußerste linke Flügel der gesamten Ostfront.
Von der Ostsee bis zu den Waldkarpathen hatte sich eine
steigende Unruhe auf der ganzen Ostfront bemerkbar ge-
macht. Auf beiden Seiten bemühte man fidj, über die Ab-
sichten des Gegners Klarheit zu gewinnen; kleinere und
größere Zusammenstöße waren deshalb an der Tagesord-
nung. Auf dem österreichisch-
ungarischen Teil, im Frontab-
schnitt des Generalfeldmar-
schalls Prinzen Leopold von
Bayern, übersetzte ein Jagd-
kommando am 23. Dezember
zu Aufklärungszwecken die By-
strzyca Solotwinska, bahnte
sich durch die Hinderniszone
einen Weg in die russische
Linie südwestlich Bohorodcza-
ny, machte dort die Besatzung
nieder, zerstörte die Verteidi-
gungsanlagen gründlich und
kehrte ohne Verluste in seine
Ausgangstellung zurück. Das
schluchtenreiche, von dichtem
Tann bewachsene Gelände be-
günstigte derartige Unterneh-
men ungemein. Bei der
Führung und bei den Mann-
schaften waren diese Überfalls-
gefechte gleich beliebt, weil sie
dem einzelnen Gelegenheit
Karte zu den Kämpfen an der 2la.
gaben, seinen Mut und seine Geschicklichkeit zu erproben,
verhältnismäßig große Erfolge brachten und doch mit nur
geringen Verlusten verbunden waren. Ein paar Dutzend
kühner Soldaten genügten oft, mittels eines Überfalls -mit
Handgranaten in ein mehrere hundert Meter breites Stück
der feindlichen Linie einzudringen, die Grabendesatzung zu
töten oder zu fangen, Maschinengewehre und anderes
Material zu erbeuten und den Russen überhaupt schweren
Schaden zuzufügen. — Der Feind dagegen verfolgte bei
seinen Erkundungsvorstößen
ein wesentlich anderes, viel
blutigeres und trotzdem weni-
ger glückliches Verfahren. Die
Russen setzten nicht kleine Grup-
pen gut durchgebildeter Mann-
schaften ein, sondern gleich
Kompanien oder gar ganze
Bataillone und Regimenter.
So große Massen konnten sich
natürlich nicht unbemerkt an
die gegnerischen Stellungen
heranarbeiten, weswegen ihre
Merfallsversuche von vorn-
herein nur geringe Aussicht
auf Gelingen hatten. Sie ge-
rieten nicht selten in das ver-
nichtende Artilleriefeuer ihrer
wachsamen Gegner und konn-
ten infolgedessen trotz erheb-
licher Übermacht ihr Ziel ent-
weder gar nicht oder doch nur
unter ganz unverhältnismäßi-
gen Opfern erreichen. Eine
Bestätigung hierfür bietet der Vorstoß, den ein vierfach
überlegenes russisches Jagdkommando bei Lysiec auf Teile
des k. u. k. Infanterieregiments Nr. 16 unter dem Schutze
der Nacht zum 25. Dezember unternahm. Die Österreicher
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut sür den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 by Union Deutsche Berlagsgesellschast in Stuttgart.
VI. Band. -m
130
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Gebr. Haeckel, Berlin.
Raft eines KorpsbrückenLrains auf dem östlichen Kriegschauplatz.
unruhigten. Auch deutsche Reiter waren an diesen Kämpfen
beteiligt. Sie stürmten im Fußgefecht am 31. Dezember auf
dem Nordufer des Pripet bei Pinsk zwei russische Stützpunkte
und machten 36 Russen, darunter 10ffizier, zu Gefangenen.
Im Raume von Riga, auf der ganzen Linie von der
Küste bis Smorgon, begann um diese Zeit auch die russische
Artillerie sich in zunehmendem Matze bemerkbar zu machen,
was auf den Beginn grötzerer Kämpfe in diesem Abschnitt
hinzudeuten schien. Diesen Schluß ließen auch die häu-
figen Vorstöße zahlreicher russischer Jagdabteilungen zu,
die in besonderer Stärke und Zahl auftraten und-unter
anderem auch am 1. Januar südlich von Riga sowie im
Süd westen von Dünaburg angriffen.
Am folgenden Tage zeigten sich russische Streifkom-
mandos auch südlich des Dryswjatysees. Diese lebhafte
Tätigkeit der Russen rief bei deren Gegnern naturgemäß
ebenfalls eine Verstärkung des Kundschafterdienstes her-
vor. So stürmten östlich von Zloczow am 2. Januar Stoß-
truppen der Leibhusarenbrigade mit österreichisch-ungarischer
Infanterie im Werfall gegen die russischen Linien vor und
führten daraus 127 Mann mit 3 Offizieren gefangen zurück.
fast ausgeschaltet worden und das Gebiet konnte, so-
lange die Kälte anhielt, recht gut für Kämpfe in Betracht
kommen. Es bestand große Wahrscheinlichkeit, daß die
Russen aus dem Brückenkopf vor Riga und aus dem nörd-
lichen Brückenkopf von Dünaburg bei Jllurt über die ge-
frorenen Ufersümpfe der Düna vorstoßen würden. Dem
Einbruch bei Jllurt war von den Deutschen durch die Ein-
nahme der Insel Glaudon ein Riegel vorgeschoben; die
Russen mußten deshalb erst versuchen, die Insel wieder in
ihre Hand zu bekommen. Obwohl sie schon gleich nach dem
Verlust des Eilandes nicht weniger als vier starke Gegen-
angriffe ansetzten, konnten sie die unbeträchtliche deutsche
Besatzung doch nicht vertreiben, sondern holten sich eine
schwere Niederlage nach der anderen. Während die russi-
schen Unternehmungen hier fortgeführt wurden, erfolgte
am 5. Januar ein machtvoller Vorstoß aus dem Brückenköpfe
von Dünaburg heraus. Trotz der Übermacht der Russen
verlief er nicht ihren Wünschen entsprechend, sondern wurde
von den Deutschen fast vollständig aufgefangen. Auch von
der Küste bis an die Straße Mitau—Riga entbrannten in
Eis und Schnee auf gefrorenen Sümpfen und vereisten
und Ungarn ließen die Feinde ruhig herankommen und
eröffneten dann aus nächster Nähe ein wirksames Feuer-
Zahlreiche Angreifer fielen oder wurden verwundet, die
anderen glaubten sich am Ziele. Da wurden sie mit dem
Bajonett empfangen und mit weiteren starken Verlusten
zurückgeworfen. Den Uberfallsversuch erneuerten die Russen
nachher noch mehrmals, doch konnte ein Erfolg nicht er-
rungen werden. Das Eefechtsfeld war schließlich dicht be-
deckt mit toten und schwerverwundeten russischen Soldaten.
Am nächsten Tage machten deutsche Truppen nord-
westlich von Luck 16 Gefangene in- den russischen Gräben
und Tags darauf gelang verwegenen Österreichern und
Ungarn im Graberkaabschnitt nordwestlich von Zaloc-ze die
Gefangennahme von 32 Russen und die Erbeutung von
2 Maschinengewehren. Ähnliche Unternehmungen wurden
auch in der Folgezeit von den Verbündeten an zahlreichen
Punkten der Front durchgeführt; hierbei taten sich besonders
deutsche Jäger mit ihren kühnen Streifzügen in den Kar-
pathen hervor, wo sie den Gegner außerordentlich be-
Ein machtvoller Vorstoß der Deutschen erfolgte am
4. Januar in der Gegend von Jllurt, wo Kompanien des
oldenburgischen Reserveregiments Nr. 259 über das Eis
der Düna vordrangen und den Feinden die kleine Insel
Glaudon entrissen. Dabei wurden über 40 Russen ge-
fangen und mehrere Maschinengewehre erbeutet. Dieser
Erfolg war der Anlaß zu einer Reihe schwerer russischer
Angriffe, die nun auf der ganzen weitgedehnten Front
von Riga bis Smorgon täglich auf die deutschen Linien er-
folgten. Die deutschen Stellungen zogen sich in diesem
Abschnitt westlich Riga und dem Babitsee vom Meer zu
der von Mitau bis Schlok in südnördlicher Richtung fließen-
den Aa (siehe Bild und Karte Seite 129), umfaßten dann
im Bogen den Tirulsumpf gegen die Heerstraße Mitau—
Riga und erreichten weiter östlich die Düna. Der ganze
Raum zwischen Babitsee, Aa und Düna ist von einem
mächtigen, im allgemeinen für Truppen kaum gang-
baren Sumpf ausgefüllt. Dieses natürliche Hindernis
vor den deutschen Stellungen war aber durch den «Frost
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
131
Flußarmen schwere
Kämpfe. Unter
Preisgabe vieler
Menschenleben ka-
men die Russen an
einzelnen Stellen
den deutschen Grä-
ben nahe und ge-
legentlich auch in
sie hinein, wie öst-
lich der Aa, wo sie
sich bei Kalntzem
in Bataillonsbreite
in einigen deut-
schen Grüben fest-
setzenkonnten. Den
Gegenangriffen
der Deutschen ver-
mochten sie jedoch
in den meisten Fäl-
len nicht standzu-
halten , sondern
räumten die ge-
wonnenen Gräben
wieder, mit Aus-
nahme der schma-
len Einbruchstelle
östlich der Aa, und
verloren dazu 900
Gefangene und
eine Anzahl Maschinengewehre. Auf den südlich anschließen-
den Frontabschnitten, an zahlreichen Stellen der Düna-
front und nördlich des Miadziolsees strebten kleinere russische
Truppenverbände auf schmalem Raum ebenfalls nach Er-
folgen, die ihnen aber versagt blieben.
Die Feinde stellten ihre Bemühungen auch am nächsten
Tage nicht ein; sie vermehrten vielmehr ihre Anstrengungen
und verbreiterten die Angriffsfront. Ihren Hauptstoß
richteten sie gegen den Raum von Mitau, in dem ihnen
energischer Widerstand geboten wurde. Einige geringe
Vorteile, die sie im ersten Anlauf errangen und blutig er-
kauft hatten, gingen wieder verloren, als die Deutschen
kräftige Gegenangriffe machten und die Zahl ihrer Ge-
fangenen dabei auf 1300 erhöhten.
Mit unverminderter Heftigkeit dauerten auch am
7. Januar die russischen Angriffe fort, die durch äußerst
kräftiges Artilleriefeuer vorbereitet wurden. Bataillon auf
Bataillon stürmte darin in dem mörderischen Abwehrfeuer
gegen die deutschen Linien vor, ohne die Erwartungen er-
füllt zu sehen. Nur ein kleiner Erfolg war ihnen nach er-
bittertem Kampf beschieden: eine geringe Erweiterung des
Einbruches vom
5. Januar am Aa-
flusse. Bei dem
Dorfe Kalntzem,
südlich des West-
randes des Babit-
sees, gewannen die
Russen ebenfalls
einige deutsche
Gräben. Sie setzten
nun ihre Angriffe
fort, wozu ihnen
das klare, das Ein-
greifen der Artil-
lerie begünstigende
Winterwetter gute
Gelegenheit bot.
Stundenlang pras-
selten die schweren
Granaten in den
tiefen Schnee und
rissen gefrorene
Erdschollen und
Eismassen auf;
dann wälzten sich
dichte russische Ko-
lonnen gegen die
deutschen Linien
vor. Sie kamen
aber nicht weit,
denn das deutsche Maschinengewehr- und Artilleriefeuer
(siehe die Kunstbeilage) riß so große Lücken in ihre
Reihen, daß sie auf einen Nahkampf verzichteten und ihr
Heil in der Flucht suchten. Trotz allem behaupteten die
Russen, den Deutschen eine Anzahl Geschütze und Ge-
fangene abgenommen zu haben und zwei Werst südlich vom
Babitsee vorgedrungen zu sein. Während sie in der Tat aber
hier vor Riga gänzlich abgeschlagen worden waren, brachten
ihnen fortgesetzte Anstrengungen endlich einen Erfolg gegen
die Besatzung der Insel Elaudon. Während eines dichten
Schneegestöbers, das ihnen die unbehinderte Heranführung
besonders starker Kräfte gestattete, gelang es ihnen, den
Deutschen die Insel wieder abzunehmen. Als sie aber dann
im Anschluß hieran versuchten, auf dem westlichen Düna-
ufer weiter vorzudringen, stießen sie auf so starken Wider-
stand, daß sie ihre Absicht sehr bald aufgaben.
Erneute russische Vorstöße erfolgten an den nächsten
Tagen nicht nur im Raume von Riga, sondern seit dem
10. Januar auch auf der ganzen Linie bis Smorgon. Am
11. Januar ließen die Russen ihre Tätigkeit an der Düna
abflauen, blieben aber im Seengebiet südlich von Düna-
Phot. Welt-Preß-Photo, Wien.
Österreichisch-ungarische ReiLerabLeilung bei einem Umgehungsversuch gegen die Russen bei
Dorna Watra.
KW
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^AHWOÄ
/,. /\
Sturmangriff des deutschen Infanterieregiments 189 nördlich der Oitozstraße an,
10. Januar 1917 auf stark ausgebaute, zäh verteidigte russische Höhenstellungen,
MKKÄ
Im:
■
Nach einer Oricsinalzeichnung
von Professor Anton Hoffmmin.
134
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
bürg noch ziemlich lebhaft, ohne indes irgendwelche bemerk-
bare Frontverschiebungen erzwingen zu können. Von
den Deutschen am 11. Januar südwestlich von Riga zur
Verbesserung ihrer Stellungen angesetzte kleine örtliche An-
griffe hatten den beabsichtigten Erfolg und brachten da-
neben 32 Gefangene ein. In den folgenden Tagen aber
erlosch die Kampftätigkeit fast völlig; erst am 16. Januar
wagten die Russen eine neue Folge von Angriffen, die sie
mit noch größerem Machtaufwand als bisher durchführen
wollten. Nach starkem Artilleriefeuer gelangten die Feinde
in schmaler Front stellenweise bis in die deutschen Linien.
Dort konnten sie sich aber wieder nicht halten, denn ein
Gegenstoß brachte die ganze Stellung restlos in deutschen
Besitz zurück. Der Verlust der Russen an Toten war an
diesem Tage besonders groß. Diese bedeckten weithin das
verschneite Schlachtfeld. Zehnfacher feindlicher Übermacht
gelang es am nächsten Tage, in die vorgeschobene deutsche
Feldwache nördlich Kraschin einzudringen, doch bald er-
schienen deutsche Verstärkungen, die die Russen auch von
hier vertrieben und den Posten wieder besetzten.
So war das Ergebnis aller Bemühungen der Russen
für diese durchaus nicht erfreulich. Ihrem Ziel, Mitau,
waren sie nicht nähergekommen, obwohl die Truppen, in
der Hauptsache lettische Bataillone, mit anerkennenswerter
Tapferkeit gefochten und auch dementsprechende Verluste
erlitten hatten. Der Mißerfolg wurde von russischer
Seite nicht in Abrede gestellt.
* *
-l-
Die Vorstöße der Russen im Norden der Ostfront sollten
der russisch-rumänischen Front /siehe die Karte Seite 135)
Entlastung bringen. Dieser Zweck war nicht erreicht worden
und die Operationen der verschiedenen Heeresgruppen der
Mittelmächte nahmen im Süden ihren ungestörten Fort-
gang. Auf dem Westufer des Sereth waren fast alle wert-
vollen Widerstandspunkte eingedrückt worden, nun galt es,
den Fluß selbst zu überwinden. Das erforderte die Her-
beischaffung von Brückenbaugeräten /siehe Bild Seite 130)
und eine Fülle sonstiger Vorbereitungen, die den Gesamt-
verlauf der Ereignisse zunächst verlangsamten. Auch die
Russen trafen Vorbereitungen; sie richteten sich auf die
nachdrücklichste Verteidigung des wichtigen Serethabschnittes
ein und scheuten nichts, um hier den Vormarsch der geg-
nerischen Streitkräfte endgültig aufzuhalten. Südrußland
war bedroht. Die Russen fühlten es und zogen ihre Schlüsse
daraus. Die Bevölkerung, soweit sie nicht arbeitsfähig war
und nicht für den Bau von Verteidigungsanlagen gepreßt
werden konnte, schob man ab, Schulen wurden nach der
Krim verlegt, kurz, man sorgte für alle Möglichkeiten in
der umfassendsten Weise vor.
An drei Hauptstellen blieb die Eefechtstätigkeit schlachten-
mäßig und führte zu bedeutenden Ereignissen und neuen
Siegen der Verbündeten. Am erbittertsten tobten die
Kämpfe nördlich Braila, im Raume von Fundeni und im
Gebirge im Bereich der Heeresgruppe des Erzherzogs Jo-
seph. Deren linker Flügel lag noch in den Karpathen. Tief
in den Schnee eingegraben, verharrten die deutschen und
österreichisch-ungarischen Feldwachen /siehe Bild Seite 131
unten) auf ihren sturmumbrausten Posten, um dem Feind
Geheimnisse abzulauschen und die eigenen Truppen vor
Überraschungen zu sichern. Auch Kavallerie konnte an ein-
zelnen Stellen Verwendung finden, wenn es sich darum
handelte, den Feind zu umgehen und Teile seiner Ver-
bände abzuschneiden /siehe Bild Seite 131 oben).
^ Der rechte Flügel der Armeegruppe des Erzherzogs
Joseph dagegen und die sich südlich anschließenden, aus
deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen gebildeten
Streitkräfte des Generals v. Eerok stießen im Gebirge
durch die zum Sereth führenden Täler trotz aller Unbilden
der Witterung kräftig vor und sahen sich dabei überall
schweren feindlichen Gegenangriffen ausgesetzt, die frei-
lich keine Rückschläge herbeiführten, sondern den Vormarsch
nur verlangsamten. Immer wieder griffen die Russen
und Teile des rumänischen Heeres die vordringenden
Armeen an /siehe Bild Seite 137), doch wurden sie stets
erfolgreich abgewehrt und ihnen empfindliche Verluste zu-
gefügt. Im weiteren Vorwärtsschreiten drängten die ver-
bündeten Truppen die Feinde trotz ungünstiger Witterung
und schwierigster Geländeverhältnisse in dem zerklüfteten
Waldgebirge Schritt für Schritt zurück; am 8. Januar
stießen sie beiderseits des Casinu- und des Susitatales auf
sorgfältig ausgebaute verdrahtete Stellungen, die nach
scharfem Kampf genommen und gegen Wiedereroberungs-
versuche gehalten wurden. Am folgenden Tage von Russen
und Rumänen wiederholte zahlreiche wuchtige Gegen-
angriffe auf die ihnen entrissenen Höhenstellungen im
Susitatal scheiterten abermals unter blutigsten Verlusten;
im Casinutal wurden die Feinde gleichzeitig noch weiter
zurückgedrängt. An beiden Kampftagen hatten sie über
900 Gefangene und 3 Maschinengewehre eingebüßt.
In den Kämpfen um die Talausgänge trat auch Tags
darauf keine Pause ein. Zwischen dem üz- und dem Su-
itatal wurden von deutschen, österreichischen und ungari-
chen Truppen weitere Fortschritte erzielt. Der bedeu-
tendste Schlag des Tages fiel nördlich der Oitozstraße.
Dort zeichnete sich das Infanterieregiment Nr. 189 durch
einen verwegenen Sturmangriff in schwierigstem Berg-
gelände unter der Führung seines tapferen Obersten aus
/stehe Bild Seite 132/133). Die russische Befestigungs-
linie wurde nach Überwindung harten Widerstandes den
Feinden entrissen. 6 Offiziere mit über 800 Mann fielen
in Gefangenschaft, außerdem eroberten die Sieger 6 Ma-
schinengewehre. Der schöne Erfolg trug noch am nächsten
Tage reiche Früchte, indem er den Fall mehrerer hinter-
einander liegender russischer Höhenstellungen nach sich zog,
wobei die Feinde äußerst schwere blutige Verluste erlitten
und 60 Gefangene, 6 Maschinengewehre sowie 3 Minen-
werfer verloren. Gegenstöße, die in diesem Abschnitt der
Feind am 12. Januar unternahm, führten zu erbitterten
Nahkämpfen, die für ihn sehr opferreich waren, ihm aber
keinen Gewinn einbrachten.
Weiterhin rückten deutsche Abteilungen auch nördlich
des Slaniotales vor, nachdem sie den Russen unter harten
Kämpfen wertvolle Stellungen entrissen hatten, in denen
der Feind bei seinem Rückzug 7 Maschinengewehre, 1 Minen-
werfer, viel Gewehrmunition und über 3000 Handgranaten
zurückließ; daneben büßte er 4 Offiziere und 170 Mann als
Gefangene ein.
Die nächsten Tage füllten die deutschen und österreichisch-
ungarischen Truppen mit umfassenden Vorbereitungen zu
neuen Ünternehmen aus. Die notwendigen Maßnahmen
zur Sicherung des Nachschubes erwiesen sich als außer-
ordentlich zeitraubend, weil ganz bedeutende Gelände-
schwierigkeiten zu überwinden waren. Die Geschütze
mußten oft bergauf und bergab geschafft werden, wenn es
galt, Schluchten zu überqueren. Wo Pferde und Kraft-
wagen nicht mehr hinkamen, spannten sich bie Kanoniere
selbst vor ihre Geschütze und zogen sie an Stricken weiter
oder schoben sie durch den tiefen Schnee.
Am 17. Januar kam es wieder zu einem Zusammenstoß
zwischen Susita- und Putnatal, wo die Verbündeten dem
Feinde neue Stellungen entrissen und 1 Offizier und
230 Mann gefangen nahmen. Auch 1 Maschinengewehr
fiel ihnen in die Hände. In dem Bestreben, ihren Gegnern
nördlich des Susitatales die erreichten Vorteile streitig zu
machen, spannten rumänische Streitkräfte besonders am
19. Januar alle Kräfte an; fünfmal stürmten sie nach
wuchtiger Artillerievorbereitung vor, wurden aber immer
mit großen Verlusten zurückgeschlagen und verloren dazu
noch 400 Gefangene. Weitere ünternehmen der Russen
und Rumänen gegen die gesamte Front der Heeresgruppe
v. Eerok und den Südflügel des Erzherzogs folgten; es
war ihnen aber bis zum 22. Januar nicht möglich, den
Vormarsch dieser Truppen zu hindern oder den Druck auf
die Flanke des nördlich Focsani noch stehenden russischen
Flügels auszuhalten; im Gegenteil, die Verbündeten rückten
langsam aber stetig vor, trotz Nebel, Schnee und Kälte.
Wie die Russen und die Reste der rumänischen Armee
im Gebirge dem weiteren Vordringen der Angreifer Halt
zu gebieten versuchten, mühten sie sich auch am Mittelläufe
des Sereth ab, dasselbe Ziel zu erreichen. Nach der Er-
oberung von Focsani drangen die Sieger dem Feinde sofort
kräftig nach und faßten am 9. Januar nach Überwindung
des Widerstandes feindlicher Nachhuten auch auf dem
linken Putnaufer Fuß. Auf der ganzen Strecke von Focsani
bis Fundeni 'zwangen die Angreifer die Russen, das östliche
Putnaufer zu verlassen und hinter den Sereth zurück-
zugehen. Dabei wurden noch 550 Gefangene gemacht. Der
Angriff am Mittellauf des Sereth richtete sich nun gegen
die ausgedehnten Brückenkopfstellungen von Fundeni und
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Übersichtskarte der Moldau
136
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Namolosa. Der doppelte Brückenkopf
von Fundeni, auf beiden Ufern des Se-
reth gelegen, fand auf dem südlichen Se-
rethufer in demOrte Nanesti eine Stütze.
Er wurde jetzt besonders bedrängt.
Es war nicht leicht, an die Stel-
lungen der Gegner (siehe mittleres
Bild auf dieser Seite) heranzukommen,
denn das ganze Gelände bot wegen
seiner vollkommenen Flachheit den an-
rückenden Armeen nicht den geringsten
Schutz gegen das feindliche Feuer.
Tiefer Schnee hinderte zudem das
Vorgehen beträchtlich und große An-
strengungen waren nötig, um die er-
forderlichen schweren Geschütze der Ar-
tillerie herbeizuschaffen (siehe neben-
stehendes Bild). Selbst das für den
Ausbau von Deckungen so nötige Holz
war in dieser Einöde nicht aufzutrei-
ben. Man war deshalb gezwungen,
es von weither zu holen, was häufig
mit Hilfe der Pferde von Maschinen-
gewehrabteilungenbesorgtwurde (siehe
Bild auf dieser Seite unten).
Diese einleitenden Arbeiten unter-
brachen am 15. Januar die Russen, in-
dem sie nach heftiger Artillerievor-
bereitung beiderseits Fundeni mit
Massenangriffen vorstürmten. Die
mächtigen russischen Sturmwellen zer-
schellten aber im deutschen und öster-
reichisch-ungarischen Sperrfeuer we-
nige hundert Meter vor den neuen
Linien der Verbündeten. Erst bei der
Wiederholung der umfangreichen An-
griffe gelangten Teile der Stürmen-
den abends in die vordersten Gräben;
sie konnten diese jedoch nicht behaup-
ten, sondern wurden sogleich wieder
daraus vertrieben.
Am 19. Januar konnte Mackensen
seine Truppen zum Hauptstoß auf
Nanesti ansetzen. Die Tätigkeit der
Artillerie wurde allerdings durch
schlechte Sicht infolge ununterbroche-
nen schweren Schneetreibens bedeu-
tend erschwert, dennoch gingen Pom-
mern, Altmärker und Westpreußen»
die das schwere Werk durchführen
sollten, mutig an die Lösung ihrer
Aufgabe. Leicht wurde es ihnen
nicht gemacht, denn die Russen wider-
standen dem Vorstoß mit großer Zähig-
keit. Nachdem die vordersten feind-
lichen Stellungen gestürmt waren,
standen die Angreifenden vor dem
schwierigsten Teil der Aufgabe. Sie
mußten Nanesti in blutigem Nah-
kampf Haus für Haus erobern. AIs
der hartnäckige Widerstand gebrochen
und Nanesti besetzt war, ereilte die
zurückgehenden Russen das Verhäng-
nis. Sie hatten nur die Möglichkeit,
auf einer einzigen Brückengruppe das
andere Flußufer zu erreichen. Dieser
Übergang lag völlig frei ohne jede
Deckung. Zur Flankierung der Brücken
hatten die Deutschen rechtzeitig Bat-
terien und Maschinengewehre aufge-
stellt und richteten nun auf die flie-
henden Kolonnen ein wohlgezieltes
Feuer, das schreckliche Verheerungen
anrichtete. Zu den ungeheuren blu-
tigen Verlusten, die die Feinde erlitten,
kamen auch noch 1 Offizier und 555
Mann an Gefangenen, und außer-
dem büßten sie 2 Maschinengewehre
und 4 Minenwerfelc ein. Nanesti, die
wertvolle Ausfallstellung am rechten
Verschneite österreichisch-ungarische Feldhaubitze.
Eroberte rumänische Stellung.
Holztransport mittels Pferden einer österreichisch-ungarischen Maschinengewehrabteilung für die
Vorpostendeckung.
Aus den Kämpfen der österreichisch-ungarischen Armee gegen Rumänien.
Nach Aufnahmen der Photoprefse Kankowsky, Budapest.
Von den Kämpfen an der HeeresfronL des Erzherzogs Joseph.
Abwehr des großen Russenangriffs beiderseits der Straße Valeputna—JaLobeny durch die Armee des Generalobersten Küvesz v. Köveszhaza.
Nach einer Originalzeichnung von M. Ledelt.
VI Band.
18
138
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Preffe-Photo-Vertrieb, Berlin.
Österreichisch-ungarische Grabenstellung an der italienischen Front.
Serethufer, war gefallen und damit die Serethlinie um
ein wichtiges Verteidigungstück ärmer geworden.
Nun stand der Feind nur noch im Raume von Ealatz
auf dem südlichen Serethufer. Aber auch hier, in der
Sumpfniederung zwischen Braila und dem Sereth, ar-
beiteten sich die Angreifer unter großen Mühen, doch mit
Erfolg weiter vor. Die starken russischen Nachhuten hatten
am 11. Januar schon den Ort La Burtea nordwestlich des
Sees Jezerul Natuele aufgeben müssen. Er liegt nur noch
knapp 5 Kilometer vom Sereth und damit auch von den
Umwallungen der Feste Ealatz entfernt. Dort hinein don-
nerten die schweren Geschütze sowohl vom westlichen als
auch vom östlichen Ufer der Donau.
Eine türkische Division drang in diesem Raume vor und
entriß den Feinden am 12. Januar Mihalea nordwestlich
von Braila; von der russischen Besatzung wurden 400 Mann
gefangen, der Rest ertrank auf dem Rückzug im Sereth oder
wurde niedergemacht. Unter der Beute, die sich vorfand,
waren auch 10 Maschinengewehre. Ein weiterer Erfolg
wurde den Türken am 14. Januar durch die Eroberung des
stark befestigten Ortes Vadeni zuteil, des letzten auf dem
südlichen Serethufer, in dem sich die Gegner bisher noch
gehalten hatten. Um den Ort zurückzugewinnen, schickten
die Russen erhebliche Kräfte ins Treffen, vor denen die
Türken am 16. Januar Vadeni wieder räumten und ihre
vorgeschobenen Posten auf die Hauptlinie zurücknahmen.
AIs die Russen nun auch
über Vadeni hinaus ge-
gen La Burtea weiter
vordringen wollten, er-
hielten sie so schweres
Artilleriefeuer, daß sie
sehr bald von ihrem Vor-
haben Abstand nahmen.
* *
*
Während am Sereth
auf beiden Seiten Vor-
kehrungen zu neuen gro-
ßen Handlungen getrof-
fenwurden und die Geg-
ner auch auf dem west-
lichen Kriegschauplatz mit
ganzer Kraft rüsteten,
bereiteten sich die Ita-
liener ebenfalls auf wei-
tere Anstürme vor. Sie
füllten ihre am Jsonzo
geschlagenen Divisionen
auf und führten zahl-
reiche neue Truppenver-
bände an die Front.
Sobald das Wetter die
Aussicht auf günstige
Schußwirkung eröffnete,
begann auch die italie-
nische Artillerie ihre
Tätigkeit und legte ihr
Feuer nicht nur auf die
vordersten Stellungen der Österreicher und Ungarn (stehe
nebenstehendes Bild), sondern auch auf deren rückwär-
tige Verbindungen. Reue Geschütze, auch schwerste Ka-
liber, wurden dazu immer noch herbeigeschafft und auf-
gestellt (siehe Bild Seite 139), ebenso trafen Flugzeuge in
sehr großer Zahl ein. Die Brenta-, Etsch- und Polinie
sicherten die Italiener durch mächtige Erdbefestigungen
gegen alle etwaigen Zufälle und stellten das nötige rol-
lende Material für riesige Militärtransporte bereit. So
arbeiteten sie unausgesetzt an der Verstärkung ihrer Linien
und der Vervollkommnung ihres Heeres.
Die Österreicher und Ungarn blieben nicht müßig. Am
14. Januar sprengten sie am Großen Lagazuoi in den Dolo-
miten das Felsband an der Südwand zwischen der eigenen
und der feindlichen Stellung ab und schafften so zur Siche-
rung eine breite Kluft zwischen sich und dem Feinde.
Im nördlichen Abschnitt der Karstfront waren die
k. u. k. Streitkräfte trotz häufiger Lawinengefahr (siehe Bild
Seite 140/141) in emsiger Aufklärungstätigkeit und brachten
am 18. Januar von erfolgreichen Streifzügen 4 Offiziere.
120 Mann und 1 Maschinengewehr aus den vorderen
italienischen Stellungen zurück. Sie zeigten damit deutlich,
daß auch sie gewappnet waren und dem Feinde einen
heißen Empfang bereiten würden, falls es ihn gelüsten
sollte, einen neuen Waffengang mit ihnen zu wagen.
(Fortsetzung lolgt.j
Illustrierte Kriegsberichte
Deutschlands Weltstellung und der Friede.
Von Dr. Paul Rohrbach
Die deutsche Regierung hat in ihren: Rundschreiben an
die Neutralen vom 11. Januar 1917 über die Ablehnung
des Friedensangebotes durch den Vierverband ohne Zweifel
das wirkungsvollste Aktenstück im bisherigen Verlaufe des
Krieges veröffentlicht. Es heißt darin:
„Die Mittelmächte haben keinen Anlaß, erneut auf
Auseinandersetzungen über den Ursprung des Weltkrieges
einzugehen. Die Geschichte wird urteilen, wen die un-
geheure Schuld an dem Kriege trifft. Ihr Wahrspruch wird
ebensowenig über die Einkreisungspolitik Englands, die
Revanchepolitik Frankreichs, das Streben Rußlands nach
Konstantinopel hinweggehen, wie über die Aufwieglung Ser-
biens, den Mord in Serajewo und die Gesamtmobilmachung
Rußlands, die den Krieg gegen Deutschland bedeutete."
Mer die hier aufgezählten Tatsachen ist für das vorurteils-
losepolitische Urteil ein Streit nicht mehr möglich. Beginnen
wir mit der Einkreisungspolitik Englands, so bedürfen wir,
wenn wirklich jemand auf nichts anderes als auf das Zeug-
nis unserer jetzigen Feinde hören will, keiner überzeugen-
deren Belege, als der belgischen Eesandtschaftsberichte.
Graf Lalaing, der belgische Gesandte in London, berichtete
schon am 24. Mai 1907 an seine vorgesetzten Minister: „Es
ist klar, daß das amtliche England im stillen eine Deutsch-
land feindliche Politik befolgt, die auf eine Isolierung
Deutschlands hinzielt, und daß König Eduard es nicht ver-
schmäht hat, seinen persönlichen Einfluß in den Dienst dieser
Idee zu stellen." Ebenso heißt es in dem Bericht des bel-
gischen Gesandten in Berlin, Baron Ereindl, vom 13. Fe-
bruar 1909, als Eduard VII. nach Deutschland gekommen
war: „Der König von England versichert, daß die Erhaltung
des Friedens immer das Ziel seiner Bemühungen gewesen
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
139
sei; das hat er seit Beginn des erfolgreichen diplomatischen
Feldzugs immer gesagt, den er durchgeführt hat, um Deutsch-
land zu isolieren; aber es kann niemand entgehen, daß der
Weltfrieden niemals ernstlicher bedroht war, als seitdem der
König von England sich damit befaßt, ihn 311 festigen." Bei
dieser Art von englischer Politik ist es auch während der
Jahre zwischen dem Tode König Eduards und dem Ans-
bruch des Weltkrieges geblieben.
Aber Frankreichs Politik, die ständige Weigerung der
Franzosen, das Ergebnis des Frankfurter Friedens von 1871
anzuerkennen, die öffentliche Verkündigung ihres Ideals,
einen Rachekrieg gegen Deutschland zu führen, durch mehr
als vierzig Jahre hindurch, braucht wirklich kein Wort weiter
verloren zu werden. Ebenso steht es mit dem russischen
Streben nach Konstantinopel, nur daß wir, zu allem übrigen
noch, hier ein ganz kurz vor dem Kriege geschriebenes Doku-
ment von entscheidender Beweiskraft für den russischen
Kriegswillen besitzen. Es ist der berühmt gewordene Brief
des Professors Mitrofanow an den Berliner Historiker Hans
Delbrück im Maiheft der „Preußischen Jahrbücher" von 1914,
in dem es heißt: „Zwei Drittel der russischen Getreideausfuhr
gehen durch die türkischen Meerengen; stockt diese Ausfuhr,
so kann Rußland nicht mehr seinen Zahlungsverpflichtungen
nachkommen; nur der Besitz des Bosporus und der Darda-
nellen kann diesem unerträglichen Zustand ein Ende be-
reiten; ebenso kann Rußland sich gegenüber den Slawen
auf der Balkanhalbinsel nicht gleichgültig verhalten; der
Drang nach Süden ist für Rußland eine historische, politische
und ökonomische Notwendigkeit, und der fremde Staat,
der sich diesem Drange widersetzt, ist eo ipso ein feindlicher
Staat!"
In diesen Worten Mitrofanows ist die russische Ent-
schlossenheit, den Weltkrieg um Konstantinopel, der Meer-
engen und der Vorherrschaft auf dem Balkan willen zu ent-
zünden, so klar wie möglich enthalten. Es ist nicht ein
einzelner Russe» der hier spricht» sondern es ist die russische
Politik selbst. Kaum war der Krieg entbrannt, so hörten
wir ja auch aus amtlichem russischem Munde das Ziel:
Konstantinopel und die Meerengen, verkünden. Richt anders
steht es mit der Aufreizung Serbiens. Wir brauchen darüber
nur den langjährigen Vertrauten des russischen Ministers
des Äußeren Ssasonow, den Dumaabgeordneten, Professor,
Herausgeber der Zeitung Rjetsch und Vorsitzenden der so-
genannten Kadettenpartei, Miljukow, zu hören. Es gibt
keine befugtere Persönlichkeit als diesen, um uns das Wesen
und die Ziele der russisch-serbischen Politik klarzrnnachen.
Was schreibt Miljukow in dern „Jahrbuch" seiner Zeitung
Seite 17 und folgende? Er schreibt: „In Serbien fiel 1903 die
Dynastie Obrenowiisch als Mörderopfer. Ihre Stelle nahm
die alte Dynastie Karageorgiewitfch ein, die Serbiens Steuer
scharf von der österreichischen auf die russische Seite herum-
warf, in der Hoffnung, von Rußland die nationale Einigung
und Unabhängigkeit zu erringen." Bald danach heißt es
bei der Einverleibung Bosniens durch Österreich-Ungarn:
„Serbien sähe hierin mit Recht den Umsturz seines nationalen
Ideals, der Vereinigung des ganzen serbischen Volkes in
ein ,Groß-Serbieiü. Natürlich erwartete es bei dieser Ge-
legenheit die erste ernstliche Probe der Unterstützung von
Rußland ... Serbien stand vor der Frage, ob es seine
nationale Einigung innerhalb oder außerhalb der Grenzen
der habsburgischen Monarchie erlangen solle, das heißt,
entweder mit Hilfe Rußlands oder durch Unterwerfung
unter -Österreich."
Deutlicher kann man sich wohl nicht ausdrücken, wenn
man den Weg, der zum Fürstenmord von Serajewo und
zum Eintreten Rußlands für den Mörderstaat Serbien
führte, so sicher wie möglich im voraus bezeichnen will.
Serbien sollte Rußlands Werkzeug sein, um Österreich-
Ungarn zu Zertrümmern und die russische Herrschaft auf dem
Wege über die ohnmächtigen „Schutzstaaten" am Balkan bis
ans Adriatische Meer und an den Fuß der Ostalpen vor-
zuschieben. Dazu Konstantinopel, die Meerengen, Arme-
nien und ein kleineres oder größeres Stück von Klein-
asien, und Rußlands Wünsche wären — vorläufig — viel-
leicht befriedigt gewesen. Die von Lloyd George und Erey
bis zum Überdruß wiederholte Redensart von der euro-
»päischen Konferenz, auf der die serbische Sache hätte ge-
schlichtet werden können, ist töricht oder unaufrichtig, wenn
sie dazu dienen soll, Deutschland die Schuld am Kriege
aufzubürden. Rußland wäre natürlich mit Vergnügen auf
die Konferenz gegangen, um unterdessen weiter zu rüsten,
mit dem Ziel, das uns Miljukow bezeichnet: Serbien seine
„nationale Einigung", das heißt die Losreißung von Bos-
nien, Dalmatien, Kroatien und Südungarn von der Donau-
monarchie mit russischer Hilfe, zu sichern. Rußland wollte
den Krieg. Was antwortete unser Botschafter in Petersburg,
Graf Pourtales, auf die Frage des Ministers Ssasonow,
Mobilmachung sei doch auch in Deutschland noch nicht gleich-
Aufstellung eines schweren italienischen Marinegeschützes an der italienisch-österreichischen Front.
Nach einer italienischen Darstellung.
140
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
141
Lawinengefahr im Hochgebirge.
Nach einer Originalzeichnung von Fritz van der Venne.
bedeutend mit Krieg? Er antwortete:
die Mobilmachung sei für Deutschland
eine so einschneidende Maßregel, daß sie
erst im letzten Augenblick ausgesprochen
werde, wenn der Krieg unvermeidlich
erscheine, das heißt, wenn die Sicher-
heit des Reiches ernstlich bedroht sei.
„Unsere geographische Lage mit ihren
zwei zu verteidigenden Fronten zwingt
uns bei lebensgefährlicher Bedrohung 511
raschem Handeln!" Klarer und eindring-
licher konnte Rußland nicht gewarnt wer-
den; es machte trotzdem seine gesamten
Stzreitkräfte mobil und entfesselte damit
den Weltkrieg..
Will man eine überzeugende Antwort
auf die Frage haben, wer für den Krieg
verantwortlich ist, so braucht man nur die
politischen Ziele, die bei den jetzigen
Bundesgenossen gegen Deutschland schon
lange vor dem Kriege verkündet wurden,
mit denjenigen zu vergleichen, die jetzt
amtlich als die Kriegsziele des Vierver-
bands bekannt gemacht worden sind. Es
ergibt sich eine vollkommene Übereinstim-
mung. In Frankreich verlangte man
Elsaß-Lothringen, in Rußland Konstanti-
nopel und was dazu gehört, und in Eng-
land die Beseitigung der „deutschen Ge-
fahr"; von diesen Dingen hallte die fran-
zösische, russische und englische Presse seit
Jahrzehnten wider. Nun wohl, eben diese
Wünsche werden vom Ausbruch des Krie-
ges an bis heute als das Friedenspro-
gramm des Vierverbands verkündet. Wer
hat sich also aufgemacht, um mit Gewalt
eine Änderung des bestehenden Zustandes
in Europa zu erlangen?
Wem zum Nutzen, so fragt man nach
der alten römischen Rechtsregel, wenn
die Schuld an einer begangenen Tat
festgestellt werden soll. Die Antwort hier
ist, wie wir sehen, einfach und schlagend:
was unsere Feinde vorher lange begehrt
haben, eben das, so verkünden sie laut in
alle Welt hinaus, soll ihnen dieser Krieg
bringen!
Er soll es, sicher; ob er es wird, ist
eine andere Frage. In St. Petersburg,
in London, in Paris und in Rom hat
man die Unabänderlichleit des Entschlus-
ses, den Krieg fortzusetzen, verkündet.
In allen vier feindlichen Hauptländern
aber mischen sich in den Kriegsfanatismus
Stimmen, die, wenn auch keine Friedens-
bereitschaft im Sinne der Menschlichkeit
und Gerechtigkeit, so doch allerlei Be-
denken über den Ausgang widerspiegeln.
Das Rundschreiben der deutschen Regie-
rung vom 11. Januar verkündet zugleich
die gerechte Sache Deutschlands, die
Mäßigung des deutschen Willens nach
zweieinhalb Jahren schweren , aller Tin
ganzen siegreichen Kampfes, und den un-
erschütterlichen Anspruch Deutschlands auf
eine Weltstellung, wie es dem kultiviertesten,
größten und zahlreichsten in sich geschlosse-
nen Volke Europas gehört. Nirgends zwischen dem Atlan-
tischen Ozean, dem Ural und dem Kaukasus gibt es noch ein-
mal 65 Millionen Menschen eines Stammes, einer Sprache,
eines Willens, die auf so viele und so große Leistungen ihrer
selbst und ihrer Vorfahren für die Entwicklung der mensch-
lichen Kultur Zurückschauen können,- wie die Deutschen.
Wir haben schon bei früheren Erlesenheiten darauf auf-
merksam gemacht, daß weiterblickende Politiker auch auf
der feindlichen, namentlich der englischen Seite es offen
eingestehen: bisher hat Deutschland mit seinen Bundes-
genossen gesiegt. Vor allen Dingen sei an einen so be-
deutenden Mann wie den Herausgeber des „Observer"
und anderer Blätter in England, Earvin, erinnert, der ge-
sagt hat, der Vierverband sei so lange der besiegte Teil, wie
Deutschland im Verein mit dem übrigen Mitteleuropa die
Verbindung mit dem Orient behauptet. Earvin hielt seinen
Aufsehen erregenden Vortrag in der Kolonialgesellschaft
in London im Sommer 1916; Anfang Januar 1917 lasen
wir in einem anderen englischen Blatt von Bedeutung, dem
„New Statesman", über Deutschlands Weltstellung und die
Frage, des Friedenschlusses unter diesem Gesichtspunkt die
folgenden, lebhaft an Earvin erinnernden Ausführungen:
1. Der Krieg im Westen hat deutlich erkennen lassen, daß der
Besitz eines überwältigend großen.Angriffsheeres die einzige Form
militärischer Vorbereitungen ist, die Wert hat. Die Nation, die das
größte Heer innerhalb der möglichst kürzesten Zeit nach der Kriegs-
erklärung oder besser noch vor der Kriegserklärung mobilisieren kann,
braucht lediglich in das feindliche Gebiet einzurücken und sich dann
einzugraben. Wenn dies geschehen ist, so hat das angegriffene Land
keine andere Wahl mehr als einen Erschöpfungskrieg, der wahr-
sckninlich verschiedene Jahre dauert, zu führen, oder sich als ge-
schlagen zu bekennen und Frieden auf Grund der Bedingungen des
Angreifenden zu machen.
t 2. Der Krieg im Osten hat deutlich gezeigt, daß Rußland, wenn-
gleich noch immer unbesiegbar, keine Militärmacht ersten Ranges
ist, wenn es nicht durch Verbündete unterstützt wird, und daß es
mindestens während der Dauer von zwei Generationen auch nicht
zu solcher Militärmacht werden kann.
Infolgedessen kann Deutschland auch nicht länger im Zaum
gehalten werden durch die Furcht vor den „russischen Horden".
3. Der Krieg Im Südosten hat bewiesen,
daß Frankreich und England nicht mit Deutsch-
land auf dem Balkan wetteifern unb nicht
unmittelbar wirksam eingreifen können, da
Deutschland einen natürlichen Vorteil in seinen
guten Landverbindungen von Berlin nach dem
Bosporus besitzt.
4. Der Krieg hat gezeigt, daß Deutschland
ein viel kräftigerer Militärstaat ist, als wir
vermutet hatten, und vielleicht sogar als
Deutschland selbst glaubte, und daß die Va-
sallenvölker im Kampfe im allgemeinen zuver-
lässig sirch, wenngleich die aus diesen Vasallen-
völkern gebildeten Regimenter nicht so wertvoll
sind wie die deutschen Regimenter, und daß sie
sich unter deutscher Führung ausgezeichnet
schlagen.
5. Es muß die Tatsache festgestellt werden,
daß der Glaube an Deutschlands Macht im
Kriege sich in ganz Südosteuropa außerordent-
lich verstärkt hat. Diese Tatsache wird die Lage
Europas beherrschen, solange die militärische
Kraft Deutschlands ungebrochen bleibt, und
das ist es, was die Verbündeten meinten,
wenn sie erklärten, daß sie nicht für Kriegsziele
kämpfen, sondern für den Sieg. Man ver-
gegenwärtige sich nur, was diese Tatsachen be-
deuten. Angenommen, daß Deutschland jetzt
bereit wäre, Frankreich und Belgien zu räumen
und diesen beiden Ländern eine Schadenver-
gütung zu bezahlen, ferner Russisch-Polen,
die baltischen Provinzen und Serbien zu
räumen, und angenommen, daß Österreich be-
reit wäre, das Trentino an Italien abzutreten,
endlich angenommen, daß Deutschland sogar
bereit sei, Elsaß-Lothringen mit Frankreich zu
teilen, Triest Italien zuzugestehen und von
der Rückgabe einiger Kolonien abzustehen, so
sind das Bedingungen, die naturgemäß weit
über das hinausgehen, was Deutschland zu
bieten gedenkt; aber selbst dann würde Deutsch-
land zweifelsohne den Krieg gewonnen haben,
denn es würde in Wirklichkeit der Herrscher des
europäischen Festlands sein, ohne daß die Mög-
lichkeit bestände, daß ihm diese Oberherrschaft
bestritten würde. Befreit von der Furcht vor
den russischen Millionen, und an der Westgrenze
durch ein Laufgrabensystem geschützt, würde
sein Wort Gesetz werden von der Nordsee
bis zum Schwarzen Meere. Mitteleuropa könnte
ebenso sicher und bequem gegründet werden,
wie das Deutsche Kaiserreich nach dem Krieg
von 1870, und nichts könnte seine Ausdehnung
über den Balkan nach El Arisch und nach
Bagdad verhindern: denn die kleinen Balkan-
staaten haben wohl gelernt, Berlin keinen Wi-
derstand zu bieten und erfahren, daß die-
jenigen, die dennoch Widerstand leisten, keine
Hilfe finden. Die Türkei aber kann ihre Eri-
stenz nicht sichern ohne die gnädige Gunst
Deutschlands. Mit einer solchen strategischen
Lage und derartigen Hilfsmitteln wird Deutsch-
land imstande sein, während der nächsten zehn
Jahre nicht der Welt, wohl aber Europa die
Gesetze vorzuschreiben. Großbritannien wird
unabhängig und ziemlich sicher bleiben; die ent-
blößte ägyptische Grenze könnte verstärkt wer-
den. Aber das übrige Europa würde der Gnade
Deutschlands überliefert werden. Wie würde
es dann den kleinen Staaten ergehen, und wie
lange würde es dauern, bis Deutschland be-
schließen würde, diese Länder, die es als seine
natürliche Grenze ansieht, zu besehen?
Man sieht, daß diese Darlegung offen-
sichtlich übertrieben ist. Niemand in Deutschland oder sonst
in der Welt wird so kindlich sein, daß er einen Frieden unter
solchen Bedingungen, wie sie der „New Statesman" an-
nimmt, als einen deutschen Erfolg betrachtet. Der „New
Statesman" aber zeigt uns die Tiefe der englischen Besorg-
nis vor unserer.Zukunftsweltstellung nach dem Kriege. Er
zeigt uns, was England vor allen Dingen fürchtet, und was
es darum um jeden Preis zu verhindern sich bemüht: die
dauernde Verbindung Deutschlands mit dem Orient. Der
Orient soll Englands Machtgebiet bleiben. Die Engländer
unterscheiden den „nahen" und den „mittleren" Osten. Der
erstere reicht vom Balkan bis Suez, der andere von Suez
bis Singapore. Bleibt der nahe Orient mit Mitteleuropa
142
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1014/17
verbündet, so sind auch die Länder, die dahinterliegen,
das eigentliche Machtgebiet Englands rings um den In-
dischen Ozean, für England nicht mehr sicher. So fürchtet
nian, und diese Furcht wird in der englischen öffentlichen
Meinung immer mächtiger.
Die Neutralität der Schweiz.
Von Oberst Egli.
(Hierzu die Bilder Seite 142 und 143.)
Seit dem Eingreifen Italiens in den Weltkrieg ist die
Schweiz ringsum von kriegführenden Staaten umgeben,
sie ist also als Binnenland vollständig von den anderen neu-
tralen Staaten abgeschlossen. Ihr Auslandverkehr ist aber
eine Lebensbedingung für sie, denn ihr Boden liefert ihr
weder die notwendigsten Nahrungsmittel in genügender
Menge, noch die Rohstoffe, deren ihre stark entwickelte In-
dustrie bedarf. Freie Ein- und Ausfuhr sind deshalb für die
Schweiz in viel größerem Umfange notwendig, als für die
meisten anderen Staaten. Erschwert wird ihre wirtschaft-
liche Lage noch dadurch, daß ihre Bedürfnisse nicht von einer
der kriegführenden Parteien allein befriedigt werden können:
aus Deutschland kommen Kohlen und Eisen, die von den
Vierverbandsmächten nicht einmal für sich selbst in aus-
reichendem Maße zutage geschafft werden können, während
Brotfrucht, Baumwolle und anderes unter den heutigen
Verhältnissen über See
durch Frankreich und Ita-
lien herangeführt wer-
den müssen. Unter der
von den Westmüchten
versuchten Blockade hat
naturgemäß auch die
Schweiz stark zu leiden.
Es war ein langer Kampf
der eidgenössischen Negie-
rung, bis sie endlich doch
den S.S.S.-Vertrag un-
terzeichnen mußte, der
die Ausfuhr nach Deutsch-
land und Österreich-Un-
garn unter strenge Kon-
trolle stellte. Das eine
wenigstens konnte geret-
tet werden, daß nur
schweizerische Beamte
di.sen Dienst versehen
und daß keine Ausländer
dabei mitwirken, wie das
in anderen neutralen
Ländern derFall ist, trotz-
dem sie sich am Meere in besserer Lage befinden als die kleine
Schweiz in der Mitte Europas. Die Verschiedenartigkeit der
Behandlung durch die Kriegführenden geht am besten hervor
aus dem Auslandverkehr der Post. Während die nach Holland,
Dänemark, Schweden und Norwegen bestimmte schweizerische
Post Deutschland ungeöffnet rasch durchfährt, werden die
nach anderen neutralen Ländern durch die Verbandstaaten
geleiteten schweizerischen Briefe trotz aller Verträge, manch-
mal sogar mehrfach, streng zensiert. Das von- einzelnen
Preßorgänen, namentlich in Frankreich, geschürte Mißtrauen
gegen die Schweiz ist um so weniger gerechtfertigt, als nicht
nur die eidgenössische Regierung, sondern auch die große
Masse des Volkes ehrliche Neutralität halten will. Diese ist
viel älter, als der Wiener Vertrag von 1815, der sie samt der
Unverletzlichkeit des schweizerischen Gebietes feierlich ver-
bürgte. .Schon lange vorher standen die Eidgenossen auf
dem Standpunkte, sich in die Händel der Großen nicht ein-
zumischen, und wenn sie dennoch hineingezogen wurden, so
geschah das wider den Willen des Bundes. Man wußte in
der Schweiz aus Erfahrung, und hat es auch heute noch nicht
vergesse,y, daß die Freiheit und Selbständigkeit eines von
Großmächten umgebenen Kleinstaates nur dann erhalten
bleibt, wenn er sich fern hält von allem, was ihn in einen
Streit hineinziehen kann. Wie teuer Kleinstaaten die Eier
nach fremdem Land unter Umständen bezahlen müssen, das
haben zu ihrem Schaden Serbien, Montenegro und zuletzt
Rumänien zur Genüge erfahren. Der Sucht nach Erobe-
rung steht aber auch der schon lange gepflegte Staatsgedanke
der Schweiz entgegen: sie ist eine Eidgenossenschaft von
gleichberechtigten Gliedern, die keine Untertanenverhältnisse
und Vogteicn mehr kennt, wie sie in früheren Jahrhunderten
bestanden. Ein Eidgenosse wird aber weder durch Waffen-
gewalt erobert, noch druck) diplonratische Winkelzüge ge-
zwungerr denr Brnrde beizutreten. Auch die Verschieden-
heiten der Sprache und Religion schließen Vergrößerungs-
bestrebungen aus, weil jeder Zuwachs das in harten poli-
tischen Verwicklungen und im Bürgerkrieg erkämpfte Gleich-
gewicht stören würde. Die deutsche Mehrheit des Schweizer-
volkes läßt jeden reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist,
und jeden nach seiner Art selig werden; sie duldet aber
selbst auch keinen Zwang. Und darin liegt eine bessere und
stärkere Bürgschaft für die Wahrhaftigkeit der schweizerischen
Neutralität, als in allen Verträgen. Das schließt die Sym-
pathie des Einzelnen für den einen oder den anderen der
Kriegführenden nicht aus, denn die Bande der Kultur, der
Freundschaft und Verwandtschaft zu den Nachbarn sind
zahlreich und stark. Sobald aber Kundgebungen der Hin-
neigung so laut und groß werden, daß sie die guten Be-
ziehungen zu einem der Rachbarn stören könnten, so gibt
die Masse des Volkes unzweideutig zu verstehen, daß sie das
nicht will. Wie das in der Natur der Rassen liegt, ist die
„welsche", das ist die in französischer und italienischer Sprache
erscheinende Presse der Schweiz viel lauter und lebhafter
Partei, als die in deutscher Sprache gedruckten Blätter, weil
eben die der deutschen Art entsprechende Zurückhaltung im
Urteil und der Wunsch,
gerecht zu sein, ganz von
selbst zu einer maßvollen
Sprache führen.
Manchem indenkrieg-
führenden Staaten Le-
benden mag es vorkom-
men, als ob der Neutrale
um vieles besser daran
sei, als der Kriegfüh-
rende. Und viele, die
durch unser Land reisen,
werden finden, daß es an
nichts mangle. Bis zu
einem gewissen Grade ist
das auch richtig» denn es
fehlen vor allem die
großen Blutopfer, die die
Kriegführenden ihrem
Vaterlandebringen. Und
doch leiden auch die Neu-
tralen schwer unter dem
Kriege; sie empfinden
vielleicht manches noch
mehr als die Kriegführen-
den, denn ihnen fehlt sowohl der unmittelbare Feind als auch
das große Ziel; sie haben nur zu dulden und nicht zu kämpfen,
um etwas Großes zu erreichen oder doch zu erhalten und vor
erkennbaren Gegnern zu schützen. Seit Anfang des Krieges
steht die schweizerische Armee ganz oder zum großen Teil an
der Grenze zur Sicherung des Landes. Jeder Soldat wird
verstehen, was das heißt, monatelang, jahrelang nichts an-
deres tun können als warten und warten, bis etwa der eine
oder andere der Kriegführenden am Ende doch noch über die
Grenze getrieben wird, sei es durch seine Gegner oder durch
den eigenen Willen, um durch neutrales Land die feindliche
Front zu umgehen. Es sind gute Leute und gute Führer
nötig, wenn ein Heer bei diesem Kriegsdienste, der aber doch
kein Krieg ist, nicht Schaden leiden soll. Das Land seufzt
unterdessen unter der steigenden Last der Militärausgaben.
Der Neutrale hat keine Aussicht, daß er die vielen Hunderte
von Millionen, die ihm die Bewachung seiner Grenze kostete»
irgendwie wieder einbringen kann. Sie sind für immer dahin.
Allerdings erreichen die Ausgaben nicht die gewaltige Höhe
derjenigen der Kriegführenden; im Vergleich zu den wirt-
schaftlichen Hilfsquellen des Landes sind sie aber doch sehr hoch.
Es sind aber noch andere Lasten, welche die Schweiz seit
dem Kriege zu tragen hat. Die Teuerung und in einzelnen
Berufen die Arbeitslosigkeit werden immer fühlbarer und
drückender. Doch halten diese die Bevölkerung nicht ab,
zu suchen, die Leiden der Kriegführenden zu mildern so viel
wie in ihren Kräften steht. Seit dem Juli 1914 sind Tausende
und aber Tausende von Flüchtlingen durch die Schweiz ge-
zogen und haben zum Teil ein Asyl auf Kriegsdauer ge-
Phot...Franz Otto Koch, Berlin.
Soldaten der schweizerischen Armee mit Probehelmen aus Stahl, wie solche auch
bei der eidgenössischen Armee eingeführt werden sollen.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
143
funden. Das Elend des
Krieges istdein Lande bei
dem Austausch der
Schwerverwundeten und
bei der Durchreise der
Abschübe der Zivilbevöl-
kerung vor Augen ge-
führt worden. Viele Tau-
send e v on kranken Krie gs-
gefangenen beider Par-
teien suchen und finden in
der Schweiz Gesundheit
und neue Kraft. Alle
diese Opfer des Krieges
haben in der Schweiz
ohne Rücksicht auf ihre
Herkunft in allen Landes-
teilen freundlichen Emp-
fang und tatkräftige
Hilfe gefunden. Das soll
nicht gesagt sein, um sich
dessen zu rühmen, son-
dern um die Auffassung
der wahren Neutralität
zu zeigen, die unter-
schiedslos allen unter der
Weltkatastrophe Leiden-
den helfen möchte.
Auch die Aufgaben
der amtlichen Schweiz
haben sich in dem Kriege vermehrt und vergrößert, nicht
nur durch die Sorge für das eigene Land, sondern auch
durch die Vermittlung des gewaltigen Verkehrs der Kriegs-
gefangenen und die diplomatische Vertretung einzelner
kriegführender Staaten. So sorgt die Schweiz für die deut-
schen Interessen in Rom und für die italienischen in Berlin.
Noch ist kein Ende des Krieges abzusehen und noch weiß
man nicht, welche neuen Forderungen an die Neutralen her-
antreten können. Auch ist es nicht ausgeschlossen, daß trotz
der feierlichen Zusicherungen aller Kriegführenden und trotz
des eigenen festen Willens, neutral zu bleiben, der Zwang
der Verhältnisse stärker wird und die Schweiz doch noch in
den Strudel hineingerissen wird.
Sollte dieser, allerdings unwahrscheinliche Fall ein-
treten, so ist das ganze Volk fest entschlossen, seine Pflicht
zu tun und die Unverletzlichkeit seiner Grenzen und seiner
Staatseinrichtungen bis zum Äußersten zu verteidigen.
Valuta.
Von Dr. H. Friedemann.
Die Frage nach der
Valuta ist eine Friedens-
frage. Solange der Krieg
als Möglichkeit in der
Ferne stand, rechneten die
Wirts chaftsthe oretiker
mit den Geldmitteln der
Staaten wie mit einer
gegebenen Größe, einem
Kriegschatz vergleichbar,
der in bestimmter und
zwar ziemlich kurzer Zeit
erschöpft sein müsse. Wäh-
rend der Dauer des Krie-
ges hat sich gezeigt, daß
zumindest ein Volk, das,
wie das deutsche» nur we-
nig Kriegs- und Lebens-
bedarf vom Ausland be-
zieht, nicht sein Geld,
sondern seine Arbeit ver-
ausgabt. Der Staat
nimmt Zeit und Arbeits-
kraft der Volksangehöri-
gen in wachsendem Um-
fang in Anspruch — und
bezahlt sie aus Anleihen,
die ihm ebenfalls die Na-
tion zur Verfügung stellt.
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges.m. b..
Zu den verstärkten Sicherheitsmaßnahmen der Schweiz.
Fertiger Kehlgraben mit einem Berbrndungsgang, der in einen Stützpunkt einmündet.
Das bedeutet: das auf Landbesitz, Industrieanlagen, Nutzungs-
rechte, Schuldforderungen gegründete „Nationalvermögen"
verwandelt sich zum erheblichen Teil in buchmäßige Guthaben
der Anleihezeichner beim Deutschen Reich; ein Besitz, dessen
Zinsen die Anleihegläubiger, in ihrer Eigenschaft als Steuer-
zahler, freilich aus der eigenen Tasche aufbringen müssen.
Rechnerisch also nimmt das Privatvermögen trotz der
riesigen Kriegsausgaben nicht ab; es nimmt sogar zu. Aber
es hat seinen inneren Wert verändert. Ist der Besitz des
deutschen Volkes an werteschaffenden Gütern geringer ge-
worden, während der gleiche Besitz, in Geld berechnet, nicht
kleiner, oder sogar noch größer geworden ist, so muß dieser
Widerspruch sich irgendwie ausdrücken. Sein praktischer
Ausdruck aber ist die Teuerung.
Alle Güter, deren Erzeugung durch den Krieg gehemmt
oder völlig unterbunden ist, alle Leistungen, die von einer
vergleichsweise geringen Zahl von Menschen ausgeführt
Zu den verstärkten Sicherheitsmaßnahmen der Schweiz.
Beobnchtnngstand mit groben Fernsichtinstrnmenten.
Phot. Berl. Jllnsirat.-Ges. m. b. H.
144
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
werden müssen, sind teurer. Indem Staat und Volk ihren
Kriegsbedarf gut bezahlen, machen sie Schulden bei sich
selbst, und verhindern, daß die'Vermögeüsminderung un-
mittelbar zum Ausdruck kommt. Statt dessen wird das
rechnerische Vermögen sozusagen verdünnt, es ist weniger
wert, als es nach seiner ziffernmäßigen Höhe zu seiu scheint:
wir zahlen die Kosten des Krieges in Form von höheren
Preisen.
Mit der vermehrten Zahl der Wertzeichen, dem Noten-
umlauf, überhaupt dem „Geld" als solchem hat diese Ent-
wicklung nur streckenweise zu tun, das Wesentlichste ist, wie
gesagt, die Verteilung der Kriegsausgaben auf alle Kaufen-
den und Verbrauchenden, die verminderte Kraft des Gesamt-
vermögens als Kaufmittel.
Solange der Krieg fortdauert, und solange die deutsche
Volkswirtschaft in der Hauptsache auf sich selbst angewiesen
bleibt, wird die Frage der „Valuta" von diesen Verände-
rungen kaum berührt. Es ließe sich denken, daß das Reich
zwar weiterhin hohe Löhne und Preise zahlt, dafür aber
die Zinsen seiner Anleihen in Gestalt von außerordentlich
hohen mittelbaren Steuernein-
treibt. Dann sind die Privat-
vermögen groß, aber die Le-
benshaltung ist in entsprechen-
dem Maße verteuert. Oder das
Reich zieht gewaltige unmittel-
bare Steuern ein und setzt alle
von ihm abhängigen Arbeiten-
den, ähnlich den Soldaten, auf
niedrige Löhne; dann sinken
die Preise wieder, aber auch
die Vermögen und Einkommen
sinken auf den Betrag, den sie
nach Abzug der Kriegskosten
eigentlich haben müßten. Im
ersten Fall hätte die Geldein-
heit eine stark verminderte, im
zweiten die alte Kaufkraft. Wie
das Geld aussieht, ob die Wäh-
rungseinheit golden, silbern
oder papieren ist, kommt da-
bei so gut wie gar nicht in
Frage. Während seiner Dauer
läßt der Krieg einen festen
Wertmaßstab des Geldes ohne-
hin nicht aufkommen.
Darum ist die Frage nach
der Valuta eine Friedensfrage.
Der kriegführende Einzelstaat
mag den Ausgleich zwischen
Vermögen und Arbeit, zwischen
Kriegskosten und Lebenskosten
regeln, wie er will und kann.
Er darf die Lasten auf die
Verbraucher legen und dadurch,
bei rechnerisch unveränderter
Vermögenslage seiner Volks-
angehörigen, die Preise hochtreiben oder, durch hohe Be-
sitz- und Einkommensteuern, die Kaufkraft des Geldes
schonen. Im Verkehr mit dem Ausland, zumal mit dem
neutralgebliebenen, das diese Veränderungen nicht durchge-
macht hat, bedarf es des Maßstabes.
Dieser Maßstab war, bis zum jetzigen Krieg, für alle
Kulturstaaten das Gold. Innerhalb der einzelnen Volks-
wirtschaft entsprechen die auf Papiergeld gedruckten, auf
Scheidemünzen geprägten Wertangaben einer bestimmten
Eoldmenge und werden dadurch unter sich wie mit den
Wertzeichen anderer Länder vergleichbar. Die Vollwertig-
keit des Papiergelds beruht auf der Annahme, daß der Be-
sitzer dieses Geldes jederzeit in der Lage sei, es gegen den
vollen Eoldbetrag umzutauschen. Bestehen Zweifel an
der Zahlungsfähigkeit einer Staatsgemejnschaft, so äußern
sie sich, mit einer gewissen Willkür, als Zweifel an der Zu-
länglichkeit der Golddeckung; die Ungewißheit wird mit
soundsoviel Prozent Abzug in den Wert des Papiergelds
hineingerechnet: die „Valuta" sinkt.
Die Gepflogenheit, alles auf das Gold zu beziehen,
mußte zu einer Überschätzung des Goldes führen. Tat-
sächlich hatten die Gründe, die das Papiergeld des einen
Landes als vollwertig, des anderen als untcrwcrtig er-
Phot. A. Grohs, Berlin.
Generaloberst Freiherr v. Falkenhausen,
Führer einer Armeegruppe im Westen, erhielt in warmer Anerken-
nung seiner dem Vaterland geleisteten Dienste den hohen Orden vom
Schwarzen Adler.
scheinen ließen, mit der vorhandenen Eoldmenge nur wenig
zu tun; sie schienen mit ihr nur gleichbedeutend, weil, wie
nach einer stillschweigenden Übereinkunft, alles Vertrauen
oder Mißtrauen nach den Bruchteilen der „Golddeckung"
berechnet wurde. Bestand aber die Fähigkeit eines Staates,
jeden Wert in Gold auszuzahlen, schon in Friedenszeiten
nur zum Schein, so wird die Zeit nach dein Weltkrieg voll-
ends die Ohnmacht des Goldes, ein stets bereiter Gegenwert
zu sein, erweisen. Vor dem Krieg betrug die Verschuldung
aller währungsberechtigten Staaten der Erde etwa 170 Mil-
liarden; bis zum 1. Januar 1917 ist sie um wenigstens
260 Milliarden gewachsen. Rechnet man noch die schätzungs-
weise 70 Milliarden Wiederherstellungskosten hinzu, so wird
bis zum 1. April 1917 die tatsächliche Gesamtverschuldung
auf mindestens 500 Milliarden gestiegen sein. Dem steht
bestenfalls eine Eoldmenge von 30 bis 35 Milliarden
gegenüber.
Nun sind ja gewiß diese Ziffern nicht ohne weiteres ver-
gleichbar. Als sicher kann aber gelten, daß die „Deckung"
aller papiernen Wertzeichen durch Gold weit mehr als schon
vor dem Krieg ein nur ange-
nommener Wert sein wird, und
daß niemand die finanzielle
Vertrauenswürdigkeit eines
Staates nach dem Goldschatz
in seinen Bankgewölben wird
bemessen dürfen. Vorläufig
gibt man sich freilich den An-
schein, sie danach zu bemessen,
weil eben ein anderer gemein-
gültiger Maßstab nicht vorhan-
den ist. Aber auch jetzt schon
zeigt es sich, daß die Bewertung
des Papiergelds tatsächlich von
allem anderen mehr als von
der „Golddeckung" bestimmt
wird. Warum hat die deutsche
Papiermark in neutralen
Staaten allmählich 10, 20, zu-
letzt etwa 30 v. H. ihres Wertes
verloren? Warum gibt man
in der Schweiz für die Mark
kaum 90 Centimes, warum
muß der amerikanische Dollar
mit nahezu 6 Mark deutschen
Papiergeldes bezahlt werden?
Im Anfang des Krieges ver-
wahrte die deutsche Reichsbank
1250 Millionen Gold; seitdem
sind es 2500 Millionen ge-
worden. Die „Dritteldeckung"
konnte beibehalten werden;
obwohl die Reichsbank von der
gesetzlichen Befugnis, Kassen-
scheine als Deckungsmittel zu
benutzen, noch nicht einmal
Gebrauch machte. Dennoch
sank die deutsche „Valuta", nicht weil der Kredit des
Deutschen Reiches sich abschwächt, sondern weil der Be-
darf nach deutschen Zahlungsmitteln im Ausland ver-
gleichsweise gering ist, weil in den besetzten Gebieten
fremde, landesübliche Wertzeichen inehr als die unge-
wohnten deutschen begehrt werden, weil bis auf weiteres
der Wert der deutschen Einfuhr von den Verkäufern in
Goldwährung berechnet werden muß, in allem: aus handels-
technischen Gründen, nicht aber aus Gründen des Miß-
trauens wider die kriegerische und wirtschaftliche Kraft des
Deutschen Reiches.
Da Gold der gültige Maßstab noch ist und jedenfalls
für die erste Friedenszeit bleibt, müssen wir natürlich dafür
sorgen, daß man im Ausland auf das Vorhandensein eines
hinreichenden deutschen Goldschatzes vertraut und daß zu
den erwähnten Ursachen einer verhältnismäßig niedrigen
Valuta nicht diel des Goldmangels hinzukommt. Vor-
läufig besteht der Grundsatz: „Das Gold in der Reichsbank!"
zu Recht. Ob er später zu Recht bestehen wird, ist freilich
eine andere Frage. Denn die wirtschaftliche Leistungs-
und Zahlungsfähigkeit des Deutschen Reiches wird weder
durch die zufällige Begehrtheit gewisser Zahlungsmittel
noch durch die Größe des vorhandenen Goldhorts bestimmt.
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Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
(Fortsetzung.)
Arrilleriebeobachtunt
und Feuer!eitungstelli
Drahtlose Telegraphie
mit heruntergelassenem Mast
Einziger Schornstein,
alle Kessel haben Oelfauerung
Obers
Kommandobrücke
Kommandostand
-rnit40cm.Panzer
Untere
Kommandobrücke.
Hülfe. Geschiitzturm
mit 40cm Panzer
S~'ei35nmGesciiüte8. jedes
euertein Geschqs$von700Kg,
U. ßeschützturm'i \ -
mit 45cm Panzer, • ußjy
* ■ Drei 35cm Beschütze. MD
i, 45 Kaliber fang.
Riesige Schiffsladungen aus Amerika, wo Präsident Wil-
son unter dem Sirenengeheul der abfahrenden Munitions-
dampfer und der bewaffneten Handelschiffe neue Friedens-
kundgebungen vorbereitete, füllten während des Monates
Januar 1917 die gewaltigen Munitionsspeicher der Vier-
verbandsmächte an der Westfront neu auf. Neue schwere
Geschütze wurden in großen Mengen herbeigeschafft, und
für den Luftkrieg, den man in weit umfassenderer Weise als
bisher zu führen gedachte, stellte man alles Nötige bereit.
Die Franzosen wandten der Neuordnung der Führung
ganz besondere Aufmerksamkeit zu; der neue französische
Kriegsminister, General Liautey, setzte mit Entschiedenheit
seinen Willen in kurzer Zeit trotz aller Anfeindungen durch.
Nivelle war in Frankreich, Sarrail in Mazedonien selb-
ständig geworden» über ihnen stand nur der Kriegsminister.
Der Adjutant des Oberbefehlshabers Nivelle, General Hal-
louin, hatte im besonderen die Durchführung aller vor-
bereitenden Arbeiten für
die allgemeine Kriegfüh-
rung zu überwachen.
Der Druck der fran-
zösischen Regierung und
der öffentlichen Meinung
in Frankreich Zwang die
Engländer, ihren Front-
abschnitt immer mehr
nach Süden zu verlän-
gern, so daß ihre Linien
schließlich bis luden Raum
von Peronne hinein-
reichten. Dadurch war es
den Franzosen möglich
geworden, ihre Truppen
an allen anderen Ab-
schnitten wesentlich zu
verstärken und in großem
Umfange Reserven be-
reitzustellen. Sie sam-
melten besonders in der
Nähe der schweizerischen
Grenze große Streitkräfte
an, und General Foch
schlug sein Hauptquar-
tier in Besangwn auf.
Das rief in der Schweiz
große Beunruhigungher-
vor, die durch die Fran-
zosen noch erhöht wur-
de, indem sie die Be-
hauptung aufstellten,
ihre Truppenansamm-
lungen dienten nur dem
Zwecke, einem von
Deutschland beabsichtig-
ten Durchmarsch durch
schweizerisches Gebiet
wirksam entgegentreten
zu können. Es braucht
nicht besonders hervor-
gehoben zu werden, daß
eine solche Absicht im
deutschen Hauptquartier
nie bestanden hat. Erst
die von den Franzosen
ins Werk gesetzten Trup-
penvers chiebungen zwan-
gen die Deutschen, zu
ihrem Schutze Gegen-
maßnahmen zu treffen
und an der schweizeri-
schen Grenze ebenfalls
Streitkräfte zusammen-
zuziehen. Infolgedessen
lebte die Kampftätigkeit
im südlichen Elsaß, wo
sie eine Zeitlang geruht hatte, wieder auf. Dadurch stieg
die Erregung in der Schweiz so, daß die besorgte Regie-
rung sich veranlaßt sah, fast den ganzen noch nicht mobili-
sierten oder schon wieder beurlaubten Teil des schweize-
rischen Heeres unter die Fahnen zu rufen.
Zu bedeutsamen Zusammenstößen kam es aber vor-
läufig weder in der Nähe der schweizerischen Grenze noch
an anderen Punkten des westlichen Kriegschauplatzes. Da-
gegen waren auf der ganzen Front von den Alpen bis
an die See Vorstöße von Streiftruppen und größeren
Verbänden zu Aufklärungszwecken an der Tagesordnung.
Diese alltäglichen Ereignisse nahmen zuzeiten allerdings
größeren Umfang an, ohne jedoch mehr als örtliche Be-
deutung zu gewinnen. Am lebhaftesten wurde von den Geg-
nern auf dem nördlichen, dem englischen Teil der West-
front Fühlung gesucht. Zu Beginn des Monats setzten die
Deutschen Erkundungsabteilungen gegen die englischen
Eines der neuen amerikanischen Großkampfschiffe.
Der Über-Dreadnought „Nevada", ein Schiff von 27 500 Registertonnen Wasserverdrängung und mit einer Bestückung von
zehn 35-em-Geschützen. Die durch Ölseuerung betriebenen Turbinen entwickeln 25 000 Pferdekräfte und bewirken eine
Geschwindigkeit von 21 Knoten in der Stunde.
Nach einer englischen Darstellung
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 by Union Deutsche Berlagsgesellschaft in Stuttgart.
-Vl, Band, - - - _ .................... - 19
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
Am folgenden Tage richteten die Engländer auf die
nach ihrer M inung stark besetzten, von d«.n Deutschen aber
schon in der Nacht zum 13. Januar geräumten vordersten
Gräben bei Serre ein ungemein schweres Artillcriefeuer.
Unaufhörlich sausten die Granaten in die leere Stellung,
was deren vollkommene Einebnung Zur Folge hatte Als
die Engländer endlich glaubten, des Erfolges sicher zu sein,
stürmten sie gegen die Stellungstrümmer mutig vor, um
sie zu „erobern". Sie machten recht lange Gesichter, als
sie bemerkten, daß ihr Kampfeifer gar kein Feld zur Be-
tätigung fand und ihre teuren Granaten ganz unnötig ver-
schossen worden waren. Die deutsche Artillerie, die schon
lange auf das Erscheinen der Engländer gewartet hatte,
eröffnete jetzt plötzlich ihr Feuer, gegen das die „eroberten"
zerschossenen Gräben keinerlei Schutz gewährten. Die
Feinde erlitten infolgedessen sehr schwere Verluste und
mußten große Strecken des Vorfeldes wieder preisgeben.
Das war das Ergebnis dieses Stoßes ins Leere.
. Bis gegen das Ende des Monats unternahmen die Feinde
Gräben bei Vernnlles an und gingen auch im Raume von
Ppern vor. Die Engländer erwiderten um diese Zeit
deutsches Feuer an Ancre und Somme und versuchten
Feuerüberfälle gegen Neuve-Chapelle und Armentisres.
Am 4. Januar überfielen Teile des altenburgischen In-
fanterieregiments Nr. 153 mit Handgranaten die englischen
Gräben bei Loos, wobei sie am Ostrand des Ortes bis in
den vierten feindlichen Graben gelangten. Sie zerstörten
dort die Verteidigungsanlagen und brachten 51 Engländer
gefangen zurück.
Zwei Tage später griffen die Engländer mit starken
Kräften im Abschnitt Beaumont—Hamel an. Eine größere
Unternehmung planten sie aber erst am 10. Januar im
Ppernbogen bei Birschote. Dort brachen sie nach äußerst
schwerer Artillerievorbereitung unter großem Truppenauf-
wand auf einer Breite von 1200 Metern mit großer Wucht
vor und gelangten im ersten Anprall bis in den vordersten
deutschen Graben. Hier entwickelte sich aber ein erbitterter
Nahkampf, in dem die Engländer den kürzeren zogen.
Beförderung deutscher Truppen auf Kraftwagen zur Front im Westen-
noch manchen Angriff, doch auch die Deutschen blieben
nicht untätig. Am 26. Januar bekamen die belgischen
Truppen südwestlich von Dirmuiden eine neue Probe
von der Tatkraft ihrer Gegner, die dort ohne eigene Ver-
luste einen 10 Mann starken belgischen Posten aufhoben.
Engländer, die an demselben Tage am Kanal von La Bassöe,
südöstlich von Chilly und an anderen Punkten vorstießen,
wurden von den Deutschen blutig abgeschlagen. —
Auf dem von den Franzosen besetzten Frontabschnitt
gelang es am 2. Januar einer Abteilung des deutschen Land-
wehrinfanterieregiments Nr. 93, in die französischen Linien
am Priesterwalde einzudringen und den dritten feindlichen
Graben zu erreichen (siehe Bild Seite 149). An der
Combreshöhe konnten am 11. Januar deutsche Stoßtruppen
ebenfalls in die französischen Gräben eindringen, aus denen
sie ohne eigene Verluste 16 Feinde herausholten. Dabei
legten zwei Hannoveraner, ein Unteroffizier und ein Sol-
dat, Zeugnis von besonderer Kühnheit ab. Die zwei Deut-
schen hoben allein ein Franzosennest in einem Spreng-
trichter aus, das mit einem Unteroffizier und fünf Mann
besetzt war. Der deutsche Unteroffizier kehrte dann nach
dem Sprengtrichter zurück und erbeutete dort ein franzö-
sisches Maschinengewehr. In der Annahme, der Trichter
Eiligst suchten sie sich wieder in Sicherheit zu bringen.
Auch bei Fromelles stürzten nach einem Trommelfeuer
englische Stoßgruppen von mehreren hundert Mann gegen
die deutschen Gräben vor, konnten aber über die Zone
des deutschen Sperrfeuers nicht hinauskommen. In der
Gegend von Lens und Armentieres gelangten die Feinde
ebenfalls in den ersten deutschen Graben, aus dem sie
mit Handgranaten wieder vertrieben wurden. Nur gegen-
über Beaumont—Hamel konnten sie nach mühevollem und
opferreichem Kampfe einen kleinen Vorsprung der deut-
schen Stellungen besetzen. Die Erweiterung des kleinen
Gewinnes war den Engländern jedoch nicht möglich; sie
büßten ihre zu diesem Zwecke unternommenen Vorstöße nur
nrit starken Verlusten.
Der Artilleriekampf nahm am 16. Januar ganz außer-
ordentlich heftige Formen an. Die Engländer steigerten
ihr Wirkungsfeuer im Raume von Ppern zu überwältigen-
der Wucht und bereiteten bei der Höhe 60, südlich von Ppern,
augenscheinlich ein großes Unternehmen vor. Die deut-
schen Batterien (siehe die Bilder Seite 147) überschütteten
aber die zu dem Angriff bereitstehenden englischen Trup-
penmassen derartig mit Granaten, daß es nur zu kleinen
Vorstößen kam, die leicht abgewiesen werden konnten.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
147
werde von den Deutschen besetzt ge-
halten. eröffneten die Feinde ein hef-
tiges Feuer und verschossen etwa tau-
send Granaten gegen das leere Loch,
während die beiden Helden ihren Rück-
zug glücklich bewerkstelligten (siehe Bild
Seite 148).
Vor Verdun wurde am 25. Ja-
nuar ein großer deutscher Angriff aus-
geführt. Auf dem Westufer der Maas
stürmten im Abschnitt des Generals
der Infanterie v. Franxois unter dem
Befehl des Generalleutnants v. Borne
westfälische und badische Regimenter
die französischen Gräben auf der Höhe
304 in einer Breite von 1600 Metern.
Die Franzosen hielten zunächst stand und
gerieten mit den Deutschen ins Hand-
gemenge, das sie sehr schwere blutige
Verluste kostete und ihren Widerstand
brach; außerdem gerieten von ihnen
12 Offiziere und rund 500 Mann in Ge-
fangenschaft. Zehn Maschinengewehre
fielen den Deutschen gleichzeitig in die
Hände Auch am „Toten Mann" und
nordöstlich von Avocourt erlitten die
Franzosen bei kleineren Zusammen-
stößen Niederlagen.
Den schwersten Angriff unternah-
men die Feinde am 28. Januar. Von
acht Uhr morgens, wo starke Massen
ohne Feuervorbereitung überraschend
gegen die deutschen Linien vorbrachen,
bis vier Uhr nachmittags erfolgten
unter schwerstem Artilleriefeuer vier
ungestüme Anstürme, von dem der
letzte die Feinde teilweise so dicht an
die Deutschen heranführte, daß sie sich
mit ihnen im Handgemenge messen
mußten. Doch auch dieser Vorstoß brach
zusammen; das Infanterieregiment
Nr. 13 und das badische Reserve-
infanterieregiment Nr. 109 schlugen die
Franzosen blutig ab, und das Infan-
terieregiment Nr. 15 unternahm einen
kraftvollen Gegenangriff, durch den
der Feind zurückgetrieben wurde. —
Dem Luftkrieg an der West-
front waren ebenso wie der Beobach-
tung aus Flugzeugen durch Schnee-
fälle und Regenwetter im Verlauf des
Monats Januar verhältnismäßig enge
Grenzen gezogen; selbst an Frosttagen
mit klarem Himmel erschwerten sehr
häufig die vom Boden aufsteigenden
Dünste die Aufklärung in hohem Maße.
An einzelnen Tagen aber herrschte rich-
tiges Fliegerwettcr, das auf beiden
Seiten sofort ausgenutzt wurde. Die
deutschen Flieger zeigten sich wieder
dem Feind überlegen, selbst wenn sie
gegen Übermacht zu kämpfen hatten.
Am 7. Januar büßten die Feinde im
Luftkampf und durch Abwehr von der
Erd^aus sechs Flugzeuge ein. Am
10. Januar gelang deutschen Fliegern
in der Sommegegend auch der Ab-
schuß von zwei Fesselballonen, die
brennend in die feindlichen Linien
abstürzten. Weitere 10 Flugzeuge
verloren die Gegner am 23. Januar.
Deutsche Flugzeuggeschwader statteten
auch den Hüttenwerken Pompey und
Frouard, nördlich von Nancy, einen
Besuch ab. An den Kämpfen in der
Luft war auf deutscher Seite Freiherr
v. Richthofen hervorragend beteiligt,
der den Orden Lour Io Alörits erhielt
und dem es am 24. Januar gelang,
lemen achtzehnten Gegner abzufchie-
Richten eines 21-em-Mörfers.
21-cm-Mörser wird geladen.
21-em-Mörser in vorzüglicher Deckung.
Nach Aufnahmen der Presse-Centrale, Berlin.
A \V/‘ W
' mm
148
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Rückkehr einer erfolgreichen Patrouille an der Combreshöhe, der die französische Artillerie ettva 1000 Granaten nachsandte (siehe Seite 146).
Nach einer Originalzeichnung von Johs. Gehrts.
die englische Negierung von dem geheimnisvollen Wirken
eines deutschen Kaperschiffes im Atlantischen Ozean Kennt-
nis und das wenige, was sie wußte, am 8. Januar 1917
der Öffentlichkeit mitgeteilt. Dann hörte man einige Zeit
nichts mehr von dem neuen Kaperschiffe, wohl aber mehrte
sich die Zahl der überfälligen großen Dampfer. Da traf
am 15. Januar der japanische Dampfer „Hudson Maru"
auf der Höhe von Pernambuco, einem brasilianischen Hafen,
unter einem deutschen Prisenkommando ein, und am 17. Ja-
nuar meldete die englische Regierung, daß dieser gekaperte
Dampfer Gefangene von zehn überfälligen Schiffen, die ins-
gesamt über 55000 Tonnen, groß waren und versenkt wur-
den, mit sich geführt hätte. Daraufhin gab die deutsche Re-
gierung ebenfalls einen Bericht heraus und teilte mit, daß der
von den Engländern als „im südlichen Teil des Atlantischen
Ozeans gekaperte", kurz erwähnte Dampfer „Parrowdale"
schon am 31. Dezember als Prise in den Hafen von Geeste-
münde eingebracht worden war. Ein deutsches, 16 Mann
starkes Prisenkommando hatte ihn mit 469 Gefangenen an
Bord, den Besatzungen von einem norwegischen und sieben
englischen Schiffen, die alle von einem deutschen Hilfskreuzer
im Atlantischen Ozean aufgebracht worden waren, sicher
durch die englische Seesperre geleitet. Außer den Gefange-
nen befanden sich 117 Lastautomobile, 6300 Kisten Gewehr-
patronen, 30 000 Rollen Stacheldraht, 3300 Tonnen Stahl
einmal, die Streifzüge deutscher leichter Seestreitkräfte, die
diese fortwährend bis in die Nähe der Themsemündung aus-
führten, zu unterbinden. Bei einer dieser Streifen in der
Nacht zum 23. Januar stießen die deutschen Fahrzeuge auch
einmal auf englische Seestreitkräfte. Gleich zu Beginn des
Treffens ereilte die Deutschen das Mißgeschick, daß ihr
Führerschifs in die Kommandobrücke einen Volltreffer er-
hielt, durch den unter anderen der Führer, Korvettenkapitän
Mar Schultz, getötet wurde. Infolge des Versagens der
Steuereinrichtung rammte dieses Fahrzeug ein anderes
deutsches Torpedoboot. Dieses nahm aber dennoch am Ge-
fechte weiter teil und rammte einen englischen Zerstörer, der
dadurch schwere Beschädigungen erhielt. Ein deutsches See-
flugzeug stellte einwandfrei fest, daß die Engländer ge-
zwungen waren, eines ihrer Torpedoboote zu versenken,
wogegen die deutschen Schiffe ihren Ausgangshafen wieder
erreichten, mit Ausnahme des stark beschädigten Führer-
bootes, das mit 7 Toten und einigen Schwerverletzten
an Bord den holländischen Hafen Hmuiden (siehe Bild
Seite 152) anlaufen mußte. Während das Hauptgefecht
sich in der Nähe der holländischen Küste abspielte, .hatte ein
vereinzeltes deutsches Torpedoboot, das in der Dunkelheit
die Fühlung mit der deutschen Flottille verlor, für sich allein
ein Gefecht in der Nähe der Schouwenbank zu bestehen
(siehe die Kunstbeilage). Dabei versenkte es durch Tor-
ßen; ferner taten sich hervor die Flieger Baldamus, v. Bü-
low und Frankl.
Der Monat Dezember hatte die Feinde 66 Flugzeuge
gekostet, von denen 18 an der Westfront in deutschen Besitz
gekommen waren; dem stand eine Einbuße von 21 deutschen
Flugzeugen gegenüber. Das ganze Jahr 1916 hatte mit
seiner außerordentlichen Entwicklung des Luftkampfes den
Feinden einen Verlust von insgesamt 784 Flugzeugen ge-
bracht, von denen allein 739 auf die Westfront entfielen.
Die Deutschen verloren im gleichen Zeitraume 221 Flug-
zeuge, davon 181 an der Westfront. Leider waren eine
Anzahl deutscher Helden der Luft Opfer ihrer Pflichttreue
und Tapferkeit geworden; aber auch die Feinde hatten
manchen ihrer besten Flieger zu beklagen. Zu diesen zählt
auch Beauchamp, der seinerzeit über München eine Bombe
abwarf, die glücklicherweise keinen Schaden anrichtete (siehe
die Bilder Seite 150 und 151). —
Der Kampf zur See brachte wieder eine Reihe be-
deutender Ereignisse. Schon am 4. Dezember 1916 hatte
in Knüppeln, viel Fleisch, Wurst und Speck an Bord des
Dampfers: ähnliche Ladungen hatten auch die versenkten
Schiffe. Der Führer des nach Deutschland gebrachten
Dampfers war der Offizierstellvertreter Badewitz, der bald
nach dem Eintreffen im Hafen zum Leutnant zur See der
Reserve befördert wurde. Dieser verdienstvolle Offizier
hatte sich bereits bei der Kreuzerfahrt der „Möwe", die im
Dezember 1915 ausgelaufen war und am 4. März 1916 nach
einer ruhmreichen Fahrt wieder in Wilhelmshaven eintraf,
ausgezeichnet. Er brachte damals das gekaperte Schiff
„Westburne" mit einer großen Zahl Gefangener nach Tene-
riffa, landete die Gefangenen und versenkte dann den großen
Dampfer. Danach wurde Badewitz in Spanien interniert;
es gelang ihm aber zu entfliehen und die Heimat zu er-
reichen.
Diese Taten deutscher Seeleute ließen wieder viele Stim-
men gegen die englische Admiralität laut werden, die es trotz
der vorhandenen großen Flotte und der Abschließung Deutsch-
lands vom Weltmeer nicht hatte verhindern können, daß
nicht nur der deutsche Hilfskreuzer, sondern auch noch eine
seiner Prisen die Sperre durchbrachen. Ja, es gelang nicht
Erstürmung feindlicher Gräben im Priesterwalde am 2. Januar 1917 durch eine Abteilung des deutschen Landwehrinfanterleregimenks Nr. 93.
Nach einer Originalzeichnung von A. Roloff.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
pedotreffer einen der größten feind-
lichen Torpedobootzerstörer.
Kaum hatte dieses Gefecht statt-
gefunden, so erschienen schon wieder
deutsche leichte Seestreitkräfte vor
England. In der Nacht zum 26. Ja-
nuar unternahmen sie einen neuen
kühnen Streifzug in die Küstenge-
wässer südlich Lowestoft, also nördlich
von der Themsemündung, um dort
englische Postenschiffe anzugreifen, die
ihnen gemeldet worden waren. Vom
Feinde fand sich jedoch in dem ge-
samten abgesuchten GeDiet keine Spur.
Hierauf begaben sich die deutschen
Torpedoboote vor den befestigten
Küstenplatz Southwold, erhellten ihn
durch Leuchtgranaten und nahmen
ihn dann auf nahe Entfernung unter
Artilleriefeuer, das gute Ergebnisse
hatte (siehe Bild Seite 153). Auch
auf der Rückfahrt sichteten die Deut-
schen keinen Feind.
Der Kreuzerkrieg der 17-
Boote nahm währenddessen seinen
Fortgang. Welchen ungeheuren Scha-
den diese kleinen Schiffe den Fein-
den zufügten, ergibt sich aus einer
Veröffentlichung des deutschen Admi-
ralstabes der Marine, nach der im
Monat Dezember 1916 152 feindliche
Handelsfahrzeuge von insgesamt
329 000 Bruttoregistertonnen durch
kriegerische Maßnahmen der Mittel-
mächte verloren gegangen sind; davon
sind 240 000 Tonnen englischen Ur-
sprungs. Außerdem wurden 65 neu-
trale Hand elsfahrzcuge mit 86 500 Ton-
nen wegen Beförderung von Bann-
ware zum Feinde versenkt. Das De-
zemberergebnis betrug demnach ins-
gesamt 415 500 Tonnen. Seit Be-
ginn des Krieges bis zum 31. Dezem-
ber 1916 waren damit und unter
Hinzurechnung der im Laufe des
Jahres 1916 nachträglich bekannt ge-
wordenen Kriegsverluste durch kriege-
rische Maßnahmen der Mittelmächte
4 021 500 Tonnen feindlichen Handel-
schiffsraums verloren gegangen. Da-
von entfallen 3 069 000 Tonnen auf
englische Fahrzeuge. Dies sind fast
15 Prozent der zu Anfang des Krie-
ges vorhanden gewesenen englischen
Eesamttonnage. Im gleichen Zeit-
raum sind von den Seestreitkräfien
der Mittelmächte 401 neutrale Schiffe
mit 537000 Tonnen wegen Bann-
warenbeförderung versenkt oder als
Prisen verurteilt worden.
Das sind Verluste, die auch für die
englische Handelsflotte nicht gleichgül-
tig sein konnten. Dabei nahm die Tä-
tigkeit der I7-Boote immer größere
Ausdehnung an. So konnte am 17.Ja-
nuar die deutsche Regierung bekannt
geben, daß ein deutsches l7-Boot unter
dem Kapitänleutnant Wünsche bei
einer Ausfahrt 16 Schiffe von insge-
samt 26000 Tonnen Größe versenkte;
die vernichteten Schiffe führten Mais,
Kohlen, Früchte, Schwefelkies, Fische,
Salpeter, Grubenerz und andere Bann-
waren.
Zwei andere vernichteten auf einer
Fahrt insgesamt 19 feindliche Schiffe
von 54 000 Tonnen Raumgehalt; eines
der Boote übernahm auch ein 6-em-
Geschütz von einem bewaffneten feind-
lichen Dampfer. Ein drittes Boot ver-
Französischer Farman-Doppeldecker mit 160 Pferdekräften (Renaultmotor, O-Zylinder-Standmotor).
Unter dem Beobachtersitz befindet sich ein Scheinwerfer. Rechts neben dem Flugzeug die beschädigte Motor-
haube Es wurde an der Somme erbeutet, wo sich die Insassen, ein französischer Leutnant als Führer
und ein englischer Hauptmanu als Beobachter, im Nebel verirrt hatten.
In der Champagne abgeschossenes französisches Flugzeug.
Französisches Nieuport-Kampfflugzeug (Einsitzer), das infolge einer Notlandung in die Hände der
Deutschen siel.
Französischer Breguet-Doppeldecker mit 220 Pferdekräften (Renaultmotor), der imstande ist, 800 Kilo-
gramm Bomben zu tragen. Die Abwurigeschosse sind unter den Tragflächen sichtbar.
Deutsche Fliegerbeute im Westen.
Nach Photographien von R. Sennccke, Berlin.
ll
■ - fi
Phot. R. Sennecke, Berlin.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
senkte in der Znt vonr 12. bis zum 22. Januar 13 Fahr-
zeuge von 12 000 Tonnen. Ein viertes Boot brachte an der
englischen Küste drei englische F-ischdampfer auf und führte
sie in einen deutschen Hafen.
Freilich waren die 11-Boote auch großen Gefahren aus-
gesetzt, denn die Feinde machten auf sie häufig genug gegen
alles Völkerrecht heimtückische Werfälle. Ein solcher er-
eignete sich am 12. Januar wieder, als ein deutsches 17-Boot
einen verkappten englischen Handelsdampfer, der unter dem
Namen „Kai" mit dänischer Flagge und einem Anstrich in
den dänischen Farben fuhr, anhielt. Der Dampfer folgte
den ihm gegebenen Anweisungen scheinbar, eröffnete dann
aber plötzlich aus 10- und 15-oin-Geschützen auf das D-Boot
ein heftiges Feuer.
Die englische Marine wurde am 25. Januar von einem
neuen Unglück betroffen, indem an der irischen Küste der
Hilfskreuzer „Laurentic" infolge eines Torpedoschusses oder
eines Zusammenstoßes mit einer Mine versank. Nach dem
englischen Bericht hierüber wurden nur 12 Offiziere und
109 Mann gerettet. Somit mußten viele Menschen mit dem
Schiff in die Tiefe gesunken sein. Es umfaßte 14 892 Tonnen
Raumgehalt und gehörte zu jenen großen Dampfern, die die
White-Star-Linie der englischen Regierung als Hilfskreuzer
zur Verfügung stellen mußte. Von diesen Dampfern waren
im Verlauf des Krieges
schon die „Oceanic"
(17 000 Tonnen), ein
Schwesterschiff der durch
ihren Untergang in der
ganzen Welt bekannt ge-
wordenen „Titanic", die
„Arabia", die im Mittel-
meer torpediert wurde,
die „Britannic" (47 500
Tonnen), das merkwür-
dige Hospitalschiff, die
„Caledonia" (9000 Ton-
nen), und endlich die
„Eeorgic" (10 000 Ton-
nen), die dem neuen
deutschenKaperschiff zum
Opfer fiel, gesunken. —
Auf den entlegenen
Kriegschauplätzen Meso-
potamiens hatten die
Türken groß angelegte
Angriffe der Engländer
abzuwehren. MitdiefenUnternehmenwar schon seit längerer
Zeit zu rechnen und die Türken hatten sich darauf gut vor-
bereitet. Sie wurden dabei aufs beste von den Österreichern
und Ungarn unterstützt, die hauptsächlich die Artillerie durch
Überweisung von Geschützen und Mannschaften verstärkten
(stehe Bild Seite 154). Deutsche Kraftfahrerkolonnen (siehe
Bild Seite 155 oben) sorgten für die ungehinderte Abwicklung
des Verkehrs auf den Etappenstraßen und führten Mann-
schaften, Munition und Material aller Art herbei. Ein
groß.s Lager an Vorräten befand sich in Botzanti (siehe
Bild Seite 155 unten), der vorläufigen Endstation der
Bagdadbahn am Taurus. General Halil-Pascha (siehe Bild
Seite 156), der türkische Führer in Mesopotamien, hatte
für die Durchführung neuer Aufgaben gegen früher be-
deutend verbesserte Hilfsmittel an der Hand.
An der Tigrisfront, bei Imam Muk amed, griffen die Eng-
länder in der Nacht zum 3. Januar mit mindestens sechs Ba-
taillonen die türkischen Linien an, doch wurden sie mit
großm Verlusten in ihre Stellungen zurückgeworfen. Tags
darauf gingen sie in derselben Gegend nach achtundvierzig-
stündiger Feuervorbereitung durch schwere und leichte Ge-
schütze erneut ror und konnten unter schweren Opfern zu-
nächst in den vordersten türkischen Gräben Fuß fassen. Ein
türkischer Gegenstoß vertrieb sie aber schon am Mittag des-
selben Tages wieder. Ein von den Engländern an der
Felahiefront mit Handgranaten versuchter Werfall, dem
eine starke Artillerievorbereitung vorausgegangen war, miß-
glückte ebenfalls. Auch am 11. Januar konnten sie nichts
erreichen, obwohl sie eine ganze Brigade zum Sturm ein-
setzten. Sie erlitten nur weitere starke Verluste und ver-
mochten nicht zu verhindern, daß ein türkischer Gegenangriff
bis in die englischen Gräben gelangte, bei dem die Engländer
3 Maschinengewehre einbüßten. Schon bei einem Werfall
am 9. Januar hatten die Türken den Engländern 6 Ma-
schinengewehre abgenommen. Auch berittene türkische Frei-
willige setzten den Engländern zu. Sie stießen am 14. Ja-
nuar auf eine auf dem Marsch befindliche englische Kaval-
lerieabteilung, zerstreuten sie und nahmen ihr 3 Maschinen-
gewehre ab; außerdem schossen sie ein englisches Flugzeug
herunter, dessen Trümmer ihnen in die Hände gerieten. Öst-
lich von Kut-el-Amara kamen die Engländer bis zum 22. Ja-
nuar unter Aufbietung großer Truppenteile auf einer Breite
von 1500 Metern und 1 Kilometer Tiefe gegen die Türken
voran. Diese hatten den betreffenden Raum, der ihnen
gegen das englische Trommelfeuer nur wenig Schutz bot,
Bestattung zweier französischer Flieger auf einem Friedhof im Westen.
An der Beerdigung nahmen eine Abordnung Infanteristen und eine Abordnung Luftschiffer teil.
schon längst aufgegeben, ohne daß es die Feinde bemerkt hat-
ten. Nach Einstellung des schweren Feuers griffen die Eng-
länder am 19. morgens die leeren Stellungen mit starken
Kräften an; dabei gerieten ihre Sturmwellen in das ver-
nichtende Feuer flankierend aufgestellter türkischer Maschi-
nengewehre, so daß die Engländer ihren geringen Gewinn
mit außerordentlichen Verlusten bezahlen mußten.
Auch in Ägypten machten die Engländer Vorstöße,
denen ein kleiner Erfolg beschieden war. Sie griffen am
9. Januar eine türkische, aus sechs Gräben bestehende Feld-
stellung vor Rafa, östlich von El Arisch, an und besetzten sie
nach achtstündigem Kampfe; als Beute gaben die Enolärder
1600 Gefangene an und meldeten ferner etwa 600 türkische
Tote und Schwerverwundete. —
An der Kaukasusfront und in Persien ver-
suchten die Russen, gegen die Türken vorzugehen. Wo es zu
Zusammenstößen kam, so nordwestlich von Kighi und östlich
von Hamadan, zogen die Russen den kürzeren; sie waren
gezwungen, die Orte Hamadan (siche Bild Seite 157) und
Rayat aufzugeben, die von den Türken besetzt wurden.
(Fortsetzung folgt.)
Illustrierte Kriegsberichte.
Kriegsgefangen.
Von Kriegsberichterstatter Eugen Kalkschmidt.
Als der Krieg ausbrach, als die Gedanken und Gefühle
der Völker im ersten Aufruhr durcheinanderfluteten, da war
es das stolze und ritterliche Frankreich, dessen Volk in einem
wilden Rausch des Hasses alle Rücksichten gegen gefangene
Deutsche, Zivilisten und Soldaten, beiseite warf und Orgien
der „Vergeltung" feierte. Mit Ingrimm haben wir damals
den spärlichen Klagelauten gelauscht» die durch die sorgfältige
152
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
französische Nachrichtensperre den Weg nach Deutschland
fanden. Rasch und energisch wurden Eegenmatzregeln gegen
französische Gefangenes durchgeführt, bis die französische Re-
gierung sich anbequemt hatte, dem gefangenen Gegner den
notdürftigsten Schuh des Völkerrechts zu gewähren. Und
heute, nachdem die Leidenschaften durch das ungeheure Leid
des Völkerkrieges längst ausgetilgt sein sollten, nachdem
der Hatz, wie uns die gefangenen Franzosen eifrig ver-
sichern, gegen Deutschland so gut wie erloschen sei, heute
erfahren wir von heimgekehrten deutschen Soldaten aus
französischen Gefangenenlagern Dinge, die unerhört, die zum
Teil haarsträubend sind und strenge Sühne verlangen.
Das Völkerrecht schützt den Gefangenen davor, als Ver-
brecher behandelt zu werden, es schützt seine persönliche und
seine nationale Ehre, es sichert ihm ein zwar begrenztes, aber
auskömmliches Matz der Lebenshaltung, der Ernährung,
Kleidung und Wohnung zu. In Frankreich, dem Lande der
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, besteht dieses Völker-
recht für viele deutsche Gefangene leider nur auf dem Pa-
pier. Ich habe Landsleute aus den verschiedenen deutschen
Gauen gesprochen, kurz nachdem ihnen die Flucht aus der
französischen G.fangenschaft geglückt war. übereinstimmend
poral, ein dicker Bauer, war dumm und beständig in Angst
vor den Offizieren; der andere, der „Peitschen-Mar", ein
heimtückischer, boshafter Kerl, trieb sie mit Stockschlägen
zur Arbeit, schrieb jeden auf, der stillstand. Strafe: halbes
Essen und halbe Löhnung. Kranke: selten unter 20 Prozent.
Am 26. September Überführung nach Bray sur Somme in
den Feuerbereich. Schwere Arbeit am Bahnhof, Kartuschen,
Bohlen, Wellbleche wurden umgeladen. Die Kraftwagen-
führer gaben ihnen Brotreste; sie stürzten sich, vom Hunger
gequält, auf die weggeworfenen Rinden der Landstürmer
„wie die Wilden". Sie sahen deutsche Fesselballone am
Himmel, fragten beiläufig, wo sie sind, und entschlossen sich
zur Flucht, die in einer dunklen Novembernacht unter tau-
send Gefahren glückte.
Aus einem Lager südlich der Somme entwichen um Neu-
jahr 4 Mann. Sie lagen nur 10 Kilometer hinter der Front.
Die deutschen Granaten schlugen ringsum ein und mehrere
Kilometer darüber hinaus. Zur Arbeit mutzten die Gefange-
nen noch etwa 3 Kilometer vor. Kost ungenügend, in den
ersten acht Tagen kein Fleisch, keine Suppe, nichts Warmes
überhaupt, nur Brot. Erklärung: die Küche sei noch nicht
„organisiert". 27 Mann von 210 fielen bei der Arbeit vor
Phot. Bereenigde Fotobureaux, Amsterdam.
Das nach ruhmreichem Kampf in der Nordsee am 23. Januar 1917 in Bmuiden eingelaufene deutsche Torpedoboot „V 69“. Nachdem es mit eigenen
Mitteln feine Seefähigkeit wiederhergestellt hatte, lief es in der Nacht zum 11. Februar wieder aus und erreichte Tags darauf wohlbehalten einen
deutschen Stützpunkt.
sagten sie aus, datz französische Soldaten und Offiziere sie
und ihre Kameraden straflos auf das schamloseste brutali-
siert haben.
Da waren zwei Sachsen, die kamen eines November-
morgens im Vaastwalde nördlich der Somme kn unsere
Gräben zurück. Am 16. August waren sie gefangen worden.
Sie trugen einen schwerverwundeten Franzosen nach rück-
wärts; zum Dank schlug ein unverwundeter Franzose den
einen Deutschen mit dem Kolben über den Kopf, vielleicht
ärgerlich darüber, datz der noch seinen Stahlhelm trug. In
der vierten Stellung bei der Sammelstelle wurde den Ge-
fangenen alles Eigentum abgenommen, einzelne behielten
Geld und Uhr, andere nicht. Achselklappen, Knöpfe, Stahl-
helme und Ordensbänder ritz man ihnen herunter. Im
Gefangenenlager Marcelcave hausten sie in Zelten auf Reisig
und verlaustem Stroh ohne Decken bis Ende September.
Sie froren nachts jämmerlich. Die Verpflegung ganz un-
zureichend: für 7 Mann drei kleine Brote im Tag; für
178 Mann 6 Kilogramm Bohnen und 1 Kilogramm ameri-
kanischen Speck. Daraus entstand eine Kraftsuppe „wie
blankes Wasser". Beschwerde. Antwort: Vergeltungslager.
Löhnung: der Mann sollte 20 Centimes täglich bekommen,
schlechte Arbeiter 10 Centimes, Kranke gar nichts. Am
6. November bekam der Sachse L. als erste Löhnung 3 Fran-
ken 40 Centimes, nach 80 Tagen. Dafür konnte er sich in der
Kantine Tabak kaufen, das Päckchen für 60 Centimes, das
draußen 15 Centimes kostete. Behandlung: der eine Kor-
Schwäche um und mutzten ins Lazarett. Die Bewachungs-
mannschaft war nicht schlecht, der Offizier brutal: hielt jeden
Kranken für einen Simulanten, prügelte wild auf sie los.
Geld und Uhr, Brieftasche und Soldbuch hatte man ihnen
längst abgenommen, sie sollten es im Lager wiedererhalten,
bekamen es aber nicht. Sieben Tage lang nächtigten sie
unter freiem Himmel, im Regen, teilweise ohne Mäntel, bis
man ihnen erlaubte, sich Zelte herzurichten. Sie empfingen
Hemd und Hose, aber keine Stiefel, und wie nötig brauchte
die manch einer. „Es ist noch nicht organisiert." Dieselbe
Antwort erhalten sie immer wieder, wenn sie überhaupt einer
Antwort gewürdigt und nicht einfach wegen Unbotmätzig-
keit bestraft werden. Und was für Strafen! Arrest in einer
Art „Hundehütte" ist noch die erträglichste. Die Entziehung
von Kost und Lagerstatt gehört dazu. Aber dann das zwölf-
bis vierundzwanzigstündige „Stehen" ohne jede Nahrung,
das vielstündige Patrouillieren mit dem 60 Pfund schweren
Sandsack auf dem Rücken, tagelang, bis zu sieben Tagen
manchmal. Endlich als schlimmste die Prügelstrafe!
Die Gefangenenlager um Verdun scheinen nach allen
Aussagen die schlimmsten zu sein. Hier beginnt das Prü-
geln und Ohrfeigen schon bei der Vernehmung, wenn
die Gefangenen nicht so aussagen, wie man es von ihnen
erwartet. Ein Unteroffizier, der in Regret von einem fran-
zösischen General befragt wurde, erzählt: „Da ihn meine
Aussagen nicht befriedigten, schalt er mich einen Lügner und
ohrfeigte mich nach wiederholten Fragen dreimal; zum
VI. Band.
Beschießung des befestigten Platzes Southwold an
Januar 1917.
Nach einer Originalzeichuung von Professor Willy Stvwer.
154
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Schluß drohte er mir mit Arrest und Erschießen ..." Ein
Wachoffizier im Lager Menil aur Bois liebte es, seinen
schwarzen Schäferhund auf die „Boches" zu Hetzen. Unter
Fußtritten, Kolbenstoßen, Stock- und Peitschenhieben hatten
Unteroffiziere und Mannschaften gleichermaßen zu leiden.
In den Lagern Vadelaincourt, Dieue sur Meuse, Erimau-
court, Souilly herrschte die gleiche, von den Offizieren offen
ausgesprochene Absicht, die Gefangenen „kaputt zu machen".
Im Lager Souilly, das besonders berüchtigt ist, war ein
schriftlicher Befehl angeschlagen, auf Grund dessen die Wach-
mannschaft berechtigt war, die Gefangenen mit Stöcken zu
züchtigen.
Auf den Briefbogen, die die Gefangenen erhielten, um
nach Hause zu schreiben, steht gedruckt zu lesen, was ihnen
täglich an Verpflegung zusteht. Es ist eine herrliche Über-
sicht: Kommißbrot 2,5 Pfund, Kartoffeln 1,5 Pfund oder
Reis 400 Gramm. Dörrgemüse 125 Gramm, Zutaten
100 Gramm, Fett 15 Gramm, Salz 15 Gramm, Zucker
40 Gramm, Kaffee 8 Gramm, Fleisch 100 Gramm. Wer
Österreichisch-ungarische Artilleristen im Taurus
hätte da Grund zu klagen? Den kleinen Teil, den sie von
dieser Tagesmenge erhielten, konnten sie häufig gar nicht
zubereiten, da man ihnen zu wenig Holz gab: in Souilly für
den Mann 600 Gramm Holz!
Daß die Behandlung der gefangenen Offiziere kaum
besser war, ergibt sich aus folgenden Beispielen: Ein preußi-
scher General wurde von Eh. nach C. verlegt, nachdem er
versucht hatte, sich über den Kommandanten von Eh. zu
beschweren. Er tat dies in sehr gemäßigter Form durch
einen Brief an die amerikanische Botschaft in Paris, die er
bat, jemand nach Eh. zu entsenden, „denn wir bedürfen des
Schutzes". Für diese Äußerung bestrafte der französische
Kriegsminister den General mit fünfzehn Tagen strengen
Arrestes, ohne vorher den Wahrheitsbeweis vor einer
neutralen Kommission zuzulassen darüber, ob die Bitte des
Generals begründet war oder nicht.
Einen anderen Fall aus der Front. Der bayerische Unter-
offizier F., der mit erfrorenen Füßen nach tagelangem Um-
herirren glücklich im deutschen Graben ankam, erzählte:
Neben ihm stand in der Sammelstelle ein Major, Ritter des
Eisernen Kreuzes erster Klasse, eine stattliche Ordenschnalle
auf der Brust. Mit einem Griff reißt ihm ein tapferer
Franzose die Schnalle herunter, ein zweiter packt das Kreuz
und tritt es lachend in den Kot. Der Major beißt die Zähne
zusammen und schweigt. Ein französischer Offizier geht
vorüber. Der Major tritt auf ihn zu, schildert, was ihm
widerfahren ist und bittet, sein Eisernes Kreuz an sich nehmen
zu dürfen. Der Franzose zwinkert und nickt. Der Deutsche
bückt sich, und gleichzeitig versetzt ihm der Franzose einen
Tritt ins Gesäß. Ein Korporal vollendet die edle Tat durch
einen Fausthieb in das Genick des deutschen Offiziers, der
taumelnd zu Boden stürzt.----------
Das Vorstehende ist nur eine kleine Auslese aus den
Kulturblüten, init denen die französische Nation den Ruhm
ihrer unvergleichlichen Ritterlichkeit schmückt. Wir sind leider
immer noch nicht barbarisch genug entartet, um diese Schand-
taten mit gleicher Münze heimzahlen zu können. Aber Strafe
muß sein, und die deutsche Heeresleitung hat sofortdiejenigen
Vergeltungsmaßregeinangeordnet, überdie wirdemgefange-
nen Feinde gegenüber mit gutem Gewissen verfügen können.
Phot. Az Erdekes Ujsag, Budapest,
gebirge beim Überschreiten der cilicischen Pässe.
Die Verwaltung von »Ober-Ost".
Von Dr. Hermann Schönleber.
lHierzu die Bilder Sette 189.)
I.
Ende September 1915, nach der Einnahme von Wilna
und den letzten Kämpfen bei Dünabürg, hatten die „Heeres-
gruppe Hindenburg", wie sie damals hieß, und die ihr
südlich anschließenden Heeresgruppen die Linie erreicht,
die im wesentlichen noch heute die Kriegsgrenze gegen
Osten bildet. Sie beginnt am Rigaischen Meerbusen west-
lich der Stadt Riga, umgeht diese selbst im Bogen in etwa
40 bis 50 Kilometer Entfernung, folgt dem Lauf der Düna
aufwärts bis in die Nähe von Dünaburg, das wie Riga
in russischen Händen geblieben ist, und zieht sich von da in
unregelmäßigen Windungen, im ganzen aber doch ziemlich
geradeswegs, südlich nach Pinsk am Nordrand der Nokitno-
sümpfe. Die deutsche Strategie wandte sich neuen Aufgaben
zu — schon hatten deutsche Kanonen über die Donau nach
Serbien gedonnert — und an der Ostfront lösten Stellungs-
bau und Grabenkrieg den Bewegungsfeldzug ab, der mit so
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
155
Deutsche Kraftfahrerabteilung Lm Taurus.
gewaltiger siegreicher Wucht bis dahin geführt worden war.
Alles Land, das hinter jener Linie der Ostfront lag, galt es
nun für uns einzurichten und in geordnete Verwaltung zu
nehmen. — Und wie hatten uns die Russen das Land hinter-
lassen ! In einem Zustand abgründiger Verwahrlosung, Zer-
störung und Hilflosigkeit. Vorab waren natürlich alle russi-
schen Beamten verschwunden und mit ihnen alles, was nach
Verwaltungsmaterial aussehen konnte: Bücher, Listen und
dergleichen; die orthodore Geistlichkeit war den abziehenden
Heeren gefolgt. Meist war auch die Schicht der Wohl-
habenden und der sogenannten Intelligenz den Kriegs-
greueln entflohen. Die Vorräte an Lebensmitteln waren
weggeschleppt oder versteckt, die Ernten nach Möglichkeit
auf den Feldern zerstampft und verbrannt, die Fabriken
ausgeräumt oder gesprengt, die Bahnen und Verkehrswege
unbrauchbar. Weite Strecken waren monatelang Krieg-
schauplatz gewesen und durch das Hin und Her des Kampfes
völlig verwüstet. Aber auch wo nicht der Kampf gewütet,
herrschten Not und Verödung. Die Russen hatten auf dem
Rückzug die Bewohner, soweit es ging, weggeschleppt, die
Ortschaften geplündert und in Brand gesteckt. Die größeren
Städte, wie Wilna und andere, waren wohl im ganzen er-
halten, wimmelten aber von Flüchtlingen in trostloser Lage.
Jeder Schulbetrieb hatte aufgehört, das kirchliche Leben
stockte. Alle Fäden von Handel und Wandel waren zer-
rissen, Seuchen herrschten und Gesetzlosigkeit machte sich breit.
Hier Ordnung zu schaffen, und zwar gründliche deutsche
Ordnung, war kein kleines Stück Arbeit und kein leichtes.
Phot. A. Grohs, Berlin.
Dokzanti, d!e vorläufige Endstation der Bagdadbahn am Taurus, wo deutsche und türkische Truppen ein großes Lager aufgeschlagen und Vorräte
an Lebensmitteln und anderen, Material aufgespeichert haben-
Ms *
156
Illustrierte Geschichte des Welttrieges 1914/17.
Aber es wurde geschafft. Für die kämpfenden Heere an
der Front ist es, darüber braucht man nur einmal flüchtig
nachzudenken, von ganz ungeheurem Wert, daß hinter
ihrem Rücken Ruhe und Ordnung herrsche. Denn durch
dieses Gebiet führen die lebenswichtigen empfindlichen
Adern, durch die ihnen ihre Kraft zuströmt, führen die ver-
wickelten Fäden, durch die sie mit der Heimat und unter
sich verbunden sind. Man stelle sich nur einmal vor, was
es für eine Truppe heißen will, ob an ihren Etappenstraßen
ansteckende Seuchen herrschen oder nicht, ob Kolonnen,
selbst einzelne Kraftwagen auch bei Nacht sicher ihres Wegs
ziehen können auf gepflegter Straße, ohne Gefahr, von
Marodeuren oder räuberischem Gesindel angefallen zu
werden, ob ihr die Bevölkerung willig entgegenkommt oder
von innerer Auflehnung erfüllt ist — nicht zuletzt, ob auf
dem Boden, der da hinter ihrer Front liegt, etwas wächst
oder nicht, ob das, was wächst, sorgfältig und zweckmäßig
geerntet und verteilt wird. Eine Kriegsverwaltung im be-
setzten Gebiet wird immer ein gewisser Behelf sein, ein Sich-
beschränken auf das Notwendige und Wesentliche. Aber
für die deutsche Barbarenart ist es ein Kennzeichen, daß sie
über Behelf und Notwerk alsbald hinausstrebt, daß sie die
Arbeit im eroberten Gebiet mit sittlichen Gedanken erfüllt,
ihre Aufgabe an
dem ihr durch das
Kriegsgeschick über-
antworteten Volk
nicht in dessen
Niederhalten und
wirtschaftlicher
Ausnützung er-
blickt , vielmehr
seine kulturelle
Pflege undHebung
als selbstverständ-
liche Pflicht emp-
f findet. Lasten,
Sorgen und Här-
ten des Kriegs
kann und soll eine
Kriegsverwaltung
den Völkern des
besetzten Gebiets
nicht abnehmen.
Daß sie es besser
haben sollten als
wir in der Heimat,
kann nicht das Ziel
sein. Aber inner-
halb der unum-
gänglichen Schran-
ken von Kriegs-
Zweck und Kriegs-
not menschliche
Fürsorge entfal-
ten, ideale Güter pflegen, neues Leben aus den Ruinen
wecken — das kann sie und das tut sie.
Was nun die äußere Form anbelangt, so wurde nicht
das ganze besetzte Gebiet im Osten einheitlich zusammen-
gefaßt und einheitlich verwaltet. Sondern es wurde zu-
nächst der nördliche Teil des früheren Gebiets von Russisch-
Polen, soweit er in deutsche Verwaltung fiel — der südliche
Teil steht bekanntlich unter österreichisch-ungarischer Ver-
waltung — als Generalgouvernement Warschau aus-
gesondert. Dieser erhielt in dem Eeneralgouverneur
General v. Beseler in Warschau seine militärische Spitze,
daneben aber nach belgischem Muster eine bürgerliche Ver-
waltung, deren Zuständigkeiten man sich ungefähr nach dem
Verhältnis von Generalkommando und bürgerlicher Ver-
waltung in der Heimat vorstellen kann; nur daß eben der
Generalgouverneur immer die letzte Instanz darstellt. Nicht
so in dem übrigen Teil des besetzten Ostgebiets. Dieses,
ein Gebiet also, das außerhalb einer Linie liegt, die man
sich, um einen allgemeinen Begriff zu bekommen, von der
ostpreußischen Grenze bei Johannisburg nach Brest-Litowsk
ziehen mag, wurde der unmittelbaren Verwaltung durch
den Oberbefehlshaber Ost vorbehalten und darin eine rein
militärische Verwaltung eingeführt. Warum man das getan
hat, darüber ist von zuständiger Seite nichts veröffentlicht
worden. Man mochte wohl hoffen, mit der rein mili-
tärischen Verwaltung einfacher und glatter zu arbeiten,
sie besser geeignet finden für ein Gebiet, das bis unmittel-
bar hinter die kämpfende Front reichte, also vielfach andere
Verhältnisse aufwies als das von der Kampflinie weiter
abgelegene Polen. Genug, Hindenburg, auch darin ein
Mann klaren Blicks und festen Wolldns, beschloß es so; er
und sein getreuer Ludendorff sind die Schöpfer der deutschen
Verwaltung im „Gebiet des Oberbefehlshabers Ost" oder
in „Obost", wie der Kürze liebende militärische Sprach-
gebrauch es mundgerecht gemacht hat.
Das ganze Gebiet jenseits der ostpreußischen Grenze
und jener oben angedeuteten Linie Johannisburg—Brest-
Litowsk untersteht also der „Regierung" des Oberbefehls-
habers Ost, zurzeit des Eeneralfeldmarschalls Prinzen Leo-
pold von Bayern. Er ist oberste gesetzgebende, richtende
und vollziehende Gewalt im Land. In seinem Stabe laufen
alle Fäden zusammen, im engeren sind es der Chef des
Stabs und der Oberquartiermeister, denen die Verwal-
tungsangelegenheiten unterstehen. Eigene Verwaltungs-
abteilungen sind bei dem Stab eingerichtet, denen die
einheitliche Leitung aller Verwaltungsangelegenheiten ob-
liegt; diese Zentralverwaltung hat rhren Sitz zurzeit in
Bialystok, während sie früher in Kowno war, wo Eene-
raifeldmarschall
v. Hindenburg viele
Monate lang sein
Hauptquartier
hatte. Das Gebiet
von Obost umfaßt
eine Fläche von
rund 112000 Qua-
dratkilometern, so
groß wie Bayern,
Württemberg und
Baden oder wie
die preußischen
Provinzen Ost-
und Westpreußen,
Pommern undPo-
sen zusammen, mit
insgesamt etwa
3000000 Einwoh-
nern. Eingeteilt ist
das Land zurzeit
in vier Verwal-
tungsbezirke .deren
Grenzen sich im
wesentlichen mit
denen früherer rus-
sischer Gouverne-
ments decken, mit
der Maßgabe na-
türlich, daß die Ost-
grenze durch die
Kriegsergebnisse
gezogen ist. Die Bezirke sind folgende:
1. Kurland (20 500 Quadratkilometer, 250 000 Ein-
wohner).
2. Litauen (391 000 Quadratkilometer, 1 126 000 Ein-
wohner).
3. Wilna-Suwalki (26 600 Quadratkilometer, 916 000
Einwohner).
4. Bialystok-Erodno (25 800 Quadratkilometer, 712000
Einwohner).
In den Hauptstädten dieser vier Bezirke, in Mitau»
Kowno, Wilna und Bialystok, haben die vier Bezirks-
verwaltungen je unter einem Verwaltungschef ihren Sitz,
jede in sich wieder nach ihren Aufgaben in Abteilungen ge-
gliedert: eine Wirtschaftsabteilung, die Aufsicht führt über
Feldbestellung und Ernte, für die Bewirtschaftung der ver-
lassenen Güter, für die Beschaffung der nötigen Sämereien
und landwirtschaftlichen Maschinen sorgt; eine Forst-
abteilung, die den Betrieb und die Nutzung der aus-
gedehnten Wälder leitet; eine Handels- und Rohstoff-
abteilung, deren Aufgabe darin besteht, Handel und Ge-
werbe wieder in Fluß zu bringen, die im Lande vorhandenen
Rohstoffe zu sammeln, fehlende Waren einzuführen; endlich
eine Zentralabteilung, der die allgemeine Landesverwal-
tung, Polizei, Justiz, Kirchen- und Schulangelegenheiten,
Gesundheitspflege für Mensch und Tier, Steuer- und Zoll-
General Halil-Pascha, Kommandant der 6. türkischen Armee, der Eroberer von Kut-el-Amara,
und Oberstleutnant Wilhelmi bei einer Besprechung in Bagdad.
Die Russen räumen, von den Türken vertrieben, die persische Stadt Hamadan am 4. Januar 1917
Nach einer Originalzeichnung von Max Tilke
158
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
wesen und so weiter untersteht. Die vier Verwaltungs-
bezirke selbst gliedern sich nach unten wieder in Land- und
Stadtkreise unter einem Kreis- oder Stadthauptmann, die
Landkreise in Amtsbezirke unter Anrtsvorstehern, die schließ-
lich mehrere Gemeinden oder Eutsbezirke unter ihren Orts-
oder Eutsvorstehern umfassen. Bis hinaus zum letzten
Acker und zum letzten Bauern erstreckt sich also das Netz der
Verwaltung, denn nur so kann sie sich und ihre Zwecke
wirklich durchsetzen. Freilich, auch so bleiben die Schwierig-
keiten groß. Man stelle sich vor die ungeheure Weiträumig-
keit dieser Bezirke; der größte von ihnen, Litauen, ist größer
als die Provinz Hannover, der kleinste, Kurland, immer
noch größer als das Königreich Württemberg. Die Land-
kreise erreichen an Umfang durchschnittlich drei preußische
Landratskreise. Und dazu nun die fremden Sprachen der
Landesbewohner, der völlige Mangel einheimischer Hilfs-
kräfte. Die Beamten und Vermöglichen waren fort, die
anderen konnten zumeist nicht lesen und schreiben; wie
sollte man da Gehilfen für die Verwaltung finden? Der
ganze Betrieb von oben bis unten mußte also in deutsche
Hände gelegt werden.
Da zeigte sich nun der wun-
derbare Reichtum unseres Volks-
heers in schönstem Licht. Es
öffnete seinen Schatz an Tüch-
tigkeit, und aus ihm strömten
die Kräfte, die auch einer solchen
Aufgabe gewachsen waren.
Sämtliche Angehörige der Ver-
waltung sind deutsche Soldaten
oder reichsdeutsche Personen, die
zum Heeresgefolge gehören,
wohlgemerkt nur solche, die nicht
oder nicht mehr felddienstfähig
sind. Erst ganz allmählich ge-
lingt es, diesen oder jenen be-
währten einheimischen Mann zur
unteren Verwaltung heranzu-
ziehen. Nur ein Bezirk macht
in dieser Hinsicht natürlich eine
Ausnahme: Kurland. Hier hat
sich der eingesessene Stamm der
deutschen Balten in umfassender
Weise zur Verfügung ge stellt und
Verwendung gefunden, hier war
auch die erforderliche wissen-
schaftlicheVorbildungvorhanden.
lFortsetzung folgt.)
Generalmajor
Anton Höfer.
sHierzu das nebenstehende Bild.)
Verhältnismäßig viel später
als im Deutschen Reich nmchtc
sich auch in Österreich-Ungarn die
Frage der Ernährung geltend. Die Monarchie, insbesondere
ihre ungarische Hälfte, ist ausgesprochen Agrarland und hat
eine bei weitem nicht so dichte Bevölkerung wie das indu-
striereiche Deutschland. An eine gründliche Regelung der Er-
nährungsverhältnisse schritt man daher in diesem Lande erst,
nachdem die Ernte des Jahres 1916 nicht ganz den Erwar-
tungen entsprochen hatte. Die Frage wurde ziemlich über-
einstimmend in Österreich und Ungarn gelöst. Merkwür-
digerweise ging aber Ungarn voran und errichtete zur Zeit,
als in Österreich die Angelegenheit noch geprüft wurde, ein
Ernährungsamt, dessen Leitung Baron Kürthy übernahm,
der dem Ministerpräsidenten unmittelbar untersteht und
dem Ministerrate zugezogen wird, wenn dieser sich mit
Ernährungsfragen befaßt. In Österreich erfolgte die Er-
richtung eines ähnlichen Amtes erst unter dem Ministerium
Koerber infolge eines kaiserlichen Handschreibens vom
13. November 1916, nachdem schon unter dem Minister-
präsidenten Grafen Stürgkh Vorkehrungen getroffen wor-
den waren, die es ermöglichen sollten, Schwierigkeiten in
der Versorgung mit Lebensmitteln in besonderer Weise
durch die Ministerien des Innern, des Handels, des Acker-
baus und der Finanzen zu lösen.
Im Sinne dcs erwähnten Handschreibens wurde dann
ein eigenes Amt für Volkscrnährung in Österreich gegründet,
Phot. Bert. Jllustrat.-Gef. m. b.
Generalmajor Hofer,
Leiter des österreichischen Amtes für Volksernährung.
das unter der Leitung seines Präsidenten Oskar Kokstein
am 1. Dezember 1916 seine Wirksamkeit begann.
Der Nachfolger des Ministerpräsidenten Or. v. Koerber,
Graf Clam-Martinic, erkannte aber mit Recht, daß an die
Spitze dieses Amtes ein Minister treten müsse. Er hielt es
auch für wichtig, daß dieser Minister innige Fühlung mit
der Armeeleitung habe, die hinsichtlich der Ernährung großer
Massen reiche Erfahrungen besaß. Aus diesem Grunde er-
nannte Kaiser Karl am 5. Januar 1917 den damaligen
Obersten des Generalstabes Anton Höfer zum Minister
und betraute ihn mit der Leitung des österreichischen Amtes
für Volksernährung.
Diese Wahl ist als eine außerordentlich glückliche zu
bezeichnen, da Höfer auf dem Gebiete des Etappenwesens
ein hervorragender Fachmann ist, der in vieler Hinsicht
schon beispielgebend und mustergültig gewirkt hat. Er
wurde 1871 in Bozen geboren, besuchte die Pionier-
kadettenschule und dann die Kriegschule und wurde 1900
zum Hauptmann, im Generalstabskorps ernannt. Zwölf
Jahre später wurde er als Oberstleutnant Chef des Etappen-
bureaus des Eeneralstabes und
leitete dann, zum Obersten be-
fördert, seit Kriegsbeginn die
Quartiermeisterabteilung des Ar-
meeoberkommandos. In dieser
Eigenschaft hat er sich große
Verdienste erworben, und er
wurde mehrfach, auch mit dem
Eisernen Kreuz erster Klasse,
ausgezeichnet.
Bald nach seiner Ernennung
zum Minister wurde Anton Höfer
zum Generalmajor befördert.
Er ist ein Vetter des Feldmar-
schalleutnants v. Höfer, der als
Stellvertreter des Chefs des Ge-
neralstabes .feit dem Beginn des
Kriegs die österreichisch-ungari-
schenKriegsberichte unterzeichnet.
Aufgaben der Luft-
schiffe beim Eisenbahn-
rückzug.
Von Paul Otto Ebe.
sHierzu die Kartenskizze Seite 160.)
Wenn ich hier die außerge-
wöhnliche Bezeichnung „Eisen-
bahnrückzug" benütze, so geschieht
das, weil wir noch keine amtliche
militärische Bezeichnung für die
neue Art des Rückzuges besitzen,
um welche die Russen bei der
Räumung Polens die Kriegs-
geschichte bereichert haben. Daß
eine derartige Benützung der Eisenbahnen nicht allein für
den Rücktransport von Truppen und Kriegsmaterial,
sondern auch von Lebensmittelvorräten, brauchbaren Me-
tallen, Besitztum der Bevölkerung und vieler Tausenden
von Einwohnern aus bedrohten Gebieten etwas ganz
anderes ist, als die einfache rückwärtige Truppenbewegung,
die man bisher unter dem Namen „Rückzug" verstanden
hatte, ist wohl augenscheinlich.
Zwar ist der Grundgedanke für den Geschlagenen bei
beiden Arten der gleiche: das Losreißen vom Gegner.
Auch für den nachdrängenden Feind ist deshalb die Haupt-
aufgabe die nämliche geblieben: dem Fliehenden immer
auf der Ferse sein; ihm möglichst viel abschneiden. Aber
die wirksamsten Angriffspunkte haben sich geändert und
sowohl die Angriffs- wie die Bewegungsmittel sind andere
geworden. Man könnte es einen Kampf zwischen Luft-
schiff und Eisenbahn nennen, wozu als dritte Neuheit noch
die modernen Schutzmittel zur Ballonabwehr kommen.
Der ganze Krieg hat bisher kein so lehrreiches Beispiel
für die Betätigung dieser neuen Kampf- und Beförderungs-
mittel geboten wie der Monat August 1915. Es ist für das
Verständnis der im folgenden beschriebenen militärischen
Operationen unerläßlich, sich vorher nochmals die russisch-
deutsche Stellung zu Beginn dieses Monats in das Ge-
Mi
HP W
Fortschaffen erbeuteten russischen Holzes aus einem Fluß.
Von deutschen Soldaten errichtetes Elektrizitätswerk in einem russischen
Dorfe.
MM
-.Vjc
W^ ^ ^
Lebensmittelausgabe in einem russischen Walde.
Musterung russischer Pferde in einem Dorfe.
Inneres eines Blockhauses im Osten, das mit Birkenstämmen und
Birkenrinde wohnlich gemacht ist.
Russische Bauernhäuser nach deutscher Bearbeitung.
Fischen von Holz aus einem russischen Fluß.
Erbeutete große Holzlager in einem russischen Fluß.
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----------------------------------------------------------——
160
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 11)14/17.
dächtnis zurückzurufen, wie sie cms uuteustehender Karten-
skizze ersichtlich ist. Man wird dann auf den ersten Blick er-
kennen, daß die Gefahr des Abgeschnittenwerdens für den
ganzen vorspringenden Zipfel der russischen Front außer-
ordentlich groß war, wenn der Festungsring Ossowiec—-
Lornsha—Nowo - Georgiewsk—Warschau—Jwangorod ge-
halten werden sollte und man sich der doppelten Flanken-
bedrohung sowohl aus der Richtung nördlich Erodno, als
auch von Lublin und Cholm her nicht rechtzeitig und hin-
länglich erwehren konnte. Letztere Hoffnung erwies sich für
die Russen von Tag zu Tag als weniger wahrscheinlich. Der
Gedanke einer riesigen Räumung war also von diesem
Augenblick an nicht mehr ohne weiteres von der Hand zu
weisen.
In kluger Voraussicht und richtiger Beurteilung der
Lage sandten die deutschen Generalkommandos deshalb
ihre Flieger zunächst auf Aufklärungsflüge über das ganze
umfaßte Gebiet. Die Meldungen verdichteten den Verdacht
zur Wahrscheinlichkeit. In ganz kurzen Zeitabschnitten
folgten sich Zug auf Zug. Alle rollten übervoll ungefähr
in der Richtung von Westen nach Osten dem Inneren
Rußlands zu. Das Eisenbahnnetz war diesen Bewegungen
sehr günstig, denn es standen
für den weiteren Abtransport
noch fünf große Linien-zur Ver-
fügung, nämlich von Warschau
nach Kiew, Pinsk, Minsk, Wok-
kowysk, Dünaburg. Von den
anderen Festungen — ausge-
nommen Lomsha — konnte
man diese Eisenbahnstrecken
ebenso gut erreichen. Als die
Fliegeraufklärung ferner aus
der Art der Züge, der Wagen-
zusammenstelluug, der Bespan-
nung usw. Schlüsse auf Stärke
und Gattung der Truppen zu
ziehen erlaubte, war kein Zwei-
fel mehr am gewaltigen Rück-
transport des Gegners und an
seinen „Rückzugstraßen", —
wenn man letztere Bezeichnung
neuerdings auch auf die Bahn-
linien anwenden will.
Aus dieser Aufklärung er-
gab sich nunmehr eine lohnende
Aufgabe für die Luftflotte.
Die Transporte des Feindes
mußten verhindert oder min-
destens verlangsamt werden.
Der Trubel eines Rückzuges
sollte vermehrt, große Paniken
hervorgerufen und Stauungen
im fließenden Bahnverkehr er-
zeugt werden. Das war durch
Beschädigung der Schienen viel
leichter möglich als wenn es sich, wie früher, um wichtige
Rückzugstraßen gehandelt hätte, denn Geleise sind empfind-
licher und deshalb leichter und nachhaltiger zu zerstören
als gewalzte Straßen. Vor allem boten jedoch die Bahn-
anlagen mit ihren vielen Apparaten, die Stellwerke mit
ihren vielgliedrigen Netzen von elektrischen Kabeln, Führungs-
drähten rmd Signalvorrichtungen günstige Angriffspunkte für
die deutschen Luftstreitkräfte. Diese Anlagen waren des-
halb auch in erster Linie das Ziel für die Bomben, Daneben
waren jedoch auch Eisenbahnstrecken zum Zerstören geeignet,
wo die Geleise über Brücken und hohe Dämme oder durch
enge Täler liefen.
Die Schwierigkeiten der Ausführung waren zunächst
technischer Art. Da die wichtigsten Transporte immer zur
Nachtzeit rollen, mußten zunächst auch in der Dunkelheit
die Aufklürungsfahrten der Flieger fortgesetzt werden, die
bei Fackelbeleuchtung vom Standort aufstiegen und sich mit
Scheinwerfern die Schienen entlang tasteten. Hatte man
doch seit den Kämpfen um Antwerpen gelernt, sich durch
rechtzeitige Fliegermeldungen auch vor losgelassenen „wilden
Zügen" warnen zu lassen, um das Unheil dann mit leichter
Mühe noch abwenden zu können. Weitere Vorbereitungen
erforderte die Kampfbereitschaft der Luftfahrzeuge. Schon
die vorausgesandten Flieger waren durch den russischen
Grodno
Erläuterungen:
H Festung.
X 3 Bombenabwur/ am 3.VIII
Stellungen ApJSng August.
/V'ajäjt'ab
50
i
Kartenskizze zu dem Artikel «.Aufgaben der Luftschiffe beim
Eisenbahnrückzug".
Jnfanterie-Bahnschutz und durch Ballonabwehrgeschütze „be-
funkt" worden. Auch russische Panzerzüge mit Maschinen-
gewehren und Schnellfeucrgeschützen waren ihnen begegnet.
Es war deshalb vorauszusehen, daß beim Erscheinen der
bedeutend besseren Ziele, die Luftschiffe bieten, der Gegner
nicht untätig bleiben werde.
Über die Ausführung der Fahrten der deutschen Luft-
schiffe ist nicht viel in die Öffentlichkeit gedrungen» da man
daraus leicht Schlüsse auf Leistungsfähigkeit, Personalaus-
bildung und dergleichen hätte ziehen können. Stellt mau
jedoch die darüber in den deutschen Tagesberichten ent-
haltenen spärlichen Nachrichten zusammen, so ergeben sich
interessante Leistungen, die mancher Leser in ihrer Ge-
samtheit wohl nicht genügend gewürdigt hat, da man in
der allgemeinen Siegesfreude nicht darauf achtete.
So meldete das deutsche Haupiquartier am 3. August
1915: „Unsere im Osten zusammengezogenen Luftschiffe
unternahmen erfolgreiche Angriffe auf die Bahnlinieir östlich
von Warschau." Am 6. August wurden die Bahnhofanlagen
des Bahnknotenpunktes Bialystok mit Bomben belegt. Ebenso
warf ein Luftschiffgeschwader am folgendenTage auf die Bahn-
höfe Rowo-Minsk und Sjedlez Bomben. Am 11. ereilte die
Festungen Nowo - Georgiewsk
und Brest-Litowsk das gleiche
Schicksal, wobei hauptsächlich die
Bahnanlagen Treffer erhielten.
Am 12. Augustmeldete derdeut-
sche Tagesbericht noch eine Ein-
zelunternehmitng auf die an-
scheinend nicht ganz zerstörten,
oder seit dem 6. schon wieder
in gebrauchsfähigen Zustand
versetzten Betriebsgebäude von
Bialystok: „Eines unserer Luft-
schiffe belegte den Bahnhof
Bialystok mit Bomben. Größere
Erplosionen wurden beobach-
tet." Danach scheint es auch
nicht ausgeschlossen zu sein,
daß die Bomben Munitions-
schuppen oder auf den Ran-
giergleisen abgestellte Muni-
tionszüge entzündet haben.
Verfolgt man diese Angaben
auf der nebenstehenden Karten-
skizze, so wird man sehen, daß
sämtliche wichtigen Eisenbahn-
knotenpunkte mit Bomben be-
legt wurden. Keine einzige der
fünf großen Eisenbahnlinien
konnte ihren Betrieb ungestört
fortsetzen. Wie groß die ange-
richteten Schäden, die Men-
schen- und Zeitverluste der
Russen waren, konnte bei der
Schwierigkeit' der Luftschiff-
beobachtung natürlich nicht genau festgestellt werden. Auch
schweigt sich die feindliche Presse unter dem Druck ihrer
Zensur darüber vollständig aus. Das ist immerhin ein
gutes Zeichen.
In der darauffolgenden Woche wurde an der Bahn
Warschau—Erodno—Dünaburg auch die Stadt Wilna be-
worfen, und ein Flieger konnte einen Volltreffer melden
auf einen voll besetzten russischen Militärzug, den er kurz
vor der Einfahrt in Brest-Litowsk überholte und dessen vor-
derste Wagen er mit zwei Bomben zertrümnterte. Es dürfte
dabei viele Tote und Verwundete gegeben haben. Ebenso
infolge eines anderen Fliegervolltreffers, bei dem 40 Wagen
in Splitter gingen.
Wir sehen also beim modernen Eisenbahnrückzug die
Luftschiffe und Flieger in einer sehr großzügigen Eefechts-
tätigkeit gegen die dem Feinde zur Verfügung stehenden
Rückzugsschienenwege und seine rückwärtigen Verbindungen.
Damit übernehmen sie die Aufgaben der Kavalleriedivi-
sionen und der Kavalleriepatrouillen, wenn es diesen bei
den Stellungskämpfen noch nicht möglich ist, durchzubrechen;
oder sie arbeiten auch mit der Kavallerie Hand in Hand,
indem sie dieser die nächstgelegenen Aufklärungs- und Zer-
störungsziele überlassen und selbst oftmals mehrere hun-
dert Kilometer weit hinter die feindliche Front vordringen.
=1=
loo Km.
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
(Fortsetzung.)
In den großen und erbitterten Kämpfen vom 3. bis
7. Januar im äußersten Norden der Ostfront war es den
Russen gelungen, die deutsche Stellung im Raume von
Kalnzem an der Aa um ein geringes süd- und westwärts
zu drücken. Die deutsche Front in diesem Raume (siehe
die Kartenskizze Seite 132) führte im ersten Januardrittel
nach dem großen russischen Einbruchsversuch westlich von
dem Fischerdorfe Ragaasem und westlich von Kemmern an
die Bahn Tukkum—Riga; von dort strich sie in südöst-
licher Richtung nach dem Dorfe Rone an der Aa, über-
schritt diese bei dem auf gleicher Höhe liegenden Kalnzem,
lehnte sich an den Südrand des Tirulsumpfcs bis an die
Straße Mitau—Riga auf der Höhe des Ortes Olai an,
verlief weiter nördlich der Misse bis zum Dorfe Plakanen
und erreichte von dort in östlicher Richtung die Düna. Der
weite Raum Zwischen Misse und Aa war ausgefüllt von
Forsten und Sümpfen. Das gewaltigste und gefährlichste
Hindernis vor den Bollwerken Riga und Dünamünde war
der schwer zugängliche Tirulsumpf, der aber infolge der
starken Kälte fest gefroren war. Die Gunst der Verhältnisse
hatte den Feinden nur geringe Vorteile gebracht, deren
sie sich jedoch nicht lange erfreuen sollten. Der deutschen
Führung lag daran, mindestens den Sumpf als Grenz-
gebiet zwischen den beiderseitigen Stellungen zu behalten.
Die Vorbereitungen, die für die ins Auge gefaßte Wieder-
herstellung der Lage getroffen werden mußten, erforderten
kaum zwei Wochen Zeit. Mitau wurde auf einmal wieder
zum Mittelpunkt großer Truppentransporte. Massen von
deutschen Soldaten wurden hier einquartiert, Schlitten-
kolonnen zogen der Front zu, Autokolonnen ratterten Tag
und Nacht durch die Stadt und schafften Material und
Menschen herbei.
Die Russen, die Gegenstöße erwarteten, hatten kirgisische
Armierungsarbeiter herangeführt, die eine große Zahl von
Blockhäusern errichteten und sonstige neue Befestigungen
bauen mußten, die mit ausgezeichnet angelegten Flankie-
rungstellungen für Maschinengewehre versehen wurden.
Starke Stacheldrahthindernisse vervollständigten neben Ar-
tillerieverstärkungen auf der russischen Linie die Sicherung.
Die geschlagenen und fast aufgeriebenen lettischen Regi-
menter waren nach Kräften neu aufgefüllt worden, so daß
die Russen hoffen durften, den in Aussicht stehenden deut-
schen Unternehmungen nachdrücklich begegnen zu können.
Die Deutschen hatten
für ihren Gegenstoß ein
wesentlich weniger gün-
stiges Angriffsfeld als die
Russen zu Beginn der
Kämpfe; vorübergehend
eingetretenes Tauwetter
löste die Eisbande des
Sumpfes, und kurz da-
rauf einsetzender neuer
Frost vermochte nicht, die
tiefen Eranatlöcher und
mächtigen Einschlagstel-
len der Minen ganz zu
schließen. Am 23.Januar
begann nach schwerem
Artilleriefeuer, das von
beiden Seiten stark ge-
nährt wurde, der deutsche
Gegenstoß etwa auf und
zu beiden Seiten der
Linie Kalnzem—Olai in
einer Breite von 10 Kilo-
metern; es waren daran
m erster Linie ostpreußi-
sche Truppen, daneben
aber auch brandenburgi-
sche und mecklenburgische
Regimenter beteiligt. Be-
reits am Abend des 23.
3U beiden Seiten Phor, Herl. HUustral.-Ges. m. d. H.
aon Kalnzem, also auf Deutsche Erkundungsabteilung sucht sich eine Furt durch einen halb zugefrorenen Bach im russischen Walde.
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut sür den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1017 bq Union Teutsche Verlagsgesellschast in Stntigart.
VI. Baud. 21
beiden Aaufern, ein etwa S1/2 Kilometer breites Stück der
russischen Linien genommen. Knietief sankendie angreifenden
Ostpreußen in den an vielen Stellen nachgiebigen Sumpf ein,
aber dennoch arbeiteten sie sich kräftig vor, nicht achtend der
zähen Gegenwehr sibirischer und lettischer Truppen, unge-
achtet auch der bedeutenden feindlichen Übermacht. In der
Nacht zum 24. machte östlich der Aa nach heftiger Artillerie-
vorbereitung der rechte Flügel, der in den Kronforsten von
Mitau erbitterte Waldkämpfe zu bestehen hatte, gute Fort-
schritte. Er konnte eine Blockhausstellung umfassen, die sich,
von tapferen Sibiriern verteidigt, in einer Mulde nahe dem
östlichen Endpunkt der deutschen Angriffslinie befand.
Aller Widerstand der Besatzung half jedoch nichts; die Deut-
schen kämpften die festungsmäßigen Anlagen nieder, so daß
den Umzingelten nur der Verzicht auf jeden weiteren Wider-
stand übrigblieb. Sie ergaben sich, noch 400 Mann stark,
mit mehreren Maschinengewehren ihren Gegnern. Wie
hier, so eroberten auch an anderen Stellen des Kampfraumes
die vorwärtsdrängenden Angreifer trotz aller Schwierig-
keiten Stück um Stück des vorher verlorenen Geländes
zurück und brachten dabei bis zum Mittag des 24. Januars
schon 1400 Gefangene hinter ihre Front.
Auch am Rande des Tirulsumpfes westlich von der Aa, in
der Gegend von Rone, konnten die Ostpreußen den Gegner
bezwingen. Hier folgt der Tirulsumpf auf dem linken
Ufer der Aa der beträchtlich nach Westen ausbiegenden
Schleife des Flusses. Das Dünengelände hier und im
anschließenden östlichen Uferstück zwang die Angreifer zu
außergewöhnlicher Vorsicht, da es reiche Gelegenheit zur
Anlage versteckter Maschinengewehrstellungen bot. Be-
sonders schwer zu nehmende Hindernisse bildeten die an
den wichtigsten Düneneinschnitten errichteten gut bewehrten
Blockhäuser, die eine förmliche Belagerung erforderten.
Artillerie hämmerte auf sie ein und schwere Minen voll-
endeten das Zerstörungswerk. Wenn dann die Ostpreußen
vorstürmten, hatten sie oft noch schwere Arbeit zu tun, denn
die Russen wehrten sich tapfer und bedienten sich auch der
von ihren Gegnern hervorragend gut ausgebauten und wäh-
rend der vorausgegangenen Schlacht aufgegebenen Ver-
teidigungsanlagen, deren Haltbarkeit die Russen selbst rüh-
mend hervorhoben.
Unser Bild auf Seite 164/165 zeigt einen Angriff deut-
scher Stoßtruppen auf eine durch Artilleriefeuer bereits er-
162
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
schüttelte russische Feldstellung. Das Gelände an der kur-
ländischen Front wechselt Zwischen Düne, Sumpf und
Wald. Ost ist es ausgeschlossen, die Stellungen vertieft an-
zulegen, da entweder der nachstürzende Sand oder das
sumpfige Moor ein Erabensystem unmöglich machen. Die
Befestigung der Verteidigungsanlagen kann dann nur durch
ausgiebige Verwendung von Baumstämmen und Sandsäcken
erreicht jwerden. Mitunter benützten die Russen in ihren
Stellungen auch fahrbare Stahlschilde, die jedoch ebenso-
wenig wie die aus Riga herbeigeholten Schiffsgcschütze dem
Wirkungsfeuer deutscher Artillerie gewachsen waren. Durch
Minenwerfer und von einzelnen Leuten getragene Flam-
menwerfer wurden die Holzbauten gelegentlich mitsamt
den Drahthindernissen in Brand gesetzt. Dadurch zeigten
sich den Angreifern, die sich auch dank ihrer ausgezeichneten
Gasmasken durch die- russischen Easgeschosse nicht aufhalten
ließen, die Lücken, an denen ein Einbruch am schnellsten
zum Erfolg führen würde. War dieser gelungen, so wurde
der Graben nach rechts und links gesäubert, die Unterstände
aufgeräumt, die Sappen verriegelt und in Erwartung des
feindlichen Gegenstoßes die Stellung um- und ausgebaut.
Das Gesamtergebnis des Vorstoßes am 24. Januar war der
Wiedergewinn des größten Teiles der früher aufgegebenen
deutschen Linien. Die Beute betrug 14 Offiziere und
1700 Mann an Gefangenen und 13 Maschinengewehre.
In dem schwierigen Gelände auf dem westlichen Ufer
der Aa konnten ostpreußische Reservetruppen den Wieder-
gewinn durch tapfere und erfolgreiche Vorstöße erweitern.
Das hartnäckige Ringen um neue Blockhäuserstellungen
verzögerte zwar das Vordringen, machte es aber nicht unmög-
lich. Am Abend des 25. hatten die Deutschen die gesamte
verlorengegangene Hauptstcllung wieder inne und 400 neue
Gefangene eingebracht. Während auch am folgenden Tage
auf dem linken Aaufer Fortschritte gemacht wurden, kam der
Angriff auf dem östlichen Ufer infolge starker Gegenmaß-
nahmen der Russen nicht voran. Da bei ihnen die Menschen
versagten und die Wirkung ihrer Granaten nicht ausgereicht
hatte, wollten sie die Deutschen durch einen schweren Gas-
angriff niederringen. Ein ausbrechendesSchneegc stöber schien
ihrem Vorhaben günstig zu sein, doch die deutschen Horch-
posten deuteten das scharfe Zischen, das von den russischen
Stellungen herüberdrano, richtig und veranlaßten Gasalarm.
In mustergültiger Ordnung trafen die Deutschen ihre Vor-
bereitungen. Im Ru waren die Schutzmasken über den
Kopf gezogen und gut befestigt. Da kroch in der Gegend
der Straße von Riga nach Mitau bei Olai auch schon eine
fünf Meter hohe Nebelwand heran, die so dichr war, daß
selbst in sie hineingcschossene Leuchtkugeln die Wolke nicht
aufhellen konnten. Der ersten Elstwelle folgte kurz danach
eine zweite» die aber erheblich dünner als ihre Vorgängerin
war. Gleichzeitig eröffnete die russische Artillerie ein
starkes Trommelfeuer und streute über die östliche Flanke
der deutschen Stellung in wenigen Minuten 2000 Gas-
granaten aus. Nun glaubte der Feind die Deutschen
ausgeräuchert zu haben und schickte zur Aufklärung zu-
nächst starke Jagdkommandos aus. Diese wurden mit
vernichtendem Feuer empfangen, so daß die Feinde nach
diesem unerwarteten Ergebnis ihres Gasangriffes keine
Lust mehr verspürten, einen Massenstoß zu wagen. Die
Easschutzmittel der deutschen Soldaten hatten sich vortreff-
lich bewährt; es trat kein einziger Todesfall infolge Gas-
vergiftung ein.
"Nach Abwehr weiterer kraftvoller russischer Gegenstöße
griffen die Deutschen am 6. Schlachttage, dem 27. Januar,
rechts von der Aa im Dünengelände von Kalnzem die
Vorstellungen der sogenannten Bergmanndüne an und ver-
mochten die Russen erheblich zurückzudrücken, obwohl gerade
an dieser Stelle die Kirgisen in der Anlage von geheimen
Maschinengewehrständen besonders gut gearbeitet hatten.
Am 28. war die letzte Vorstellung vor der Düne genommen
worden, nun galt der Angriff dieser selbst.
Die Russen hatten in der Düne durch miteinander kreuz
und quer verbundene Gräben eine in vielen Reihen hinter-
einander liegende, sehr
starke und unübersichtliche
Verteidigungstellung ein-
gerichtet. Der Einblick
in sie war zudem noch
erschwert durch dichten
Nadelwald, der durch wil-
des und dichtes Gestrüpp
fast ganz ungangbar ge-
macht wurde. Erst in
30 Metern Nähe waren
die Gräben als solche
überhaupt zu erkennen.
Eine besonders wuchtige
Artillerievorbereitung,
die auch vom linken Ufer
der Aa kräftig unterstützt
wurde, schlug Bresche in
das schwere Hindernis.
Durch kühne nächtliche
Überfälle waren den
Feinden in der voraus-
gegangenen Nacht auch
schon flankierende Ma-
schinengewehrstellungen
entrissen worden. Der
entscheidende Angriff der
Sturmtruppen erfolgte
morgens um achteinhalb
Uhr und kostete den Rus-
sen Zahlreiche blutige Opfer und viele Gefangene. Die
wichtige Stellung wurde vollständig erobert, aber die
Russen unternahmen sehr bald schwere Gegenstöße zu ihrer
Wiedererstürmung. Durch Artillerie und mit Flügelminen
wurden die neuen deutschen Linien beschossen. Um zwölf
Uhr brachen die russischen Regimenter zum ersten Gegenan-
griff aus ihren Gräben vor, ein Zweiter Ansturm folgte nach
äußerst gründlicher Vorbereitung durch Trommelfeuer um
vier Uhr nachmittags. Die Ostpreußen schlugen die russischen
Vorstöße kaltblütig ab und fügten den Feinden furchtbare
Verluste zu. In diesen Kämpfen wurde eine ganze russische
Division nahezu vollständig aufgerieben; die Deutschen da-
gegen hatten verhältnismäßig geringe Opfer zu bringen.
Sie nahmen überdies 14 Offiziere und mehr als 900 Mann
gefangen und erbeuteten 15 Maschinengewehre.
Mit weiteren feindlichen Gegenstößen war zu rechnen.
Was die deutsche Artillerie von den russischen Stellungen
übrig gelassen hatte, war ein fast unentwirrbares Durch-
einander von Balken, Splittern, Erd- und Eisschollen.
In größter Eile mußten deshalb die Trümmerstätten zu-
nächst einmal wieder zur Verteidigung hergerichtet werden.
In Nacht und Eis taten die wackeren Truppen ihre harte
Pflicht und überwanden große Schwierigkeiten. Neue
Gräben wurden gegen die russische Front vorgetrieben
(siehe Bild Seite 163) und Vorbereitungen zu neuen Wer-
fällen getroffen. Trotzdem mußte in den letzten Tagen des
Januars von weiteren Unternehmungen wegen der Kälte
Vorgetriebener deutscher Schützengraben mit Beobachtungsposten an der kurländischen Front.
Nach pftter Oniainalreichnnna non fi'urf' Alftnpchi
'
■ . ’■ >
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
vorläufig abgesehen werden. Bei 30
Grad und mehr unter Null ließ sich kein
erfolgversprechender Angriff mehr aus-
führen» wenn die Kämpfer auch ihr
Bestes hergegeben hätten.
Während die Schlacht bei Riga vor-
bereitet und geschlagen wurde, blieb es
an der übrigen Front des Prinzen Leo-
pold verhältnismäßig ruhig; nur die
Tätigkeit der Erkundungsabteilungen
war lebhaft. Immer wieder brachen
einzelne kleine Truppe mit großer Kühn-
heit in die russischen Linien ein, so
westlich von Luck, wo am 24. Januar
Teile rheinischer Regimenter aus dem
Dorfe Semerynki 14 Gefangene hol-
ten. Auch auf feindlicher Seite er-
folgten gewaltsame Erkundungen. Eine
der umfangreichsten wurde am 28. Ja-
nuar gegen die osmanischen Truppen
des 15. Korps an der Zlota Lipa unter-
nommen. Der russische Massenstoß ge-
langte auch teilweise in die türkischen
Gräben, doch setzten die Türken un-
verzüglich einen Gegenangriff an, dem
die Russen nicht standhalten konnten.
Sie wurden trotz verzweifelter Gegen-
wehr zurückgetrieben und bis über den
zweiten Graben ihrer Ausgangstellungen
hinaus verfolgt.
An der Front des Erzherzogs Joseph
fanden im Verlaufe des Januars, na-
mentlich im Mesticanestigebiet, erbit-
terte Angriffe der Russen statt. 30 Kilo-
meter nördlich von der Dreiländerecke,
wo Ungarn, die Bukowina und Rumä-
nien zusammenstoßen, führt eine Eisen-
bahnlinie und die wichtige Paßstraße von
Kimpolung über das Mesticanestigebiet
nach der Goldenen Bistritz, an der sich
flußabwärts die Straße nach Dorna
Watra öffnet. Dorthin hatten die Rus-
sen trotz zahlreicher Umgehungs- und
Durchbruchsversuche vonOsten und Süd-
osten und trotz monatelanger Kämpfe
nicht kommen können. Nun wollte sich
General Letschitzki den Weg von Norden
an die Goldene Bistritz bahnen, um
von hier aus einen Keil zwischen die in
der Bukowina und die in Rumänien
fechtenden Streitkräfte der Mittelmächte
zu treiben und die Linie der verbün-
deten Kämpfer in Rumänien womög-
lich aufzurollen. Dieser Weg führte durch
das Mesticanestigebiet. Nur schwache
Streitkräfte von Gendarmen, Honved
und abgesessenen Kavalleristen des
Obersten Papp konnten in dem wilden
Berggebiet den Feinden entgegengestellt
werden, aber die wenigen Männer
zeigten sich der russischen Abermacht ge-
wachsen.
Vor Eintritt des Winters gelang es
den Russen trotz starker Artillerie und
Infanterie, die hier eingesetzt wurde,
nur, den östlichen Tunnelausgang des
Mesticanesti zu erreichen und festzuhalten. Dann kam die
strenge Kälte, die überall hemmend wirkte. General Let-
schitzki meinte jedoch, daß die Kälte seinen Absichten gerade
günstig sei, und er setzte deshalb um die Mitte des Januars
äußerst schwere Angriffe gegen das Mesticanestigebiet an.
In der Dämmerung eines Winternachmittags brachen nach
kurzem, aber nachdrücklichem Trommelfeuer die Russen
gegen die Stellungen der Verbündeten vor, doch konnten
sie im Sperrfeuer der österreichisch-ungarischen Artillerie
nicht vorwärts kommen. Nach dem völligen Mißlingen
dieses Überrumpelungsversuches bereitete der russische Füh-
rer einen anderen Angriff vor, indem er seine Streitkrüfte,
vor allem die Artillerie, vermehrte.
Vom 27. Januar an kam es dann zu einer ganzen Reihe
Illustrierte Eeschichttz des Weltkrieges 1914/17.
165
Angriff deutscher Stoßtruppen an der Dünafront.
Nach einer Originalzeichnung von Ad. Wald.
äußerst wuchtiger Vorstöße, die für die Russen ungewöhnlich
opferreich waren. Je ein Kampftag und ein Ruhetag
folgten einander in diesem Abschnitt bis über den Aus-
gang des Monats Januar hinaus. Aber den Russen
gelang es nicht, eine endgültige Entscheidung herbeizu-
führen. Zehnfacher russischer Übermacht gegenüber gaben
die Österreicher und Ungarn zwar ihre vorderste Linie preis,
doch ihre Nachhuten hinderten den Feind am raschen Nach-
drängen und verschafften dadurch den Hauptkräften die
Möglichkeit, sich in einer längst vorbereiteten rückwärtigen
Stellung einzurichten. Als die Feinde über wahre Haufen
toter Russen in die von den k. u. k. Truppen aufgegebenen
Stellungen eindrangen, fanden sie diese vom Trommelfeuer
völlig vernichtet und unbrauchbar vor und mußten sich erst
einmal zu sichern trachten, was nicht ohne neue Verluste
abging. Im Dunkel des ein Kilometer langen Tunnels
von Mesticanesti, dessen Westausgang in den Händen der
Verteidiger blieb, spielten sich furchtbare Handgranaten-
kämpfe ab, in denen die Russen trotz zahlreicher Opfer nicht
die Oberhand gewinnen konnten. Nach vier ganz großen
Stürmen war Letschitzki nicht über zwei bis drei Berg-
kuppen vorangekommen. Sämtliche Randhöhen auf dem
westlichen Ufer der Goldenen Bistritz blieben im Besitz der
Österreicher und Ungarn.
Den Anschluß an das Mesticanestigebiet bildete die Front
in Rumänien, wo um den nördlichen Teil der Serethlinie
gerungen wurde. Das Trotustal wie das Slanic-, Casinu-
und Putnatal blieben auch im Monat Januar der Schau-
platz kraftvoller Vorstöße der Truppen
der Mittelmächte und verzweifelter
Gegenangriffe der Russen und der hier
noch kämpfenden Reste des rumänischen
Heeres. Am 18. Januar erschien die
70. Verlustliste der Rumänen. In ihrer
Endaufrechnung wies sie die Namen
von 376 538 Mannschaften und 11 349
Offizieren, darunter 16 Generalen, als
gefallen, verwundet und vermißt auf.
Hierzu kamen bis Ende Januar noch
über 200 000 Gefangene. Die fort-
schreitenden Aufräumungsarbeiten för-
derten weitere Ergebnisse über die Zahl
der rumänjschenToten zutage; imRaume
von Campolung zählte man auf einem
einzigen Quadratkilometer 6000 tote
Rumänen. Überall tauchten gegen Ende
des Januars in Dörfern und Städten
auch noch Hunderte vollkommen ver-
wilderter rumänischer Soldaten auf,
die sich wegen des harten Winters in
ihren abgelegenen Schlupfwinkeln nicht
mehr zu halten vermochten. Unter Be-
rücksichtigung aller Umstände konnte an-
genommen werden, daß den Rumänen
von den 600 000 Mann, mit denen sie
in den Krieg gezogen waren, wenig
mehr als 100 000 geblieben sein dürften.
Um den 20. Januar nahmen unter
der Einwirkung des Winters die Zusam-
menstöße der Gegner allmählich auf der
ganzen Linie an Zahl und Wucht ab.
Am heftigsten wurde noch im Gebirge
in den zum Sereth führenden Tälern
gefochten, wobei manch schneidiger Vor-
stoß gute Ergebnisse brachte. Ebenso
erfolgreich erwies sich auch wieder das
gruppenweise Heranpirschen der Deut-
schen, wie es die Feinde schon An-
fang November in den rumänischen
Karpathen kennen gelernt hatten (siehe
Bild Seite 166).
In den letzten Januartagen kam die
Eefechtstätigkeit auf der ganzen Front
zur Ruhe. Zwar waren auf seiten der
Angreifer, als ununterbrochene Schnee-
fälle eintraten, alle Gefährte in Schlitten
umgewandelt und auch sonst alle ent-
sprechenden Vorkehrungen getroffen
worden, für die die Truppen in den
Karpathen in zwei Wintern die Er-
fahrungen gesammelt hatten, aber der
Schnee deckte alle Ziele mit seiner
weißen Decke zu, und Schneegestöber
verwehrte der Artillerie die Feststellung
ihrer Treffergebnisse. Schnee und Kälte
trieb die Erabenbesatzungen indie Unter-
stände, Schnee deckte auch die Schützen-
gräben zu und machte in ihnen jeden
regelrechten Verkehr unmöglich.
Am mittleren und unteren Sereth
waren die Verhältnisse günstiger, und
die Truppen der Mittelmächte befanden
sich durchweg in besseren Stellungen
als die Feinde. Am Miitelpfeiler der
Serethlinie, bei Fundeni, konnte die stark südwestlich aus-
biegende Flußschleife des Sereth ständig unter Feuer ge-
halten werden, so daß die Gegner dauernd Verluste erlit-
ten. Auch die Festung Galatz stand weiterhin unter plan-
mäßigem Artilleriefeuer, durch das alle russisch-rumänischen
Befestigungen nach und nach immer mehr litten.
Zur Regelung und Sicherstellung der Nachschübe für
die verbündeten Streitkräfte war es besonders günstig, daß
sie die großen Orte Braila, Rimnicul-Sarat und Focsani
ihren Zwecken dienstbar machen konnten. Munition und
Truppen mußten ständig nach vorn gebracht und der Wichtig-
keit der Abschnitte entsprechend verteilt werden (siehe die
Bilder Seite 167). Die eingetretene Kampfpause erleichterte
die Versorgung der Truppen wesentlich, und sie ermög-
166
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
lichte gleichzeitig die Abfuhr der erbeuteten großen Vor-
räte an Bodenschätzen des Landes. Hauptsächlich wurden
auch Petroleum und Benzin aus den Bukarester Lagern
(siehe die Bilder Seite 168) in ihre Bestimmungsorte gesandt.
Für die Soldaten, die auf diesem Teil der Front
verwundet wurden, hatten die Bulgaren unter anderem
auch in Constanza, dem Hafen am Schwarzen Meer (siehe
die Bilder Seite 169), Lazarette errichtet, die mit allen
nötigen Einrichtungen versehen waren und wo Verwun-
dete und Kranke Genesung und Erholung finden konnten.
Gerade dieser Küstenort hatte für diesen Zweck seine be-
sonderen Vorzüge.
An der Front in Mazedonien setzten Sarrails Truppen
ihre Fcuerüberfälle mit anschließenden überraschenden Vor-
stößen fort. Ein Erfolg war ihnen aber damit weder an
nach Konstantinopel, sollte anscheinend aber doch noch ein-
mal von Sarrail versucht werden. Dieser hatte auch größere
Bewegungsfreiheit gewonnen, weil sich die Gefahr, die
von Griechenland drohte, verringert hatte. Die grie-
chische Regierung wurde durch die Blockade der Vierver-
bandsmächte gezwungen, die Bedingungen der „Schutz-
mächte" zu erfüllen. Die Athener Garnison huldigte so-
gar, wie verlangt, den Flaggen der „Schutzmächte", was
mit als Genugtuung für den Aufstand der Bevölkerung
und von Teilen der griechischen Armee, der sich im De-
zember 1916 ereignete, gelten sollte. Auch der Abtrans-
port der griechischen Soldaten und Waffen nach dem
Peloponnes wurde ausgeführt.
Die Italiener hatten ihre neue Offensive noch nicht
begonnen, sondern waren immer noch mit Vorbereitungen
Vorgehen einer deutschen Jnfanterieabkeilung im Sturm gegen Monte Miglele (1298 Meter) in den rumänischen Karpathen (Anfang November 1916).
Nach einer Originalzeichnung des auf dem rumänischen Kriegschauplatz weilenden Kriegsmalers A. Reich-München.
der Struma, noch am Doiransee, noch im Cernabogen,
wo die Hauptangriffe im Monat Januar stattfanden, be-
schieden. Dagegen machten Erkundungsabteilungen des
Vierbunds öfter auf allen Teilen der Front Gefangene und
gute Beute.
Uber das Schicksal der Armee Sarrails war man sich im
Vierverbaudslager immer noch nicht einig: man konnte sich
nicht darüber klar werden, ob es besser sei, die Armee ganz
zurückzuziehen oder ihren Bestand zu erhöhen. Zudem
mehrten sich unter dem Druck der verstärkten Truppen der
Mittelmächte die Schwierigkeiten, die sich der Versorgung
der Armee entgegenstellten, so sehr, daß die Italiener
den Anforderungen nicht gewachsen waren und infolge deut-
scher und bulgarischer Truppenbewegungen ihre Verbindung
mit Valona wieder ausgeben mußten. Mit den Fortschritten
der Vierbundsarmee in Rumänien war ja eigentlich auch die
Ausführung des großzügigen Planes des Vierverbands, über
den Balkan hinweg eine Verbindung mit Rußland zu ge-
winnen, unmöglich geworden. Ein Angriff auf die „Lebens-
ader" der Mittelmächte, die Bahnverbindung von Berlin
beschäftigt. Die dadurch eingetretene Kampfpause gab
auch den Österreichern und Ungarn Zeit und Gelegenheit,
ihre Stellungen im Gebirge weiter auszubauen und ihnen
größere Widerstandsfähigkeit, als sie bisher schon besaßen,
zu verleihen. Sie hatten Zeit gehabt, Maschinen und
Material aller Art zum Bohren und Sprengen im harten
Fels heranzuschaffen und mit ihrer Hilfe Schutzbauten zu
errichten, gegen die auch das feindliche Artilleriefeuer nichts
ausrichten konnte. Für das leibliche Wohl der Mannschaften
wurde ebenfalls trefflich gesorgt. In größeren Felsenhöhlen,
die sich nicht weit hinter der Feuerlinie befanden, siedelten sich
Feldküchen an (siehe Bild Seite 171), aus denen sich die
Soldaten warme Speisen und Getränke holen konnten.
Gegen Ende Januar hatte eine kräftige Bora den
Himmel reingefegt und gute Sicht geschaffen; Artillerie
und Flieger machten sich auf beiden Seiten das günstige
Wetter zunutze. Aber auch die Infanterie geriet in leb-
hafte Bewegung. K. u. k. Abteilungen gingen an zahl-
reichen Punkten der Karstfrout überraschend aus ihren
Stellungen zu Sturmangriffen vor, um gewaltsame Er-
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
167
kundungen auszuführen
/stehe Bild Seite 170).
In der Nähe von Eörz
überfiel ein österreichisch-
ungarisches Jagdkom-
mando am 22. Januar
einen feindlichen Graben,
holte daraus 3 Offiziere,
134 Mann und 3 Ma-
schinengewehre und
kehrte dann plangemäß
in seine Stellungen zu-
rück. Im Abschnitt östlich
von dem Doberdosee
stürmte in der Nacht zunr
28. Januar eine Abtei-
lung des Infanterieregi-
ments Nr. 91 gegen die
italienischen Gräben vor
und nahm 31 Italiener
gefangen. Tags darauf
glückten den k. u. k. Streit-
kräften auch im Eörzi-
schen an zwei Punkten
Aberfälle. Das Infan-
terieregiment Nr. 71
drang bei Kostanjovica in
die feindlichen Stellun-
gen ein, die nach Über-
windung kräftigen Wider-
standes der Italiener zer-
stört wurden. Dann kehrte
Deutsche Munitionsverladestelle in der Walachei.
es mit 146 Gefangenen und 2 Maschinengewehren zurück.
Ebenfalls2 Maschinengewehre und dazu 27 Gefangene brach-
ten Abteilungen des Landsturminfanterieregiments Nr. 2 von
einem ähnlichen Aberfall bei Dertojba zurück. «Forts, folgt.»
Illustrierte Kriegsberichte.
Heldentat des Majors Viola.
Von Roda-Roda.
Der Karpathenwinter ist überaus rauh; im Ostteil
Siebenbürgens setzt er noch früher ein und ist noch stetiger,
noch anhaltender als sonst irgendwo in den Randbergen
Ungarns. Der Soldatenwitz hat für Siebenbürgen nicht
umsonst den Namen „Siebenbirien" erfunden. Die Öster-
reicher und Ungarn hatten bei ihrem Vorrücken über die
Berggrenze an den Se-
reth Schnee und Kälte
arg zu spüren.
Von __ Csik-Szereda
führen eine Straße und
eine Eisenbahn über den
Eyimespaß nach Tirgul
Ocna, in die Moldau.
Der Eyimespaß ist ein-
gepreßt von dichtbewal-
deten, schwarztannichten,
weglosen Hängen. Rechts
liegt eine Ruine aus Ra-
koczys oder noch älteren
Zeiten und ein Kirchlein.
Ouer überbrückt den Paß
ein Viadukt; darauf setzt
die Eisenbahn über die
Straße und den Tatros-
bach. Der Viadukt ist un-
versehrt. Hinter ihm be-
ginnt der Schlauch ins
Rumänische, anderthalb
Kilometer lang. Außer-
halb des Passes ist kein
Fortkommen, im Urwald
keine Orientierung.
Die 7.rumänische Di-
vision hatte sichaufihrem
Rückzug aus Siebenbür-
gen am Fuß des Csikge-
birges bei Szepviz zu
kurzem Widerstand ge-
stellt.» wurde aber von Honvedtruppen überrannt. Das
Dörfchen Szepviz lohte bis auf ein paar Hütten durch
Brandgranaten auf. Die rumänische Division flutete durch
den Paß in die Moldauebene.
Bei Palanka, am Ostausgang des Passes, war noch
ein Nachhutgeplänkel um Zeitgewinn; der rumänische
Train wäre sonst erstickt in dem schmalen Bachtal, das sich
an den Schlauch schließt.
Der Feind hatte hier in Friedenszeiten sehr umfang-
An die Front ziehende Bosniaken in Rinrnicul-Sarat.
F.u.F.
168
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
reiche Befestigungen errichtet. Rasch
gelangten die k. u. k. Truppen in den
Besitz der ersten rumänischen Verteidi-
gungslinie- Sie ist auch die letzte. Der
im leichten Ansturm nach der Kriegs-
erklärung so glückliche, siegesbewußte
Gegner dachte nicht daran, daß er zwölf
Tage nach der Bedrohung Szaszregens
und Marosvasarhelys auf eigenem
Gebiet zu kämpfen haben würde, und
er ließ den Weg von der Grenze bis
zum Sereth offen.
Eines Tages überschritten ungari-
sche Regimenter bei der Verfolgung der
Rumänen den Eyimespaß; ihre Vor-
huten strebten schon dem Bahn- und
Stratzenknotenpunkt Comanesci, der
Moldauebene zu. Auch südlich der
Paßstraße, aufdenBegleithöhen, waren
östcrreichisch-ungarische Kräfte im Vor-
rückern Die Gefahr eines Durchbruchs
der rumänischen Front lag nahe; hier
oder dort würden sich die Angreifer
zwischen die rumänische Hauptmacht
und den kurzen gegnerischen Nord-
flügel, gröber gesagt, zwischen Ru-
mänen und Russen zwängen. Dann
wäre alles verloren; man mußte die
Österreicher und Ungarn um jeden
Preis aufhalten. Der Kronprinz von
Rumänien eilte selbst heran, um Offi-
zier und Mann zur entschiedensten
Tapferkeit zu mahnen.
Die Bedrängnis der 7. Division
wuchs, als kaiserliche Truppen über-
dies aus dem Uztal, weit südlich des
Gyimespasses, kamen und bei Dar-
manesti die Straße nach Tirgul Ocna,
die einzige Rückzugslinie, offenbar
sperren wollten.
Rur eine waghalsige Tat konnte
Rettung bringen. Die Tat geschah,
aber Rettung brachte sie nicht — dank
dem Mut und der Entschlußfähigkeit
unseres Majors Viola.
Der Hergang spielte sich ab wie folgt:
Die ungarischen Verfolger mar-
schierten den Rumänen auf der Eyi-
messtraße nach in der Richtung auf Co-
manesci. Ordnung: Vorhut, in einiger
Entfernung das Infanterieregiment
Viola, dann Artillerie und Train, da-
hinter wieder Infanterie.
Die Rumänen hatten sich bei Straja
zumWiderstand gerüstet und beschossen
von da aus auf das ausgiebigste un-
sere Vorhut mit Kanonen. Gleichzeitig
kehrte die 14. rumänische Brigade, durch
Ortskundige geführt, auf der Eyimes-
straße um, bog nach Norden in die
Wälder und ging dann zurück auf die
Reichsgrenze zu. Während die Haupt-
macht der 7. Division die Unseren auf
der Straße selbst aufzuhalten und zu
beschäftigen hatte, sollte die abgetrennte
rumänische Brigade uns weit nördlich
umgehen und im Rücken fassen. Die
der 7. Division zugeteilte 14. Brigade
des Feindes erkletterte bei Nacht ohne
Weg und Steg den Monte Muncelu.
Einige Gefangene sagten aus, daß
man absichtlich ohne Sicherung vor-
ging, um sich nicht durch kleine Ab-
teilungen, die in unsere Hände fallen
konnten, zu verraten. Die Gewehre
waren nicht geladen, damit kein Schuß
vorzeitig knalle, ui d die Pferde ließ
man zurück, um Geräusche möglichst
zu vermeiden. Die Maschinengewehre
wurden von Soldaten aufden Schultern
Abtransport von Petroleum aus den rumänischen Raffinerien am Bahnhof von Bukarest.
Wegführen wohlgefüllter Benzinwagen Ln Bukarest.
Die unversehrten Petroleumlager am Bukarester Bahnhof unter deutscher Aufsicht.
Die Sicherung der erbeuteten Petroleum- und Benzinvorräte Ln Bukarest.
Phot. M. F. u. F.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
169
getragen und kleine Infanteriegeschütze zog die Mann-
schaft. Nach zwölf Stunden Marsches war der Gegner auf
der Höhe von Agasa, den Unseren genau in der Flanke.
Nun verzweigte sich die 14. Brigade auf drei Ziele: em
Teil ging nach Osten, dem Regiment jenes Majors Viola,
das die Spitze bildete, in den Rücken; der zweite und
schwächste Teil, gleichsam die feindliche Reserveabteilung
in der Richtung Agasu, wartete einstweilen zu; der dritte
Teil endlich stürzte sich westwärts auf die k. u. k. Nachhut,
um sie am Eingreifen zugunsten Violas zu hindern. So-
mit stand das Regiment Viola zwischen zwei Feuern: den
Kanonen und dem rumänischen Eros von Straja einer-
seits und dem linken Teil der 14. Brigade vom Monte
Muncelu anderseits.
Im übersichts- und verbindungslosen Urwald müssen
überspitzte, wenn auch noch so gut ausgedachte, noch so
kühn durchgeführte Unternehmungen mißlingen. Auch die
Rumänen hatten kein Glück. Ihr Verhängnis kam von
der Muncelumittelgruppe, der Reserve.
Der Kommandant dieser Reserve stand beobachtend ein
Kilometer weit im Wald, oberhalb Agasu, als er unten auf
der Gyimesstraße unsere Artillerie und den Train friedlich
und ahnungslos, singend in den Tag hinein marschieren sah.
weil die Reserve vorwitzig losging, weil die Hauptmacht der
7. Division bei Straja, durch unsere Vorhut eingeschüchtert,
versagte; weil... nun, weil eben auf dem Kriegstheater
verwickelte Handlungen meistens stocken, nicht jeder Mit-
wirkende auf das Stichwort aus der Kulisse tritt.
Die Verwaltung von „Ober-Ost".
Von Dr. Hermann Schönleber.
II.
Die größte und dringlichste Sorge der Verwaltung lag
Zunächst auf dem Gebiet des Wirtschaftslebens und der
Gesundheitspflege. Die Menschen mußten leben und zu
essen haben, und sie mußten gesund sein, das letztere be-
sonders auch der ständigen Berührung mit unseren Truppen
halber. Was zunächst die Gesundheitspflege anbelangt,
so fanden die Deutschen bei ihrem Einzug geradezu eine
Wüste vor. Hygiene im neuzeitlichen Sinn war selbst in
den Städten ein kaum bekannter Begriff. Der Arzte waren
wenige und die wenigen nicht viel wert, ebenso die Apo-
theker. Wenn Seuchen wie Cholera, Pocken, Flecktyphus
und so fort unter der einheimischen Bevölkerung nicht ver
Phot. A. »«Bit.
Bulgarischer Verlvundetenlransport in einer Straße von Constanza.
Er, wie jeder andere an seiner Stelle, knatterte los.
Ungeheure Verwirrung in den Bespannungen. Pferde
fallen, ratlose Kutscher flüchten, Fuhrwerke stürzen bunt
durcheinander. Im ersten Augenblick sieht es wie ein
rumänischer Sieg, wie eine Katastrophe aus.
Und dann rasch, nach einer Stunde Fechtens schon,
kam die Lösung.
Major Viola von dem an der Spitze ziehenden Regi-
ment, vorn aus Straja von dichten Scharen und von Ar-
tillerie beschossen, hört den Lärm des Gefechtes hinter sich.
Sofort begreift er den Zusammenhang. „Die Vorhut —
Zugriff auf Straja! Das Regiment — kehrt, gegen die
umgehende Muncelubrigade!"
Major Viola läßt Kompanien nach Norden ausschwärmen
und die Munceluleute umfassen, von ihrer Hauptmacht
abschneiden.
Das Ergebnis war überraschend. Die 14. Brigade hatte
aufgehört zu sein; der Brigadier, ein Regimentskommandant,
Bataillonskommandant, zwei Kompanieführer und zwölf
Dfflziere hatten sich auf Gnade oder Ungnade ergeben; die
Mehrheit der Mannschaft warf die Waffen und die Rüstung
hinter sich und war weit weg, nach Nordosten in die Berge
geflohen.
Der Streich der feindlichen Brigade war fehlgeschlagen,
VI. Band.
Phot. A. Grohs, Berlin.
Deutscher Offizier auf der Strandpromenade von Constanza.
heerender auftraten, so kam dies nur daher, daß diese durch
die ständige Wiederkehr zum großen Teil immunisiert war.
Hier setzte nun die deutsche Verwaltung ein mit dem ganzen
Rüstzeug der deutschen Wissenschaft, den Augiasstall rück-
sichtslos auszufegen: Impfung, Entlausung, Desinfektion,
Säuberung der Straßen, Gewässer und Brunnen, Reglung
der Aborte, des Abfuhrwesens, der Kanalisation, Kontrolle
der Lebensmittel. Ganze große Stadtbevölkerungen wur-
den und werden in die Entlausungsanstalten geführt, und
zwar in regelmäßiger Wiederkehr. Das war, wie so manches
andere, lästig für die Betroffenen, aber der Erfolg war
durchschlagend. In Wilna, wo die Verhältnisse besonders
betrübend gelegen hatten, wurde die Sterblichkeit binnen
Jahresfrist auf ein Drittel herabgedrückt, die Cholera war
ganz beseitigt, Typhus nur noch vereinzelt, Flecktyphus in
ständiger Abnahme. Man konnte unsere Truppen, zumal
auch bei ihnen alle hygienische Vorsorge getroffen ist,
ohne Furcht in die Städte und Dörfer legen. .
Die wirtschaftlichen Quellen des Landes wieder fließen
zu machen, konnte nach Lage der Dinge nur teilweise und
nur allmählich gelingen. Wilnas blühender Handel war
mit einmal abgerissen und vorderhand nicht wieder her-
zustellen; die Industrie, hauptsächlich in dem Bezirk Bialy-
stok-Erodno zu Hause, leidet wie bei uns daheim an dem
170
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Berl. Jllustrat.-Gef. m. b. H.
Sturmangriff österreichisch-ungarischer Truppen an dev italienischen Front.
Mangel an Rohstoffen. Aber ein Glück für das Land
ist es, daß sein Hauptwert und seine Hauptkraft in seinem
Boden, in seiner Land- und Forstwirtschaft ruhen. Mit
einer richtigen, auf wissenschaftlichen Grundsätzen fußenden
Nutzung der ungeheuren Forsten des Landes, besonders des
Südens, hat erst der Deutsche begonnen. Ohne Raubbau
zu treiben und überall, wo er Holz schlug, für alsbaldige
Wiederaufforstung besorgt, hat er Millionenwerte flüssig
gemacht, die dem Lande und dem Bedarf des Heeres und
der Marine zugute kommen. Die forstwirtschaftliche Er-
schließung des großen Waldes von Bialowicz, jenes ge-
waltigen kaiserlichen Jagdgeheges südlich von Bialystok,
ist geradezu ein Muster- und Meisterwerk zu nennen, das
um so höher anzuerkennen ist, als dem Charakter des Waldes
als einzigartigem Naturdenkmal nicht zu nahe getreten ist.
Und aus der Landwirtschaft des Gebietes von Obost hat
die deutsche Verwaltung trotz der Verwüstung des Landes,
trotz seiner Entblößung von Menschen, Vieh und Gespannen,
trotz vielfach ausgefallener Winterbestellung.und trotz einer
nach besseren Hoffnungen schließlich doch enttäuschenden
Ernte dank zielbewußter umfassender Arbeit und An-
spannung aller irgend verfügbaren Kräfte der Bewohner
und des Heeres im Wirtschaftsjahr 1915/16 mehr heraus-
geholt, als im Durchschnitt der letzten vorangegangenen
Friedensjahre geerntet worden war. Ist dem Lande in
dem neuen Jahr einigermaßen günstige Witterung be-
schert und bleibt es, was wir zuversichtlich hoffen, von
kriegerischen Rückschlägen verschont, so werden wir erst recht
erleben und ermessen können, welcher Leistungen es in
Körner- und Futterbau, in Pferde- und Viehzucht fähig
ist, wieviel es an Brot und Fleisch über seinen eigenen Be-
darf hinaus zu erzeugen vermag.
Die politische Leitung des Landes ist einesteils er-
leichtert, andernteils erschwert durch die Vielsprachigkeit
und die religiöse Spaltung. Erleichtert, weil die Gegen-
sätze in dieser Beziehung eine Zusammenballung etwa vor-
handener Bestrebungen des Widerstands verhindern, er-
schwert, weil eine schonende Rücksicht auf Volkstum und
Religion — und die nimmt die deutsche Verwaltung in
vollem Maß — mannigfache Umständlichkeiten mit sich
bringt. Im Norden, in Kurland, sitzen neben den deutschen
Rittergutsbesitzern und Stadtbürgern die protestantischen
Letten, in Litauen überwiegend römisch-katholische Litauer,
in Wilna-Suwalki ebenfalls Litauer, dann, besonders
in den Städten, Polen und daneben auch schon Weiß-
russen, die in dem Bezirk Bialystok-Grodno mit ihrer
Hauptmasse wohnen und zum Teil römisch-katholisch, zum
Teil orthodox (griechisch-katholisch) sind. Überall dazwischen
sitzen in sehr starken Anteilen die Juden, die sich hier, wie
im Osten überhaupt, nicht national eingliedern, sondern
ihr Stammesleben für sich führen, auch ihre eigene Sprache
reden, ein aus dem Mittelhochdeutschen abgeleitetes, viel
mit fremden Bestandteilen vermengtes Deutsch, das
„Jiddisch". Endlich finden sich vielfach eingesprengte
kleinere oder größere Reste alter deutscher Kolonien. Im
allgemeinen kommt die deutsche Verwaltung mit der Be-
völkerung aller Stämme und Konfessionen gut aus. Was
sie abzuwehren hat, sind da und dort auftretende Versuche
eines bestimmten Volkes, Übergewicht und Vorzugsrechte
vor den anderen zu gewinnen. Besonders die Polen sind
darin sehr eifrig. Das gibt es natürlich nicht; gleiches Recht
für alle ist unbedingter Grundsatz. Für die Strenge der
Stammes- und Rassenschranken ist es aber bezeichnend,
daß zum Beispiel die Armenfürsorge Wilnas — sie hat ein
reiches Feld — nur in der Form einheitlich zu regeln war,
daß man die Unzahl konfessioneller und nationaler Sonder-
organisationen in einer lose darüber gesetzten städtischen
Armenkommission zusammenfaßte. In der mit den Wilnaer
Arbeitsstuben, einer sehr segensreichen, vornehmlich dem
Jugendschutz dienenden Einrichtung, verbundenen Aus-
stellung heimischer Gewerbserzeugnisse mußten je eine ge-
sonderte litauische, weißrussische, polnische und jiddische Ab-
teilung geschaffen werden, in der jeder Stamm seine Kunst-
fertigkeit besonders zeigen konnte. Und so geht es durch
alle Erscheinungen des öffentlichen Lebens hindurch. Das
spezifisch Russische, trotz aller Russifizierungsanstrengungen
auf eine dünne Oberschicht beschränkt, die mit dem russischen
Heere abgezogen war, spielt keine Rolle mehr. Die deutsche
Verwaltung setzt als Vermittlungssprache überall das
Deutsche ein. Deutsch ist, soweit es irgend praktisch angeht,
die Sprache der Behörden und des öffentlichen Verkehrs,
alle Aufschriften an den öffentlichen Gebäuden, Straßen»
Läden sind deutsch, allein oder neben der oder den Landes-
sprachen, in allen öffentlichen Bekanntmachungen steht das
Deutsche den örtlichen Sprachen voran. Die Juden, die
meist vermöge ihres Dialekts auch das Hochdeutsche ver-
stehen, bilden die geborenen Dolmetscher. In allen Schulen
wird von der untersten bis zur obersten Stufe in möglichst
vielen Stunden Deutsch gelehrt, das Lehrpersonal, auch
das einheimische, soll es im Verkehr mit der vorgesetzten
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
171
Behörde gebrauchen, ist also darauf angewiesen, es sich so
rasch wie möglich anzueignen. Auch sind in den Städten
vielfach deutsche Kurse für Erwachsene eingerichtet.
Wir wären im übrigen nicht Deutsche, wenn wir nicht
auch in Obost der Schule, vor allem der Volksschule, alsbald
besondere Aufmerksamkeit zugewendet hätten. Einen all-
gemeinen Schulzwang freilich wie in der Heimat ein-
zuführen, konnte nicht in Frage kommen. Dazu hätte schon
das Lehrpersonal gefehlt und die Kinder wären bei der
Weiträumigkeit und Weglosigkeit des Landes und der
dünnen Besiedlung einfach nicht erreichbar gewesen. Wo
es aber irgend anging, wurden Schulen eingerichtet, zum
Teil mit Lehrersoldaten besetzt, ein Schulzwang aber in-
soweit durchgeführt, als Eltern, die ihr Kind an einer Schule
anmelden, sich auch verpflichten müssen, es regelmäßig zu
schicken und sich durch Versäumnis strafbar machen. Eine
ganze Anzahl deutscher und landessprachiger Zeitungen
dürfen gleichfalls als Mittel der Volksbildung wie als Hilfs-
mittel der Landesverwaltung in der Durchführung ihrer
Aufgabe betrachtet werden, wenn auch bei der immer noch
mangelhaften Verbreitung der Kunst des Lesens ihre Wir-
kung nicht in die Tiefe reicht. Von den deutschen Zeitungen
werden fünf von der Verwaltung selbst herausgegeben,
zwei sind, wie auch die landessprachigen Blätter, Privat-
unternehmen unter behördlicher Aufsicht.
Eine ganz eigenartige Aufgabe bildete die Versorgung
des Landes mit einem umlaufsfähigen Geld (siehe auch den
Artikel Seite 110). Bei der Besetzung des Landes war das
bisherige Rubelgeld so gut wie verschwunden, versteckt vor
den räuberischen Nachzüglern des russischen Heeres und
wegen der allgemeinen Unsicherheit. Ersatz mutzte geschafft
werden, wollte man einen geordneten Zahlungsverkehr
herstellen und zugleich den gewaltigen Abfluß deutschen
Geldes nach Obost — man schätzte den Betrag im Oktober
1916 auf 800 Millionen Mark — aufhalten. Aus politischen
und wirtschaftlichen Gründen, die im einzelnen auseinander-
zusetzen hier zu weit führen würde, entschied man sich für
die Einführung eines eigenen Obostgeldes in Rubelwäh-
rung, dargestellt in Darlehenskassenscheinen von 100 Ru-
beln bis zu 50 Kopeken und eisernen Kopekenstücken zu 1,
2 und 3 Kopeken. In dieser Währung werden Zahlungen
gegeben und -genommen zu einem Kurs von ursprünglich
1 Mark 90 Pfennig, jetzt 2 Mark für den Rubel, und das
Geld hat sich nach dem,
was man hört, auch ganz
gut einzubürgern begon-
nen. Nebenher geht
übrigens in nicht gerin-
gem Umfang ein ganz
urtümlicher Tauschver-
kehr in Naturalien. Den
Bauern wird die Ernte
vielfach nicht mit Geld
bezahlt, sondern in not-
wendigen Nahrungs-und
Genutzmitteln, die sie
sonst schwer bekommen
können (Salz, Zucker, Tee)
oder in landwirtschaft-
lichen Geräten.
Die Rechtspflege ist
so einfach wie möglich
gestaltet. Am Sitz jedes
Kreises und in jeder kreis-
freien Stadt sind in An-
lehnung an russische Ver-
hältnisse Friedensgerichte
mit einem deutschen Rich-
ter als Einzelrichter und
sehr weitgehender Zustän-
digkeit eingerichtet. Über
ihnen steht als Berufungs-
instanz in Fällen von be-
stimmt begrenzter Erheb-
lichkeit das Bezirksgericht
für den Verwaltung'sbe-
znkund dasdeutfcheÖber-
gericht am Sitz des Ober-
befehlshabers. Auch ist
ln großem Matze den
Kreis- und Stadthauptleuten unmittelbare Strafbefugnis
eingeräumt. Die wesentlichste Veränderung, die sich den Ein-
geborenen fühlbar inacht, ist immer wieder die, daß diese Ge-
richte und Verwaltungstellen alle so vollständig unzugänglich
sind für silberne Beeinflussung — für manche Elemente ge-
radezu ein Grund der Abneigung gegen die deutsche Herr-
schaft. Die große Masse der Bevölkerung aber, insbesondere
der kleinen Leute, dürfte gerade diese Seite der deutschen
Verwaltung als eine unmittelbare Wohltat empfinden.
Die Kosten der Verwaltung werden aus dem Lande auf-
gebracht, in der Hauptsache durch indirekte Steuern, Zölle
und Monopole, teilweise auch durch direkte Steuern und
Gebühren. So hat das Land auch seine eigenen Brief-
marken, die üblichen deutschen Marken mit dem schwarzen
Aufdruck „Postgebiet Ob.Ost". Die Kreise, Städte und Ort-
schaften erheben für ihre Zwecke Zuschläge zu den all-
gemeinen Verwaltungssteuern.
Dies in großen Zügen das Bild der militärischen Ver-
waltung von Obost. Als sie ins Leben trat, gab ihr
Hindenburgs Generalstabschef, der jetzige General der In-
fanterie Ludendorff, die Losung mit auf den Weg: „In
altpreutzischer Pflichttreue und Sparsamkeit mit wenigem
viel zu erreichen."
Der Erfolg hat bewiesen, daß das System und die
Männer, denen es anvertraut ist, der Losung in vollem
Matze gerecht geworden sind. Was das künftige Schick-
sal des Landes sein wird, wir wissen es nicht. Noch
sprechen die Waffen und noch lastet des Krieges Härte wie
auf der Heimat, so auf dem besetzten Gebiet. Aber auch
wenn einmal die deutsche militärische Verwaltung einer
anderen Platz machen wird — wir hoffen, es werde wieder
eine deutsche sein — dann werden die gerecht Denkenden
auch unter den Landesinsassen auf die Zeit der Kriegs-
verwaltung zurückblicken mit der Aberzeugung, daß für ihre
Wohlfahrt so gut gesorgt worden ist, als es nach den Ver-
hältnissen menschenmöglich war.
Das Heer und die Heimat aber dürfen dankbar sein,
daß das gesteckte Ziel, nämlich die Herstellung und die
Erhaltung geordneter politischer und wirtschaftlicher Ver-
hältnisse in dem besetzten Gebiet, zum Nutzen des Gan-
zen tatsächlich in vorbildlicher Weise erreicht worden ili.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
Vom deutschen Kleinkrieg zur See.
Von Vizeadmiral z, D. Kirchhofs.
(Hierzu das nebenstehende Bild )
Während zu Beginn des großen Weltkrieges
das deutsche Vorgehen gegen Schiffahrt und
Handel der Gegner sich mehr in Alber fee
zeigte, wo die Auslandskreuzer und Hilfs-
kreuzer so große Erfolge zeitigten, entwickelte
sich mit dem Eingreifen der Minenleger, Unter-
seeboote, Torpedoboote und der verschiedenen
Kreuzergattungen nach und nach ein ebenso
tatkräftig durchgeführter Kleinkrieg zur See
gegen Schiffahrt und Handel der vielen Geg-
ner in den heimischen Gewässern.
Zuerst fanden die feindlichen Kauffahrtei-
schiffe und auch viele mit Bannwaren beladene
neutrale Dampfer und Segler dabei meistens
ihr Ende, da eine Wegnahme und Überfüh-
rung nicht erfolgen konnte.
Bei der Eigenart des Kreuzerkrieges der
Unterseeboote war dies nicht anders möglich.
Dann vernahmen wir von vielfachem Aufbrin-
gen meist neutraler Schiffe in der Ostsee, wo
es vielen deutschen Hilfskriegschiffen oft gelang,
die genommenen Prisen in die deutschen Häfen
einzubringen. In der Nordsee war dies seltener
der Fall und meistens nur in der Gegend der
flandrischen Küste möglich.
Aber nach der Skagerrakschlacht, jenem
großen „Siege" der die Wogen und besonders
die des 6ermsn ocsan — so heißt die Nordsee
im Englischen — beherrschenden britischen Flotte,
wurde das Bild auch dort ein anderes. Nach-
dem in dieser Schlacht Albions Seemacht, wie
es jetzt selbst in ganz Großbritannien erkannt
ist, eine schwere Schlappe erhalten hatte und
sich zeitweilig ganz von den eigensten Gewäs-
sern in die gesicherten Häfen zurückziehen
mußte, hatten die wagemutigen deutschen See-
streitkräfte öfters am östlichen Eingänge zur
Straße Dover—Calais Gelegenheit, feindliche
und neutrale Schiffe nicht nur zu zerstören, son-
dern auch im unmittelbaren britischen Macht-
gebiet, ja an der eigenen Küste und unter den
Augen der britischen Flotte als Prisen aufzu-
bringen und in die nahen Häfen der besetzten
Küste Flanderns zu überführen.
In England hat dies mit Recht großen
Arger, ja Bestürzung erregt, wobei die Fort-
nähme der regelmäßigen Post- und Fahrgäste-
dampfer, die von Südostengland nach Holland
in Fahrt waren, besondere Verstimmung hervorrief Die
Flotte mußte dementsprechende scharfe Äußerungen der
Presse vernehmen.
Unser Bild zeigt eine Anzahl solcher genommener
Prisen, die oft gute Beute lieferten, darunter den schönen
Dampfer „Brussels", dessen Führer, Kapitän Frpatt. ge-
fangen genommen und wegen früherer Vergehen gegen
das Seekriegsrecht kriegsrechtlich verurteilt wurde, worüber
die englischen Blätter ein wahres Wutgeschrei anstimmten
und die Negierung sich zu schier unglaublichen Äußerungen
verstieg.
Aber es ging flott weiter mit dem Versenken und
Aufbringen im Eingang des Englischen Kanals. Der
kühne Vorstoß der deutschen Torpedobootsflottille Ende
„CeftvtS".
„Batavier II".
„Colchester
! A
Minen. ! ' . Minen.
< /Ar . 'Uy> \ *5 M inen Sperre.
Traverse, ^
>
Minen.
Skizze zu dem Artikel «Minensperren-.
Gekaperte Dampfer in flandrischen Häfen. Die Prisen im Hafen von ZeebrtiM
Januar 1917 und das Wirken der Unterseeboote im Kana!
legt erneut Zeugnis davon ab, daß England nicht in der
Lage ist, seine eigene Schiffahrt überall gebührend zu
schützen, nicht einmal an der eigenen Küste.
Daher die unablässigen Vergewaltigungen der neutralen
Schiffahrt, die jeglichem Völker- und Seekriegsrecht Hohn
sprechen, wobei es England an jedem Anstand und jeder Sitte
fehlen läßt, wie wir das fast tagtäglich aus den verschiedensten
Mitteilungen entnehmen. England weiß sich eben nicht an-
ders zu helfen.
Minensperren.
Von Konteradmiral a. D. M. Fotz.
«Hierzu die Kunstbeilage sowie die Skizzen und Bilder Seite 172 bis 175.l
Die britische Regierung hatte die Neutralen ge-
warnt. ihre Schiffe südlich und östlich einer durch
die Nordsee gedachten Linie fahren zu lassen, die
nördlich Esbjerg beginnt, nach Westen läuft, über
Südwest nach Süden umbiegt und bei der hol-
ländischen Insel Terschelling endet. Es war nicht
angedeutet worden, worin die Gefahren bestän-
den, vor denen gewarnt wurde. Vermutlich
handelte es sich um ausgelegte Minen. Ein er-
neuter Verstoß gegen internationale Abmachun-
gen, nach denen die Verseuchung des offenen
Meeres und der Küstengewässer neutraler Staaten
verboten ist. Von Esbjerg war gemeldet worden,
daß britische Minenleger bei der Arbeit beobachtet
.Mcb-
kutter
„Zaan-
stroom".
I
„Brussels".-
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Nach einer Originalzeichnung von Professor Willy Sw wer.
worden seien. —Welche strategischen Ziele die britische Ad-
miralität dabei verfolgte, wissen wir nicht; wahrscheinlich
sollte die Bewegungsfreiheit der deutschen Schiffe, inson-
derheit der deutschen Tauchboote beschränkt werden. Das
veranlaßt uns, einiges über derartige Sperren zu berichten.
Es werden bei den Unterwasserwaffen Minen und Tor-
pedos unterschieden; die Mine liegt still, der Torpedo wird
an ein Schiff herangebracht.
Die Mine ist ein mit Sprengstoff geladenes Gefäß, das
Auftrieb hat und im Wasser verankert wird. Die Entzündung
der Ladung soll einem sie anfahrenden Schiff den Boden
einschlagen und es dadurch zum Sinken bringen.
Es werden „selbständige" und „unselbständige" Mi-
nen unterschieden, je nachdem sie von einer Landstation
abhängig oder selbsttätig sind. Bei der unselbständigen
Mine wird der die Ladung entzündende Funken von
einer Landstation aus entsandt, sobald das zu vernichtende
Schiff sich über der Mine befindet. Um das zu erkennen,
muß das Schiff auf seiner Fahrt beobachtet (daher die
Bezeichnung „Beobachtungsmine"), seine jeweilige Stel-
lung durch Kreuzpeilungen oder auf andere Weise fest-
gelegt werden. Der österreichische Baron v. Ebner be-
nutzte dazu eine Camera obscura. Die elektrische Mine
kann so tief verankert werden, daß Schiffe über sie
wegfahren können, ohne sie anzustoßen. Die Ladung
muß deshalb stark genug sein, um das Durchschlagen
des Schiffsbodens auch dann zu gewährleisten, wenn
die Entzündung nicht in seiner nächsten Nähe erfolgt.
Ein großer Fehler, der ihnen anhaftet, ist der
Umstand, daß es bei unsichtigem Wetter kaum
möglich sein wird, den richtigen Augenblick zu
erfassen, in dem sich das Ziel über der Mine
befindet.
Einen Übergang zu den selbständigen Minen
bilden die Elektrokontaktminen, die durch Ein-
schalten eines Stromes scharf gemacht und da-
nach zu selbständigen werden. Wenn es bei
dieser Art theoretisch möglich sein würde, daß
Schiffe ungefährdet über sie wegfahren können,
wenn sie durch Unterbrechung des Stromes ent-
schärft sind, so muß in der Praris doch damit
gerechnet werden, daß die Minen durch das An-
fahren von Schiffen beschädigt und damit un-
zuverlässig werden. Deshalb hilft man sich da-
durch, daß man in den Sperren „Durchfahrt-
lücken" läßt (siehe die Skizze Seite 172) und
hinter diesen kurze Sperren auslegt, die es
den mit deren Lage vertrauten Schiffsführern
gestatten, durch Einhalten eines gewundenen
Kurses das Hindernis zu durchfahren. Mit-
unter werden mehrere derartiger Sperren in
„Treffen" hintereinander angeordnet.
Die Zünder der selbständigenMinen sind sehr
verschieden. Es gibt elektrische, mechanische und
chemische. Letztere benutzte Jacobi, indem er
eine Glasröhre so anordnete, daß sie zerbrechen
mußte, wenn ein Schiff die Mine anrannte.
Die in der Röhre befindliche Schwefelsäure ließ
ein Gemisch von chlorsaurem Kali und Zucker
aufflammen. In ähnlicher Weise kann die Röhre
auch eine stromerregende Flüssigkeit enthalten,
die in Elemente gelangt, wenn die Glasröhre
zerbricht. Bei den mechanischen Zündern wird
zum Beispiel durch den Anstoß das Vorschnellen
eines Bolzens bewirkt, der eine Zündpille an-
schlägt. Ist die Zündung elektrisch, so wird durch
Trockenelemente entwickelter Strom bei der Er-
schütterung oder bei starker Neigung der an-
gefahrenen Mine ein Strom geschlossen. Die
Aufnahme der Mine aber würde zu gefahrvoll
sein, um sie überhaupt zu versuchen. Dagegen
ist das Aufnehmen der Elektrokontaktminen ein-
fach und ohne jede Gefahr. Das Durchfahren
von Minensperren ist auch im feindlichen Feuer
möglich, wenn es gelingt, eine Bresche in sie zu
legen. Den Kriegschiffen voranfahrende Minen-
sucher schleppen zum Beispiel zu je zweien eine
Schleppleine hinter sich her, deren Bucht die
Ankertaue faßt und die Minen von ihrem Platze
losreißt; die auftauchenden Minen werden
dann aus dem Wege geschleppt, durch Schüsse versenkt oder
zum Auffliegen gebracht. Natürlich laufen die Minensucher
nicht große Fahrt, und schon dadurch, daß der Feind zu
langsamem Fahren gezwungen wird, kann eine Sperre
ihren Zweck erfüllen. Die abzuwehrenden Schiffe bleiben
dadurch länger im Bereich der Landbatterien und damit
der Vernichtung durch deren Feuer ausgesetzt. Es werden
auch Gegenminen verwandt, die innerhalb der Minenlinien
zum Auffliegen gebracht werden und deren Entzündung
die benachbarten Sperrminen mitzerspringen heißt. Es
wäre auch denkbar, daß der Flottenchef, der eine Sperre
gewaltsam zu durchfahren beabsichtigt, ein paar wertlose
morn.a Mom.b M°m. c Wlächc.
pt~i flnker. ivoreiJgewicfjt-. 'Minengefäss. ¥ pMinengefäss.
gewicht. ^nker. Meeresgrund.
Skizze zu dem Artikel »Minensperren-.
174
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Deutscher Tauchboot-Minenleger beim Auslegen der Minen.
Die in der Abbildung angegebenen Zahlen haben folgende Bedeutung: 1. Ketteulast. 2. Anker. 3. Flutventile. 4. Minenrohre. 6. Preßluftflaschen. 6. Druckschott.
7. Türe. 8. Lotmafchine. 9. Boje mit Fernsprecher und Lampe. 10. Ventilator. 11. Turm mit Sehrohr und Fernrohrmast. 12. Hintere Luke. 13. Zentrale. 14. Wohn-
raum. 15. Elektrischer Kraftsammler. 16. Maschine. 17. Schalldämpfer. 18. Ölkasten. 19. Wasserballast. 20. Sicherheitsgewicht. 21. Ballastliel. 22. Hinterer Trinuuraum.
Das Legen der Minen vollzieht sich in folgender Weise: Nach Lösung des Sperrhebels vom Turm aus gleitet die Mine samt Stuhl und Anker zum Rohr
hinaus und sinkt. Nach Berührung des Bodens beginnt die Sperrung der Mine im Stuhl sich zu lösen. Die nach gewisser Zeit freigewordene Mine steigt,
das Ankertau wickelt sich ab. Die Mine stellt sich selbsttätig auf bestimmte Tiefe unter dem Wasserspiegel ein.
Schiffe opfert, die der Flotte voranfahren und beim Durch-
dampfen der Sperrlinie eine Anzahl von Minen zur Ent-
zündung bringen, so daß das Geschwader durch die so ge-
schaffene Bresche eindringen kann. Bei den aus Beobach-
tungsminen bestehenden Sperren wäre es denkbar, daß der
Gegner sich durch einen Handstreich in den Besitz der Land-
station setzt und die Minen von dort aus durch den elektrischen
Strom zum Auffliegen bringt oder durch seine Unterbrechung
entschärft. Durch besondere Batterien sucht der Vertei-
diger Arbeiten des Angreifers an der Sperre zu verhindern.
’ Das Auslegen der Minensperren ist nicht einfach. Soll
das Gefäß in einer bestimmten Tiefe schwimmen, so muß
die Länge der Ankertaue den sehr verschiedenen Wassertiefen
angepaßt werden. Noch schwieriger wird die Arbeit, wo
Ebbe und Flut die Wassertiefen derart schwanken lassen, daß
über eine Mine, die bei Ebbe an der Oberfläche schwimmt,
bei Hochflut das größte Schiff über sie fortdampfen kann,
ohne sie zu berühren. Es sind gegen die verschiedenen
Schiffsklassen Minen auch reihenweise übereinander ver-
ankert worden, so zwar, daß die oberste Linie gegen Tor-
pedoboote, die mittlere gegen große Schiffe, die mntere
gegen lck-Boote, die versuchen, die Sperre zu unterfahren,
wirksam wird. Die Schwierigkeiten des Auslegens lassen sich
überwinden, wenn Zeit zum ungestörten Arbeiten vorhan-
den ist. Handelt es sich aber um das Auslegen in feindlichen
Gewässern, wo Eile geboten ist, da der Erfolg, den man be-
absichtigt, auch davon abhängt, daß die Arbeit unbemerkt
geschieht, und kann jeden Augenblick das Erscheinen feind-
licher Schiffe die Tätigkeit unterbrechen, so ist das soeben
geschilderte Minenmaterial unverwendbar. Das führte zur
Anwendung der „Streumine", die zu einer hohen Stufe der
Entwicklung gebracht ist und im russisch-japanischen Kriege
eine große Rolle spielte. Die strategische und taktische Lage
zur See ist durch sie in mitunter ausschlaggebender Weise
beeinflußt worden. So zwangen die von den Japanern vor
Port Arthur ausgelegten Streuminen die russischen Schiffe,
die nach Wladiwostok durchbrechen wollten, zu so lang-
samem Fahren, daß die japanische Flotte Zeit erhielt, sich
der russischen vorzulegen und deren Durchbruch zu verhin-
dern. Damals sind den Streuminen viele Schiffe zum
Opfer gefallen, im Weltkriege hat die britische Flotte durch
sie bis Anfang 1917 mindestens 1 Eroßkampfschiff, 2 Linien-
schiffe, 2 Panzerkreuzer und 15 kleinere Schiffe verloren.
Eine Streumine muß folgenden Anforderungen ge-
nügen: Ihre Handhabung muß einfach und gefahrlos sein.
Je schwieriger ihr Aufnehmen ist, desto besser. Der Gegner
wird bemüht sein, sie unschädlich zu machen, sobald er von
einer solchen Sperre Kunde erhält. Mag er sie vernichten;
sie kann durch neue Minen ersetzt werden. Aber er soll das
Material nicht für seine Zwecke benutzen können. Die Aus-
legung muß schnell möglich sein. Die Lage der Sperre
muß den eigenen Schiffen bekannt sein, damit die nicht durch
sie zu Schaden kommen. Aus dem gleichen Grunde ist es
nötig, daß die Streumine entschärft wird, wenn sie von
ihrenr Ankerplätze wegtreibt. Um dies zu ermöglichen, er-
hielten die Streuminen unter anderem Einrichtungen, die
sie die gewünschte Wassertiefe selbsttätig aufsuchen lassen, so
daß ein Ausloten der Meerestiefen sich erübrigt. Eine der-
artige Anordnung (siehe die Skizze Seite 173) besteht zum
Beispiel darin, daß auf dem flach gehaltenen Anker das
Minengefäß ruht, dazwischen das beide verbindende Ankertau
auf einer am Anker befestigten Rolle. Am Anker ist außerdem
ein Voreilgewicht mittels einer Leine befestigt, deren Länge
der Tiefe entspricht, in die sich die Mine unter Wasser selbst-
tätig einstellen soll. Wird die Mine über Bord geworfen,
so bleibt das Gefäß zunächst an der Oberfläche schwimmen,
während der Anker untersinkt und das Ankertau sich abrollt,
bis das Voreilgewicht den Meeresboden berührt. Sobald
das geschieht, wird die Trommel selbsttätig gebremst und das
Gewicht des Ankers zieht das Gefäß nun unter Wasser, bis
der Anker den Meeresboden erreicht hat. Eine andere Ein-
richtung benutzt das Eindrücken einer federnden Platte durch
den Druck des Wassers, um die Rolle zu bremsen. Und so
sind eine Unzahl verschiedener Modelle geschaffen worden.
Aber die besten Einrichtungen nützen nichts gegenüber
starken Strömungen. Diese suchen das Minengefäß fort-
zutreiben, und infolgedessen zeigt das Ankertau nicht mehr
senkrecht, sondern schräg nach oben. Die Folge ist, daß die
Mine tiefer taucht, als gewünscht war. So kann es kommen,
daß Schiffe unbeschädigt über sie fortfahren. Daß das auch
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
175
-
bei starken Unterschieden der Tiefen bei Ebbe und Flut ein-
treten kann, wurde bereits erwähnt. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß die Technik unserer Tage ohne weiteres die Auf-
gabe zu lösen imstande ist, Apparate zu schaffen, die ein
selbsttätiges Verbessern der Tauchtiefe der Mine gewähr-
leisten,- aber sie dürfen nicht zu zart sein und müssen auch
sicher arbeiten, wenn die Mine jahrelang unbeaufsichtigt
ausliegt. Darin hat es der Verfertiger von Torpedo oder
Granaten leichter. Wenn dessen Apparate für ein winziges
Zeitteilchen ihre Pflicht tun, so haben sie ihren Zweck er-
füllt. Da die Streuminensperren nicht so dicht liegen wie
die in den heimischen Gewässern und in voller Ruhe ausge-
legten, so hat man sie mitunter paarweise durch eine Leine
verbunden. Läuft dann ein Schiff auch nicht unmittelbar
auf eine Mine, so ist doch die Aussicht größer, daß es die
Leine faßt und diese bei weiterem Vorwärtsdampfen die
beiden Minengefüße an die Schiffseiten heranholt, wo sie
alsdann zur Entzündung kommen.
Die größere Kraft der Sprengmittel unserer Tage hat
zur Folge gehabt, daß die Minen kleiner gehalten werden
konnten. Besitzt doch Schießwolle eine fünfzigfach größere
Sprengkraft als Schwarzpulver. Das ist der Handlichkeit
der Minen zugute gekommen.
Wie die Engländer, ohne sich um die internationalen Ab-
machungen zu kümmern, die ganze Nordsee und namentlich
deren südlichen Teil mit Minen verseuchten, so machten
auch in der Ostsee Russen, Deutsche so-
wie Neutrale von ihnen zur Sperrung
von Küstengewüssern Gebrauch.
Der durch Ebbe und Flut oder
durch dauernde Winde erzeugte Strom
setzt die Minengefäße in drehende Be-
wegung. Das hat vielfach zur Folge,
daß sich die Ankertaue durchscheuern
und die Minen dann vertreiben. Ob-
gleich diese in solchen Fällen selbsttätig
entschärft werden sollen, bleiben sie,
auch wenn das eintritt, doch noch recht
gefährlich, und man ist deshalb bestrebt,
sie schleunigst unschädlich zu machen.
Manche sind Schissen verhängnisvoll
geworden, zu Hunderten sind sie an
den umliegenden Küsten gestrandet.
Unsere Kunstbeilage zeigt, wie solche
unbequemen Besucher durch Sprengung
zerstört werden.
Fliegerhauptmann
Buddecke.
Von Franz Carl Endres.
«Hierzu das Bild Seite 178.»
Das türkische Flugwesen lag vor
dem Weltkriege in den Händen einer-
französischen Lehrabteilung, die, ebenso
wie die englische Marinemission, nicht
das geringste Interesse daran hatte,
organisatorisch irgend etwas zu leisten.
Infolgedessen besaß die Türkei, als die
Engländer und Franzosen den großen
Angriff aus die Dardanellen machten,
kein brauchbares Flugzeug. Die feind-
lichen Flieger konnten nach Belieben
Erkundungsflüge ausführen und durch
Abwerfen von Bomben und Pfeilen
mit großer Wirkung in den Kampf ein-
greifen. Ein Transport deutscher Flug-
zeuge mit der Bahn war durch das
außerordentlich unfreundliche Verhalten
Rumäniens unmöglich.
In dem Augenblick aber, in dem es
dem deutschen Oberleutnant Buddecke
gelang, sich mit seinem Kampfflugzeug
ln den Dardanellen niederzulassen,
wendete sich das Blatt. Buddecke, der
als Hauptmann in die türkische Armee
Walrat, machte nicht nur die kühnsten
^rkundungsflüge, sondern trat auch als
erfolgreicher Kampfflieger auf und er-
hielt von den Türken den Ehrennamen
Schahin (der Falke). Die goldene Liakatmedaille ist ein
äußerer Beweis des Dankes, den die türkische Armee diesem
deutschen Helden schuldet.
Die Milch-, Butter- und Käseversorgung
während und nach dem großen Kriege.
Von Molkereidirektor Reimund, Fulda.
I.
Wie auf unzähligen anderen Gebieten wird der Welt-
krieg 1914—1917 auch hinsichtlich der Versorgung unseres
Volkes mit den wichtigsten, wertvollsten und gesündesten
Nahrungsmitteln: Milch, Butter und Käse, ein großer Lehr-
meister sein. Vor allem wird er die breitesten Volkschichten
immer schärfer auf die Unentbehrlichkeit dieser Nahrungs-
mittel hinweisen und ihnen deren stiefmütterliche Behand-
lung vor dem Kriege als bedauerliche Hauptursache der
während des Krieges entstandenen Schwierigkeiten ins Ge-
dächtnis zurückrufen. Betrachten wir die genannten drei
Lebensmittel nacheinander.
1. Milch.
Sie war vor dem Kriege leider nur sehr wenig geachtet,
viel, viel weniger als andere, minder wichtige Nahrungs-
und Genußmittel. Die Versorgung der Bevölkerung,
namentlich der Bewohner großer Städte und dichtbevöl-
Italienischer Minenleger während der Fahrt. Nach einer englischen Darstellung.
176
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
kerter Industriegebiete, lag zu einem sehr großen Teil in
den Händen des sogenannten Zwergmilchhandels. Jeder-
mann konnte Milchhandel betreiben, einerlei, ob er von
der Natur und von der großen Empfindlichkeit der Milch
eine Ahnung hatte oder nicht. Es war weder ein Befähi-
gungsnachweis noch ein Unbescholtenheitszeugnis, noch der
Beweis der Reinlichkeit erforderlich. Jeder Kehrichtabführer
konnte nebenbei Milchhandel treiben. Leute, die wegen
Nahrungsmittelfälschung ein oder mehrere Male bestraft
waren und heute aus dem Gefängnis kamen, konnten morgen
wieder mit dem Milchhandel beginnen. Leute, die niemals
Räume und Einrichtungen zur einwandfreien Aufbewahrung
von Milch besaßen, durften Milchhandel betreiben. Jeder
Eingeweihte weiß, daß in vielen Fällen die abends auf dem
Bahnhof eingetroffene Milch in die dürftigen Wohnräume
— oft in Mansardenwohnungen — der Zwergmilchhändler
geschafft und am anderen Morgen der Kundschaft ins Haus
gebracht wurde. Und wie hat man diesen Verkauf vielfach
gehandhabt? Auf allen möglichen Handwagen, mit
schmutziger Strohunter-
lage oder anderer, noch
weniger einwandfreier
Polsterung wurden die
Kannen durch die Stadt
befördert; jedermann
hat schon gesehen, wie
Milch auf offener
Straße — unbeküm-
mert um Staubwirbel,
Regen und so weiter —
aus einer Kanne in die
andere gegossen wurde,
daß Milchkannen vor
den Haustüren standen,
weil sie dem Austräger
zu schwer waren, um sie
neben der Handkanne
mit in jedes Haus zu
schleppen, daß Hunde
diesen auf der Straße
stehenden Kannen ihren
Besuch abstatteten, und
so weiter.
Dabei ist und bleibt
die Milch das edelste,
aber auch das empfind-
lichste aller Nahrungs-
mittel. Würde man sich
eine Mißhandlung des
Bieres oderWeinesinder
eben geschilderten Weise
gefallen lassen? Sicher-
lich nicht! Bei der Milch,
die ungleich wertvoller
für die Menschheit, für
unsere Kinder ganz un-
entbehrlich ist, läßt man
sich die allen hygie-
nischen Anforderungen
Hohn sprechenden Unsitten aus träger Gewohnheit bieten.
Ich habe diese unliebsamen Vorkommnisse mit Bedacht
hervorgehoben, weil ich hoffe, auf diese Art am eindring-
lichsten und kürzesten nachweisen zu können, daß Abhilfe
geschaffen werden muß. Daß die in vielen Gegenden und
namentlich in Großstädten bedauerlich hohe Säuglingsterb-
lichkeit zum weitaus größten Teile auf mangelhafte Milch-
versorgung zurückzuführen ist, unterliegt keinem Zweifel, und
da wir nach den riesigen Menschenverlusten alle Ursache
haben, möglichst jeden Neugeborenen der Welt zu erhalten,
werden wir uns der Verpflichtung nicht entziehen können,
die handgreiflichsten Ursachen der Säuglingsterblichkeit
gründlich zu beseitigen. Dazu gehört in allererster Linie:
1. Aufhebung des Zwergmilchhandels;
2. Einführung des Befähigungsnachweises für jeden,
der mit Milch Handel treiben will;
3. das Vorhandensein geeigneter, hygienisch einwand-
freier Räume und Geräte für die Aufbewahrung der Milch;
4. vollkommene Unbescholtenheit des Antragstellers, ins-
besondere auch ein einwandfreier Nachweis darüber, daß
er noch nicht wegen Milchfälschung bestraft worden ist.
Im übrigen werden bei der zweckmäßigen Einrichtung
und Umgestaltung der Milchversorgung der Städte die
bereits vorhandenen mustergültigen Betriebe zum Bei-
spiel genommen werden können. Wo in größeren Städten
derartige einwandfreie Betriebe noch nicht bestehen, da
bietet sich kommunalwirtschaftlicher weitblickender Ver-
waltung ein Arbeitsfeld, wie man es sich dankbarer nicht
wünschen kann. Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich
die Verbesserung der Milchversorgung vieler Städte für
unendlich wichtiger und dringender erkläre, als städtische
Gasanstalten, Elektrizitätswerke, Straßenbahnen und ähn-
liches. — Es bedarf aber nicht nur der Beseitigung von
Mißständen beim Vertrieb der Milch, sondern der Hebel
muß auch bei der Gewinnung der Milch und bei ihrer Be-
handlung vor Überführung in die städtische Molkerei oder
Milchversorgungsanstalt angesetzt werden. Wie vom Milch-
händler, muß auch vom Erzeuger, der Milch zum un-
mittelbaren Verbrauch liefern will, eine Art Befähigungsnach-
weis verlangt werden. Hauptsächlichste Voraussetzungen
der Genehmigung zur
Frischmilchlieferung
müssen sein:
a) Ausschluß aller
offensichtlich erkrankten
Kühe von der Milch-
lieferung und Beseiti-
gung solcher Tiere sofort
nach Eintritt der Er-
krankung ;
b) gesunde (luftige
und helle) Stallung;
c) ausschließliche
Verwendung von ge-
sundem Stroh als Streu-
material und d essen täg-
liche Erneuerung;
ck) tägliches, gründ-
liches Putzen der Milch-
kühe;
o) Verabreichung
von nur gesundem Fut-
ter unter Verbot des
Fütterns während des
Melkens (zur Verhü-
tung der Verstaubung
der Milch);
k) Ausschluß erkrank-
ter und unsauberer Per-
sonen von dem Melk-
geschäft und von jeder
Behandlung der Milch;
g) sofortiges, gründ-
liches Durchseihen der
ermolkenen Milch ver-
mittels einfacher, aber
wirkungsvoller Seih-
vorrichtungen;
h) sofortiges Abküh-
len der frischgemolke-
nen und geseihten Milch auf einem Berieselungskühler in
geeigneten Räumen und jedenfalls außerhalb des Stalles
zwecks Auslüftung;
i) Kühlhaltung der solchermaßen sorgfältig gewonnenen
und behandelten Milch bis zum Augenblick des Abtransportes
zur Vertrieb- oder Verbrauchstelle;
I<) Verwendung nur gut verzinnter unbeschädigter Melk-,
Seih- und Kühlgeschirre. Zum Transport und zur Auf-
bewahrung der Milch dürfen nur gut verzinnte Kannen aus
Eisenblech oder Holzkannen verwendet werden; tägliche
gründliche Reinigung, bei Holzkannen tägliches Ausdämpfen,
sind zur Bedingung zu machen.
Nun zur Kehrseite der Sache! Jedermann wird zu-
geben müssen, daß die obengenannten, an Gewinnung
und Vertrieb der Milch zu stellenden Anforderungen er-
füllbar sind, obwohl sie weit über das hinausgehen, was
bisher im allgemeinen geleistet wurde. Aber soviel ist natür-
lich sicher, daß die notwendig zu stellenden größeren An-
forderungen eine gar nicht unbeträchtliche Verteuerung der
Milch verursachen müssen, und damit komme ich nun zum
Kernpunkt der Besprechung, zu der Preisfrage. «Forts, foißt.j
Fliegerhauptmann Buddecke, der auf dem türkischen Kriegschauplatze bis zum 1. Ok-
tober 1916 zehn feindliche Flugzeuge abgeschossen hat und dafür mit dem Orden
Pour le Merite ausgezeichnet wurde. einem Originalaquarell von Georg Wagenführ.
Minensprengung an der kurländischen Küste.
Die bei Nordweststürmen antreibenden russischen Minen werden durch besondere Sprengkommnndos entweder gesprengt oder entschärft,
d. h. durch vorsichtiges Herausnehmen der Zündvorrichtung unschädlich geraucht.
Nach einer Originalzeichnung von Professor Karl Storch.
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
IFortfetzung.»
Präsident Wilson hatte die ihm von den Kriegführenden
auf seine Anregungen zur Herbeiführung des Friedens er-
teilten Antworten einer eingehenden Betrachtung unter-
zogen. Das Ergebnis seiner Bemühungen gab er am
23. Januar 1917 in Form einer Botschaft persönlich dem
Senate der Vereinigten Staaten von Nordamerika kund. In
hochtönenden Worten führte er aus, wie nach seiner Ansicht
der ewige Friede unter den Völkern anzubahnen sei und
dah die Grundlage zur Erreichung dieses wünschenswerten
Zieles vor allem in der Beendigung des Weltkrieges durch
einen Frieden ohne Sieg geschaffen werden müsse; denn
nur ein Friede unter gleichen Bedingungen könne Dauer
haben.
Auf den Krieg hatte die Botschaft keinen Einfluh. Wie
im besonderen die Engländer darüber dachten, ergab sich
aus der von ihnen vom 7. Februar ab geplanten Ver-
schärfung der Blockierung der Nordsee. Die Deutsche Bucht
sollte, hauptsächlich wohl durch Minen, in weitem Umkreis
abgesperrt und die deutschen Tauchboote dadurch am Aus-
laufen verhindert werden. Die Blockadelinie verlief aber
so, dah auch Neutrale, vor allem Dänemark und Hol-
land, in das Gebiet mit einbezogen wurden und ihre Be-
wegungsfreiheit eine starke Beeinträchtigung erfuhr.
Um die selbe Zeit sah sich die deutsche Regierung ver-
anlaht, der britischen und der französischen Regierung mit-
zuteilen, dah ihr überzeugende Beweise für die mißbräuch-
liche Benützung feindlicher Lazarettschiffe zu Munitions- und
Truppentransporten vorlägen; zugleich erklärte sie, dah
der Verkehr der Lazarettschiffe zwischen den Linien Flam-
borough-Terschelling und Quessant-Landsend deshalb nicht
mehr geduldet werde. Der Verkehr dieser Schiffe außerhalb
des genannten Gebietes blieb den Feinden unbenommen,
doch wurde die Sperrung weiterer Seewege vorbehalten,
wenn etwa auch weiterhin Lazarettschiffe zu völkerrechts-
widrigen Transporten verwendet werden sollten.
Der unbedingte Vernichtungswille, der in der Ableh-
nung des Friedensangebotes der Mittelmächte Zum Ausdruck
kam, zwang diese, für die Zukunft auch die bisher noch
geübten Rücksichten fallen zu lassen und alle rechtmäßigen
Mittel anzuwenden, die die Durchführung der schändlichen
Pläne der Gegner unmöglich machen sollten. Der geeignetste
Weg hierzu war der uneingeschränkte II-Bootkrieg. Ihn
einzuführen konnten die Mittelmächte nicht länger zögern,
denn der Augenblick war gekommen, der den Erfolg des
Unternehmens erhoffen lieh. Die Zahl der deutschen Tauch-
boote hatte sich wesentlich erhöht, die schlechte Getreideernte
in der ganzen Welt vermehrte die Schwierigkeiten der Feinde,
und die Kohlennot half die Lage zu verschlimmern. Für
die Mittelmächte dagegen waren die Aussichten entschieden
günstig; Feldmarschall Hindenburg äußerte in einer Unter-
redung mit dem deutschen Reichskanzler: „Unsere Front steht
auf allen Seiten fest. Wir haben überall die nötigen Re-
serven. Die Stimmung der Truppen ist gut und zuver-
sichtlich. Die militärische Eesamtlage läßt es zu, alle Folgen
auf uns zu nehmen, die der uneingeschränkte D-Bootkrieg
nach sich ziehen könnte."
Der Übergang zum uneingeschränkten Tauchbooikrieg
wurde deshalb beschlossen. Am 31. Januar gab die deutsche
Regierung den Neutralen Kenntnis von der neuen Sach-
lage und bezeichnete genau die Sperrgebiete um Groß-
britannien, Frankreich und Italien herum und im östlichen
Mittelmeer, in denen jedem Seeverkehr vom 1. Februar
1917 ab ohne weiteres mit allen Waffen entgegengetreten
werden würde (siehe die Karte Seite 178). Neutralen
Schiffen, die sich nach dem angegebenen Zeitpunkt auf der
Fahrt nach Häfen der Sperrgebiete befanden, wurde eine
angemessene Frist bewilligt, während der sie geschont
werden sollten, ebenso sollten solche neutralen Schiffe ge-
schont werden, die noch vor dem 5. Februar die gesperrten
Zonen verlassen und freies Gebiet erreichen wollten.
Hieraus ergab sich allerdings eine starke Behinderung
der Schiffahrt überhaupt, doch wurde dafür Sorge getragen,
dah die Neutralen frei miteinander verkehren konnten. Um
der ganz vom Meere abgeschlossenen Schweiz die Versor-
gung mit Lebensmitteln und Rohstoffen zu sichern, wurde
sogar der französische Hafen Cette nicht mit in das Sperr-
gebiet einbezogen. Auch der Personenverkehr konnte unter
bestimmten Vorschriften bis zu einem gewissen Grade auf-
recht erhalten werden. Darin lag für Amerika und Holland
ein besonderes Zugeständnis. Nur mit den Feinden der
Mittelmächte war der Handel nicht möglich.
Die neue Maßnahme der Mittelmächte, die geeignet war,
den Krieg abzukürzen, benützte Präsident Wilson, um am
4. Februar die diplomatischen Beziehungen Amerikas
zu Deutschland abzubrechen, dem deutschen Botschaf-
ter in Washington die Pässe zuzustellen und den amerikani-
schen Botschafter in Berlin anzuweisen, Berlin zu verlassen.
Diese Verfügungen traf derselbe Wilson (siehe auch den
Artikel Seite 119), der sich während des ganzen Krieges
als Hüter der Menschlichkeit und als Friedensapostel ge-
' Phot. VI. (Ärohs, äctiiiu»
Auf der Kommandobrücke eines deutschen Unterseebootes. Das U-Boot beim Auslaufen aus einem deutschen Hafen.
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr.. 1917 bu Union Deutsche Berlagsgesellschaft in Stuttgart.
VI. Band. 23
178
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
bürdet hatte und der nun nicht davor zurückscheute, ohne
Not sein eigenes Land in den Krieg mit allen seinen
Schrecken hineinzutreiben. Als Grund für seine Handlungs-
weise hob er hervor, Deutschland habe die am 4. Mai 1916
gegebenen feierlichen Versicherungen plötzlich zurückgezogen,
wobei er aber wohlweislich unterließ, hinzuzufügen, daß
Deutschland gar kein bündiges Versprechen gegeben, sondern
sich volle Handlungsfreiheit vorbehalten hatte, für den
Fall, daß es Amerika und den anderen Neutralen nicht ge-
lingen sollte, die Westmächte von ihrer völkerrechtswidrigen
Kriegführung abzubringen. Das war nicht geschehen. -
Im Lager der Mittelmächte trat man der neuen Sach-
lage zwar mit Ernst, aber auch mit größter Ruhe gegenüber.
In Deutschland atmete man auf, weil nun endlich eine Klä-
rung des Verhältnisses zu Amerika erfolgt war und Wilson
die heuchlerische Maske hatte fallen lassen. Dem deutschen
Volke waren im Laufe der Zeit die Augen geöffnet worden,
und dem Präsidenten traute es mindestens seit dem Tage
die Geltendmachung ihrer Rechte vor, für den Fall, daß
ihre Staatsbürger bei der Durchführung des I7-Bootkrieges
zu Schaden kommen sollten. Das Verhalten der Neutralen
konnte nicht weiter überraschen. Im Verlaufe des Krieges
hatte sich oft gezeigt, daß in die Rechte der nicht am
Kriege beteiligten Staaten tief eingreifende, häufig völker-
rechtswidrige Maßnahmen Englands mit einer gewissen
Ruhe hingenommen wurden, wie z. B. auch die für den
7. Februar angekündigte Erweiterung der Gefahrzone in
der Nordsee, während sofort eine allgemeine Aufregung
entstand, wenn sich Deutschland gegen die Erdrosselungs-
versuche Englands wehrte.
Hatten die Feinde und die Neutralen immer noch ge-
hofft, der uneingeschränkte D-Bootkrieg würde wohl nicht
so scharf geführt werden und seine Ankündigung solle mehr
verblüffen und als Drohung angesehen werden, so wurden
sie bald eines Besseren belehrt; die deutsche Regierung machte,
um dieser irrigen Auffassung entgegenzutreten, wiederholt
Karte zur deutschen Sperrgebietserklärung.
nicht mehr, an dem dieser sich rühmte, Deutschland „nieder-
geboxt" zu haben.
Für Wilsons Gesinnung war bezeichnend, daß er nach
dem Bruch mit dem Deutschen Reiche versuchte, die übrigen
Neutralen zu einem gleichen Schritte zu bewegen, damit
sie gegebenenfalls für das große Amerika die Kastanien aus
dem Feuer holen könnten. Der zum Kriege bereite „Frieden-
stifter" hatte sich aber gründlich verrechnet; die Neutralen
zeigten keine Lust, ihm Gefolgschaft zu leisten und lehnten
seine Zumutung ab. Schweden wurde dabei besonders
deutlich; es gab Wilson unverblümt zu verstehen, daß es
in dem von ihm eingeschlagenen Verfahren nicht den Weg
zur Herbeiführung eines baldigen Friedens erblicken könne,
was er als Ziel seiner Pläne genannt hatte. Was Wilson
mit seinen Verhetzungsversuchen bei den Neutralen er-
reichte, war somit einzig und allein eine schwere diplo-
matische Niederlage, die er sich im Glauben an seine Unfehl-
barkeit zuzog.
Wenn nun die Neutralen auch nicht die Politik Amerikas
unterstützen wollten, so waren sie doch auch nicht geneigt,
die Maßnahmen des Vierbundes einfach gutzuheißen. Im
Gegenteil, fast alle erhoben Einsprache und behielten sich
darauf aufmerksam, daß von einer Abschwächung oder gar
Zurücknahme der Maßregel keine Rede sein könne, und daß
sie vielmehr ohne weitere Rücksichten unbedingt durchgeführt
werden würde.
Das eröffnete für die Feinde und die den Handel mit
Bannwaren pflegenden Neutralen keine guten Aussichten;.
hatten doch die deutschen Tauchboote schon vorher so manches
Schiff zu den Fischen geschickt (siehe Bild Seite 180/181).
Eines der deutschen Boote, das Ende Januar heimkehrte,
hatte in der Zeit vom 13. bis zum 25. Januar 17 Schiffe
mit 18056 Registertonnen vernichtet. Es kam auch zum
Schuß auf einen englischen Zerstörer der N-Klasse, den
es im Kanal am 13. Januar mit 120 Mann Besatzung
versenkte. Dieses Kriegschiff war eines der neuesten eng-
lischen Torpedoboote, die erst während des Krieges in den
Dienst gestellt wurden und 1000 Tonnen Wasser verdrängen.
Ihre Bewaffnung besteht aus drei 10,2-om-Geschützen und
vier 53-oin-Torpedorohren. Ein anderes deutsches ll-Boot
vernichtete 21 Fahrzeuge mit insgesamt 30000 Tonnen.
Am 27. Januar abends hatte ein Tauchboot in den
nördlichen Gewässern der Nordsee einen Kampf mit einem
englischen Hilfskreuzer zu bestehen. Dabei erlitt es schwere
Vernichtung eines französischen Segelschiffes durch ein deutsches U-Boot. Das
Schiff wird, während die Mannschaft zu Boote gelassen wird, in Brand gesetzt.
Nach einem Originalgemälde
von Robert Schmidt, Hamburg.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Beschädigungen und suchte deshalb die norwegischen Ho-
heitsgewässer aus der Höhe von Hammerfest zu erreichen.
Das Schiff ging jedoch unter; die Besatzung wurde bis
auf den Ingenieur Hermann, der leider den Tod fand,
von einem Fischerboot aufgenommen und nach Hammerfest
gebracht, von wo aus sie die Heimreise antrat.
Wie groß der Anteil der neutralen Länder an den
Schiffsverlusten war, ging aus einer Aufstellung der Svens!
Sjöfartstidning hervor. Hiernach hatte Norwegen bis An-
fang Dezember 316 430 Tonnen Schiffsraum verloren,
Holland 113 543, Schweden 69 997, Dänemark 68 937,
Griechenland 62 870, Spanien 36 932, die Vereinigten
Blick auf das Deck des amerikanischen Großkampfschiffes
Nach einer englischen Darstellung.
Staaten 21558 und Brasilien 2258 Tonnen. Und trotzdem
blühte der Handel mit Bannwaren. Unter den versenkten
Schiffen befanden sich allerdings auch eine Reihe solcher,
die von den Engländern durch Vorenthaltung von Kohlen
und ähnliches zur Dienstleistung für die Westmächte gepreßt
worden waren.
Mit der Ankündigung des verschärften U-Bootkrieges
wurde die Unterstützung der Gegner Deutschlands durch
Neutrale wesentlich eingeschränkt, weil die Reeder in den
nicht am Kriege beteiligten Ländern wegen der erhöhten
Gefahr die Schiffahrt fast ganz einstellten. Zum Teil ge-
schah dies aus eigenem Antrieb, zum Teil auf Grund von
Regierungsverfügungen. Am unklarsten war in dieser Be-
ziehung die Haltung der amerikanischen Regierung; be-
merkenswert zielbewußt ging dagegen die holländische Re-
gierung vor. Der Verlauf des uneingeschränkten U-Boot-
krieges rechtfertigte schon in den ersten Februartagen die
angewandte Vorsicht. Ein am 6. Februar heimkehrendes
deutsches Tauchboot meldete den Untergang von annähernd
20 000 Tonnen meist englischer Schiffe; der holländische
Dampfer „Samarinda" gab zu der gleichen Zeit die draht-
lose Nachricht, daß er 179 Mann von einer Anzahl ver-
senkter Schiffe an Bord habe und damit Vigo anlaufen
werde. Die Beute der deutschen U-Boote an der französi-
schen und englischen Küste umfaßte bereits am 6. Februar
eine ganze Reihe größerer englischer Dampfer, aber auch
neutraler Schiffe. Am 8. Februar
hatte ein Boot schon zehn Schiffe
im Atlantischen Ozean mit einem
Raumgehalt von 19 000 Tonnen ver-
senkt, ein anderes gab am 9. Fe-
bruar seine bisherigen Erfolge mit
16 000 Tonnen an, wieder ein an-
deres hatte bis dahin sieben Dampfer
und acht Segelschiffe vernichtet, kurz-
utn, es begann auf einmal ein all-
gemeines Schiffsterben. Bis zum
8. Februar einschließlich liefen bei
Lloyds in London Anzeigen über
den Verlust von 146 Schiffen ein, die
seit dem 1. Februar versenkt worden
oder verunglückt waren. In der
Nacht zum 10. Februar sank nach
einer englischen Meldung auch ein
englischer Torpedobootzerstörer einer
älteren Klasse» der auf eine Mine
geraten war, als er den Aufklärungs-
dienst versah. Eine Liste der Feinde
bezifferte die Verluste vom 11. Fe-
bruar auf über 25000 Tonnen.
Gleich zu Anfang des Februars
kamen Alarmmeldungen aus Ame-
rika. Die dort in den Häfen liegen-
den deutschen Schiffe sollten be-
schlagnahmt, die Besatzungen ver-
haftet worden sein. Um etwaige Ge-
genmaßnahmen der Deutschen zu
verhüten, gab die amerikanische Re-
gierung bekannt, daß die Nachrichten
unzutreffend seien. Sie bestritt auch
nicht den deutschen Seeleuten das
Recht, ihre Schiffe und die Maschinen
zu beschädigen oder unbrauchbar zu
machen, wenn dadurch die Benütz-
barkeit der Schifffahrtstraßen in den
amerikanischen Gewässern nicht be-
einträchtigt würde. Die Beschlag-
nahme der deutschen Schiffe durch
die Vereinigten Staaten hätte aller-
dings auch den Übergang zum Kriegs-
zustand mit Deutschland bedeutet.
Diesen herbeizuführen zögerten die
amerikanischen Behörden vorläufig
immer noch; alle Drohungen, die in
dieser Hinsicht laut geworden waren,
verstummten, als die Neutralen ihre
eigenen Wege gingen und Wilson
allein ließen.
Die unklare Haltung der ameri-
kanischen Regierung brachte es mit
sich, daß keine Schiffe aus den amerikanischen Häfen aus-
führen. Erst am 10. Februar traten die unbewaffneten
amerikanischen Frach'tdampfer „Orleans" und „Rochester"
unter amerikanischer Flagge die Ausreise nach Bordeaux,
also in das Sperrgebiet, an. Keines der beiden Schiffe
trug die von Deutschland zur Kenntlichmachung vorgeschrie-
benen Farbstreifen, sondern nur die aufgemalten großen
Buchstaben U.S.A. (United States of North-America). Es
handelte sich hier zweifellos um eine Herausforderung
Deutschlands und um ein Spielen mit der Gefahr, wenn
auch das gelegentliche Durchschlüpfen eines Dampfers durch
das Sperrgebiet nicht in das Bereich der Unmöglichkeit
gehörte. Wie unerwünscht die Fahrt hätte enden können,
wurde am 12. Februar klar, als die deutsche Regierung
Ein schweres Geschoß wird zu einem Küstengeschütz befördert.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
bekannt gab, daß die bisher geheim
gehaltene Schonungsfrist im Sperr-
gebiet des Atlantischen Ozeans und
des Ärmelkanals für neutrale Damp-
fer in der Nacht vom 12. zum 13. Fe-
bruar abgelaufen sei. In der Nord-
see war dies bereits in der Nacht
vom 6. zum 7. Februar, im Mittel-
meer in der Nacht vom 11. zum 12. Fe-
bruar der Fall gewesen. Von nun
an erfolgte keine Einzelwarnung der
Schiffe mehr, es galt für die ganze
Gefahrzone nur noch die erlassene all-
gemeine Warnung. Begab sich ein
Schiff trotzdem in das erwähnte Ge-
biet, so tat es dies mit vollster Kennt-
nis der ihm und seiner Besatzung
drohenden Gefahr.
Die Wirkungen des kt-Bootkrieges,
der täglich große Opfer forderte, wur-
den auch in England nicht unterschätzt;
eine erhebliche Beunruhigung klang
aus den Berichten der englischen Zei-
tungen heraus. Und nicht nur den
Gegnern auf dem Wasser, sondern
auch den Feinden in der Luft wur-
den die Tauchboote gefährlich. Eines
von ihnen hatte bei der Schouwen-
bank ein Gefecht mit einem franzö-
sischen Marineflugzeug, das mit wohl-
gezielten Schüssen heruntergeholt
wurde. Das Flugzeug zerstörten die
Deutschen, seine Insassen nahmen sie
gefangen. —
Während der Kampf zur See schon
schärfere Formen angenommen hatte,
hinderte die strenge Kälte, die Ende
Januar und Anfang Februar herrschte,
auf dem westlichen Kriegschauplatz
immer noch die Entwicklung größerer
Unternehmen. Vollkommene Ruhe
herrschte natürlich nicht, wenn auch
die Berichte von der Front nichts Be-
sonderes zu melden wußten. Die Ar-
tillerie schoß auf beiden Seiten, an
einzelnen Punkten gab es auch kraft-
volle Erkundungsvorstöße. Patrouillen
drangen vorsichtig bis zu den feind-
lichen Linien vor und führten Über-
fälle mit Handgranaten (siehe die Bil-
der Seite 184) aus. Dann wieder galt
es, zerstörte Drahthindernisse und be-
schädigte Stellungstücke auszubessern
oder neu zu errichten; Ablösungen und
Verstärkungen (siehe Bild Seite 185)
eilten herbei, Fliegergeschwader klärten
auf und auch sonst herrschte dauernd
große Regsamkeit auf der ganzen Linie.
Nach und nach wurde die Ee-
fechtstätigkeit in allen Abschnitten der
600 - Kilometerfront wieder stärker;
die Erkundungen und gelegentlichen
Angriffe nahmen an Häufigkeit zu.
Wieder war es im englischen Front-
abschnitt am unruhigsten. Am 1. Fe-
bruar stießen zwischen Armentisres
und Arras zahlreiche englische Aufklä-
rungsabteilungen vor, konnten aber
nur selten ihr Ziel erreichen. Auf dem
alten Schlachtfelde zu beiden Seiten
der Somme und der Ancre herrschte
starke Feuertätigkeit. Deutsche Trup-
penteile führten kleine Angriffe aus, so
südwestlich von Miraumont und nord-
östlich von Le Sars, wo ein Offizier
und 12 Mann aus den feindlichen Grä-
ben geholt wurden. Die Engländer
traten besonders zahlreich am Wege
Ein großer Geschoßlagerraum unter der Erde, in dem die Geschosse mittels Flaschenzuges auf
kleine Karren geladen werden.
Das Klarmachen eines großen Küstengeschützes.
Aus einem deutschen Küstenfort.
Nach Aufnahmen von A. Grohs, Berlin.
184
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Eueudecourt—Beaulencourt auf und drangen nach heftiger
Feuervorbereitung in Kompaniebreite in den vordersten
deutschen Graben ein. Die Deutschen setzten sofort einen
Gegenstoß an, bei dem es ihnen gelang, die Feinde
wieder zu vertreiben. Bei Beaucourt zeigten sich die
Engländer auffallend hartnäckig; Fortschritte, die sie dort
erzielten, mutzten sie aber am 4. Februar infolge eines
deutschen Gegenstoßes wieder aufgeben; außerdem ver-
loren sie über 100 Gefangene. Aber die Feinde wieder-
holten hier ihre Angriffe mit großen Massen Tag und
Nacht, ferner östlich von Grand court bis südlich von Pys,
und eröffneten auch am Wege Eueudecourt—Beaulen-
court neue Kämpfe, ohne jedoch irgendwelche bemerkens-
werten Vorteile erreichen zu können. Die Deutschen waren
südlich von der Somme mit kleinen Erkundungsunterneh-
mungen erfolgreich, bei denen sie Franzosen und Engländer,
im ganzen 20 Mann, aus den feindlichen Stellungen zurück-
brachten. Andere deutsche Erkundungstruppen führten
Kämpfen zuteil werden ließen, nun doch einen Erfolg auf-
weisen konnten.
Trotz ihrer steten, auf Stellungsverbesserung gerichteten
verlustreichen Angriffstätigkeit, die sie unterhielten, erzielten
die Engländer doch keinen wirklich wertvollen Fortschritt.
Hier und da gelang es ihnen, ein vorspringendes Stück
der deutschen Linie zu besetzen, in dem sie meist gar keinen
Widerstand fanden, weil die Deutschen die Stellung zur
Vermeidung unnötiger Verluste schon längst aufgegeben
hatten. Denn auch sie waren darauf bedacht, den Ver-
lauf ihrer Front zu verbessern und diese so einzurichten,
daß sie der Verteidigung und dem Angriff möglichst gleich
gut diente. Deswegen wurden in ihrem Werte zweifel-
hafte Stellungen auch nicht unter allen Umständen gehal-
ten. In der Nacht zum 8. Februar glaubten die Feinde
einen großen Sieg erfochten zu haben. Sie sprachen von
der „Eroberung" des ehemaligen Dorfes Erandcourt und
bezeichneten dieses Ergebnis als einen „neuen Markstein
Pc,0l. -voeveaer, Benin.
Die Verwendung deutscher Handgranaten im Schüßengrabenkrieg.
Phvl. Bveoeaer, Lernn.
schneidige Vorstöße auf dem Ostufer der Maas und an der
lothringischen Grenze durch. Am folgenden Tage hinderte
unsichtiges Wetter die Eefechtstätigkeit in dem englischen
Abschnitt; umso lebhafter war es dafür an der Nordost-
front von Verdun und am Parroywalde in Lothringen.
Dort wurden insgesamt 60 Gefangene und 3 Maschinenge-
wehre erbeutet. Die Franzosen griffen nach starker Feuer-
vorbereitung in Kompaniestärke auch bei Sennheim im
Elsaß an; sie wurden aber mit starken Verlusten zurück-
geschlagen und verloren eine Anzahl Gefangener.
Die letzten Erkundungen im Sommegebiet hatten er-
geben, daß die Franzosen den Engländern fast den ganzen
Frontabschnitt zur Besetzung überlassen hatten, in dem sich
die Sommeschlacht abspielte. In der französischen und
englischen Presse wurde davon gesprochen, daß die Eng-
länder ihre Linie bis nach Soissons ausdehnen sollten. Da-
nach schien es, als ob die vielen Vorwürfe, die die Franzosen
den Engländern wegen zu geringer Beteiligung an den
auf dem Wege nach Bapaume". Nach der amtlichen
deutschen Aufklärung hierüber sah aber der englische Sieg
ganz anders aus. Von einer Eroberung des Dorfes konnte
überhaupt nicht die Rede sein. Schon am 5. Januar hatten
die Deutschen das in Schlamm und Trümmern aufgelöste
Dorf, das ihnen wegen seiner tiefen Lage nach der Ver-
nichtung der zu Stützpunkten geeigneten Häuserreste keinen
Halt mehr bot und zudem im Feuer der feindlichen Ge-
schütze lag, aufgegeben und eine höher gelegene, fest aus-
gebaute, vorteilhaftere Stellung bezogen. Davon hatten
die Feinde trotz ihrer häufigen Erkundungsvorstöße offen-
bar gar nichts bemerkt. Sie überschütteten das Gebiet
drei Tage hindurch mit heftigem Artilleriefeuer und zogen
dann nachts in den geräumten Ort ein. Das war die Erobe-
rung. Ganz so ohne weiteres wurde den Engländern die Stel-
lung allerdings nicht überlassen, denn kaum hatten sie von ihr
Besitz ergriffen, so nahm die deutsche Artillerie den Ort unter
schweres Feuer und fügte den Feinden große Verluste zu.
Alarm in einem Ort der Champagne.
Nach einem Originalgemäide von Wilhelm Schreuer.
186
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Phülorhet, oernil.
Ein Crößenvergleich: Sieger und Besiegter.
Das kleine deutsche Fokkerflugzeug (links) und ein von ihm bezwungener englischer Kampfdoppeldecker.
Bis zum 10. Februar steigerte sich die Kampstätigkeit
im Gebiete der Somme allmählich in einem solchen Maße,
daß fast von einem langsamen Wiederaufleben der Somme-
schlacht gesprochen werden konnte. An der Somme und
Ancre tobte am 10. Februar der Artilleriekampf an vielen
Punkten ganz gewaltig, und die Eesamtereignisse gestalteten
sich zu einer ansehnlichen Schlacht. Östlich von Beaucourt
ilnd Zwischen Le Transloy und Sailly wurde von den
Engländern mit großer Zähigkeit angegriffen. Nördlich von
der Ancre wuchs das Geschützfeuer der Feinde nach den
für sie ungünstig verlaufenen Tagesgefechten zu regelrechtem
Trommelfeuer an, dem bald der Jnfanterievorstoß folgte.
Gegen zehn Uhr abends wurde er mit besonderer Kraft
geführt. Gegenüber von Serre, das sich die Engländer
schon so oft als Ziel gesetzt hatten, brachen ihre Sturm-
truppen wieder zusammen; mehr nach der Ancre zu, im
Westen der Landstraße Beaucourt—Puisieur drang der Feind
in Kompaniebreite in die deutschen Linien ein. Ein späterer
Angriff erfolgte auch östlich von Grandcourt und nördlich
von Courcelette. Die erste Angriffswelle der Feinde wurde
sofort niedergerungen; ein später einsetzender zweiter Stoß
kam in die vordersten Gräben hinein; er brach sich dort
aber an einem Gegenstoß der Deutschen. Gegen sieben
Uhr abends hatte sich das englische Feuer auch bei der Butte
de Warlencourt gesteigert, und die,Sturmstellungen des Fein-
des füllten sich mit Truppen. Das erkannten die Deutschen
rechtzeitig und sofort überschütteten sie die englischen Linien
mit Granaten, wodurch sie den vorbereiteten Angriff vor seiner
Entfaltung erstickten. Die einzelnen Unternehmen der Eng-
länder erstreckten sich über ein Gebiet von mehr als 15 Kilo-
metern Breite; Vorteile ausschlaggebender Art erlangten
sie nirgends. — Die Franzosen ver-
suchten am 9. Februar an der Höhe
304 die Stellungen, die ihnen dort
am 25. Januar in eineinhalb Kilo-
meter Breite entrissen worden waren,
zurückzugewinnen. Am Nachmittag
dieses Tages wuchs das französische
Artilleriefeuer zum Trommelfeuer an.
Nach mehrstündiger Dauer der Be-
schießung, die die deutsche Artillerie
wuchtig erwiderte, wurde gegen sieben
Uhr abends von den Deutschen bemerkt,
daß in den französischen Gräben Sturm-
truppen bereitgestellt waren. Da ent-
wickelten die deutschen Geschütze ein
wahres Vernichtungsfeuer, unter dem
sich die französischen Gräben mit To-
ten und Verwundeten füllten; der
Angriffsversuch wurde vereitelt.
-i- *
*
Die Flieger hatten auch wieder Hervorragendes ge-
leistet. Die deutschen Luftstreitkräfte waren ganz erheblich
vermehrt worden und bewiesen ihre Tüchtigkeit in vielen
Angriffsflügen über befestigte feindliche Plätze und In-
dustrieanlagen (siehe Bild Seite 187) und in zahlreichen
Luftkämpfen. Im Monat Januar wurden 55 feindliche
Flugzeuge abgeschossen, von denen 26 in deutschen Besitz
gerieten (siehe die Bilder auf dieser Seite). Die Deutschen
verloren im selben Zeitraum insgesamt 34 Flugzeuge. Mit
den Erfolgen, die die deutsche Luftflotte im Januar aus-
weisen konnte, ergaben sich 1002 Flugzeuge, die seit dem
Beginn des Krieges durch deutsche Flieger und Abwehr-
maßnahmen von der Erde aus heruntergeholt wurden.
In dieser Zahl sind aber nur die englischen, französischen
und russischen Flugzeuge enthalten, die an der Ost- und
Westfront den Feinden verloren gingen, während Balkan
und Türkei unberücksichtigt blieben. Einen Begriff von
der gewaltigen Höhe der angegebenen Zahl bekommt man,
wenn man sich überlegt, daß sie 167 feindliche Geschwader,
jedes zu 6 Apparaten gerechnet, umfaßt, die zusammen einen
Wert von ungefähr 50 Millionen darstellen, und mit denen
ungefähr 1700 feindliche Flieger außer Gefecht gesetzt
wurden. Im einzelnen entfielen auf die Jahre 1914/15
163, auf das Jahr 1916 784 und auf den Januar 1917
die schon genannten 55 Flugzeuge. Die deutschen Flieger
hatten wirklich Grund, stolz zu sein. «Fonsetzung sorgt.»
Illustrierte Kriegsberichte.
Abschießen von treibenden
Minen.
Von Konteradmiral a. D. Fotz.
(Hierzu das Bild Seite 179.)
Schon im russisch-japanischen See-
kriege haben die unterseeischen Streit-
mittel eine große Rolle gespielt und im
Weltkriege sind von unseren Feinden
ganze Meere mit Minen verseucht
worden. Da die vorhandenen Vorräte
an modernen Höllenmaschinen für eine
solche Massenverwendung nicht aus-
reichten, so mußte auf die Bestände von
älteren Modellen zurückgegriffen wer-
den, die weniger zuverlässig sind; un-
zuverlässig namentlich in bezug auf
sichere Verankerung. Die Meeresströ-
mungen setzen die Minengefätze in
beständiges Drehen, und dieser Um-
stand führt schließlich dazu, daß die
Ankertaue sich durchscheuern, brechen
und die Minengefäße fortgetrieben
werden. An der Oberfläche schwim-
mend, bedrohen sie alsdann Freund,
Feind und Unbeteiligte in gleicher
Weise, so daß es im allgemeinen In-
teresse liegt, sie unschädlich zu machen.
Die gut durchgebildeten deutschen
Französischer Doppeldecker mit zwei Motoren und einem Maschinengewehr zu», Aufstieg bereit.
Nach einer sranzösischeu Darstellung.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
187
Minen — die übrigens den internationalen Abmachungen
entsprechend lediglich im Bereich der eigenen und feind-
lichen Küsten ausgelegt wurden — sind der Gefahr des
Vertreibens weniger ausgesetzt. Geschieht es aber aus-
nahmsweise doch, so ist durch gewisse technische, selbsttätige
Vorrichtungen dafür gesorgt, daß sie entschärft und damit
ungefährlich werden. Nicht nur allgemeine ethische, sondern
rein militärische Rücksichten verlangen solche Fürsorge, denn
nichts wirkt entmutigender, als wenn eigene Kampfmittel
den eigenen Streitern verhängnisvoll werden. Die Nach-
richten über die an neutralen Küsten angeschwemmten Minen
ließen erkennen, wie gering der Prozentsatz an deutschem
Material war, der dabei in Frage kam, wie zuverlässig
also die deutsche Mine arbeitete. Die auf Vorposten kreu-
zenden leichten Streitkräfte suchen durch Gewehr- und Ge-
schützfeuer etwa gesichtete Minen zu zerstören. Treffen
Geschosse den Zünder, so zerspringt die Mine; andernfalls
wird das Minengefäß leck geschlagen, es tritt Wasser in sein
Inneres und die Mine sinkt dann auf den Meeresgrund.
dem der Zar die Hand Deutschlands zurückgewiesen hatte,
traten die ersten Anzeichen der großen Januarschlacht her-
vor. Wir müssen uns dazu erinnern, daß die Deutschen
im Jahre 1915, solange der Sommer noch herrschte, durch
Litauen und Kurland bis an die Dünalinie vorgedrungen
waren. Ihr linker, nördlichster Flügel fand einen un-
überwindlichen Widerstand in dem südwestlichen Brücken-
kopf Rigas. Es ist ein natürlicher Brückenkopf, verstärkt
durch allerlei Bauten, die während des Krieges erst ent-
standen: der Tirulsumpf. Er dehnt sich in großer Breite
zwischen Riga und dem Mitauer Forst aus und ist zur
längsten Zeit des Jahres für militärische Handlungen un-
brauchbar. Schmale Pfade führen hindurch und auch die
sind nur mit Lebensgefahr zu begehen. Selten friert der
Tirulsumpf zu. So blieb er im Winter 1915/16 ein starker
Schutz für die Besatzung Rigas. Die deutsche Linie führte
von der Küste von Raggasem zunächst nach Süden, bog sich
dann südlich von Kalnzem nach Osten und folgte dieser Rich-
tung durch den Raum von Katharinenhof und Bockowitz, bis
Zur Beschießung feindlicher Anlagen durch deutsche Flugzeuge. Fliegeraufnahme nach einer Beschießung.
Die Kämpfe zwischen Mitau und Riga im
Januar 1917.
Von Major a. D. E. Moraht.
(Hierzu die Kunstbeilage.)
Es ist vom militärischen Standpunkt nicht ohne weiteres
möglich, den Grund für das plötzliche Auftreten der Russen
im Raume von Riga zu verstehen. 2Üie immer im Laufe
dieses Krieges, sind es in Rußland nicht allein die Erwä-
gungen der Heeresleitung, die zu militärischen Unterneh-
mungen anregen. Es sind auch zwei andere Gesichtspunkte
dabei maßgebend, nämlich die inneren Zustände des Zaren-
reiches nebst der Stimmung für und gegen den Krieg,
und zweitens der Antrieb von außen, der namentlich, nach-
dem Frankreich in seinen Ansprüchen an die russische Kraft
bescheidener geworden ist, von der Themse her kommt.
Kurz bevor sich die russische Heeresleitung entschloß, dem als
Draufgänger bekannten General Radko Dimitriew Vollmacht
zu geben zu einem neuen Angriff aus dem Raume von
Riga, hatte der Widerstand der Duma gegen die regierenden
„Sphären" einen gefährlichen Grad angenommen und die
Transport- und Hungersnöte Rußlands hatten die Unzu-
friedenheit mit dem Kriege verbreitet. Der englische Bot-
schafter in Petersburg, Buchanan, erkannte diese warnenden
Zeichen und es ist möglich, daß seine Rührigkeit die russische
Heeresleitung in ihrem Angriffsgedanken bestärkte.
Wir kennen Radko Dimitriew bereits aus den Kämpfen
in Galizien. Er hat Millionen von Russen auf dem Ge-
wissen, die an der Karpathenfront später zerschellten, und
man sagt von ihm, daß er auch in Sachen der Ableh-
nung des Friedensangebotes Ränke schmiedete. Kurz näch-
ste die Düna erreichte (siehe die Karte Seite 162). Die Front
war nicht in dem Sinne ausgebaut wie die übrigen Stel-
lungslinien in West und Ost. Der Boden ließ es nicht zu,
die Sicherungsfronten in ihm zu versenken. So mußten
sich die Deutschen mit Hindernissen begnügen, die auf dem
gewachsenen Boden aufgebaut und durch Drahtverhaue mit-
einander verbunden waren. Die Russen haben wiederholt
versucht, diese durch Artilleriefeuer leichter zu erschütternde
Front zu durchbrechen, so im Oktober und November 1915.
Der neue russische Angriff erwachte in der Nacht vom
4. zum 6. Januar 1917. Die scharfe Kälte hatte den
Tirulsumpf begehbar gemacht, der Aafluß und die Düna
waren mit Truppen zu überschreiten. Neue russische Regi-
menter hatte man herangezogen und ihnen wurde der
Plan mitgeteilt, Mitau zu überrennen und ganz Kurland
zu befreien. Wiederum bildeten Sibirier den Hauptteil
der Angreifer. Das unausgesetzte Schneegestöber erleichterte
den Russen die Annäherung. Die Truppe hatte man mit
Schneehemden ausgestattet, und man wartete nicht einmal
die Wirkung des vorbereitenden Artilleriefeuers ab. Nur
der Wachsamkeit ihrer Postenkette hatten es die Deutschen
zu danken, daß am Brückenkopf von Dünhof bei Kekkau, dann
zwischen Schlok und Tukkum und in der ganzen Breite des
Tirulsumpfes die Vorwärtsbewegung der Feinde zum
Stehen kam. Die deutschen Landwehrleute haben sich wieder
einmal als durchaus brauchbare, findige und kriegsgewohnte
Soldaten erwiesen. Wo wollten die Russen angreifen und
von wo sollte der Hauptstoß kommen? Die Flügel waren
es zunächst nicht, die gefährlich werden sollten, sondern
die russische Mitte. Sie reichte etwa von dem Orte Mis-
man, am Südzipfel des Babitsees (südlich von der Aa),
188
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Kilophot, G. m. b. H., Wien.
bis zu dem kleinen Orte Olai, etwas nördlich von der
Mündung der Misse. Den Nüssen gelang ein Einbruch an
mehreren Stellen. Sie verstärkten sich sogleich durch Reser-
ven und es begann ein blutiges Ringen in dem Urwald,
der in den Tirulsumpf hineinragt. Die deutsche Front
war in großer Gefahr, besonders da auch die nach hinten
führenden Telephonverbindungen abgeschnitten wurden. Bei
Mangal mußten sich die Deutschen in heftigster Selbst-
verteidigung nach Süden zurückziehen. Aber die Reserven
waren nicht mehr fern. Südwestlich von Mangal liegt
der kleine Waldort Skangal. Hier griffen die Reserven im
Mondenlicht mit ihren Maschinengewehren entscheidend ein.
Die Deutschen gewannen Boden und trieben schon am
6. Januar die russischen Reserven nordöstlich von Mangal
zurück, wobei sie 16 Offiziere und 1300 Mann gefangen
nahmen. Die Russen kämpften mit äußerster Rücksichts-
losigkeit, verbrannten die Verbandplätze mit ihren eigenen
Verwundeten und ermordeten die Kranken, die trans-
portunfähig waren. Aber gerade diese rohe Kriegführung
hat die deutschen Landwehrleute, wie ehemals in Frank-
der deutschen Front liegen. Uber 1000 Tote bedeckten den
Waldboden. Die Nacht vom 24. zum 25. Januar war
ruhig. Aber die Ruhe täuschte. Neues russisches Angriffs-
feuer und neuer Sturmangriff folgten. Als die Russen
zurückfluteten, war für die Gegner der Angriffsaugenblick
gekommen. Die ,,Bergman-Düne" weiter nördlich war nicht
mehr ausschließlich in russischem Besitz. Auch der Ge-
burtstag des Deulscheu Kaisers war ein ernster Eefechts-
tag, und die Truppen haben sich neuen Ruhm in diesen
Tagen geholt.
Nun aber antwortete die deutsche Heeresleitung mit
einem gewaltigen Gegenangriff. Am 29. und 30. Januar,
bei einem Frost bis zu zwanzig Grad Celsius, begann die
Artillerie, während es sich aufklärte, ihv Vernichtungsfeuer.
Die Russen antworteten und ließen ihre Geschütze, die im
Raume von Riga an Land gebracht waren, wirken. Das
hielt aber die ostpreußischen Regimenter nicht ab, auf
den Wegen vorwärts zu dringen, die in der Nacht vorher
durch die Drahthindernisse gebahnt waren. Das hatten die
Russen nicht erwartet und so unwiderstehlich und über-
Deutsche Funkerabteilung beim Überschreiten einer Paßstraße in Siebenbürgen.
reich im Jahre 1-871, zu jenem Zorn gebracht, der unauf-
haltsam vorwärts treibt.
Nun setzten die Angreifer alles daran, sich auch am
nordwestlichen Zipfel des Tirulsumpfes auszubreiten. Cie
nahmen die „Lange Düne", die sich vom Babitsee nach
Süden erstreckt, und nötigten die Deutschen zur Verteidi-
gung westlich vom Aaflusse. Bei Wisman mutzten diese
ebenfalls zurückgehen und russische Kavallerie suchte sie
niederzurennen. Dann wurde auch der linke Flügel der
Nüssen Zwischen Buobai und Olai vorwärts getrieben. Hier
blieb der Angriff vergebens und kein weiteres Ergebnis als
furchtbare Verluste begleitetenden taktischen Erfolg der rus-
sischen Überlegenheit.
Schwere Kämpfe brachten die Tage vom 23. bis zum
28. Januar. Ich hebe besonders den Kampf im sogenannten
Dünengelünde hervor. Die Russen schossen mit Gasgranaten
und bet'rommelten alle Wege hinter den Angreifern mit
stärkstem Feuer. Die deutsche Artillerie mutzte zum Sturm-
schietzen übergehen und dann bewegte sich die Infanterie,
durch Schnee und Eis gehemmt, im furchtbarsten Feuer
der Russen dennoch vorwärts. Am 23. abends war nicht
nur die „Lange Düne" im Besitz der Deutschen, diese
waren sogar noch darüber hinausgestotzen. Noch einmal
setzten starke russische Gegenangriffe ein. Sie blieben vor
raschend gelangten die Angreifer in die russischen Stel-
lungen, datz zwei Regimentsführer gefangen wurden. Bei
diesem Vorstotz brachten die Ostpreutzen 14 Offiziere und
nahezu 1000 Mann nebst 15 Maschinengewehren ein.
Fassen wir den Gesamterfolg zusammen, so zeigt sich, datz
die Deutschen nicht nur auf ihrem linken Heeresflügel in
Nordosten die russische Offensive zum Stehen brachten,
sondern datz sie auch ihre Verteidigungslinie weiter nach
vorne verlegten, und, was die Hauptsache ist: die Feinde
haben erfachren, wie moralisch überlegen und wie kampf-
freudig ihre Gegner trotz der schweren Kampfbedingungen
und trotz der langen Zeit des Krieges noch immer geblieben
waren. Vergessen wir nicht, datz das Kampfgelände manchen
Angreifer bis zum Leibe versinken ließ und datz die un-
geheure Kälte die Glieder in Gefahr brachte, zu erstarren.
Aus dem stillen Heldentum des Aushaltens ragt diese Tat
der letzten Januartage als ein Angriff von wuchtiger Kraft
empor, welcher den Franzosen und Engländern im Westen
gezeigt hat, datz die russische Überlegenheit an Menschen
die Deutschen nicht zu erschüttern vermochte. Die Januar-
beute der deutschen Truppen aus der Schlacht bei Mitau
belief sich auf 14 Offiziere und etwa 4500 Mann Gefangene,
60 Maschinengewehre und viel Material. Der Feind ver-
lor an Toten und Verwundeten wenigstens 15000 Mann.
190 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Der Kampf gegen die Rumänen.
4.
Um die Serethlinie.
I. Der Vormarsch zum Sereth.
Von Walter Oertel.
»Hierzu die Bilder Seite 188-191.»
Die Kämpfe um deu Besitz der Buzeulinie waren zu-
ungunsten der Russen und Rumänen entschieden. Schwer
erschüttert gingen die dort geschlagenen Heeresteile unter
scharfen Rachhutgefrchten auf eine stark ausgebaute Ver-
teidigungslinie in der Ostwalachei (siehe die Karte Seite 136)
zurück, die die inzwischen herangeführten beträchtlichen rus-
sischen Verstärkungen von der siebenbürgischen Grenze
durch das Gebirge über den südlich vor Rimnicul-Sarat
liegenden Raum, dann durch die Ebene von Filipesti zur
Donau hergestellt hatten und besetzt hielten.
Im Plan des russischen Armeeoberkommandos lag es,
den Vormarsch der Heere der Mittelmächte noch vor dem
Einmarsch in den südlichsten
Teil der Moldau zum Stehen
zu bringen und gleichzeitig die
wichtige Donaustadt Braila zu
decken.
Der erste schwere Stoß er-
folgte bei Filipesti. Längs der
Bahn Buzeu—Braila vor-
gehend, packten deutsche und
österreichisch-ungarische Trup-
pen entschlossen die starken Be-
festigungen an, welche die Rus-
sen zum Schutze Brailas gegen
Angriffe aus Südwesten ange-
legt hatten. Filipesti wurde
nach hartem Ringen genom-
men, während die 9. Armee
auch in nördlicher Richtung ge-
gen Rimnicul-Sarat Gelände
gewann. Durch den Fall des
befestigten Dorfes Filipesti
wurde naturgemäß die Be-
drohung Brailas immer stärker
und machte sich um so mehr
geltend, als auch die Bulgaren
die Donaustadt Tulcea er-
stürmten und im Verein mit
deutschen und türkischen Regi-
mentern nach Einnahme von
Jsaccea den Angriff gegen den
Brückenkopf von Macin, den
östlichen Schlüsselpunkt Brai-
las» einleiteten.
Mit unwiderstehlicher Ge-
walt wurde der Angriff auf
der ganzen Front eingeleitet.
Während im Norden die er-
probte 9. Armee Falkenhayns
durch die Ausläufer des. Borzagebirges bis ins west-
liche und südliche Vorfeld der Stadt Rimnicul-Sarat
hinausdrang, schob sich am unteren Calmatuiul sowie am
Westufer der Donau entlang die Donauarmee vorwärts;
stets in gleicher Höhe mit der Armee Falkenhayn, die in
breiter Front zum Angriff gegen die Verschanzungslinien
westlich und östlich der Eisenbahn Buzeu—Rimnicul-Sarat
antrat. Im Südwestrauin der Bahnstation Rimnicul-
Sarat sprengte ein gewaltiger Ansturm die russische Stel-
lung in einer Breite von 17 Kilometern und trieb die sich
verzweifelt wehrenden Russen auf die Stadt zurück, wo
während der Nacht vorgeführte starke Reserven eiligst
neue Schützengräben aufgeworfen hatten. In dichten
Massen setzten sie hier am Morgen des 27. Dezembers
zu einem gewaltigen Gegenstöße ein, der aber von baye-
rischen und preußischen Divisionen aufgefangen und unter
schwerem blutigem Verlust abgeschlagen wurde. Nachdem
der gegnerische Anlauf zerschellt war, gingen die deut-
schen Divisionen selbst zum Angriff vor, überrannten die
russischen Linien und brachen in der Verfolgung durch Rim-
nicul-Sarat bis weit über diesen Ort hinaus vor. Während
hier in der Mitte der Angriff glatt weiterging, durchstießen
österreichisch-ungarische und deutsche Regimenter die geg-
nerischen Stellungen sowohl weiter südlich in der Ebene
wie auch auf den Höhen nordwestlich der Stadt, die riesen-
hafte Bresche noch mehr verbreiternd. Gegen die Flanken
dieser Offensivgruppe warfen die Russen ihre Heeresreserven
vor, in der Hoffnung, den Durchbruch aufzuhalten. Doch
im Nu waren die deutschen Reserven, die tief gestaffelt
der Stoßgruppe folgten, heran, die Flügelgruppen schwenkten
ein und in fürchterlichem Kreuzfeuer brach auch dieser
russische Entlastungsstoß blutig zusammen.
Auf dem linken Flügel der Armee Falkenhayn vorgehend,
hatte die Gruppe Krafft v. Delmensingen, das ruhmbedeckte
Alpenkorps, schrittweise in den Bergen nordwestlich von
Rimnicul-Sarat den Widerstand der Russen und Rumä-
nen gebrochen (siehe Bild Seite 189). Die österreichisch-
ungarische Division des Feldmarschalleutnants Eoiginger
entriß dem Gegner nach schwerem Kampfe den gut be-
festigten Ort Dedulesti auf dem rechten Flügel, während
die linke Flanke der Gruppe Krafft engste Anlehnung an
den Südflügel der Heeresgruppe des Erzherzogs Joseph be-
wahrte, deren Südflügel sich
nunmehr selbst zu einer groß-
zügig geleiteten Offensive an-
schickte. Unter dem Oberbefehl
des Generals v. Eerok erstürm-
ten deutsche und österreichisch-
ungarische Truppen die hinter-
einander angelegten starken
Höhenstellungen des Gegners
an der oberen Zabala, der
Naruja und Putna. Der Nord-
flügel der Armee Gero! hatte
hierbei bei Sosmezö die sieben-
bürgische Grenze überschritten
(siehe Bild Seite 188) und die
russischen Stellungen bei Harja
eingedrückt, so daß die Truppen
des Erzherzogs Joseph nun-
mehr in einer Eesamtfront-
breite von nicht weniger als
100 Kilometern vom Tal der
Zabala bis zum Eyimespaß
sich der allgemeinen Vorwärts-
bewegung angeschlossen hatten.
Wiederum wurde Gelände
gewonnen. Der Südflügel der
Front des Erzherzogs Joseph
drang nach Osten bis über den
oberen Rimnicufluß vor, wäh-
rend die Armee Falkenhayn in
unermüdlicher Verfolgung bei-
derseits der Bahn Slobozia
nördlich Rimnicul - Sarat er-
reichte und die Donauarmee
die Linie Vizirul—Sutesti
durchschritt, so den Angriff
bis auf 36 Kilometer an Braila
herantragend.
Unter unaufhörlichem Gefecht mit den sich hartnäckig
wehrenden Russen, die nicht umsonst hier sibirische und ost-
russische Korps rücksichtslos einsetzten, schob sich der Süd-
flügel der Armee des Erzherzogs Joseph vor und drückte
von Norden bereits auf Focsani, während der linke Flügel
der Armee Falkenhayn von Westen her, die Nachhuten der
Zarenarmee an den Bergfüßen und in der Ebene werfend,
gegen die Brückenkopfstellungen dieses wichtigen Mittel-
punktes der Serethlinie im Anmarsch war. Focsani wird
im Norden von der Putna, im Süden vom Milcov um-
flossen, so dcrß diese beiden Wasserlinien im Verein mit den
permanenten Befestigungen das natürliche Kampffeld bil-
deten. Am Südufer des Milcov hatten die Russen sowie
die bei ihnen befindlichen Reste der Rumänen starke feld-
mäßige Verschanzungen angelegt. Gegen diese von Natur
aus nicht ungünstige Verteidigungslinie ging die 9. Armee
zum Angriff über und faßte vor allem die westlich und süd-
westlich Focsani gelegenen Brückenkopfschanzen kräftig an.
Nach kurzem Kampfe wurden die stark befestigten Dörfer
Mera und Pintecesti erobert; ersteres war nur 5 Kilometer
von Focsani entfernt. Jetzt wurde es möglich, die Stadt
selbst unter wirksames Artilleriefeuer zu nehmen. Nun
Phot. M F. u. F,
General Hilmi-Pafcha, der Führer der Türken, und General der
Infanterie Kosch, der Führer der siegreichen Donauarmee und Er-
oberer von Braila, während der Kämpfe am Serethufer.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Die Bagagewagen werden mittels der Fahre bei Braila über die Donau gebracht
Das Beladen der Fähre zum Übergang über die Donau bei Braila
Der Donauübergang bei Braila.
Nach Aufnahmen der M. F. u. F.
schritten auch die weiter nördlich vor-
gehenden Heeresteile in der Richtung
aufOdobesci über den Milcov und ge-
langten damit in den Nordwestrauni
Focsanis. So war diese Stadt im
Süden und Südwesten wie im Osten
und Nordwesten durch die Armee
Falkenhayn umspannt, so daß nur
noch im Norden den Sereth aufwärts
ein kleiner Raum offen blieb. Der
Ernst der Lage wurde von der rus-
sischen Heeresleitung vollkommen er-
faßt. Sie setzte in der Hinderniszone
von Rimnicul-Sarat bis zu den Brücken-
kopfstellungen am Milcov alles an der
Front ein, was sie an Reserven verfüg-
bar hatte, doch alle ihre Bemühungen
waren vergeblich.
Am 8. Januar sollte sich das Ge-
schick Focsanis erfüllen. Mit mächtigem
Ansturm durchbrachen, von Westen und
Südwestenvordringend, deutsche Regi-
menter die feindlichen Linien, wäh-
rend von Odobesci her die bewährte
österreichisch-ungarische Division Lud- Blick auf das Donauufer. Die Truppen fetze» auf Fähren Uber de,, Fluß.
wig Eoiginger die russische Front ein-
drückte. Der Russe wich auf der gan-
zen Front und um acht Uhr vormit-
tags war die Mitte der Serethstellung
genommen.
Auch Braila fiel.
Mit zäher Entschlossenheit vor-
gehend, hatte die 3. bulgarische Armee
des Generals Nerezow, der deutsche,
bulgarische und ottomanische Truppen
angehörten, ihre Aufgabe schnell gelöst.
Nachdem die Russen in den stark aus-
gebauten Brückenkopf von Macin ge-
worfen worden waren, drängten die
Bulgaren scharf gegen diesen an, er-
stürmten in erbittertem Kampfe die
Höhen, die die Hauptstützpunkte der
gegnerischen Stellung bildeten, und
zwangen die Russen zur Aufgabe von
Macin. Hierauf wurde dem linken
russischen Flügel bei Vacareni eine
schwere Niederlage bereitet und auch
diese Heerestcile zum Rückzüge auf das
nördliche Donauufer gezwungen, so
daß sich nun kein russischer oder ru-
mänischer Soldat mehr auf dem Bo-
den der Dobrudscha befand.
Sobald die Dobrudscha gesäubert
war, wurde der Angriff auf Braila
eingeleitet, gegen das von Westen her
deutsche Truppen im Anmarsch waren.
Westlich von Macin gingen die Bul-
garen über die Donau (siehe neben-
stehende Bilder). UnterdemDrucke die ses
von zwei Seiten drohenden Angriffes
gaben die Russen Braila auf und gingen
auf das Nordufer des Sereth zurück.
In Braila zogen von Westen her
deutsche Reiter, von Süden her bul-
garische Infanterie ein und legten da-
mit ihre Hand auf die wichtige Stadt.
Auch in diesem Abschnitte gaben die
Russen vor der Donauarmee des Ge-
nerals Kosch (siehe Bild Seite 190) den
Widerstand auf und räumten das süd-
liche Serethufer.
Braila, das in Friedenszeiten über
60 000 Einwohner zählt, ist neben
Constanza der wichtigste Ausfuhrhafen
Rumäniens, da bis dorthin auch die
Seeschiffe von Sulina donauaufwürts
fahren können. Es besitzt unter anderem
auch Getreidespeicher von 30 000 Ton-
nen Fassungsraum, in denen von den
Ernterl der letzten Jahre noch reiche
192
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Vorräte lagerten, die Zum größten Teile von England und
dessen Verbündeten aufgekauft waren.
Auf der ganzen über 40 Kilometer langen Front, von
der Mündung des Rimnicul bis Fundeni, waren die ver-
bündeten Truppen bis dicht an den Sereth herangerückt, wo
die Russen noch einige, allerdings recht stark ausgebaute,
Brückenkopfstellungen behaupteten. Auch im Raume öst-
lich von Focsani befand sich der Russe in rückgängiger Be-
wegung; sein linker Flügelstützpunkt Ealatz aber lag be-
reits ynter dem Feuer deutscher Batterien.
Die Milch-, Butter- und Käseversorgung
während und nach dem großen Kriege.
Von Molkereidirektor Reinumd, Fulda.
«Fortsetzung.!
II.
Die bisherige Mißachtung des hohen Wertes und der
Unentbehrlichkeit der Milch führten
in Verbraucherkreisen ganz von selbst
zu der Ansicht, daß die Milchpreise
hoch genug seien, und daß gegen
alle Versuche der Erzeuger und
Händler, die Milchpreise zu steigern,
Sturm gelaufen werden müsse. In-
folgedessen gibt es wenig Städte,
die nicht in kürzeren oder längeren
Zwischenräumen ihren „Milchkrieg"
zwischen Erzeugern und Verbrau-
chern durchgemacht haben. Bei die-
sen unblutigen, aber doch, wie man
heute sieht, verderblichen Kämpfen
nahm der Handel einmal für die
Erzeuger, ein anderes Mal wieder
für die Verbraucher Partei, er war
also schwankend und bewies dadurch,
daß er sich seiner hohen Aufgabe nicht
in vollem Umfange bewußt war.
Andernfalls hätte er immer dafür
eintreten müssen, die Beseitigung der
offenbaren Mängel der Milchversor-
gung durch angemessene Preisgestal-
tung zu ermöglichen. So aber en-
deten die Kämpfe bestenfalls mit einer
kleinen Aufbesserung der Preise, viel-
fach auch mit einer Ablehnung der ge-
forderten Erhöhung, und die Folge davon war, daß weder
Erzeuger noch Händler daran denken konnten, Verbesserungen
einzuführen; sie waren zufrieden, wenn sie mit einer er-
kämpften Preiserhöhung ihre unausgesetztwachsendenKosten
für den gewohnten Betrieb bestreiten konnten.
Sehr viele Erzeuger verloren, erbittert durch die Preis-
kämpfe und die ihnen gewohnheitsmäßig gemachten Vor-
würfe der Bewucherung, nach und nach gänzlich dasJnteresse
am Kuhstall und wendeten sich anderen Betriebszweigen zu.
Bei vielen anderen wurden die Milchkühe zwar behalten, aber
weniger zur Milchgewinnung als zur Düngergewinnung;
jedenfalls konnte von Bemühungen, die Beschaffenheit der
Milch und die Art des Vertriebs zu verbessern, gar keine Rede
sein. Unter solchen Umständen ist es nur zu leicht begreiflich,
daß wir jetzt, wo bei der Knappheit aller anderen Nahrungs-
mittel der unschätzbare Wert und die Unentbehrlichkeit der Milch
mit jedem Tage deutlicher erkannt werden, vor der Schwie-
rigkeit stehen, nicht genug Milch herbeischaffen zu können.
Es rächt sich bitter, daß man nicht schon vor Jahren dar-
angegangen ist, die Milchversorgung überall in gesunde,
einwandfreie Bahnen zu lenken und sowohl dem Landwirt
wie auch dem Händler Preise zu bewilligen, die einmal zu
möglichst großer Steigerung der Milchproduktion und dann
zu höchster Vervollkommnung der Milchversorgung in hygie-
nischer Beziehung verlocken mußten Wäre das geschehen,
dann hätten wir heute sicherlich nicht mit so großen Schwie-
rigkeiten zu kämpfen. Hat man nun aber, wenn auch
mit Verspätung, die Fehler und Unterlassungsünden er-
kannt, so sollte man schleunigst die nötigen Folgen daraus
ziehen und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die
Umleitung der Milchversorgung in einwandfreie Bahnen in
Angriff nehmen. Die Schwierigkeiten dabei liegen nur in
der Preisfrage. Ich bestreite aber ganz entschieden, daß
diese unüberwindlich wären. Wir sehen das gerade jetzt am
Pchot. Berk. Jllustrcit.-Gef. m. b. H.
Abzeichen, das an der Heeresfront des Erzherzogs Karl
(jetzigen Kaisers Karl) getragen wurde; hergestellt nach
dem Entwürfe des Bildhauers Heinrich Kautsch, Wien.
besten, denn nicht der höhere Preis der Milch ist zurzeit
das Übel, sondern allein die Knappheit beziehungsweise
der große Mangel an Milch. Wäre jetzt soviel gute Milch
vorhanden, wie die Verbraucher haben müßten, um den
Mangel und die Knappheit in anderen Nahrungsmitteln
auszugleichen, dann dürfte das Liter ruhig fünfzig Pfennige
kosten. Niemand würde sich ernstlich darüber aufregen. Ich
bestreite auch, daß ein solcher Preis unangemessen und un-
erschwinglich wäre. Unangemessen deshalb nicht, weil der
Nährwert der Milch und Milcherzeugnisse fast alle anderen,
meist erheblich teureren Nahrungsmittel übertrifft, und un-
erschwinglich deshalb nicht, weil man bei ausreichendem Ver-
brauch von Milch und Milcherzeugnissen sehr gut auf viele
andere, teurere Nahrungsmittel verzichten kann.
Daß alles, ohne Ausnahme, teurer geworden ist, brauche
ich, da es jedermann bekannt ist, nicht mehr ausführlich zu
erörtern. Bei vielen Nahrungs- und Eenußmitteln be-
trägt die Preissteigerung 200 und 300 Prozent. Trotz-
dem werden sie gekauft. Und wenn
wirklich für einzelne Bevölkerungs-
kreise, die ohne ihre Schuld einen
ausreichenden Verdienst nicht haben,
wesentlich höhere Milchpreise als
unerschwinglich angesehen werden
müßten, dann wäre es Pflicht der
Allgemeinheit, einen Ausgleich da-
durch zu schaffen, daß Verbraucher
mit hohem Einkommen einen ent-
sprechenden Aufschlag bezahlten. An
der praktischen Durchführung dieser
Maßnahmen könnte die Sache nicht
scheitern. Der Verbrauch von Milch
wird voraussichtlich noch für lange
Zeit durch die Ausgabe von Karten
geregelt werden müssen. Man hat
es also sehr wohl in der Hand, die
wohlhabenderen Leute und solche mit
größerem Einkommen bei Empfang-
nahme der Milchkarten eine Sonder-
abgabe zahlen zu lassen, die dazu
verwendet werden müßte, den Ar-
men und Minderbemittelten bei Aus-
händigung der Milchkarten eine Bei-
steuer zum Milchpreise zu zahlen.
Beispielsweise: Beim Empfang
der Milchkarten haben zu zahlen:
Verbraucher mit einem Jahreseinkommen auf das Liter
von 6 000 bis 7 000 Mark .... 1 Pfennig
„ 7 000 „ 8 000 „ .... 2
„ 8 000 „ 9 000 „ .... 3
„ 9 000 „ 10 000 „ .... 4 „
„ 10 000 „ 15 000 „ .... 6
„ 15 000 „ 20 000 „ .... 8
20 000 „ 30 000 „ .... 10 „
Dagegen würden bei Empfangnahme der Milchkarten als
Barzuschuß zu erhalten haben:
Verbraucher mit einem Jahreseinkommen auf das Liter
von weniger als 1000 Mark . . .10 Pfennig
„ 1000 bis 2000 „ ... 8
„ 2000 „ 3000 „ ... 6
„ 3000 „ 4000 „ . . . 4 „
„ 4000 „ 5000 „ ... 2
Vielleicht könnte, um einen Mißbrauch mit dem Bargeld zu
verhüten, der Zuschuß in Gestalt von Marken gegeben werden,
die von den Milchversorgungsanstalten in Zahlung ge-
nommen werden müßten.
Dieser Vorschlag, der natürlich an die beispielsweise ge-
nannten Zahlen nicht gebunden zu sein braucht, läuft darauf
hinaus, daß für die wohlhabendere Bevölkerung nicht Höchst-
preise, sondern Mindestpreise festzusetzen wären, denn es ist
und bleibt ein Unding, daß für unentbehrliche Nahrungs-
mittel die arme Witwe mit einer Anzahl Kinder genau den
gleichen Preis zahlen muß wie der reiche Fabrikant, der
sich auch andere, teurere Nahrungsmittel gestatten kann.
Ob derartige Vorschläge Gegenliebe und die zu ihrer Durch-
führung notwendige Unterstützung finden würden, muß ich
dahingestellt sein lassen. Soviel erscheint mir aber sicher, daß
bei einer derartigen Umgestaltung unendlich viel zur Verbesse-
rung der Milchversorgung und damit zur Herabminderung
der Kindersterblichkeit erreicht werden könnte. «Fortsetzung soigt.i
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
(Fortsetzung.)
Phot. Welt-Preß-Photo, Wien.
Österreichisch-ungarische Mineure begeben sich zur Vornahme einer Sprengung
Ln die dem Feinde am nächsten liegende Stellung.
An der russischen Front, im Abschnitt von Riga, zeigte
das Thermometer bis zu 38 Grad Kälte. Trotzdem richteten
die Russen in der Nacht zum 3. Februar gegen die von den
Deutschen wiedergewonnenen Dünenstellungen ein regel-
rechtes Trommelfeuer. Die unter dem Befehle des aus
dem bulgarischen Heere desertierten Generals Radto Dimi-
triew stehenden russischen Truppen versuchten danach zwar
im Sturm vorzugehen, der von Nordosten her angesetzte
Angriff mutzte aber sehr bald abgebrochen werden» da seine
Aussichtslosigkeit schon früh zu erkennen war.
Auf deutscher Seite wurde inzwischen der Ausbau der
wieder- und neugewonnenen Linien, soweit die Kälte das
zulietz, nach Kräften gefördert und die Stellungen wohn-
licher eingerichtet, was meist besondere, mit Spitzhacken und
Schaufeln versehene Arbeitertruppen besorgten (siehe Bild
Seite 194). Zugleich wurde Vorsorge getroffen, datz die
Russen bei einer etwaigen Wiederaufnahme ihrer Gegen-
stöße alles zur Abwehr wohl gerüstet antreffen würden.
Mit größeren Unternehmen brauchte aber kaum gerechnet
zu werden, weil dem Feinde dazu die Mannschaften fehlen
mutzten. Schon bei dem
deutschen Ansturm, der
Schritt für Schritt Bo-
den gewann, waren die
Russen gezwungen, die
Rigaer Garnison ins
Feuer zu führen» also
ihre letzten Reserven in
diesem Abschnitt anzu-
greifen. Die Schlacht bei
Mitau, die den Russen
außer schweren Men-
schenverlusten auch wie-
der Gelände gekostet
hatte, erwies sich als eine
unnütze Verschleuderung
ihrer Kräfte; die Ent-
lastungdes Brückenkopfes
von Riga war nicht ein-
getreten» sondern dieser
wurde eher noch mehr
eingeengt. Die Russen
büßten bei diesen Kämp-
fen 4 Offiziere und an-
nähernd 5000 Mann an
Gefangenen, 60 Maschi-
nengewehre und viel an-
deres Material ein. Elf
frische Regimenter waren
rücksichtslos auf die Deut-
schen gehetzt worden;
vollkommen geschlagen
mutzten sie zurück.
Mitau (siehe das Bild
Seite 195 oben), das nur
wenig unter dem Krieg
gelitten hatte, lag nach
den letzten unruhigen
Tagen wieder friedlich
und ruhig da. Die sport-
lustige Jugend benützte
die sich im weiten Tal
der Aa bietenden Ge-
legenheiten, sich auf dem
Eise zu tummeln (siehe
Bild Seite 195 mitten)
und niemand glaubte an
Erfahren, die der Krieg vielleicht noch bringen könnte.
Als die Kälte nachließ, blieb es in dem nördlichen Front-
abschnitt bis zur Ostsee (siehe Bild Seite 195 unten) noch
ruhig. Weiter südlich dagegen kam es von Tag zu Tag
häufiger zu heftigen Zusammenstößen, die meist auf die
kühne Aufklärungstätigkeit der Deutschen und noch mehr
südlich auf jene der Österreicher und Ungarn zurückzuführen
waren. Am 6. Februar brach ein Erkundungstrupp,
deutschen und österreichisch-ungarischen Abteilungen zu-
sammengesetzt, nach sorgfältiger Feuervorbereitung bei
Saberesina gegen die in eineinhalbjähriger Arbeit vortreff-
lich ausgebauten russischen Stellungen vor. Der Vorstoß
gelang vollständig. Ausgezeichnetes Zusammenarbeiten der
Artillerie und der Infanterie hatte mit verhältnismäßig
geringen Mitteln einen schönen Erfolg herbeiführen können.
Am 7. Februar hatte ein ähnlicher Vorstoß bei Kisielin
westlich von Luck ein ebenso günstiges Ergebnis.
Die Russen stießen nördlich vom Naroczsee bei Postawy
Und südöstlich von Zloczow mit Jagdkommandos vor, die
aber in die Flucht geschlagen wurden. Die Deutschen hin-
gegen holten am Unterlauf des Stochod wieder ohne eigene
Verluste eine größere Anzahl Gefangener aus den feind-
lichen Gräben. Tags darauf kam es bei Kisielin wieder
zu für die Deutschen glücklichen Kämpfen, auch an der
Düna fiel ihnen gute Beute in die Hände. Ein größerer
Handstreich gegen die russische Stellung bei dem Dorfe
Nurwiancy, 3 Kilometer südlich vom Dryswjatysee, glückte
am 12. Februar. An der Bahn von Kowel nach Luck
überwältigte eine deut-
sche Streifabteilung eine
russische Feldwache, hob
sie aus und nahm 41
Mann gefangen. Süd-
westlich davon, bei Kisie-
lin, das um diese Zeit
öfter genannt wurde,
verloren die Russen bei
einem von deutschen
Truppen ausgeführten
Vorstoß wieder 30 Mann
an Eefangenenund IMa-
schinengewehr.
Ein weiterer groß-
zügiger Überfall nördlich
der Bahn von Zloczow
nach Tarnopol siel aus
dem Rahmen dieser Art
Unternehmen wesentlich
heraus. Dort hatten die
Russen eifrig miniert
und waren, wie aus den
Aussagen Gefangener
hervorging, mit ihrer Ar-
beit so weit vorgeschrit-
ten, daß die Sprengun-
gen nahe bevorstanden.
Die deutsche Führung be-
schloß deshalb, hier zur
zeitweiligen Vertreibung
des Feindes vorzustoßen
und die Ausführung sei-
nes Vorhabens zu ver-
hindern. Nach kurzer,
kräftiger Feuerwirkung
brachen die Deutschen in
die russischen Linien ein
und drückten sie über
100 Meter weit zurück.
6 Offiziere und 275 Mann
der feindlichen Eraben-
besahung wurden dabei
gefangen.
Dann erst begann die
Hauptarbeit. Pioniere
und Mineure (siehe neben-
stehendes Bild) unterzogen die feindliche Stellung einer ge-
nauen Untersuchung. Ein Teil der Anlagen konnte ohne
weiteres beseitigt und unbrauchbar gemacht werden; ein
großer Minenstollen dagegen war schon bis unter die deut-
schen Gräben vorgetrieben und fast fertig geladen. Zu seiner
Entladung und Zerstörung war eine fünfstündige heiße
Arbeit unter der Erde nötig, während der den deutschen
Truppen die Aufgabe zufiel, die genommene Stellung zu
aus
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.
VI. Band. 25
194
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
halten, um den Pionieren das Unschädlichmachen des
Ganges zu ermöglichen. Sobald dies geschehen und der
Zweck des Überfalls erreicht war, zogen sie sich im Feuer-
gefecht zurück, wie es beabsichtigt war, und überließen die
ganz unbrauchbar gemachte Stellung wieder den Russen.
Im Mesticanestiabschnitt, im Gebiet der Dreiländerecke,
waren die Russen mit starken Kräften bemüht, zu verhindern,
daß es hier zu einem Durchstoß der Gegner kam, der bis an
den Sereth hätte führen können. Die Einnahme des Gebie-
tes zwischen Südkarpathen und den Bistritzuferhöhen bis an
das Westufer des Sereth durch die k. u. k. Truppen hätte die
Russen zur Räumung des von ihnen noch gehaltenen Haupt-
teiles der Bukowina gezwungen und wahrscheinlich auch die
Zurücknahme ihrer Linien in Ostgalizien erfordert, ganz
abgesehen von der Wirkung auf die rumänische Front. Nun
aber stießen am 6. Februar österreichisch-ungarische Jäger
bei Kirlibaba an der Westgrenze der Bukowina zu (Äkun-
dungen vor. Am 12. Februar kam es südlich von der Vale-
putnastraße zum Sturm auf einen stark befestigten russi-
schen Stützpunkt. Der Angriff wurde glänzend durchge-
führt und kostete den Feinden die Stellung, die auch
3 Offiziere und 168 Mann an Gefangenen sowie 3 Ma-
schinengewehre verloren. Schon am nächsten Tage stürmten
Ealah (siehe die Karte Seite 198) stand dauernd unter plan-
mäßiger Beschießung. Die in diesem Abschnitt aufklären-
den Flieger meldeten, daß viele hundert Meter der Hafen-
anlagen unbrauchbar und die mächtigen Getreidespeicher
schon längst ein Raub der Flammen geworden waren. Das
Zeughaus fing unter der Wirkung der schweren Geschütze
immer wieder Feuer, und die Petroleumtanks im nord-
westlichen Teil der Stadt waren längst ausgebrannt.
Die Donaulinie wurde auch durch die Donaumonitore
(siehe Bild Seite 196 unten), die sich wiederholt auch bei
Landungsunternehmungen rühmlichst ausgezeichnet hatten,
gesichert. In der Dobrudscha hielten die Bulgaren
die Wacht; eigentliche Gefechte ereigneten sich nicht, aber
häufig kam es zu einem Feueraustausch zwischen den ein-
ander gegenüberliegenden Truppen. Während die großen
Kämpfe ruhten, suchten die verbündeten Streitkräfte in
dem vom Kriege heimgesuchten Lande (siehe die Kunst-
beilage) die Ordnung wieder herzustellen. Die vielen Tausend
in Braila eingetroffenen Flüchtlinge (siehe Bild Seite 199),
die unter der Roheit der russischen Soldaten schwer zu
leiden gehabt hatten, wurden nach ihren Heimatsorten be-
fördert, zu welchem Zwecke im Hafen von Braila zahlreiche
Schleppkähne, auf denen oft 2000 Personen untergebracht
Ablösung von Schanzarbeitern aus der Feuerlinie im Osten.
Hofphot. Kühlewindt.
österreichisch-ungarische und deutsche Truppen an der Vale-
putnastraße wieder eine weitläufige, geschickt ausgebaute
russische Stellung, auf deren Besitz die Russen so viel Wert
legten, daß sie zahllose Gegenangriffe unternahmen, die
sie aber nur mit großen blutigen Opfern bezahlen mußten.
Der von den k. u. k. Truppen hier erzielte Fortschritt be-
deutete eine bedenkliche Gefährdung der russischen Stel-
lungen im Raume westlich vom oberen Sereth.
An der unteren Serethfront hemmte der Winter noch
die Eefechtstätigkeit. Er war so hart, daß sich durch ihn
die Gefahren und Strapazen der täglichen Teilkämpfe und
der steten Bereitschaft bedeutend erhöhten. In feinen
scharfen Eiskörnern trieb der Schnee durch die Luft und der
Sturm wirbelte ihn den Menschen entgegen, daß die Körner
sich wie mit spitzen Radeln in die Haut einbohrten und die
Soldaten mit einer Eiskruste überzogen. Trotz dieser Wetter-
unbilden mußte der Nachschub geregelt bleiben; Munition,
Proviant und anderes Kriegsmaterial waren nach vorn zu
schaffen und selbst Bohlen und Bretter mußten von weit
her durch den Schnee herbeigeholt werden. Da kam die
reiche Beute sehr gelegen, die in den großen rumänischen
Sägewerken (siehe Bild Seite 196 oben) gemacht worden
war. Wenn auch umfassendere Jnfanterieangriffe unter-
blieben und nur kleine Abteilungen kühne Überfälle aus-
führten, so wurde weder die Tätigkeit der Artillerie (siehe
Bild Seite 197) noch die der Flieger eingestellt. Besonders
werden konnten, bereit lagen. Meie der Flüchtlinge mußten
freilich damit rechnen, daß sie ihr Heim in einem traurigen
Zustande wiederfinden würden, hatten doch, ganz ab-
gesehen von den Russen, die Rumänen in ihrem eigenen
Lande ähnlich gehaust wie in Siebenbürgen, wo sie ihre
Zerstörungswut auch an Privatwohnungen ausließen.
An der mazedonischen Front kamen die Ereignisse im
Laufe des Februars wieder mehr in Fluß. Wenn auch die
Truppen des Vierbundes ihre Stellungen immer noch weiter
ausbauten, was in dem baumlosen Bergland mit nicht ge-
ringen Schwierigkeiten verknüpft war, und sich mit der Her-
stellung von Wegen und Brücken beschäftigten (siehe die
Bilder Seite 201), so nahm ihre Erkundungstätigkeit doch
bedeutend zu und vielfach setzten sie zur Verbesserung ihrer
Stellungen auch Vorstöße an, die gute Erfolge zeitigten. Am
7. Februar wurden bei Vorpostenzusammenstößen zwischen
Ochrida- und Prespasee Franzosen gefangen genommen.
Eine größere Unternehmung führten nach gründlicher Feuer-
vorbereitung deutsche Truppen im Cernabogen aus. Sie
griffen dort östlich von Paralovo eine feindliche Höhen-
stellung an, nahmen diese und stürmten dann auch einige
dahinter liegende Lager. Der Vorstoß war gegen italienische
Streitkräfte gerichtet, denen die Deutschen unter geringen
eigenen Verlusten 2 Offiziere und 90 Mann als Gefangene
und dazu 5 Maschinengewehre und 2 Minenwerfer ab-
nahmen. An diesem Teil der Front hatten vorher Serben
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
gestanden, die hofften,
von hier aus in ihre
Heimat vordringen zu
können. Einzelne sahen
die Heimat auch bald
wieder, allerdings nur
als Gefangene (siehe
Bild Seite 200 oben).
Die serbischeBevölkerung
fand sich gut mit den ver-
änderten Verhältnissen
ab. An vielen Stellen
herrschte unter der Ein-
wirkung der langen Zeit
und der gerechten Ver-
waltungdesLandes schon
längst ein gutes Einver-
nehmen zwischen der Be-
völkerung und den Trup-
pen. Nahe der Front
bekamen aber auch die
Einwohner Proben von
dem Ernst der Zeit,
wenn gelegentlich Gra-
naten und Schrapnelle
über den Dörfern und
Städten platzten oder
wenn Flieger Bomben
abwarfen, wobei oft auch
Zivilisten getötet oder
verletzt wurden (siehe
Bild Seite 200 unten).
Im anschließenden
Raume von Valona,
der immer fester mit der
Salonikifront verwuchs,
herrschte trotz der Ver-
suche der Vierverbands-
truppen, hier ihre Front
ähnlich wie um Saloniki
fest zu verankern, noch
verhältnismäßig Ruhe.
In einem Abschnitt, der
eigentlich in dem Bereich
der Italiener lag, griff
am 15. Februar ein gan-
zes französisches Regi-
ment, das Artillerie mit
sich führte, westlich von
dem Orte Korea stehende
österreichisch-ungarische
Grenzjägerkompanien
und Albaniertruppen an.
Diese schwachen Streit-
kräfte zogen sich, ohne es
auf einen schärferen
Kampf ankommen zu
lassen, auf ihre Höhen-
stellungen zurück, zu de-
nen ihnen die Franzosen
nicht nachzudringen wag-
ten. Auf dem albanischen
Schauplatz glückte es am
8. Februar einem in der
Gegend von Berat pa-
trouillierenden Gendar-
men, ein italienisches
Flugzeug abzuschießen.
Derartige Mißgeschicke
waren den Italienern
wiederholt begegnet, wie
zum Beispiel erst am
3. Dezember 1916 bei
Marlinje im Karst, wo
ihnen ein großes Ca-
proniflugzeug verloren
ging (stehe Bild Seite
202).— Die Österreicher
und Ungarn waren auf
diesem Teile des Balkan-
Blick über den Markt von Milan, von der Trinitatiskirche aus.
Zurückkehrende Jägerpatrouille am kurländischen Ostseestrande.
Bilder zu den Kämpfen beb Mitau.
Nach Aufnahmen des Hosphotographen Kühlewindt.
196
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Welt-Preß-Photo, Wien.
Von österreichisch-ungarischen Truppen Ln Rumänien erbeutetes Bretterlager.
schauplatzes für alle Möglichkeiten gerüstet. Der Besitz meh-
rerer Häfen der Adria ermöglichte es ihnen, auch den See-
weg zur Versorgung ihrer Streitkräfte zu benützen (siehe Bild
Seite 203), woran die Italiener sie nur wenig hindern
konnten.
Während Sarrail sich auf der ganzen Linie im wesent-
lichen auf die Verteidigung beschränkte, hielt die Spannung
zwischen Griechenland und dem Vierverband, der
das unglückliche Land trotz seiner Nachgiebigkeit mit äußerster
Rücksichtslosigkeit weiter quälte, an. Im besonderen be-
quemten sich diese seltsamen „Schutzmächte" nicht dazu,
die Blockade über die griechischen Küsten, die für das Land
nichts anderes als die Hungersnot bedeuten konnte, wieder
aufzuheben; die Maßregel wurde auch Mitte Februar noch
fortgesetzt. —
Einer der österreichisch-ungarischen Donaumonitore. die die Unternehmungen gegen Rumänien erfolgreich unterstützten.
Die italienische Front
wurde mit der fortschrei-
tenden Jahreszeit immer
häufiger der Schauplatz
größerer Gefechte.
Am 4. Februar mor-
gens drang eine Abtei-
lung des k. u. k. Feld-
jägerbataillons Nr. 30 am
Plöckenpaß in die italie-
nischen Linien ein, zer-
störte die Verteidigungs-
einrichtungen des Fein-
des und brachte von dem
kühnen Erkundungsstoß
1 Offizier, 28 Mann an
Gefangenen und 1 Ma-
schinengewehr und 1 Mi-
nenwerfer mit in die eige-
nen Linien zurück.
Wenige Taoe später
unternahmen Abteilun-
gen der Jnfanterieregi-
menter 85 und 87 und
Landsturminfanterie aus
Niederösterreich und der
Bukowina im Abschnitt
von Eörz nachts einen
Aberfall der italienischen
Stellungen. Sie fügten
den Italienern schwere
blutige Verluste zu und
nahmen ihnen mehrere
Grabenstücke weg, aus denen 15 Offiziere und 650 Mann,
ferner 10 Maschinengewehre, 2 Minenrocrfer und viel
sonstiges Kriegsgerät fortgeführt wurden. Bei der Fort-
setzung der Kämpfe am 10. Februar gelangten die Feinde
zwar wieder in die ihnen entrissene Stellung, sie mußten
diese aber dann doch in 1 Kilometer Breite den Öster-
reichern und Ungarn endgültig überlassen. Am Stilfser Joch
gingen die Italiener zu einer Erkundung vor; sie wurden
aber blutig zurückgewiesen. Am folgenden Tage griffen
k. u. k. Streilkräfte vom Infanterieregiment Nr. 14 im
Suganertale südlich von der Coalbaschlücht erfolgreich an.
Ebenso brachten im Vallarsaabschnitt nach einem nächt-
lichen Überfall Kaiserschützen aus der Lenoichlucht 22 Ge-
fangene und 1 Maschinengewehr ein, u> d am Tonalepaß
wurden bei einem Vorstoß gegen einen feindlichen Stütz-
punkt 23 Gefangene gemacht. Diese lebhafte Tätigkeit ent-
faltete sich, obwohl eigent-
lich gerade im Hochge-
birge die Zeit für größere
Kampfhandlungen noch
nicht gekommen war.
Inzwischen kam auch
der Ernst des uneinge-
schränkten Untersee-
bootkrieges, der euch
im Mittelländischen Meer
größeren Umfang an-
nahm , den Italienern
immer eindringlicher zum
Bewußtsein. Besonders
die fast vollständige Ab-
schneidung der Kohlen-
zufuhren bedeutete für
Italien eine ständig wach-
sende Gefahr, denn schon
mußten hin und wieder
die Munitionsfabriken
ihre Tätigkeit einstellen,
weil ihre Kohlenvorräte
erschöpft waren. So hat-
ten die Österreicher und
Ungarn eine ganze mit
Kohlen beladene Flotte
vernichtet. Diese sollte
für die Bahnen und
Schiffe englische Kohlen
von Cardiff nach Italien
Stosse-,
Deutsche Artillerie auf dem Vormarsch an der unteren Donau.
Im Vordergründe rumänische Gefangene.
Z?ach einer Qrlginalzercknunli non ?adislauß Tußzvnßki.
198
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
VogelschaukarLe zu den Kämpfen um Galatz.
bringen. Den Transport sicherten die Engländer dadurch,
daß sie ihn von einer Anzahl Torpedoboote begleiten ließen.
Bis zur Straße von Gibraltar, wo sich die Schiffe zur ge-
meinsamen Durchquerung des Mittelländischen Meeres sam-
melten, ging die Fahrt glatt vonstatten. Dann aber brach
das Verhängnis herein, dem fast die ganze Flotte zum
Opfer fiel. Nur der fünfte Teil aller aus Cardiff ausgelaufenen
Schiffe erreichte mit seiner Fracht den italienischen Bestim-
mungshafen; die anderen waren durch österreichisch-ungarische
U-Boote auf'den Grund des Meeres geschickt worden.
Vor dem Hafen von Alerandria waren schon vorher,
am 29. Januar, zwei englische Weizentransportschiffe von
10 000, und 11 000 Tonnen, die Ladungen für Saloniki
führten, nach erhaltenen Torpedotreffern gesunken. Die
scharfe U-Bootwacht im Mittelländischen Meere kam auch
den Türken zugute, weil sie die Verbindung der außer-
europäischen Kriegschauplätze der Engländer mit dem
Mutterlande wesentlich erschweren half. Die Türken waren
hier ebenfalls an dem Handelskrieg beteiligt und zwar be-
sonders mit Wasserflugzeugen tsiehe die Bilder Seite 204),
die kühne Streifzüge bis in das Agäische Meer unternahmen
und kleinere Dampfer versenkten. —
* * *
Die Engländer führten die Kämpfe auf den türkischen
Kriegschaupläßen weiter und erzielten auch Fortschritte, die
jedoch nicht gerade hoch angeschlagen werden konnten. Aus
dem Raume vor dem Suezkanal hatten sie die türkischen
Posten, die ihnen hier manches Gefecht geliefert und manche
Niederlage beigebracht hatten, unter Anwendung großer
Übermacht wieder verdrängt. Es war in diesem Gebiete,
wo es keine fest abgegrenzten Stellungen gab, der eng-
lischen Übermacht nicht sehr schwer gewesen, die in der
Wüste verstreuten Posten und Feldwachen durch Über-
flügelung zu gefährden und zurückzudrängen. Wenig östlich
von El-Arisch wurde den Angreifern aber Halt geboten.
Dort sahen sich die Engländer vor wirklichen militärischen
Aufgaben und mußten infolgedessen erst entsprechende Vor-
bereitungen treffen, denn dort stießen sie auf geregelten
Widerstand. In jener Gegend begann das türkische Straßen-
netz, das zu den großen Earnisonorten und Lagerplätzen
K. In diesen, wie zum Beispiel in Jerusalem tsiehe die
c Seite 206—208), sammelten sich nicht nur neue tür-
kische Truppen, sondern es wurden auch englische Gefangene
dorthin gebracht.
Im westlichen Teile Ägyptens hatten die Engländer nach
ihren Berichten gegen die Senussi ebenfalls wieder Raum
gewonnen. Bei Girba, Siwa und Earabub wollten sie
diesen kriegerischen Stamm unter dem Scheich Sayed Ahmed
zu Anfang Februar geschlagen und in die wasserlose Wüste,
abgedrängt haben. Die Engländer bezeichneten die Sache
der Senussi als „sehr geschädigt" und bezifferten die Verluste
ihrer Gegner auf 200
Tote und Verwundete,
darunter mehrere otto-
manische Offiziere. AIs
Beute wollten sie ein
Maschinengewehr, Mu-
nition, Vorräte, sowie
einige Esel und Kamele
eingebracht haben.
Größere Tätigkeit ent-
falteten die Engländer
auch in Mesopotamien,
am Schott el Arab, um
Rache für Kut el Amara
und den. Untergang des
Heeres Townshends zu
nehmen und die zahl-
reichen Niederlagen wett-
zumachen» die General
Aymler erlitten hatte.
Währenddie übrige Front
der Türken in Kleinasien
feststand, weil die Russen
sowohl im Kaukasus wie
in Persien nicht in großen
Massen auftreten konn-
ten, mußten sie in Meso-
potamien scharf kämp-
fen, um den englischen
Anstürmen zu begegnen. Das Ziel der Angriffe war zweifel-
los wieder Bagdad. Aber weil die Feinde auf Grund der
üblen Erfahrungen, die Townshend und Aymler gemacht
hatten, ihre Verbindungen sorgfältiger sichern mußten, ver-
strich immer mehr Zeit, in der die Türken ihre Abwehr-
unternehmungen ebenfalls großzügiger anlegen und vor-
bereiten konnten.
Nach dem türkischen Bericht zählte eine Schlacht, die in
der Nacht zum 1. Februar geschlagen wurde, zu den blu-
tigsten Kämpfen, die sich bisher im Irak ereignet hatten.
In der ausführlichen Schilderung der Schlacht räumten die
Türken ein, daß es den Engländern bei ihrem überraschenden
Vorstoß gelungen war, einzelne türkische Bataillone auf die
zweite Linie zurückzudrängen; dann aber setzten die türki-
schen Gegenangriffe ein, unter deren Wucht die Engländer
auf dem ganzen Abschnitt zurückgeworfen wurden. Vor der
Front eines einzigen Infanterieregimentes zählten die Tür-
ken viele Hunderte toter Engländer; sie berechneten den Ver-
lust des Feindes allein an Toten auf mindestens 2000 Mann.
Auch der mit dem Eewaltstoß dieses Tages gleichzeitig
angesetzte Versuch einer Flankenüberflügelung glückte den
Engländern nicht. Die Türken waren auf der Hut und
fügten auf ihrem rechten Flügel dem Feind durch treff-
sicheres Zusammenwirken von Artillerie- und Maschinen-
gewehrfeuer großen Schaden zu.
Nach den Mißerfolgen dieses Tages setzten die Eng-
länder die schwere Beschießung der türkischen Stellungen
im Irak zwar fort, sie mußten aber für eine neue Ent-
scheidungschlacht zunächst wieder Kräfte sammeln. Bis
Mitte Februar hörte man deshalb wieder häufiger von ver-
wegenen Überfällen auf englische Verbindungspunkte durch
kleinere türkische Streifabteilungen, die schnell auftauchten,
die englischen Verbindungen störten, um danach spurlos zu
verschwinden. Der Weg nach Bagdad war für die Eng-
länder noch weit und reich an nicht geahnten Hindernissen.
^Fortsetzung solgt.s
Illustrierte Kriegsberichte.
Der Kampf gegen die Rumänen.
5.
Um die Serekhlinie.
II. Die Wegnahme der Brückenköpfe und die
russische Gegenoffensive.
Von Walter Oertel.
(Hierzu die Bilder Seite 197—199.)
Die Brückenkopfstellungen westlich und östlich von BraUa
bildeten gleichzeitig den mächtigen Südschutz des nördlich
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
der Serethmündung gelegenen Donauhafens Ealatz (siehe
die Karte Seite 198). Als nach Erstürmung der Verschan-
zungslinien von Iijila und Marin in der Dobrudscha sowie
der Stützpunkte Eurgueti und Romanul südlich des Vuzeu
die Festung Braila fallen mußte, beeilte sich naturgemäß
die russische Heeresleitung, auch Galatz von der Bevölkerung
und den Behörden räumen zu lassen, weil die Stadt nun-
mehr im Feuer der weittragenden Geschütze der Verbün-
deten stand.
Das ausgedehnte Morastland an beiden Ufern der Donau
wie auch südlich der Serethmündung bereitete den über
Braila nordwärts rückenden deutschen, türkischen und bul-
garischen Truppen Mackensens erhebliche Schwierigkeiten.
Zudem hatten die Russen im Mündungsgebiet des Sereth
eine feldmäßige Hinderniszone angelegt, deren stark aus-
gebaute Stützpunkte die Dörfer La Burtea in der Mitte,
Mihalea 4 Kilometer westlich, und Vadeni ebenso weit öst-
lich bildeten, wobei Vadeni, auf halbem Wege zwischen
Braila und Ealatz gelegen, noch die Aufgabe zufiel, die
Eisenbahnbrücke über den Sereth zu decken.
Alle Hindernisse des Geländes überwindend, arbeitete
sich die Donauarmee vorwärts (siehe das Bild Seite 197).
In mächtigem Anlaufe wurde La Burtea von osmanischen
Regimentern genommen, die am nächsten Tage auch den
Ort Mihalea überrannten und dabei 400 Mann der Be-
satzung gefangen nahmen. Die überlebenden Verteidiger
stürzten sich, von Schrecken ergriffen, in den eisigen Sereth
und fanden in dessen Wellen fast alle den Tod. Vergebens
versuchten die Russen durch einen Gegenstoß frischer Reserven
von Vadeni aus La Burtea wiederzunehmen. Im rasenden
Schnellfeuer zerschellte ihr Angriff, und Tags darauf er-
stürmten die Türken selbst Vadeni.
Damit fiel der letzte Ort am Südufer des Sereth in die
Hände der Verbündeten. Nur die Flußmündung -und ein
3 Kilometer breiter Streifen des Nordufers trennte die sieg-
reiche Donauarmee noch von der wichtigen Handelstadt
Galatz, in deren Hafen bereits die Flammen des in Brand
geschossenen Marinearsenals sowie einer Anzahl Speicher
den Nachthimmel röteten.
Die Lage war für die Feinde außerordentlich schwierig
geworden; das sah auch die russische Heeresleitung ein.
In Eilmärschen wurde die inzwischen im Raume von Jassy
zusammengezogene Reservearmee auf das Südufer des
Sereth gebracht, wo die Nachhuten der zwischen Braila und
Focsani geschlagenen russischen Südmo'ldauarmee noch
einige Brückenkopfstellungen verzweifelt verteidigten, vor
allem die Feldbefestigungen nordwestlich von Focsani, den
Brückenkopf von Fundeni, Namolosa an der Mündung des
Rimnicul, sowie die Flußverschanzungen an der Eisenbahn-
brücke nördlich von Vadeni.
Aus den Brückenkopfschanzen von Namolosa erfolgte
zuerst ein mächtiger Vorstoß der neuangelangten Massen
mit dem Bestreben, die enge Umfassung des Ostflügels
der Armee Falkenhayn zu sprengen, zumindest aber zu
lockern.
Der Eisenhagel deutscher Batterien mähte jedoch sofort
die russischen Sturmscharen nieder und trieb ihre Reste
hinter die Deckungen zurück. Am selben Abend versuchten
die Russen abermals in tiefgestaffelter Aufstellung anzu-
rennen, und wirklich gelang es ihnen, trotz des mörderischen
Abwehrfeuers bis in die vordersten Gräben durchzustoßen.
Ein wildes Handgemenge entspann sich, das endlich durch
einen Angriff der Abschnittsreserven mit der Zurückwerfung
des Feindes seinen Abschluß fand.
Bei Namolosa verzichteten die Russen zunächst einmal
auf weitere Angriffe. Ihr Ostflügel aber übersetzte den
Sereth nahe der Mündung und entwickelte sich zunr Angriff
gegen Vadeni sowie das westlich gelegene Dorf La Burtea.
Bei Vadeni gelang es ihnen, die vorgeschobenen türkischen
Posten auf die Hauptstellung zurückzudrängen, dagegen
brach ihr Sturm auf La Burtea bereits im Sperrfeuer der
Artillerie der Verbündeten völlig zusammen.
Da auch die wütenden Angriffe des im Gebirge stehenden,
bedeutend verstärkten russischen Flügels an der Tapferkeit
der Armee Gerok und der Gruppe des Feldmarschalleutnants
v. Ruis scheiterten, so war die russische Gegenoffensive zu-
nächst mit einem schweren Mißerfolg zu Ende gegangen.
Nach diesen mit schwersten Blutopfern erkauften gering-
fügigen Ortserfolgen hatte die russische Moldauarmee ihre
Stoßkraft merklich eingebüßt, und sobald dies erkannt worden
war, setzten in der Mitte der Serethfront zwischen Focsani
und Braila die Verbündeten zu einem neuen Vorstoß an.
Deutsche Regimenter erstürmten den Ort Nanesti au
der Mündung des Rimnicul und brachten damit einen
Stützpfeiler aus dem starken Brückenkopf Fundeni-Namolosa
zu Fall. Die Verteidiger wehrten sich wie rasend, und die
angreifenden deutschen Regimenter, Pommern, Altmärker
und Westpreußen, konnten sich erst nach erbittertem Häuser-
kampfe des heißumstrittenen Ortes bemächtigen. Aller-
dings war der blutige Verlust der Russen außerordentlich
hoch, er wurde noch schwerer auf dem Rückzüge, da die über
die Serethbrücken zurückflutenden Feinde von deutschen
^ ' Phot. Leipziger Presse^Büro.-
Vom Flüchtlingselend in Bessarabien.
übergetretene rumänische.und russische Flüchtlinge werden hinter den deutsch-österreichisch-ungarischen Linien in Sicherheit gebracht. Der Abschub der rumäni-
schen Zivilbevölkerung nach der Moldau und nach Bessarabien hatte dort eine große Hungersnot verursacht, weshalb die russischen und rumänischen Familien
»n Scharen wieder auswanderten. Sie wendeten sich jedoch nicht, wie anzunehmen wäre, nach Rußland, sondern suchten bei ihren Feinden Schutz. Das
bessarabische Kampfgebiet hinter den Linien der Verbündeten würde von Flüchtlingskarawanen geradezu überschwemmt, und die zuständigen Stellen, die
den armen Auswanderern Unterkunft und Rahrung verschaffen mutzten, hatten eine schwlerige Aufgabe zu lösen.
200
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Pbot. Berl. Jllustrat.-Gef. m. b. H.
Serbische Gefangene kaufen Brot Ln einem serbischen Dorfe.
Ein recht empfindlicher
Schlag für die Russen war
auch die Zerstörung der Bahn-
hofanlagen von Galatz sowie
derjenigen von Barbosi süd-
westlich Ealatz, wodurch die
einzige Linie zwischen Galatz
und Reni derartig beschädigt
wurde, daß jeder Verkehr bei
Tage ausgeschlossen war. Über-
haupt waren die Verhältnisse
hinter der russischen Sereth-
front nicht gerade erbaulich.
Noch immer waren die Straßen
mit rumänischen Flüchtlingen
überfüllt (siehe das Bild Seite
199), die Eisenbahnen auf wei-
ten Strecken durch angehäuftes
Material verstopft; dazu hatte
sich ein unheimlicher East im rus-
sischen Lager e inge ste llt: die Cho-
lera, die nach Ecfangenenaus-
sagen zahlreiche Opfer forderte.
Der Krieg in Ostafrika
im Dezember 1916 und
im Januar 1917.
Maschinengewehren flankierend gefaßt und fürchterlich zu-
sammengeschossen wurden.
Bei Tulcea überschritten bulgarische Truppen der Do-
brudschaarmee den Sankt-Eeorgs-Arm der Donau, setzten
sich auf dem Nordufcr fest und wiesen alle Angriffe der
Russen ab. Dieser Vorstoß der Bulgaren erschien den
Russen für das lussarabische Donaugcbict recht bedrohlich.
Sie zogen deshalb schleunigst starke Kräfte in das Donau-
delta, und ein mit erdrückender Übermacht geführter Angriff
zwang die Bulgaren, wieder auf das Südufer des Sankt-
Eeorgs-Armes zurückzugehen. Trotzdem blieb die Donau
gänzlich für die Russen gesperrt.
Wiederholt versuchten im Laufe des Januars rumä-
nische und russische Donaudampfer in den Mündungsarmen
stromaufwärts nach Ealatz zu gelangen, um der am Donau-
knie und an der Serethmündung versammelten Armee
Kriegsmaterial und Nahrungsmittel zuzuführen. Sie wur-
den von den Uferbatterien, die den Verkehr zwischen Tulcea
und Jsaccea sperrten, stets in Grund geschossen oder zur
Flucht gezwungen. Auch die so lange unsichtbar gewesenen
rumänischen Monitore wagten sich im Laufe des Januars
mehrere Male gegen die erwähnten beiden Orte vor;
sie wurden jedoch sofort nachdrücklich unter Feuer ge-
nommen, so daß sie eiligst nach Ealatz zurückdampften.
Auch diese beiden Monate standen im Zeichen erbitter-
ter, wechselvoller Kämpfe. Die Hauptereignisse spielten
sich vornehmlich nördlich und südlich vom Rufidjiflusse ab.
Hier hatten sich die britischen Streitkräfte monatelang ruhig
verhalten; sie benützten die Ruhezeit, um ihre infolge der
vorhergegangenen Kämpfe hart mitgenommenen Truppen-
verbände neu zu ordnen und zu verstärken. In den ersten
Dezembertagen gingen starke britische Kolonnen von dem
Hafen Kilwa-Kiwindsche aus in nordwestlicher Richtung zum
Angriff vor, der aber alsbald bei Kibata in den Matumbi-
bergen zum Stehen gebracht wurde. Dort entwickelten sich
vom 5. bis zum 16. Dezember größere Kämpfe, die für die
deutsche Schutztruppe erfolgreich verliefen. Diese brachte
dem Feinde, dem es bis Ende Januar nicht gelang, das heiß-
umstrittene Kibata zu nehmen, schwere Niederlagen bei.
Ungünstiger waren für die Schutztruppe die Kämpfe
nördlich vom Rufidjiflusse. Durch den Druck überlegener
feindlicher Kräfte wurden die deutschen Abteilungen ge-
zwungen, über den Rufidji nach Süden zurückzugehen; der
befestigte Ort Kibambawe am nördlichen Ufer wurde auf-
gegeben und am 6. Januar von britischen Truppen be-
setzt. Auch das Rufidjidelta mußte geräumt werden. Die
Deutschen zogen sich von dort in westlicher Richtung auf
Utete zurück, wo sie während des ganzen Januars dem
Feinde erfolgreich die Stirne
boten. —
Im westlichen Eefechts-
gebiet, im Mahenge- und
Ssongeabezirk, zogen sich die
Schutztrüppenabteilungen, nur
wenig vom Gegner belästigt,
langsam weiter in der Rich-
tung auf Mahenge an den Ru-
hudjefluß und näher auf Sson-
gea zurück. Nördlich davon,
bei Likuju, wurde ein deut-
scher, aus 4 Offizieren, 35
Weißen und 52 Askari be-
stehender Trupp vom Feinde
abgeschnitten und nach sehr
heftigem, eintägigem Kampfe
am 24. Januar gefangen ge-
nonrmen. Weiter nördlich von
Likuju gab es gegen Ende Ja-
nuar Gefechte, die für den
Feind sehr verlustreich ver-
liefen. —
Nach einer amtlichen eng-
lischen Meldung trat der bis-
herige Oberbefehlshaber der
Pbot. Berl. INustrat.-Ges. m. b. H. britischen TlUPPLN M Ost-
Durch einen Schrapnellschuß am Arm und an der Hand verwundeter Knabe in einem serbischen Grenzorte. tlsNltl, lÖCTtCtCU OTHluS , CUTt
•;v :■
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
26. Januar von sei- \ ■ ■ - -;v
nem Posten zurück; .
Generalleutnant
Hoskins übernahm
bildet, gejagt. So
endete auch die von Unterstände Lm Berglande an der griechischen
den Portugiesen °°" wei£ *et 0eI
mit großen Worten angekündigte Offensive gegen Deutsch-
Ostafrika mit einer Niederlage für sie, die um so kläglicher
erscheint, als die portugiesischen Kolonnen den Deutschen
drei- bis vierfach überlegen und weit besser ausgerüstet
waren als diese. Die deutschen Truppen, die gegen die
Portugiesen im Felde standen, begnügten sich aber nicht
mit den erwähnten Erfolgen, sondern sie gingen Mitte
Dezember selbst gegen Portugiesisch-Ostafrika zum An-
griff über. Eine stärkere Abteilung von ihnen, mit Ge-
schützen und Maschinengewehren versehen, überschritt, einer
amtlichen portugiesischen Meldung vom 16. Dezember nach,
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. nt. b. H.
Deutsche und bulgarische Truppen beim Wiederaufbau einer von den Serben gesprengten Eisenbahnbrücke.
VI. Baud.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
Phot. «U°ph°t G. m. b. H., Wir».
Das am 3. Dezember 1916 bei Marlinje im KarstgebieL abgeschossene Caproni-Flugzeug.
Butterhersteller an einer Steigerung der Erzeugung ist er-
stickt worden.
Von Jahr zu Jahr wurde die Buttererzeugung im In-
lands kleiner und die Einfuhr größer. Bei einem Butterpreise
von 1 Mark 30 Pfennigen für das Pfund, wie man ihn
lange Zeit als angemessen ansah, konnten Molkereien für
das Liter Milch günstigenfalls neun bis zehn Pfennige be-
zahlen. Und bei einem solchen Erlös sollte sich der Land-
wirt für eine Vergrößerung der Erzeugung begeistern? Aus-
geschlossen! Er mußte ja befürchten, daß jede Steigerung
der inländischen Produktion einen weiteren Preissturz her-
beiführen würde. Der tiefste Grund unserer jetzigen Butter-
not liegt also in dem völlig unzureichenden Schutz der hei-
mischen Erzeugung vor dem Kriege. Keine, wie immer
geartete Entgegnung wird diese Behauptung entkräften
können. Daß auch der Mangel an Futter mit zu der Milch-
und Butterknappheit beiträgt, ist zur Genüge bekannt.
Ferner ist mit schuld das Verhalten vieler Milcherzeuger,
die jahrelang Milch an Molkereien abgegeben, während
des Krieges aber die Lieferung eingestellt haben und zur
eigenen Verarbeitung der Milch übergegangen sind. Dabei
wird dann die gewonnene Butter vielfach der Verbrauchs-
regelung entzogen und zu Phantasiepreisen an reiche Leute
verkauft. Es gibt auch bei uns solche Leute in nicht un-
erheblicher Menge. Leute, die nach dem Geld nicht zu fragen
brauchen, die aus der gewaltigen Wirkung des Krieges und
seinen Folgeerscheinungen nchch keinerlei Lehre gezogen
haben, auch nicht ziehen wollen, Leute, die sich geradezu
etwas darauf einbilden, Nahrungsmittel um jeden Preis
haurstern zu können und die das „Einschränken" anderen
überlassen wollen. Wer will es dem Erzeuger verargen,
wenn er sich durch solche Hamster verleiten läßt, zehn Pfund
Butter für einen blauen Lappen herzugeben?
Freilich, von aller Schuld freizusprechen sind auch diese
Landwirte nicht, ganz bestimmt diejenigen nicht, die erst
während des Krieges zur eigenen Verarbeitung der Milch
übergegangen sind, hauptsächlich um auf diese Art alle
Mager- und Buttermilch zur Verfütterung für das Vieh frei-
zubekommen. Diese Landwirte, die nach Tausenden zählen,
haben ihre früheren Milch- und Butterabnehmer im Stich
gelassen, also sehr eigennützig gehandelt und sind an den
heutigen großen Schwierigkeiten bei der Milch- und Butter-
versorgung mit schuld. Die Flucht der Landwirte aus den
Molkereien nahm in den ersten beiden Jahren des Krieges
immer größeren Umfang an. Die gewinnsüchtigen Bestrc-
Unter den denkbar schwierigsten Verhältnissen hat sie
in Zahlreichen Schlachten und Gefechten die gegen das
Schutzgebiet aufgestellten englischen, belgischen und portu-
giesischen Streitkräfte geschlagen und den Krieg lange Zeit
in feindliches Gebiet getragen. In dem weiteren Verlaus
der Kämpfe hat sie jeden Fußbreit deutschen Bodens erst
nach zähester Gegenwehr überwältigender Übermacht über-
lassen und heute noch schirmt sie die deutsche Flagge in
Ostafrika.
Welches Schicksal Gott der Herr auch der kleinen Helden-
schar beschieden haben mag, das Vaterland gedenkt mit
stolzem Bewußtsein seiner im fernen Afrika kämpfenden
Söhne. Ich spreche der Truppe für ihr heldenmütiges Aus-
harren im ungleichen Ringen meinen kaiserlichen Dank und
meine hohe Anerkennung aus. Ich beauftrage Sie, diesen
meinen Erlaß sobald als möglich zur Kenntnis meiner
Schuhtruppe zu bringen.
Großes Hauptquartier, 27. Januar 1917. Wilhelm."
Die Milch-, Butter- und Käseversorgung
während und nach dem großen Kriege.
Von Molkereidirektor Reimund, Fulda.
«Schluß,
III.
2. Butter.
Auch bezüglich der Butterversorgung müssen sich die
Verbraucher — und nicht zuletzt der Handel — einen großen
Teil der Schuld an dem jetzigen Mangel selbst zuschreiben,
denn vor dem Kriege war man bestrebt, immer größere
Buttermengen aus dem Auslande einzuführen, nicht etwa,
um einem Notstände abzuhelfen, sondern in der Hauptsache
zum Zwecke einer Dämpfung der inländischen Preise.
Der Butterverbrauch in Deutschland hatte sich weit über
den notwendigen'Bedarf hinaus gesteigert, und um der
üppigen Ernährung bei billigen Preisen huldigen zu
können, mußte das Ausland in immer stärkerem Maße
herangezogen werden. Milliarden sind dadurch nach dem
Auslande gegangen; man hat auf diese Art die beabsichtigte
Dämpfung der inländischen Butterpreise erreicht und die
von den inländischen Erzeugern vielfach angestrebte Preis-
steigerung verhütet. Aber auch etwas anderes hat man
damit erreicht: das Interesse der Milchviehbesitzer und der
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
203
düngen wurden von Maschinenfabriken ausgenützt, es
wurden Tausende von Handzentrifugen und Handbutter-
fässern verkauft. Das Schlimmste aber war, daß die zur
Buttererzeugung im eigenen Betriebe übergegangenen
Landwirte für ihre Kollegen, die bei den Molkereien ge-
blieben waren, Hohn und Spott äußerten. Man schalt
sie „die Dummen", weil sie es bei der wachsenden Futter-
und Nahrungsmittelknappheit nicht fertigbrachten, die Milch
für sich zu behalten und alle Magermilch zu verfüttern.
Aber auch hier muß ich nochmal hinzufügen — nicht zur
Entschuldigung der betreffenden Landwirte, sondern als
Kennzeichen der früheren Kurzsichtigkeit der Verbraucher —,
daß die Neigung der Landwirte, Milch zu verfüttern, nie-
mals einen solchen Umfang angenommen hätte, wenn der
unentbehrlichen Milch und der Butter schon früher bessere
Preise zugebilligt worden wären.
Kosten der Viehfütterung, und wenn ich auch durchaus auf
dem Standpunkte stehe, daß die Jungviehaufzucht nicht ge-
fährdet werden darf, gewisse Milchmengen also immer der
Verfütterung vorbehalten bleiben müssen, so weiß ich an-
derseits, daß in vielen Gegenden Deutschlands alle in
Molkereien gewonnene Magermilch (Millionen Liter täg-
lich!) verfüttert wird. Und dies ist angesichts der großen
Schwierigkeiten, die arbeitenden Klassen ausreichend zu er-
nähren, ein unbegreiflicher Zustand. Mag die Fleisch-
gewinnung für die Daheimbefindlichen ruhig noch etwas
weiter zurückgehen, es wird vielen Leuten, die sich jetzt noch
reichlich Fleisch leisten können, weil andere darauf verzichten
müssen, gar nichts schaden, wenn sie noch weniger Fleisch
essen, wenn sie also, wie die anderen Menschen, einfacher
leben.
Um mehr Magerkäse auf den Markt bringen zu können,
müßte, wie schon wiederholt den maßgebenden Stellen vor-
geschlagen worden ist, angeordnet werden, daß keine Mol-
kerei mehr als vierzig Prozent Mager- und Buttermilch
(von der eingelieferten Vollmilchmenge berechnet) zurück-
geben darf, mithin sechzig Prozent zur Versorgung der
Städte mit Magermilch und zum Verkäsen übrig bleiben.
Das Verkäsen möglichst großer Magermilchmengen halte ich
für wirtschaftlicher als die Versorgung der Verbraucher mit
Magermilch. Mit dem Käse aus dreieinhalb Litern Mager-
milch (täglich ein halbes Liter) kommt ein Verbraucher weiter
als mit der Milch.
Unerläßlich ist aber die weitere Anordnung, daß möglichst
alle Milch in die Molkereien geliefert werden muß, und daß
nicht Tausende von Landwirten, die recht gut Milch an eine
Molkerei liefern könnten, zu ihrer Verarbeitung im eigenen
Betriebe schreiten. Alle für diese Verarbeitung im eigenen
Betriebe ins Feld geführten Gründe sind jetzt, wo es sich um
die Ernährung der Menschen handelt, nicht stichhaltig, sie sind
auch größtenteils leicht zu widerlegen. Es liegt nur am
Wollen, nicht am Können.
Das Kapitel „Käse" kann ich nicht schließen, ohne noch
der beschämenden Tatsache zu gedenken, daß vor dem Kriege
Tausende vornehmer Herrschaften grundsätzlich nur aus-
ländische, hauptsächlich französische Käse gekauft haben.
3. Käse.
Der Käse ist leider fast ganz vom Markte verschwunden;
aus dem Auslande kommt nur sehr wenig herein, und die
inländische Erzeugung beträgt kaum noch den zehnten Teil
der sonstigen Mengen. An diesem Rückgang ist einesteils
natürlich auch die Massenflucht der Landwirte aus den Molke-
reien und Käsereien schuld, andernteils der Rückgang der
Milcherzeugung an und für sich. Trotzdem könnte aber noch
wesentlich mehr Käse hergestellt und auf den Markt ge-
bracht werden, wenn man sich an maßgebender Stelle
dazu entschließen wollte, bestimmte Mindestmengen von Milch
der Verfütterung zu entziehen und dafür ihre Verarbeitung
zu Käse anzuordnen. Dabei würde die ausschließliche Her-
stellung von Magerkäse durchaus genügen, denn dieser stellt
selbst bei erheblich höherem Preise gegen früher doch noch
das billigste und nahezu auch das gesündeste Nahrungsmittel
dar. Wie unschätzbar wertvoll wäre es, wenn man an jeden
minderbemittelten Versorgungsberechtigten wöchentlich ein
Pfund Magerkäse verteilen könnte! Es würde von unzäh-
ligen Hausfrauen ein Teil der Ernährungssorgen genommen
sein. Ob das möglich wäre, soviel Magerkäse jetzt noch her-
zustellen? Ich glaube es bejahen zu müssen, allerdings auf
; ■ .....................................................................................
Ausladen von Lebensmitteln für die österreichisch-ungarische Armee in Albanien in einem Hafenort der südlichen Adria.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
lichen, seine Erzeugnisse auch in den
allerersten Feinko stge s ch ästen abzuse tzen.
Deutsche Minenleger bei
der Arbeit.
«Hierzu das Bild Seite 205.)
Die Minen sind zu einem Haupt-
kampfmittel des Seekrieges geworden.
Täglich lesen wir von Minensperren
und Minenfeldern: England will durch
sie die deutschen Schiffe am Auslaufen
aus der Deutschen Bucht hindern,
und die Deutschen arbeiten in dem
riesigen Sperrgebiet, je nachdem es
die Verhältnisse fordern und zulassen,
mit den gleichen Mitteln. Der die
Mine umhüllende geheimnisvolle
Schleier breitet sich auch über die
Tätigkeit der sie legenden und weg-
räumenden Schiffe aus; wir hören
und sehen nichts oder nur selten von
der harten Arbeit der Besatzungen
der Minenschiffe, ahnen kaum, dost sie
täglich bei jedem Wind und Wetter
in See ihre schwere Aufgabe erfül-
len. Oft schweben sie in Gefahr, vom
Gegner überrascht zu werden, und
dann wehe dem Minenleger, wenn
eine Mine getroffen wird und sich ent-
zündet; die Vernichtung des Schiffes ist dann unausbleib-
lich. Aber auch in sicheren Gewässern ist das Minenlegen
und das Entfernen dieser Kampfmittel eine saure Arbeit,
die, wenn das Schiff schlingert, große seemännische Ge-
schicklichkeit fordert. Minen haben ein Gewicht von meh-
reren Zentnern; sie reißen sich leicht los, und dann heißt
es oft stundenlang im nassen Zeug unverdrossen arbeiten.
Die Minen werden entweder vom Oberdeck der Minen-
schiffe aus ins Wasser gekippt oder mit besonderen Vor-
richtungen über Bord ins Wasser gelassen; die neueste Art
des Minenlegens ist die durch Unterseeboote.
Charakterköpfe der Weltkriegsbühne.
Von Dr. Freiherrn v. Mockau.
3. Großwesiv Talaat Pascha.
«Hierzu bas Bild Seite 208.)
Mechmed Emin Bei, der Dichter der jungen Türkei, be-
kannte einmal offen in scharfer Erkenntnis der Verderbt-
heit seiner Zeitgenossen, daß erst von
einem heranwachsenden Geschlecht die
Erfüllung der nationalen Zukunfts-
aufgaben zu erwarten ist. Er hat
dann aber diesem Geschlecht in seiner
Ode „Der Wanderer" die hoffnungs-
freudige Mahnung zugerufen, die heute
wie seherisches Vorahnen höchster Kraft-
bezeugung in schwersten Schicksals-.
Prüfungen klingt:
Es tobt der Sturm! Latz ihn toben, wie
wenn der Jüngste Tag anbräche!
Du geh auf deinem Weg mit Riesenschritten
vorwärts!
Nur vorwärts, verweile nicht! Mögen deine
Fütze vom Gehen anschwellen,
Vom Tode rettet dich nur das Vorwärts-
gehen!
Vorwärts, vorwärts! Auf halbem Weg bleib
■ nicht zurück! Vorwärts!
Wenn auf irgend einen der Män-
ner, die in der sturmumbrandeten
Gegenwart das Staatsschiff unter dem
Halbmond auf hohem Wogengang zu
steuern haben, so paßt auf den neuen
Eroßwesir des Reiches dieses männ-
liche Trutzwort.
Talaat Pascha hat sich von niede-
rem Stand als ein Mann der eigenen
Kraft durch gleich hervorragende gei-
stige Fähigkeiten wie sittliche Vorzüge
Phot. A. Grohs, Berlin.
Aufsteigen eines türkischen Kampf-Wasserflugzeuges.
Entschloß sich wirklich ein feines Delikatessengeschäft, in
Deutschland hergestellte Käse zu führen und seiner Kund-
schaft anzubieten, dann wurde die Nase gerümpft und im
Tone des Sachverständigen gesagt: „Nein, ich wünsche fran-
zösische Ware." Man gab sich nicht mal die Mühe, einen
Versuch zu machen. Dabei gab es in Deutschland mehrere
große Käsereien» deren Erzeugnisse den französischen Marken
mindestens ebenbürtig waren. Einzelne deutsche Marken
wurden selbst von den besten französischen nicht erreicht. Daß
die Franzosen ihre besten Käse für sich behalten und nur die
weniger guten nach Deutschland geschickt haben, ist schon oft
festgestellt worden, auch ich konnte mich beim Besuch Pariser
Käselager davon überzeugen. Wenn diese Käse nur eine
hübsche Verpackung mit französischen Aufschriften bekamen,
dann besaßen sie ohne weiteres das Merkmal der „feinen
Ware".
Auch in dieser Beziehung wird der große Krieg hoffent-
lich eine Änderung herbeiführen und es späterhin dem
fleißigen und reinlicheren deutschen Käsehersteller ermög-
Phot. A. Grohs. Berlin.
Zur erfolgreichen Tätigkeit der türkischen Flieger im Agäischen Meer, die eine Anzahl Dampfer
auf hoher See versenkt haben.
Zwei türkische Offiziere in ihrem Kampf-Wasserflugzeug, fertig zum Aufstieg.
Deutsche Minenleger bei der Arbeit.
Noch einer Oriflinalzeichnnng non Professor Willn Stöm«-r
Phot. Deutscher Jllustrat.-Verlag, Berlin.
Einzug türkischer Truppen Ln Jerusalem.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
emporgearbeitet, und die Geschichte seines Lebens ist zu-
gleich das scharfe Spiegelbild der Geschicke der Türkei in
ihrem neuen Daseinsabschnitt seit dem Sturz des hami-
dischen Regiments. Er ist 1875 in Adrianopel, dem alten
Sultansitz, geboren, also wohl der jüngste der führenden
Staatsmänner Europas, und war ursprünglich Telegraphen-
gehilfe. Seinen schnellen Aufstieg zu hohen Staatsämtern
verdankte er der Jttihad, für deren Pläne er sich mit jugend-
licher Feuerseele- und Freiheitsbegeisterung einsetzte und
in deren Kreisen sich alsbald die Aufmerksamkeit auf seine
Fähigkeiten lenkte. Als das Komitee in Verruf kam,
griff auch nach ihm eines Tages die Feme der Willkür-
herrschaft Abd ul Hamids. Wegen Hochverrats verurteilte
ihn das Gericht zu drei Jahren schweren Kerkers, einer
Strafe, die in Verschickung nach seiner Heimatprovinz ver-
wandelt wurde.
Jahrelang war er dann in Saloniki als einfacher Post-
beamter, zugleich aber auch als eifriges Mitglied der Jung-
türken, deren Hochburg das alte Thermä war, tätig; mit
der Umsturzkrise zog er als Abgeordneter in Konstantinopel
ein und wurde schon im Herbst 1909 Minister des Innern.
Aber er zeichnete sich in diesem Amt nicht nur durch
hervorragendes Organisationstalent aus, sondern blieb auch
der gute Geist des Komitees. Seinem Einfluß war es
hauptsächlich zu danken, wenn die Losung Einheit und Fort-
schritt nicht leere Schlagworte politischer Marktschreier und
unfähiger Streber wurden, wenn vielmehr in der Partei
ernst denkende, arbeitstüchtige Kräfte die Oberhand be-
hielten. Es kam darauf an, zwischen den beiden Abgrün-
den des Einflusses der an abendländischen demokratischen
Schlagwörtern sich berauschenden jungtürkischen Weltver-
besserer und der Macht der neuerdings das Haupt er-
hebenden Reaktion einen zu wirklich fortschrittlichem Ziel
führenden Weg zu finden und zu sichern, mit anderen Wor-
ten, den verdeckt fließenden, aber nicht versiegbaren Trieb-
kräften jener staatsmännischen Veranlagungen, heldischen
Tugenden und sittlichen Jnnenkräften, die einst das Os-
manentum zu seiner geschichtlichen Bedeutung und Welt-
sendung emporführten, freie Bahn zu schaffen. Unter allen
Männern, denen die Türkei' den Brückenbau über diese
Kluft zu danken hat, ninrmt Zweifellos Talaat einen aller-
ersten Rang ein. Ihm fiel, nachdem er an die Spitze des
Ministeriums des Innern gestellt worden war, die denkbar
schwierige Aufgabe zu, in die verfahrenen Verhältnisse der
türkischen Verwaltung Ordnung zu bringen, sie auf einen
festen wirtschaftlichen Unterbau zu stellen und auf den
Trümmern des alten Paschasystems die Grundlagen einer
Organisation zu schaffen, wie sie den unendlich gesteigerten
Ansprüchen eines neuzeitlichen Staatswesens von den groß-
zügigen Formen entspricht, in die das osmanische Reich als
Zukunstsweltmacht hineinwachsen soll. Eine Aufgabe,
deren vollkommene Lösung natürlich nicht einem einzelnen
Mann und nicht in der Zeitspanne eines Menschenalters
möglich, aber doch von Talaat mit meisterhafter Hand an-
gegriffen und gefördert worden ist. Die Probe darauf hat
der Krieg geliefert. Ohne die Neuerungen, die er auf man-
nigfachsten, in der Öffentlichkeit wenig hervortretenden, für
die innere Kraftgewinnung des Staatswesens um so wich-
tigeren Gebieten mit geschickter und zielsicherer Hand in
geschäftsmäßiger, jeder ruhmredigen Schaustellung abge-
neigter Sachlichkeit und mit leuchtendem Beispiel der un-
antastbaren Ehrlichkeit durchgeführt hat, wäre es der Türkei
sicherlich unmöglich gewesen, nach den furchtbaren Schlä-
gen und Erschütterungen des Balkankampfes an der Seite
der Mittelmächte mit der siegreichen und unüberwindlichen
Heldenkraft in den Weltkrieg einzutreten, die sie zum Er-
staunen und zur Demütigung ihrer Gegner bewährte. So
gehörte er in der Krisenzeit des Jahresendes 1914 zu den-
jenigen Führern, die, in verantwortlicher Ministerstellung
und zugleich an der Spitze des Komitees stehend, sich kräftig
gewissen Heißspornen und Hetzern zu unbedachtem Drauf-
losschlagen entgegenstemmten, die sich dann aber, als die
Stunde gereifter Vorbereitungen geschlagen hatte, nicht
minder tatkräftig an der Seite Enver Paschas für den
Schritt zum Freiheitskampf gegen den russischen und bri-
tischen Reichserbfeind einsetzten.
In seinem Äußeren, mit seiner gedrungen-kernigen, stier-
nackigen Gestalt, seinen vorspringenden Backenknochen, und
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
der breiten, eckigen Stirn, zeigt Talaat ausgesprochen den
Schlag des Tataren, des Turkstammes, der die völkische
Wurzel des osmanischen Reiches bildet, ethnographisch und
sprachlich grundverschiedenen Charakters von den semitischen
Arabern, dagegen rasse- und sprachverwandt mit den Mon-
golen, Finnen, Samojeden, Bulgaren, Ungarn, überhaupt
den Völkern uralaltaischer Wurzelung ist. Aber auch in
seinem Charakter ist er unverkennbar der Erbe all der Eigen-
schaften, die einst dieses Muttervolk der Türken zu einem
ersten Herrenvolk der Welt erhoben haben. Er verfügt über
eine zähe und rastlose Tatkraft, ist ehrlich, aufrichtig, ritter-
lich und gottergeben und besitzt einen durchdringenden
Verstand, bewegliche Auffassungsgabe und großen Bildungs-
eifer.
Talaat ist durch und durch ein Mann der Wirklichkeit.
Auf die Frage, weshalb er sich für den Anschluß der Türkei
an die Mittelmächte eingesetzt habe, soll er einmal geant-
wortet haben: „Weil ich auf deren, nicht des Vierverbands
Seite den größten Vorteil für die Türkei sah." Hundert
andere Durchschnittstaatsmänner würden an seiner Stelle
in allen möglichen Redensarten von der vorbildlichen Art
der Beziehungen zwischen dem Goldenen Horn, Wien und
Berlin sich gefallen haben. Er, in seiner unbedingten Ehr-
lichkeit, scheute nicht das offene Bekenntnis, daß Politik
keine Tugendübung ist, hatte aber doch in jener entscheidenden
Stunde geschichtlich geschulten und sittlich ernsten Sinn ge-
nug, um zu wissen, daß nicht die Rücksichten zeitlicher
Geschäftsmache in solchen Prüfungszeiten maßgeblich sein
dürfen, daß vielmehr andere Gewichte den Fall der Wage
zu bestimmen haben. Das sind die Gesetze, aus denen
hafte Bindung unter Sicherung der Entwicklungsfreiheit
jeder Vertragsmacht bieten.
Den staatsmännischen Veranlagungen aber gesellen sich
gleich große diplomatische Fähigkeiten. Er kann, wo es
darauf ankommt, ein letztes Hindernis auf dem Pfad zur
Verwirklichung eines Plans wegzuräumen, äußerst hart-
näckig sein; aber er weiß auch, daß man in dieser Welt der
menschlichen Schwächen, Eitelkeiten und Torheiten oftmals
nur auf krummem Weg zum geraden Ziel gelangen kann.
Er hat so nicht selten selbst übel beleumundete Beamte
um sich geduldet, wenn es galt, die Einflüsse hochmögender
Herren, ohne diese vor den Kopf zu stoßen, durch kluges
allmähliches Abgraben der Quellgründe ihrer Macht matt-
zusetzen. Er wäre so zweifellos ein hervorragender Ge-
schäftsträger an fremdländischen Höfen geworden, wenn
ihn das Komitee auf eine solche äußerlich glänzende Lauf-
bahn hätte drängen wollen, die doch seiner stets schlicht
und anspruchslos gebliebenen Natur widersprach.
Daß es ihm anderseits in der Krisenzeit des Aufloderns
des Weltkriegsbrandes nach Maßgabe seiner stark franzö-
sisch beeinflußten Erziehung und des Glanzes der britischen
Macht, die er am Nil kennen gelernt hatte, schwer fiel,
die Schwenkung gegen die Entente mitzumachen, ist ebenso
klar, wie heute nicht verschwiegen zu werden braucht, daß
die Entscheidung in gewissen Schicksalsstunden auf des
Messers Spitze schwebte und ohne Enver Paschas Auf-
treten/ohne den Einfluß der deutschen Botschaft, insbe-
sondere des Admirals Souchon und des Militärbevoll-
mächtigten v. Lossow, kaum so gefallen wäre, wie sie fiel.
Als dann aber das Machtwort des Sultans gesprochen
war, hat er mit unbeirrbarer Tatkraft und vollendetem
diplomatischem Geschick nicht nur am Abschluß und Ausbau
des deutsch-türkischen Bündnisses, sondern auch am Aus-
gleich mit Bulgarien und weiterhin an der systematischen
Befestigung und Entwicklung der gesamten Vierbund-
organisation gearbeitet.
Es ist die verheißungsvollste Bürgschaft einer glücklichen
Zukunft der Türkei, daß sie mitten in den Kriegswirren
Phot. Deutscher Jllustrat.-Verlag, Berlin.
Gefangene Engländer werden nach einem erfolgreichen Gefecht auf der Sinai-Halbinsel in Jerusalem eingebracht.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17,
nicht nur den Willen, son-
dern auch die Arbeits-
fähigkeit zu den verwal-
tungstechnischen, sozialen
und kulturwirtschaftlichen
Neuerungen bezeugt, de-
ren stetiges Mißlingen
das Krankheitsbild des
alttürkischen
nüchterne, kaufmännischen
Sinn atmende Kontore.
Mit einer prachtvollen,
kernigen Rede hat sich
der Eroßwesir der Kam-
mer vorgestellt. Er be-
tonte den unbeugsamen
Willen der Türkei, an
der Seite der Mittel-
mächte , „im Bündnisse
auf Leben und Tod", bis
zum endgültigen Sieg
durchzuhalten, entwickelte
aber zugleich in scharfen
Linien ein festgeformtes
Reformprogramm.
Die Grundsteine zu
einem solchen Umbau des
osmanischeü Staatswe-
sens sind zwar gesetzt.
Jetzt aber gilt es, rüstig,
in zeitgemäßem Geist und
in großzügigen Formen,
am begonnenen Werke
fortzuschaffen, und Ta-
laat weist trefflich die
Wege dazu: der Neuzeit
entsprechende Umgestal-
tung der Landwirtschaft
und der auf sie bezüg-
lichen Rechte» Förderung
der Volksbildung, He-
bung der Industrie in
Zusammenarbeit mit den
Verbündeten und ihrer vorgeschrittenen Wissenschaft und
Technik. Daß er auch durchzuführen weiß, was er sich
vorgenommen hat, verbürgt, was er bisher auf dem Dor-
nenpfade der inneren türtischen Verwaltung geleistet hat.
alttürkischen Regiments
war. Für diese neuen
Aufgaben aber bedarf das
Reich eines neuen Füh-
rers. Daß Talaat dazu
der gegebene Mann ist,
beweist schon seine Um-
gebung. Die Räume, in
denen Prinz Said Halim,
sein Vorgänger, seines
Amtes waltete» trugen
den Abglanz jener voll-
endeten Schöpfungen ara-
bischer Kultur, wie sie
uns in den Schlössern
von Eusreh, Kalif«, Nau-
ra, Assahara märchenhaft
anblickt, und inmitten der
Pracht von Erzeugnissen
erlesenen Schönheitssin-
nes, dem Prunk von Tep-
pichen und Seidenstof-
fen, dem Zauber von
Kunstschätzen allerArt voll-
zogen sich die Empfänge
in echt orientalischem Stil»
in gedämpftem Zeremoniell, nach strenger, alle Hast aus-
schließender Etikette. Die Zimmer, in denen der neue
Pascha sein Amt versieht, sinh nüchterne Amtsstuben mit
geschäftseiligem Verkehr und modernster Ausstattung,
Aus dem „Illustrierten Blatt" in Frankfurt a. M.
Der neue türkische Großwesir Talaat Pascha (links), der türkische Kriegs-
minister Enver Pascha (rechts) und der Militärbevollmächtigte der deutschen
Botschaft in Konftantinopel, bayrischer Generalmajor v. Lossow.
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Phot. Deutscher Jllustrat.-Verlag, Berlin.
Ankunft englischer Offiziere in Jerusalem, die in einem Gefecht an dev Suezkanal-Front gefangen wurden.
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Die Erstürmung der Höhe 185 bei RiponL in der Champagne am 15. Februar 1917.
Nach der Zertrümmerung der feindlichen Stellung durch das deutsche Trommelfeuer wurde die französische Besatzung von den deutschen Sturmwellen überrannt und mit Handgranaten, Kolben und Bajonett nieder-
gerungen. Abgeschnitten, durch das deutsche Feuer fast aufgerieben, verschüttet in Gräben und Unterständen, mußten sich die Franzosen gruppenweise ergeben.
Nach einer Originalzcichnnng von Professor Anton Hoffmann.
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
(Fortsetzung.)
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° LesMesmUes MorJu
.../ ff nur tut Minaucourt y
\-Uomas
In der zweiten Hälfte des
Monats Februar beschränkte sich
die Kämpft ätigkrit an der deut-
schen Westfront im wesentlichen
auf die Forisetzung der Erkun-
dungen. Nur die Engländer waren
lebhafter und es hatte den An-
schein, als ob sie diesmal größere
Massen von Streitern in den
Kampf führen würden, als sie es
sonst getan hatten. Die Fran-
zosen sollten offenbar geschont
werden. Hatten diese doch fast
buchstäblich den letzten Mann
im Felde und waren im Be-
griff, die sogenannten „letzten
Reserven" mittels einer neuen
Durchsiebung der dauernd Un-
tauglichen nochmals aufzufüllen.
Wie weit sie in der Mobilisierung
ihrer Mannschaften schon gegan-
gen waren, erhellt daraus, daß
nach den Angaben eines Pariser
Blattes bis zum4. Februar 60000
Mann als schwer lungenkrank
hinter die Front abgeschoben
worden waren. Eine weitere Schwächung erfuhr die
französische Feldarmee noch durch den Abgang zahlreicher
farbiger Truppen (siehe die Bil'd-er Seite 218 und 219),
die unter der Einwirkung der großen Kälte zugrunde gingen
Karte zu den Kämpfen südlich von Ripont.
oder in hohem Grade erholungs-
bedürftig wurden.
Mit ihren bisherigen Vor-
stößen hatten die Engländer aber
nicht viel erreicht. Es war ihnen
wohl gelungen, von der hochge-
legenen Dorfstellung der Deut-
schen bei Serre einzelne Graben-
stücke abzubröckeln, aber ihre
Verluste standen kaum im rich-
tigen Verhältnis zu dem Gewinn.
Am 13. Februar vormittags griffen
sie nach schwerer Artillerievor-
bereitung rnit starken Infanterie-
kräften südlich von Serre wieder
zweimal an. Die englischenMassen
arbeiteten sich so nahe an die
deutschen Gräben heran, daß sich
ein Nahkampf entspann. Blutig
wurden sie zurückgeschlagen und
ließen 35 Gefangene und 2 Ma-
schinengewehre in den Händen der
Deutschen. AIs sich Teile der eng-
lischen Truppen in Granattrichtern
vor den deutschen Linien ein-
zunisten versuchten, wurden sie
von ihren Gegnern mit der blanken Waffe vertrieben.
Nördlich und südlich von der Ancre nahm die deutsche
Artillerie herbeigeführte Verstärkungen der Feinde unter
kräftiges Feuer, fügte ihnen große Verluste zu und ver-
Deutscher Alarmposten im vordersten Graben auf Vauquois.
Nach einer Originalzeichnung des bei der Kronprinzenarmee weilenden Kriegsmalers Ernst Vollbehr.
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 bu Union Deutsche Verlagsgesellschpft in Stuttgart.
VI. Band. 27
210
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Englische Motorfahrerabkeilung an der Somme. An jedem Motorrad befindet sich ein Anhängewagen mit einem Maschinengewehr.
Nach einer englischen Tarstellung.
hinderte dadurch die geplanten Angriffe. Das gab den
Engländern Veranlassung zu dem Versuch, die deutschen
Stellungen von Serre bis an die Somme durch Wirkungs-
feuer möglichst zu erschüttern und die ihnen sehr lästig
gewordenen deutschen Batterien niederzukämpfen. Einen
Jnfanterievorstoß konnten sie nicht zur Entwicklung bringen,
weil die Deutschen durch ihr gut liegendes Feuer alle An-
sätze dazu im Keime erstickten.
An vielen anderen Stellen der Ancre- und Sommefront,
und noch mehr in den nördlicheren englischen Abschnitten
zwischen Armentiöres und Arras, unternahmen die Englän-
der an diesem Tage viele kleinere Teilvorstöße, bei denen sie
mitunter bis in die deutschen Gräben gelangten, ohne jedoch
ein bemerkenswertes Ergebnis zu erzielen. Wo ihnen ihre
Erfolge nicht streitig gemacht wurden, nutzten sie diese nur
mit großer Vorsicht aus; so besetzten sie erst Mitte Februar
bei Grandcourt Minentrichter, die von den Deutschen schon
in der Nacht zum 5. Februar aufgegeben worden waren.
Bei Armentiöres erstickte deutsches Artilleriefeuer im Ent-
stehen begriffene feindliche Angriffe, und an der Kohlen-
halde von Loos, wo die beiderseitigen Linien sehr dicht bei-
einanderlagen, blieben zwei Vorstöße, die zwei englische
Kompanien überraschend auf die deutschen Gräben aus-
führten, vergeblich. Ähnliche Vorfeldkämpfe ereigneten sich
auch am 15. Februar.
An diesem, wie am vorhergehenden Tage, regten sich
die Franzosen in der Champagne; aber auch die Deutschen
traten hier mit einem bedeutenderen Unternehmen hervor.
Während diese seit ihrem geglückten Überfall auf die Höhe
304 auf dem westlichen Maasufer ebenso wie der Feind
lediglich mit eng begrenzten Erkundungen die Front ab-
getastet hatten, setzten sie bei Ripont (siehe das Kärtchen
Seite 20j) auf der Linie Reims—Verdun, etwa 30 Kilo-
meter westlich von Verdun und annähernd 50 Kilometer
östlich von Reims, einen größeren Vorstoß auf die aus
vier hintereinanderliegenden Linien bestehende französische
Stellung an, die sich von dem Gehöft Les Maisons de
Champagne über die Höhe 185 an der Straße von Cer-
nay-en-Dormois nach Perthes-les-Hurlus hinzog. In diese
südlich von den Trümmern des Dorfes Ripont gelegene
Stellung brachen die Deutschen nach sorgfältiger artilleristi-
scher Vorbereitung in einer Breite von reichlich 2hs Kilo-
metern und einer Tiefe von 800 Metern ein, obwohl sich
die Franzosen tapfer wehrten (siehe die Kunstbeilage). Der
genommene Abschnitt erwies sich als ungewöhnlich stark be-
seht; nach dem deutschen Bericht gerieten 23 Offiziere und
953 Mann der Feinde in Gefangenschaft. Daneben wurden
30 Maschinengewehre und eine nur schwer übersehbare Fülle
von Kriegsgeräten aller Art erbeutet. Während die blutigen
Verluste der Deutschen bei diesem gut vorbereiteten und
glänzend durchgeführten Unternehmen gering waren, wiesen
jene der Gegner eine beträchtliche Höhe auf.
Die Deutschen richteten sich mit großer Schnelligkeit
in der neuen Stellung ein und trotzten, obwohl die
Franzosen nicht mit Granaten sparten, allen Wiederer-
oberungsversuchen mit unerschütterlicher Festigkeit. Die
Feinde mußten die ausgezeichnete Höhenstellung, die ihnen
guten Einblick in die weiter zurückliegenden deutschen Linien
geboten hatte, verloren geben.
Am selben Tage erlitten die Franzosen auch auf dem
Westufer der Mosel eine kleine Niederlage, die ihnen 44
zumeist aus ihrer dritten Linie geholte Gefangene kostete.
An den nördlichen Abschnitten der englischen Front hatten
unterdessen die Feuerkämpfe eine wesentliche Steigerung
erfahren. Im Wytschaetegebiet bemerkten die Deutschen
während des feindlichen Vorbereitungsfeuers die Ansamm-
lung größerer Streitkräfte in den englischen Gräben. Das
daraufhin einsetzende deutsche Feuer vereitelte jedoch die
Ausführung der feindlichen Absichten. Besonders lebhaft
war auch der Feuerkampf zwischen Armentiöres und Fro-
melles, sowie zwischen Hulluch und Arras, unter dem
hauptsächlich die hinter der deutschen Front liegenden
größeren französischen Siedlungen zu leiden hatten. Allein
in Lens wurden durch die englischen Granaten 19 franzö-
sische Einwohner getötet. Im Ancreabschnitt flammte der
Artilleriekampf vorzugsweise im Raume von Erandcourt
wieder äußerst heftig auf. Östlich von Erandcourt und
südlich von Miraumont entwickelten sich auch starke eng-
lische Jnfanterievorstöße, die aber kraftvoll abgewiesen
wurden. Das gleiche Schicksal teilten schwerere englische
Handgranatenangriffe südlich von Serre und bei Eueude-
court. Dabei steigerte sich das englische Artilleriefeuer,
namentlich um Miraumont, zu einem regelrechten Trom-
melfeuer. Besonders heftig wurden die deutschen Stel-
lmlgen bei Baillescourt an der Straße von Beaucourt nach
Miraumont, auch die Postenlinie östlich von Grand court,
die fast nur aus besetzten Granattrichtern gebildet war» be-
schossen. Die genannten Trichterstellungen erwiesen sich
nach der heftigen Beschießung während des Tages als
wertlos, so daß die Deutschen ihre Preisgabe beschlossen.
Sie überließen dem Feinde gegen Abend ein Grabenstück,
das die einstige Moulin-Ruine umfaßte» von dort nach Osten
lief und knapp südlich von der noch gehaltenen deutschen
Stellung von Miraumont hinzog. Auf einer Front von
6 Kilometern Breite hatten die Engländer an diesem Tage
nicht weniger als 3 Divisionen angesetzt; was sie erreicht
hatten, war so gut wie nichts.
Starker Nebel zwang am 18. und 19. Februar zu einer
Kampfpause. An den folgenden Tagen aber kam es stellen-
weise trotz des regnerischen Wetters bereits wieder zu
schweren Zusammenstößen. So führten die Deutschen einen
Werfall auf einen englischen Stützpunkt südlich von Le
Transloy aus (siehe Bild Seite 217), den sie besetzten,
wobei ihnen 38 Engländer und 5 Maschinengewehre in
die Hände fielen. Südlich von Armentiöres stürmte ein
kriegsstarkes englisches Bataillon nach einem kräftigen Trom-
melfeuer gegen die deutsche Stellung vor. Die Deutschen
ließen die Feinde erst bis zum zweiten Graben durch, dann
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
211
aber setzte ihr Gegenangriff von vorn und von der Seite
ein, der schwere Nahkämpfe zur Folge hatte und in dessen
Verlauf die Angreifer vollständig zurückgeschlagen wurden.
Während die Deutschen nur geringe Verluste erlitten, ließen
die Engländer allein in den deutschen Gräben über 200 Tote
liegen.
An anderen Punkten durften die Engländer wieder
einige von ihren Gegnern längst aufgegebene Stellungen
im völlig verschlammten Somme abschnitt besetzen. Obwohl
sie die Besetzung solcher ihnen freiwillig überlassenen Strecken
regelmäßig als einen Erfolg feierten, ließ sich die deutsche
Heeresleitung nicht beirren und arbeitete weiter an der Festi-
gung und Ausfeilung ihrer Linien, wie sie es der örtlichen
und der Eesamtlage nach für angemessen hielt. Wertlose
Abschnitte gab man aus, wenn dadurch ein günstigerer
Verlauf der Stellung erzielt wurde und gleichzeitig eine
Verhütung unnötiger Verluste damit verbunden war. So
hatten die Deutschen in der Nacht zum 13. Januar die Vorstel-
lung von Serre planmäßig geräumt; am 27. Januar ließen
sie die Besetzung ihrer zerwühlten vordersten Linien südwest-
lich von Le Transloy durch den Feind zu, und in der Nacht
zum 5. Februar gaben sie freiwillig Grandcourt auf, das
die Engländer in siebenmonatiger Schlacht nicht hatten er-
ringen können und das sie erst drei Tage nach der Räumung
teilweise zu besetzen wagten. Danach verzichteten die
Deutschen noch auf die in der Hauptsache aus Granat-
trichtern bestehende Linie vor Miraumont. Das Dorf selbst
lag 2 Kilometer östlich von den geräumten Resten Grand-
courts, war aber immer noch 8 Kilometer von Bapaume,
dem heißersehnten Ziel der Engländer, entfernt. Diese ge-
wollte Preisgabe des nicht leicht zu sichernden und nicht
unbedingt notwendigen Geländes war ein Zeichen der
Überlegenheit, nicht der Schwäche. Der deutschen Führung
kam es augenscheinlich darauf an, zweifelhafte Stellen der
Front dem Feinde zu überlassen, diesem aber Verteidigungs-
Punkte, die geeignet waren, den Verlauf der deutschen
Linien zu verbessern und zu stärken, wegzunehmen. Das
war bei Le Transloy und in viel größerem Umfange bei
Ripont geschehen. —
Die deutschenLuftstreitkräfte hatten wieder
häufig Gelegenheit, sich zu betätigen. Besonders heiße
Kämpfe in der Luft spielten sich am 14. Februar ab, an
dem sieben feindliche Flugzeuge außer Gefecht gesetzt wurden.
Zwei davon schoß der Fliegerleutnant v. Richthofen ab,
der damit seinen 20. und 21. Gegner überwand. Schon am
nächsten Tage verloren die Feinde wieder 7 Flugzeuge.
Tags darauf griffen deutsche Fliegergeschwader wichtige
Anlagen hinter der feindlichen Front an. Dabei flogen an
der Somme eine ganze Reihe von Munitionslagern in die
Luft; die durch die Erplosionen hervorgerufene starke Erd-
erschütterung wurde noch in St. Quentin gespürt. In der
nächsten Rackst belegten deutsche Luftschiffe die Stadt Bou-
logne sowie ihren Hafen ausgiebig mit Bomben. Der Küsten-
strich hinter der feindlichen Front war überhaupt zeit-
weilig das Ziel von Angriffen deutscher Marineflugzeuge.
Solche bewarfen am 14. Februar morgens die Flugplätze
bei Dünkirchen (siehe Bild Seite 215) und Coryde wir-
kungsvoll mit Bomben; ein Wasserflugzeug streifte auch
über den Kanal und belegte feindliche Handelschiffe in den
Downs mit Bomben. Ein anderes Wasserflugzeug warf
dort in der Nacht zum 16. Februar wieder 20 Bomben ab;
gleichzeitig wurden die Flugplätze St. Pol bei Dünkirchen
und Coryde abermals angegriffen, wobei die Einschläge
großer Geschosse in Gebäuden der Flugplatzanlagen deutlich
wahrgenommen wurden. Auch an der deutschen Ostfront
beteiligte sich ein deutsches Marineluftschiff an den Kriegs-
handlungen. Es erschien am Abend des 18. Februars über
Arensburg auf der Insel Ösel und ließ auf den Hafen und
die militärischen Anlagen Spreng- und Brandbomben fallen,
die starke Wirkungen hervorbrachten.
Ein besonders unerwünschter Verlust traf die Franzosen
in der Nacht zum 24. Februar, in der eines ihrer großen
Lenkluftschiffe (siehe Bild Seite 112) der Vernichtung an-
heimfiel. Es hatte die deutschen Linien in der Richtung
auf Saargemünd überflogen, geriet westlich von der ge-
nannten Stadt, bei Wblferdingen, in das Abwehrfeuer
deutscher Geschütze und fing Feuer. Fast augenblicklich
stürzte es daraufhin zur Erde, wobei die mitgeführten Ab-
wurfgeschosse erplodierten und die 14 Mann starke Be-
satzung den Tod fand (siehe Bild Seite 216). —
Der Verlauf des uneingeschränkten U-Bootkrieges
entsprach seinem erfolgreichen Anfang; zahlreiche Schiffe
wurden versenkt. Die englische White-Star-Linie verlor am
12. Februar wieder einen ihrer stattlichsten Dampfer, den
11 999 Tonnen fassenden „Africa". Das Schiff, das als
Transportschiff der englischen Kriegsflotte die Bezeichnung
„A 19" führte, wollte den Weg von Liverpool nach Ply-
mouth zurücklegen, als es von einem Torpedo eines von
Kapitänleutnant Petz (siehe Bild Seite 214) geführten
D-Bootes getroffen und vernichtet wurde. Am 13. Februar
waren nach einer bei der deutschen Admiralität eingelaufenen
Meldung weitere 6 Dampfer mit insgesamt 25 000 Brutto-
tonnen versenkt worden. Ununterbrochen trafen neue Be-
richte über die Vernichtung von Schiffen ein. Die Beute
eines Bootes, die am 9. Februar auf 16 000 Tonnen be-
rechnet wurde, belief sich nach seiner Rückkehr in den Stütz-
punkt auf 35 000. Darunter befand sich ein Dampfer von
4500 Bruttotonnen, der Kriegsmaterial im Werte von
60 Millionen Mark an Bord hatte und auf dem Wege nach
Ägypten war. Ein anderes D-Boot versenkte innerhalb vier-
undzwanzig Stunden 51 800 Bruttoregistertonnen; darunter
war ein englischer Hilfskreuzer von 20000 Tonnen, ferner
gehörten dazu zwei Hilfskreuzer oder Transportdampfer von
13600 Tonnen und ein Transportschiff von 4600 Tonnen.
Englische Soldaten begeben sich an die Front, um neue Drahtverhaue anzulegen, zu deren Befestigung sie an Stelle der Holzpflöcke Eisenstäbe
benützen, die an einem Ende schraubenförmig gebogen sind und sich deshalb leicht in den Boden bohren lassen.
214
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Ferd. Urbahns, Kiel.
evseeboot-Kommandant KapitänleuLnant Willy
, der innerhalb 24 Stunden 52 000 Tonnen feind-
licher Handelschiffe versenkte.
diese Schiffe waren mit Munition und Lebensrnitteln
er befrachtet, so daß nicht nur der versenkte Dchiffs-
a, sondern auch die versenkte Ladung einen schweren
Verlust für die Feinde bedeutete.
England u. Kolonien
13828 OOO Regionen VerStaaten
Jsatten ^
137 ooo RT. Deutschland
Schweden —___________ 3320 OOO R. T
Unterseeboot-
Petz,
Alle
schwer
raum.
Es war nicht zu verwundern,
datz solchen Ergebnissen gegenüber
die feindliche Presse nach Schutz- und
Abwehrmaßnahmen rief. Die fran-
zösische Presse verwies dabei auf die
Abwehrmittel der Italiener, die aus
einer großen Zahl kleiner Lenkballone
und anderer besonders eingerichteter
Ballone bestanden, die sowohl die
Boote als auch die ausgelegten Mi-
nen in den italienischen Gewässern
leicht festzustellen in der Lage sein
sollten. Me wenig sicher aber auch
diese Maßnahmen waren, hatte sich
bei der Versenkung der nach italie-
nischen Häfen bestimmten Kohlen-
schiffe (siehe Seite 196) erwiesen,
und es stellte sich auch am 17. Fe-
bruar wieder heraus, als einem
deutschen kl-Boote die Vernichtung
des italienischen Truppentransport-
dampfers „Minas" glückte. Das
Schiff führte eine große Munitions-
ladung an Bord und außerdenr für
Saloniki bestimmtes Gold im Werte
von 3 Millionen Mark. Außer diese
Dampfer fiel noch eine große An-
zahl anderer wertvoller Schiffe im
Sperrgebiet des Mittekmeeres den
kl-Booten zum Opfer, darunter einer
der schönsten und größtenfranzösischen
Dampfer, der „Athos", 12644 Ton-
nen groß. Das Schiff kam von seiner
ersten Ausfahrt nach China zurück,
als es sein Schicksal ereilte; an Bord
befanden sich hauptsächlich Kolonial-
beamte und Arbeiter und außerdem ein großer Trans-
port französischer Senegalschützen.
, Die größten Verluste hatte naturgemäß die englische
Handelsflotte (siehe Bild Seite 212/213). Bis zum 20. Fe-
bruar betrugen diese nach den Angaben von Lloyds in
London etwas über 200000 Tonnen. Diese Zahl war
aber nach den bisher eingelaufenen Meldungen der deut-
schen Unterseebootführer viel zu niedrig gegriffen. Die eng-
lische Regierung hatte ganz offen scharfe Maßregeln gegen
die Veröffentlichung der Schiffsverluste getroffen, um zu
verhüten, daß die Beunruhigung des englischen Volkes noch
weiter um sich greife, als es ohnehin schon der Fall war.
Wurde die Lage
Englands doch von
Tag zu Tag schlim-
mer. Hatten die
Engländer die
Deutschen aushun-
gern wollen, so
sahen sie infolge
der Wirkung des
ki-Bootkrieges jetzt
das Hungerge-
spenst vor sich selbst
drohend aufstei-
gen. Um der Ge-
fahr vorzubeugen,
mußten sich die
Engländer mit ei-
ner Fülle unbe-
quemer Einschrän-
kungen abfinden,
die die Regierung
verfügte.Darunter
fielen in erster
Linie eine Reihe
von Bestimmun-
gen,die,um Fracht-
raum zu sparen,
die Einfuhr auf
ein Mindestmaß
von Gütern be-
schränkten, die le-
diglich für die Er-
118t>1
<S£>
Jtatien
1137000 RT
Schweden
805 OOO RT
Spanien
79*1-7-06RT.
öestr Ungarn
663000RT
Niederlande
616000 RT
Dänemark
538000 RT
Die Größe der bedeutendsten Handelsflotten vor dem Kriege.
nährung und die Erhaltung der
Kriegsbereitschaft Englands berechnet
waren. Dann folgte ein Aufruf zur
freiwilligen Einschränkung des Nah-
rungsmittelverbrauches, die so weit
gehen sollte, daß sie sich fast in allen
Teilen den Mengen näherte, die in
Deutschland zur Verteilung gelang-
ten. Es wurde unter anderem ge-
fordert, die wöchentlich von einer
Person zu verbrauchende Mehlmenge,
einschließlich der zum Brotbacken nö-
tigen, auf 3 Pfund herabzusetzen.
Drei englische Pfund entsprechen
1360 Gramm; die zugestandene Mehl-
menge blieb also nicht unwesentlich
hinter der in Deutschland auf den
Kopf der Bevölkerung berechneten
Durchschnittsmehlmenge zurück. Auf
eine ausreichende Einfuhr von Nah-
rungsmitteln konnte nicht mehr ge-
rechnet werden, denn die Neutralen,
die bisher zur Versorgung Englands
beigetragen hatten, ließen ihre Schiffe
in den Häfen und weigerten sich,
die Fahrten unter den obwaltenden
Umständen wieder aufzunehmen.
Um sie dennoch nach Möglich-
keit zur Dienstleistung für England
zu zwingen, bestimmten die Eng-
länder am 21. Februar, daß jedes
nicht nach einem englischen Hafen
oder einem solchen der anderen
Vierverbandsmächte bestimmte Schiff
als feindliches angesehen werde, wenn
es nicht zu seiner Kontrolle einen
englischen Hafen anliefe. Die in englischen Häfen liegenden
Schiffe neutraler Staaten durften nur auskaufen, wenn sie
sich verpflichteten, mit einer Ladung für England zurück-
zukehren. Damit das Versprechen auch gehalten wurde,
mußten vor der Abfahrt große Summen hinterlegt wer-
den. So sah die Freiheit der Meere in der englischen
Auffassung aus.
Wie recht die Neutralen taten, indem sie ihre Schiffe
im sicheren Hafen behielten, bewies das Schicksal von 7 hol-
ländischen Schiffen, die sich, mit Getreide und Futtermitteln
beladen, auf dem Wege nach Holland befanden. Mit Rück-
sicht auf die Lage dieser Schiffe in englischen Häsen hatte
ihnen die deutsche
Regierung für den
17. März sichere
Fahrt durch das
Sperrgebiet ge-
währleistet, gleich-
zeitig wurde dar-
auf hingewiesen,
daß die Reise auch
am 22. Februar
unternommen
werden könnte,
aber nur mit ver-
hältnismäßiger
Sicherheit, weil
nicht alle deutschen
Streitkräfte bis zu
diesem Zeitpunkte
entsprechendeWei-
sungen erhalten
konnten. Trotz-
dem fuhren die
Schiffe ab, und alle
wurden von deut-
schen kl-Booten,
denen die Sachlage
unbekannt war,
vernichtet. Die Be-
satzungen konnten
gerettet werden.
Die Schuld an dem
Vorfall traf die
Japan
1833 OOO RT
Norwegen
1 718000 R.T
Frankreich
1518 OOO RT
Russland
1767-000 R.T
■
Die amerikanische Regierung hatte sich
bis Ende Februar noch nicht zu weiteren Maß-
nahmen gegen Deutschland entschlossen. Durch
Vermittlung des schweizerischen Gesandten
in Washington setzte sie sich sogar wieder mit
Deutschland in Verbindung und gab ihre Ge-
neigtheit zur Aufnahme von Verhandlungen
zu erkennen, wenn der O-Bootkrieg in der
seit dem 1. Februar geübten Form aufgegeben
würde. Die deutsche Regierung war zu un-
mittelbar mit Amerika zu führenden Verhand-
lungen bereit, lehnte aber die Zumutung» die
in bezug auf den O-Bootkrieg erlassenen An-
weisungen zurückzunehmen, entschieden ab,
höchstens einige Erleichterungen für die Neu-
tralen, im besonderen für die Amerikaner,
sollten unter Umständen in Erwägung ge-
zogen werden. Darauf ging Amerika nicht
ein, und so schlug dieser Versuch Wilsons,
England aus seiner bedrängten Lage zu be-
freien, fehl. Währenddessen verstärkte die
amerikanische Regierung unausgesetzt Heer
und Flotte,' gleichzeitig verhandelte sie mit
Japan, um sich dessen Wohlwollen für den
Fall eines Krieges mit Deutschland zu sichern.
Das alles konnte die deutsche Regierung
nicht wankend machen; sie war entschlossen,
den Krieg jetzt möglichst rasch mit allen Mit-
teln zu beenden. In diesem Bestreben wurde
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
holländischen Reeder, die ihren Schif-
fen die Anweisung gegeben hatten,
trotz der Warnung der deutschen
Negierung zu fahren; aber auch die
englische Regierung war mitschuldig,
weil sie die Schiffe anr 9. und am
11. Februar am Auslaufen hinderte.
An beiden Tagen hätte nach einer
früheren Zusicherung der deutschen
Regierung die Heimat ohne Gefahr
erreicht werden können.
Auch über ein neues, geheimnis-
volles deutsches Kapersckiff,
„Puyme" genannt, liefen wieder
Meldungen ein, nach denen es im
südlichen Teil des Atlantischen Ozeans
bis zum Dezember 1916 26 Schiffe
versenkt hatte. Wo es sich im Ja-
nuar und Februar 1917 aufhielt,
war aus den aus Amerika stammen-
den Nachrichten nicht zu entnehmen.
Es wurde vermutet, daß es einige
der von ihm aufgebrachten Dampfer
auch als Kaperschiffe ausgerüstet
hatte.
Das glänzende Ergebnis des
Seekrieges im Monat Januar ließ
die Hoffnungen auf seine frieden-
fördernde Wirkung berechtigt erschei-
nen. In diesem Monat büßten die
Feinde durch kriegerische Maßnah-
men der Mittelmächte 170 Fahr-
zeuge mit 336 000 Bruttoregisterton-
nen ein; dazu kamen 58 neutrale
Handelsfahrzeuge mit 103 500 Ton-
nen, die beim Bannwarenhandel
abgefaßt wurden. Die Gesamt-
summe des vernichteten Schiffsraums belief
sich somit auf 439 500 Tonnen; davon waren
245 000 Bruttoregistertonnen von 91 Schiffen
englischen Ursprungs. Hatte schon der Kreuzer-
krieg der 11-Boote so große Erfolge aufzu-
weisen, so konnte mit vollkommener Sicher-
heit darauf gerechnet werden, daß der unein-
geschränkte Tauchbootkrieg noch ganz wesent-
lich höhere Ergebnisse bringen würde, umso-
mehr als am 28. Februar auch die Schonfrist
ablief, die auf dem Atlantischen Ozean be-
findlichenSegelschiffen gewährt worden war.—
Phot. Prefse-Photo-Vertrieb, Berlin.
Leutnant z. S. d. R. Badewitz.
Ern deutsches Prisenkommando in Stärke von 16 Mann
von der Besatzung des deutschen Hilfskreuzers „Möwe II"
brachte unter Führung des Leutnants Badewitz den im
Atlantischen Ozean gekaperten englischen Dampfer „Iar-
rowdale" (4600 Tonnen) mit 469 Gefangenen in Swine-
münde ein.
sie durch den deutschen Reichstag
unterstützt, der in seiner Sitzung vom
23. Februar den geforderten neuen
Kriegskredit von 15 Milliarden Mark
bewilligte. — «Fortsetzung folgt.»
Illustrierte
Kriegsberichte.
Mit der neuen „Möwe"
auf hoher See.
(Deuisch von Werner Peter Larsen.)
(Hierzu das nebenstehende Bildnis.)
Die Kopenhagener Zeitung „Po-
litiken" veröffentlicht einen langen
Bericht des norwegischen Kapitäns
A. Anderson über seine Erlebnisse
an Bord der neuen „Möwe". Das
Schiff des betreffenden Kapitäns
wurde im Dezember 1916 von dem
deuts chen Hilfskreuzer im Atlantischen
Ozean versenkt und die Mannschaft
zuerst auf den Kreuzer, dann aber
auf den erbeuteten englischenDa mpfer
„Parrowdale" und mit diesem nach
Deutschland geschafft. Von hier aus ist
sie in ihre Heimat zurückbefördert wor-
den. Wir entnehmen dem Bericht des
norwegischen Kapitäns das folgende:
Mein Schiff „Hallbjörg" war am
23. November von Neuyork mit der
Bestimmung nach Frankreich abge-
Die Hafenanlagen von Dünkirchen, von einem deutschen Flugzeuge aus aufgenommen
Man sieht im Hafen eine Anzahl feindlicher Kriegschiffe liegen.
216
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
fahren; das Wetter war klar, die See ruhig, und alles ging
deshalb bis zuin 4. Dezember nach Wunsch. An diesem Tage
lagen wir aus 20 Grad westlicher Länge und dachten selbstver-
ständlich nicht, daß schon die nächsten Stunden uns eine sehr
peinliche Überraschung bescheren würden. Ich saß unten
in der Messe und speiste zu Mittag, als von der Brücke
gemeldet wurde, daß ein Dampfer in Sicht sei, was ja an
sich nichts Besonderes weiter war. Als ich jedoch hinaufkam,
sah ich zu meiner Verwunderung, daß der Dampfer zuerst
mit Kurs von Norden nach Süden lief, dann jedoch den
Kurs mehrfach änderte, schließlich einen großen Bogen um
uns beschrieb und dann geradeswegs auf uns zuhielt. Ich
suchte ihm durch ein eiliges Steuermanöver aus dem Wege
zu gehen, er aber drehte uns plötzlich die Breitseite zu und
hißte im gleichen Augenblick das Signal: „Stoppen Sie
sofort!" Gleich darauf ging auch die deutsche Kriegsflagge
hoch, die Bordverkleidung verschwand, und wir gewahrten
zu unserem Schrecken, daß wir anstatt eines friedlichen
Handelsdampfers ein modernes deutsches Kriegschiff vor
uns hatten, das die Mündungen seiner Geschütze auf uns
gerichtet hielt. Wenn noch irgend ein Zweifel möglich ge-
wesen wäre, so hätten ihn die vier Torpedoausschußrohre
Phot. Berk. JUustrat.-Ges. nt. b. H.
Die Überreste des Ln der Nacht vom 23. zum 24. Februar 1917 durch Abwehrfeuer brennend zum Absturz gebrachten
französischen Luftschiffes im Walde bei Wölferdingen.
und die, außer den anderen Geschützen, am Bug, am Heck
und auf dem Mitteldeck aufgestellten Kanonen sehr bald
beseitigen müssen.
Der deutsche Kreuzer setzte alsbald zwei Boote aus,
die mit 2 Offizieren, 30 Mann und 1 Signalgast bemannt
wurden; diese waren samt und sonders bis an die Zähne
bewaffnet und brachten auch gleich einige für unser Schiff
bestimmte Bomben mit. Die Offiziere und einige Mann
gingen mit mir in den Salon hinunter und verlangten die
Papiere zu sehen, aus denen hervorging, daß das Schiff
mit Stückgut nach Bordeaur fuhr, während die Offiziere
behaupteten, daß sich Bannware an Bord befinde und das
Schiff deshalb versenkt werden müsse. Ich gab schließlich
zu, daß ein Drittel der Ladung in der Tat aus Bann-
ware bestehe, daß es jedoch gegen alle Übung sei, aus
einem solchen Grunde ein Schiff zu versenken. Darauf-
hin schritten die Offiziere zu einer näheren Untersuchung
der Ladung, und als sie entdeckten, daß ich Zink und Mes-
sing an Bord hatte, schickten sie den Signalgast auf die
Kommandobrücke und holten vom gegenüberliegenden
Kreuzer Anweisungen ein. Diese lauteten: „Das Schiff
wird versenkt!"
Die Offiziere fragten, ob wir noch etwas von unserem
persönlichen Eigentum mitnehmen möchten; dann müßten
wir uns allerdings beeilen. Inzwischen wurden im Maschinen-
raum schon die Bomben gelegt. Es glückte mir jedoch noch,
die Schiffspapiere und zwei Säcke mit 600 Konserven-
büchsen auf den Hilfskreuzer hinüberzunehmen.
Als ich an Bord des Kreuzers kam, legte ich bei dessen
Kapitän gegen die Versenkung des „Hallbjörg" Protest ein.
Ich fand den Kapitän in seiner Kabine, und während ich
mit ihm sprach, wurde ich auf die an der Wand hängende
Abbildung eines Schiffes und eines Schiffsdurchschnitts auf-
merksam; über beiden stand „S. M. S. Puyme".
„Das Bild scheint Sie ja lebhaft zu interessieren," sagte
der Kapitän, dem mein Blick nicht entgangen war, „ich mache
Sie deshalb von vornherein darauf aufmerksam, daß Sie
sich nicht etwa an Bord des Schiffes dort befinden ..."
Mehr sagte er darüber nicht.
Ich fragte sodann, ob es mir erlaubt sei, die Versenkung
meines Schiffes zu photographieren, was mir gestattet
wurde. Als es soweit war, ließ mich der Kapitän rufen
und sagte mir, mit der Uhr in der Hand: „In zwei Mi-
nuten erfolgt eine Erplosion im Maschinenraum."
Und in der Tat — nach genau zwei Minuten gab es
einen furchtbaren Knall und gewaltige Maschinenteile wur-
den durch das Deck hindurch wie Spielzeug in die Luft
geschleudert.
„Nach genau drei Mi-
nuten wird das Achter-
schiff folgen," sagte der
Kapitän, „und dann erst
kommtdas Vorderschiff."
Und ganz so geschah es
auch. Es war Punkt
drei Uhr füufundvierzig
Minuten auf 49 Grad
nördlicher Breite und
26Erad westlicher Länge,
als ich mein Schiff zum
letzten Male sah....
In den unteren Räu-
men des Kreuzers fan-
den wir 93 Mann von
dem englischen Dampfer
„Voltaire" aus Liver-
pool vor, der am Tage
vorher versenkt worden
war; am übernächsten
Tage gesellten sich zu uns
von einem mit Fischen
beladenen, nach Gibral-
tar bestimmten Neufund-
landschoner noch 6 Mann.
. . . Am Abend des-
selben Tages kam der
der Canadian Pacific
Railway, Quebec, ge-
hörige Dampfer „Mount
Temple" in Sicht, der
gegen 750 Pferde, eine große Hundeherde und über
5000 Tonnen Stückgut an Bord hatte. Der Dampfer wurde
wie jeder andere versenkt.
Am 8. Dezember gab es schon wieder eine neue Be-
gegnung: diesmal war es der von London stammende
Dampfer „King George", der außer einer Ladung Stück-
gut auch noch 750 Tonnen Pulver an Bord führte. — Auf
dem deutschen Kreuzer schien man es sich eine Weile zu
überlegen, was mit dem Engländer anzufangen sei; dann
aber wurden langsam und sehr vorsichtig die Seeventile
geöffnet und nach rund acht Stunden war der Dampfer
von der Meeresfläche verschwunden. Die Berechnung der
Deutschen war auch in diesem Falle sehr richtig, denn hätten
sie dem Dampfer ein Torpedo geschickt oder Bomben in ihn
gelegt, so wäre alles im Unikreis von vielen Meilen — und
darunter auch das deutsche Schiff selbst — durch die Erplosion
der riesigen Pulverladung zerstört worden.
Am 9. Dezember wurde der in Liverpool beheimatete
Dampfer „Cambrian Range" versenkt, der mit Stückgut
und 38 Mann Besatzung von Baltimore nach Liverpool
unterwegs war; am nächstfolgenden Tage bereits kam der
der White Star Line gehörige „Eeorgic" in Sicht, der
außer 7000 Tonnen Stückgut gegen 1200 Pferde geladen
hatte. Der deutsche Kreuzer mußte vier scharfe Schüsse
abfeuern, bis der englische Dampfer, der sich auf der Fahrt
Aus den Kämpfen einer Nefervedivision an der Somme.
Aufrollen eines feindlichen Grabenstückes.
Nach einer Originalzcichnnng des Kriegsmalers Martin Frost.
218
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
von Philadelphia nach Brest befand, endlich abstoppte. An
Bord des Engländers schien eine unbeschreibliche Panik aus-
gebrochen zu" sein, denn gegen 50 Mann, die offenbar ge-
schlafen hatten, eilten wie besessen auf Deck und stürzten
sich, nur mit dem Hemd bekleidet, ins Meer, obwohl ihnen
bis dahin niemand auch nur das geringste getan hatte. Es
stellte sich dann heraus, daß das Schiff in der Hauptsache
Baumwolle führte; es sank deshalb, trotz der Öffnung der
Ventile, sehr langsam, und bekam nach Verlauf von fünf
Stunden einen Torpedo zugesandt.
Am 11. Dezember endlich tauchte der englische Dampfer
„Parrowdale" auf, der mit Stückgut auf der Fahrt von
Philadelphia nach Havre begriffen war und gewiß nicht
ahnte, welches Schicksal seiner mitten im Atlantischen Ozean
wartete. Bisher batten sich auf dem deutschen Kreuzer
gegen 500 Mann von den versenkten Schiffen angesammelt;
dieser Belastung wollte
sich der Kreuzer gern ent-
ledigen, und er folgte des-
halb zwei Tage lang dem
„Parrowdale", der sich
der Verfolgung vergeblich
zu entziehen suchte... .
Das Wetter war vor-
erst außerordentlich un-
günstig, als es sich jedoch
langsam gebessert hatte,
schickte der deutsche Kapi-
tän 20 Mann zum „Par-
rowdale" hinüber und
zwang das Schiff, sich
dem Kurs des deutschen
Kreuzers anzuschließen.
Nach einigen Tagen
tauchte dann der Kohlen-
dampfer „Saint Theo-
dore" aus London auf,
der der dritte im Bunde
wurde, selbstverständlich,
nachdem er eine ent-
sprechende Prisenbe-
satzung erhalten hatte....
Die Norweger wur-
den sodann zusammen
mit einer Anzahl anderer
Seeleute an Bord des
„Parrowdale" geschafft,
den Leutnant z. S. Ba-
dewitz bekanntlich am
Silvestertage in Swine-
münde einbrachte. Aber
den Aufenthalt an Bord
des aufgebrachten Schif-
fes und dessen Führer
äußert sich der Norweger
folgendermaßen:
„Einen so merkwür-
digen Menschen wie den
Führer dieses Schiffes
habe ich meiner Leb-
tage nicht gesehen, und
ich wundere mich heute
noch, wie er überhaupt zu leben vermochte. Er schlief an-
scheinend niemals. Von dem Tage an, an dem er das
Kommando übernahm, bis zu dem Augenblick, da wir das
Schiff in Swinemünde verließen, blieb er hartnäckig an
Deck, und das einzige, was man von Ruhe bei ihm sah,
war, daß er ab und zu für einige Augenblicke in seinem
Lehnstuhl einnickte. Dieser Mann, aus dem eine rücksichtslose
Energie sprach, schien wirklich unverwüstlich zu sein ..
AIs wir auf Norwegen zusteuerten, sprangen zwei von
einem bewaffneten Handelsdampfer stammende Engländer,
die fürchteten, in Deutschland zu harten Strafen verurteilt
zu werden, mitten in der Nacht im Hemd über Bord. Ein
deutsches Patrouillenschiff fischte sie aber wieder auf.
Am 31. Dezember lief ,ParrowdaleV von allen Seiten
auf das freudigste beglückwünscht, in Swinemünde ein.
Wir wurden erst dort, dann aber in Neustrelitz untergebracht
und konnten erst am 27. Januar nach Erledigung von
mannigfachen Förmlichkeiten in die Heimat zurückkehren."
Die Bewertung der Erfolge des U-Boot-
krieges.
Von Kapitän z. S. o. Kühlwetter.
Am 31. Dezember 1916 waren durch die Kriegsmittel
der Mittelmächte über 41/i Millionen Tonnen Handelschiffs-
raum vernichtet, und am 1. Februar 1917 beliefen sich die
Kriegschiffverluste der feindlichen Flotten im ganzen Kriege
auf 822 535 Tonnen. Ein O-Boot versenkte an einem
Tage Hilfskriegschiffe und Transportdampfer von 52 000
Brutto-Registertonnen und jeden Tag erneut lesen wir von
den Erfolgen des ungehemmten D - Bootkrieges, die sich
in der Vernichtung einer gewissen Summe von Schiffs-
raum kundgeben. Jeder führt solche Zahlen heute im
Munde, wenige aber nur sind imstande, sich von ihrer
wirklichen Bedeutung Rechenschaft zu geben. Und doch ist
das gar nicht unwichtig,
wenn man sich ein Urteil
über die Wirkung des
It-Bootkrieges, der doch
die Entscheidung im
ganzen Kriege bringen
soll, bilden will.
Die Sache ist auch in
der Tat gar nicht so ein-
fach, einmal, weil die
Bedeutung des Wortes
Tonne durchaus nicht
jedem geläufig ist, zum
andern aber, weil das
Wort Tonne außerdem
noch in verschiedenem
Zusammenhange ganz
verschiedene Bedeutung
hat. Es kommt darauf
an, ob das Wort in be-
zug auf Handelschiffe oder
auf Kriegschiffe gebraucht
wird, Hilfskriegschiffe
und Transportdampfer,
die ja eigentlich Handel-
schiffe sind und nur im
Kriege zu Kriegschiffen
gemacht werden, sind
hierbei ihrer ursprüng-
lichen Art nach immer
als Handelschiffe anzu-
sehen.
Beginnen wir mit
den Handelschiffen, weil
sie ja jetzt tatsächlich für
die Erzwingung der
Kriegsentscheidung fast
die wichtigste Rolle spie-
len. Wenn von Tonnen
im Zusammenhang mit
Handelschiffengesprochen
wird, sind immer Raum-
tonnen gemeint, die
Tonne ist also in diesem
Fall ein Raummaß. Meist
wird deswegen ausdrück-
lich von Raumgehalt gesprochen, oder wenigstens von
„Register"-Tonnen. Dieser Zusatz bedeutet immer, daß Raum-
tonnen gemeint sind. Daß es unter allen Umständen am wich-
tigsten ist, von einem Handelschiff den Raumgehall zu kennen,
liegt auf der Hand. Der Handelswert eines solchen Schiffes
hängt selbstverständlich davon ab, wieviel Raum es hat,
der zum Handel nutzbar gemacht werden kann. Den Ge-
samtrauminhalt eines Handelschiffes gibt man in Brutto-
Registertonnen an; aus ihm kann man sich am leichtesten
eine Vorstellung von der Gesamtgröße des Schiffes machen.
Wenn man von diesem Bruttoraumgehalt die nicht für
Waren oder Fahrgäste bestimmten Räume in Abzug bringt,
erhält man den Nettoraumgehalt, der in „Netto-Register-
tonnen" angegeben wird und den gewinnbringenden Raum-
gehalt des Schiffes darstellt. Nach ihm werden billigerweise
die Schiffe mit Hafenabgaben und Durchfahrtsgebühren in
Kanälen belegt, und er muß im Meßbrief, den jedes Schiff
mitzuführen hat, amtlich beglaubigt sein. Daß man den
Senegalschütze, in der Champagne bei Berry au Bac gefangen.
Nach einer Originalzeichnung des bei der Kronprinzenarmee weilenden Kriegsmalers
Ernst Voübehr.
(Original im Besitz des Deutschen Kaisers.)
Ausdruck „Tonne" für die Einheit des Raummaßes anwen-
det, stammt daher, daß es zu einer gewissen Zeit üblich
war, das Ladevermögen nach der Zahl von Fässern, Ton-
nen, von einer gewissen Größe zu bezeichnen, die unterge-
bracht werden tonnten. Jetzt mißt man natürlich die
Schiffsräume aus. Die Registertonne ist ein international
angenommenes, ursprünglich rein englisches Maß von 100
englischen Kubikfuß, die 2,83 Kubikmetern des metrischen
Systems entsprechen. Brutto- und Netto - Raumgehalt
verschiedener Schiffe stehen natürlich in gar keinem
bestimmten Verhältnis zueinander, da bei zwei Schif-
fen, die beispielsweise 10 000 Tonnen Brutto-Raumgehalt
haben, für Waren und Fahrgäste ein sehr verschiedener
Netto-Raumgehalt übrig bleibt, wenn das eine Schiff
eine riesige Maschinen- und Kesselanlage bekommt, um
damit 25 Seemeilen Fahrgeschwindigkeit zu erzielen,
und das andere eine
ganz kleine, um beschei-
dene 10 Seemeilen in
der Stunde zu laufen.
Hieraus ist es auch ohne
weiteres verständlich, daß
man sich einen Begriff
von der Eesamtgröße
eines Schiffes nur aus
dem Brutto-Raumgehalt
machen kann; deshalb
wird auch nur dieser in
Deutschland bei allen Be-
kanntmachungen über
Handels chiffversenkungen
angegeben. Und wenn
die Engländer fast nur
den Netto - Raumgehalt
nennen, so ist das aus
dem leichtverständlichen
Bestreben zu erklären,
der Öffentlichkeit, die
man ja gerne, solange
es geht, über die deut-
schen Erfolge täuscht, mit
möglichst niedrigen Zah-
len aufzuwarten. Liest
man die Listen über die
versenkten Dampfer, so
findet man 2000 bis 3000
Brutto - Registertonnen
'am häufigsten,- das sind
also Frachtdampfer von
durchschnittlicher Größe.
6000 bis 10 000 Brutto-
Registertonnen haben die
großen Fracht- und Pas-
sagierdampfer , über
10 000 Tonnen sind schon
sehr ungewöhnlich, und
20000, 30000 und mehr
haben die Riesen, die es
nur in ganz geringer
Zahl gibt. Der deutsche
Riesendampfer „Vater-
land" hat 54 282 Brutto-
Registertonnen und ist damit das größte Schiff der Welt.
Das Wort „Tonne" wird außerdem noch als Eewichts-
maß gebraucht. Nach dem metrischen Maß- und Gewicht-
system wiegt ein Kubikmeter Wasser 1000 Kilogramm; diese
Gewichtseinheit bezeichnet man als Tonne. Wenn wir also
davon sprechen, daß ein Schiff 3000 Tonnen Ladung hat,
dann sind damit selbstverständlich Gewichtstonnen gemeint.
Aus dem Gesagten ist schon ohne weiteres verständlich,
daß ein Dampfer von 4000 Brutto-Registertonnen Raum-
gehalt 5000 Gewichtstonnen Ladung haben kann. Ange-
nommen, er habe 3000 Tonnen Netto-Raumgehalt, so
ind das in unserem Maß ausgedrückt 8490 Kubikmeter.
Dieser Raum würde also Wasser im Gewicht von 8490
Tonnen 'aufnehmen können. Ob er die trägen kann, ist
eine andere Frage, es ist aber gar nichts Absonderliches,
wenn ein Handelschiff mehr Gewichtstonnen Ladung hat als
Raumtonnen Inhalt.
Beim Kriegschiff liegen die Verhältnisse natürlich ganz
anders. Auf seinen Raumgehalt kommt es nicht wesentlich
an, da er ja nicht für Handelszwecke nutzbar gemacht wird.
Bei diesen Schiffen spricht man vielmehr immer von der
Wasserverdrängung. Bei jedem im Gleichgewicht schwim-
menden Körper wird dieser Zustand des Gleichgewichts
dadurch hergestellt, daß dem in senkrechter Richtung abwärts
wirkenden Gewicht des Körpers der durch die Wasserver-
drängung entstehende Auftrieb entgegenwirkt. Wasserver-
drängung und Eigengewicht sind also einander gleich, und
wir drücken beide in Gewichtstonnen aus. Beim Handel-
schiff würde man mit einer solchen Größe gar nicht rechnen
können, weil es je nach Umfang und Art seiner Ladung
ganz verschiedene Wasserverdrängung hat. Das Kriegschiff
hingegen hat eine ständige, im Gewicht fast unveränderliche
Ladung an Kanonen, Panzern, Munition, Vorräten und
Menschen, die die Berechnung nach Eewichtstonnen ohne
weiteres gestattet, und
die aus militärischenRück-
sichten manche Vorteile
bietet. Wenn wir also
von einem Kriegschiff
von 25000 Tonnen spre-
chen, so ist immer Ge-
wicht, gleich Wasserver-
drängung oder Deplace-
ment gemeint.
Brutto - Raumgehalt,
Netto-Raumgehalt und
Wasserverdrängung ste-
hen also in gar keinem
festen Verhältnis zuein-
ander und sind gar nicht
miteinander vergleichbar.
Eines nur ist immer der
Fall: die Wasserverdrän-
gung ift immer viel
größer als der Raum-
gehalt. Für den Größen-
begriff von Kriegschiffen
mag die Angabe ge-
nügen, daß ein Eroß-
kampfschiff etwa 30 000
Tonnen Wasser verdrängt
und zum Vergleich mit
den Handelschiffsriesen
mag die Angabe dienen,
daßder Dampfer „Vater-
land" mit voller Bela-
dung 61000 Tonnen
Wasserverdrängung hat.
Hauptsache für alles
Verständnis ist also, die
Raumeinheit der Re-
gistertonne nicht tnit der
Gewichtstonne zu ver-
wechseln.
Dazu mag man sich
zur Beurteilung der deut-
schen Erfolge nöch vor
Augen halten, daß die
gesamte deutsche Han-
delsflotte zu Beginn des
Krieges etwa 5Vs Millionen Brutto-Registertonnen umfaßte
und heute der vernichtete Schiffsraum gewiß schon dem der
gesamten deutschen Handelsflotte entspricht (siehe Bild
Seite 214). An feindlichen Kriegschiffen sind bereits
100000 Tonnen mehr vernichtet, als die gesamte franzö-
sische Flotte zu Kriegsbeginn aufwies.
Ein tapferes Regiment.
^Hierzu das Bild Seile 220)221.)
Die Brussilowsche Offensive, die am 1. Juni 1916 ein-
setzte, hat mit ihrer ungeheuren Übermacht und schonungs-
losen Aufopferung von Menschenleben, namentlich zu Be-
ginn der Kampfhandlungen, unbestritten zu erheblichen
Teilerfolgen geführt. Diese Tatsache und die unzweifel-
hafte Absicht, die Erfolge auch politisch möglichst auszu-
nutzen, veranlaßte die russische Heeresleitung zu übertrie-
benen und unwahren amtlichen Mitteilungen über öster-
reichisch-ungarische und deutsche Verluste, in denen be-
Senegalschüße vor dem Abtransport nach Deutschland.
Nach einer Originalzeichnung des bei der Kronprinz'enarmee weilenden Kriegsmalers
Ernst Vollbehr.
(Original im Besitz des Deutschen Kaisers.)
Fritz Ncnmamr
Nach einer Originalzeichnung
Das tapfere Olmüßer t. u. k. Landwehr-Regiment Nr. 13 bei Werben am Styr, von dem der russische Wealstabs-
bericht vom 22. Juli 1916 fälschlich behauptet Hatte, daß es in diesen Kämpfen gefangen genommen Een sei,
■ % ' l ;
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AE.' jä'J.Ap]
i
222
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Ein deutscher Doppeldecker vom ägyptischen Kviegschauplatz wird von deutschen Ansiedlern besichtigt.
Ein englisches Kamelreiterkorps am Suezkanal. Die Kamele werden wie Pferde verwendet, der Reiter benutzt Sattel und Steigbügel; nur die
Offiziere erhalten einen bequemeren Sitz.
sonders die Einbuße an Gefangenen eine geradezu un-
geheuerliche Rolle spielte. Die österreichisch-ungarische
Heeresleitung ließ aber die russischen Angaben durch amt-
liche Erhebungen auf das richtige Maß zurückführen und
wies nach, daß die Verluste der österreichisch-ungarischen
Truppenteile nur ein Geringes über 100 000 Mann be-
trugen, somit um weitaus mehr als das Dreifache hinter
den russischen Angaben zurückblieben. Dem mag bei dieser
Gelegenheit die Tatsache gegenübergestellt werden, daß
nach übereinstimmenden Berichten schweizerischer Blätter
vom 27. September die Gesamtverluste der südrussischen
Offensivarmee nach den Ausweisen des Kiewer Zentralerken-
nungsdienstes vom Beginn der Offensive bis zu dem ge-
nannten Zeitpunkt 756 580 Mannschaften und 76 330 Of-
fiziere betrugen, Ziffern, die auf die russische Eewalttaktik
Und den heldenhaften, zähen Widerstand, den die erbar-
mungslos vorgetriebenen Sturmkolonnen an den deutschen
und österreichisch-ungarischen Verteidigungslinien fanden,
ein helles Licht werfen.
In das Kapitel russischer Unwahrheiten gehört unter
anderem auch ein völlig willkürlicher Angriff auf die Waffen-
ehre des tapferen Olmützer k. u. k. Landwehrregiments Nr. 13,
das sich nach dem russischen Eeneralstabsbericht vom 22. Juli
nach einer Umzinglung bis zum letzten Mann ergeben haben
sollte. Dieses Regiment befand sich am 20. Juli am Styr
in Stellung, wo es aus der Richtung Werben in der Front
angegriffen wurde, die feindlichen Massen aber, obwohl
sie zwanzig Glieder tief zum Stoße ansetzten, wie immer
aufs tapferste und unter riesigen Verlusten abwies. Die
Gefechtslage brachte es jedoch mit sich, daß es russischen Ab-
teilungen, begünstigt durch die Bodenbeschaffenheit und
hohes Getreide, möglich wurde, die Flügelstellungen zu
umgehen und in den Rücken der schwer kämpfenden Truppe
zu gelangen. Aber auch dann noch, im erbitterten Rah-
kampf hinter der Front, haben Teile des Regiments mit
Bajonett und Handgranaten tapferen Widerstand geleistet
und in zähem Ringen die Lage wiederherzustellen gesucht.
Aber neue russische Massen, so heißt es im Bericht des
k. u. k. Kriegspressequartiers, die sich in die Lücken ergossen,
die in dem schweren Kampf nach zwei Seiten in der Haupt-
front entstanden, zwangen das Regiment schließlich zum
Rückzug. Es hatte das Menschenmögliche geleistet und den
tapferen Kommandanten, Oberstleutnant Dokoupil, hin-
geben müssen: er fiel an der Spitze seines Stabes im
Handgemenge. Wenn auch das Regiment schwere Verluste
erlitt und Teile desselben nach tapferster Gegenwehr in Ge-
fangenschaft gerieten — seine Waffenehre, besiegelt durch
den Heldentod seines Kommandanten, hat es, entgegen der
leichtfertigen russischen Behauptung, unverletzt bewahrt.
Der Suezkanal.
Von Franz Carl Endres. .
(Hierzu die Bilder und die Kartenskizze Seite 222—224.)
Der Plan einer Verbindung des Mittelmeeres mit dem
Roten Meere hat die Geister schon seit Jahrtausenden be-
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
223
schäftigt. 1300 Jahre vor
Christi Geburt faßten die
Pharaonen diese Idee auf.
Aber trotz riesigster Anstren-
gungen und Menschenopfer
scheint das Unternehmen
damals nicht geglückt zu
sein.
Später beschäftigte sich
Darius-Hystaspes (521 bis
485 vor Christo) mit der
gleichen Absicht in Rücksicht
auf bequemere Handelsver-
bindungen mit Indien. Sein
Kanalbau gelang, und wie
uns Herodot mitteilt, führte
dieser Kanal von einem
Nilarm zum Roten Meer
und war so breit, daß zwei
Schiffe aneinander vorbei-
fahren tonnten. Ptole-
mäus II. (285—247 vor
Christo) verbesserte diesen
Kanal, der aber in der
Folgezeit versandete und
erst wieder unter dem rö-
mischen Kaiser Trajan (98
bis 117 nach Christo), aber
in bescheidenerer Form, ent-
stand. Im 7. Jahrhundert
unserer Zeitrechnung wird
noch von einem Kanal be-
richtet, der von Kairo aus
an das Rote Meer zog. Erst
im Mittelalter beschäftigten
sich türkische Herrscher Ägyp-
tens wieder mit dem Ge-
danken, den Kanal auszu-
bauen (1586).
Dann wurde der Ge-
danke um die Mitte des
18. Jahrhunderts neu auf-
genommen und seine Ver-
wirklichung von >Rapoleon
dem Ingenieur Lepore über-
tragen. Lepore hat sich aber
bei den Messungen der beiden Meeresspiegel verrechnet,
und so kam der Kanal damals nicht zustande. Erst als
der Khedive Said im Jahre 1858 den österreichischen In-
genieur v. Regrelli mit dem Ausbau des Kanals beauftragte,
wurden die Vorarbeiten derartig gründlich besorgt, daß der
Plan verwirklicht werden konnte. Er wurde von dem Fran-
zosen Lesseps geschickt ausgenützt und durchgeführt. Am
25. April 1859 erfolgte der erste Spatenstich bei Port Said.
Am 16. November 1869 wurde unter glänzenden Feier-
lichkeiten, die dem verschwenderischen Khediven Ismail in
einer Woche 20 Millionen Mark kosteten, der Kanal eröffnet.
Die größten Gegner des Kanalbaus ware-n die Engländer,
an ihrer Spitze Disraeli und Palmerston. Da die Engländer
damals noch nicht im Besitz von Ägypten waren, befürch-
teten sie eine Schädigung ihres Handels durch die wesentlich
verkürzte Verbindung der Mittelmeerländer und namentlich
der französischen Häfen mit der indischen Welt. Allgemeine
Gründe nrenschlicher Kulturentwicklung waren den Englän-
dern von jeher ganz gleichgültig.
Die englische Diplomatie hetzte in Konstantinopel ge-
waltig gegen den Kanal, die englische Presse warnte in den
höchsten Tönen vor dem „Schwindelunternehmen" mit
der deutlichen Absicht, das Weltkapital zu strenger Zurück-
haltung zu bewegen und damit den Bau unmöglich zu
machen.
Lord Palmerston, der zu dieser Zeit englischer Mi-
nisterpräsident war, leistete sich bei dieser Gelegenheit
ein Schurkenstück bester Güte. Er ließ die Beteiligten in
der gemeinsten Weise verdächtigen, erklärte amtlich im
Parlament, daß der Plan unausführbar sei, und daß die
Kanalunternehmer einfach als Hochstapler zu betrachten seien,
teilte aber zu gleicher Zeit vertraulich Lesseps mit, daß die
englische Regierung das Zustandekommen des Planes mit
aller Kraft fördern würde, wenn Frankreich erlauben würde,
daß England die Stadt
Suez ständig militärisch be-
setzen und den Schiffahrts-
verkehr auf dem Kanal über-
wachen dürfte. Naturgemäß
wurde dieser Vorschlag von
Frankreich abgewiesen, und
nun erklärte England dem
Vizekönig Said, daß Eng-
land Ägypten das Recht
absprechen müsse, dieses
Unternehmen selbständig
durchzuführen. Selbst als
trotz aller dieser Intrigen,
zu denen sich auch der be-
rühmte Ingenieur Stephen-
son herbeiließ, die Arbeiten
doch in Angriff genommen
wurden, hörten die eng-
lischen Machenschaften nicht
auf und brachten das ganze
Unternehmen wiederholt in
größte Gefahr.
Als dann auch der eng-
lische Plan eines Konkur-
renzkanals nicht durchging,
ließ England die Maske
fallen und machte sich durch
den Ankauf von mehr als
einem Viertel sämtlicher
Anteilscheine zum Haupt-
aktionär des Kanals und
damit zu dem Teilhaber,
der aus dem Kanal den
größten Gewinn zog. Die
politische Geschicklichkeit Eng-
lands setzte sich fort, in-
dem es nun aus der Tat-
sache seines finanziellen In-
teresses die Notwendigkeit
politischer Festsetzung in
Ägypten ableitete.
Von 1882 an begann
der Kampf Englands um
Ägypten, der im Sudan-
feldzug 1898 seinen Höhe-
punkt erreichte und mit der Einverleibung Ägyptens durch
England während des Weltkrieges sein vorläufiges Ende
nahm.
Die Bedeutung des Suezkanals liegt auf der Hand. Es
ist die entscheidende Annäherung der indischen, ostasiatischen
und australischen Welt, ja selbst der.pazifischen Seite Ameri-
kas mit Europa.
Diese Bedeutung zeigt sich in nachfolgenden Tabellen
am klarsten.
Übersicht über den Schiffsverkehr durch den Kanal:
Jahre Anzahl der Schiffe Neitotonnen
1870 486 436 609
1877 1663 2 355 448
1883 3307 5 776 862
1893 3341 7 659 068
1901 3699 10 824 000
1905 4116 13 134 105
1910 4533 16 581 898
1911 4969 18 324 794
1912 5373 20 275 120
Anteil der Nationen am Schiffsverkehr 1912:
England................ 3254 Schiffe ^ 63,4°/»
Deutschland .... 698 „ = 14,9 „
Niederlande .... 339 „ — 6,1 „
Österreich-Ungarn . . 245 „ — 4 „
Frankreich................ 220 „ — 3,9 „
Die von der Kanalgesellschaft eingenommenen Ge-
bühren betrugen im Jahre 1912 135 424 000 Franken.
Phot. A. Grohs, Berlin.
Reichsgraf Fritz v. Hochberg mit Mitgliedern seiner Sanitätsexpedition
in Jericho am Toten Meer.
224
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. nt. d. H.
Der Chef des Stabes der Suezexpedition, Oberst Freiherr Kreß v. Kressenstein (X), mit seinem Stabe im Hauptquartier in Jerusalem.
Die durch den Kanal bedingte Verkürzung
des Seewegs:
Von Londoi nach Entfernung in Kilometern Unter- schied zu- gunsten des Suez- kanals in Prozenten
t durch den Kanal um das Kap der Guten Hoffnung
Bombay . . 11360 20 140 43,5
Colombo . 12 160 19 640 38
Rangun . . 14 360 21 680 33,5
Singapore 14 930 21 860 31,5
Yokohama . 20 240 26 000 24
Port Said >
Der Kanal beginnt am Mittelländischen
Meer bei der Stadt Port Said und zieht
als gerade nach Süden gerichtete Linie am
Mensalehsee entlang durch ein Gebiet
trockengelegten Meerbodens an EI Kantara,
dem Ort des unglücklich verlaufenen tür-
kischen Angriffs, vorbei, etwa 60 Kilometer
lang bis dahin, wo früher die Ballahseen
sich befanden, die jetzt eingetrocknet sind.
Von da beginnt das hügelige Gebiet,
das sich etwa 40 Kilometer nach Süden
ausdehnt, und in dessen Mitte der Tim-
sachsee (Krokodilsee) liegt. Am Nordufer
des Timsachsees liegt die Stadt Jsmailia
mit einem Schloß des Khediven. Hier er-
reicht der Kanal die Wasserscheide zwischen
Mittelländischem und Rotem Meer. Bei
Jsmailia mündet der Wadi Tumilat in den
Kanal ein, ihn direkt mit dem Nil ver-
bindend.
Südlich dieses Hügelgebietes, dessen
eigene Höhe nicht über 25 Meter beträgt,
tritt der Kanal in den Großen Bittersee
ein, dessen südliche Verlängerung der Kleine Bittersee
bildet. Die beiden Bitterseen sind etwa 25 Kilometer lang,
die Kanalstrecke in diesem Gebiet etwa 36 Kilometer. Die
letzte Strecke von 26 Kilometern Länge bildet der hügelige
Zwischenraum zwischen dem Kleinen Bittersee und Suez,
der Stadt, bei der der Kanal in das Rote Meer mündet.
Auf ägyptischer Seite ist der Kanal leicht zu erreichen.
Seiner ganzen Länge nach wird er von einer Eisenbahn
begleitet; von Jsmailia geht eine Zweigbahn nach Kairo
Maßstab:
ao tyn.
Suez |
—- . Jfana/.
'=.Eisenbahn.
iM.-i.Mi u i <5 üfswass erfanjl.
Kartenskizze vom Suezkanal.
ab. Ein mit dem Kanal gleichlaufender
Süßwasserkanal versorgt die Orte, die mit
Ausnahme von El Kantara alle auf ägyp-
tischer Seite liegen, mit Trinkwasser. Die
Engländer haben im Laufe des Weltkrieges
eine gewaltige befestigte Linie viele Kilo-
meter östlich vom Kanal erbaut und mit
schwerster Artillerie ausgerüstet. Panzer-
züge mit schweren Kanonen laufen auf der
Bahn und auf besonders angelegten Ge-
leisen hinter der Stellung, so daß überall
da, wo ein Angriff droht, rasch eine Über-
legenheit an Artillerie geschaffen werden
kann. Der Anmarsch gegen den Kanal
von der türkischen Seite aus führt etwa
10 Tagemärsche durch vollständige Wüste.
Eine neue Bahn ist während des Welt-
krieges von Palästina aus in das Wüsten-
gebiet gebaut worden, aber auch sie kann
die Schwierigkeiten des Angriffes nicht be-
seitigen, der, nachdem die ersten türkischen
Versuche gegen den Kanal gescheitert sind,
heute keinen Erfolg mehr verspricht, wenn
er nicht von deutschen Truppen und deut-
scher Organisation durchgeführt wird.
Die strategische Frage der Operation
gegen den Suezkanal hat seinerzeit die
Köpfe in Deutschland Tag und Nacht beschäf-
tigt undLeute, die von der ganzen Sache gar
nichts verstanden, haben die wildesten Pro-
phezeiungen ausgesprochen. Ein Geograph
schrieb, daß sich hier am Kanal der Kampf
um Englands Weltstellung abspielen und die
letzte Entscheidung des gewaltigen Krieges
fallen werde. Ein anderer behauptete, daß
die von den Engländern angelegten Werke
und Batterien nicht lange Widerstand leisten
könnten. Man sprach von den „katastro-
phalen Wirkungen" einer längeren Sperrung des Suezkanals.
Alle diese Behauptungen beweisen, daß wir Deutschen
noch lernen müssen, irgend eine politische oder militärische
Sachlage nüchtern zu betrachten. Wir verfallen viel zu
leicht in den Fehler zu schwärmen und unseren Wunsch mit
der Wirklichkeit zu verwechseln. Wir sollten da von unserem
militärischen Altmeister Moltke lernen, der einmal ge-
schrieben hat: „Man darf nicht mit Wünschen und Hoff-
nungen, sondern muß mit gegebenen Größen rechnen."
Zu den Kämpfen im südöstlichen Kaukasus.
Die Vorhut russisch-kaukasischer Reiterei gerät Ln einen türkisch-persischen Hinterhalt
Nach einer Originalzeichnung von Max Tille.
:
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
^Fortsetzung.)
An der Ostfront hatten die Russen ihre ganze Linie
in drei große Abschnitte eingeteilt, die von den Generalen
Rußti, Ewerth und Eurkow befehligt wurden. Rußki hatte»
wie immer schon, den ganzen Norden bis in die Gegend von
Pins! unter seinem Kommando, Ewerth war Befehlshaber
der Mitte von Pinsk bis in die Waldkarpathen, und Eurkow
führte im wesentlichen an der Serethfront.
Ihnen gegenüber lagen deutsche und österreichisch-unga-
rische Truppen, die zum Teil durch ottomanische und bul-
garische Streitkräfte verstärkt worden waren.
Auf dem nördlichen Frontteil, der auf deutscher Seite
unter dem Befehle des Prinzen Leopold von Bayern stand,
griffen Stoßtruppen der Deutschen an: 17. Februar an der
Lawkessa, südwestlich von Dünaburg, die russischen Stellungen
mit gutem Erfolge an. Die beabsichtigte Erkundung gelang
vollständig, wobei noch 50 Gefangene mit zurückgeführt
werden konnten.
Östlich von Lipnica Dolna an der Narajowka hatten die
Russen Minen gelegt. Sie sprengten einen Stollen, zer-
störten dadurch einen Abschnitt der vordersten österreichisch-
ungarischen Gräben, besetzten den entstandenen Trichter,
wurden aber im Gegenstoß sofort aus ihm hinausgeworfen.
Südlich von Brzezany bereiteten die Russen mit schwerem
Minenwerferfeuer ein Unternehmen vor, doch blieben ihre
Anstrengungen vergeblich. Auch in Wolhynien konnten sie
an diesem Tage an verschiedenen
Punkten nichts gegen österrei-
chisch-ungarische Truppen aus-
richten. Trotzdem setzten die
Russen die Vorstöße fort, an
denen nicht selten ganze Kom-
panien und Bataillone beteiligt
waren, wie zum Beispiel am
21. Februar südwestlich von Riga
und am Südufer des Narocz-
sees (siehe Bild Seite 229), wo
sie aber wieder keinen Erfolg
erzielten.
Glücklicher waren ihre Geg-
ner, die bei Labusy an der
Schtschara und an mehreren
Stellen zwischen dem Dnjestr
und den Waldkarpathen kecke
Handstreiche ausführten, wo-
bei sie den Russen großen Scha-
den zufügten. Bei Zwyzyn, öst-
lich von Zloczow, war festgestellt
worden, daß die Russen Minen-
stollen angelegt hatten, deren
Entzündung nahe bevorstand.
Zur Abwendung der drohen-
den Gefahr wurde deshalb am
22. Februar ein Angriff an-
gesetzt, dem ein kurzes, aber
schweres Artillerie- und Minen-
werferfeuer vorausging. Der
Sturm der Infanterie (siehe Bild
Seite 226 oben) hatte ein glän-
zendes Ergebnis. Die Russen
wurden aus ihrer vorderen Linie
vertrieben und konnten trotz zahlreicher Gegenstöße nicht
verhindern, daß die Angreifer die Stellungen gründlich
zerstörten (siehe Bild Seite 226 unten). Vor allem gelang
das Unschäolichmachen von vier fast fertigen Minenstollen.
Nachdem der Zweck des Vorstoßes erreicht war, zogen sich
die Sturmtruppen auftragsgemäß unter Mitnahme von
253 Gefangenen und 2 Maschinengewehren in ihre Aus-
gangstellung zurück.
Am 25. Februar gingen die Russen westlich von der Aa
und an einem südlicher gelegenen Punkte bei Brzezany zum
Angriff über, doch erfuhren sie in beiden Fällen eine ent-
schiedene Abweisung. An der Bahn Kowel—Luck verloren
sie wieder eine Feldwache, die durch einen kühnen Vorstoß
deutscher Truppen aufgehoben wurde.
Ein ähnliches Unternehmen, wie das am 22. Februar
Phot. Bert. Jttustral.-Gef. m. b. H.
Feldniarfchalleutnant Szurmay, der volkstümlichste ungarische
Heerführer, ist zum ungarischen Honvedminifter ernannt worden.
durchgeführte, wurde am 1. März zur Vernichtung russischer
Minenstellungen am Ostufer der Narajowka ins Werk ge-
setzt. Auch hier konnten die vom Feinde beabsichtigten
Sprengungen unmöglich gemacht werden, obwohl dieser
sich die größte Mühe gab, die in seine Stellungen Ein-
gedrungenen bei ihrer Arbeit zu hindern. Die stattliche
Beute des Vorstoßes belief sich auf 1 Minenwerfer, 7 Ma-
schinengewehre, 3 Offiziere und 276 Mann. Einen größeren
Umfang hatte ein Vorstoß der Verbündeten am nächsten
Tage. Bei Woronczyn, westlich von Luck, drangen sie in
2,5 Kilometern Breite etwa 1,5 Kilometer tief in die russi-
schen Linien ein, die sie vollständig zerstörten. Sie fügten
dabei dem Feinde schwere Verluste zu und kehrten nach
der Ausführung ihres Auftrages mit 4 Maschinengewehren
und 122 Gefangenen zurück.
Im Frontabschnitt des Eeneralfeldmarschalls Erzherzogs
Joseph unternahmen die Russen am 17. Februar in den
Bergen nördlich vom Oitoztale heftige Angriffe, die aber
vollkommen fehlschlugen. Am 24. Februar begann eine
neue Reihe von Vorstößen am Tatarenpaß, wo die Stel-
lungen in der Bukowina mit jenen in den Waldkarpathen
zusammenliefen (siehe die Bilder Seite 230). An dieser
wichtigen Stelle wollten die Russen einen neuen Durch-
bruchsversuch machen, um nach dem ungarischen Tieflande
vorzudringen. Nach siebenstündiger Artillerievorbereitung
setzten an dem genannten Tage
die heftigen Stürme der Russen
ein. Sie erreichten stellenweise
auch die österreichisch-ungarischen
Gräben, an denen sich schwere
Nahkämpfe entwickelten, aber an
keiner Stelle vermochten sie sich
festzusetzen. Mit starken Kräften
wiederholte der Feind an den
nächsten Tagen seine Durch-
bruchsversuche, ohne den Sieg
an seine Fahnen heften zu
können.
Während die Russen sich
hier vergeblich abmühten, gin-
gen am 27. Februar in dem
Südteil der Waldkarpathen die
Verbündeten an der Valeputna-
straße (siehe die Bilder Seite 231)
zu einem Stoße vor, der einen
der wichtigsten russischen Ver-
teidigungspunkte kräftig traf und
von der den Sereth sichernden
Stellung der Russen am Ober-
läufe des Flusses wieder mehrere
wertvolle Höhenpunkte absplit-
terte. Der Feind erlitt starke
blutige Verluste und büßte außer-
dem 12 Offiziere und über
1300 Mann an Gefangenen, so-
wie 11 Maschinengewehre und
9 Minenwerfer ein. Um die
Niederlage wettzumachen, unter-
nahm er zahlreiche Gegenstöße,
durch die seine Verluste noch
wesentlich erhöht wurden. Schon in der Nacht, die auf den
Tag, der den Verbündeten den Sieg brachte, folgte, mußten
sich diese auf dem eroberten Gebiete kraftvoller russischer
Wiedereroberungsversuche erwehren, die aber keine Ände-
rung der Lage herbeiführten. Am 28. Februar entbrannte
deshalb der Kampf fast auf der ganzen Linie in den Wald-
karpathen wieder mit großer Heftigkeit. An den Bistritz-
höhen bereiteten die Russen einen neuen Durchbruchsversuch
durch heftiges Artilleriefeuer vor, an der Valepuinastraße
setzten sie ihre Gegenangriffe fort und ließen im Zusammen-
hange damit auch im Slanic- und Oitoztal die Kämp
aufflammen, wobei sie auf den Höhen zwischen Su
Putnatal ebenfalls starke Kräfte, darunter Rumänen, vor-
schickten, ohne indessen Fortschritte zu erzielen.
An der Valepuinastraße steigerten die Russen ihre Gegen-
e wieder
ita- und
wie
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.
VI. Band. 29
226
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
maßnahmen am 1. März zu stärkstem Druck. Nach schwerem
Vorbereitungsfeuer der Artillerie begannen die zahlreichen
russischen Sturmwellen sich aus ihren Gräben zu wälzen.
Südlich von der Straße hatte aber schon das Sperrfeuer
der Verbündeten so gründlich gewirkt, daß sich die Gräben
der Russen mit Toten füllten und die Überlebenden nur
schwer vorzubringen waren. Einzelne Truppe, die aus
den Gräben getrieben wurden, suchten rasch die Deckung
wieder auf, als sie in den dichten Eranatregen gerieten. Im
Norden der Straße opferten die Russen vorzügliche Sol-
daten in einem fünfmaligen, hatnäckigen und rücksichtslosen
Angriff. Vor den Hindernissen der neuen deutschen Stel-
lungen brachen die kühnen Streiter im Maschinengewehr-
ssiehe Bild Seite 227) und Jnfanteriefeuer zusammen.
Gleichwohl ließen sie sich nach diesen Mißerfolgen am Nach-
mittag von einer Wiederholung des Vorstoßes nicht abhalten.
Nach ungemein starker Vorbereitung durch Artillerie mußten
frische Streitkräfte in 2 Kilometern Breite zum Sturm vor-
dre chen. Bis zum Abend erfolgten fünf wütende Angriffe.
Wie rasch und mutig auch die feindlichen Sturmwellen vor-
prallten, an die deutschen Stellungen kamen sie nicht heran.
Der ganzen wohldurchdachten und mit höchster Todes-
verachtung durchgeführten Reihe von Stürmen war kein
Erfolg be schieden.
Die eigentliche Serethfront stand bis zur Donau hinunter
noch im Zeichen der Vordereitungen. Hier zogen die Russen
starke Kräfte zusammen und häuften viel Material auf, was
durch Flieger und Erkundungsadteilungen erkannt worden
war. Auch die Russen klärten eifrig auf und gingen zu diesem
Zwecke vielfach
wieder mit ganzen
Kompanien vor.
Bei einer solchen
Gelegenheit wur-
den sie am 22. Fe-
bruar in der Se-
rethniederung von
Corbul energisch
zurückgewiesen.
Nördlich von Foc-
sani, bei Fauri,
wurden sie am
28. Februar eben-
falls zurückgetrie-
ben, ehe sie ihre
Erkundung aus-
führen konnten.
Die inzwischen
wiedergekehrte
Kälte verhinderte
Anfang März an
Phot. Photopresse Kankowsky, Budapest.
Österreichisch-ungarische Flammenwerfer-SchkeichpaLrouille vernichtet feindliche Drahthindernisse
im Osten.
dieser Front größere Unternehmungen; auch nahe der
Serethmündung waren solche noch nicht möglich, weil die
nach einer Reihe wärmerer Tage eingetretene Schnee-
schmelze weite Gebiete in Seen verwandelt hatte (siehe Bild
Seite 228). Die Kampfpause, die der Winter so ungewöhn-
lich in die Länge zog, wurde auch dazu benützt, die in er-
bitterten Straßenkämpfen (siehe Bild Seite 232) zerstörten
Dörfer als Unterkunftsorte für die Truppen wieder herzu-
richten. Ebenso wurden vernichtete oder beschädigte In-
dustrieanlagen, wie die von den Russen auf ihrer Flucht zer-
störten Maschinenhallen am Bahnhof von Fauri (siehe Bild
Seite 233 unten), sorgsam aufgeräumt und, soweit möglich,
instand gesetzt. Eine ganze Anzahl von Räumlichkeiten in
der Nähe der Front fanden Verwendung als Lazarette, die
den Russen und Rumänen gerade hier sehr gefehlt hatten,
so daß viele ihrer Verwundeten starben, die noch zu retten
gewesen wären. Die Verpflegung der Truppen des Vier-
bundes erleichterten die reichen Vorräte (siehe Bild Seite 233
oben), die in Rumänien erbeutet worben waren. —
Auf dem mazedonischen Kriegschauplatz kam es wieder-
holt zu sehr lebhaften Kämpfen. Nördlich vom Doiransee
versuchte am 17. Februar eine englische Kompanie, sich den
vorgeschobenen Posten der Verbündeten zu nähern, doch
schon das Artilleriefeuer zerstreute sie. Am nächsten Tage
verloren die Vierverbandstruppen zwei Flugzeuge. Zwi-
schen dem Wardar (siehe Bild Seite 234) und dem Doiran-
see unterhielten englische Batterien am 20. Februar wäh-
rend des ganzen
Tages ein heftiges
Feuer. Gegen
Abend wagten sich
starke englische Jn-
fanterieabteilun-
gen zum Angriff
vor, aber ihre Geg-
ner wiesen sie ab.
Einige Truppen,
die sich östlich vom
Wardar in der
Nähe der Vertei-
digungslinie der
Vierbund streit-
kräfte einzunisten
suchten, wichen am
nächsten Tage ei-
nem blutigen
Handgranatenan-
griff. Auch von der
See her griffen
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
227
Engländer und Franzosen am 23. Februar in die Kämpfe
ein, indem sie hauptsächlich griechische Ortschaften östlich
der Struma beschossen. Als dann die Landbatterien der
Verbündeten die feindlichen Schiffe unter Feuer nahmen,
hielten diese es für geraten, schleunigst abzudampfen.
Im Cernabogen gingen am 27. Februar die Italiener
wieder im Sturm gegen die Deutschen vor, die ihnen zwei
Wochen vorher wichtige Höhenstellungen, darunter die
Höhe 1050 bei Paralovo, abgenommen hatten. Wie ge-
wöhnlich leiteten sie ihren Nückeroberungsversuch mit einem
heftigen, langanhaltenden Artilleriefeuer ein. Dann näherten
sich die Sturmkolonnen mit großer Übermacht den deutschen
Stellungen, brachen aber fast aus der ganzen Linie unter
der Wirkung des deutschen Abwehrfeuers zusammen. Wo
es ihnen gelang, in zerschossene Grabenteile einzudringen,
wurden sie nach kurzer Zeit wieder vertrieben und verloren
dabei noch 36 Gefangene, darunter 5 Offiziere. —
Es lag nicht in der Absicht des Generals Sarrail, die Fort-
führung des Feldzuges über Monastir hinaus zu verzögern.
Aber gerade für seinen Frontabschnitt machte sich die Wir-
kung des unbeschränkten Unterseebootkrieges
ebenso wie für den italienischen Kriegschauplatz am alleren,p-
findlichsten bemerkbar.
Die ersehnten Verstär-
kungen und besonders
wichtige Lebensmittel-
und Munitionssendun-
gen blieben aus. Die
Lähmung der Schlag-
kraft der Armee von Sa-
loniki schritt immer wei-
ter vor, je mehr Schiffe
vernichtet wurden. Die
Zahl der Versenkungen
hatte im Laufe des Mo-
nats Februar ständig zu-
genommen. Zudenschon
mitgeteilten schweren
Verlusten der englisch-
französischen Transport-
flotte im Mittelmeer kam
am 17. Februar noch ein
vollbesetzter, ostwärts
steuernder Truppen-
transportdampfer von
über 9000 Tonnen, ob-
wohl er durch zahlreiche
Begleitfahrzeuge ge-
sichert war. Am 23. Fe-
bruar fielen den D-Boo-
ten zwei andere Trans-
portdampfer von etwa
5000 Tonnen zum Opfer,
zu denen sich am nächsten
Tage der bewaffnete
Truppentransportdamp-
fer „Dorothy" von 4494 Tonnen, mit etwa 500 Mann
Kolonialtruppen, Artillerie und Pferden an Bord, gesellte.
Solche Vorfälle wurden für Sarrail zu einer Quelle schwe-
rer Sorgen; denn wenn der Nachschub seinen Bestim-
mungsort nicht erreichte, so konnte sich schon bald die Un-
möglichkeit ergeben, den mit der Einnahme von Monastir
abgebrochenen Feldzug weiterzuführen. Da die Armee dar-
auf angewiesen war, sich zur Beschaffung ihres gesamten
Bedarfes des Seeweges zu bedienen, so mußte sie einer Kata-
strophe entgegengehen, wenn dieser Weg dauernd unter-
bunden wurde. —
Sehr stark litten die Italiener unter dem unbeschränkten
kt-Bootkrieg. Er erschwerte gerade jetzt recht unangenehm
die Versorgung der Front mit Lebens- und Kriegsmitteln,
wo Cadorna im Begriffe stand, die zehnte Jsonzoschlacht zu
wagen. Mißlang ihm der verheißene Schlag, dann boten
sich für Italien trübe Aussichten. Wiederholt schien es gegen
Ende Februar, als ob die seit vielen Wochen erwartete
Schlacht ausbrechen würde, aber immer wieder flaute das
Artillerie- und Minenwerferfeuer ab und wurde von einer
ruhigeren Gefechtstätigkeit abgelöst. Die Elkundungen
setzten beide Gegner fort. So überfielen Abteilungen des
Infanterieregiments 73 nördlich von Asiago und östlich vom
Berge Zebio am 18. Februar die Italiener und kehrten mit
22 Gefangenen zurück. Ein im Judikarienabschnitt auf-
klärendes italienisches Flugzeug geriet zwei Tage später öst-
lich vom Berge Cadria in die Eeschoßgarbe eines österreichisch-
ungarischen Maschinengewehrs und mußte niedergehen. Der
Führer war tot, der Beobachter schwer verletzt. Am 24. Fe-
bruar entwickelte sich an der küstenländtschen Front wieder
ein lebhafter Artilleriekampf; auch im Eörzischen steigerten
die Italiener im Abschnitt von Vertojba das Eeschütz-
und Minenfeuer zu großer Heftigkeit, das während der
ganzen Nacht anhielt und morgens zu ungeheurer Kraft an-
wuchs. Dann legten die Italiener plötzlich ein machtvolles
Sperrfeuer hinter die österreichisch-ungarischen Linien und
griffen mit Infanterie die österreichisch-ungarische Stellung
an. Einzelne italienische Kompanien kamen stellenweise in
die vordersten Gräben der Gegner, sie wurden aber von Ab-
teilungen des k. u. k. Landsturminfanteriereginrents Nr. 2
vertrieben und bis in die italienischen Sappen verfolgt.
Große Verluste der Italiener waren das einzige Ergebnis
dieses fehlgeschlagenen Unternehmens. Am 25. Februar
nachts drangen Österreicher und Ungarn in eine stark besetzte
Pbot. Pboto-Bericht, München.
Soldaten einer deutschen Schneeschuhtruppe bringen ein Maschinengewehr in die Feuerlinie-
italienische Sappe ein, machten fast die gesamte Besatzung
nieder und gingen mit dem Rest in ihre eigene Linie zurück.
Eine Nachricht, die für den italienischen Kriegschauplatz
von weittragender Bedeutung werden konnte, war der am
2. März gemeldete Wechsel im österreichisch-ungarischen Ee-
neralstab. Freiherr Conrad v. Hötzeudorf (siehe Bild Band l
Seite 3) wurde seines Postens als Ch.f des österreichisch-
ungarischen Eeneralstabes enthoben und zwar, wie in dem
Handschreiben des Kaisers Karl ausdrücklich hervorgehoben
wurde, um seine bewährte Kraft an anderer wichtiger Stelle
zur Geltung zu bringen. An die Spitze des Eeneralstabes trat
General Arz v. Straußenberg (siehe Bild Band III Seite 248),
der sich während des Krieges wiederholt rühmlich hervor-
getan hatte. Conrad v. Hötzeudorf galt seit Beginn des
Krieges als ausgezeichneter Kenner des italienischen Krieg-
schauplatzcs. Deshalb wurde angenommen, besonders auch
von den Feinden, daß seine Verwendung an der italienischen
Front ins Auge gefaßt sei. In diesem Falle konnte mit dem
Eintritt von Ereignissen gerechnet werden, die von den Ita-
lienern nicht in Betracht gezogen worden waren. Dazu
kam, daß gerade jetzt der D-Bootkrieg den Italienern wach-
sende Schwierigkeiten bereitete. Am 1. März wurde be-
kannt, daß ihm im Mittelmeer wieder 13 Schiffe zum Opfer
gefallen waren, unter denen sich überwiegend große ita-
228
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
lieuische und englische Schiffe befanden, die Getreide- und
Kohlenlieferungen für Italien an Bord führten (siehe Bild
Seite 235). Dieser starke Ausfall an notwendigen Vorräten
konnte auch durch Zufuhren auf dem Landwege über Frank-
reich nicht ausgeglichen werden, denn dazu reichten die Be-
förderungsmittel gar nicht aus. —
Von den türkischen Kriegschauplätzen zogen gegen
Ende Februar die Kaukasusfront und besonders jene im
^Jrak wieder die Blicke auf sich. An der K a u k a s u s f r o n t
herrschte die Ertundungstätigkeit vor; da aber die Russen
auch hier für diese Aufgabe überlegene Streitkräfte einsetzten,
ereigneten sich mitunter größere Zusammenstöße, die, trotz-
dem sie nicht unter dem Gesichtspunkt weitgesteckter Ziele
ausgefochten wurden, mehrfach in schlachtenmäßige Kampf-
handlungen übergingen. Namentlich am 17. Februar
schickten die Russen sehr starke Erkundungskolonnen gegen
den linken türkischen Flügel vor und führten an drei Stellen
größere Angriffe aus. Einer davon wurde schon durch das
wirksame türkische Sperrfeuer im Entstehen erstickt. Bei
dem zweiten Vorstoß kamen die Russen in die türkischen Stel-
lungen hinein, doch konnten sie diese nicht halten, als die Ver-
Durch Schneeschmelze eingetretene Überschwemmung in einer deutschen
leidiger einen Gegenangriff unternahmen. Der dritte Stoß
gelangte zwar wieder tief in die türkischen Linien, aber der
Erfolg beruhte auf einem Scheinrückzug der Türken. Diese
hatten einen Hinterhalt gelegt, in den sich der Feind mit ziem-
lich starken Kräften verstrickte (siehe die Kunstbeilage). Die
Russen wurden überrascht und wirksam angegriffen, hatten
sehr schwere blutige Verluste und büßten zahlreiche Ge-
fangene ein.
An der I r a k f r o n t hatten die Türken auch gegen
Ende Februar ungewöhnlich schweren Angriffen zu be-
gegnen. In dieser Zeit kam eine lange vorbereitete Unter-
nehmung der Feinde zum Austrag. Die Engländer, die in
Mesopotamien schon große Mißerfolge erlebt hatten, gingen
jetzt sehr vorsichtig zu Werke, um sich vor neuen Rückschlägen
zu bewahren. Unter einem neuen Oberbefehlshaber, dem
General Stanley Maud, war ein neues, gut ausgerüstetes
Heer aufgestellt worden, dessen Hauptmacht sich aus be-
rittener, mit Maschinengewehren bewaffneter Infanterie zu-
sammensetzte. Mehrere Flußpanzerfahrzeuge trugen zur
Verstärkung der Armee bei. Auch eine Schmalspurbahn
war entstanden, auf der besonders der Munitionsnachschub
von Basra her (siehe Bild Seite 236 unten) vor sich ging.
Die langwierigen Vorbereitungen der Engländer waren
so weit gediehen, daß Mitte Dezember der Angriff kraft-
voll eingeleitet werden konnte. Sie mußten aber bald er-
kennen, daß auch die Türken die Zeit nicht ungenützt hatten
verstreichen lassen und zum Empfang der Feinde wohl ge-
rüstet waren. Kut-el-Amara bildete einen vorgeschobenen
starken Stützpunkt ihrer Linie. Während die Türken auf
dem nördlichen Tigrisufer Kut-el-Amara durch die weit
vorgeschobene Fellahiestellung sicherten, diente ihnen Kut
für das südliche Ufer als vorspringender Ausfallposten, weil
die Tigrisschleife dort einen Landkeil weit nach Süden aus-
greifen läßt. Uber den
südlichen Bogen noch er-
heblich hinausgeschoben
war die Sannaiyatstel-
lung, die unterBenutzung
verschiedener Nebenflüsse
des Tigris in weitem
nach Süden ausholen-
den Bogen um Kut her-
umstrich.
In unendlicher müh-
samer und verlustreicher
Arbeit gelang es den
Engländern noch Mitte
Februar, sich dicht an die
türkischen Stellungen
hinanzuarbeiten und
ihnen überall in die
Flanke zu kommen. In
den letztenTagendes Fe-
bruars wurde der Ent-
scheidungskampf um Kut
geschlagen. Es war vor-
auszusehen, daß die Eng-
länder durch die lang-
anhaltende Beschießung
der türkischen Stellun-
gen mit schwerem und
schwerstem Geschütz all-
mählich die Oberhand
gewinnen würden; so
leicht sollten sie aber ihr Ziel nicht erreichen. Sie mußten
riesige Blutopfer bringen. Nach vorsichtigen Schätzungen
der Türken büßten die Engländer bei den fortwährenden
Gefechten und Massenangriffen mindestens 30000 Mann
ein, ehe die Fortschritte des wuchtigen Angriffes sichtbar
wurden. Wie diese schließlich zur Zurücknahme der tür-
kischen Truppen von Kut und zur Besetzung Bagdads
führten, schildert in eingehender Weise unser Sonder-
bericht aus fachmännischer Feder auf Seite 235.
«Fortsetzung folgt.»
Phot. Leipziger Presse-Büro.
Waldstellung vor Galaß in Rumänien.
Illustrierte Kriegsberichte.
Winterflug im Osten.
Von Adolf Victor v. Koerber.
Auf einer Lichtung mitten im tiefverschneiten russischen
Fichtenwald lagen die zwei Flugzeugeinheiten. Unendliche
Schneemassen trennten sie seit Wochen von ihrer Abteilung,
die weiter zurück in einem kleinen Nest geblieben war. Un-
aufhörlich fiel der Schnee; er lag schließlich auf der kleinen
Waldlichtung so tief, daß der Abflug der Maschinen immer
schwieriger wurde. Doch wußte sich der junge Fliegerober-
leutnant und Kommandoführer zu helfen.
Nicht weit von der Blöße war ein großer See — mehrere
Kilometer lang und breit, mitten im Walde. Auf ihm hatte
der Wind Raum gehabt zu fegen. Seine Fläche lag spiegel-
glatt. Eine prächtige Abflugbahn.
Eine feindliche Kavalleriedivision war gestern als im
Anmarsch telephonisch gemeldet worden; ob die Nachricht
von Fliegerkameraden, von Gefangenen oder von Spionen
stammte, niemand wußte es. — Aber diese Reiterdivision
sollte da sein. Sie mußte erkundet werden, um der Armee-
leitung eine unangenehme Überraschung zu ersparen. Aus
ihrer Marschrichtung und Stärke ließen sich wichtige Schlüsse
ziehen. Andere Truppen konnten ihr folgen; eine Teiloffen-
sive mochte geplant sein. Die Division mußte also recht-
Zu den Kämpfen an der litauischen Front. Russische Angriffe werden abgewiesen.
Nach einer Originalzeichnung von Kurd Albrecht.
Feldwache in Ostgalizien.
Vorgehende Batterie in den Karpathen.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
zntig festgestellt werden. — Mit dieser
Aufgabe flog der Oberleutnant mit
seinem Flugzeugführer, einem kricgs-
freiwilligen Gefreiten, in Sturmund
Eisschnee ab. Er wollte sie finden —
die Kosaken.
Im Norden führte eine große
Straße durch die Waldwildnis. Auf
sie zu hält das Flugzeug. Schon sind
die feindlichen Linien überflogen. Die
ganze endlose Straße scheint verlassen.
Der Offizier beugt sich immer wieder
zur Seite und späht hinunter. Es
mußte ja etwas darauf sein — ganz
einsam liegt keine Straße dicht hinter
der Front, zumal bei den Russen, die
riesige Heeresmassen aus ihren Men-
schenvorräten in die Kampflinie zu
werfen haben. Doch erscheint die end-
lose Straße allem Suchen zum Trotz
völlig leer. Die gemeldeten Reiter-
massen marschieren .jedenfalls nicht
darauf. Einmal hebt der Beobachter
— durch manche List des Gegners
vorsichtig gemacht und gewitzigt und
belehrt, daß man sich manches besser
doppelt ansieht — die linke Hand und
beschreibt mit ihr einen Kreis. Der
andere hinter ihm versteht. Zum
Zeichen dafür pocht er ihm leicht auf
den dick von Pelz, Lederzeug und
Wollschal umhüllten Nacken. Dann
legt er das Fahrzeug., in eine Links-
kurve und läßt es einen Kreis flie-
gen, so daß der Offizier die schon ab-
geflogene Strecke der Straße noch ein-
mal zurückblicken kann. Und da sieht
er etwas — wenn's auch nicht die
gesuchte Kavallerie ist.
Er sieht, wie sich von der Straße
unzählige Menschen erheben, lange
Glieder bilden und in der Frontrich-
tung marschieren. Nun kann er sich
die vielen matten Querstriche erklären,
die er wohl auf dem verschneiten Weg
beobachtete, die er sich aber zuerst nicht
anders zu deuten vermocht hatte, als
daß es etwa zur Wegeverbesserung
frisch hingeworfene Holzknüppel seien,
wie sie die Russen zu verwenden pfle-
gen, um eine stark beschädigte Straße
wieder fahrbar zu machen.
Eine beträchtliche Truppenmasse
rückte nach der Front. Der Länge
der Marschkolonne nach konnte sie
wohl ausreichen, einen Durchbruch zu
versuchen, und gerade uüt jener ge-
suchten Kavalleriedivision zusammen
mochte sie zu einer gewissen Gefahr
werden. Noch war sie ja allerdings
fern der Kampflinie, die sie erst nach
langem Marsch erreichen konnte. So
blieb Zeit, zunächst den Auftrag zu
Ende zu führen. Jeder Beobachter
muß wie ein Eeneralstabschef im
kleinen erwägen. Während die alte
Flugrichtung wieder aufgenommen
wurde, kritzelte der Oberleutnant mit
den klammen Fingern in den Melde-
block: „Etwa ... Kilometer hinter der
feindlichen Front westlich marschie-
rende Kolonnen auf Straße von ...
nach ... Kolonne etwa ... Kilometer
lang. Zeit: elf Uhr zwanzig Minuten
vormittags."
Als der Offizier wieder aufblickt,
merkt er, daß ein frischer Wind von
Südwesten her bläst. Der Albatros
saust mit immer größerer Geschwin-
digkeit dahin; fern im Rücken zieht
Sumpfstellungen in Ostgalizien. Im Hintergrund sieht man deutlich die Drahtverhaue.
Österreichisch-ungarische Wacht Ln Ostgalizien.
Nach Ausnahmen der Photopresse Kankorvsky, Budapest.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
ein schmaler Wolkenstreif über dem
Horizont auf, ein zweiter dicht dar-
über. Das deutet auf Sturm aus
dieser Richtung. Der Motor arbeitet
prächtig. Freilich wird dann der Rück-
flug viel Zeit und viel Eas erfordern,
denn was der Vogel jetzt durch den
starken Wind im Rücken gewinnt,
das mutz er später in mühsamem Rin-
gen gegen ihn aufholen.
Die blankgefegten Seen liegen
totenstill und in eisiger Trockenheit.
Die wenigen Landstratzei» sind weitz,
tiefblau schimmern die Schatten der
Waldränder und keine Wagenspur, kein
auffallend eingetrampelter breiterer
Weg stört diese wunderbare Harmonie
blendender Farbe. Hier kann keine
Kavalleriedivision durchgezogen sein.
Nur in dem Walde mutz sie stecken.
Die Unermüdlichen wenden sich wie-
der südwärts und überfliegen nach
längerem Suchen erneut die grotze
Stratze.
Ferne Wolken sind inzwischen über
der deutschen Front heraufgezogen.
Ihre Gestalt haben sie mehrmals ver-
ändert. Zusammengeballt zu einem
gewaltigen Haufen, der den halben
Himmel bedeckt, haben sie die Form
einer riesenhaften Glasglocke ange-
nommen. Die schwere Masse steht
grauschwarz und dunkeldrohend, als
hätte die lichtgelbe Sonne» die selbst
die beschneiten Häupter der Fichten
so hell aufschimmern lätzt, keine Ge-
walt über die ungeheure Wolkenburg,
dieses dunkle Untier, das sich drohend
und unheilkündend erhebt. Schnee-
wetter steigt herauf. —
Aber die Kosaken müssen gefun-
den werden.
Die Gedanken des Offiziers jagen
einander: soll er umkehren — heim-
kehren? Ehe die Schneewoge heran-
braust? — Wie tief stürmt das Wetter
ostwärts? Wie lauge wird es währen,
bis es heran ist? Denn es kommt...
Kann man durch den Schneesturm
hindurch? — Wird der Motor durch
die Massen durchhalten? Durch die
eisige Kälte? — Und wenn die Wolke
kilometerlang ist? Wird man durch
sie zum Boden finden? Zum Lande-
platz?
Zwanzig Minuten fast sind sie süd-
lich geflogen, seit sie die grotze Stratze
gekreuzt haben. Da! Was ist das
da unten? — Ein Blick auf die Karte.
— Das ist eine Stratze, die nicht ein-
gezeichnet ist, viel schmaler als die
bisherige, nicht so gerade, manchmal in
schwachem Bogen ausbiegend. Und
südlich von ihr ziehen sich spinnen-
webartig Schneisen tief in den Wald.
Der Schnee auf ihr ist manchmal glän-
zend weitz, manchmal fleckig und
schmutzig, immer auf einem Stück vor
dem Eingang der Schneisen. Dort
also sind sie marschiert, die Schneisen
hinein und wieder heraus. Vielleicht
wollten sie einen Durchgang durch
den Wald gewinnen. Auf einem
dieser schmalen Wege müssen sie
stecken.
Plötzlich findet sie das scharfe Auge:
in der vierten, in die sie hineinblicken
können, stehen die Schwadronen —
eine unübersehbare schwarze Reihe.
Kurve! Tiefer gehen! 1500 Me-
Blick in das Putnatäl mit einer von deutschen Truppen über den Fluß geschlagenen Holzbrücke.
Vorgeschobener deutscher Posten in den Waldkarpathen.
Deutsches Lager in einem Walde der Putnaniederung.
Winterbilder aus Rumänien.
Nach Aufnahmen von Hanns Eder, München.
E/.rr'.- Ws f
1,
232
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
zwanzig Minuten reicht der Lebensstoff. Sie setzten ihn ein.
Ohne Bodensicht müssen sie zum Eleitflug übergehen —
vielleicht krachen nach Sekunden schon Baumstämme oder
Hausdächer gegen die Sitze. Nun denn!
Das eisumsponnene Steuerrad folgt dem Druck der halb-
erstarrten Führerhände. Plötzlich schweben sie im Licht.
Die tiefe Wolkenschicht jagt weit hinter ihnen. Sonnen-
glanz beizt ihnen die, Augen. Keine 100 Meter mehr sind
sie über einem weißen Feld. Sie landen.
Deutsche Landstürmer laufen ihnen aus den Hütten
eiligst entgegen. Sie waren weit nach Norden abgetrieben,
doch befanden sie sich noch im Bereich ihres Armeeober-
kommandos.
„Wo, ist die nächste Fernsprechstation?"
„Gleich im Dorf rechts, Herr Oberleutnant!"
Sie melden dem Generalstabsoffizirr persönlich. Er
dankt ihnen und verspricht, noch vor Einbruch der Dunkel-
heit das nötige Benzin beschaffen zu lassen. Langsam
nur weicht die Starrheit aus ähren eiskalten Körpern.
Erstürmung eines rumänischen Dorfes vor M3zil.
Nach einer Originalzeichnung des auf dem rulnänischen Kriegschauplatz zugelassenen Kriegsmalers A. Reich-München.
Flieger schieben die großen Brillen über ihre Sturzhelme,
da die eisbeschlagenen Gläser jede Sicht nehmen. Scharf
prickelt der körnige Schnee gegen die freie Eesichtshälfte.
Oft sticht es darein wie mit Nadeln.
Kein Blick reicht mehr nach unten, nach den Seiten.
Sie sind vollkommen eingehüllt in jagende Kristallheere»
jede Orientierung ist vorbei. Wohin fliegen sie, sind sie
noch im rechten Kurs zur deutschen Front? Noch.zeigt der
Kompaß die Linie an, die sie einhalten müssen. Doch ist
es ungewiß, ob er den elektrischen Strömungen der Schnee-
wolke standhalten wird. Eine einzige flüchtige Entladung
kann ihn entwerten. Dann sind sie dem Zufall preisgegeben,
kennen nicht mehr Richtung noch Raum. Von der kleinen
zuckenden Eisennadel hängt ihr Geschick ab, ob sie die
wichtige Meldung vom Anmarsch der Feinde heimbringen
werden.
Der Wind treibt sie seitlich ab. Sie fühlen's mit dem
feinen Instinkt der Flieger. Wieviel ... wohin ... sie
wissen's nicht und können sich gegen die Abweichung nicht
ter ... 1200 ... 1000... mögen sie nur aus ihren Kara-
binern schießen.---------
Der Oberleutnant visiert durch sein Abwurfglas. Dann
reißt er Bombe auf Bombe los und beugt sich aus dem
Rumpf, soweit es nur irgend geht — wilde Verwirrung
ist dort unten geschlagen; Pferdeleiber wälzen sich, einzelne
Reiter jagen wie toll die Schneise entlang, die Reihen sind
aufgelöst in Unordnung und Tumult. Die Division wird
eine lange Zeit brauchen, sich zu sammeln. —
Nun heißt es wenden und zurück zur Abteilung. Doch
die Sonne ist verschwunden und jäh stürmen die dunklen
Massen den Fliegern entgegen.
Jetzt erst merken sie, nachdem die Spannung des
Suchens vorüber ist, wie eiserstarrt alle ihre Glieder sind.
Kaum kann der Führer die ersten Sturmböen parieren.
Da weht es auch schon um sie her. Weißer Gischt rings-
um, ein Meer tanzender, wirbelnder Watteflocken. Die
wehren, da sie den Boden nicht sehen. Anderthalb Stunden
Flug mit Seitenwind, das können Meilen sein, die sie nach
Nordosten geschleudert werden.
Der Führer preßt das Steuer, tiefer zu gehen. 1000 Meter
... nichts zu sehen, 800 ... 500 ... 200 ... Nichts! Tiefer
ist unmöglich. Jede starke Fallbö kann sie in die Kronen
der Bäume schmettern.
Wo werden sie landen? Zwischen russischen Soldaten,
um bestenfalls als Gefangene abgeführt, bei Landesein-
wohnern, um mißhandelt oder gar schimpflich erschlagen
zu werden? Zufall ... Fliegerlos. —
Eine entsetzliche Kältemüdigkeit schleicht sich in die Glieder
der um jedes Kilometer Luftwsg Ringenden. Sie reißen
sich immer wieder zusammen, es muß ein Heraus geben
aus der Wüste tkeibenden Schnees:
Der Benzinvorrat ist verbraucht. Das Fallbenzin, der
letzte kleine Rest, muß in den gierig saugenden Motor. Noch
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
233
Offensive.
Von Franz Carl
Endres.
Für die ge-
planten großen
Entscheidungen
des Jahres 1917
haben alle krieg-
führenden Staa-
ten im Lauf der
Wintermonate die
angestrengtesten
Vorbereitungen
getroffen. Ergän-
zung und Verstär-
kung der Heere,
Aufstapelung der
den inodernen Be-
dürfnissen entspre-
chenden riesigen
Mengen von Mu-
nition, Neubeschaf-
fung von Waffen
und Kriegsmate-
rial aller Art sind
die rein materiel-
len Teile dieser
Vorbereitung.
Mehr in das Gebiet der Taktik fällt die Verstärkung der
bisherigen Fronten unter Berücksichtigung aller seither ge-
machten Erfahrungen.
Die operative Vorbereitung aber, mit der sich beispiels-
weise auch der Kriegsrat in Rom beschäftigte» besteht im
großen und ganzen aus der Lösung dreier Probleme:
des Personalproblems, des Planprobleins und des von
diesem letzteren ziemlich abhängigen Eruppierungsproblems.
Das Personalproblem, in Deutschland durch
die Ernennung Hindenburgs auf das glücklichste gelöst,
macht unseren Feinden die größten Schwierigkeiten. In
ihm liegt das innerste Motiv der Einheitsfront begründet.
Unsere Feinde ha-
ben keine so über-
ragende oder vom
Vertrauen der Ge-
samtheit so getra-
gene Persönlich-
keit, wie die Mit-
telmächte in Hin-
denburg. Liegt
darin schon ein Be-
weis dafür, daß sie
trotz aller Prahle-
reien eben doch
keine Erfolge hat-
ten — denn der
Feldherrnruhm
baut sich auf dem
Erfolg auf —, so
wird die Schwie-
rigkeit , eine ein-
heitliche Leitung
zu schaffen, durch
die trotz aller Ge-
meinsamkeit des
Hasses doch aus-
einandergehenden
JnteressenderVer-
bündeten ganz we-
sentlich erhöht. Es
bedeutet nämlich die „Einheitsfront" nicht irgend etwas
Geometrisches oder Materielles, sondern etwas durchaus
Geistiges und Ideelles. Einheitsfront ist nichts
anderes als Einheitsleitung, also die Lei-
tung durch „Einen".
Das Plan Problem ist, gerade während der Zeit, in
der es seine größte Bedeutung hat — in der Vorbereitungs-
zeit für das Kommende nämlich — gar nicht oder nur ganz
unsicher und höchstens andeutungsweise erkennbar. Denn
ganz naturgemäß bewahren alle beteiligten Staaten über
ihren grundlegenden Plan das größte und strengste Still-
schweigen. Soviel steht allerdings fest: jeder Plan, der
Eines der Lager reifer rumänischer Maiskolben in Braila, von denen eine große Menge in die
Hände der Eroberer fiel.
VI. Band.
Von den Russen auf ihrer Flucht zerstörte MÄsthtnenhallen in Faurt.
i
234
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Deutsche Soldaten an einem Sonntagmorgen am Wardar im serbischen
eine siegreiche Entscheidung des Krieges im Jahre 1917
will, m u ß die eigene Offensive in sein Programm stellen.
Und so ist das Charakteristikum der Monate Januar und
Februar die Vorbereitung der großen Offensive 1917 ge-
wesen. Die Feinde befürchteten eine solche von Hinden-
burg und bereiteten selbst eine solche vor. „Hindenburg
in Tirol", „mögliche Landung deutscher Truppen in Eng-
land", das sind einige von den Schlagworten der Vier-
verbandspresse, die der Winter 1916/17 geprägt hat und
die deutlich ein Dreifaches erkennen lassen:
1. daß die beispiellos rasche Niederwerfung Rumäniens
von größter Wirkung hinsichtlich der Einschätzung deutscher
Kraft und Hindenburgschen Genies war;
2. daß man, trotz aller Phrasen über Deutschlands Er-
schöpfung, doch nichts mehr fürchtete» als eine deutsche
Offensive;
3. daß man sich darüber klar war, daß nur eine Offen-
sive die gewünschte Entscheidung bringen konnte.
Die Frage, wo die Offensive 1917 stattfinden soll, oder
ob eine oder mehrere Offensiven gleichzeitig geführt oder
erwartet werden, ist endlich entscheidend für das Erup-
pierungsproblem. Auch dieses ist von strengen Ge-
heimnissen durchsetzt, so daß mehr als Theoretisches nicht
darüber gesagt werden kann. Die Grundlage jeder Offensiv-
gruppierung ist seit den Kriegen Alexanders des Großen
und Julius Cäsars unverändert geblieben. Der leitende Ge-
danke baut sich auf den Grundgesetzen jeder Strategie auf:
1. daß der Sieg nur durch Überlegenheit an
entscheidender Stelle zu erringen ist;
2. daß Überlegenheit an e i n e r Stelle nur durch Kraft-
ersparnis an soundso viel anderen Stellen zu erreichen ist.
Die schwierigen praktischen Fragen, die sich aus diesen
Grundgesetzen der Strategie für den gegebenen Fall ent-
wickeln, betreffen zum Beispiel die Entscheidung über fol-
gendes:
Wo liegt der Punkt oder wo liegen die Punkte der
Entscheidung? Wieviel Kraft muß an diesen Punkten in
Bewegung gesetzt werden? Woher ist diese Kraft zu nehmen?
In wie hohem Maße sind andere Stellen von Kraft zu
entblößen, ohne allzu große Gefahr, dort einem- feindlichen
Angriff zu erliegen?
Alle diese Fragen sind heute, wenigstens im großen,
bei allen Kriegführenden entschieden. Im Februar er-
folgte noch die wahrscheinlich endgültige Gruppierung der
russischen Armeen in eine Nordgruppe Rußki, eine Mittel-
gruppe Ewerth und eine Südgruppe Eurkow. Innerhalb
dieser Dreiteilung wird die Hauptkraft einer Gruppe zu-
gewiesen.
Schon einige Wochen früher fand die Gruppierung der
Engländer und Franzosen vor der deutschen Westfront statt,
der zufolge sich die Eng-
länder nur rund 12 Kilo-
meter nach Süden weiter
ausdehnten als bisher.
Diese geringfügige Über-
nahme französischerFront
deutete daraus hin, daß
hier zwei operative
Zentren gebildet
wurden: ein englisches
mld ein französisches, die
das Material für zwei ne-
beneinanderlaufende Of-
fensiven geben können.
Zum Verständnis der
großen Offensiven, die
der Weltkrieg schon ge-
bracht hat und zweifel-
los noch bringen wird,
dient eine einigermaßen
klare Vorstellung von den
Bedingungen einer ope-
rativen Offensive unter
Zugrundelegung der mo-
dernen Stellungskriegs-
verhältnisse.
Nur diese letzteren
sollen in den folgenden
kurzen Ausführungen be-
rücksichtigt werden.
Von Meer zu neutralem Staat liegen sich im Westen
seit Herbst 1914 eiserne Mauern gegenüber. Jede Möglich-
keit, strategische Bewegungen zu machen, ist beiden Teilen
z u n ä ch st genommen. Man befindet sich im Zustande
völliger „Gebundenheit". Diese Gebundenheit ist das
charakteristische Merkmal moderner „Schützengrabenstra-
tegie". Früher war das alles ganz anders. Man ging da in
strategischer Freiheit aufeinander los (ein solches Bild opera-
tiver Freiheit zeigt der Krieg in Rumänien) und konnte sich
beim Vormarsch zur Schlacht für die taktischen Verhältnisse
i n der Schlacht und sogar nach der Schlacht vorbereiten,
das heißt gruppieren. Moltke bereitete schon im Vormarsch
1866 die Umfassung der österreichisch-ungarischen Armee
bei Königgrätz vor, er zwang durch seine Strategie Bazaine
am 18. August 1870 bei Eravelotte-St. Privat zur Schlacht
mit verkehrter Front, er schloß die französische Armee bei
Sedan durch die Form seines strategischen Anmarsches schon
so ein, daß ein einfaches Weitervordringen der deutschen
Armeekorps in der eingeschlagenen Richtung die Kapitu-
lation der französischen Armee herbeiführen mußte.
Die strategischen Maßnahmen bereiteten also den tak-
tischen Erfolg in höchst wirksamer Weise vor.
Im Schützengrabenkrieg ein ganz anderes Bild: hier
muß die Taktik zunächst einmal der Strategie gewissermaßen
zum Leben verhelfen.
Es handelt sich hier in allererster Linie darum, die
feindliche Front an einer Stelle in hinreichender Ausdeh-
nung zu durchbrechen. Ein solcher Durchbruch ist eine
rein kampftaktische Handlung, die an sich mit Strategie
gar nichts zu tun hat.
Der Durchbruch wird also zum ersten Akt der Offen-
sive. Was heißt nun durchbrechen? Wenn beispielsweise
auf 5 Kilometer Front eine feindliche Linie genommen ist,
so ist das in einer Hinsicht ein Durchbruch, in anderer Hin-
sicht wieder keiner. Es ist ein Durchbruch in bezug auf die
vorderste Linie des Feindes, von der ja ein Stück von
5 Kilometern Breite in die Hand des Angreifers fiel. Es ist
aber kein Durchbruch, sondern nur ein unter Umständen
ganz bedeutungsloses Annagen der Front in Hinsicht auf
das gesamte Verteidigungssystem des Feindes, das aus
mehreren Stellungen, von denen wiederum jede aus mehre-
ren Linien zusammengesetzt ist, besteht. Ein Durchbruch ist
dann erst vollendet, wenn das ganze System durchbrochen
ist und die durchgebrochenen Truppen sich im freien Ge-
lände befinden.
Hier kann dann die Strategie erst eigentlich beginnen.
Jetzt kann sie sich entscheiden, ob sie die übrige Front des
Gegners nach rechts oder nach links „aufrollen", oder ob
sie nach vorwärts weiterdrängen will. Jetzt erst ist der
Stellungskrieg in den Bewegungskrieg umgewandelt, jetzt
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
235
erst wird der Krieg in den Formen geführt, die denen
früherer Kriege annähernd gleichen.
Über die taktische Durchführung des Durchbruchs soll
hier nicht gesprochen werden, das würde zu weit führen.
Nur eines mutz noch erwähnt werden. Der Gegner wird,
da jeder grotzangelegte Durchbruch in seinen riesigen Vor-
bereitungen sich kaum verbergen läßt, nicht völlig über-
rascht werden können, wenigstens nicht was die a l l g e-
m eine Lage des Angriffsfeldes betrifft. Eine Über-
raschung ist nur möglich in bezug auf den Zeitpunkt, wann
der Angriff beginnt.
Der Angegriffene führt alle erreichbaren Reserven an
Mannschaften, Artillerie, Munition und Material an die
gefährdete Stelle seiner Front, wie es die Franzosen bei
Verdun, die Deutschen an der Somme getan haben. Es
entsteht nun bei jedem Durchbruch ein Kampf der Mittel
und der Munition nicht minder als ein Kampf der Men-
schen und ihres Willens. Dabei spielt die Zeit die grötzte
Rolle. Der Angreifende beginnt, sofern er reelle Taktik
treibt, erst, wenn er genügend Kraft an allem zur Stelle
hat, um den ganzen Durchbruch durchzuführen. Der Ver-
teidiger verstärkt sich dagegen allmählich und braucht desto
mehr Zeit hierzu, je später er die Durchbruchsabsicht des
Angreifers erkannt hat. Je mehr es ihm nun gelingt,
durch zäheste Gegenwehr das Angriffstempo zu verlang-
samen, desto größer sind seine Aussichten, den Angriff nach
und nach zu ersticken.
Die größten Aussichten hat daher jeder Durchbruch in
den ersten Tagen der Schlacht, und wenn es da gelingt, im
Vorschreiten zu bleiben, wie es Mackensen bei Tarnow-
Gorlice gelang, dann sind die Folgen eines Durchbruchs
ganz entscheidender Art. Denn die Furcht des Verteidigers,
daß seine noch unversehrte Front von dem durchgebrochenen
Angreifer „aufgerollt" oder gar von hinten her angegriffen
wird, veranlaßt ihn meistens zur Zurücknahme dieser Front-
teile. Es beginnt das ganz charakteristische „Abbröckeln" der
Front und damit die erste strategische Folge des taktischer!
Sieges des Angreifers.
Das wollte ja auch der Angreifer. Nun schafft er sich
den Bewegungskrieg mit all den großen Möglichkeiten und
Freiheiten eines solchen.
Der Kampf um Bagdad.
Von Walter Oertel.
(Hierzu die Kartenskizze Seite 238 und das Bild Seite 237.)
Nach der schweren Niederlage, die die Engländer iur
Mai 1916 in Mesopotamien erlitten hatten, und die ihneir
allein bei Kut-el-Amara 11000 Mann an Gefangenen, dar-
unter den General Townshend, gekostet hatte, waren sie
zunächst wieder zurückgegangen, trafen aber sofort neue Vor-
bereitungen, um diesen ersten mißlungenen Versuch, Bagdad
einzunehmen, mit stcrkrren Kräften zu wiederholen. Co
hatten sie denn starke Kräfte aus Ägypten und Indien in
Mesopotamien zusammengezogen, mit denen sie im Laufe
des Januars 1917 vorsichtig vorfühlten. Auch eine Bahn
war hinter ihrer Front angelegt worden, die die Unter-
nehmung leistungsfähiger gestalten sollte.
Die türkische 6. Armee, die hier den Engländern gegen-
überstand, hatte ihre Hauptstellung etwa 10 Kilometer von
Kut-el-Amara entfernt an den Tigris gelehnt und ihre Vor-
stellung weitere 20 Kilometer bis Fellahie vorgeschoben.
5 Kilometer östlich von Es Sinn macht der Tigris einen
Bogen nach Süden. Es lag im Plan der Engländer, die
Türken, die auf dem linken Ufer des Tigris standen, zu
umfassen und zu vernichten. Die Türken waren jedoch auf
der Hut, bogen dem Stoße gewandt aus und setzten selbst
einen Gegenstoß flankierend an, der die feindliche Infanterie
in Auflösung zurückwarf, während ein vom Gegner unter-
nommener Umgehungsversuch durch Kavallerie, die von
Infanterie unterstützt wurde, schon im Artilleriefeuer zu-
sammenbrach. Nachdem es nicht gelungen war, die Stel-
lungen der Türken durch Umfassung zu nehmen, entschloß
sich der englische Oberbefehlshaber zum Frontalangriff auf
Fellahie, weil der linke türkische Flügel durch die Suwekie-
sümpfe gegen Umklammerung geschützt war.
Zunächst legte die englische Artillerie ein schweres Feuer
auf die gesamte Front; dann griffen englische Jnfanterie-
Zum verschärften U-Bootkrieg. Englische, von Zerstörern begleitete und nach Italien bestimmte Kohlenflokte wird im Mittelmeer von deutschen
Unterseebooten mit Erfolg angegriffen.
Nach einem Originalgemölde von Robert Schmidt-Hamburg.
236
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
abteilungen frontal
an, während eine Rei-
terbrigade südlich vom
Tigris gegen den lin-
ken Flügel vorzugehen
versuchte. Da sich die
Bemühungen der bei-
den Kavallerieregi-
menter als erfolglos
erwiesen, setzten die
Engländer an ihrer
Stelle ebenfalls In-
fanterie ZUM Sturme
an, die jedoch auch ab-
geschlagen wurde.
In der folgenden
Nacht nahmen die
Engländer abermals
die gesamte Front so-
wie auch die rück-
wärtigen Verbindun-
gen der Türken unter
heftiges Feuer und gingen am 1. Februar südlich vom Tigris
mit starken Kräften in einem mächtigen Angriff vor. Unter
dem Drucke bedeutender zahlenmäßiger Überlegenheit des
Feindes mußten die Türken an einer besonders nachdrück-
lich angegriffenen Stelle bis zur zweiten Linie zurückweichen,
wo der Vorstoß zum Stehen kam. An den anderen Punkten
war der Eingriff nach erbittertem Handgemenge abgewiesen
worden. Als die Engländer nachher auch gegen die zweite
Linie vorgehen wollten, wurden sie scharf abgewiesen. Ein
Versuch englischer Reiterei nebst Artillerie, längs des Tigris
vorzudringen, wurde schon durch das Feuer der türkischen
Kanonenboote an der Entwicklung gehindert.
Wenige Tage später erneuerte der Feind, der inzwischen
weitere Verstärkungen erhalten hatte, seine Angriffe, deren
Schwerpunkt wiederum auf den türkischen Stellungen süd-
lich vom Tigris lag. Der erste Vorstoß scheiterte vollkommen,
und als es bei einer Wiederholung desselben den Engländern
..mLi Tu rk. Stellungen \\
=^= Engl. - Lr FD
SUmpfe 1
^ I
iCiVon Fellahie.
,rRut-el
dmara
iHassstab:
Km.
Kartenskizze zu de» Kämpfen um Kut-el-Amara.
gelang, in die vorderste
türkische Erabenlinie
einzudringen, wurden
sie während eines mit
äußerster Erbitterung
durchgeführten Hand-
granaten- und Bajo-
nettkampfes sehr rasch
wieder hinausgewor-
fen. Diesem hart-
näckigen Ringen folg-
ten einige Tage leich-
teren Geplänkels.
Aussagen von Ge-
fangenen war zu ent-
nehmen, daß während
des Kampfes vom
1. Februar auf eng-
lischer Seite zwei Ba-
taillone, jedes in einer
Gefechtstärke von 700
Mann, völlig vernich-
tet wurden und der Gesamtverlust der Engländer sich an
diesem heißen Kampftage auf mehr als 2000 Tote belief.
Erst am 9. Februar wurden die Kämpfe wieder heftiger;
sie entwickelten sich zu einer Schlacht, die ihren Höhepunkt
am 17. Februar erreichte. Die Engländer griffen, unter-
stützt durch starke, mit reichlicher Munition ausgerüstete
Artillerie, energisch an. Das Ergebnis war recht unbedeu-
tend. Die Stellung von Fellahie wurde gegen alle wüten-
den Anstürme gehalten; nur einige südlich von Kut-el-Amara
am Tigris gelegene Grabenstücke gaben die Türken auf.
Kut-el-Amara selbst sowie die umliegenden Stellungen
konnten sämtlich behauptet werden. In dieser Schlacht
setzte der Gegner die stärksten, bisher auf diesem Kriegschau-
platz verwendeten Verbände ein; so zum Beispiel trieb er
gleichzeitig vier Brigaden Infanterie zum Sturme gegen
die Stellungen von Fellahie vor, ohne jedoch mit diesen
Massen den Durchbruch erreichen zu können. Von den vier
Phot. R. Sennecke, BerUn.
Idyll am Kanal von Basra am westlichen Ufer des Schat-el-Arab, von wo die Engländer auf cDcr neu angelegten Schmalspurbahn ihren
Munitionsnachschub an die Jrakfront bewirkten.
Ern unter Aufopferung indischer Hindutruppen von den Engländern unternommener Ansturm bei Kut-el-Amara.
Nach einer Originalzeichnung non Max Tilke.
238
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Brigaden wurden drei glatt abge-
schlagen , die vierte, farbige Eng-
länder, ging bei dem türkischen
Gegenstoß zugrunde. Die von den
Türken wiedereroberten Gräben
waren mit Leichen der Feinde
gefüllt.
Die Schlacht ging zu Ende. Die
Angriffskraft der Engländer, die in
diesem blutigen Ringen über 30000
Mann verloren hatten, begann lang-
sam zu erlahmen. Immer neue
Schiffe mutzten sie mit Verwun-
deten beladen und Tausende ihrer
besten Truppen lagen tot vor den
türkischen Stellungen. Die indischen
Regimenter hatten besonders schwer
gelitten.
Am 22. Februar tasteten die
Engländer wieder vor und besetzten
nach leichtem Gefecht die nur von
Sicherungstruppen gehaltene Stel-
lung von Sannaiyat. Weitere Vor-
stötze zu Aufklärungszwecken und
nachfolgende ernstere Unternehmen
waren zu erwarten, denn in Eng-
land forderte man die Besitzergrei-
fung von Mesopotamien.
Aus Indien und Ägypten waren
neue Regimenter eingetroffen und
die englische Heeresleitung sah sich
nun in der Lage, erneut energisch
vorzugehen. Auf türkischer Seite
war der mächtige Nachschub an
Truppen und Kriegsmaterial, den
die Engländer erhielten, nicht un-
beuierkt geblieben; ihre Armee stand
jetzt vor einem sehr schweren Ent-
schlüsse. Angesichts der erdrücken-
den Übermacht des Gegners war die
Annahme einer neuen Schlacht zur
Deckung von Kut-el-Amara außer-
ordentlich gewagt. Die Schwäche
der eigenen Stellung lag auf dem
rechten Flügel, wo eine von den Engländern mit Über-
macht durchgeführte Umfassung die Lage der gesamten
Armee sehr gefahrvoll gestalten konnte. So entschloß man
sich denn, Kut-el-Amarazu räumen. Artillerie und Bagagen
sowie alle Vorräte wurden nach und nach zurückgezogen,
dann verließ die Besatzung die Stellungen, starke Nachhuten
zurücklassend, die sich in lebhafte Gefechte mit dem Gegner
verwickelten, um den Abmarsch zu verschleiern und darauf
selbst nach und nach abzuziehen, bis endlich nur noch Ka-
vallerie den Engländern gegen-
überstand. Durch das kräftige Auf-
treten der Nachhuten ließen sich
die Engländer tatsächlich täuschen,
und erst als auch die türkische
Reiterei der Hauptmacht folgte»
wurde ihnen die Rückzugsbewe-
gung klar. Sie stießen nun mit
Macht aus Kut-el-Amara vor und
besetzten diesen Platz, dessen glor-
reiche „Wiedereroberung" sofort
in alle Welt hinaus gekabelt wurde.
Als sich aber die Engländer zur
Verfolgung anschickten, um dem
zurückgehenden Gegner gänzlich
den Garaus zu machen, fanden sie
zu ihrer unangenehmen Über-
raschung die Straßen durch starke
türkische Nachhuten gesperrt» die
teilweise selbst zum Gegenstoß
übergingen. Während die Eng-
länder so aufgehalten wurden,
richtete sich die Hauptmasse des
türkischen Heeres ruhig in einer-
neuen, günstigeren Stellung ein,
gegen die die Engländer schon im
Laufe der nächsten Tage mehrere
Angriffe ansetzten. An der Mündung
des Diala in den Tigris kam es noch,
mals zu einem sehr harten Kampfe.
Die Türken wehrten sich verzweifelt,
als aber die Engländer immer neue
Massen heranzogen, neigte sich der
Sieg zugunsten der Übermacht, und
schweren Herzens gab der türkische
Oberbefehlshaber den Befehl zur
Räumung Bagdads. In voller Ruhe
wurde diese ausgeführt; dann
brachen die Truppen staffelweist das
Gefecht ab und gingen zurück. Bag-
dad gehörte den Engländern.
Die Ausgaben für den
Krieg.
Von Fab. Landau.
i Hierzu die bildlichen Darstellungen Seile 238
und 239.)
Die Geldbeträge, die von den
Landesverbänden, Stadtverwaltun-
gen, Vereinigungen und Privaten
als freiwillige Gaben, Hilfen und
Unterstützungen an die Krieger und
die Zivilbevölkerung verausgabt
wurden, entziehen sich jeder Be-
rechnung.
Als Ausgaben für den Krieg
können wir somit nur die reinen
baren Ausgaben, die von den Staa-
ten zur Finanzierung des Krieges
seit August 1914 aufgebracht wur-
den, in Betracht ziehen.
Eine genaue, reinliche Scheidung
der von den einzelnen Regierungen
seit August 1914 nur für diesen
Zweck beanspruchten Kredite und
verausgabten Beträge läßt sich nur
bei Deutschland durchführen, indem
hier von der Regierung außerordent-
liche Kriegskredite gefordert werden.
In England und Frankreich wird
der gesamte Staatshaushalt, in dem auch die Kriegsaus-
gaben enthalten sind, als „Etat" aufgestellt, mittels der
Zölle, steuern und so weiter gedeckt und der fehlende Be-
trag durch Kredite (schwebende und feste Schulden) ergänzt.
In Rußland wurden vom Kaiser Anleihen ausgeschrieben
und die Papierrubelpresse in Tätigkeit gesetzt.
In Österreich-Ungarn und anderen Ländern wird Geld
für den Krieg größtenteils durch Anleihen beschafft.
Bei Berücksichtigung aller seit dem 1. August 1914 er-
folgten Veröffentlichungen über
bewilligte Kredite, Etatsvorlagen,
Berichte der Finanzminister, auf-
genommene Anleihen, ausgege-
bene Schatzanweisungen, Bons,
Schecks und dergleichen haben wir
nachstehende Ergebnisse gefunden.
Die Umrechnung der verschie-
denen Landeswährungen in deut-
sche Reichswährung erfolgte nach
folgenden Sätzen: 1 Pfund Ster-
ling = M. 20,40, 1 türkisches
Pfund = M. 18.—, 1 Dollar =
M. 4.20, 1 Escudas = M. 3.83,
1 Rubel = M. 2.16, 1 Jen =
M. 2.10, 1 niederländischer Gul-
den — M. 1.70, 1 österreichisch-
ungarische Krone — M. —.85,
1 Frank, Lira, Lei — M. —.80.
Millionen M.
England ..... 78581
Deutschland .... 64 000*)
*) Den vom Deutschen Reichstage
am 23. Februar 1917 der Regierung
bewilligten Kredit von 15 Milliarden
Mark haben wir noch nicht als Aus-
gabe betrachtet.
Abb. I. Die Kriegsausgaben der kriegführenden Staaten
vom August 1914 bis zum 6. Februar 1917 in Milliarden
Mark.
Die schwarzen Ä/eile der Blöcke bezeichnen die dllrch feste An-
leihen aufgenommenen Beträge.
Abb. III. Prozentualer Anteil der kriegführenden Staaten
an den Gesamtausgaben für den Krieg im Betrage von
293 Milliarden Mark.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
239
Frankreich. . .
Rußland . . .
Österreich-Ungarn
Italien ....
Vereinigte Staaten
Nordamerika
Türkei .
Serbien
Niederlande
Rumänien
Schweiz
Bulgarien
Japan .
Belgien
Portugal
von
Millionen M.
57 600
44 071
25 010
16 000
2 100
1412
1120
765
640
520
500
294
240
115
Mit einer Summe von min-
destens 293 Milliarden Mark ist iin
wirtschaftlichen Gebaren, seit die
Welt besteht, nicht gerechnet wor-
den; derartige Zahlen sind nur zur
Bezeichnung von Entfernungen im
Weltall gebraucht worden.
Um unseren: Begriffsvermögen
zur Beurteilung der Höhe dieser
Summe etwas za verhelfen, füh-
ren wir hier die Werte einiger
Haupterzeugnisse der Weltwirtschaft
an. — Der Wert der im Jahre 1914
auf der nördlichen Erdhälfte und
1914/15 auf der südlichen Erdhälfte
geernteten wichtigsten Nährfrüchte
war (die Preise sind die Groß-
handelspreise in Deutschland aus
dem Jahre 1913 und zwar Durch-
schnittspreise von acht Haupt-
märkten):
Nr. in
2lbb. IV
1 Weizen.
2 Reis .
3 Hafer .
4 Mais .
5 Roggen.
8 Kartoffeln 1584
9 Gerste . 305
7 Hierzu
Werte
Millionen Preis
Doppelztr. Mark
976 22.50
Millionen
Mark
23.—
16.80
8.50
16.75
3.75
16.33
die Baumwollernte im
von 6 232 Millionen
544
619
947
433
21 960
12 512
10 399
8 049
7 253
5 940
4 981
Mark.
11 Die Edelmetallgewinnung der
Welt stellte sich im letzten Be-
triebsjahre: Gold 684 348 Kilo-
gramm im Werte von 1910
Millionen Mark, Silber
6 596 000 Kilogramm im
Werte von 498 Millionen
Mark.
6 Der Wert der auf der Erde
geförderten Stein-und Braun-
kohlen betrug im Durchschnitt
der letzten Jahre jährlich
7150 Millionen Mark.
10 An Erzen wurden gewonnen
im letzten Berichtsjahr (der
Wert nach den Durchschnitts-
preisender Einfuhr in Deutsch-
land berechnet): Eisenerz 2491
Millionen Mark, Kupfererze
733 Millionen Mark, Bleierze
274 Millionen Mark, Zinkerze
233 Millionen Mark.
Der Gesamtwert aller die-
ser in einem Jahre erzeugten
Artikel war somit nur
90615 Millionen Mark.
12 Um den Kreis der bildlichen
Darstellung weiter zu füllen,
nehmen wir die Edelmetall-
gewinnung der Welt seit 1493.
Abb.Il. DieKriegsausgaben der kriegführenden Staaten
vom August 1914 bis zum 6. Februar 1917 auf den Kopf
der Bevölkerung berechnet.
Seit damals bis zum Jahre 1917
sind gewonnen: Gold 22941386
Kilogramm im Werte von 64006
Millionen Mark und 351644 967
Kilogramm Silber im Werte von
52102 Millionen Mark.
Alle diese Werte decken erst
70% Prozent der Summe, die in
zweieinhalb Jahren für den Krieg
verausgabt wurde.
Die bildlichen Darstellungen
zeigen in Abbildung I die Höhe
dieser Summe; die schwarzen Teile
der Blöcke bedeuten die Höhe der
Beträge, die von den einzelnen
Staaten auf feste Anleihe aufge-
nommen wurden.
Abbildung II veranschaulicht
die jeweiligen auf den Kops der
Bevölkerung entfallenden Beträge.
Aus Abbildung III ist der
prozentuale Anteil der einzelnen
Staaten an den Gesamtausgaben
bis zum 6. Februar 1917 zu er-
sehen.
Abbildung I V bringt den Wert
der einzelnen Erzeugnisse in dem-
selben Maßstabe wie Abbildung III.
Motorboote im Kriegs-
dienst.
Von Oberingenieur C. E. Heymann,
Bootsoffizier im Freiwilligen Motor-
bootkorps.
iHierzu das Bild auf Seite 240.)
Zu den Neubildungen des Hee-
res, die für den gegenwärtigen
Feldzug aufgestellt wurden, gehört
auch das Freiwillige Motorboot-
korps, dessen Schaffung durch Aller-
höchste Kabinettsorder am 30. Sep-
tember 1914 genehmigt wurde. Der gesamte deutsche Wassersport, Ruderer,
Segler, Motorbootfahrer aus den Kreisen des organisierten Sportwesens und
Wassersporttreibende ohne sonstigen Anschluß folgten in Scharen dem Aufruf zürn
Beitritt. Viele hundert Freiwillige meldeten sich als Bootsführer, Maschinisten
oder Matrosen oder stellten ihr Boot der Heeresverwaltung zur Verfügung, so
daß der Bedarf an Booten und namentlich an Mannschaften bald überreichlich
gedeckt war. Kein Wunder, denn die Vaterlandsliebe hat im Sport eine gedeih-
liche Pflegestätte, und sein Ziel
ist Sieg über den Gegner.
Der Kaiser verlieh den Mit-
gliedern des Korps, die Boote
führten, Offiziersrang und den
Maschinisten Unteroffiziersrang,
sowie den Booten eine besondere
Flagge, schwarz-weiß-rot mit dem
Reichsadler in der Mitte. Als
Uniform wurde die kleidsame
Klubtracht beibehalten mit mili-
tärischen Rangabzeichen auf Rock
und Mantel, sowie Kokarde an
der Mütze.
Als Bewaffnung hatten sich
die Offiziere ein kurzes Seiten-
gewehr sowie eine Handfeuer-
waffe, Maschinisten und Mann-
schaften ein Seitengewehr selbst
zu beschaffen. Ein Teil der Boote
wurde sogar mit Maschinenge-
wehren ausgerüstet, die Mann-
schaften in deren Bedienung aus-
gebildet oder durch Maschinenge-
wehrschützen ergänzt.
1. Weizen, 2. Reis, 3. Hafer, 4. Mais, 3. Roggen, 6. Stein- glänzend sich das deutsche
und Braunkohlen, 7. Baumwolle. 8. Kartoffeln. «.Gerste. Organisationstalent auch auf die-
10. Erzen, 11. Edelmetallen, der zusammen 80 813 Millionen ^EUi Sondergebiet bewährte und
Mark beträgt, sowie 12. der Edel»,etallgewinnnng seit 1403 , slllikia vorgearbeitet rnnrhpri
(116108 Millionen Mark) im Verhältnis zu den Gesamtaus- role Ueiglg vvigeaioeirei worven
gaben für den Weltkrieg. war, möge der Umstand beweisen,
240
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
daß schon dreiundvierzig Stunden nach Eintreffen der
kaiserlichen Genehmigung zur Bildung des Korps die
ersten Bootsflottillen sowohl nach dem Osten wie nach
dem Westen von Berlin aus ins Feld geschickt werden
konnten.
Welche Dienste die vornehmen, für den Kriegsdienst
jedoch einheitlich grau gestrichenen, sonst nur dem Sport
und dem Vergnügen dienenden Motorboote mit ihren
empfindlichen Maschinen im Felde, im Sommer sowohl
wie im Winter, leisteten, mögen folgende kurze Tätigkeits-
berichte zeigen.
Auf der Weichsel bis in die Nähe von Warschau
klärten Maschinengewehrboote auf und sicherten die rück-
wärtigen Verbindungen gegen Kosakenschwärme. Sie
kamen häufig in Eewehrfeuer — einzelne von ihnen
wurden von vielen Kugeln getroffen und förmlich durch-
siebt — und wurden auch durch Minensperren und trei-
bende Balken bekämpft. Ohne größere Verluste konnten
die wackeren Freiwilligen jedoch die erlittenen Schäden
stets wieder ausbessern. Erst schwerer Eisgang auf der
Weichsel nötigte sie zum Rückzug in den Hafen, doch be-
teiligten sie sich an eisfreien Tagen sofort wieder am
Etappendienst.
In ähnlicher Weife waren Flottillen in Ostpreußen auf
dem Njemen tätig und drangen vereint mit bewaffneten
Dampfern sowie mit
Seitendeckungen von
Infanterie und Ka-
vallerie wiederholt
weit nach Rußland
hinein vor.
Im Frühjahr nah-
men Motorboote zur
Unterstützung der
deutschen Weichsel-
flotte wieder den
Dienst auf die ser wich-
tigen Wasseretappen-
straße auf.
In Belgien bot
sich den Motorboo-
ten ein noch viel aus-
gedehnteres Betäti-
gungsfeld.
ZahlloseAufgaben
fanden sie auch im
Winter, der in Bel-
gien eisfrei blieb, im
Aufklärungsdienst auf
den durch unzählige
Hindernisse gesperr-
ten Gewässern. Sie
meldeten den Pio-
nieren und Eisenbahntruppen den Zustand der zerstörten
Eisenbahnbrücken zwecks deren Beseitigung oder Wieder-
herstellung und suchten sogar in den Kanälen und Flüssen
versenkte Kanonen der Belgier auf. In den Häfen Ant-
werpen, Gent, Brügge lagerte reiche Beute, zu deren
Abführung wie auch zur Herbeischaffung von Schanz-
material an die Front Schiffe und Schleppdampfer be-
schlagnahmt werden mußten. Nach monatelanger Arbeit
kam dann der gesamte Binnenschiffahrtsbetrieb wieder in
Gang.
Oft wurden die Boote von feindlichen Fliegern an-
gegriffen, die sie mit Maschinengewehrfeuer abwehrten.
Auch auf Grenzwache fanden viele Boote Verwendung,
um den Schiffahrtsverkehr zu überwachen und um belgische
Überläufer daran zu hindern, nach Holland überzutreten,
von wo aus sie wieder zu den Resten des belgischen Heeres
zu stoßen versuchten.
Mir selbst war es vergönnt, mit dem ersten deutschen
Boote die belgisch-französische Grenze zu überschreiten. Bei
Cambrai lagen über 250 mit Kohlen beladene, für Paris
bestimmte Schiffe, die der deutschen Verwaltung zugeführt
wurden, und selbst die mit Grubenholz für die französischen
Kohlenzechen beladenen Schiffe wurden von uns wieder
nach Belgien zurückbefördert, so daß den Parisern die
Kohlen recht knapp wurden.
Aber nicht nur bei der Armee, sondern auch bei der
Marine kamen zahlreiche Motorboote des Korps zu sehr
nützlichen Diensten zur Verwendung, wobei eine ganze
Anzahl Mitglieder des Korps sich im Felde das Eiserne
Kreuz erwarben.
Der Kaiser hat neuerdings genehmigt, daß. das Frei-
willige Motorbootkorps in Zukunst die Bezeichnung „Kaiser-
liches Motorbootkorps" führt. Die Mitglieder tragen an
beiden Unterärmeln des Rockes eine mattfeldgrau gestickte
Kaiserkrone.
Feldmarschalleutnant Alexander Szurmay.
(Hierzu das Bild Seite 225.)
Weit über Ungarns, seines engeren Vaterlandes, Gren-
zen hinaus ward der inzwischen auch zum ungarischen
Honvedminister ernannte Feldmarschalleutnant Alexander
Szurmay in diesem Weltkrieg bekannt. Er ist eine geradezu
typische Gestalt, der echte schneidige ungarische General,
ein Mann von großer Herzensgüte, von gewinnender
Liebenswürdigkeit, dabei aber streng und kühn, ein Mann
der Tat, ein echter Draufgänger. Und doch saß er vor dem
Krieg lange Jahre im Büro, war ein Meister der Feder
und hat sich um die Ausgestaltung der Honved große
Verdienste erworben.
Im Jahre 1860 zu Boksanbanya geboren, machte er
die Ludovika-Akademie in Budapest durch und wurde Leut-
nant in einem Hon-
vedinfanterieregi-
ment. Verhältnis-
mäßig früh besuchte
er die Kriegschule in
Wien und wurde dein
Generalstab zugeteilt.
Später kam er in das
Honvedministerium,
das er dann nur noch
für kürzere Dienst-
leistungen bei der
Truppe verließ und in
dem er 1907 Sektions-
chef wurde. Als der
Weltkrieg ausbrach,
war er Staatssekretär
dieses Ministeriums,
er ruhte aber nicht, bis
ihm das Kommando
einer Jnfanterietrup-
pendivision übertra-
gen wurde und er
so tatsächlich das
Schwert mit der
Feder vertauschen
konnte.
Sehr bald er-
brachte er glänzende Beweise seines praktisch-militärischen
und strategischen Könnens» feiner Tatkraft und seines
kühnen Mutes. Er wurde infolgedessen mit wichtigen
Aufgaben betraut, und es war ihm vergönnt, den von
ihm so heiß geliebten ungarischen Boden zweimal vom
Feinde, den eingedrungenen Russen, zu säubern. Als im No-
vember 1914 die Kosaken in das Ungtal bis Homonna vor-
gedrungen waren, wurde ihnen Feldmarschalleutnant Szur-
may als Kommandant einer eigenen Armeegruppe entgegen-
gestellt. Er trieb sie mit seinen tapferen Scharen in kühnem
Vorgehen über die Karpathen (vgl. Band I Seite 474),
nachdem er durch ein schneidiges Manöver Homonna ent-
setzt hatte, und verfolgte den Feind bis Neu-Sandec. Durch
seinen erfolgreichen Zug hat er sich mittelbar auch um
den überaus wichtigen Sieg der österreichisch-ungarischen
Truppen bei Limanowa (vgl., Band II Seite 130) sehr ver-
dient gemacht.
Später befehligte Feldmarschalleutnant Szurmay im
Verband der Armee des Generalobersten Boroevic. Er
erzielte insbesondere am Uzsoker Paß neue glänzende Er-
folge und spielte mit seinen Truppen bei der endgültigen
Vertreibung der Russen aus Ungarn und den Karpathen
eine wichtige Rolle. , x-
Es ist begreiflich, daß ein Heerführer von den persönlichen
Eigenschaften und den Erfolgen Szurmays von seinen
Soldaten, insbesondere von denen magyarischer Nationalität,
in einer Weise verehrt wird, die an Vergötterung grenzt.
Motorboote im Kriegsdienst.
Ein Motorboot mit einem Torpedoboot auf der Streife.
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
lyortjetzung.»
Gegen Ausgang des Monats Februar und zu Anfang des
Märzes gab es an der deutschen Westfront lebhafte Erkun-
dungstämpfe, die mitunter in umfangreichere Kampfhand-
lungen übergingen und namentlich auf dem nördlichen
Teile der Front, auf dem Engländer standen, die Vor-
boten für nahe bevorstehende größere Zusammenstöße zu
sein schienen. So wuchs in den Abschnitten von Armen-
tisres, bei Cernay in der Champagne» zwischen Maas und
Mosel, bei Ppern, an der Somme und bei Arras das
Artilleriefeuer am 26. und 26. Februar zu bedeutender
Wucht an. Ihm folgten starte Angriffe, die von den
Deutschen in kraftvoller Gegenwehr abgewiesen wurden.
Am folgenden Tage setzten die Franzosen an vier Punkten
bei Markirch in den Vogesen Aufklärungsabteilungen an.
Auf dem linken Maasufer unterhielten sie tagsüber ein
starkes Wirkungsfeuer und schickten in der Nacht starke Ab-
teilungen gegen die deutschen »Gräben nordöstlich von Avo-
court vor. Ein Erfolg war ihnen weder hier noch dort
beschieden.
Während sich so auf allen Teilen der Front der Feind
in fieberhafter Tätigkeit zeigte, vollzog sich zu beiden
Seiten der Ancre in einer Eesamtbreite von zunächst
20 Kilometern» etwa
zwischen Gommecourt
und über Le Transloy
hinaus (siehe die Karte
Seite 244/245), die schon
auf Seite 211 erwähnte,
lange vorbereitete stra-
tegische Bewegung der
Deutschen, die eine be-
trächtliche Abflachungdes
vorspringenden Frontbo-
gens und damit eine we-
sentliche Verkürzung der
Kampflinie bezweckte. Sie
glückte in vollem Maße,
während kleine entschlos-
sene Maschinengewehr-
abteilungen einen
Schleier über die Stel-
lungsverlegungderDeut-
fchen breiteten und den
mit überlegenen Streit-
kräften nachdrückenden
Feind aufhielten. Wie
das ihm überlassene Ge-
biet aussah, zeigen un-
sere Bilder auf Seite 242
und 243. Die franzö-
sischen Dörfer waren
durch die Geschosse der
Engländer völlig zerstört,
teilweise so vollständig
vom Erdboden vertilgt,
daß nach dem Eingeständ-
nis englischer Berichter-
statter nicht einmal die
Feinde selbst sicher wuß-
ten, ob sie sich in, vor
oder hinter den eroberten
Dörfern befanden;es gab
überall nur ein weites
Feld von Eranattrichtern
in den verschiedensten
Größen, zerschosseneGrä-
ben und zerstörte Unter-
stände ehemaliger deut-
scher Truppenlager.
Was dem Feinde nur
irgendwie von Nutzen
hätte fein können, war
von den Deutschen ver-
nichtet worden. Häuser-
reste und Deckungen wur-
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für
VI. Band.
den gesprengt; jeder Schritt vorwärts führte den Feind in
neue, geschickt angelegte deutsche Hinterhalte hinein. Hoch
war der Blutzoll, den die Deutschen auch jetzt noch für jedes
Vordringen in das aufgegebene Gebiet verlangten. Die
englische Artillerie, die das ganze Gelände mit Granaten
zudeckte, vermochte nicht, die verwegenen deutschen Abtei-
lungen zu vertreiben, die, tagelang auf sich selbst angewie-
sen, in dem geräumten Gebiet versteckt waren. Solange
diesen Munition und spärliche Nahrung zur Verfügung
stand, und solange die Engländer nicht ganz außerordentlich
überlegene Kräfte zu ihrer Überwältigung ansetzten, nach-
dem sie vorher unter großen Opfern festgestellt hatten, wie
und wo Massenangriffe gegen die verborgenen deutschen
Truppen anzusetzen wären, ließen die Verteidiger den Feind
in Stacheldrahtgassen und andere Hindernisse, die genau in
dem Schußfelde der Maschinengewehre lagen, hineinschlüp-
fen und hämmerten ihn dann unbarmherzig nieder.
Allmählich hörten die Engländer auch auf, von Siegen
zu berichten. Auf die Frage nach der Siegesbeute blieben
sie die Antwort schuldig. Das war kein Wunder, denn es
gab in den deutschen Stellungen keine Beute. Geringe
Reste der allertapfersten und kühnsten Abteilungen, die
\ Deutscher Beobachtungsposten auf einem Kirchturm im Westen.
Nach einer Originalzeichnung von Professor Ernst Liebermann,
den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.
— --- - - - 31
242
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
buchstäblich ihre Stellungen bis zum Äußersten verteidigten,
wurden gefangen genommen, aber mit diesen einzelnen
Leuten konnte man doch keinen Sieg auf einer Zwanzig-
kilometerfront beweisen. Die Deutschen dagegen brachten
bis zum 28. Februar an der Aucre 11 Offiziere, 174 Mann
und 4 Maschinengewehre ein. Das Vorfeld der deutschen
Stellungen war an diesem Tage noch völlig in der Ge-
walt der deutschen Truppen. Ihre überlegene Schulung
im Bewegungskampfe, der zu ihrer Genugtuung einst-
weilen in dem geräumten Gebiete ausschlaggebend war,
gab ihnen zu kühnen Handstreichen reiche Gelegenheit und
kostete den Engländern viele Mannschaften. Vor allem be-
herrschte auch die deutsche Artillerie das preisgegebene Ge-
lände bis in' den letzten Winkel. Eine feindliche Batterie,
die bei Warlencourt in Stellung gehen wollte (siehe Bild
Seite 247), zog im Nu deutsche Granaten auf sich und
wurde vollkommen vernichtet.
Die Engländer wollten sich dann auch über die ge-
räumten Linien, die über Bapaume hinaus einen nun aus-
geglichenen Vorsprung der deutschen Stellungen gebildet
Die Franzosen hatten den Engländern den nördlichen
Teil der Front, etwa bis Rohe, überlassen und dadurch
Mannschaften freibekommen, die sie nun zur Verstärkung
ihrer übrigen Stellungen verwendeten. Auf ihrer verkürzten
Front wurden sie allmählich lebhafter und setzten zahlreiche
und starke Erlundungsstöße an. Die Deutschen gaben ihnen
in dieser Hinsicht nichts nach. An der Straße Etain—Ver-
dun fielen sie am 3. März in die französischen Grüben ein
und holten daraus 3 Maschinengewehre und über 100 Ge-
fangene.
Noch schwerer wurden die Franzosen am Ostufer der
Maas gefaßt. Am Courriöreswald brachen die Deutschen
nach kräftiger Artillerievorbereitung in etwa 1300 Metern
Breite gegen die französischen Stellungen vor und fügten
den Feinden schwere Verluste zu. 3 Offiziere und 306 Mann
mußten den Deutschen in die Gefangenschaft folgen, die
außerdem 6 Maschinen- und 24 Schnelladegewehre erbeu-
teten. Zu derselbeu Zeit führten die Deutschen auch einen
erfolgreichen Sturm am Fosseswalde aus, durch den sich
die Gesamtbeute des Tages auf 578 Gefangene, 16 Ma-
■
"' s
Phot. Franz Otto Koch, Berlin.
Das Schlachtfeld von Soyecouvt an der Somme. Französische Schützengräben und Granattrichter in allen Größen; links schlagen deutsche Granaten ein.
hatten, vorschieben. Bei Le Transloy und Sailly griffen sie
am 23. Februar nach starker Feuervorbereitung mit großen
Massen an; ihre hartnäckigen Versuche scheiterten jedoch fast
durchweg. Nur an einzelnen Punkten kam der Feind in die
deutschen Gräben der vordersten Linie hinein. Der nächste
Tag brachte ihm aber auch dort die Vernichtung oder Gefan-
genschaft. An dieser Stelle und im Ancregebiete wurden
30Engländer gefangen und 3 Maschinengewehre eingebracht.
Am 1. März kämpften die Engländer mit dem gleichen
Mißerfolg bei Ppern, Arras und Souchez. Die "Jnfan-
teriegefechte des nächsten Tages waren zu beiden Seiten
der Ancre ungewöhnlich heftig; die Engländer verloren
dabei 60 Gefangene und 8 Maschinengewehre. Auch bei
Gommecourt büßten sie Tags darauf Gefangene und 2 Ma-
schinengewehre ein. Bei Bouchavesnes wagten sie am
4. März auf einer Breite von 2 Kilometern einen größeren
Sturmangriff. Sie gelangten in die vorderste deutsche
Linie hinein, wurden dort aber von beiden Flanken her
im Gegenangriff gefaßt und mit großen Verlusten zu-
rückgeschlagen. Westlich von Wytschaete konnten die
Engländer am 8. März nicht verhindern, daß die Deut-
schen in ihre Gräben eindrangen und sich daraus 37 Gefan-
gene, 2 Maschinengewehre und einen Minenwerfer holten.
schinen- und 25 Schnelladegewehre erhöhte. Die Verluste
der Angreifer waren dagegen unbedeutend.
Zahlreiche, von den Franzosen in ununterbrochener
Folge Tag und Nacht unternommene Versuche, ihren
Gegnern das gewonnene Gelände streitig zu machen, miß-
langen ausnahmslos. Mit besonders starkem Aufwand an
Artillerie bereiteten die Franzosen am 6. März einen sorg-
fältig angelegten Stoß gegen die neuen deutschen Stel-
lungen am Courriöreswald vor. Von fünf Uhr dreißig Mi-
nuten bis sieben Uhr nachmittags toste ein schweres Trommel-
feuer über die deutschen Linien hin, nach dem die Franzosen
ihrer Sache sicher zu sein glaubten. Sie hatten sich aber
getäuscht, denn ihre Angriffe wurden schon im deutschen
Vernichtungsfeuer erstickt.
Am 8. März gingen die Franzosen mit starken Kräften
an zwei vielumstrittenen und wichtigen Punkten vor: an
der Höhe 304 und an der Höhe 185. Gegen den Süd-
hang der Höhe 304 auf dem linken Maasufer stürmten sie
abends an, sie wurden aber abgefangen und blutig heim-
geschickt. Gleichzeitig hatten die Deutschen in der Nähe,
am Walde von Avocourt, ein eigenes, kleineres Unter-
nehmen angesetzt, das sie glücklich durchführten und das
ihnen ohne eigene Verluste 6 Gefangene und 2 Maschinen-
gewehre einbrachte. Der
französische Vorstoß an
der Höhe 185 bei Ripont
blieb ebenfalls erfolglos.
Südlich von dem Orte
lag anf den deutschen
Linien ein ungemein
heftiges Feuer, das sich
gegen drei Uhr zum
Trommelfeuer steigerte.
Eine Stunde später setz-
ten die Franzosen einen
Angriff an, durch den
sie die ihnen von den
Deutschen am 15. Fe-
bruar abgenommenen
Stellungen zurücker-
obern wollten. Unter
dem Druck stark über-
legener französischer
Streitkräfte konnten die
Deutschen Erabenteile
am Südost- und Süd-
westabhang der Höhe
nicht halten. Diese ge-
hörten zu der früheren
vierten französischen Li-
nie, lagen also den Fran-
zosen am nächsten. Aber
auch dort schafften sich
die Deutschen durch so-
fort eingeleitete Gegen-
stöße wieder Raum; nur
die Champagne - Ferure
und ein westlich davon
gelegenes Grabenstück
blieben im Besitz der
Franzosen. Die Höhe 185
selbst vermochten sie je-
doch nicht wieder einzu-
nehmen. Um die Ferure
wurde am nächsten Tage
noch erbittert gerungen;
sie wechselte mehrmals
den Besitzer. In der
Champagne, bei Pros-
nes, tauchten sogar Rus-
sen unter französischer
Führung auf; sie holten
sich aber bei ihrem An-
griffe ebenso blutige
Köpfe wie schon so oft
in ihrer Heimat bei ähn-
lichen Gelegenheiten.
Den kräftigsten Schlag
des gefechtsreichen Tages
führten die Deutschen am
Courrioreswalde, wo sie
nach kurzem Artillerie-
feuer in die feindlichen
Linien einfielen, zahl-
reiche Franzosen nieder-
machtenund nach völliger
Zerstörung der feind-
lichen Verteidigungsan-
lagen mit 6 gefangenen
Offizieren und 200 Mann
sowie 2 Maschinenge-
wehren zurückkehrten.
Auch an zahlreichen an-
deren Orten kam es gu
Zusammenstößen, so bei
Reims und Flirey.
Eine blutige Abwei-
sung erfuhren die Fran-
zosen am 10. März bei
neuen Angriffen aus die
Höhe 185. Gerade an
diesem Punkt hatten die
Deutschen mit ihrem Er-
Ansicht der Dorfstraße von Le Transloy.
Ein Teil der Straße Bapaume—Le Transloy—Peronne.
Ein französisches Dorf im Sommegebiet, das dauernd unter englischem Artilleriefeuer lag.
Bilder aus dem von den Deutschen freiwillig geräumten Gebiete zwischen Bapaume und Peronne.
Nach Ausnahmen der Photothek, Berlin.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
244
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
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folg im Februar anscheinend einem
großzügigen französischen Angriff den
Boden entzogen, denn sie entdeckten
weit vorgeschrittene Vorbereitungen
zu einem Gasangriff von riesigem
Umfang. Weitere Anzeichen kün-
deten auf allen Teilen der West-
front die Einleitung großer Unter-
nehmen an.
Hierzu gehörten auch die häufiger
werdenden Fliegerkämpfe.
Am 25. Februar stiegen auf beiden
Seiten gegen Mittag, als die Sonne
die Dunst- und Wolkenmassen durch-
brach, die Geschwader auf, um den
Tag zu nützen. In: Verlauf der
sich sehr,bald an den verschiedensten
Punkten der Front entfesselnden
Luftgefechte vernichteten die Deut-
schen 7 Flugzeuge der Feinde (siehe
Bild Seite 260); zwei davon wur-
den aus einem englischen Geschwa-
der herausgeholt, das Saargemünd
anzugreifen suchte.
Noch ereignisreicher war der
4. Mürz, der den Feinden nicht we-
niger als 13 Flugzeuge kostete. Von
diesen wurde vor Arras und an der
Somme allein ein Dutzend herunter-
geholt. Der deutsche Verlust an
jenem Tage stieg nicht über 4 Flug-
zeuge. Viel Glück hatte der Vize-
feldwebel Mauschott, der nördlich
von Verdun seinen achten Gegner
abschoß und außerdem einen Fessel-
ballon vernichtete, der südlich vom
Bellevillerücken brennend abstürzte.
Am gleichen Tage wurde auch
der wichtige russische Bahnhof Molo-
deczno von Fliegern mit 500 Kilo-
gramm Bomben beworfen und an
der mazedonischen Front von einem
deuischen Geschwader ein Angriff
auf feindliche Munitionslager nörd-
lich von Saloniki ausgeführt.
An der Westfront war dann wie-
der der 6. März für die Flieger ein
Kampftag erster Ordnung. Allein
zwischen Lens und Arras wurden
140 feindliche Flieger gezählt, von
denen die Deutschen sieben zur
Strecke brachten. Ebensoviele Flug-
zeuge holten ihre Luftstreitkräfte an
Somme und Ancre herunter; ein an-
derer Apparat fiel den deutschen Ab-
wehrkanonen zum Opfer. Somit
büßten die Feinde wieder 15 Flug-
zeuge ein, während die Deutschen
nur eins verloren.
Nördlich von Arras durchbrach
am 10. März ein englisches, aus
7 VikkerseinsihernbestehendesKampf-
gefchwader die deutsche Sperrfeuer-
zone; es wurde südlich von Lens
von deutschen Fliegern zum Kampf
gestellt und um 4 Flugzeuge ver-
mindert. Im ganzen kosteten die
Unternehmungen dem Feinde an
diesem Tage 6 Flugzeuge, die hinter
den deutschen Linien und vier, viel-
leicht sogar sechs weitere, die hinter
seinen eigenen Linien abstürzten.
Leutnant Freiherr v. Nichthofen be-
siegte am gleichen Tage seinen fünf-
undzwanzigsten Gegner, Leutnant
Schäfer seinen siebenten. Vizefeld-
webel Manschott schoß bei Belrupt
wieder einen Fesselballon der Feinde
in Brand, einen zweiten vernich-
Nach einer englischen Darstellung, tele Leutnant Albert bei Suippes.
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55as Kampfgebiet an der Somme und Ancre aus der Vogelschau.
246 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Die deutschen Marineflieger waren nicht weniger
tätig. Ihnen lag hauptsächlich die Pflicht ob, die Vorgänge
auf der Me zu beobachten, was seit dem Beginn der deut-
schen Seesperre besonders wichtig war. Mit dieser Er-
kundungstätigkeit verbanden sie auch Angriffe auf feindliche
Schiffe'und englische Hafenplätze. Am 1. März schleu-
derten sie auf die in den Downs, dem oftgenannten Punkt
in der Nähe der Themsemündung, liegenden Handels-
dampfer Bomben ab und schädigten mit solchen auch den
befestigten englischen Platz Namsgate. —
Einen herben Verlust erlitt die deutsche Luftschiffahrt
am 8. Mürz, an dem der tatkräftige Erfinder der Zeppelin-
luftschiffe, Ferdinand Graf v. Zeppelin, in Berlin an den
Folgen einer Lungenentzündung im hohen Alter von
78 Jahren starb. Ganz Deutschland betrauerte diesen Mann,
der so Großes geleistet hatte, und dem es nicht vergönnt
war, das Ende des großen Krieges zu erleben, dessen für
die Mittelinächte günstiger Verlauf zu einem nicht geringen
Teile seiner Erfindung mit zu danken war.
* *
*
Beachtenswerte Ereignisse spielten sich auch wieder im
Seekrieg ab. In der Nacht zum 26. Februar erfolgte
ein neuer Vorstoß deutscher Torpedobootstreitkräfte (siehe
die Kunstbeilage) unter Führung der Korvettenkapitäne
Tillefsen und Albrecht (siehe Bild Seite 24S) bis über die
Linie Dover—Calais und in die Themsemündung. Im
Kanal entspann sich zwischen ihnen und englischen Zer-
störern ein heftiger Artilleriekampf, in dessen Verlauf
mehrere englische Schiffe durch Treffer beschädigt wurden,
was sie veranlaßte, auf die Fortsetzung des Gefechts zu
verzichten und ihr Heil in schleuniger Flucht zu suchen.
Ein Teil der deutschen Boote gelangte, ohne Feinde zu sich-
ten, bis nach North Foreland und in die Downs. Die militä-
rischen Küstenanla-
gen von North Fore-
land und die Stadt
Margate wurden be-
schossen, wobei auch
einige vor Anker lie-
gende Fahrzeuge mit
gutem Erfolg unter
Feiler genommen
wurden. Sämtliche
Boote kehrten un-
versehrt zurück.
Viele Opfer for-
derte wieder der un-
ein ge schränkte
Tauchbootkrieg.
Das Wirken der U=
Boote erregte in
England große Be-
sorgnis und war die
Ursache großer Ein-
schränkungen aller
Art, die sich die Eng-
länder nun gefallen
lassen mußten. Nach
dem deutschen Be-
richt gingen im Fe-
bruar , dem ersten
Monat des verschärf-
ten b>-Bootkrieges,
infolge kriegerischer
Maßnahmen der
Mittelmächte im
ganzen 368 Handel-
schiffe mit 781 500
Bruttoregisterton-
nen verloren. Da-
von eiltfieleil 292
Schiffe mit 644000
Tonnen auf die
Feinde und 76 Schif-
fe nnt 137 500 Ton-
nen auf die Neu-
tralen.
Die Verluste der
Feinde während des
L'/sjührigen Seekriegs vom 1. August 1914 bis zuni
81. Januar 1917 berechnet und erläutert Or. Siegfried
Toeche Mittler in einer kleinen Schrift: „2'/, Jahre Ver-
luste unserer Feinde zur See" nach einer in der Frailfurter
Zeitung gegebenen Zusammenstellung folgendermaßen:
Kriegschiffe Hilfskriegschiffe Handelschiffe
Erstes Jahr
80 nrit 329 481 t 9 mit 57 808 t 498 mit 803 564 t
Zweites Jahr
97 mit 319449 t 26 mit 83758 t 692 mit 1483819 t
Drittes Jahr (6 Monate)
84 mit 163 320 t 11 mit 98875 t 771 mit 1310995 t
211 mit 812 250 t 46 mit 240 441 1 1961 mit 3 598 378 t
Die Zahl 3598378 für Handelschiffe umfaßt nur die
mit Namen bekannt gewordenen Schiffe. Hierzu sind
weitere 373831 Tonnen für nicht mit Namen genannte,
aber amtlich bestätigte Verluste zu rechnen. Um die Ge-
samtzahl der durch kriegerische Maßnahmen vernichteten
Handelschiffe zu erhalten, müssen die 240441 Tonnen der
vernichteten Hilfskriegschiffe, sowie die 189000 Tonnen der
in Häfen der Mittelmächte beschlagnahmten feindlichen
Handelschiffe hinzugerechnet werden. Die Gesamtzahl der
Tonnage der Handelschiffe beträgt somit nach 2'/- Kriegs-
jahren: 4401660 Tonnen, das heißt nach Toeche Mittlers
Berechnung 16,7 Prozent der Gesamtha,.delschiffstonnage
der Feinde im Jahre 1914. Aus einer graphischen Dar-
stellung sei noch erwähnt, daß der Houptanteil der ver-
nichteten Handelstonnage auf die Schiffe zwischen 3000
und 4000 Tonnen entfällt.
Doch auch den Tauchbooten selbst drohten mancherlei
Gefahren. So hatte am 22. Februar ein deutsches ki-Boot
einen Kampf mit einem als O-Bootfalle hergerichteten
englischen Tankdampfer zu bestehen, worüber wir Einzel-
heiten in dem besonderen Artikel „Eine O-Bootfalle" auf
Seite 248 berichten. Das Boot hatte während stines
Streifzuges zusammen mit einem anderen, das um dieselbe
Zeit Zurückkehrte, 22 Schiffe mit 64500 Tonnen Fracht-
raum versenkt. Dabei waren den Feinden unter anderem
auch 8800 Tonnen Granaten verloren gegangen.
Wie unzureichend alle Verteidigungsmittel gegen die
O-Boote waren, bewies der Umstand, daß die Tätig-
keit der Boote nicht ab- sondern zunahm. Täglich fügten
sie den Feinden schweren Schaden zu. Am 25. Februar
wurde der 18 099-Tonnen-Dampfer „Laconia" der Cu-
nardlinie torpediert, der erst 1912 vom Stapel gelaufen
war. Jenes O-Boot, das in der Nordsee am 27. Januar
einen erbitterten Kampf mit einem englischen Hilfskreuzer
zu bestehen gehabt hatte und schließlich in der Nähe der
norwegischen Küste unterging, hatte bis zu diesem Augen-
blick im Eismeer neun stark bewaffnete russische Dampfer
zur Strecke gebracht, die von Rußland in Südamerika ge-
kauft worden waren und den russischen Hafen Romanow
ansteuern wollten. Das deutsche O-Boot, das am 12. Fe-
bruar nahe der Adourmündüng in Südfrankreich auf-
getaucht war, traf wohlbehalten wieder in Deutschland
ein und meldete, daß es auf seiner Fahrt Schiffe von zu-
sammen 37 500 Bruttoregistertonnen versenkt hatte. Am
3. März wurde bekannt, daß weitere 41 Schiffe mit ins-
gesarnt 91000 Tonnen zerstört worden waren, und am
7. März winde gemeldet, daß auch im Mittelmeer wieder
40 000 Tonnen verloren gingen. Zu dieser Beute kamen
am 9. März noch 32 000 Tonnen und am 10. März weitere
42 117 Tonnen.
Aber nicht nur auf den Atlantischen Ozean und das
Mittelmeer blieben die Schiffsverluste beschränkt; die Be-
fürchtungen der Feinde wegen ihrer Schiffahrt im Indi-
schen Ozean erhielten durch die Versenkung zweier eng-
lischer Dampfer bei Colombo, also in der Nähe der indi-
schen Küste, ihre Bestätigung. Carson mußte im eng-
lischen Parlament mitteilen, daß Küstengebiete von Süd-
afrika, ferner der Golf von Aden und indische Gewässer
mit Minen verseucht seien. Die Gefahr zur See nahm
nun also auf allen Weltmeeren für England bedrohliche
Formen an.
Von Kriegschiffen büßten die Feinde im Monat Februar
mindestens vierzig kleinere Vorpostenfahrzeuge ein. Am
1. März sank ein englischer Zerstörer, der vermutlich auf eine
Mine gelaufen war. Ein deutsches L'-Voot vernichtete am
28. Februar im Mittelmeer den französischen Torpedoboot-
Englisches (ReschüH tuicb durch den vom Regen ausgetverchlen und von unzähligen Granalen durchtvühllen Noden an der 2ö»eslsronl !n Slellung gedrachl.
Nach einer englischen Darstellung.
£48
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Zerstörer „Cassini". Ferner sollte Anfang Januar irn Mittel-
meer vor Port Said ein großer russischer Kreuzer auf eine
Mine gelaufen sein, und von dem russischen Panzerkreuzer
„Rurit" wurde berichtet, daß er im Finnischen Meerbusen
ebenfalls durch ein Minenunglück schwere Beschädigungen
erlitten habe.
* *
*
In Amerika trat Wilson am 2. März mit einer „Ent-
hüllung" an die Öffentlichkeit, in der Absicht, den Kongreß
zu überrumpeln und ihn für seine Absichten geneigt zu
machen. Er teilte mit, daß Deutschland die Mexikaner, und
auf dem Umweg über sie auch die Japaner/ zu einem
Bündnis aufgefordert hätte, das gegen Amerika gerichtet
sein sollte. Die deutsche Regierung Machte kein Hehl dar-
aus, daß sie einen ähnlichen Plan gehabt hätte. Danach
hatte der deutsche Gesandte Eckhardt in Mexiko den Auf-
trag, mit Vorschlägen an die mexikanische Regierung heran-
zutreten, wenn der Kriegszustand zwischen Amerika und
Deutschland sicher eingetreten sein würde. Für einen solchen
land genommen hatte. Seine Absicht, Amerika zugunsten
Englands in den Krieg zu verwickeln, trat immer deut-
licher hervor; er bedauerte nur, daß er noch so viele
Widerstände überwinden mußte. Auf denr Wege über eine
sogenannte „bewaffnete Neutralität" wollte er das Land
langsam in den Krieg hineingleiten lassen.
Wilson mußte jedoch erkennen, daß sich das nicht ohne
weiteres bewerkstelligen ließ. Ein Dutzend Senatoren unter
Führung des Senators Stone machte ihm einen Strich durch
die Rechnung, indem sie die Tatsache, daß die Geschäftsord-
nung des amerikanischen Senates keinen Schluß der Debatte
kannte, zusammen mit dem formellen Ablauf der Präsident-
schaft Wilsons, die am 3. März mittags zwölf Uhr zu Ende
ging, ausnutzten, um den Plan des Präsidenten vorläufig
zum Scheitern zu bringen. Sie dehnten ihre Reden mit
beachtenswerter Beharrlichkeit bis zu einem Zeitpunkte
aus, zu dem auch die gesetzliche Wirksamkeit des amerika-
nischen Parlaments ablief. So war wieder Zeit gewonnen.
Wilson ruhte freilich nicht. Schon in seiner Rede, die er
zu Beginn der neuen Präsidentschaft hielt, griff er die
Korvettenkapitän Konrad Albrecht, Kapitänleutnank Hans Walter, Oberleutnant z. S. Otto Steinbrinck,
Führer eines Teils der deutschen Torpedobootstreit- der für die Versenkung des französischen Linien- einer der erfolgreichsten deutschen I7-Bootkomman-
kräfte, die in der Nacht vom 26. zum 26. Februar bis schiffes „Suffren" den Orden Pom: le Mörite bauten, der das Ritterkreuz des Hohenzollerischen
über die Linie Dover—Calais und in die Themse- erhielt. Hausordens mit Schwertern und den Orden Pour
Mündung vordrangen. 1ö Merite erhielt.
Fall sich rechtzeitig nach Buudesgeuossen umzusehen, war
Deutschlands gutes Recht und es wurde ihm von den
einsichtigen Neutralen auch nicht bestritten.
Wie die amerikanische Regierung aber von der Weisung,
die auf geheimem Wege erteilt worden war, und von dem
Schlüssel zu der Geheimschrift Kenntnis erhalten hatte, war
nicht festzustellen, aber zweifellos lag auf amerikanischem
Boden begangener Verrat vor. Wilson kannte das Ge-
heimnis auch bereits, ehe der uneingeschränkte kl-Boot-
krieg eingeleitet wurde; damit ergab sich, daß Wilson diesen
nur als Vorwand zum Abbruch der Beziehungen zu Deutsch-
dem Frieden geneigten Senatoreil an und verlangte eine
Änderung der Geschäftsordnung, nach der es einer Zwei-
drittelmehrheit des Parlaments möglich sein sollte, den
Schluß der Aussprache herbeizuführen. Die Freunde Eng-
lands arbeiteten fieberhaft, bis die Änderung der Geschäfts-
ordnung schließlich durchgesetzt wurde. Wilson entdeckte
dann plötzlich, daß er aus eigener Machtvollkommenheit be-
rechtigt sei, Handelschiffe bewaffnen zu lassen. Er zögerte
auch nicht, die Bewaffnung durchzuführen, womit er dem
Kriege schon wieder einen Schritt näher kam.
«Fortsetzung folgt.)
Illustrierte Kriegsberichte.
Eine U-Bootfalle.
«Hierzu dab Bild Seite 249.)
Vor dem Westausgang des Kanals und südlich von
Irland ist schon eine große Zahl feindlicher und neutraler
Handelschiffe durch deutsche bi-Boote versenkt worden. Die
nach dem Kanal, der Irischen See und den walisischen
Kohlenhäfen bestimmten Schiffe müssen dieses Gebiet durch-
fahren. England möchte ihnen gern andere Wege zuweisen,
aber dann würde der größte Teil der Ein- und Ausfuhr
lahmgelegt werden, weil die übrigen Häfen den Verkehr
nicht bewältigen können. Wohl stockte hier mitunter die
Schiffahrt für kurze Zeit, wenn die bl-Boote gar zu emp-
findlich gewirkt hatten, aber nach wenigen Tagen mußten
250 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Berk. Jllustrat.-Ges. m. b. H.
Doppelnrotoriger französischer Caudron. im Luftkampf abgeschossen.
die Fahrten notgedrungen wieder aufgenommen werden.
Die in flachen und engen Gewässern angewandten Ab-
wehrmittel gegen die l5-Boote waren hier nicht zu ge-
brauchen; man mußte auf neue Maßnahmen sinnen und
fand sie in den heimtückischen sogenannten 1)-Bootfallen.
Nur schnellstes Tauchen kann die Boote vor der Vernichtung
durch eine solche Falle retten; doch nicht immer gelingt das.
„bl 27" wurde in diesen Gewässern durch die „Baralong-"
Mörder vernichtet, und auch das Grab Weddigens müssen
wir in dieser Gegend suchen. Daß die Engländer dort
weiterhin mit kt-Bootfallen arbeiteten, beweist das Erlebnis
eines O-Bootes, das am 22. Februar 1917 um ein Haar
das Opfer einer solchen Falle geworden wäre.
Von Westen kam ein mittelgroßer Dampfer heran, schon
von weiten: durch den im Achterschiff stehenden Schornstein
als Tankdampfer kenntlich. Das Schiff fuhr in dem von
den Deutschen als gesperrt erklärten Gebiet; kaum war es
in Schußweite, als es auch schon von dem 11-Boot durch
Granatschüsse etwas unsanft zum Stoppen veranlaßt wurde.
Die Mannschaft kletterte eiligst in die Boote und ruderte
davon. Unter Wasser näherte sich das bl-Boot und tauchte
500 Meter vom Schiff wieder auf, da auf dessen Deck weder
Kanonen noch Menschen zu sehen waren. Die Luken waren
eben geöffnet worden, als aus vier verborgenen Geschützen
des Dampfers Granaten heranheulten, die das Boot an
mehreren Stellen trafen. Schnell tauchte es unter. Die
Mannschaften in den inzwischen zurückgekehrten Schiffs-
booten warfen zwei Wasserbomben nach dem II-Boot, die
auf dessen Turm und Rumpf aufschlugen. Die erhaltenen
Beschädigungen an den Rudern und an wichtigen Appa-
raten zwangen es dann, nach kurzer Zeit in etwa 2500
Meter Entfernung von der Falle aufzutauchen. Sofort be-
gann zwischen beiden Schiffen ein Gefecht. Durch den
Kanonendonner angelockt, kam dem Dampfer ein englischer
Zerstörer zu Hilfe, der das Feuer des l)-Bootes auf sich
zog und dadurch dem Tankdampfer Gelegenheit zur Flucht
gab, so daß dieser mit seiner Mannschaft dem wohlver-
dienten Schicksal leider entging. Dem bl-Boot gelang es,
sich des Zerstörers zu entledigen, nachdem es ihm einige
Treffer beigebracht hatte. In der Nacht wurden die
Schäden des Bootes notdürftig ausgebessert, und dank der
Geschicklichkeit seiner Besatzung war es möglich, das Fahr-
zeug sicher in einen heimatlichen Hafen zu bringen.
Die Luftwaffe.
Von W. L. Fournier, Leutnant einer Feldluftschifferabteilung.
(Hierzu das Bild Seite 251.)
Die Luftschiffahrt hat dem modernen Krieg ein ganz
neues Gesicht gegeben. Selbst in dem großen Ringen
von 1870/71 und im russisch-japanischen Kriege hörte man
von ihr noch so gut wie nichts. Bei dem Entwischen einiger
Luftballone aus den be-
lagerten Festungen Paris
und Metz handelte es sich
um gänzlich nebensäch-
liche Ereignisse. Heute —
wenige Jahre später —
kann kein Heerführer die
Luftwaffe bei wichtigeren
Unternehmungen missen;
sie ist beinahe ausschlag-
gebend geworden. Be-
trachten wir nur einen
Großkampftag bei Ver-
dun oder an der Somme,
selbst der Laie wird sich
dann der Bedeutung der
Luftwaffe nicht mehr
verschließen können.
Kaum graut der Mor-
gen, so sieht man am
Horizont auf geringer
Frontbreite zehn, fünf-
zehn, mitunter noch mehr-
feindliche Fesselballone
1000 bis 1500 Meter hoch
in den Lüften hängen,
und dreht man sich um,
so findet man hinter den
eigenen Linien fast das nämliche Bild; auch hier schaukelt
eine ganze Anzahl dieser Ungetüme hoch oben im Winde.
Sie sollen beobachten und melden, was in und hinter den
feindlichen Linien vorgeht, das ist klar. Der Telephondraht
reicht bis in den Ballonkorb, leicht kann der Beobachter
der Division, der Brigade, den Batterien seine Wahrneh-
mungen einige Sekunden später mitteilen. Bei guter
Sicht kann er das Vorgelände auf 30 bis 40 Kilometer über-
sehen, keine wichtige Veränderung wird seinem scharfen
Prismenglas entgehen, und um auch für schlechtes Wetter
die Rundschau, die sich seinem Auge bietet, festzuhalten,
wird sie durch Fernphotographie auf die Platte gebannt.
Auf den vielfach vergrößerten Bildern sind die feind-
lichen Stellungen haarscharf zu erkennen. Jeder Batterie-
und Kompanieführer hat Kopien der ihn gerade besonders
interessierenden Abschnitte in seinem Unterstand, er kann sich
mit dem feindlichen Gelände genau vertraut machen und,
was die Hauptsache ist, er ist in der Lage, die versteckt auf-
gestellten feindlichen Batterien bequem niederzukämpfen.
Auch dabei leistet der Ballonbeobachter die wertvollsten
Dienste. Er steht in ununterbrochenem telephonischem Ver-
kehr mit beliebig vielen schweren Batterien, er kennt genau
jedes feindliche Ziel, das die Batterie A, B oder C be-
kämpfen will, jeder Schuß wird ihm gemeldet, er beobachtet
den Einschlag und berichtigt das Feuer solange, bis die
Schüsse im Ziel sitzen. Im Stellungskrieg oder bei der
Belagerung von Festungen kann auf Ballonbeobachtung
schlechterdings nicht mehr verzichtet werden.
Wenn die Stellungen stunden- oder gar tagelang unter
dem gröbsten Trommelfeuer liegen und ununterbrochenes
Sperrfeuer jeden Verkehr der obersten Leitung mit den
vorderen Linien unterbindet, kein Meldegänger mehr
lebendig durch diese Hölle kommt, alle Telephonverbin-
dungen ohne Ausnahme zerschossen sind, dann entsteht eine
äußerst kritische Lage, von der nicht nur das Wohl und Wehe
der Tausende, die vorn im Feuer liegen, sondern unter
Umständen das Schicksal der ganzen Schlacht abhängt. Auch
jetzt ist nur der Ballon in der Lage, den Verkehr zwischen
den vordersten Linien und der Leitung aufrecht zu erhalten.
Er empfängt und gibt durch drahtlose Telegraphie oder
durch Lichtsrgnale jede gewünschte Meldung über die Lage.
Der große Bruder des Fesselballons ist der Zeppelin.
Nicht wie jener an seinen Platz gebunden, kann er weit
besser und viel weiter nach vorn aufklären, photographieren
und wichtige Punkte ausgiebig mit Bomben belegen. Seine
größten Dienste leistet er der Marine; ihm hat der Vier-
verband nichts Gleichwertiges entgegenzustellen.
Die Tätigkeit der Flieger ist fast noch vielseitiger wie
die der Ballone. Beide müssen verständnisvoll Hand in
Hand arbeiten; einer allein leistet nur Stückwerk. Die
vielen toten Winkel, die der Ballonbeobachter nicht einsehen
und photographieren kann, erkundet der Flieger; nach seinen
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
251
Meldungen und Lichtbildern werden die Karten ergänzt,
und es sind nicht immer die unwichtigsten Batterien, die
der Flieger in diesen toten Winkeln findet. Die mannig-
faltigsten Spezialaufträge hat heute der Flieger zu erfüllen.
Die Jagdstaffeln, die Kampfflieger, sollen feindliche Flug-
zeuge, wo sie ihrer habhaft werden, vernichten; alles andere
kümmert sie nichts. Der Artillerieflieger leitet das Feuer
irgend einer schweren Batterie nach einem Ziel 30 bis 40 Kilo-
meter hinter der feindlichen Front oder in nur von ihm
eingesehenen toten Winkeln; er beobachtet die Einschläge,
meldet die Treffpunktlage und berichtigt das Feuer jo lange,
bis die Granaten das Ziel gut zudecken. Dann hat er jeinen
Zweck erfüllt. Andere Flieger belasten ihre Maschinen mit
Bomben, soviel sie tragen können, und werfen ihre ver-
derbenbringende Last auf feindliche Festungen, Hafen-
anlagen, wichtige Brücken und Viadukte, Eisenbahnzüge,
Truppenansammlungen, Munitions- oder Truppenlager, je
nach Auftrag. Wieder andere sollen nur photographieren
oder zur Absperrung der eigenen Linien über diesen fliegen,
damit es keinem feindlichen Flieger gelingt, Kenntnis von
beabsichtigten Unternehmen zu erhalten.
Wer sich heute im Krieg der Überlegenheit in der Luft-
waffe rühmen kann, hält den besten Trumpf in der Hand.
Er kann seine eigenen Pläne verschleiern und sieht dem
Gegner bequem in die Karten. Und einen Waffengang
kann nur der gewinnen, der nicht nur ahnt, sondern genau
weiß, wohin der Gegner mit seinem nächsten Schlage zielen
wird. Ein Heerführer, der seine Luftwaffe restlos auszu-
nutzen versteht, kann niemals überrascht werden. Aber in der
Überraschung liegt im Kriege bereits der Keim des Erfolges.
Das „Schloßkasino" bei Francs-Foss^s.
Von Chefarzt Dr. Vulpius (Landwehrfeldlazarett Nr. 13).
(Hierzu das Bild Sette 252/253.)
In einem vereinzelt gelegenen Landschlößchen, nicht
weit von dem in den Argonnenkämpfen vielgenannten
Dorfe Autry, hatte sich der Stab einer Reservedivision, die
den äußersten Flügel der Argonnenheeresgruppe nach
der Champagne hin bildete,- eingenistet. Das ziemlich
schmucklose Wohngebäude zeigt eine beträchtliche Breiten-
und Höhenentwicklung bei sehr geringer Tiefe, so daß es
wie eine Kulisse wirkt. Das Grundstück ist von offenen
Wassergräben umgeben, die sich nach Süden zu in einem
dem Wohngebäude unmittelbar vorgelagerten Teich treffen.
Die Gräben haben dem Besitztum seinen Namen Francs-
Fosses gegeben. Eine gewölbte Steinbrücke bildet die
Hauptzufahrt nach der durch ein hohes Elsengittertor zwi-
schen massigen Steinpfeilern abschließbaren Eebäudegruppe.
Kleinere Stege waren noch an verschiedenen Stellen
nach Bedarf von deutschen Soldaten angelegt worden.
Den Hauptschmuck des umgebenden Parks bilden — wie
bei den meisten französischen Landsitzen — Gruppen alter,
prachtvoll entwickelter Kiefern und Fichten. Sie überragen
das Wohnhaus noch beträchtlich, so daß dieses trotz seiner
schlichten Architektur, besonders wenn es sich bei warmer
Abend- oder Morgenbeleuchtung oder vom Mond beschienen
im Teich spiegelt, ein malerisch wirksames Bild bietet.
Jenseits des Teiches erstreckt sich ein langer Wiesengrund
zwischen zwei Waldparzellen hin, deren eine das Grundstück
auch von Westen her umfaßt. Sie wird durchschnitten von
einer nach der Gegend der Kampfstellungen führenden
Chaussee. Tritt man hier aus dem Wald heraus, so sieht
man, wo die Straße sich etwas hebt, nach Südwesten hin
am Horizont die heiß umstrittene Höhe 191 bei Massiges
und etwas mehr nördlich den von zahllosen Stollen und
Unterstandsbauten siebartig durchlöcherten, in eine furcht-
bare Festung umgeschaffenen Kanonenberg. Von dieser
Straße zweigt, noch vor dem Walde, eine vierreihige Allee
deutscher Pappeln nach dem Schlößchen hin ab. Zwischen
ihr und dem Waldrand breitet sich ein Wiesenstreifen aus,
auf dem gleichfalls Gruppen alter Kiefern stehen.
Hier hatte der zum Divisionstab gehörige Fernsprecher-
zug seine Wohnstätte aufgeschlagen: ein aus Birkenstämmen
errichtetes Blockhaus mit Weklblechdach, das sich gegen
Fliegersicht und Sonnenbrand unter dem Schutz und
Schatten des nahen Eichenwaldes barg. Ein Steg mit
doppeltem Birkengeländer führte über den an der Vorder-
seite vorbeiziehenden Graben nach dem in den Wiesengrund
eingewühlten, .mit Eisenschienen und dicker Erdschicht be-
deckten, vermeintlich bombensicheren Unterstand. Wie ein
Hünengrab wölbte sich dieser Maulwurfsbau hervor.
In den schönen Sommertagen des zweiten Kriegsjahres
war lange Zeit hindurch keine Veranlassung gewesen, in
diese dumpfe Erdhöhle zu flüchten, und die jungen Fern-
sprecher — meistens freiwillig eingetretene Studenten und
Abiturienten — führten unter ihrem gemütlichen Wacht-
meister ein ziemlich sorgloses und behagliches Dasein, ebenso
Ballonarrfstiegplatz bei Verdun.
~agec »Schloßkasino« der FernsprechabLeilung einer Reservedivision bei Francs-Fosscks in den Argonnen.
Nach einer Origmalzeichnung auf Grund eigener an Ort und Stelle gefertigter Skizzen von Professor Hans W. Schmidt
254
Illustrierte Geschichte des Welitrieges 1914/17.
Dromedar-Proviantkolonne in DeuLsch-Ostafvika. Phot, Photothek, Berlin.
wie die benachbarten Offiziere vom Stab mit „Väterchen",
dem Divisionär, an der Spitze, die häufig ihre Mahlzeiten
in einem Lusthäuschen des schön gepflegten Gartens ein-
nehmen konnten.
Die Fernsprecher hatten außer der im Schloßkeller ein-
gebauten Zentrale noch eine Vermittlungstation in dem
im angrenzenden Wald ausgebauten Truppenlager zu be-
dienen. Nebenher ging reihum der Hausdienst in der Block-
hütte, wobei mancher von den jungen Leuten ganz un-
geahnte Talente für Haus- und Küchenwirtschaft entwickelte.
Sie wurden nicht aus einer Feldküche gespeist, sondern
empfingen die Rohmaterialien für ihre Verpflegung zu
eigener Zubereitung. Dabei wurden sie vom zuständigen
Proviantamt vorzüglich bedacht, denn mit Fernsprechern»
die einem den Verkehr so sehr erleichtern oder erschweren
können, sucht man sich immer gut zu stellen.
Die Beschaulichkeit dieses Kriegsidylls wurde aber gerade
als der Sommer zum Herbst sich wendete, rauh unter-
brochen. Die große französische Herbstoffensive in der
Champagne griff auch auf das Kampfgelände der rten Di-
vision herüber und es zeigte sich, daß der französische Flieger,
der fast an allen klaren Abenden über Francs-Fossös seine
Runden gezogen, die taktische Bedeutung dieses Punktes
richtig erkannt hatte.
Mit weittragenden Geschützen nahmen die Franzosen
das Schloß unter wirksames Feuer, so daß der Stab ebenso
wie die Fernsprecher in ihren mehr oder weniger sicheren
Unterständen — „Heldenkeller" genannt — Zuflucht suchen
mußten. Große und kleine Granattrichter sah man danach
auf der Wiese vor dem Blockhäuschen, das selbst jedoch nur
geringen Schaden durch kleinere Sprengstücke genommen
hatte. Einige Blindgänger wurden später noch ausgegraben.
Zu gleicher Zeit war
der nahegelegene Bahn-
hof Autry beschossen und
mehrere dazu gehörige
Magazine völlig zerstört
worden. Hier nun fan-
den die Fernsprecher das
Material: Bretter und
Stollen, deren sie zum
besseren Ausbau ihres bis
dahin sehr luftigen Quar-
tiers dringend für den
Winter bedurften. Un-
verdrossen zimmerten sie
wochenlang, bis sie in ihr
Häuschen eine Decke ein-
gezogen, alle Wände ver-
schalt und sogar mit Sack-
leinwand bespannt hat-
ten. Photo gravüren und
Buntdrucke aus illu-
strierten Zeitschriften in
sauberen, selbstgefertigten
Rähmchen zierten die
Wände. Schließlich kam das Einweihungsfest des „Schloß-
kasinos" , wie sie ihr schön hergerichtetes Heim mit be-
rechtigtem Stolz benannt hatten. Da gerade ein Thü-
ringer den Küchendienst versah, wußte er seine Kameraden
zu überzeugen, daß es kein besseres Festmahl geben könnte
als rohe Kartoffelklöße mit Sauerbraten.
Immer wieder aber kreiste der unheimliche Vogel über
dem Schloß, so daß der Divisionstab anfing, sich dort un-
behaglich zu fühlen. Er zog sich deshalb in ein weiter rück-
wärts gelegenes Dörfchen zurück. Als dann die Bäume
kahl wurden, konnte trotz aller Vorsicht das im nahen Wald-
truppenlager sich abspielende Leben dem Flieger nicht länger
unbemerkt bleiben, und so wurde dieses sowie das Schlöß-
chen abermals in der Nacht vom 3. zum 4. Januar 1916
mit einem Hagel von mehr als zweitausend Granaten aller
Kaliber überschüttet. Auch diesmal gelang es den Fern-
sprechern, noch rechtzeitig in ihren 2 Fuß hoch voll Wasser
gelaufenen Unterstand zu flüchten, ehe eine Granate in
nächster Nähe des Blockhäuschens einschlug und dieses an
vielen Stellen durchlöcherte.
Die Fernsprecher gaben nun ihr zerfetztes „Schloß-
kasino" auf und siedelten in das noch wenig beschädigte
Erdgeschoß des Schlößchens über. Gleichzeitig begannen
sie für ihre Station den Bau eines wirklich bombensicheren
Unterstandes aus Eisenbeton. Nach monatelanger, unsäg-
lich mühsamer Arbeit war die neue Zufluchtstätte fertig
und eingerichtet, da erwies sich auch diese Mühe wieder als
vergebens: die Station wurde verlegt.
Das Schlößchen ist seitdem fast ganz verödet und ver-
wüstet, die Nebengebäude sind völlig abgetragen, das
„Schloßkasino" ist zusammengefallen und als Brennholz
verbraucht worden. Nur der Erabenfteg mit Birkenge-
länder Zeugte im Herbst
1916 noch von ent-
schwundener Pracht und
dem kameradschaftlich-
fröhlichen Kriegsleben,
das über ihn ein- und
ausgezogen war.
Die Kämpfe am
Kilimandscharo
im März 1916.
»Hierzu die Bilder Seite 254—256,
sowie in Band IV Seite 368—369.»
Wer den Verlauf der
für die deutsch-ostafri-
kanische Schuhtruppe so
ruhmreichen Verteidi-
gungskämpfe am Kili-
mandscharo im März1916
war man bisher noch
ziemlich im unklaren. Es
lagen nur Meldungen
von feindlicher Seite vor,
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
255
auf denen auch unser Bericht in Band IV, Seite 368
fußt. Inzwischen sind weitere Einzelheiten über dieses
schwere Ringen bekannt geworden.
Die heftigen, für die deutsche Schutztruppe größtenteils
glücklichen Gefechte, die sich im Februar 1916 östlich vom
Kilimandscharo und ander Ugandabahn auf britischem Boden
ereigneten, bildeten gewissermaßen das Vorspiel zu dem
Entscheidungskampf am Kilimandscharo im März. Unter
dem starken Drucke überlegener feindlicher Streitkräfte hatte
sich der Hauptteil der Schutztruppe Mitte Februar wieder
auf seine am linken Ufer des Lumi gut angelegten Haupt-
stellungen zurückgezogen.
Die Engländer trafen schon im Februar große, um-
fassende Vorbereitungen für ihren Angriff auf diese Stel-
lungen. Bis gegen das Ende des Februars hatten sie
riesige Mengen von Kriegsbedarf, wie schwere Geschütze,
zahlreiche Feldgeschütze» Panzerautos, Lastkraftwagen, Flug-
zeuge, Munition und anderes herbeigeschafft und rund
60 000 Mann britischer, meist berittener Truppen zum An-
griff zusammengezogen. Diese waren aus Engländern,
Südafrikanern, Indern und Negern unter dem Oberbefehle
geschlossen werden wollte. Aber ungebrochenen Mutes und
in vollster Ordnung ging die Truppe an der Üsambara-
bahn entlang bis zu dem mit dichten Buschwäldern be-
standenen Ruwufluß zurück, wo sie neue starke Stellungen
einnahm.
Wie schwer der Feind um den Besitz des Kilimandscharo-
gebietes ringen mußte, gibt ein Tagesbefehl des Generals
Smuts an seine Truppen wieder. Es heißt darin: „Am Ende
der Woche, die mit den militärischen Operationen des 7. März
begann, wünsche ich den Offizieren und Mannschaften der
Streitkräfte unter meinem Kommando für die außer-
ordentlich großen Anstrengungen und schweren Opfer zu
danken, die sie für den Erfolg unserer Waffen gebracht
haben. Am 7. März lag die feindliche Armee (!) uns in
einer außerordentlich starken Stellung gegenüber, die sich
hinter dem Lumi hinzog. Die Front dieser Stellung wurde
durch dichten Busch in einer Ausdehnung von sieben Meilen
geschützt. Zur Rechten deckten sie die Pareberge und die
Sümpfe des Ruwuflusses und des Djipesees, und zur
Linken die gefährlichen steilen Hügel am Fuße des Kili-
mandscharo. Nach einem sehr anstrengenden Nachtmarsch
Phot. Leipziger Presse-Büro.
Erkundungsabteilung der 13. Kompanie der deutsch-ostafrikanischen SchutzLruppe bei einer Aufklärungsfahrt in der Gegend von Mahenge.
des Generals Smuts, den die Generale Tighe, Verenger,
van Deventer, Hoskins und Hannington unterstützten, zu-
sammengesetzt. Angesichts dieser zwölf-bis fünfzehnfachen
Truppenübermacht war der Erfolg des Angriffes schon von
vornherein gegeben; doch so leicht» wie der Oberbefehls-
haber dachte, sollte es nicht gehen.
In den ersten Märztagen rückte die Smutssche Armee
gegen die deutschen Stellungen vor. Am Morgen des
7. März kam es zum ersten Treffen, in dem auf deutscher
Seite mit großer Erbitterung gekämpft wurde. Trotzdem
gelang es der britischen Übermacht, nach mehrstündiger
heftiger Artilleriewirkung und unter den ganzen Tag an-
dauernden Kämpfen, den linken deutschen Flügel, der
noch auf britischem Boden stand und sich an die steilen
Hügel am Fuße des Kilimandscharo anlehnte, gegen das
deutsche Gebiet zurückzudrängen. Die Angreifer mußten
schwere Blutopfer bringen, um diesen Erfolg zu erzielen;
rasch weiter vorwärts zu kommen, gelang ihnen aber
nicht. Erst als am 13. März eine berittene Burendivi-
sion von Longido her das Kilimandscharogebirge nach
Süden umritt und im Rücken der deutschen Hauptstellung
auf den Kitovohügeln erschien, war die Schutztruppe ge-
zwungen, die Stellung und die anschließenden Gebiets-
teile um den Kilimandscharo zu räumen, wenn sie nicht ein-
durch den Busch gelang es uns, früh am nächsten Morgen
den Übergang über den Lumi zu sichern. Von unseren
berittenen Truppen wurden am gleichen Tage der Chala-
hügel und einige andere Stellungen genommen, die Taveta
von Norden her beherrschten. Am 9. März wurde sowohl
Taveta als auch Salaita von uns besetzt. Der Feind zog
sich auf die starke Kitovostellung westlich von Taveta zu-
rück (freiwillig), wo unsere Reiterei am 10. März mit ihm
in Fühlung trat. AIs festgestellt war, daß der Feind die
Stellung stark besetzt hatte, erhielt am 11. März die erste
ostafrikanische und die zweite südafrikanische Infanterie-
brigade Befehl, die steilen, buschbedeckten Hügel Reata und
Latema anzugreifen, auf denen sich die Hauptstellungen des
Feindes befanden. Nach furchtbar hartem Kampfe, der bis
Mitternacht andauerte, sicherten sich Teile unserer Truppen
Stellungen auf den Hügeln, in denen sie sich zu halten ver-
mochten, bis am Sonntagmorgen, den 12. März, Ver-
stärkungen vorgeschickt werden konnten. Der Feind leistete
tapfer und hartnäckig Widerstand; die Schützengräben mußten
mehrmals genommen werden, da der Feind sie immer
wieder zurückeroberte. Es gab schweres Handgemenge und
heftige Bajonettkämpfe. Bei Tagesanbruch räumte der
Feind seine Stellungen und ließ ein Geschütz, drei Ma-
schinengewehre, Waffen und Munition in unserer Hand.
Sol (eingeborener Feldwebel) von der
Schutzkruppe in Deutsch-Ostafrika (vom
Stamm der Sudanesen) mit dem Militär-
ehrenzeichen für Tapferkeit am schwarz-
weißen Bande.
Phot. Presse-Centrale, Berlin.
256
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Montag, den 13. März, besetzte unsere berittene Brigade
Moschi (auf deutschem Gebiet) und die erste Division er-
reichte, nachdem sie das Land zwischen Meru und dem
Kilimandscharo gesäubert hatte, die Straßen zwischen Moschi
und Aruscha. Müssen
wir auch den Verlust
vieler tüchtiger Kame-
raden beklagen, so hat
der erreichte Erfolg
doch unsere schweren
Opfer gerechtfertigt er-
scheinen lassen. In-
dem ich Offizieren und
Mannschaften danke,
fühle ich mich ver-
sichert, daß die noch
bevorstehenden An-
sprüche an ihre Lei-
stungsfähigkeit in dem
gleichen Geiste getragen
werden, wie bisher."
Die britischen Trup-
pen hatten in der Zeit
vom 7. bis zum 13.März
außerordentlich schwere
Verluste; sie büßten
insgesamt ein Viertel
ihrer Streitkr äste, näm-
lich über 14 000 Mann,
ein; davon allein die
Burenreaimenter über
7500 Mann.
Infolge dieser gro-
ßen Verluste fehlte dem
Feinde die Kraft zu
einer wirksamen Ver-
folgung der zurück-
gehenden Schuhtruppe; nur zaghaft folgte er nach. Un-
gehindert konnten die deutschen Streiter die vorbereiteten
Stellungen am Ruwu einnehmen.
Erst als der Feind am 18. März den Fluß erreichte,
gab es weitere, erbitterte Kämpfe. Die deutschen Abtei-
Schausch (eingeborener Unteroffizier)
von der Schutztruppe in Deutsch-Ost-
afrika (vom Stamm der Manyema), der
sich durch hervorragende Tapferkeit aus-
zeichnete.
lungen unternahmen kräftige Gegenstöße und brachten das
langsame Vorrücken des Gegners zum Stehen. Es gelang
aber der ihnen an Zahl weit überlegenen südafrikanischen
Reiterei, den linken deutschen Flügel zu umgehen, und die
Station und den Hügel
Kahe am 20. März zu
besetzen. Dies nötigte
die Deutschen, ihre Li-
nien etwas zurückzu-
nehmen. Sie leisteten
dann aber in dem
dichten Busch erfolg-
reichen Widerstand.
Doch am 23. März
wurden die deutschen
Streitkräfte infolge
eines großangelegten
Umfassungsangriffes
veranlaßt, ihre Stel-
lung am Ruwu aufzu-
geben und nach Süden
zurückzugehen, ohne
aber vom Feinde be-
sonders belästigt zu
werden. DieUsambara-
bahn leistete ihnen da-
bei gute Dienste, so
daß das gesamte Ma-
t<erial in Sicherheit ge-
bracht werden konnte.
Auch in diesen
Kämpfen hatten die
Feinde recht empfind-
liche Verluste; sie be-
trugen einige tausend
Mann. Sonach kostete
dem Feinde die Be-
setzung des deutschen Kilimandscharogebietes über 16 000
Mann.
In der deutschen Kolonialgeschichte wird dereinst die
Beschreibung dieser heißen, erbitterten Kämpfe am Kili-
mandscharo eines der ruhmreichsten Gedenkblätter bilden.
Die Stationsquelte in Kilimatinde in Deutsch-Ostafrika.
Antim HOfpjAjr
ad) stärkerem Artillerie-und Minenwerferfeuer bei Kostanjevica verbrechenden Italiener werden von den k. u. k. Truppen mit Handgranaten und Bajonetten zurückgeworfen.
Nach einer Originalzeichnung von Professor Anton Hofsmann.
Die n>
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
»Fortsetzung.,
Die Wirkungen des uneingeschränkten It-Boot-Krieges
machten sich allmählich auch im Mittelmeer stärker bemerk-
bar, wo deutsche und österreichisch-ungarische D-Boote durch
Schiffsversenkungen und Auslegen von Minen den Ver-
kehr fast vollkommen lahmlegten. Italien sah sich immer
gründlicher von allen Zufuhren abgeschnitten. Es trat
großer Mangel an Kohlen und Lebensmitteln ein; sogar
bei der Herstellung der Munition stieß man auf erhebliche
Schwierigkeiten. Wegen des Fehlens von Heizmaterial sah
man sich in vielen oberitalienischen Städten, wie Padua,
Treviso, Mailand, gezwungen, Tausende von Bäumen zu
fällen, um der Kohlennot einigermaßen abzuhelfen. Immer
mehr drang deshalb in Italien die Auffassung durch, daß
es den Krieg nicht gewinnen könne, wenn der It-Boot-
Krieg in gleicher Schärfe aufrechter-
halten würde. Er konnte die Ursache
zu einer verhängnisvollen Verzögerung
der geplanten Offensive werden, die
nur dann aussichtsreich erschien, wenn
sie frühzeitig genug in die Wege geleitet
würde.
Aus diesem Grunde bemächtigte sich
der Italiener eine nicht geringe Auf-
regung, als schweizerische Zeitungen
von Truppenbewegungen berichteten,
die in Tirol (siehe die Bilder Seite 259)
vor sich gehen sollten und in die auch
deutsche Verbände einbezogen seien.
Sie waren deshalb eifrig bestrebt, Füh-
lung mit dem Feinde zu halten, um
von den Ereignissen nicht überrascht
zu werden. Wenn dann günstiges
Wetter die Gelegenheit zu besonderer
Feuerwirkung bot, entfesselte sich, be-
sonders im Küstenlande, stets eine
heftige Artillerieschlacht. Gelegentlich
brachen die Feinde auch mit großen Jn-
fanteriemassen vor und konnten, we-
nigstens vorübergehend, örtliche Er-
folge erzielen. Italienische Alpen-
truppen griffen nach starker Feuer-
vorbereitung am 4. März nördlich des
San-Pellegrinotales an der Tiroler
Ostfront in der Richtung auf den als
Riegelstellung wichtigen Gipfel Costa-
bella an. Die Österreicher und Ungarn
wehrten sich mit außerordentlicher
Tapferkeit gegen die feindliche Über-
macht, drängten diese mehrmals zu-
rück, mußten ihr aber schließlich doch
Raum geben, so daß die Feinde sich
dort einer Vorstellung bemächtigen
konnten.
Auf dem Col Bricon wollten die
Italiener ihre Gegner mit einem Hand-
granatenangrifs überraschen, und am
Berge Sief versuchten sie, die öster-
reichisch-ungarischen Stellungen durch
Sprengungen zu schädigen. In beiden
Fällen war ihnen kein Erfolg beschie-
den. Sie setzten dann am 6. März
auf die k. u. k. Stellung am Sief einen
Überfall an, der aber schon durch das
Sperrfeuer blutig abgewiesen wurde.
Mit wiederholten Vorstößen, auch
solchen, die sie nachts gegen die Costa-
bellastellung durchführten, hatten die
Italiener nur Mißerfolge; sie wurden
regelmäßig zurückgetrieben. Ebenso er-
ging es einer Abteilung, die an der
Mündung des Masobaches einen
Handstreich gegen die österreichisch-un-
garischen Linien ins Werk setzte. Tags
darauf blieb es an der Tiroler Front
ruhiger, so daß die Schäden an den
Stellungen ausgebessert werden konnten. Fieberhaft wurde
gearbeitet und oft genug war es nötig, daß die Truppen
ihre ganzen bergsteigerischen Fähigkeiten entwickelten, wenn
es galt, steile Wände zu erklettern (siehe untenstehendes
Bild), um zerstörte Fernsprechleitungen, die die Wacht-
kommando (siehe Bild Seite 261) mit den Truppenteilen
verbanden, wieder in gebrauchsfähigen Zustand zu versetzen.
An der küstenländischen Front holten am 7. März Sturm-
abteilungen eines Honvedinfanterieregiments wieder ein-
mal Gefangene aus der italienischen Stellung westlich von
Kostanjevica. Durch solche Teilvorstöße störten die k. u. k.
Truppen die Unternehmungen der Feinde bedeutend, die
sich gerade in diesem Abschnitte an jedem klaren Tage be-
mühten, mit Hilfe weittragender Schiffsgeschütze (siehe
Phot. Kikophot G. m. b. H
Erkletterung einer Felswand in, Hochgebirge an der Südwestfront.
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 bri Union Deutsche Berlagßgesellschast i.i Stuttgart.
Yr, Band
33
2)8
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Verl. Jllustrat.-Ges. rn° b° H.
Bild Seite 260), großer Mörser und französischer Haubitzen
die tief in den Karst hineingebohrten österreichisch-unga-
rischen Gräben und Lagerhöhlen (siehe untenstehendes Bild)
zu zermürben. Sie trieben auch Sappen vor, von denen
aus die Minenwerfer mit riesigen Massen von Sprengstoffen
das Zerstörungswerk der Geschütze vollenden sollten. Der
beabsichtigte Zweck wurde damit allerdings nicht erreicht,
denn die Österreicher und Ungarn hatten ihre Schutzeinrich-
tungen im Lause der Zeit so vervollkommnet, daß ihnen
die Feinde nicht viel anhaben konnten, ja, sie fanden sogar
immer wieder Gelegenheit, ihre ungebrochene Schlagkraft
in kühnen Teilangriffen zu beweisen. Allein im Görzischen
hatten sie durch Überfälle und Einbrüche in die feindlichen
Verteidigungslinien im Verlauf des letzten Monats über
1600 Gefangene eingebracht und 14 Maschinengewehre so-
wie 2 Minenwerfer erbeutet.
Triest war noch immer das Ziel Cadornas. Sein Unter-
führer, der Herzog von Aosta, hatte zwischen San Martino
bei Carso und Kostanjevica die italienische Front um etwas
über 9 Kilometer vorgeschoben und weiter nördlich, im
Raume von Eörz, 3 bis 4 Kilometer Boden gewinnen
können, allerdings mit wenigstens 600000 Mann blutiger
Unterstände österreichisch-ungarischer Truppen auf dem Krn.
Verluste. Die österreichisch-ungarische Linie hielt knapp
1500 Schritt östlich vorn Eörzer Kastell und vom Kloster
Eastagnavizza. Hier schob sie sich in den Februar- und März-
kämpfen sogar noch dichter an Eörz. heran, ohne daß die
Feinde es hindern konnten. Oftmals gelang es auch den
österreichisch-ungarischen Fliegern und Abwehrgeschützen,
die besten Flugzeuge der Feinde herunterzuschießen, wie
am 9. März bei Görz, wo durch die Artillerie wieder ein
Caproniflugzeug vernichtet wurde. — An diesem Tage glückte
es auch dem Infanterieregiment Nr. 74, im Pellegrinogebiet
durch einen Schneetunnel in die italienischen Linien ein-
zubrechen, wobei 1 Offizier und 30 Mann gefangen ge-
nommen wurden.
Während in den Bergen nun wieder mehr Ruhe ein-
trat, gab es an der Karstfront weiterhin Vorfeldgcfechte.
Nach stärkerem Artillerie- und Mineuwerferfeuer stießen
die Italiener bei Kostanjevica am 11. März in starkem An-
griff vor; sie wurden aber verlustreich zurückgeworfen (siehe
die Kunstbeilage). Auch mit Unternehmungen an den fol-
genden Tagen hatten sie keinen Erfolg. Dagegen konnten
österreichisch-ungarische Erkundungsabteilungen nördlich von
Asiago am 14. März wieder durch Schneetunnel in die
italienischen Stellungen eindringen und daraus 2 Maschinen-
gewehre und 22 Alpini mit zurückbringen. — Nach guter
Vorbereitung nahmen die Österreicher und Ungarn im Costa-
bellagebiet am 16. März den Italienern auch den Stütz-
punkt wieder ab, den diese am 4. März an sich gebracht
hatten. Die schneidige Unternehmung kostete den Feinden
viel Blut, außerdem 3 Offiziere und 34 Alpini an Ge-
fangenen, sowie 2 Maschinengewehre. —
Trotz der Schwierigkeiten, vor die sich die Italiener an
ihrer Hauptfront gestellt sahen, sollten sie nach den Bestim-
mungen, die in den verschiedenen Kriegsrüten der Verbands-
mächte getroffen worden waren, auch für die Auffüllung
der mazedonischen Front (siehe die Bilder Seite 263
und 264 unten) mit sorgen. Nach einem bekannt gewor-
denen Briefe des Generals Brussilow glaubte man ja nicht
einmal mehr in London daran, daß General Sarrail in
absehbarer Zeit die starke Stellung der Mittelmächte auf
dem Balkan auch nur antasten könnte. Sein aus so vielen
schlecht miteinander arbeitenden Bestandteilen zusammen-
gesetztes Heer war stark verseucht, es hatte schwer zu über-
windende Verteidigungslinien vor sich und weite Wege bis
zu seinen rückwärtigen Stützpunkten. Vor allem sah er,
daß seine Hauptverkehrslinie über See, die für ihn dringend
. notwendig war, mehr
und mehr unterbunden
wurde, denn gerade im
Mittelmeer wurde ja von
denkt-Booten der Mittel-
mächte die geschlossenste
und für die Mittelmeer-
küste n derFeinde verderb-
lichste Arbeit geleistet.
Wenn somit auch die
mazedonische Front für
den Vierverband keine
Aussichten auf Erfolg
versprach, so kam es doch
zeitweilig zu erbitterten
Gefechten. Zwischen dem
Ochrida- und dem Pre-
spasee stießen Streitkräfte
der Mittelmächte am
5. März gegen eine fran-
zösische Feldwache vor,
überraschten sie und nah-
men sie gefangen. Am
nächsten Tage spielten
sich auf dem von den
Engländern besetzten Ab-
schnitt zwischendemWar-
dar und dem Doiransee
und in der Strumaniede-
rung Erkundungsunter-
nehmungen ab, die mit
einem Fehlschlage für die
Engländer endeten.Dann
kamen einige Tage der Ruhe; nur auf dem albanischen Teile
der Front suchten südöstlich von Bcrat italienische und östcr-
reichisch-ungarische Plänkler einander Schaden zuzufügen.
Am 11. März wurden die Kämpfe zwischen dem Ochrida-
und Prespasee wieder aufgenommen und hielten auch wäh-
rend der folgenden Tage an. Ganze französische Batail-
lone versuchten größere Vorstöße, doch wurden sie von der
Verteidigung jedesmal blutig abgewiesen.
Zu gleicher Zeit setzten die Österreicher und Ungarn an
dem äußersten östlichen Flügel der Feinde, an der Front von
Valona, einen größeren Angriff ihrer Marineflugzeuge —=•
das gesamte österreichisch-ungarische Seeflugwesen unterstand
dem Linienschiffsleutnant Mikulezky (siehe Bild Seite 263
oben) — an, die durch Abwerfen zahlreicher Bomben auf
das italienische Etappenlager, die Ausladerampen und den
Hafen von Valona schwere Verwüstungen anrichteten. Die
k. u. k. Truppen konnten an dieser Front den Feinden nun
überhaupt viel wirkungsvoller entgegentreten, weil sie die
lange Zeit der Kampfruhe dort zur Wegbarmachung des
nordalbanischen Etappenraums verwendet hatten.
Während die kraftvollen Vorstöße der Feinde Zwischen
den ostalbanischen Seen trotz starken Vorbereitungsfeuers
am 15. März wieder abgeschlagen wurden, gelang es ihnen
im Abschnitt von Monastir unter Aufbietung aller Kräfte
einen kleinen Vorteil zu erringen. Nordwestlich und nörd-
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
259
Für einen Feldzug in Kleinasien begann um die
Mitte des März der Rückzug der Türken in Meso-
potamien die Vorbedingungen zu schaffen. Eine
Folge dieses Rückzugs war auch die Zurücknahme
der türkischen Truppen aus Persien, wo sie bis nach
Hamadan vorgedrungen waren und den Zusammen-
schluß der englischen und russischen Streitkräfte
unterbunden hatten. Jetzt wurde aber für die
Vereinigung der Russen mit den Engländern der
Weg frei. Das türkische Hauptheer in Mesopota-
mien, das zunächst nach dem Westen in der Richtung
auf das militärisch wichtige Aleppo abzuziehen schien,
wandte sich nun nach Norden, um die aus Persien
kommenden Truppen aufzunehmen und zu ver-
hindern, daß der englische General Maude sie zwi-
schen sich und die Russen brachte und vielleicht eine
Katastrophe herbeiführte. Mitte März standen die
Hauptkräfte Maudes in Bagdad; der russische Ge-
neral Baratow hatte bereits Kirmanschah erreicht
und sah sich auf dem 300 Kilometer langen Wege
zu Maude vor keinem Hindernis mehr. Die Türken
weilten im Raume von Samara und blieben im
Rückzüge auf Mossul; dorthin wiesen auch die Rück-
zugslinien der türkischen Streitkräfte, die Persien
verließen. Von Mossul ging die Hauptverbindungs-
linie der Türken nach den, Urmiasee; es war endlich
auch die gegebene günstige Verbindung mit dem
Endpunkt der Bagdadbahn, auf der sich die Herbei-
schaffung von Truppen und Kriegsgerät für eine
neue türkische Angriffsbewegung verhältnismäßig
leicht vollziehen ließ. Denn die Kämpfe in Meso-
potamien konnten nicht als abgeschlossen gelten;
neue feindliche, aber auch neue türkische Unter-
nehmungen blieben zu erwarten. —
* *
rst
Am ruhigsten war es im März bis über die
Mitte des Monats hinaus an der russischen Front
(siehe die beiden oberen Bilder auf Seite 264). Die
In 1600 Meter Höhe liegende Fassungstelle Ln Tirol.
lich von Monastir rangen die Franzosen äußerst er-
bittert um Stellungsverbesserungen. In geringer
Breite konnten sie schließlich westlich von Rizopole in
dem vordersten Graben der Verteidiger festen Fuß
fassen, wogegen sie an den übrigen Punkten überall
auch während der folgenden Tage trotz ihrer starken
Übermacht abgewiesen wurden. Auch die Engländer
mußten den kleinen Vorteil, den sie am 16. März
durch die Besetzung des Bahnhofs von Poroj ge-
wonnen zu haben glaubten, wieder aufgeben; sie
verloren am 18. März den Bahnhof wieder, als
ihre Gegner einen überraschenden Angriff unter-
nahmen.
Weshalb die Franzosen bei Monastir zu dieser
neuen Angriffsbewegung ausholten, war nicht recht
erkennbar, denn an ein Vordringen bis an die ru-
mänische Front etwa war nicht zu denken. Eine
ernsthafte Bedrohung der Stellung der Mittelmächte
auf dem Balkan kam gar nicht in Betracht, wenn
diese auch nur eine verhältnismäßig geringe Streit-
macht dem starken Heere Sarrails gegenüberliegen
hatten. Mit der Angriffsbewegung konnte es also
höchstens auf eine Bindung von Kräften abgesehen
sein, durch die der Ausfall, den die Armee Sarrail
für den westlichen Kriegschauplatz bedeutete, einiger-
maßen wettgemacht werden sollte. Anderseits konnte
die Armee noch einmal besondere Bedeutung er-
langen, und zwar für den schon lange in Aus-
sicht genommenen Feldzug in Kleinasien. Der Feld-
zug in Mazedonien war ja aus dem Kriege gegen
die Türkei mit erwachsen. Als das Eallipoliaben-
teuer verlustreich zusammenbrach, führten die Eng-
länder nur einen Teil ihrer Truppen nach Ägypten,
den anderen, der nach und nach aus Ägypten wieder
große Nachschübe erhalten hatte, brachten sie an
die mazedonische Front in der Hoffnung, mit Hilfe
dieser Verstärkung dort vordringen und dann auch
wieder die Türkei fassen zu können.
* -st
-st
Dsterreichisch-ungarische Kolonne mit Vorräten im Aufstieg zu einer 2500 Meter
hoch liegenden Lebensmittelfassungstelle an der italienischen Front.
260
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
ganze Stellungslinie von Riga bis zum Schwarzen Meer
blieb im allgemeinen unverändert; größere Gefechte er-
eigneten sich nur an den Brennpunkten, wie an der Drei-
länderecke und im Frontabschnitt an der Narajowka.
Am 5. März griffen die Russen nachts auf der Front
des Eeneralftldmarschalls Leopold von Bayern die deutschen
Stellungen südlich von Brzezany an. Die schon oft erprobten
Verteidiger dieses Punktes wurden mit den Feinden sehr
rasch fertig, so daß diese keinen Vorteil erreichen konnten.
Die Russen hatten den Angriff zwar nachdrücklich vorbereitet,
aber der auch an der Ostfront wieder eingezogene harte
Winter hatte den Boden fest und dadurch die Unterstände
so gut wie bombensicher gemacht. Den Verteidigern wurde
dadurch das Ausharren im feindlichen Wirkungsfeuer und
die Abwehr der feindlichen Sturmwellen bedeutend er-
leichtert.
Aber was die Russen nicht durchführen konnten, glückte
den Verbündeten immer wieder. Als in dem Abschnitt
nördlich von der Bahn Zloczow—Tarnopol am 12. März
Freiwillige zur Ausführung eines größeren Erkrmdungs-
stoßes gegen die feindlichen Gräben verlangt wurden,
der Flammenwerfer vernichteten feindliche Drahtverhaue,
dann folgte ein kraftvolles Vorbereitungsfeuer und nachher
gingen die Schwarmlinien zum Angriffstoß vor. Die Beute
des Einbruches in die feindlichen Linien betrug 2 Offiziere,
266 Mann, 7 Maschinengewehre und 2 Minenwerfer. Roch
wichtiger als die Beute war, daß man wieder einem schon
weit gediehenen russischen Minenangriff zuvorgekommen
war. Nicht weniger als vier Stollen waren gegen diö Stel-
lungen der Verbündeten an diesem Punkte vorgetrieben
worden. Zwei davon hatten eine Länge von 60 und 90 Me-
tern und waren bereits geladen und abgedämmt, also voll-
ständig fertig für die Sprengung. Die Stellung wurde
auch hier so lange besetzt gehalten, bis alle Vorbereitungs-
arbeiten der Russen zerstört und die Minen gesprengt waren.
Größere Unternehmungen gelangen den Verbündeten
auch am 14. März bei Witoniecz am Stochod und bei Jam-
nica südlich vom Dnjestr in den Sumpfgebieten von Ost-
gakizien. Dabei glückte die Erbeutung mehrerer Maschinen-
gewehre und Minenwerfer, sowie die Gefangennahme von
über 100 Russen.
An der Front des Generalobersten Erzherzogs Joseph
Von österreichisch-ungarischen Truppen erobertes italienisches Riesenschiffsgeschütz im verschneiten Wald.
Phot. Leipziger Presse-Büro.
da meldete sich die dreifache Zahl der benötigten Mann-
schaften. Gründlich und umsichtig wurde der Angriff bei
Hukalowce. gegen die den Meierhof Lipnik umgebenden
feindlichen Stellungen eingeleitet. Völlig unerwartet sahen
sich die Russen einem mörderischen Feuerüberfall ausgesetzt;
Minenwerfer und Batterien sandten Massen ihrer gefähr-
lichen Geschosse auf die vollbesetzten feindlichen Gräben.
Die Wirkung war furchtbar. Die gut ausgebauten feind-
lichen Sicherungsposten wurden völlig zerschlagen; die Be-
satzung litt entsetzlich. Nach der Beschießung stürmten die
Stoßabteilungen rasch über die erste und die zweite russische
Linie hinaus vor. Während die zweite Linie ausgeräumt
und zerstört und gegen einen Gegenstoß gehalten wurde,
säuberten andere Truppen die Anlagen der ersten Linie.
Im Handgranatenkampf wurden die Grabenbesatzungen
und die Mannschaften in den Verbindungsappen zur
Übergabe gezwungen und dann abgeführt; alle russischen
Widerstands- oder Eegenangriffsversuche wurden kraftvoll
erstickt. Das glänzend durchgeführte Unternehmen brachte
den Deutschen 3 Offiziere, 320 Mann und 13 Maschinen-
gewehre als Beute ein.
Tags darauf waren die Deutschen, Österreicher und
Ungarn auch an der Narajowka erfolgreich. Schleichtruppen
ereigneten sich am 5. März an den Osthängen des Kelemen-
gebirges im Südteil der Waldkarpathen heftige Vorstöße
russischer Kompanien. Sie konnten keine Vorteile erzielen,
sondern wurden entschieden zurückgeschlagen. Hier und im
Mesticanestiabschnitt (siehe Bild Seite 266) setzten die
Russen ihre Angriffe längst nicht mehr in dem Umfange
wie früher fort, nachdem sie in den Schlachten zu Anfang
März hier allein über 4000 Mann auf schmalem Raum liegen
gelassen hatten. Die siegreichen Verteidiger dieser Front
der Verbündeten trafen unausgesetzt Vorbereitungen zur
Abwehr neuer russischer Unternehmungen. Fortwährend
arbeiteten sich in den Waldkarpathen Kolonnen und Bat-
terien vorwärts, und wo die Kraft der Pferde nicht mehr
ausreichte, da griffen, wie einst in Rumänien (siehe Bild
Seite 267), die Menschen in die Speichen. Die Hindernisse,
die der Winter bot, mußten überwunden werden, und sie
wurden es auch. So gewannen die Verbündeten auch in
dem unwirtlichen Gebirge zwischen Trotus- und Uztal die
notwendige Kraft zur Ausführung eines größeren Angriffes,
der den Feinden schwere Verluste kosten sollte.
Am 8. März griffen sie die Magyaroshöhe an (siehe
Bild Seite 269). Der wichtige Gebirgskamm liegt mitten
zwischen den genannten Tälern, die er mit seiner Höhe von
' •
>: "HM
Österreichisch-ungarisches Wachtkommando auf dem Tonale,
Nach einer Orlginalzeichnung von Fritz van der Venne.
•. ,
’ ‘ ■ ’ H »! :^. K
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Phot. Kilophot G. m. b. H., Wien.
Unterdessen war in Rußland ein
Ereignis eingetreten, das auf den
Krieg großen Einfluß haben konnte.
Die oft prophezeite russische Revo-
lution (siehe die Bilder Seite 268),
die man seit dem Beginn des
Krieges erwartet hatte, war um
den 10. März zum Ausbruch ge-
Hy^WHusiif
Phot. Berl. Jüustrat.-Gef. m. b. H.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
1340 Metern vollkommen beherrscht. Diese Lage machte den
stark verschanzten Kamm zu einem ausgezeichneten Beob-
achtungspunkt für die Artillerie. Auf einer Breite von
4 Kilometern wurden unauffällig Sturmtruppen angesam-
melt, die aus galizischenJnfanterie-
und ungarischen Landwehrregimen-
tern, sowie Teilen eines deutschen
Regiments bestanden. Die Pio-
niere, Flammenwerfer, Minenwer-
fer und sonstigen Hilfstruppen
wußten genau, wo ihre Arbeit an-
zusetzen war. Kraftvolle Vorbe-
reitung durch Minenwerfer- und
Artilleriefeuer ermöglichte es dann
schon im ersten Ansturm, die ganze
Höhe zu nehmen. Die Angreifer
hatten, trotzdem sie steil aufwärts
stürmen mußten, nur geringe Ver-
luste, weil die Russen nach dem
heftigen Vorbereitungsfeuer nicht
mehr imstande waren, besonders
starken Widerstand zu leisten. Um
so hartnäckiger war der Gegenstoß,
den sie sofort unternahmen. Allein
die Verbündeten hielten den er-
stürmten Erenzkamm fest; sie be-
haupteten ihn auch am nächsten
Tage gegen schwere Angriffe. Außer
der wichtigen Stellung hatten die
Russen über 1000 Gefangene,
17 Maschinengewehre und 5 Minen-
werfer verloren.
Die Eefe chtstätigkeit an der Ost-
front wurde in der nächsten Zeit
durch von neuem eingetretene Kälte
vermindert, doch kam es immer
noch zu kleineren Kämpfen, die sich
häufig auf den zugefrorenen Flüssen
abspielten und die an die Zusammenstöße auf der vereisten
Donau erinnerten. Dort hatte einmal eine Abteilung rus-
sischer Infanterie versucht, sich auf dem zugefrorenen Sankt-
Eeorgs-Arm der Donau an die bulgarischen Posten heran-
zuschleichen. Diese bemerkten die Annäherung des Feindes
rechtzeitig und trafen alle Vorkehrungen, um ihn gebührend
zu empfangen. Die russischen Infanteristen wurden mit
Handgranaten und Eewehrfeuer vertrieben; mehrere Tote
und Verwundete blieben auf den Eisschollen der Donau
liegen (siehe Bild Seite 265). — Für die nächsten Wochen
war noch eine weitere Behinderung der Kampftätigkeit
wegen des zu erwartenden Tau-
wetters anzunehmen, durch das dort
alljährlich weite Strecken des Lan-
des in überschwemmte Sumpfland-
schaften verwandelt werden. Aus-
getretene Wasserläufe bilden dann
große Seen, Straßen und Wege
werden zu Flüssen, so daß an
kriegerische Unternehmungen in
dieser Zeit kaum gedacht werden
kann. An der Front in Rumä-
nien war bereits Tauwetter einge-
treten und hatte dort ähnliche Wir-
kungen hervorgebracht.
war in Rußland ein
Vizeadmiral v. Kailer.
der neue österreichisch-ungarische Marineminister.
, war urn
lsbruch ge-
kommen. Der häufige Minister-
wechsel in Rußland und zahlreiche
andere Verwirrungserscheinungen
hatten längst erkennen lassen, daß
die Revolution auf dem Wege war.
Die amtliche Petersburger Tele-
graphenagentur teilte unterm
14. März dem Auslande den Er-
folg der Bewegung mit, an der
sich auch das Militär beteiligt und
dadurch der Revolution zum raschen Siege verholfen hatte..
Engländer und Franzosen jubelten, und mit einem Ge-
fühl der Erleichterung teilte Bonar Law im englischen
Parlamente mit, daß Zar Nikolaus der Krone entsagt habe.
Die Leitung hatte der Führer der fortschrittlichen Partei der
Duma, der Kadett Miljukow, übernommen, der in der
neuen Regierung, die unter dem Präsidenten Rodzianko
Gepanzertes österreichisch-ungarisches Küstenfahrzeug
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
263
von den Aufständischen gebildet worden war, das Ministe-
rium des Äußeren erhielt. Er hatte erst wenige Wochen
vorher gesagt: „Wenn die Revolution die kriegerische
Niederlage bedeutet, dann verzichte ich lieber auf sie."
So schien es denn, als ob die
Umwälzung in Rußland eine stär-
kere Beteiligung der Russen am
Kriege im Gefolge haben würde.
Die Kadetten (Miljukows Partei-
gänger nannten sich „Konstitutio-
nelle Demokraten". Durch Zu-
sammenziehung der Anfangsbuch-
staben K und D und Anhängen der
Endungen ist die abgekürzte Benen-
nung „Kadetten" entstanden) und
Oktobristen, die beiden fortschritt-
lichen Dumaparteien, die die Herr-
schaft vorläufig ausübten, konnten
den Engländern und Franzosen hin-
sichtlich der Fortsetzung des Krieges
schon als zuverlässig gelten. Diese
Parteien hatten ja nun allerdings
die Revolution gemacht, aber nur
mit Hilfe der sozialistischen Arbeiter
und der hungernden Massen, die
nicht Krieg, sondern Brot wollten.
In den ersten amtlichen Kund-
gebungen der neuen Regierung, die
von der Thronentsagung des Zaren
Nikolaus Kenntnis gaben und einen
Aufruf des einstweiligen Regenten
Großfürsten Michael Alerandro-
witsch verbreiteten, stand auffallen-
derweise so gut wie nichts vom
Kriege, und in der am 17. März
ausgegebenen Rote der russischen
Regierung an ihre Vertreter im
Auslande fehlte der Hinweis auf
eine kraftvolle Fortführung des Krieges, der in allen
amtlichen russischen Dokumenten des letzten Jahres ent-
halten war, vollständig. Erst auf das Drängen der West-
mächte hin erhielt die Rote einen einsprechenden Zusatz.
Sehr bald trat deutlich zutage, daß die Sozialisten und radi-
kalen Revolutionäre, die von der neuen. Regierung nicht
be seite geschoben werden konnten, gar nicht daran dachten,
nun erst einmal den Krieg weiterzuführen und nach seinem
Ende das Land nach neuen Grundsätzen innerpolitisch aufzu-
bauen. Weitgehende Neuerungen wurden sofort auf das
allerbestimmteste verlangt. Zu dem Druck, den der Arbeiter-
führer Tscheidse auf die neue Regie-
rung ausübte, kam noch, daß den
hungernden Massen in den großen
Städten die nötigen Lebensmittel
zugeführt werden mußten. Die
Beschaffung solcher konnte aber
nur auf Kosten der Versorgung
des Heeres mit Kriegsbedarf ge-
schehen, weil die unzureichenden
Transportmittel vollständig in den
Dienst der Lebensunttelbeschaffung
hätten gestellt werden müssen,
wenn die Regierung eine befrie-
digende Lösung dieser brennendsten
Frage hätte herbeiführen wollen.
Die Revolution verlief eben doch
nicht so glatt, wie die Führer ge-
hofft hatten. — «Fortsetzung folgt.»
Illustrierte
Kriegsberichte.
LinienschiffsleuLnanL Franz Mikulezky,
der Chef des österreichisch-ungarischen Seeflugwesens.
Kriegsentschädigungen.
Von Or. H. Friedemann.
Kriegsentschädigung ist der Ge-
genwert für die Gewährung des
Friedens; etwa dem gerichtlichen
Vergleich entsprechend. Sie läßt die
Staatshoheit des Unterliegenden
unangetastet, die durch Abtretung
von Land oder durch Tributpflicht gemindert wird. Sie
schont auch sein Ehrgefühl, eben indem sie sich als „Ent-
schädigung", nicht als Abgabe, Strafe oder dem Besiegten
auferlegte Selbstschädigung gibt. Dadurch unterscheidet sich
die Kriegsentschädigung von jeder Art Beute ebenso wie
von kriegerischer Besitzergreifung. Sie gehört schon dem
Frieden an und bringt den Anspruch des Siegers in die
4ityot. Az Erdetes Ujsag, Budapest.
Phot. G. Riebicke» Bertür.
Deutsche OfsizierpatrouLlle auf Schneeschuhen mit Vorspann bei der Postenrevision.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Russische Überläufer.
erbeutete, werden auf
1200 Millionen Mark
unseres Geldes berech-
net). Rom mit seiner
durchgebildetenStaatlich-
keit^und seinem geschärf-
ten Sinn für Rechtsbe-
ziehungen hat schon früh-
zeitig seinen Gegnern
Kriegsentschädigungen
auferle gt. Rach dem ersten
Punischen Kriege mußte
Karthago 3200 Talente
mit einer Frist von zehn
Jahren bezahlen; das
sind, der Eoldmenge nach,
etwa 16 Millionen Mark,
an der Kaufkraft gemes-
sen wohl nicht viel we-
niger als 100 Millionen
Mark unseres Geldes. In
der Art der Abgabe, die
nach dem zweiten Pu-
nischen Kriege Rom den
Karthagern abforderte,
haben wir bereits das
lehrreiche Beispiel einer
politischen Kriegsentschä-
höflichere Form der Verrechnung. — Natür-
lich entspricht nicht immer das Wesen der
Form. Der tatsächlichen Wirkung nach kann
die Kriegsentschädigung der Kontribution
gleichkommen, oder auch einem dauernden
Tribut, der mit den eigentlichen Kriegskosten
kaum etwas zutun hat. In jedem Fall er-
zielt durch sie der Sieger eine Stärkung der
eigenen Wirtschaftskraft und eine entsprechende
Schwächung des Gegners. Die letztgenannte
Wirkung kann, braucht aber nicht der wirk-
liche Zweck zu sein. Im Erenzfall der Sieger-
beute fast gleichbedeutend, bleibt die Kriegs-
entschädigung als Friedensinstrument so wan-
delbar, beziehungsreich und biegsam wie das
Geld, in dem sie sich ausdrückt.
Von Kriegsentschädigungen hören wir,
sobald die kämpfenden Staaten politisch fort-
geschritten genug sind, um Friedensverträge
von Macht zu Macht zu schließen und wenn
ihre Geldwirtschaft hinreichend ausgebildet ist.
Die barbarische Vorform ist die Beute (die
Schätze des persischen Reiches, die Alexander
Deutsche'Hüfarenabkeilung setzt bei- Sd'ruga-in Mazedonien über die Doiud.
digung. Diesmal ver-
langten die Römer im
ganzen 10 000 Talente
(gleich ^beziehungsweise
300 Millionen Mark);
aber sie verteilten, in
scheinbarem Entgegen-
kommen, die Bezahlung
auf einen Zeitraum von
fünfzig Jahren. Der
Gegner sollte ein halbes
Jahrhundert lang in der
Geldabhängigkeit bleiben.
Karthago war trotz des
Söldnerkrieges und an-
derer Schwierigkeiten be-
reit, den Gesamtbetrag
der Entschädigung schon
nach zehn Jahren her-
auszuzahlen. Rom aber
lehnte ab. Es wußte»
warum.
Die h ö ch ste aus d em Al-
tertum bekannte Kriegs-
enlschädigung war wohl
die vom Römischen Reich
dem König Antiochus
'tzuvK 'TA
Ein Annäherungsversuch russischer Infanterie auf dem vereisten Sarckt-Georgs-Arm der Donau wird von den bulgarischen Posten zurückgewiesen.
Nach einer Originalzeichnnug von £. Tuszynski.
266 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
4>yvl. ouropyvt (L-. m. v. i03ieu.
Die vielumstrittene Höhe Mesticanesti in den Waldkarpathen.
(dem Dritten) von Syrien auferlegte: sie betrug 15000 Ta-
lente oder 75 (400) Millionen Mark.
Das ganze Mittelalter mit seiner unentwickelten Geld-
wirtschaft kennt so hohe Entschädigungsummen nicht.
Selbst noch der Betrag von 5 Millionen Talern, die nach
Beendigung des Dreißigjährigen Krieges das Deutsche Reich
an Schweden zu zahlen hatte, erscheint nicht sonderlich be-
deutend. Erst Napoleon lehrte hier, wie auf manchem Ge-
biet, die Welt mit anderen Zahlen rechnen. Die Kontri-
bution, die er im Tilsiter Frieden dem besiegten und ver-
kleinerten Preußen auferlegte, war mit 120 Millionen
Talern vergleichsweise ungeheuerlich hoch; auf die Ver-
hältnisse des heutigen Deutschen Reiches übertragen, das
heißt mit Berücksichtigung der Einwohnerzahl, des ver-
mehrten Wohlstandes und des veränderten Geldwertes
müßte die Summe etwa verhundertfacht werden.
Während Frankreich im Jahre 1814 noch ohne Geld-
abgabe wegkam, wurde ihm nach dem zweiten Einzug in
Paris, im Jahre 1815, eine Kriegsentschädigung von
700 Millionen Franken auferlegt. Die Kriegsentschädigung
von 1871 veranschaulicht dann zum ersten Male den bis dahin
nur den Weltbörsen geläufigen Begriff der Milliarde.
Bismarck forderte 6000 Millionen Franken, einen Betrag,
der im Weiterverhandeln auf 5000 Millionen ermäßigt
wurde. Die Zahl wirkte verblüffend; seit Anbeginn der
Welt war eine solche Summe nicht auf einmal bewegt
worden. Einschließlich der Zinsen, der Kontribution der
Stadt Paris und so weiter zahlte Frankreich fünfeinhalb
Milliarden Franken an den Sieger; das sind mehr als drei
vom Hundert des französischen Volksvermögens. Uber
den Begriff der Entschädigung ging diese Abgabe hinaus,
da Deutschland an eigentlichen Kriegskosten nur 1500 Mil-
lionen Mark aufgewendet hatte. Einschließlich der kapitali-
sierten Rente und der Wiederherstellungskosten waren es
gegen 2200 Millionen, also immer noch erst die Hälfte der
von Frankreich gezahlten Summe. Der Zweck der Kriegs-
entschädigung war eben ein politischer: die französische
Revanchelust sollte durch Geldmangel gezügelt werden.
Man weiß, daß diese Wirkung nicht eintrat.
Jahrzehntelang schien es, als sei die Bismarcksche Geld-
forderung nach der Höhe der Summe eine Neuheit, dem
Wesen nach die letzte „Kriegsentschädigung" alten Stils.
Ja, man konnte glauben, daß sich unter den neuen Ver-
hältnissen eine völlige Wandlung vollzog, indem Sinne etwa,
daß sich mit wenig Übertreibung behaupten ließ: nach den
Kriegen des sinkenden neunzehnten und beginnenden
Zwanzigsten Jahrhunderts habe — der Sieger die Ent-
schädigung gezahlt. Da der Besiegte fast immer auch der
wirtschaftlich Schwächere war, so mußte der Sieger ihn
stützen, und Landabtretung wurde zur Abtretung von —
Schulden. Schon die Entschädigung, die noch 1878 die
Türkei in fünfundsiebzig Jahresraten den Russen bezahlen
sollte,, kam nicht zur vollen Auszahlung; ein erheblicher Rest
wurde zur Zeit der türkischen Revolution mit — Bul-
garien verrechnet, als Gegenwert für den Verzicht der
Türken auf Ostrumelien. Frankreich befestigte seine Herr-
schaft in Marokko, indem es dem Scherifen die Zahlung von
Sühnegeldern auferlegte, die es selbst vorstreckte. Ähn-
lich verfuhr Italien in Tripolis. Die Balkanstaaten endlich
mußten nach ihrem erfolgreichen Krieg gegen die Türkei
die Schulden der eroberten Gebiete übernehmen und die
Einkünfte aus den Krongütern ablösen — ein System von
Verrechnungen, das durch den Weltkrieg unterbrochen
wurde. — Ob es nach dem Weltkrieg zu „Entschädigungen"
in der Art der früher üblichen kommen wird, oder welche
Formen sie annehmen werden, vermag noch niemand zu
sagen. Gewiß ist, daß keine Eeldabtretung die wirklichen
Kriegskosten einer Staatengruppe erreichen, geschweige
denn übersteigen kann. Die Schlußabrechnung wird unter
allen Umständen einen Verlust aufweisen. Im Vergleich
zum Kriege von 1870/71 sind die Ausgaben der krieg-
führenden Parteien durchschnittlich mindestens die hundert-
fachen; wir stehen also vor völlig andersgearteten Verhält-
nissen. Rur dies sei, andeutungsweise, bemerkt: niemand
weiß, was nach dem Kriege die Zahlungsmittel irgend
eines Staates wert sein werden. Eine Entschädigungs-
pflicht müßte sich in eine Staatsschuld verwandeln, und
diese in einen Bankrott — falls nicht der Gegner greifbare
Pfänder hat. Das Papier des Zahlungspflichtigen Staates
ist unter allen Umständen nur so viel wert, wie die Berg-
werke, Nutzungsrechte und sonstigen Sicherheiten, die er
dafür verpfändet. „Kriegsentschädigung", unter den heutigen
Umständen, ist gleichbedeutend mit wirtschaftlicher Eroberung.
Giftgase als Kampfmittel.
Von Dr. Heinz Leo.
I,
Der Weltkrieg hat eine Fülle neuartiger Erscheinungen
auf dem Gebiete der Angriffswaffen und Verteidigungs-
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
267
Phor. Hanns Eder, München.
mittel gezeitigt. Ihre Zahl ist um so größer, als durch das
Vorgehen unserer Feinde der Unterschied zwischen völker-
rechtlich erlaubten Kriegsmitteln und solchen, deren An-
wendung laut internationaler Übereinkunft ausgeschlossen
sein sollte, in weitgehender Weise verwischt worden ist.
So galt bis zum Ausbruch des Weltbrandes auf Grund
der Haager Konvention von 1899 die Verwendung solcher
Geschosse für unzulässig, deren alleiniger Zweck die Verbrei-
tung von erstickenden oder betäubenden Gasen ist. Die
Engländer dürfen den fragwürdigen Ruhm für sich in An-
spruch nehmen, auch auf diesem Gebiet der Nichtachtung an-
erkannter Kriegsitten beispielgebend vorangegangen zu sein.
Bereits Ende des vorigen Jahrhunderts bei ihren
Kämpfen im Sudan, vornehmlich aber im Burenkriege,
bedienten sie sich der berüchtigten Lydditgranaten, die auf
100 Meter im Umkreise alles Lebende dem Erstickungs-
tode überlieferten.
Lyddit, so benannt nach dem Orte der ersten Ver-
suche, dem Artillerieschießplatz Lydd in der englischen Graf-
schaft Kent, ist geschmolzene Pikrinsäure (Trinitrophenol).
Sie wird gewonnen durch längere Einwirkung von Salpeter-
säure auf Phenol (Karbolsäure) und bildet in reinem Zu-
stande farblose, meist aber gelbliche, geruchlose Blättchen
von stark bitterem Geschmack und erheblicher Giftigkeit.
Gleich vielen modernen Sprengstoffen ist das Lyddit gegen
Stoß unempfindlich und brennt im Gegensatz zum alten
Schwarzpulver ohne Erplosion ab, wenn man es anzündet;
hingegen zersetzt es sich mit großer Gewalt, wenn man es
mittels eines Sauerstoffüberträgers (Knallquecksilber,Schieß-
baumwollzünder oder dergleichen) zur Erplosion bringt.
Dabei werden bedeutende Mengen grünlichgelber Gase ent-
wickelt, die eine erstickende Wirkung äußern und die Um-
gebung der Erplosionstelle mit einem grüngelben Anflug
überziehen; und zwar wird reichlich der dreifache Betrag
der bei der Erplosion des gewöhnlichen Schwarzpulvers
erzeugten Easmengen entwickelt, die sich beispielsweise für
1 Kilogramm Schwarzpulver bei 0 Grad und 760 Milli-
meter Druck auf etwa 290 Liter belaufen. Erst im Laufe
des letzten Jahrzehnts befaßte man sich damit, die bei der
explosiven Zersetzung moderner Pulversorten entstehenden
Gase auf ihre chemische Zusammensetzung und ihre Eift-
wirkung hin eingehend und planmäßig zu untersuchen.
Dabei stellte sich heraus, daß für die Giftigkeit der Erplosiv-
gase der modernen Schieß- und Sprengstoffe in erster Linie
ihr hoher Gehalt an Kohlenoxyd und weiterhin die nitrosen
Gase verantwortlich zu machen sind. Es zeigte sich, daß
die Zersetzungsgase der Pikrinsäure 61,05 v. H. Kohlen-
oxyd enthalten, eine Verhältniszahl, deren Bedeutung klar
wird, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Kohlenduust im
Mittel nur etwa 0,4 v. H., Leuchtgas durchschnittlich etwa
6 v. H. Kohlenoxyd enthalten.
Die hochgradige Giftigkeit des Kohlenoxyds wird am
besten durch die Tatsache verdeutlicht, daß bei einem Gehalt
von etwa nur V* v. H. Kohlenoxyd in der Atmungsluft
bereits 60 v. H. der roten Blutkörperchen in Kohlenoxyd-
Hämoglobin übergeführt werden, wodurch diese eigentlichen
Träger des Lebens ihren für den Atmungsvorgang unent-
behrlichen Aufgaben nicht mehr zu entsprechen vermögen.
Als besondere Eigenart der Kohlenorydvergiftungen fällt
die Vielseitigkeit des Krankheitsbildes auf, die den Arzt
immer wieder überrascht und bei Stellung der Diagnose
gar zu leicht aus eine falsche Fährte bringt, denn außer einer
Anzahl akuter Anzeichen stellen sich im Gefolge von Explosiv-
gasvergiftungen unter Umständen die verschiedenartigsten
Nacherkrankungen ein.
Dieser in verschiedenen Kolonialkriegen erprobten Gift-
wirkung ihrer Lydditgranaten eingedenk, versprachen sich
die Engländer im Herbst 1914 beim Übergang zum Stellungs-
kampf besondere Vorteile von dem tückischen Kriegsmittel,
mußten sich aber gar bald davun überzeugen, daß die
Lydditgeschosse im Kampfe mit den technisch auf der Höhe
stehenden Mittelmächten die auf die Easwirkung gesetzten
hohen Erwartungen in keiner Weise erfüllten. Sie gingen
daher zur Anfertigung von Artilleriemunition, Minen, Ge-
wehr- und Handgranaten über, bei denen die Sprengwirkung
nur insoweit berücksichtigt wurde, als sie bestimmt war, der
Easfüllung eine möglichst rasche und ausgiebige Verbreitung
zu sichern. Hiermit gaben sie auch den letzten Schein
von Achtung vor der Haager Konvention von 1899 preis.
England fand in seinem auf die Erzeugung hochgiftiger Gas-
füllungen gerichteten Bemühen bei seinen Bundesgenossen,
besonders den technisch gut veranlagten Franzosen, gelehrige
Schüler und bei dem neutralen Amerika einen freundwilligen
Helfer. In diesem Zusammenhange verdient die aus glaub-
Deutfche Artillerie auf dem Vormarsch in dem zerklüfteten Bereczker Waldgebirge
268
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Großfürst Michael Alexandrowitsch,
der Bruder des Zaren, zu dessen Gunsten der
Zar abdankte, war anfänglich für die Regent-
schaft in Aussicht genommen.
Der entthronte Kaiser und Selbstherrscher
aller Reußen Zar Nikolaus II.
würdiger amerikanischer Quelle stammende Nachricht er-
wähnt zu werden, wonach beim Untergang der „Lusitania"
am 7. Mai 1915 eine erhebliche Zahl Menschenleben ans
dem besonderen Grunde verloren ging, weil dieses mit
Kriegsmaterial aller Art beladene schwimmende Arsenal
bedeutende Mengen von Rohstoffen in seiner Ladung führte,
die zur Herstellung von erstickenden Gasbomben bestimmt
waren. Die Gewalt der Torpedoerplosion sehte große
Mengen giftiger Gase in Freiheit, die an Leben vernichteten,
was die Fluten vielleicht verschont hätten.
Etwa um die gleiche Zeit berichtete die „Times", daß in
einer hinter der französischen Front bei Chalons für Marne
gelegenen Munitionsfabrik eine neue Art von Geschossen
hergestellt würde. Es handle sich um eine Handgranate,
deren Ladung beim Aufschlagen ihren Mantel sprenge und
eine chemische Flüssigkeit zum Ausströmen bringe. Die
Wirkung der sich daraus entwickelnden Gase wäre über-
raschend, indem sie die Tränendrüsen zu derartigen Ergüssen
reize, daß die Besatzung des feindlichen Schützengrabens
nichts mehr sehen könne und das Schießen einstellen müsse.
Die Zahl der täglich hergestellten Bomben dieser Art
wurde mit 6000 bis 7000 angegeben.
Die Beweise planmäßiger Herstellung von völkerrecht-
lich verbotenen Kriegsmitteln in Gasform ließen sich durch
weitere Stimmen der feindlichen Presse noch beliebig ver-
mehren.
Gleichwohl erkühnte sich die britische Heeresleitung, in
einer Veröffentlichung vom 21. April 1915 Verwahrung
dagegen einzulegen, daß die Deutschen „entgegen allen Ee-
Großfürst Nikolai Ntkolajewitsch.
Vom Zaren vor der Abdankung zum
Oberbefehlshaber der russischen Armee
ernannt.
setzen zivilisierter Kriegführung" bei der Wiedereinnähme
der Höhe 60, südöstlich von Ppern, Geschosse, die beim
Platzen erstickende Gase entwickelten, verwendeten. Das
offiziöse „Wolffsche Bureau" ließ daraus den Briten oie
folgende wohlverdiente Abfertigung zuteil werden:
„Me aus den deutschen amtlichen Bekanntmachungen
hervorgeht, gebrauchen unsere Gegner seit vielen Monaten
dieses Kriegsmittel. Sie sind also augenscheinlich der Mei-
nung, daß das, was ihnen erlaubt sei, uns nicht zugestanden
werden könne. Eine solche Auffassung, die in diesem Kriege
ja nicht den Reiz der Neuheit hat, begreifen wir, besonders
im Hinblick darauf, daß die Entwicklung der deutschen Chemie-
wissenschaft uns natürlich gestattet, viel wirksamere Mittel
einzusetzen als die Feinde, können sie aber nicht teilen. Im
übrigen trifft die Berufung auf die Gesetze der Kriegführung
nicht zu. Die deutschen Truppen verfeuern keine -Geschosse,
deren einziger Zweck ist, erstickende oder giftige Gase zu
verbreiten' (Erklärung im Haag vom 29. Juli 1899), und
die beim Platzen der deutschen Geschosse entwickelten Gase
sind, obschon sie sehr viel unangenehmer empfunden werden
als die Gase der gewöhnlichen französischen, russischen oder
englischen Artilleriegeschosse, doch nicht so gefährlich wie
diese. Auch die im Nahkampf von uns verwendeten Rauch-
entwickler stehen in keiner Weise mit den .Gesetzen der Krieg-
führung' im Widerspruch. Sie bringen nichts weiter als eine
Potenzierung der Wirkung, die man durch ein angezündetes
Stroh- oder Holzbündel erzielen kann. Da der erzeugte Rauch
auch in dunkler Nacht deutlich wahrnehmbar ist, bleibt es jedem
überlassen, sich seiner Einwirkung rechtzeitig zu entziehen."
Michael Rodzianko, Präsident der Duma und
Vorsitzender des revolutionären Vollziehungs-
ausschusses.
George W. Buchanan,
britischer Botschafter in Petersburg.
Miljukow,
der neue russische Minister des Auswärtigen.
i*pl
eines deutschen Otegiments.
Nach einer Originalzeichnung von Max Tilke.
270
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Einen interessanten Einblick in die Art und Vielseitigkeit
des von unseren Feinden für Gasangriffe Zur Anwendung
gelangenden chemischen Rüstzeuges erhielten wir durch die
Mitteilungen, die von Euareschi Anfang 1916 in einem
Vortrag vor der „Chemisch-technischen Gesellschaft" in Turin
gemacht wurden. Euareschi unterscheidet zwischen er-
stickenden und tränenreizenden Gasen.
Die Reihe der erstickenden Gase eröffnet Euareschi mit
dem bekannten Chlorgas. Dies ist ein grüngelbes, giftiges,
die Schleimhäute heftig angreifendes Gas von eigentüm-
lichem Geruch. Es ist zweiundeinhalbmal schwerer als Luft
und findet zu Desinfektionszwecken, sowie in der Bleicherei
vielfache gewerbliche Anwendung. Es schließt sich das Chlor-
wasserstoffgas an, ein farbloses, stechend riechendes Gas, das
einundeinviertelmal schwerer als Luft ist und an der Luft
raucht, weil es dieser Wasser entzieht und, obwohl — wie
erwähnt — ursprünglich farblos, damit sichtbare Salzsäure-
nebel bildet. Die wässerige Auflösung dieses Gases ist all-
gemein bekannt unter dem Namen Salzsäure. Weiterhin
erwähnt Euareschi das Brom, eine braunrote, giftige, schon
bei gewöhnlicher Temperatur stark flüchtige Flüssigkeit von
eigenartigem Geruch, dem der Stoff seinen Namen ver-
dankt (ßpiüno;, Gestank). Die gelbroten Dämpfe greifen
die Schleimhäute stark an. Das Brom hat in chemischer
Hinsicht große Ähnlichkeit mit dem Chlor. — Dem Chlor-
wasserstoff entspricht der Bromwasserstoff, ein rauchendes,
stechend riechendes Gas.
Es folgt das Stickstoffdioxyd, ein rotbraunes, erstickend
riechendes, ätzendes und giftiges Gas, das anderthalbmal
schwerer als Luft ist; ferner wird empfohlen das Phosgen-
gas, ein die Tränendrüsen reizendes Gas von außer-
ordentlicher Giftigkeit. Auch die bekannte Blausäure,
die in wasserfreiem Zustande eine schon bei 27 Grad
siedende, furchtbar giftige Flüssigkeit darstellt, darf in der
Liste des Italieners nicht fehlen. Ferner erscheint ihm
das bekannte Ammoniak, dessen schwache wässerige Auf-
lösung, als Salmiakgeist allbekannt, bereits so unangenehme
Wirkungen auf die Schleimhäute der Nase und Augen
ausübt, in konzentriertem Zustande für Gasangriffe emp-
fehlenswert. Weiterhin führt Euareschi den Schwefelwasser-
stoff an, dessen Giftigkeit mit seinem üblen, an faule
Eier erinnernden Geruch wetteifert. «Fortsetzung folgt.»
Charakterköpfe der Weltkriegsbühne.
Von Dr. Freiherrn v. Mackay.
4. Miljukow, Rußlands Revolutionsheld.
«Hierzu das Bild Seite 268.)
Staaten und Völker haben als Führer ihrer Freiheits-
bewegungen merkwürdige Gestalten aller Art auf der Bühne
des Umsturzes gesehen; einen Hochschullehrer der Geschichte
und Sozialwissenschaftler zur Rampe zu rufen, blieb aber
Rußland vorbehalten. Man sagt, Professoren seien meist
schlechte Politiker. Das mag damit zusammenhängen, daß
die Zugehörigkeit der Politik zur Wissenschaft überhaupt
fragwürdig insofern erscheint, als die Staatskunst wohl in
der Theorie nichts als angewandte Geschichtskenntnis, ihr
eigentliches Lebensgesetz aber freier Wille, eiserner Cha-
rakterwuchs und die über die Masse sich erhebende und sie
lenkende Tatkraft ist, die nicht unbedingt auf dem Katheder
groß wird. Miljukows Lebensgang erscheint als das nur
zu beredte Zeugnis dessen.
Er stammt, 1859 geboren, aus alter, vornehmer Bojaren-
familie, die in anfechtbarer Genealogie auf deutschen Ur-
sprung ihren Stammbaum zurückführt. Ursprünglich Volks-
wirtschaftler, war er in dieser wissenschaftlichen Richtung als
Privatdozent an der Petersburger Universität tätig und ging
allmählich zur Kulturgeschichte über, deren Wesen er im
modernen soziologischen Sinn auffaßte. Parteipolitisch ver-
trat er damals durchaus die Richtung der Sapadniki, der
„Westler", also der im Beginn des neunzehnten Jahrhunderts
begründeten Gruppe Solowjews, der in Deutschland' unter
Raumer und Schlosser studiert hatte und für das Ideal
einer geistigen und kulturellen Annäherung des Russentums
an den Westen lebte, das nur so zu höheren Stufen freiheit-
lichen Wachstums und glücklicheren Da-
seins sich erheben könne. Aber diesem
Ideal blieb er nicht lange treu. Nach-
dem er in Moskau eine Professur für
Geschichte erhalten hatte, wurde er um
die Jahrhundertwende wegen Teil-
nahme an der damals kräftig sich rüh-
renden liberalen Bewegung aus Ruß-
land ausgewiesen und ging nach Sofia,
an dessen Universität er eine gleiche
Stellung wie in der alten Moskowiter-
residenz bekleidete, und wo er seine vor-
züglichen Kenntnisse des verwickelten
Gewebes der Balkanpolitik sammelte.
Nach der ersten Revolution vor zwölf
Jahren kehrte er zurück, verfaßte den
berühmt gewordenen Wiborger Auf-
ruf, trat in die zweite Duma als Ab-
geordneter der-Linken ein und schwang
sich alsbald kraft seiner Redegewandt-
heit und geistigen Überlegenheit zum
angesehenen, von der Regierung ge-
fürchteten Führer der „Kadetten", das
heißt konstitutionellen Demokraten, auf.
Am Hofe ging man sogar mit dem
Gedanken um, ihm die Ministerpräsi-
dentschaft anzutragen, ein Plan, der
aber an zu großen Meinungsverschie-
denheiten zwischen den „Sphären"
und dem Professor-Politiker scheiterte. Jetzt setzte der Rück-
stoß ein. Ein Nassor und Rubinschik konnten geistig überlegene
Führer vom Schlag des Fürsten Lwow und Dolgoruki ab-
lösen, ein Durnowo entwickelte sich zum Reaktionär wasch-
echter Farbe, und mit ihm tauchten die Köpfe eines Du-
browin, Markow und des Hanswurstes Purischkjewitsch
aus der Versenkung empor, uin das Schwarze Hundert
zu bilden, das auf seinen Versammlungen offen die Ab-
schaffung des Oktobermanifestes forderte. Anstatt nun
mit aller Kraft und Unbiegsamkeit sich diesem verhäng-
nisvollen Entwicklungsgang entgegenzustemmen, glaubten
die Kadetten in der törichten Anwendung bekannter Partei-
fechterkniffe dem Gegner das Wasser abgraben zu kön-
nen, wenn sie sich dem allslawischen Programm verschrie-
ben und sich damit ins politische Schaufenster als Schritt-
macher zu staatlicher Machtgröße stellten. Und ihr Führer
Miljukow vorab verwandelte sich im Handumdrehen aus
einem Saulus in einen Paulus. Hatte er früher die Fremd-
völkerhetze aufs schärfste verurteilt, für den paritätischen
Nationalitätenstaat geschwärmt, die Unterstützung der Bal-
kanslawen als eitle Heuchelei an den Pranger gestellt, für ein
vernünftiges Vertragen mit Deutschland sich eingesetzt und
Österreich-Ungarn als den „Staat der Zukunft" verhimmelt,
so stieß er jetzt mit in das Horn derjenigen, die als Vierver-
bandschwurgenossen verbissen und gewissenlos auf den Krieg
hinarbeiteten. Und es war, als ob damit sein Charakter allen
Halt verloren hätte. Hier nur wenige besonders auffällige
Phot. A. Grohs, Berlin.
Begrüßung der in Genk angekommenen Hilfsdienstpflichtigen durch eine Ansprache des Rittmeisters
Schnitzler.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Kennzeichen dieser Seelenwandelung.
Stolypin konnte wiederholt seine
Politik zur Mattsetzung der Duma nur
dadurch planmäßig vorwärtsbringen,
daß ihm Miljukow jedesmal dienstbereit
war, wenn es galt, den eigenen Partei-
genossen von der äußeren und äußersten
Linken in den Rücken zu fallen, da-
her er sich auch von dieser Seite den
Spottnamen eines Rollschuhläufers
verdiente. Die ihm in der Redaktion
des „Rjetsch", des Leiborgans der Ka-
detten, von gemieteten Handlangern
der Rechten zugeteilten Ohrfeigen hat
er mit ebensolcher philosophischen Ruhe
hingenommen, wie ihn der wenig
rühmliche Ausgang seines Duells mit
Eutschkow nicht aus dem seelischen
Gleichgewicht brachte. 1909 unternahm
er eine seiner politischen Eeschäfts-
weltreisen, belehrte in London den
König: „Majestät, wir machen Oppo-
sition nicht gegen, sondern für den
Zaren!", stimmte auf dem Lord-
Mayor-Bankett das Bösche zarja chrani
(Gott schütze den Zaren!) an und zeigte
sich eine Woche darauf, im Land der
unbegrenzten Möglichkeiten gelandet, am Hudsonstrand
in der Jakobinermütze des rosafarbenen radikalen Demo-
kraten. In den Krisentagen von 1915, als die russischen
Heere aus Galizien und Polen in wilder Flucht zurück-
fluteten, spielte er sich vollends als eisengeschienter Vater-
landsretter auf. In tönenden Reden eiferte er gegen
alle, die von Frieden zu munkeln begannen, und zauberte
in blendenden Farben das neue Kriegsziel, Zargrad am
Goldenen Horn, vor. Man vergleiche damit seine nun-
mehrige Haltung als Revolutionshäuptling: im Manifest
an die Verbündeten fließt sein Mund vom Wein der Kriegs-
leidenschaft über, seinen Landsleuten predigt er Wasser und
unterschlägt die Stelle vom Kampfeseifer Rußlands. Immer
wieder stellt er in seiner Selbstüberhebung seine Fertigkeit,
zweierlei Sprachen zugleich sprechen zu können, zur Schau.
So schließen wir, daß in die Läng'
Euch nicht die Ohren gellen;
Vernunft ist hoch, Verstand ist streng,
Wir rasseln drein mit Schellen!
Wer wollte einem Mann, der seine Jugendideale preis-
gibt, die Umkehr verübeln, wenn sie tiefere Einsicht, reifere
Weltanschauung bedingt? Große Reformatoren haben oft-
mals der Menschheit den Stempel ihres Genius mit dem
Gegenstück ihrer ersten Aberzeugung aufgedrückt. Aber solcher
Wechsel bedeutet erfahrungsgemäß nur dann einen Fort-
schritt, wenn er sich mit Kräftigung des
sittlichen Rückgrats verbindet. Thiers
mahnt in seiner „His Loire du consula
et de l’empire“: „Die Politik ist
mehr Charakter als Geist, und darin
sündigte Napoleon." Miljukow hat in
der gleichen Weise weit mehr als der
Korse gesündigt und besitzt daher sicher-
lich schon aus diesem Grunde nicht die
Fähigkeit, wie dieser seine Nation
wenigstens zeitweilig aus Irrungen
und Wirrungen der Umsturznöte zu
Sieg und zu erträumten Ruhmeshöhen
emporzuführen. Ihm geht es wie dem
Gesinnungs- und Artgenossen in Eng-
land, Lloyd George, den seine Bewun-
derer wie einen zweiten Cromwell
feiern: das Volk mißtraut ihm. De
Kadettenführer hat zu oft bewiesen,
daß er zugleich rechts und links schrei-
ben kann, als daß die aufgeregten
Massen, die immer mehr das Heft
die Hand bekommen, irgendwelchen
Wert auf seine schönen Versprechungen
legten und nicht fürchteten, daß er
hinter ihrem Rücken, um seine Macht
zu erhalten, mit denjenigen paktiert,
die sie als ihre Erzfeinde betrachten.
Anmeldung der Hilfsdienstpflichtigen in Gent bei Rittmeister Schnitzler und
in der Schreibstube Abteilung II d.
Grohs, Berlin.
Davidts
Das um so mehr, als er, der einst in idealistischer Rotglut
sich aufbäumende Verteidiger der Nationalitätenrechte, zum
knüttelschwingenden Machtpolitiker reinsten Wassers sich ent-
wickelte. In seiner 1905 erschienenen Flugschrift „Die Land-
erwerbung Rußlands" stellte er, der ehedem die Mittelmächte
oftmals mit seinen salomonischen Urteilen in Schutz nahm,
Forderungen so deutschfeindlich und verstiegen, wie sie die
schlimmsten imperialistischen Marktschreier und Ideologen
kaum phantastischer aufstellen könnten. Und als er den Weg
nach Byzanz wies, ließ er vollends jede Maske des Billig-
keitsinns fallen; seine Predigt hieß einfach: Macht geht vor
Recht, also gehört uns Konstantinopel, die Welt! Arbeiter
und Bauern, die Frieden wollen, wissen also, woran sie mit
ihm sind, nicht minder aber auch die gehetzten Fremdvölker,
die sich gewiß nicht danach sehnen, vom Joch der zarischen
Bureaukratie in den Zwinger eines russischen „Freiheit-
staates" überzugehen, dessen Führer unter dem neuen
Völkerglück, wie einst die Pariser Revolutionsgenerale die All-
macht Frankreichs, moskowitische Diktatur in Europa verstehen.
Der vaterländische Hilfsdienst.
Von Prof. Dr. Theobald Ziegler, Frankfurt a. M.
lHierzu die Bilder Seite 270/271.)
Fast gleichzeitig tat Deutschland zwei scheinbar ganz
entgegengesetzte Dinge: es lud die Feinde zu Friedensver-
P hvt. A. Grvhs, Berlin.
Die nach Gent gekommenen Hilfsdienstpflichtigen werden den einzelnen Arbeitstellen zugeteilt.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
272
Handlungen ein und es erließ das vaterländische Hilfsdienst-
gesetz, — jenes mitten in unserem Siegeslauf ein beispiel-
loses Zeichen von Mäßigung, Friedensliebe und Menschlich-
keit, dieses das Zeichen ebenso beispielloser Entschlossenheit
eines ganzen Volkes, sich selbst zu behaupten in seiner
nationalen und in seiner staatlichen Existenz und Macht.
Und doch kein Widerspruch! Alle Welt, Feinde und Neu-
trale, sollten sehen, daß wir nicht aus Ermattung oder gar
aus Angst die Hand zum Frieden bieten, sondern daß wir
willens und bereit sind, wenn sie in diese Hand nicht
einschlagen wollen, den Krieg mit Aufbietung der ganzen
Volkskraft fort- und durchzuführen zum siegreichen Ende.
Sie haben unser Friedensangebot in schnödester und rohester
Form zurückgewiesen: so tritt nun der Krieg wieder und
mit schärfster Benützung aller uns zu Gebot stehenden
Mittel in seine Rechte.
Mer zum Kriegführen braucht man nicht nur Soldaten
und Geld, sondern auch Zivilisten, in erster Linie — und
davon ist wohl der Gedanke an den allgemeinen Hilfsdienst
ausgegangen — Leute zur Anfertigung von Munition und
sonstigem Kriegsmaterial. Dann sind Arbeitskräfte zur Be-
stellung der Felder nötig, damit der
teuflische Aushungerungsplan zuschan-
den wird; und endlich werden Helfer
auf tausend anderen Gebieten gesucht,
so daß möglichst jeder kampffähige Mann
von sonstigen Dienstleistungen freige-
macht wird und wirklich zum Kämpfen
verwendet werden kann. Das ist der
Sinn und die Absicht des Hilfsdienst-
gesetzes vom 6. Dezember 1916, das
jeden Jüngling und Mann vom voll-
endeten siebzehnten bis zum vollendeten
sechzigsten Lebensjahr in den Dienst des
Staates stellt und ihn als Arbeiter für
seine Zwecke in Pflicht nimmt. Damit
erst entspricht der Feldarmee die Heim-
armee vollends, damit erst ist die allge-
meine Wehrpflicht, der „Militarismus",
wirklich durchgeführt und zur Wahrheit
geworden.
Mer bleiben nicht doch noch Unter-
schiede und Ausnahmen? Unterschiede:
um was handelt es sich denn beim
vaterländischen Hilfsdienst, um sittliche
Verpflichtung oder um staatlichen
Zwang? Zunächst wendet sich der Staat
an die Freiwilligkeit. Das ist, möchte ich
sagen, das Schöne und das Große, daß
man darauf rechnet und sich, wie die
bisherigen Erfahrungen zeigen, darin
auch nicht verrechnet hat, daß das
deutsche Volk seine Zeit und das, was
es in dieser Zeit dem Staat schuldig
ist, so völlig begreift, und darum nun,
wo der Staat ruft, die vielen von selber
kommen und das, was sie bisher nicht
getan oder im persönlichen Interesse getan haben, frei-
willig und bereitwillig als Staatsdienst und als Kriegsdienst
hinter der Front auf sich nehmen. So stellt der Staat den
freien Willen, das Moralische, den Pflichtgedanken in
seinen Dienst und in seine Rechnung ein. Daß er sich
daneben den Zwang vorbehält, wo einzelne doch versagen
oder sich nicht willig den besonderen Aufgaben, die ihnen
gestellt werden, unterziehen und in den notwendig straf-
fen Organisationsplan im ganzen einreihen lassen sollten,
ist selbstverständlich; er wäre sonst nicht der Staat, der Ge-
walt über uns hat, und der seinem Wesen und Begriff nach
zwingen können muß. Fürs zweite die Ausnahmen: auf
Frauen ist das Hilfsdienstgeseh nicht ausgedehnt worden.
Richt als ob der Staat auf weibliche Hilfe verzichten wollte;
daß das nicht geschieht, zeigt ja der Blick auf die tausend
und aber tausend in den Munitionsfabriken beschäftigten
Frauen und Mädchen, und zeigt der Blick auf das, was
Frauenhände in Lazaretten und im Nationalen Frauendienst
leisten und schaffen. So rechnet der Staat auch bei ihnen
darauf, daß sie ihm wie die Männer freiwillig und von selber
helfen. Aber daß Frauenarbeit vielfach individueller ist
als Männerarbeit und darum nicht ebenso in den Nahmen
eines allgemein gültigen Gesetzes einbezogen und eingespannt
werden kann, diese Einsicht ließ ihr gegenüber auf das staat-
liche Mittel des Zwangs verzichten. Und daher gilt hier: auch
Haushalten und Wirtschaften in Stadt und Land, auch
sparsam Kochen und Kindererziehen ist vaterländischer Hilfs-
dienst; aber ihn muß jede Hausfrau und jede Mutter indi-
viduell und doch immer im Aufsehen zum Staat und im
Gedanken an die Staatsnotwendigkeiten besorgen und
leisten.
So ist der vaterländische Hilfsdienst eine gewaltige Probe
auf das, was man Staatsozialismus nennt und was sich
schon vor dem Krieg unter diesem Namen als die Neigung
gezeigt hat, das, was eben noch Privatsache gewesen war,
im nächsten Augenblick schon zu einer öffentlichen, einer
sozialen Angelegenheit zu machen. Deswegen fordern dabei
auch allerlei soziale Probleme der Arbeitszeit und der Lohn-
festsetzung, des Verhältnisses von Arbeitgebern und Arbeit-
nehmern, von Kündigungsrecht und Koalitionsfreiheit, von
Arbeiterschuh und Schiedsgerichten Berücksichtigung, und
der Reichstag hat gerade hier mit Recht und mit gutem
Verständnis allerlei Vorkehrungen gesucht und glückliche
Lösungen gefunden. Aber die Hauptsache ist doch das All-
gemeine: die Versöhnung des einzel-
nen mit dem Staat, der große Frieden-
schluß, der auf dieser tief sittlichen
Grundlage zwischen dem deutschen Jn-
dustrievolk und dem deutschen Staat
zustande gekommen ist, und dessen
Segen uns gewiß auch über den Krieg
hinaus begleiten wird, wie er uns
vom ersten Tag des Krieges an durch
diesen hindurch begleitet hat.
Wertvoll ist endlich auch die — ich
möchte sagen: die Verlängerung der
deutschen Heimarmeefront über die
Grenzen unseres Vaterlands hinaus und
hinein in die von uns besetzten feind-
lichen Gebiete, die Verwendung der
sich zum Hilfsdienst Stellenden in der
Etappe. Unsere Bilder zeigen beispiels-
weise die Ankunft und Begrüßung, die
Anmeldung und Verteilung solcher Hilfs-
dienstpflichtigen in der alten belgisch-flä-
mischen Handels- und Universitätstadt
Gent. Von dieser Ausdehnung des
Hilfsdienstes dürfen wir uns, neben der
allgemeinen Erweiterung des Gesichts-
kreises und dem speziellen eigenen Er-
leben des Krieges oder doch eines Bruch-
stücks davon, noch zweierlei versprechen:
einmal eine nicht bloß ideelle, sondern
ganz reale und ganz besonders enge
Verbindung von Heimarmee und Feld-
armee; „die draußen", das sind jetzt
auch Zivilisten, die die Verbindung zwi-
schen unseren Feldgrauen nach rückwärts
und uns zu Hause Gebliebenen nach vor-
wärts Herstellen. Und fürs zweite wird
dadurch Einsicht und Verständnis verbreitet für das Viele
und Vielartige, das in Feindesland und in der Etappe an
Verwaltungs- und Organisationsarbeit zu leisten ist, und das
wird auch die Schwierigkeit ähnlich vielgestaltiger Aufgaben
zu Hause, zum Beispiel bei dem Volksernährungsproblem,
zum Bewußtsein bringen und den Fehlern und Miß-
griffen gegenüber, an denen es ja dort wie hier nicht
fehlt, duldsamer und geduldiger machen.
Aber über alles ist es doch die Erkenntnis, mit der die
Hilfsdienstpflicht unser ganzes Volk durchdringen wird, daß
wir durchhalten müssen um jeden Preis und durchhalten
wollen mit jedem Endchen unserer Kraft. Und dazu trägt
das Pflichtbewußtsein jedes einzelnen, der im Hilfsdienst
tätig ist, und sein Glaube mächtig bei, daß es wesentlich auch
auf ihn und seine Mitarbeit ankomme. Nicht bloß tragen
ohne zu klagen, sondern tragen, indem man stützt und das
Ganze tragen hilft — wenn darin das ganze Volk einig und
wenn es dazu entschlossen ist, führt es zum Sieg. Ohne Sieg
aber kein Friede! Und so ist das Hilfsdienstgesetz letzten Endes
doch auch ein Friedensgesetz, neben dem uneingeschränkten
Tauchbootkrieg ein zweiter gewaltiger Schritt vorwärts auf
dem Weg zu einem baldigen Frieden und zu einem guten
deutschen Frieden, wie wir ihn alle wollen und brauchen.
Phot. Bert. Jllustrat.--Ges.m. b. H.
Der zur Einführung bestimmte neue schweize-
rische Stahlhelm.
(Siehe auch Bild Seite 142.)
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17
«Fortsetzung.»
Die deutsche Westfront schien um die Mitte des Monats
März 1917 aus ihrer Erstarrung herauszutreten. Seit dem Ab-
schluß der großen Sommeschlacht im November 1916 hatten
die sich gegenüberliegenden Armeen mit neuen Rüstungen
gewetteifert. Millionen von Menschen waren unermüdlich
Tag und Nacht mit dem Ausbau der Stellungen beschäftigt
und vollbrachten ungeheure Leistungen. Munition wurde
in den Lagerplätzen an der Front zu riesigen Bergen auf-
gehäuft. Nicht nur Frankreichs und Englands Fabriken
sorgten für die Beschaffung ausreichender Kriegsmittel für
die Westmüchte, sondern auch jene Amerikas und Japans
trugen nach Kräften zur Auffüllung der gelichteten Bestände
bei. Hinter ihren Linien bauten die Feinde neue Bahnen
und andere Zufahrtswege, um die Kriegsmittel dauernd
und regelmäßig bis dicht an die Front bringen zu können.
Auf ihnen wurden neue Truppen vorgeführt» die die Tau-
sende französischer und englischer Soldaten ersetzen sollten,
die bei Serre, Sailly und Le Transloy in heftigen An-
stürmen gegen die unerschütterlichen deutschen Linien ver-
blutet waren. Auch der Front entlang zogen sich Straßen
und Eisenbahnen, die es ermöglichen sollten, Truppenver-
schiebungen rasch und leicht vorzunehmen. Es war be-
absichtigt, in noch stärkerem Maße als in der Sommeschlacht
die deutschen Linien samt ihren Besatzungen mit Hilfe vieler
Millionen schwerer Granaten auf einer Front von weit über
hundert Kilometern zu vernichten und die Stellungen an
einem sich zeigenden schwachen Punkte mit großer llber-
macht zu durchstoßen. Daraufhin war das ausgedehnte
neue Wegnetz hinter den Linien der Feinde angelegt worden.
Im Jahre 1916 hatte sich gezeigt, daß die Deutschen auH
sehr schwere Angriffe abzuwehren verstanden, denn die
Feinde vermochten nach vielmonatigen, ungeheuer verlust-
reichen Kämpfen kaum 300 Quadratkilometer zu besetzen.
Trotzdem mußte noch ein Versuch unternommen werden,
die Deutschen zu bezwingen, und seiner glücklichen Durch-
führung sollten die umfassenden Vorbereitungen dienen.
Die Deutschen suchten ebenso wie der Feind die Ent-
scheidung des Krieges. Auch sie hatten die Wintermonate
nicht ungenützt verstreichen lassen und hatten neue Geschütze
und zahlreiche neue Mannschaften herbeigeführt. Ihren
Aufklärungsfliegern war die Tätigkeit der Feinde nicht ver-
borgen geblieben. Die Meldungen, die sie brachten, besten
erkennen, daß ein Angriff auf die Befestigungen der Gegner
mit ähnlich hohen, dabei vielleicht auch so verhältnismäßig
vergeblichen Blutopfern verbunden sein würde, wie die
Stürme der Feinde an der Somme. Dieser Gefahr wollte
sich die deutsche Heeresleitung nicht aussetzen, und deshalb
entschloß sie sich, einen Raum zu schaffen, in dem zu ge-
gebener Zeit eine entscheidende offene Feldschlacht zum
Austrag gebracht werden konnte. Für diesen Zweck wählte
sie, wie an der Ancre schon im kleinen, nun im großen auf
der etwa 135 Kilometer langen Front zwischen Arras und
Soissons das Gelände zwischen den beiderseitigen Stellungen
und dazu einen schon von Granaten zerpflügten Landstreifen
hinter den deutschen Linien (siehe die Karte Seite 276).
Die Aufgabe, die Truppen in vorbereitete zurückliegende
neue Stellungen zu bringen, ohne daß die Feinde aufmerk-
sam wurden, war nicht leicht. Es wurden deshalb alle
eines deutschen Stoßtrupps mit Handgranaten und Flammenwerfer auf einen englischen Trichtergraben bei Sailly-Saillisel nördlich vom
St. Pierre-Vaastwalde. Nach einer Originalzeichnung von Adolf Wald.
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr.. 1917 by Union Deutsche Berlagsgesellschaft in Stuttgart.
VI. Band. 85
274
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Blick auf die Kathedrale von Noyon vom Rat-
tz austurm aus.
möglichen Vorsichtsmaßregeln und
Täuschungsmittel angewandt, als die
Deutschen am 16. März ihre zwei
Jahre lang gehaltenen Stellungen
zwischen der Scarpe und der Aisne
räumten und in den Richtungen auf
Cambrai, Le Chatelet, Ct. Quentin,
La Fere, Laon und Vailly zurück-
gingen.
Das Unternehmen gelang glän-
zend; die Franzosen bemerkten den
Vorgang erst, nachdem ein Nachstoß
den Deutschen nicht mehr gefährlich
werden konnte. Sie rechneten auch
mit unangenehmen Überraschungen
und arbeiteten sich deshalb nur lang-
sam und sehr vorsichtig vorwärts, wo-
bei sie von den schwachen deutschen
Nachhuten sofort in heftige Gefechte
verwickelt wurden» die sich für die
Franzosen äußerst verlustreich ge-
stalteten. '
Um den Feinden die militärische
Ausnützung des ihnen überlassenen
Gebietes unmöglich zu machen, hatten
die Deutschen alles, was dazu hätte
dienen können, vernichtet. Soweit es
vom militärischen Standpunkte aus
gerechtfertigt erschien, wurden die
Überreste von Ortschaften zerstört,
Wege und Straßen aufgerissen, Wäl-
der und Wiesen durch Aufwühlen des
Bodens und Überschwemmung in
Seen verwandelt (siehe Bild Seite 275).
Kein Keller und kein ehemaliger Un-
terstand blieb dem Feinde als Deckung;
alles Kriegsbrauchbare, wie Kabel,
Drähte, Holz, hatten die Deutschen
mitgenommen. Kunstdenkmäler wur-
den geschont und den Feinden unan-
getastet oder in dem Zustande über-
lassen, in den sie die Kirchen und
Schlösser durch ihre Geschosse selbst ver-
setzt hatten (siehe das Bild hier unten
auf dieser Seite). Wo die Wege, die von
den Deutschen für ihren Abzug benutzt
werden mußten, Zeitmangels wegen
nicht tief genug durchgepflügt werden
konnten, lagen Bäume quer über
den Straßen und hinderten das Vor-
wärtskommen. Die Bewohner der
Ortschaften wurden in eine schmale,
unversehrt gehaltene Schutzzone ge-
bracht. Zurückgelassen wurden aber
nur ältere Frauen und Kinder und
alte Männer. Die wehr- und arbeits-
fähige Bevölkerung brachten die Deut-
schen an andere Orte hinter ihrer
Front, damit die Franzosen die Leute
nicht für irgendwelche Kriegszwecke
verwenden konnten. Gegen den
23. März durfte der deutsche Ab-
marsch als vorläufig beendet und
durchgeführt gelten.
Wenn die Gefechte und schlacht-
mäßigen Kampfhandlungen, die wäh-
rend der Durchführung der Rück-
zugsbewegung in dem neuen Kampf-
gelände ausgetragen wurden, auch
keine Änderung der Lage herbeifüh-
ren konnten, so waren sie doch recht
wuchtig und örtlich meist von großer
Tragweite. Wie schwer es war, den
Deutschen rasch zu folgen, erfuhren
die Engländer neuerdings an der
Ancre. Schon am 12. März meldete
Haigh in seinem amtlichen Bericht,
daß die Deutschen die Hauptverteidi-
gungsanlagen des vordersten Kammes
des Bapaumer Höhenrückens geräumt
hätten, wobei er deutsche Nachhuten
zurückgeworfen haben wollte. Das
war nicht richtig, denn die Deutschen
hatten sich ganz einfach kämpfend zu-
rückgezogen, weil ihre Aufgabe erfüllt
war. Wie wenig Haigh als Sieger auf-
treten konnte, bewies er selbst, denn
erst fünf Tage, nachdem er die deut-
schen Nachhuten „geworfen" haben
wollte, am 17. März, wagte er die
Besetzung der Trümmer von dem
zerstörten Bapaume.
Die Deutschen befanden sich mit
dem Wiedereinsetzen des Bewegungs-
krieges so recht in ihrem Elemente.
In der Friedenszeit waren sie für diese
Kriegführung geschult worden, und
die meisten Regimenter hatten bei
den großen Kämpfen im Osten, in
Malerische Straße in Noyon, im Hinter-
gründe die Kathedrale.
Die von den Franzosen zerschossene katholische Kirche in Roye.
Bilder aus dem von den Deutschen freiwillig geräumten Gebiet im Westen»
Nach photographischen Ausnahmen der Gebrüder Haeckel, Berlin.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
275
Serbien und Rumänien den Bewegungskrieg geübt, hatten
gesiegt und waren als erprobte Kämpfer zum Teil an die
Westfront zurückgekehrt. Die Engländer besaßen weder
diese Abung noch entsprechende Schulung; sie waren sehr
unsicher und litten infolgedessen schwer. Wo immer sie
in den Besitz deutscher Stellungspunkte kommen wollten,
hatten sie stets große blutige Verluste. Kleinere Truppe
kühner Deutscher machten verwegene Vorstöße gegen den
Feind, griffen ihn mit Handgranaten, Flammenwerfern
oder auch mit rasch in Stellung gebrachten Maschinen-
gewehren an (siehe Bild Seite 273) und setzten ihm furcht-
bar zu. Das Gefühl, einen zaudernden und entschluß-
unfähigen Gegner zu bekämpfen, steigerte noch die Sicher-
heit der deutschen Nachhuten, die Fühlung mit dem Feinde
zu behalten hatten. Massenhaft meldeten sich Freiwillige
zu besonderen Vorstößen, und Führer wie Mannschaften
zeichneten sich bei allen
Unternehmungen, die zur
Verschleierung des deut-
schen Abzuges ins' Werk
gesetzt wurden, durch
Schneid und Findigkeit
aus.
Südlich von Arras,
bei Beaurains, machten
am 12. März englische
Abteilungen nach heftiger
Feuervorbereitung auf
breiter Front einen Vor-
stoß, bei dem starke Kräfte
ins Gefecht kamen. Die
erste englischeWelle drang
in raschem Ansturm in
die vorderen deutschen
Gräben ein und wurde
dort im Nahkampfe völ-
ligvernichtet. Diezweite,
ebenso wie die dritte
Sturmwelle, brach schon
vor den Hindernissen der
Verteidiger blutig zusam-
men. Recht ausgiebig
bereiteten die Engländer
ihre Angriffe auf Dörfer
oder Dorfreste im ge-
räumten Gebiete vor.
Hunderte und Tausende
schwerer Granaten schos-
sen sie auf Ruinen von
Siedlungen, die von den
Deutschen mitunter seit
mehreren Tagen schon
nicht mehr besetzt waren.
Gelegentlich konnten
deutsche Truppen, die
gegen die ehemaligen
deutschen Linien vorgin-
gen, die schwache eng-
lische Besatzung nieder-
kämpfen oder gefangen
abführen. Am 13. März
stießen die Feinde nachts
zwischen Achiet-le-Petit und Erevillers (stehe die Karte
Seite 244/245) ohne Artillerievorbereitung vor; aber auch
diese Überraschung wurde ein Mißerfolg, den die Engländer
mit zahlreichen Toten und Verwundeten bezahlen mußten. —
Drei Tage später besetzten zwischen Sailly und dem
St. Pierre-Vaastwald, den weder die Engländer noch die
Franzosen in monatelangen Kämpfen den Deutschen ent-
reißen konnten, englische, und zwischen Beuvraignes und
Lassigny auch französische, Truppen die von den Deutschen
ausgegebenen Gräben.
Die Franzosen zeigten sich in der neuen Kriegführung
geschickter als die Engländer. Sie hatten allerdings auch
nicht so schwere Arbeit wie diese, denn sie sahen gleich ein
40 Kilometer tiefes Eeländestück frei von Deutschen vor sich,
auf dem sie sogar Kavallerie vorzutreiben wagten. Auch
die Deutschen verwendeten auf diesem Stellungstreifen
Reiterei, die sich durch Kühnheit hervorzutun suchte. Den
Deutschen glückte dabei manch guter Fang, wenn das
Reiterhandwerk auch viel schwieriger war als in den ersten
Kriegsmonaten von 1914, wo die angreifenden Reiter noch
auf wenig vom Kriege berührtem Gelände ihre Pferde in
flotten Galopp setzen konnten (siehe Bild Seite 277).
Aber die weitreichenden deutschen strategischen Maß-
nahmen gaben die Meldungen des Eeneralquartiermeisters
über die Ereignisse vom 17. März zum ersten Male klaren
Aufschluß. An diesem Tage hatten die Feinde Bapaume,
.Peronne, Roye und Royon (siehe die Bilder Seite 274)
erreicht. Bis zum 23. März stießen sie in eine Linie
vor, die durch folgende in ihre Hände gekommenen Ort-
schaften bezeichnet wird: Beaurains (südöstlich von Arras),
Croisilles, Velu (östlich von Bapaume), Rurlu, Etreillers
(westlich von Peronne), St. Simon (östlich von Ham, am
Kanal von St. Quentin), Tergnier, Chauny, Couzy, Anizy
1 und Vailly (an der Aisne). Allein, diese Linie war durchaus
kein sicherer Besitz der
Feinde. Während die
deutschen Meldungen
über die Ereignisse wenig
verrieten, berichteten die
französischen und eng-
lischen oft von deutschen
Gegenstößen. Am 24.
März trafen die Feinde
bei Beaumetz, Roisel und
östlich vom Corzat-Kanal
in der Sommegegend
auf deutsche Sicherungs-
truppen , die ihnen
schwere Gefechte lieferten
und dann befehlsgemäß
auswichen. Nordöstlich
von Soissons, bei Vre-
gny, wurden französische
Bataillone in einem für
sie verlustreichen Gefecht
zurückgeschlagen. —
Der strategische Rück-
zug der Deutschen machte
den Westmächten einen
dicken Strich durch die
Rechnung, denn ihre
wohlvorbereitete Offen-
sive konnte einstweilen
nicht zur Ausführung
kommen, weil sie sich voll-
kommen neuen Verhält-
nissen gegenübersahen.
Die Deutschen waren
dem Schlag geschickt aus-
gewichen und hatten
neue treffliche Stellun-
gen eingenommen, die
ihnen eine bessere Stütze
boten als jene, die sie
mehr zufällig im Jahre
1914 besetzt hatten. Die
Londoner Zeitschrift
„Truth" (auf deutsch
„Wahrheit") sagte wört-
lich: „Der deutsche Rück-
zug an der Ancre erscheint als die größte Meisterleistung
des deutschen Eeneralstabes während des Krieges." Wenn
das von dem Ancrerückzug galt, so paßte die Bemerkung
noch viel mehr auf die Eesamtabmarschfront Arras—
Soissons. Das wurde von den Franzosen nach und nach
auch zugegeben. Die Engländer hatten zu ihrem Teile die
Mühen, die ihnen der Abmarsch des Gegners auferlegte,
schon kennen gelernt; sie mußten im versumpften und ver-
schlammten Gebiet der Ancre (siehe die Bilder Seite 275
und 278 oben) nicht weniger als 200000 Arbeiter zum
Aufbau neuer Stellungen zusammenziehen.
Wie vollständig es den Deutschen durch ihren Abmarsch
und vorher durch bestimmte Teilangriffe gelungen war, die
feindlichen Pläne zu verwirren, ging daraus hervor, daß
die Franzosen die Stellung von Ripont, die mit der be-
herrschenden Höhe 185 in die Hand der Deutschen gefallen
war, unter Anwendung ganz unverhältnismäßig großer
Mittel und Kräfte wiederzugewinnen trachteten. Am 11.,
Wie es auf dem von den Deutschen im Westen geräumten Geländeftreifen
aussah.
276
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
12. und 14. März suchten sie die Höhe unter allen Um-
ständen Zurückzubekommen. Zehntausende von Granaten
prasselten in die ehemaligen französischen Linien, die nun
fest in deutscher Hand waren; mächtig prallten die fran-
zösischen Sturmtruppen immer wieder vor. Jedoch nur
kleine Grabenstücke brachten sie gelegentlich in ihre Gewalt;
die Höhe wurde von den Deutschen gehalten.
Auch in den übrigen Abschnitten der Front vom Meer
bis zu den Alpen wurde lebhaft gekämpft. Vielfach ge-
langen den Deutschen Vorstöße, die ihnen Gefangene und
Maschinengewehre einbrachten. Ein kraftvoller Angriff
wurde von ihnen am 18. März nach sorgfältiger Feuer-
vorbereitung im Südostteil des Waldes von Malancourt
und auf den Osthang der Höhe 304 ausgeführt; gleichzeitig
fielen sie am „Toten Mann" in die feindlichen Linien ein.
In 500 und 800 Metern Breite überrannten sie mehrere
feindliche Linien; im
Walde von Malancourt
wurden drei hinterein-
ander liegende Stellun-
gen erstürmt. Hier und
an der Höhe 304 (siehe
Bild Seite 278 unten)
wurden die gewonnenen
französischen Abschnitte
von den Deutschen be-
hauptet, während sie am
„Toten Mann" ihrer Ab-
sicht gemäß unter Weg-
führung von Beute und
Gefangenen in die eige-
nen Linien zurückkehrten.
Dieser Tag kostete den
Franzosen neben dem
Eeländeverlust einige
tausend Tote und Ver-
wundete, 500 Gefangene
und mehrere Maschinen-
gewehre. Mit rastlosen
Gegenangriffen suchten
die Franzosen die emp-
findliche Niederlage an
demselben und am näch-
sten Tag wieder wettzu-
machen, doch wurden sie
jedesmal blutig zurück-
geschlagen. Als die Feinde
nach einem mißlungenen
Angriff in ihren Graben
zurückeilten, stieß eine
deutsche Kompanie dem
weichenden Gegner aus
eigenem Antriebe nach
und besetzte ein neues
Grabenstück von 200 Me-
tern Breite, dessen noch
am Leben gebliebene
Besatzung in Gefangen-
schaft geriet.
Diese Mißerfolge tru-
gen mit dazu bei, das
Vertrauen der Franzosen zu ihrer Regierung immer mehr
zu _ untergraben. Der oft angefeindete Ministerpräsident
Briand sah sich deshalb am 17., März gezwungen, sein Amt
niederzulegen, das am 20. März von den: greisen Politiker
Ribot (siehe Bild Seite 279), der zuletzt die Kriegsfinanzen
verwaltete, übernommen wurde. Aber auch ihm gehörte
das Vertrauen der französischen Abgeordneten eigentlich
nur der Form nach. —
Die bedeutungsvollen Vorgänge auf dem westlichen
Krkegschauplatz hatten auf beiden Seiten die Luftstreit-
kräfte auf den Plan gerufen. Die Feinde strebten da-
nach, die neuen deutschen Linien und den Umfang des
Abmarsches festzustellen, was die Deutschen nach Kräften
zu verhindern suchten. Daraus erwuchsen zahlreiche Luft-
kämpfe, in denen die Deutschen aufs neue ihre Überlegen-
heit bewiesen. Diese verdankten sie unter anderem auch
einer neueren Flugzeugart, dem „Kampf-Albatros". Ein
englischer Fliegerunterleutnant, der seit vier Monaten in:
Felde stand und gleich mehreren seiner Kameraden herunter-
geschossen worden war, als einmal vier deutsche Flugzeuge
gegen neun englische kämpften, gab zu, daß sich seine Ab-
teilung im Gefühl der Unterlegenheit gegenüber den deut-
schen Flugzeugen am 6. März geweigert hätte, aufzusteigen.
Die Folgen hätten bewiesen, wie begründet die Besorgnis
der englischen Flieger gewesen sei.
Die Kämpfe in der Luft am 11. März kosteten den Feinden
mindestens 16 Flugzeuge, von denen wenigstens 4 hinter
den deutschen Linien niederstürzten. Ein siebzehntes Flug-
zeug fiel in der Gegend von Zillebeke einem Abwehrgeschütz
zum Opfer. Außerdem holte Leutnant v. Bülow nordwest-
lich von Armentieres einen feindlichen Fesselballon herunter;
ein zweiter Fesselballon wurde von dem Oberflugzeugmeister
Schönfelder bei Sivry-la-Perche abge
v. Richthofen gelang es, an diesem Tage
Baldamus seinen 12. und Leutnant Pfei
chossen. Freiherrn
einen 26., Leutnant
fer seinen 9. Gegner
zu besiegen. Am 16. März
vernichtetendeutscheFlie-
ger 4 Fesselballone. Am
gleichen Tage bombar-
dierten deutsche Seeflug-
zeuge mit guter Wirkung
die englische Küste, von
Westgate. In der dar-
auffolgenden Nacht wa-
ren London und die süd-
östlichen Grafschaften
Englands das Ziel eines
deutschen Marineluft-
schiffgeschwaders, das die
englische Hauptstadt eine
halbe Stunde lang mit
Bomben bewarf, obwohl
der Himmel mit 50 bis
60 großen Scheinwerfern
nach den Luftschiffen ab-
gesucht wurde und eine
Unmenge englischer Ab-
wehrgeschütze ihre Ge-
schosse gegen die An-
greiferschleuderten. Auch
feindliche Flieger betei-
ligten sich an der Ab-
wehr der Luftschiffe, die
jedoch allen Gefahren
entrannen. Auf ihrer
Rückfahrt ging dann
allerdings das Zeppelin-
schiff L 39 verloren, das
die Franzosen aus einer
Höhe von 3500 Metern
zum Absturz brachten,
wobei es vernichtet und
die Mannschaft getötet
wurde. Tags darauf
flog ein deutsches Ma-
rineflugzeug nach Dover
und warf dort Bomben
auf den Hafen und die
Gasanstalt ab.
Am 17. März ereig-
neten sich auch an der Front viele Luftkämpfe, in denen
die Deutschen 19 Gegner außer Gefecht setzten und durch
Abwehrfeuer noch 3 Flugzeuge vernichteten. Zwei Tage
später büßten die Feinde wieder 15 Apparate ein, von
denen 2 dem Abwehrfeuer, die anderen im Luftkampf
unterlagen. Hierzu kamen am 21. März noch 3 und am
23. Mürz weitere 17 Flugzeuge.
Den Deutschen blieben Verluste natürlich auch nicht er-
spart. Vizefeldwebel Manschott (siehe Bild Seite 280 oben),
der innerhalb dreier Monate 8 Flugzeuge und 3 Fesselbal-
lone vernichtete, fiel am 16. März im Luftkampf, und der
Flieger Prinz Friedrich Karl von Preußen (siehe Bild eben-
da) erhielt am 23. März während eines Luftgefechtes eine
Verwundung, die ihn zum Landen zwang. Der Prinz
geriet in englische Gefangenschaft und starb bald danach.
Der Krieg zur See zeitigte im März ebenfalls gute Er-
gebnisse für die Deutschen. Unter den Fahrzeugen, die am
Wegnahme eines französischen BagagekransporLes.
Nach einem Originalgemälde von Wilhelm Schreuer.
m
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. G. Riebicke, Berlin-Charlottenburg.
Im Frühjahrschlamm an der AncresronL.
14. März als versenkt gemeldet wurden (zusammen 48 150
Tonnen), war auch ein feindlicher kleiner Kreuzer und das
als Unterseebootfalle eingerichtete Sonderschiff „0 27", von
dem 1 Leutnant, 1 Deckoffizier und 4 Mann gefangen
wurden. Eine amtliche Nachricht vom 16. März verkündete
die Vernichtung von weiteren 18 Schiffen. Dann wurden
am 19. März noch 116000 Tonnen und am 25. März aber-
mals 80000 Tonnen als versenkt gemeldet.
In der Nacht vom 18. März stieß wieder ein Teil der
deutschen Seestreitkräste in die Straße Dover—Calais und
in die Themsemündung vor. Dabei wurde ein feindlicher
Zerstörer vernichtet und ein anderer schwer beschädigt. In
der Themsemündung beschossen die Deutschen feindliche
Schiffe, und bei North-Foreland versenkten sie einen feind-
lichen Handelsdampfer von 7500 Tonnen durch Torpedo-
schuß. Zwei Vorpostenschiffe fielen dem Artilleriefeuer zum
Opfer. Nachher beschossen die Deutschen auf nahe Ent-
fernung den Hafen Margate längere Zeit mit Granaten,
ohne daß sie von den Landbatterien daran gehindert werden
konnten. Alle deutschen Schiffe, die sich an diesem Vorstoß
beteiligt hatten, erreichten unbeschädigt ihren Hafen wieder.
Der Kapitänleutnant Moraht (siehe Bild Seite 280
oben) torpedierte am 19. März im westlichen Mittelmeer das
18400 Tonnen verdrän-
gendefranzösische Linien-
schiff „Danton", trotzdem
es Torpedoboote beglei-
teten. Das von zwei
Torpedos getroffene
Fahrzeug sank in 30 Mi-
nuten. 806 Mann wur-
den durch das beglei-
tende Torpedoboot,,Mas-
sue" und die herbeigeeil-
ten Patrouillenschiffe ge-
rettet (siehe Bild Seite
281). Die Zahl der Op-
fer betrug 296. Damit
wuchs der Verlust der
Feinde an Kriegschiffen
ausschließlich der unter-
gegaugenen Hilfskreuzer
und Hilfschiffe auf 850 000
Tonnen an.
Große Freude rief in
Deutschland die Nachricht
hervor, daß der deutsche
Hilfskreuzer „Möwe" am
22. März wieder in Kiel
eingelaufen war. Aber-
mals unter dem Kom-
mando des Grafen Dohna-Schlodien
stehend, hatte er im Atlantischen
Ozean 21 Dampfer und 5 Segler
von zusammen 123 000 Tonnen ver-
senkt, worunter sich auch bewaffnete
Schiffe befanden. Mit einem eng-
lischen Hilfskreuzer hatte die „Möwe"
einen heftigen Kampf zu bestehen ge-
habt, wobei die Besatzung 6 Tote und
mehrere Verwundete zu beklagen
hatte. Das Schiff brachte 669 Gefan-
gene von seinem Streifzuge mit. —
In das gesperrte Seegebiet wurde
von den Deutschen am 24. März auch
das Nördliche Eismeer einbezogen,
wodurch der überseeische Handel Ruß-
lands, besonders mit Amerika, unter-
bunden werden sollte. Auch in diesem
Falle erhielten neutrale Schiffe eine
Schonfrist, die bis zum 5. April 1917
lief.
Unter den in der letzten Zeit ver-
senkten Schiffen befanden sich auch
mehrere amerikanische Schiffe. Trotz-
dem hielt Wilson den Kriegsfall noch
nicht für gegeben. Die zögernde Hal-
tung, die er einnahm, bewies, daß
seine Berechnungenfalsch warenund die Dinge einen anderen
Verlauf nahmen, als er gehofft hatte. Wilson war nun be-
müht, die Verantwortung für die Folgen seiner Handlungs-
weise nach Möglichkeit von sich abzuwälzen, und berief zu
diesem Zwecke für den 2. April den amerikanischen Kongreß
ein, um ihm seine Vorschläge zur Zustimmung zu unter-
breiten. Es war kein Zweifel, daß Amerika dem Kriege
immer mehr entgegentrieb, worauf auch die Mobilisierung
verschiedener Truppenteile hinwies. Die Kriegshilfe der
Amerikaner für die Westmächte (siehe Bild Seite 280)
sollte allerdings weniger in der Bereitstellung von Truppen
als in der Hergäbe von Geldern bestehen. Das war die
gleiche Auffassung über die Kriegführung, wie sie England
vertreten hatte — solange es möglich war. Es handelte
sich also auch für den Präsidenten der Vereinigten Staaten
um einen „Geschäftskrieg".
Dem Werben des Friedensapostels Wilson um Bundes-
genossen gegen Deutschland hatte China endlich nach-
gegeben. Die Chinesen schlossen sich dem Vorgehen des
amerikanischen Präsidenten nach langem Schwanken an
und brachen die Beziehungen zum Deutschen Reiche ab.
Eroberte französische Gräben auf der Höhe 304 bei Verdun.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
279
Das geschah freilich mehr unter dem Druck des Vierver-
bandes, der den Chinesen finanzielle Vorteile zusicherte,
wenn sie sich ihm anschlössen. Da China mit Deutschland
auf gutem Fuße stand und sein Handel durch den D-Boot-
krieg nicht gefährdet war, so lag auch gar kein Grund
zu dem unternommenen Schritte vor. Die wenigen Chi-
nesen, die durch den D-Bootkrieg geschädigt wurden,
standen im Dienste der Feinde Deutschlands; sie konnten
sonnt nicht mit Recht in die Begründung einbezogen werden.
Eine äußerlich erkennbare Folge hatte der Abbruch der
Beziehungen zunächst nicht; nur wurde das Kanonenboot
„Tsingtau", das in dem Mündungsgebiet des Jangtse bei
Schanghai lag, vorsichtshalber von der Mannschaft in die
Luft gesprengt, um es nicht durch eine vielleicht in Aus-
sicht stehende Beschlagnahme in die Hände der Feinde fallen
zu lassen. — »Fortsetzung folge»
Illustrierte Kriegsberichte
Aus meinem Tiroler Kriegstagebuch.
Von Karl Graf Scapinelli, t. u. t. Kriegsberichterstatter.
^Hierzu die Kunstbeilage.)
Der Posten in der Spitzstellung.
Droben war's, in den verschneiten Südtiroler Bergen, in
mehr als zweitausend Metern Höhe, an seinem vorspringen-
den überragenden Punkt, den die Österreicher und Ungarn
hielten.
Der überragende Zipfel Bergland beherrscht das Land
weit voraus, und wer ihn hat, besitzt
den Schlüssel zu den dahinterliegen-
den Tälerit, wer auf ihm steht, kann
mit seinen Geschützen weit, weit Freun-
des- und Feindesland bestreichen. Die
ganze Stellung ist darum sehr wich-
tig, noch wichtiger aber ist die dort im
Keil vorspringende Spitzstellung; dar-
um stehen dort immer die Wackeren,
die die Spielhahnfeder am Mützen-
rand tragen, die Kaiserschützen aus
Tirol und Vorarlberg.
Zwischen hohen Wänden von
Schnee, die jeden Einblick wehren,
kann man da im Winter auf und ab
gehen: ein Gewirr tiesgefurchter
weißer Wege zieht sich um die Stel-
lung, als wäre die Kuppel des
Berges von riesigen Ameisen durch-
wühlt worden.
Enge Gänge, Schneetunnel, mit
Säcken überdeckte Ecken und Kehren
durchschreitet man und ist dann plötz-
lich, sich drehend, in einer eckigen,
stark ausgebauten Befestigung: in der
Spitzstellung. Sie ist der Angelpunkt
der Verteidigung, überragt alles und
läßt den Blick nach drei Seiten ins
Tal und zu den Bergen frei.
Zur Rampe, die den Blick ins Fein-
desland wehrt, führen in Schnee und
Eis geschlagene Stufen. Eine schützende Schranke erhebt
sich, auf der ein Wächter steht, ein hoher, bärtiger Kaiser-
schütze, der den Feind stundenlang scharf beobachtet.
Der Major und der Hauptmann gehen mit mir. Die
Leute im Unterstand werden lebendig, grüßen und nehmen
wieder die Ruhestellung ein. Nur der Bärtige steht unbe-
weglich; er sieht die Vorgesetzten nicht, er will vom Besuch
nichts wissen und schaut nur angestrengt starr vor sich.
Heimatland, Familie» das alles liegt hinter ihm, er dreht
sich nicht um nach diesen Dingen: nur auf den Feind ist
sein Auge gerichtet.
Sein Blick umschließt das Gelände, er sucht es ab, sucht
immer wieder Neues zu entdecken.
Ich trete ganz nahe an ihn heran, der Major warnt, ich
solle den Kopf nicht zu weit hinausstrecken, denn die
Italiener rächten solche Neugierde gern mit einem wohl-
gezielten Schuß. Der Posten in den großen Strohschuhen
und mit dem geschulterten Gewehr zuckt in solchen Fällen
nicht einmal mit den Wimpern; seine Aufgabe ist, hier zu
stehen und hinauszusehen, und darum tut er es.
Der Major beginnt zu erzählen. Drüben auf der
Bergkuppe sitzen die Italiener. Wenn sie einen von
uns erblicken, dann schießen sie aus genau eingerichteten,
mit Zielfernrohr versehenen Gewehren zu uns herüber.
„Wir nennen den Kerl dort oben den Pankmann, weil
seine Kugeln so hell und frech ,pank panL machen!"
„Arzhuber, gib auch acht!" sagt der Major, „die Welschen
zielen immer hierher."
Der Arzhuber verzieht keine Miene auf seinem Posten;
er schüttelt nur den Kopf und schaut weiter vor sich hin,
als wollte er sagen, er muß da stehen, das ist heute seine
Pflicht, und der drüben muß auch dort stehen; sie beide sind
im Dienst und werden sich schon gegenseitig nichts tun.
Aber so hart er tut, der Arzhuber, er hat doch ein gutes
Herz. Die weite Schneelandschaft da vorne ist heute sein
Reich, er lugt aus und beherrscht es mit seinem Blick. Soll
einer herauskommen aus dem feind-
lichen Graben! Er ist der Herr die-
ser weiten Fläche, drum streckt er
jeden, der sie betritt, nieder wie ein
Stück Wild. Das ist sein Besitz,
größer, weit größer wie sein Berg-
gütel mit den paar Joch Grund im
Jnntal. Unter der weichen Schnee-
decke liegen Wiesen, Matten; dieser
neue Besitz im Feindesland wäre
grad gut für seine zwei Kühe, denn
die Frau schreibt, daß das Futter
heuer gar so knapp gewesen sei. Und
dort, der Streifen Waldes mit den
himmelhohen Tannen, der gehört
heute auch ihm, da ließe sich im Herbst
gut Holz schlagen; und wenn er drei
dieser riesigen Stämme fällen würde,
dann gäbe das einen schönen Anbau
zu seinem Stadel, in dein er leicht
zwei Ziegen halten könnte. Die Kuh-
inilch könnte er dann eher verkaufen,
denn für die Seinen wäre auch Zie-
genmilch gut. Die Acker tief unten
am Bergfuß sind sicher besser als seine
im Jnntal und täten wohl leicht zwei-
mal soviel tragen. Das wäre sehr
gut, jetzt, wo die Kartoffeln so rar
sind.
Plötzlich leuchtet sein Blick auf.
„Teufi, Teufi!" murmelt er leise, und
wie ein Adler schaut er mit klarem Blick dort hinunter.
Ein Welscher drückt sich in „seinem" Wald herum, zwischen
den drei Stämmen, die seinen Ziegenstall geben sollen.
Schon reißt er sein Gewehr an die Wange und zielt. Ein
leichter Knall: „Liegt," sagt er, schultert die Flinte und
steht wieder aufrecht, ruhig auslugend, da. Denn da vorne,
das ist jetzt sein Reich, das muß er verteidigen und halten,
dafür haben sie ihn geholt und die Flinte ihm gegeben,
und deswegen ist er da. —---------
„Viel Schwerter klirren und blitzen."
Es war ein heißer Kampf gewesen, bis man die Italiener,
die nach starkem Trommelfeuer in die Gräben eingedrungen
waren, wieder hatte hinauswerfen können. Freilich fanden
die wenigsten von ihnen den Weg aus den Gräben, denn
die Kaiserschützen hatten so drauflosgeschlagen und sich so
gewehrt, daß die meisten der Italiener tot in der Stellung
blieben. Mancher der Verteidiger hatte auch seinen Hieb,
seinen Dolchstoß abbekommen; viele bemerkten es aber erst
später, als es etwas ruhiger geworden war.
„Denen haben wir's geben," rief der schon graubärtige
Bartelhackinger aus. Er wurde dann plötzlich sehr blaß,
nachdem er im Kampf so fuchsteufelswild und rot gewesen
war. Auch die roten Flecken auf dem grauen Tuch hatte
er nicht beachtet. Na ja, die kamen vom Raufen, dachte er,
aber dann sah er, daß ihm ein frisches Brünnlein aus der
Phot. Henri Manuel, Paris.
Ribot, französischer Minister des Äußern und Vor-
sitzender des Ministeriums.
280
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. R. Sennecke, Berlin.
Vizefeldwebel Friedrich ManfchoLL,
einer der erfolgreichsten deutschen Kampfflieger, ist
im Luftkampf gefallen. Er hat in drei Monaten acht
Flugzeuge und drei Fesselballone vernichtet. Noch an
feinem Todestage schotz er einen feindlichen Fessel-
ballon ab.
Phot. Berl. Jllustrat.-Ees. m. b. H.
KapiLänleutnant Moraht,
Kommandant des deutschen Unterseebootes, durch
dessen Torpedoschüsse das 18400 Tonnen ver-
drängende französische Linienschiff „Danton" am
19. März 1917 im westlichen Mittelmeer ver-
senkt wurde.
Phot. Atelier Eberth.
Prinz Friedrich Karl von Preußen,
der zweite Sohn des Prinzen Friedrich Leopold, eines
Vetters des Deutschen Kaisers, wurde im Luftkampf
zwischen Arras und Peronne abgeschossen und geriet,
schwer verwundet, in englische Gefangenschaft, wo
er an den Folgen einer Operation starb.
rechten Brustseite floß. Er ward so blast. „Die Kerle
Han mich g'stochen!" schnaufte er und sank plötzlich ganz sanft
um. Er sah noch den Kopf des Nachbarn über sich, der
gleich einen Klumpen frischen Schnee nahm und ihm den
Rock öffnete. Dann wußte er nichts mehr.
Irgendwann erwachte er in einem Hellen Zimmer für
kurze Zeit, sah eine Menge Feldgraue und viele Betten
um sich und schlief dann wieder ein. Nachher hatte er
die Wände eines ratternden Lazarettzuges vor sich, und
dann wußte er wieder nichts, bis er in irgend einer Stadt
irgendwo in einem sauberen Bette zu sich kam und
Schwestern sah, die sich eifrig um ihn bemühten. Sobald
er nur zu lallen vermochte, begehrte er angstvoll nach seiner
Mütze mit dem Abzeichen und nach seiner silbernen Tapfer-
keitsmedaille. Es ist merkwürdig, selbst wenn sie dem Tode
nahe sind, wenn man sie sterbend aus dem Wagen hebt,
sterbend ins Stroh des ersten Verbandplatzes bettet, immer
greifen die Wackeren über sich und suchen die Mühe.
„Es wird schon werden, Bartelhackinger," sagte die sanfte
Stimme einer Schwester.
Aber er fühlte sich so elend, so weit, weit von hier weg»
fast schon im Jenseits, daß er nur den Kopf schüttelte und
sagte: „Woher kennen S' mich denn?" Ganz ängstlich kam
ihm das vor, daß ihn da so eine „noblichte" Dame beim
Namen kannte.
Doch die Schwester sagte lächelnd: „Sehr einfach, Bartel-
hackinger, hinter Ihnen am Kopfende des Bettes steht doch
Ihr Name." "
„Wie auf einem Grabstein!" meinte er bitter und drehte
den Kopf, so gut es ging, wieder der Wand zu.
War das Schlaf, war's nur Mattigkeit? Ihm schien es»
als täten sich die alten Zeiten auf. Von den Jüngsten war er
keiner mehr — er hatte als Kind noch den Erzherzog-Kron-
prinz gesehen — und nun kam seine Kindheit, kam seine
Jugend zurück und gaukelte ihm allerhand vor. Mitten-
hinein» wie er sich noch als hilfloses Büberl fühlte, fragte
Die neueren Typen der amerikanischen Linienschiffe und Panzerkreuzer.
1. L. Oklahoma und Nevada. 2. L. Michigan und South Carolina. 3. L. Delaware und North Dakota. 4. L. Texas und New Aork. 5. L. Arizona und
Pennsylvania. 6. L. Florida und Utah. 7. L. Missouri, Maine und Ohio. 8. L. Vermont, Minnesota, New Hampshire, Louisiana, Kansas und Conueettcut.
9. L. Virginia, Georgia, Nebraska, New Jersey und Rhode Island. 10. L. Alabama, Illinois und Wisconsin. 11. L. Kentucky und Kearsarge. 12. L. Ar-
kansas und Wyoming. 13. P.-K. Montana, North Carolina, Washington und Tennessee. 14. P.-K. Constitution, Constellation, Alliance und Congrest.
15. P.-K. South Dakota, San Diego, West-Virginia, Colorado, Maryland und Pittsburgh. 16. P.-K. St. Louis. Milwaukee und Charlestown.
i
Österreichisch-ungarische Verwundetensammelstelle in einem eroberten italienischen Des,
Nach einer Originalzeichnung von Professor Hans W. Schmidt,
'<?UVA ’IA
gesicherten französischen Linienschiffes „Danton-- durch zwei Torpedoschüsse eines deutschen Tauchbootes am
19. März 1917 im westlichen Mittelmeer.
Nach einem Originalgemälde von Robert Schmidt-Hamburg.
Patrouillenschiffe
Torpedoboote
und
Vernichtung
des
durch
282
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
er laut: „Wo bin ich denn?" Und eine ferne Stimme
antwortete: „In Bozen, im Lazarett!"
Dann kamen tausend Bilder aus der Jugend, tausend
Gestalten zogen vorüber, mitten durch seine Wunde schienen
sie zu kommen, und darum wohl schmerzte sie ihn so. Neben
den Dirndeln und Buben vom Ort kamen die Großen der
Zeit, der General, der ihm die „Silberne" für die Stürme
am Col di Lana angeheftet hatte, dann Erzellenz v. Dankl,
den er einmal gesehen, dann Hindenburg, wie ihn das aus
dem Kalender geschnittene Bild, das im Unterstand hing,
zeigte: mit dem martialischen Bart und dem Stoppelkopf,
dann verwechselte er ihn wieder mit dem gestorbenen Kron-
prinzen Rudolf, von dem zu Hause bei den Eltern ein Bild
gehangen hatte. Der trug auch so stoppelige Haare und
einen solchen Bart und jetzt sah er auf einmal viel älter aus.
Endlich schlief er wirklich; traumlos, schwer stöhnend,
wimmernd wie ein Kind. Denn die Helden lassen, solange
sie wachen, keinen Laut des Schmerzes über ihre Lippen,
nur im Schlaf, wenn sie wie Kinder werden, wimmern
auch sie.
Plötzlich drang irgend etwas Süßes, Weiches, Singendes
in seinen Schlaf, irgend eine große Freude, eine Himmels-
melodie. Er schlug die Augen auf: klingendes Spiel, jubelnde
Weisen — aufhorchend starrte er vor sich hin. Er richtete
sich auf, doch die Schwester kam und drückte ihn sanft in
die Kissen zurück.
„Musik, Musik!" rief er.
„Der junge Kaiser kommt, der junge Kaiser!" hieß es....
Unten auf dem Platze vor dem Lazarett nahm er die Pa-
rade ab.
Und der Bartelhackinger war nicht dabei und hatte sich
doch geschlagen schier hundertmal für Kaiser und Reich!
„Schwester, ich muß ihn sehen!" Er wollte aus dem
Bett. „Schwester, bringen S' mich ans Fenster."
„Sie dürfen nicht aufstehen, Bartelhackinger, ein anderes
Mal!"
„Dann ist's zu spät!"
Die Schwestern sahen sich an, dann rückten zwei von
ihnen sein Bett ans Fenster.
Die Volkshymne wurde gespielt. Verklärt sah der Bartel-
hackinger hinab auf den Platz; Tränen liefen ihm über das
Gesicht. „Der Kaiser, der junge Kaiser!"
Mit hochroten Wangen starrte er hinab» dann wurde er
auf einmal ganz weiß vor Freude. Der Kaiser hatte zu den
Braven, die sich an den Fenstern des Lazarettes drängten
und hinausschauten, den Soldaten, die die weiße Uniform
der verwundeten Kämpfer trugen, hinaufgewinkt, lächelnd,
treuherzig, dankbar!---------
Giftgase als Kampfmittel.
Von Dr. Heinz Leo.
II.
Als nächstes den feindlichen Zwecken dienendes Mittel
findet das Schwefeldioxyd Erwähnung. Seine zum Husten
reizende, die Mundschleimhaut angreifende Wirkung ist
jedem bekannt, der sich einmal mit dem Ausschwefeln von
Weinfässern oder Räumlichkeiten befaßt hat, da es ein
direktes Verbrennungsprodukt des käuflichen Schwefels ist.
Das Schwefeldioxyd ist ferner daran kenntlich, daß es bei
Gegenwart von Wasser die meisten Pflanzenfarbstoffe ent-
färbt. Daher erhält durch einen bei feuchter Witterung
mittels Schwefeldioxyds ausgeführten Gasangriff die ge-
samte Vegetation ein eigenartiges geisterbleiches Aussehen,
was das Unheimliche solcher Kampfmittel noch erhöht.
Ferner muß der gasförmige Phosphorwasserstoff, auch
Phosphin genannt, ein giftiges, knoblauchartig riechendes
Gas, den Zwecken unserer Feinde dienen. Die Giftig-
keit des Phosphins wird noch übertroffen durch das gleich-
falls von Euareschi empfohlene Arsin, den gasförmigen
Arsenwasserstoff, ein ebenfalls nach Knoblauch riechen-
des Gas.
Unter den Tränen erzeugenden Gasen führt Guareschi
Zunächst das Phosgen und das Ammoniak an, um sich dann
dem Chlorkohlensäuremethylester zuzuwenden, einer scharf
riechenden Flüssigkeit, die das Chlor sehr leicht abgibt
und ihm ähnliche Wirkungen hervorruft. Ihm schließt "sich
an das Ritrochloroform oder Chlorpikrin, eine farblose,
stechend riechende Flüssigkeit. Auch das Benzylchlorid und
das Benzylbromid werden als für Gasangriffe brauchbar
empfohlen. Es sind ebenfalls stechend riechende Flüssig-
keiten; ihre Dämpfe greifen Augen und Rase heftig an.
Es erübrigt noch, einiges zu sagen über die technische
Durchführung von Gasangriffen, sowie über die Mittel zu
ihrer Abwehr. Was zunächst die Technik der Gasangriffe
angeht, so haben sich vorwiegend zwei Wege als zweckmäßig
erwiesen: einmal das Schießen mit Gasgranaten und zum
anderen das Abblasen der Gase aus feststehenden Behältern.
Die erstgenannte Methode hat neben dem Vorteil, bestimmte
Ziele ausgiebig vergasen zu können, noch den Vorzug,
weniger abhängig von den meteorologischen Verhältnissen
zu sein, während die zweite Art größere Vorteile bietet,
wenn es sich darum handelt, ausgedehnte Frontabschnitte
nebst den zugehörigen Reservestellungen unter eine Gas-
atmosphäre zu setzen. Zu diesem Zweck werden Stahl-
flaschen, nach Art der beim Bierausschank mittels Kohlen-
säuredrucks verwendeten, in großer Zahl in die vordersten
Linien eingebaut. Ein System von Röhren und Schläuchen
mit zahlreichen Austrittsöffnungen sorgt für eine möglichst
vorteilhafte Verteilung des unter hohem Druck ausströmen-
den Gases. Immerhin sind günstige Witterungsumstände
bei diesem Verfahren nicht zu entbehren. Das Abblasen
von Gas verspricht nur dann einigen Erfolg, wenn die
Windrichtung günstig und voraussichtlich von Dauer ist.
Ferner darf, je nach der spezifischen Schwere des betref-
fenden Gases, der Wind eine gewisse Stärke nicht über-
schreiten, da sonst die Schwaden zu schnell über das zu
vergasende Gebiet Hinwegstreichen. Zur Vorbereitung eines
Gasangriffs dieser Art gehört also eine sorgfältige meteoro-
logische Beobachtung unter gleichzeitiger Berücksichtigung
verschiedener physikalischer Faktoren. Dennoch kann plötz-
licher Windwechsel den klug berechneten Erfolg in Frage
stellen oder gar in sein Gegenteil verkehren, indem der Pfeil
auf den Schützen zurückfliegt, wie überhaupt dieses Kriegs-
mittel eine zweischneidige Waffe ist.
Von Gasangriffen ist seit dem Frühjahr 1916 auf nahezu
allen Fronten ein immer ausgiebigerer Gebrauch gemacht
worden. Die ausgedehnteste Anwendung fand dieses Kampf-
mittel bisher anläßlich der großen Sommeoffensive. Roch
während des 168 Stunden, sieben Tage und sieben Nächte,
ununterbrochen anhaltenden, beispiellosen Trommelfeuers
schickten die Feinde, durch ständige Nordwestwinde unter-
stützt, dicke Schwaden schwerer Gase in und hinter unsere
umgepflügten Linien; freilich ohne den erhofften Erfolg,
denn wir haben uns in vortrefflicher Weise gegen die chemi-
schen Kriegsmittel schützen gelernt. Das beste Mittel gegen
giftige Gase bilden die Gasmasken, von ähnlicher Art, wie
sie beiden Feuerwehren zum Schutze gegen Rauchvergiftung
gebräuchlich sind. Diese Masken mit ihren großen Augen-
gläsern und den rüsselähnlichen Fortsätzen verleihen den
Soldaten jenes eigenartige Aussehen, das ihre Träger eher
Amphibien als Menschen gleichen läßt. Die Masken wirken
in der Weise, daß die giftige Luft veranlaßt wird, durch eine
oder mehrere Schichten von Neutralisierungsmitteln hin-
durchzustreichen, bevor sie zu den Atmungsorganen gelangen
kann. AIs bestes Bindemittel für die meisten Stickgase wird
von feindlicher Seite Natronkalk empfohlen; gegen Dämpfe
sauren Charakters werden alkalische Lösungen, zum Beispiel
Soda, angeraten; zum Schutze gegen Chlorgas dienen in
Frankreich Schwämme oder Masken, die, mit Natrium-
thiosulfat getränkt, vor Nase und Mund gebunden werden.
Die dabei frei werdenden Dämpfe von Chlorwasserstoff und
Schwefelsäure werden durch Beigabe von Soda gebunden.
Die Besorgnis vor Wiedervergeltung ließ unsere Feinde
auf weitere Schutzmittel gegen die Giftgase bedacht sein.
So empfiehlt John B. C. Kershaw in „Cassier's Magazine"
die Erzeugung eines Gegenstromes, der die Gase ab-
wendet oder in die feindlichen Linien trägt. Er hält es für
möglich, die Motore und Propeller von Flugzeugen dieser
Arbeit anzupassen oder mit Petroleum getriebene Luft-
pumpen und Fächer an den gefährdeten Punkten aufzu-
stellen. Auch Koks- oder Steinkohlenfeuer erscheinen ihm
brauchbar, da sie einen Luftstrom in die Höhe längs der
Erabenlinien verursachen und die betäubenden Dünste über
die Verbindungslinien tragen helfen würden. Diese Feuer
müßten jedoch durch Zuführung frischer Luft aus den hin-
tersten Gräben unterhalten werden.
Was den taktischen Wert der gasförmigen Kampfmittel
anbelangt, so darf gesagt werden, daß sie zu den kleinen
Mitteln der Angriffsvorhereitung im Stellungskriege ge-
Phot. Photopresse Karikowsky, Budapep.
S. M. Schiff „Szamos", dessen Veschädigungen im Dock ausgebessert
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
hören, aber wohl kaum geeignet
sein werden, größere Entscheidun-
gen herbeizuführen, es sei denn
durch Überraschung. Sie sind eine
Eelegenheitswaffe,schondeswegeu,
weil ihre Anwendungsmöglichkeit
das Vorhandensein bestimmter me-
teorologischer Bedingungen zur
Voraussetzung hat. Seit man sich
hüben und drüben in ausreichender
Weise gegen die Schädigungen
durch Ease zu schützen weiß, sind
sie nicht viel mehr als eine Be-
lästigung, allerdings eine recht un-
angenehme.
Wir mußten uns bet den vor-
stehenden Ausführungen auf die
Äußerungen der feindlichen Presse
beschränken, da das vaterländische
Interesse verbietet, tatsächliche An-
gaben über das von den Mittel-
mächten für den Gaskrieg bereit-
gestellte Material zu machen. Im-
merhin darf soviel gesagt werden,
daß uns die Feinde auch auf diesem
Sondergebiet chemisch-technischen
Könnens gerüstet und willens fin-
den werden, Gleiches mit Gleichem
zu vergelten.
S. Nr. Schiff „Szamos"
und fein tapferer Kom-
mandant.
(Hierzu die Bilder auf dieser Seite.)
An den Kämpfen an der unte-
ren Donau hatte auch die österreichisch-ungarische Donau-
flottille hervorragenden Anteil. Bei Rahovo hatten die
Rumänen, begünstigt von nächtlicher Finsternis, eine Brücke
geschlagen, um auf bulgarisches Gebiet vorzudringen. Sie
waren dabei von den österreichisch-ungarischen Monitoren
beobachtet worden, die, gedeckt von den Donauinseln, in
Bereitschaft lagen. Ein alsbald von ihnen unternommener
Vorstoß glückte und hatte den Erfolg, daß die Brücke und
mit ihr 16 000 Mann des rumänischen Heeres vernichtet
wurden.
Linienschiffsleutnant Eduard Kankovszky, Kommandant
S. M. Schiff „Szamos", hatte sich bei den Kämpfen be-
sonders ausgezeichnet. Für sein tapferes Verhalten erhielt
§er den Eisernen Kronenorden, Allerhöchste Anerkennung,
das Eiserne Kreuz und die bulgarische Tapferkeitsmedaille.
,Das Schiff war bei
-den Kämpfen stark
beschädigt worden.
Bevor es jedoch ins
Dock kam, wurde
nach Beendigung
der Donaukämpfe
auf seinem Ober-
deck ein Tedeum
für die gefallenen
Donauhelden ab-
gehalten, an dem
auch Generalfeld-
marschall v. Mak-
kensen teilnahm.
Erstürmung der
Höhen von Ta-
meczysko bei
Grybow durch
die Bayern.
(Hierzu das Bild
Seile 283.)
Nachdem es den
Russen weder in
Ostpreußen noch
in Polen und West-
Eduard Kankovszky, Kommandant des österreichisch-
ungarischen Donaumonitors S. M. Schiff „Szamos",
der für seine kühnen Leistungen in den Kämpfen an der
unteren Donau das Eiserne Kreuz und den Eisernen
.Kronenorden erhielt.
galizien gelungen war, die eiserne
Kette der deutschen und österrei-
chisch-ungarischen Heere zu durch-
brechen, glaubte der Großfürst Ni-
kolai Nikolajewitsch, in den Kar-
pathen die schwächste Stelle der
Front der Verbündeten gefunden
zu haben. Hier setzte deshalb die
russische Heeresleitung die ganze
Kraft ihrer Armeen ein, um den
Gegner durch ihre Übermacht zu
erdrücken.
Am erbittertsten tobten die
Kämpfe in Westgalizien um die
Berghöhen der zwischen Neu-San-
dec und Gorlice gelegenen Stadt
Grybow. Hier setzte der energische
Durchbruch der verbündeten Heere
ein, die nun in unaufhaltsamem
Siegeslauf binnen weniger Wochen
die Russen unter den schwersten
Verlusten aus den Karpathen wie
aus Galizien zurücktrieben. Vor an-
deren zeichnete sich dabei das 3. bay-
rische Infanterieregiment aus, das
schon in den Kämpfen an der West-
front wahre Wunder an Tapferkeit
und Heldenmut vollbracht hatte,
und das nun Schulter an Schulter
mit den österreichisch-ungarischen
Kameraden in den Maitagen des
Jahres 1915 auf den Höhen Gali-
ziens neue Lorbeeren erntete. Eben
erst waren die Bayern — meist
Ersatzreservisten und Landwehrleute
— nach langer Fahrt aus ihrer
Earnisonstadt Augsburg in dem
staubigen Städtchen Grybow eingetroffen, als sie schon nach
kurzer Rast auf kleinen galizischen Bauernwagen, bespannt
mit struppigen, zähen Pferdchen, durch grünende Täler und
Wälder in die Berge zogen, um eine k. u. k. Traindivision
abzulösen und zu ergänzen. Hoch über dem Tal der brau-
senden Sekowa lagen die russischen Stellungen, zwei, drei,
oft noch mehr Linien hintereinander. Der Hauptwert
wurde von der deutschen Heeresleitung auf die Wegnahme
des hohen und steilen Tameczyskoberges gelegt, der weit-
hin die nördlichen Gegenden beherrschte und von den
Russen auch dementsprechend zu einer starken Festung aus-
gebaut worden war. Hier wurde das 3. Infanterieregi-
ment mit einem k. u. k. Bataillon eingesetzt, während das
Nachbarregiment die südlich anschließenden Stellungen an-
greifen sollte. — Am Abend des 1. Mai war alles zum
Sturmangriff be-
reit. Eine letzte
Nacht der Ruhe»
bevor der Tod eine
grausige Ernte
hielt. Schon früh-
morgens begannen
die Kanonen zu
donnern. „Punkt
10 Uhr legte sich
dann," so erzählt
ein bayrischer Of-
fizierstellvertreter
in einem Brief an
seine Angehörigen,
„unser schweres
Feuer auf die
rückwärtigen Stel-
lungen des Fein-
des; die Infanterie
stieg mit blitzen-
den Bajonetten aus
den Gräben und
ckterte die steilen
Hänge empor.Aber
die brave russische
Infanterie hatte in
den Stellungen
ren, ist ihrem Beweg-
grund nach auch in
der Taktik zu finden.
Die langen, unbehol-
fenen , unter plötz-
lichem Feuer des
Feindes sehr leiden-
den Marschkolonnen
einer großen Trup-
penabteilung können
in dem Gelände nicht
einfach auf den Feind
losmarschieren. Er
könnte unerwartet
auftreten, sie über-
raschen, mit Feuer
überfallen, und große
Verwirrung, schwere
Verluste und eine
Niederlage wären die
unausbleiblicheFolge.
Was wir militä-
risch die „ Vorhut" nen-
nen, ist auf taktischem
Gebiet nichts anderes
wie die vorgestreckte
Hand des im Dunkeln
tappenden Mannes.
Ebenso wie der Mann
sich im Dunkeln die
Fingerder vorgestreck-
ten Hand auch einmal
anstoßen kann, was
ihm aber nicht so weh
tut, als wenn er sich
ein Auge ausstößt,
ebenso wird auch die
Vorhut gelegentlich
plötzlich, trotz aller
sonstigen Sicherungs-
MsW maßnahmen auf den
Feind stoßen. Da
V#**! leiden aber dann nur
Hi die Truppen der Vor-
Phot. R. Sennecke, Berlin. hstt, lllsv tm Velhält-
i Jaroslau, die die Russen am Tage ihres ^ zum Ganzen recht
rand setzten. kleine Teile, während
die große Masse ge-
warnt ist und sich dementsprechend verhalten kann.
Die Vorhut sichert sich wieder durch einen Vortrupp,
der ihr gegenüber dieselben Aufgaben hat, wie sie selbst
gegenüber dem Ganzen. Das „Auge des Truppenführers"
ist die Kavallerie, die oft weit vorausgeschickt wird» die
feindliche Kavallerie aus dem Felde schlägt und sich einen
Einblick in die Verhältnisse beim Feinde verschafft. Solche
vorgeschobene und selbständige Kavallerie hat große strate-
gische Aufgaben. Ihre Ergebnisse sind für den Feldherrn,
für den Führer des Ganzen, wichtig. Die Aufklärungen
im Bereich der einzelnen Marschkolonnen werden von der
Vorhutkavallerie besorgt, die ihre Fühler (= Patrouillen)
nicht so weit ausstreckt, sondern sich damit begnügt, das
näherliegende Gelände zu erkunden. Die seitlichen Pa-
trouillen, die sie missendet und die Kavalleriespitze, die sie
vortreibt, sind aber viel weiter von der Jnfanteriespitze
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
wacker ausgehalten und warf der Sturmtrupps ein heftiges
Feuer aus Gewehren und Maschinengewehren entgegen.
Da und dort stockte der Angriff; die Infanterie nahm das
Feuer auf, dort erreichten einzelne das Drahthindernis, um
es mit den Scheren zu zerstören. Und da an der vorsprin-
genden Nase, die mit ihrem Eebüschbestand und den Steil-
hängen trotz dreifacher Gräben dem Angriff besonders günstig
war, sind sie schon in den untersten Graben eingedrungen.
Das Hurra unserer siegreichen Kameraden spornte auch
uns wieder an. Vorsichtig kriechend gelangten wir allmäh-
lich auf den höchsten Punkt des Berges. Kaum 30 Meter
von uns entfernt war der erste russische Schützengraben.
Das ist der Augenblick, wo die Pulse rascher klopfen, wo alle
Nerven bis aufs äußerste gespannt sind; jetzt wird der Flin-
kere, der Gewandtere
Sieger, der, der am
raschesten laden, zielen
und schießen kann. Ein
furchtbares Feuer auf
beiden Seitenbegann,
doch schon näch we-
nigen Minuten räum-
ten die Russen den
Graben und liefen
etwa 300 Meter zu-
rück. Dann machten
sie kehrt, sammelten
sich, stürmten wieder
auf den Schützengra-
ben zu und gaben die
erste Salve auf uns
ab. Aber sie konnten
in ihren alten Stel-
lungen, in denen sich
schon die Unsrigen
verschanzt hatten,nicht
mehr Fuß fassen. Doch
zäh und todesmutig
blieben die Russen,
und immer wieder
füllten sich die Lücken,
die unsere Kugeln in
ihre dichten Reihen
rissen. Eine Weile
dauert das Gefecht so
unentschieden an,
dann aber reißt un-
seren Bayern die Ge-
duld. Sie sehen, daß
die Russen an der
Flanke zu wanken an-
fangen, daß ihre Ver-
stärkungen nachlassen
und ihr Feuer schwä-
cher wird. Das ist für
uns das Zeichen zum
Sturmangriff; jetzt
gilt es, dem Feind die
Höhe zu entreißen.
Durch unsere Reihen
pflanzt sich das don-
nernde Hurra fort,
Bajonette blitzen,
Stechmesser der ver-
schiedensten Sorten fahren aus den Stiefelschäften. Jetzt
gibt es kein Halt, kein Zurück mehr. Die Unsrigen breiten
sich aus, schwenken nach rechts und bahnen den Folgenden
den Weg. Immer höher hinauf, unaufhaltsam. Schon
sind sie im zweiten Graben, wo die Russen verzweifelt Wi-
derstand leisten. Man sieht» sie wollen die Höhe um jeden
Preis halten.' Aber ihre Reserven sind erschöpft, ihre Ar-
tillerie antwortet nur noch schwach. Sie warten trotzdem
auf Verstärkungen, auf Entsatz. Weiter tobt das erbitterte,
furchtbare Handgemenge, Mann gegen Mann, gleich wilden
Tieren fallen die Menschen übereinander her. So wird ein
Graben nach dem anderen von uns gestürmt, bis die Russen
-in wilder Flucht zurückfluten. Gegen Abend räumten sie auch
die letzten Stellungen. Um 8 Uhr abends hatten wir ihr letztes
Bollwerk auf Tameczysko genommen — ein neues Ruh-
mesblatt in der glorreichen Geschichte des 3. Regiments."
Richt minder groß war aber auch der strategische Erfolg:
die letzte russische Karpathenfront war endlich eingedrückt,
der Weg nach Przemysl und Lemberg geöffnet.
Die Sicherung marschierender und ruhender
Truppen im Kriege.
Von Franz Carl Endres.
(Hierzu die Bilder Seite 288 und 287.)
Wenn jemand durch ein ihm fremdes, dunkles Zimmer
geschickt wird, so wird er, um nicht anzustoßen, mit vorgehal-
tenen Armen und Händen sich durchtasten. Diese ganz natür-
liche Schutzmaßregel, die dazu dient, edlere Körperteile,
wie die Augen und das Gesicht, vor unliebsamen Zusammen-
stößen mit harten Ge-
Phot. R. Sennecke, Berlin.
Die Ruinen der Zuckerfabrik in Przeworsk bei Jaroslau, die die Russen am Tage ihres
Rückzugs in Brand fetzten.
Erstürmung des Tameezyskoberges bei Eryboiv durch das 3. bayrische Infanterieregimente
Nach einer Originalzeichnung von Fritz Bergen-
286
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
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der Vorhut
Kavallerie-
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Die Marschsicherung eines den Vortrupp bildenden Bataillons.
Der Abstand der aufklärenden Kavalleriespitze ist beliebig, ebenso der der Kavallerievorhut von der Jnsanteriespitze. Die Entfer-
nung der Jnsanteriespitze von der Spitzenkompanie beträgt 400 bis 500 Meter, von der Spitzenkompanie bis zum Vortrupp ebenso-
viel. Dazwischen gehen Verbindungsleute oder -rotten in Ruf- und Sichtweite zu beiden Seiten des Weges.
entfernt, als auf unserem, diese Verhältnisse darstellenden
Bild hier oben angegeben ist.
Jnsanteriespitze, Spitzenkompanie» Vortrupp und so
weiter nennt man „Sicherungsglieder". Der Abstand,
mit dem sie einander folgen» hängt von einer ganzen
Reihe von Umständen ab und wechselt mit der Größe
der Abteilung, der Entfernung des Feindes, dem Gelände
und dem Sichtigkeitsgrad des Wetters und wird jedesmal
im Befehl besonders bestimmt. Es ist nun sehr wichtig,
daß die Gesamtkolonne nicht abreißt. Es würden sonst
rückwärtige Marschkolonnenteile einen anderen Weg neh-
men als die vorderen, und Unordnung höchsten Grades
würde einreißen. Um das richtige Nachmarschieren rück-
wärtiger Teile zu
gewährleisten,
sind die Abstände
durch „Verbin-
dungsleute" aus-
gefüllt, die eine
sehr wichtige und
verantwortungs-
reiche Aufgabe
haben. Nament-
lich bei Märschen
in Nacht und Ne-
bel oder durch
Wälder und über
unübersichtliches
Gelände sind die
Verbindungs-
leute wichtige
Hilfsglieder. In
größeren Vor-
huten marschiert
auch Artillerie im
Haupttrupp. Der
Führer der
Marschkolonnen
reitet gewöhnlich
bei der Vorhut,
um sich persön-
lich über die Lage
unterrichten zu
können und auf
eigener
Biwak eines Bataillons.
Bei sehr schlechtem Wetter wird das Lederzeun mit in die Zelte genommen. Beim Alarm eilt jede Kompanie auf ihren
Alarmplatz, schnallt um und tritt zugweise an die Gewehre.
Die Sicherung marschierender und ruhender Truppen.
Nach Zeichnungen von Hermann Blank.
Grund
Wahrnehmungen seine Maßnahmen zu treffen.
Beim Rückmarsch folgt dem Haupttrupp der Marsch-
kolonnen eine Nachhut, die in ähnlicher Weise in Richtung
auf den Feind gegliedert ist. Meist enthält sie stärkere
Artillerie als die Vorhut, weil die Artillerie diejenige Waffe
ist, der es am leichtesten gelingt, den Feind weit weg zu
halten und damit eine der Hauptaufgaben der Nachhut zu
erfüllen.
In gleicher Weise schutzbedürftig wie eine marschierende
Truppe ist auch eine rastende oder ruhende Truppe. Die
Sicherungsglieder ruhender Truppen stehen, während die
marschierender Truppen marschieren. Truppen übernachten
entweder in Biwaken (siehe Bild hier unten) oder in Orts-
unterkünften (siehe Bild
Seite 287 oben) oder
endlich in sogenannten
Ortsbiwaken. Das sind
Biwake, die in engster
Anlehnung an einen
Ort bezogen werden
und die Häuser, Ställe
und sonstigen Einrich-
tungen eines Ortes nach
Möglichkeit ausnützen.
Ruhende Truppen,
die sich nahe am Feinde
befinden, müssen jeder-
zeit eines Alarms ge-
wärtig sein. Infolge-
dessen ist Ordnung die
erste Pflicht.Die Truppe
muß, alarmiert, rasch
Zusammenkommen und
rasch gefechtsfähig sein.
Telephonische Verbin-
dungen mit den Siche-
rungsabteilungen, von
diesen unverzügliche
Meldung über den her-
anmarschierenden
Feind, sowie im Innern
des Ortes allen Leuten
bekannteAlarmsammel-
plätze sind hierfür Be-
dingung. Jeder Ort
muß sich, auch wenn
Vorposten vorgeschoben
sind, durch besondere
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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
287
Ortsunterkunft eines Detachements.
In dem Dorfteil, der dem Feinde zugekehrt ist, liegt das 1. Bataillon und die Kavallerie, in der Mitte das 2. Bataillon und ein Teil der Artillerie, in der
vom Feinde abgekehrten Seite das 3. Bataillon und der Rest der Artillerie sowie die Bagage. Zeichenerklärung: | A.W. 11 Außenwache 1, A Quartier des
Ortskommandanten, 0 Innenwache, Regimentstab und Artillerieabteilungstab, |+| Ortskrankenstnbe, | Telegraph.
Tlußenwachen gegen llberraschungen sichern. Die Innen-
wachen haben die Aufgabe der Wachen in den Friedens-
garnisonen; sie ist also mehr polizeilicher Natur, während
die Aufgabe der Außenwachen in das Gebiet der Taktik fällt.
Die Vorposten sollen den anmarschierenden Feind
frühzeitig feststellen, ihm Widerstand leisten und die feind-
liche Erkundung erschweren, bis die Hauptmacht gefechts-
fähig ist. Bei Marschkolonnen (bis etwa zur Division auf-
wärts) wird ein Bataillon mit etwas Kavallerie mit der
Sicherung betraut, in größeren Verhältnissen haben diese
Aufgabe mehrere Bataillone nebeneinander. Das Bataillon
sendet Vorpostenkompanien aus. Der Rest der nicht für
diesen Zweck verwendeten Kompanien mit dem Batail-
lonstab bildet die Vorpostenreserve. Der Widerstand
gegen den Feind wird in
der Regel in der Linie
der Vorposienkompanien
geleistet, auf die sich die
weiter vorgeschobenen
Sicherungsglieder beim
Angriff des Feindes zu-
rückziehen. Die Vor-
postenkompanien stehen
an den Hauptanmarsch-
straßen des Feindes, sie
senden selbst Feldwachen
aus, die im Bereich der
gleichen Kompanie vom
rechten zum linken Flü-
gel durchnumeriert wer-
den. (Rechts oder links
ist immer die rechte oder-
linke Seite eines nach
dem Feinde zu fchauen-
denMannes.) Diese Feld-
wachen sichern sich durch
noch weiter vorgescho-
bene Posten, in der Re-
gel sogenannte Unterof-
fizierposten (1 Unterof-
fizier und 6 Mann, von
denen 2 tatsächlich auf
Posten stehen), die in-
nerhalb der Feldwache
numeriert sind. Die Auf-
klärung gegen den Feind
besorgen Kavallerie- und
Jnfanteriepatrouillen,
besondere Beobachtungs-
posten und so weiter. Die
Verbindung zwischen den einzelnen Vorpostengliedern
übernehmen Patrouillen innerhalb der Postenkette.
Je näher man am Feinde ist, desto stärker nrüssen die
Vorposten sein, desto enger das Retz der vordersten Siche-
rungsglieder. Eeländeabschnitte erleichtern die Sicherung.
Uber die verschiedenen Arten, Vorposten aufzustellen, könnte
man ein Buch schreiben. Es ist nicht möglich, alle Verhält-
nisse in diesen wenigen Zeilen zu berühren. Namentlich
zeigen die Vorposten im Festungskrieg und im Stellungs-
krieg ganz andere Verhältnisse als im Bewegungskrieg, der
unserem Bilde zugrunde lag. Aber in allen Verhältnissen
ist die Aufgabe der Vorposten eine ähnliche, wie wir sie
schon angedeutet haben.
Ihre Tätigkeit erfordert höchste Anspannung der Auf-
Vorpostenaufstellung im Gelände.
Die Posten sind in Wirklichkeit nicht sichtbar, sondern befinden sich in voller Deckung
| U.P. | Unteroffizierposten, | F.wT| Feldwache, |St. P.| stehende Patrouille,
Zeichenerklärung: j x | Außenwache,
V. P. 1 vorgeschobener Posten, 0 Beobach-
tungsposten, \<—m\ Richtung nach dem Feinde.
Die Sicherung marschierender und ruhender Truppen.
Rach Zeichnungen von Hermann B.'ank.
288
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
merkfamkeit vom einzelnen Mann und lastet ihm ein ganz
gehöriges Stück Verantwortung auf. Nur vorzügliche Er-
ziehung kann den Soldaten befähigen, diesen Aufgaben
in jeder Hinsicht gerecht zu werden. Im Vorpostendienst
ist der Mann ganz auf seine Geschicklichkeit, Findigkeit und
Entschlossenheit angewiesen und manche frische, unglaub-
lich waghalsige Tat bewies, wie der deutsche Infanterist
im Weltkriege seinen Vorpostendienst auffaßte, wie er als
ein Meister dieser taktischen Kleinkunst aufzutreten im-
stande war.
Angriff eines deutschen Stoßtrupps mit
Handgranaten und Flammenwerfer auf
einen englischen Trichtergraben bei Sailly-
Saillifel.
«Hierzu die Bilder Seite 273 und 288.»
Zu Anfang des Jahres 1915 wurde an der deutschen
Westfront verschiedentlich der Wunsch rege, nach französischem
Muster zur Ver-
vollkommnung der
Kampfarten ini
Stellungskriege
Sturm- und Stoß-
truppe auszubil-
den. Infolgedessen
stellten einzelne
Armeen zunächst
Sturmbataillone
(Abteilungen)^ auf,
die »richt nur als
Lehrtruppen/ son-
dern auch zur Lö-
sung schwieriger
Sturmaufgäben
dieiren sollten.
Ihre Ausbil-
dung, die auf be-
soirderen Übungs-
plätzen erfolgt, ist
dementsprechend
gründlich. Das
Führer-undMann-
schaftspersonäl ist
ausgesucht gut.
Körperlich und
geistig hervorra-
gend für ihre
schwere Aufgabe
befähigt, kaltblütig
und eirtschlossen
und mit einem ge-
wisser: Stolz im
Bewußtsein ihrer
gefahrbringenden
Sonderbestim-
nrung, bilden diese
prächtigen Leute
mit ihrer eisernen
Manneszucht und
lebendigen Dienst-
freudigkeit wahre
Vorbilder für ihre
Kameraden. Häu-
fig kehren sie bleich
und erschöpft von
der Anstrengung
des Körpers und
der Nerven zurück,
oft auch blutend,
»nit rauchgeschwärzten: Gesicht, zerrissenen und schmutzigen
Kleidern; doch ihre Augen leuchten vor freudigem Stolz,
wenn sie von den ihnen zujubelnden Kameraden in der
Ruhestellung umringt werden. Bald ist dann unter frohem
Gesang das geistige Gleichgewicht und die körperliche Lei-
stungsfähigkeit wiederhergestellt, zuinal die Handstreiche in-
folge ihrer überaus gründlichen Vorbereitung meist gelingen
und mit verhältnismäßig geringen Verlusten verbunden sind.
Unteroffiziere und Mannschaften der Sturmtruppen er-
halten erhöhte Löhnung und einen beso,:deren Verpfle-
gungszuschuß, außerdem noch Beutegelder.
Die Ausrüstung des Sturmsoldaten besteht aus Rock,
Hose mit Lederbesatz am K»:ie und Gesäß, Wickelgamaschen,
Gebirgschnürschuhen, Stahlhelm (aus Cromnickelstahl, etwa
2 Pfund schwer). Karabiner oder Revolver, Dolch,, zwei
Säcken mit 8 bis 12 Stielhandgranaten und vier leeren
Sandsäcken zum Ausbauen der neuen Stellung oder zum
Abdämmen eines Grabenteils. Einzelne Leute tragen eine
Ledertasche mit 8 bis 12 Eierhandgranaten und haben am
linken Unterarm eine Abreißvorrichtung für Hairdgranaten.
Am Koppel oder auf der Brust wird die Bereitschafts-
büchse für die Gasmaske befestigt. Zwei Feldflaschen, der
Brotbeutel mit eiserner Portion und Munition vervoll-
ständigen die Ausrüstung.
Unser Bild auf Seite 273 zeigt eine Sturmgruppe, die. mit
einem tragbaren kleinen Flammenwerfer versehen, einen noch
besetzten englischen Erabenteil ausräumt. Die Mannschaf-
ten gehören einem Pionierregiment der Garde an, das als
Auszeichnung auf den: linken Unterärmel die Nachbildung
eines Totenkopfes
trägt.. Nach gehö-
riger Vorbereitung
durch Minenwer-
fer und Eraben-
gefchütze galt es zu-
nächst eine Ein-
bruchstelle zu schaf-
fen. Diese Arbeit
übernahm der
Flammenwerfer.
Während die in
Minentrichtern lie-
genden Handgra-
natenwerfer ihre
Geschosse fortwäh-
rend auf den Feind
schleuderten, arbei-
tete sich der Flam-
»nenwerfer bis auf
wirksame Entfer-
nung, etwa 30 Me-
ter, zu dem Geg-
ner hin und spritzte
von dort aus den
flammenden Ol-
strahl, der riesige
schwarze Rauch-
wolken entwickelte,
in die feindliche
Stellung. Diesen
Augenblick benutz-
ten die gedeckt in
den Eranatlöchern
liegenden Stoß-
mannschaften, um,
zahlreiche Haird-
granaten werfend,
vorzubrechen und
in die englischen
Grabenreste einzu-
dringen. Sofort
setzte sich die Welle
desUnterstützungs-
trupps, der unge-
fähr 60 Meter wei-
ter zurück eben-
falls bereit gestan-
den hatte» in Be-
wegung, um mit
wenigenSprüngen
den feindlichen Graben zu erreichen. Da aus einigen Unter-
stäirden heraus noch Widerstand geleistet wurde, „pinselte"
der Flaininenwerfer einmal hinein, worauf sich die Kanadier
ergaben. Dem Befehle entsprechend wurden mit behelfs-
mäßigen Ladungen (iin Bilde links) noch einige Sperren iin
Graben beseitigt und dann wurde mittels Sprengmunition
derRestder Stellunggrüirdlich zerstört. 16Kanadier gerieten
bei der Unternehmung in Gefangenschaft. Derartige Überfälle
fanden in der Gegend von Sailly-Saillisel sehr häufig statt.
Gefreiter eines sächsischen Sturmtrupps.
Nach dem.Leben gemalt von dem bei der Kronprinzenarmee zugelassenen Kriegsmaler Ernst Vollbehr.
Nach dem im Besitz des Deutschen Kronprinzen befindlichen Originalgemalde.
Phot. Bert. Jllustrat.-Ges. m. b. H. Phot. Bert. Jllustrat.-Ges. m. b. H.
General EwerLh. General Iwanow.
Russische Generale des alten Regimes,
>en sich Erverth mit Rußki und Alexejew isiehe Abbildung Band -III,
)4) der Revolution anschloß, während Iwanow dein Zaren treu blieb.
GuLschkow,
Landesverteidigungsminister.
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Fortsetzung.)
Die russische Revolution war einstweilen noch ohne
äußerlich erkennbaren Einfluß auf die Kriegführung ge-
blieben, obwohl die Engländer und Franzosen geprahlt hatten,
die junge Revolution würde die Deutschen aus dem Lande
fegen. Sehr bald erhoben sich denn auch Ibei den West-
mächten warnende Stimmen und man begriff, daß ein Land
nicht zugleich Krieg führen und Revolution machen kann.
Man verhehlte sich auch nicht, daß das hungernde Volk
(siehe Bild Seite 290) nicht daran dachte, Eroberungspolitik
zu treiben. Dazu kam, daß der Justizminister Kerenski (siehe
untenstehendes Bild), der Ver-
treter der sozialrevolutionä-
ren Partei der Duma und
eigentliche Führer der Revo-
lution, wie schon früher, so
auch jetzt seine Neigung zum
Frieden erkennen ließ. Das
entsprach gar nicht den Wün-
schen Englands, das nun, um
einem etwaigen Sonderfrie-
den vorzubeugen, einen neuen
Lügenfeldzug unternahm. Es
verbreitete dreist die Mär, die
Deutschen hätten Schritte ge-
tan, um dem Zaren wieder zu
seinem Throne zu verhelfen.
Diesem Lügengewebe trat am
29. März der deutsche Reichs-
kanzler im Reichstage ent-
gegen, wobei er auch erklärte,
daß der Friede mit einem
freien, wohlgeordneten Ruß-
land der Wunsch aller Deut-
schen sei und daß die Mittelmächte zu einem für sie und
die Russen ehrenvollen Frieden stets bereit sein würden.
Die neuen Machthaber, neben Kerenski der Landes-
verteidigungsminister Eutschkow, der Ministerpräsident Fürst
Lwow und der Sozialist Tscheidse (siehe die untenstehenden
Bilder), hatten sich beeilt, die Truppen auf die neue Regie-
rung zu vereidigen. Wenn diese dem Anschein nach des
Heeres im großen und ganzen auch sicher sein konnte, so
fehlte es doch nicht an Erscheinungen, die nicht gerade für die
vollständige Geschlossenheit der russischen Armee und Flotte
Zeugnis ablegten. So hatte es bei der Ostseeflotte Un-
von denen
Seile 804)
bedurfte es scharfer Maßnahmen, um die Ordnung in den
meisten Regimentern wiederherzustellen. Um das Heer
ganz auf die Seite der Revolutionäre zu ziehen, versprach
man den Soldaten, eine Einrichtung zu schaffen, nach der
fie ihre Offiziere bis zum Major selbst wählen dürften.
Uber die Haltung der Armeeführer herrschte ebenfalls
noch keine rechte Klarheit. Eine ganze Anzahl Generale
konnte nicht als überzeugte Anhänger der neuen Regierung
betrachtet werden. General Ewerth (siehe nebenstehendes
Bild), der Oberbefehlshaber der Mittelgruppe von Pinsk bis
zu den Karpathen, wurde ab-
gesetzt, trotzdem von ihm zu-
nächst gesagt worden war, daß
aus ihm eine Stütze der neuen
Regierung werden könnte.
Iwanow (siehe nebenstehendes
Bild), der von den Russen hoch-
geachtete Führer, hatte offen
für den Zaren Partei er-
griffen und wurde verhaftet.
Das gleiche Schicksal wider-
fuhr dem General Eurko.
Brussilow machte nach eini-
gem -Schwanken die Wen-
dung der Dinge mit und hielt
mit General Alerejew (siehe
Bild Band III Seite 304)
zu den Revolutionären. Uber
Rußki (siehe Bild ebenda)
war bis Ende März nichts
Bestimmtes zu erfahren.
Sicher war nur, daß gerade in
seinem Befehlsbereich unter
den Truppen bedeutende Unruhen Platz gegriffen hatten, die
mit Mühe blutig niedergeschlagen wurden. Es blieb so-
mit eine gewisse Unsicherheit bestehen. —
Die Eefechtstätigkeit an der russischen Front blieb bis
Ausgang März noch auf Erkundungskämpfe beschränkt. Die
Unternehmungen der Russen waren zwar sehr zahlreich, aber
auch erfolglos. Ihre Gegner begnügten sich in der Regel
mit der blutigen Abwehr der Angreifer; wo sie aber eigene
Vorstöße ausführten, handelten sie nach einem sorgfältig
Tscheidse, Kerenski,
der Führer der Sozialisten. Justizminister.
Die Führer der russischen Revolution.
Fürst Lwow,
Ministerpräsident.
ruhen gegeben, bei denen einige Admirale und mehrere
hundert andere Schiffsofsiziere den Tod fanden. Auf vielen
Kriegschiffen waren von den Mannschaften die Maschinen-
teile entfernt und ins Meer geworfen worden. Auch zahl-
reiche Offiziere des Landheeres waren von meuternden
Soldaten getötet worden. In Petersburg, wo die Straßen-
kämpfe zwei Tage andauerten und die in den öffentlichen
Gebäuden, den Kirchen und auf den Hausdächern postierten,
mit Maschinengewehren bewaffneten Polizeiabteilungen
durchdachten Plan, so daß sie stets einen schönen Erfolg
aufzuweisen hatten.
An der Front des Prinzen Leopold von Bayern wurde
es am 19. März lebhafter. Deutsche und österreichisch-
ungarische Abteilungen führten einige kecke Streifzüge aus
und konnten an der Beresina und am Stochod insgesamt
25 Gefangene einbringen. Zwei Tage später unternahmen
die Deutschen östlich von Lida einen größeren Vorstoß, der
ihnen einen beachtenswerten Fortschritt brachte. In diesem
Abschnitt lief die deutsche Front hinter den Flüssen Olschanka
einzeln niedergekämpft wurden (siehe die Kunstbeilage),
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut sür den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 bq Union Deutsche Vertagsgescllschast in Stuttgart.
VI. Band. 37
290
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
und Beresina südlich von Wischnew durch Sümpfe (siehe Bild
Seite 291) und sumpfige Wälder. In diesem unwirtlichen
Gelände lagen die Stellungen wegen der Sümpfe und des
Dickichts bis zu 3 Kilometern auseinander und boten Streif-
truppen gute Gelegenheiten zu Überraschungen des Feindes.
Südlich von dem Waldgelände» etwa an der von Osten in
die Beresina einmündenden Jslotsch, bildete eine Sanddüne
festeren Untergrund, der die beiden Gegner, die diesen
günstigen Umstand ausnützten, näher zusammenführte, so
daß das Zwischengelände hier nur ungefähr 100 Meter breit
war. Hier sollte der Feind zurückgeschlagen werden. Zweck
des Angriffs war, die starken feindlichen Verhaue und Unter-
stände völlig zu zerstören. Zur Ermöglichung der Spren-
gungen sollte bis an die zweite russische Verteidigungslinie
auf dem Ostrand der Saberesina vorgestoßen werden.
In aller Frühe begannen Minenwerfer und Artillerie
sich auf ihre Ziele einzuschießen. Punkt acht Uhr setzte
schweres Trommelfeuer ein. Nachdem es Zweieinhalb Stun-
den gedauert hatte, stürmten die deutschen Soldaten aus
ihren Stellungen vor. Ihr Weg führte über die festgefrorene
Beresina und tiefen, aber ebenfalls gefrorenen und gut
tragenden Schnee. In 4 Kilometern Breite konnten sie
unter geringen Hemmungen durch feindlichen Widerstand
vorwärtskommen. Die Russen waren stellenweise schon dem
deutschen Wirkungsfeuer gewichen. Ihr Bestreben, sich in
Sicherheit zu bringen, führte sie aber in das weit vorgelegte
deutsche Sperrfeuer, das zahlreiche Opfer forderte. Nach
Überwindung der ersten feindlichen Linie setzten sich die
Deutschen auch in einer dahinter liegenden feindlichen Riegel-
stellung fest. Hier unternahmen die Russen einen starken
Gegenstoß, der sich aber an dem Widerstande ihrer Gegner
vollständig brach. Diese drangen dabei kräftig weiter vor
und brachten die Russen auf der ganzen Breite des An-
griffs zum Weichen (siehe Bild Seite 293). Nach beiden
Seiten wurde die Angriffsfront sogar noch auf 5 Kilometer
erweitert, und in dieser Ausdehnung stießen die Deutschen,
von ihrem Ausgangspunkt gerechnet, 2 Kilometer tief in
den Bereich der feindlichen Linien vor. Streiftruppe, die
sich weit in die zweite russische Stellung hineinwagten,
fanden diese schon verlassen. Die leichteren Feldgeschütze,
die hier eingebaut waren, hatten die Russen mitgenommen.
Die Deutschen befanden sich am Ziel und gruben sich zur
Abwehr etwaiger Eegenunternehmungen der Feinde ein.
Unterdessen begannen andere Truppenteile mit der Zerstö-
rung der ersten Linie. Richt weniger als 160 Betonunter-
stände wurden gesprengt. Unter der reichen Beute be-
fanden sich außer 226 Gefangenen große Mengen von
Pioniergeräten, 2 Revolverkanonen, 6 Maschinengewehre
Phot. Welt-Preß-Photo, Wien.
Von der russischen Revolution.,
Brotverteilung durch eine der in den Stadt- und Landbezirken eingesetzten Brotkornmissionen.
und 14 Minenwerfer. Ferner verloren die Russen wenig-
stens 500 Tote, darunter viele Offiziere. Rach gründlicher
Vernichtung der Stellungen gingen die Deutschen an ihre
Ausgangspunkte zurück. Die 81. russische Division, die für
besonders schlagfertig galt und erst zwei Tage zuvor von Ba-
ranowitschi her im Fußmarsch in den angegriffenen Ab-
schnitt gekommen war, erlebte eine schwere blutige Nieder-
lage, während die Deutschen, weil sie vorsichtig zu Werke
gingen, nur geringe Verluste erlitten. Die hier gefangenen
Russen wußten noch nichts von der Revolution und wollten
auch nicht recht an sie glauben. Sie erzählten ferner, daß
sie am liebsten schon früher übergelaufen wären, aber eigens
gegen Überläufer bereitgestellte Maschinengewehre hätten
sie daran gehindert.
Die Russen griffen am 23. März nach kraftvoller Feuer-
vorbereitung auch bei Smorgon, Baranowitschi und am
Stochod an. Ihre hier vorstoßenden Sturm- und Aufklä-
rungsabteilungen wurden durch Abwehrfeuer leicht zurück-
gewiesen. Die auflebende Gefechtstätigkeit der Feinde hatte
viele Flieger zum Aufstieg veranlaßt. Bei Dünaburg ver-
loren die Russen im Luftkampf ein Flugzeug und am Drys-
wjatisee büßten sie einen Fesselballon ein.
In der Gegend von Jllurt gab es an den nächsten Tagen
heftigere Zusammenstöße, bei denen die Russen neben blu-
tigen Verlusten auch 30 Gefangene und 1 Maschinengewehr
einbüßten. Westlich von Luck, nördlich von der Bahn Zlo-
czow-Tarnopol und bei Brzezany richteten die Feinde am
26. März heftiges Trommelfeuer auf die Stellungen der
Verbündeten, worauf sie in ganzen Bataillonen angriffen.
Die Feinde wurden aber von dem Abwehrfeuer der Ber-
teidiger gefaßt und die Stürmenden trachteten deshalb, ihre
Ausgangslinien schleunigst wiederzugewinnen.
An demselben Tage konnten die Deutschen infolge eines
gewissenhaft vorbereiteten Unternehmens einen wertvollen
Fortschritt erzielen. Südöstlich von Baranowitschi (siehe
die Karte Seite 292 oben) sprang die deutsche Front in
der Nähe der im Besitz des Feindes befindlichen Ruinen
von Labusy und Nagornja rund 600 Meter stark nach Osten
vor und bog sich dann in einem spitzen Winkel, der berüch-
tigten Rase von Baranowitschi, wieder nach Westen zurück.
Bei dem Dorfe Darowo näherte sie sich dem Westufer der
Schtschara. Bei Labusy bildet der Fluß eine Ausbuchtung
nach Osten, die die Russen zu einem starken Brückenkopf
ausgebaut hatten und die durch ein vielverschlungenes,
stark gesichertes Grabennetz zu einem wertvollen Äusfalltore
geworden war. Weil Baranowitschi ein wichtiger Eisen-
bahnknotenpunkt ist und die Russen bis tief in das Gelände
hinter dem Brückenkopf eine vollspurige Bahnlinie gelegt
hatten, mußte damit
gerechnet werden» daß
etwaige Angriffe der Rus-
sen hier die deutschen
Linien gefährden könn-
ten. An dem Vorsprung
selbst spielte sich seit lan-
gem schon ein Kampf
mit Minen ab, der zwar
den Russen die meisten
Opfer kostete, aber auch
den Deutschen Verluste
brachte. Deshalb beab-
sichtigten die Deutschen,
ihre Stellung hier durch
einen kräftigen Vorstoß
zu verbessern und die
Russen nördlich von La-
busy aus dem Schtschara-
knie auf das östliche Fluß-
ufer zurückzudrängen.
Die deutsche Linie sollte
soweit vorgeschoben wer-
den, daß der Feind nicht
daran denken konnte, sich
in gefährlicher Nähe ein-
zunisten. Dazu mußte
ein Angriff in 21/« Kilo-
metern Breite und 700
Metern Tiefe durchge-
führt und zugleich die
russische Feldwache bei
Phot. Max Wipperling, Elberfeld.
Stellung im Sumpfgelände der Ostfront.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Darowo durch eiue deut-
sche ersetzt werden.
Der Vorstotz der
Deutschen kam für die
Feinde überraschend. Wie
wenig sie gerade an die-
sem Punkte einen An-
griff erwarteten, ging
daraus hervor, datz an
diesem Tage in Tumaschi
die Vereidigung der rus-
sischen Soldaten auf die
neue Regierung stattfin-
den sollte. Der genannte
Ort wurde in das Feuer
der Deutschen einbezo-
gen, weil man dort den
Sitz eines höheren mili-
tärischen Kommandos
vermutete. Um zwei Uhr
mittags erfolgte auf die
russischen Artilleriestel-
lungen ein Überfall mit
Gasgranaten. Eine halbe
Stunde später sandten
auch die Minenwerfer
ihre schweren Geschosse
in das Grabengewirr der
Gegner. Die feindliche
Artillerie raffte sich zu
nur unwesentlicher Ge-
genwirkung auf, ein Zeichen, datz die Gasgranaten ihren
Zweck erfüllten. Scharenweise verlietzen die Russen ihre
Gräben, um sich in Sicherheit zu bringen. Ein feindlicher
Fesselballon stieg auf: ein deutscher Flieger schotz ihn in Brand.
Einen zweiten Ballon ereilte das gleiche Schicksal. Als der
Tag zur Neige ging, tauchten die deutschen Stotztruppen aus
ihren Stellungen auf und arbeiteten sich gegen das zerschos-
sene feindliche Gebiet vorwärts. Labusy fiel und ruckweise
näherte sich der Sturmangriff seinem Ziel. Da nach vier
Uhr schon die Feldwache von Darowo vom Feinde gesäubert
worden war, hatten die tapferen schlesischen Landwehrleute
bald ihre Aufgabe vollständig gelöst und dank der gründ-
lichen Vorbereitung des Angriffes nur ganz geringe Ver-
luste zu beklagen. Der Feind dagegen hatte schwer gelitten;
autzer vielen Toten und Verwundeten blitzte er 250 Ge-
fangene, 11 Maschinengewehre, 20 Minenwerfer, einen
Scheinwerfer, mehrere tausend Gewehre und grotze Mengen
von Geschossen und Patronen ein. Wichtiger als diese Beute
war die gelungene Frontverbesserung. Bei der Besetzung
der russischen Stellungen zeigte sich auch, datz die Deutschon
wieder einmal einem schon weit vorbereiteten Minenangriff
zuvorgekommen waren.
Bei Widsy und Nowogrodek glückte den Deutschen am
30. März die Zerstörung russischer Verteidigungsanlagen und
die Sprengung mehrerer Blockhäuser, wobei 75 Gefangene
und 5 Minenwerfer eingebracht wurden.
An der Front des Generalobersten Erzherzogs Joseph
fanden in den Südost-Karpathen weitere Kämpfe statt,
in die auch deutsche Artillerie eingriff. Am 23. März ge-
lang die Erstürmung der von den Russen besetzten Solyom-
tarhöhe zwischen Csobanos- und Sultatal. Nach gehöriger
Vorbereitung durch Artillerie- und Minenwerferfeuer (siehe
Bild Seite 292 unten) und unter Benützung von Flammen-
werfern (siehe Bild Seite 294) brachen Teile zweier gali-
zischer Jnfanterieregimenter in 2 Kilometern Breite zum
Sturm vor und drangen gleich im ersten Anlauf unter ge-
ringen Verlusten V-jz Kilometer tief in das feindliche
Grabensystem ein. Sie nahmen dabei über 500 Russen
gefangen und erbeuteten viel Kriegsgerät. Ein äutzerst hef-
tiger Gegenstotz der Feinde wurde abgewiesen und kostete
den Russen wenigstens 800 Tote.
Südlich vom Uztale besetzten die Österreicher und Ungarn
am 27. März einen fest verschanzten Höhenkamm, machten
dabei über 150 Gefangene und nahmen einige Minenwerfer
und Maschinengewehre. Am 30. März fingen sie östlich von
Kirlibaba und südlich von Mesticanesti über 200 Russen und
holten mehrere Maschinengewehre aus den feindlichen
Gräben
Unter den vielen Unternehmungen der Flieger ragte
besonders ein Angriff hervor, den 18 deutsche und öster-
reichisch-ungarische Flugzeuge gegenden Bahnhof Radziwilow
richteten. Fast jedes der Flugzeuge hatte dabei ein Luft-
gefecht zu bestehen, aber trotzdem gelang, es, 1200 Kilo-
gramm Bomben auf den Bahnhof und militärische Anlagen
zu werfen, wo furchtbare Verwüstungen hervorgerufen
wurden (siehe Bild Seite 295).
Die Front im Kaukasus war viele Monate hindurch
in den Hintergrund getreten. Das änderte sich, als die
Engländer die Türken aus Bagdad verdrängt hatten. Da
wurde es klar, datz die Russen und Engländer eine grotz-
zügige Angriffsbewegung eingeleitet hatten, um den Wider-
stand der Türken im Kaukasus, in Persien, in Mesopotamien,
auf der Sinaihalbinsel und in Ägypten durch gleichzeitigen
Druck auf allen Fronten entscheidend zu brechen.
In Armenien suchten die Russen den rechten Flügel
der Türken im Gebiete des Wansees einzudrücken, doch
reichten ihre Kräfte dazu nicht aus. Sie wurden von ihren
Gegnern sogar ziemlich stark belästigt und mitunter empfind-
lich geschädigt.
Die von Persien abziehenden Streitkräfte der Türken
konnten sich der scharf nachdrängenden Russen unter General
Baratow, die ihnen über Kirmanschah auf Kerind folgten,
sehr gut erwehren und führten mit ihrer Reiterei oft genug
Werfälle auf die Vorhuten der Feinde aus. Ihr Abzug
ging infolgedessen in Ordnung vor sich und sie hatten die
beste Aussicht, ihren Gegnern um Mossul genügend stark
entgegentreten zu können und den Anschluh an die Haupt-
macht in Mesopotamien zu finden. Die Russen stiegen zwar
ebenfalls schon in der Richtung auf Mossul vom Gebirge
herab, sie kamen aber nicht schnell vorwärts und konnten
sich bis Ende März auch nicht mit den Engländern vereinigen.
Diese mühten sich, ihren Erfolg in Mesopotamien aus-
zunützen und ihre Verbindungen nach rückwärts zu sichern,
die die Türken häufig zu unterbrechen versuchten. Die
Engländer waren deshalb zu neuen Angriffen gegen die
Türken gezwungen. Es entwickelten sich viele Zusammen-
stötze, in die nach und nach immer grötzere Truppenver-
bände eingriffen. Auf dem östlichen Tigrisufer gingen
die Türken am 25. März gegen ihre Feinde vor und
brachten ihnen eine empfindliche Niederlage bei, durch die
die Division Lahore schwere Verluste erlitt und neben mehr
als 180 Gefangenen 6 Maschinengewehre, 3 automatische
Gewehre, zahlreiche Handgranaten und viel Infanterie-
munition einbützte. Der Vormarsch der Engländer geriet
etwas ins Stocken. — Um dieselbe Zeit drangen die Feinde
auch gegen Syrien und Palästina durch die Sinaihalb-
Zrrln
Karhchewo
s^vye^
ßorocUschtsche
\ o Wygoda
\ Koldyhdiwo-
W^?:5ee
iftschiUy
^JÜichakm
V Stclor/itschi
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m~-—“
Banangwißchii
n. Sion im
Maßstab
Eisenbahn
Phot. Photoprefse Kankowsky, Budapest.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Karte zum deutschen Erfolg an der Schtschara.
(Siehe Sötte 290.)
insel (siehe Bild Seite 296 unten)
vor. Das geschah in der Absicht,
die Türken in Mesopotamien von
ihren Etappenorten Jerusalem
und Beirut und ihren Verbin-
dungslinien nach dem Taurus
(siehe Bild Seite 296 oben) ab-
zuschneiden und sie so dem sicheren
Untergange zu weihen.
»Am 20. März wurde in der
Gegend von Haname ein eng-
lisches Flugzeug heruntergeschos-
sen und in der Nacht darauf be-
warf ein türkisches Luftschiff den
Hafen Mudros auf der Insel
Lemnos mit 3400 Kilogramm
Bomben und traf dort ankernde
feindliche Schiffe. Es wurde
heftig beschossen, konnte aber
unversehrt seinen Ausgangspunkt
wieder erreichen. Bei Feludje
brachten türkische Abwehrkanonen
am 25. März hinter den türkischen
Linien ein feindliches Flugzeug
brennend zum Absturz. Der Ort
ist nur 40 Kilometer von Jeru-
salem entfernt, und da dieses
der bedeutendste Waffenplatz Sy-
riens und Palästinas geworden
war, der durch starke Zufuhren,
die den weiten Weg durch Ana-
tolien zurückzulegen hatten (siehe
Bild Seite 297), dauernd be-
trächtlich verstärkt wurde, lag der
Schluß nahe, daß die Engländer
einen Angriff auf diesen Platz vorhatten. Am 27. März
meldeten die Türken, daß ein feindlicher Angriff in Vor-
bereitung sei, und Tags darauf berichteten sie so aus-
führlich, daß mit einem Schlage die Bedeutung der
Kämpfe an der Sinaifront klar wurde. Die Engländer
hatten nach langer und sorgfältiger Vorbereitung vier
Divisionen mit zahlreicher Artillerie und vielen Panzer-
automobilen bei Gaza zum Angriff angesetzt. Gaza liegt
schon in dem türkischen Sandschak Jerusalem und ist nur
85 Kilometer von der Heiligen Stadt entfernt (siehe die
Karten Band I Seite 399, Band II Seite 306 .und Band V
Seite 247). Die Engländer hatten demnach die Gewalt
über die ganze Sinaihalbinsel gewonnen und auch noch
einen Teil Palästinas besetzt. Sie wurden nach einer heißen
Schlacht besiegt und mußten das Feld» auf dem sie über
3000 Tote und einige hundert Verwundete zurückließen, in
südwestlicher Richtung räumen. Die Türken nahmen ihnen
200 Gefangene, 12 Maschinengewehre, 20 Schnellade-
gewehre, 1 Pan-
zerautomobil und
2 andere Kraft-
wagen ab. Die
Engländer äußer-
ten sich bis Ende
März nicht zu dem
Ereignis. Sie mel-
deten nur, daß sie
von Rafa, das
50 Kilometer süd-
westlich von Gaza
liegt, auf Wadi-
hussin in der Rich-
tung auf den
Schlachtort vorge-
rückt seien.
Auch zur See
waren die Türken
erfolgreich. Eines
ihrer kl - Boote
griff am 25. März
im Golf von Ale-
xandria einen eng-
lischen Transport-
dampfer von etwa
7000 Tonnen an Österreichisch-ungarische Mineuwerferstellung.
und versenkte ihn. Teile der Be-
satzung wurden gefangen genom-
men. Auf dem Schwarzen Meer,
wo früher bereits die in tür-
kischen Besitz übergegangenen
deutschen Kreuzer, insbesondere,
die „Goeben" (Javus Sultan Se-
lim), russische Transpor-dampftv
vernichtet hatten (siehe Bild Seite
300/301), sichteten die Türken am
26. März in nur 40 Kilometern
Entfernung von der Küste drei
Torpedoboote, zwei Flugzeug-
mutterschiffe, einen kleinen Hilfs-
kreuzer und drei Wasserflugzeuge
der Feinde. Türkische Land- und
Seeflieger stiegen zur Abwehr
auf. Die Schiffe wurden mit
Bomben beworfen und zum Teil
schwer beschädigt; besonders ein
Flugzeugmutterschiff erhielt meh-
rere Treffer. Ein Teil der Flieger
verwickelte die feindlichen Wasser-
flugzeuge in einen Luftkampf,
in dessen Verlaufe die Feinde
von ihren Schiffen abgedrängt
und in die Flucht geschlagen wur-
den. Die Flieger Leutnant Keiper
und Unteroffizier Kautsch ver-
folgten die Gegner 70 Kilometer
weit und zwangen durch wohl-
gezieltes Maschinengewehrfeuer
zwei der feindlichen Flugzeuge,
in schwer beschädigtem Zustande
auf das Meer niederzugehen.
Am 30. März ereignete sich in der Nähe von Smyrna
wieder ein Luftgefecht, bei dem zwei feindliche Flugzeuge
verloren gingen. Eines war ein Farman-Doppeldecker,
dessen Führer und Beobachter gefangen wurden, das andere,
ein Rieuport, stürzte in der Umgebung von Budscha bei
Smyrna herunter; seine Insassen fand man tot auf. —
Auf dem mazedonischen Schauplatz standen ebenfalls
türkische Kräfte mit im Kampf. Dort unternahm General
Sarrail größere Angriffe, die verschiedene Zwecke verfolgten.
Der umfassende Angriff auf die türkischen Streitkräfte sollte
durch Bindung der hier stehenden Türken unterstützt werden,
um ihre Beförderung nach anderen Punkten zu verhindern;
gleichzeitig sollte der Vorstoß auch Truppen der Mittelmächte
festhalten, die für die Abwehr der beabsichtigten großen eng-
lisch-französischen Frühjahrsangriffe in Betracht gekommen
wären. Dieser Grund für das plötzliche Losschlagen der
Salonikiarmee
wurde durch den
strategischen Rück-
zug der Deutschen
an ihrer Westfront
hinfällig. Vor
allem aber wollte
Sarrail seinen weit
abhängenden lin-
ken Flügel stützen.
Für ihn galt es,
dort bessere Stel-
lungen zu erkämp-
fen und eine
festere Anlehnung
an die italienische
Front von Valona
zu gewinnen. Ge-
lang es, Ochrida
zu besehen, dann
konnte mit einiger
Mühe eine brauch-
bare Verbindung
von Valona über
Ochrida nach Mo-
nastir hergestellt
werden. Die be-
Deutscher Vorstoß an der Beresina.
Nach einer Originalzeichnung von Hugo M. Braune.
Phot. Kilophot G.m. b.H., Wien.
versuche der Italiener zu halten vermochten, erbeuteten
auch ein Maschinengewehr und einen Minenwerfer. In
andauernden hin und her wogenden Gefechten stieg die
Zahl der Gefangenen am 27. März auf über 600 Mann
und 15 Offiziere. In anderen kleineren Unternehmungen
machten die k. u- k. Truppen weitere Gefangene und nahmen
ihren Gegnern auch mancherlei Kriegsgeräte ab. sForts. folgt.)
294
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
drängte Lage Sarrails, die durch längere Wirksamkeit der
lü-Boote schließlich verzweifelt werden konnte, rechtfertigte
schon einen besonderen Einsatz. Die Straße Ochrida—
Monastir sollte in der Umgebung des letztgenannten Ortes
erreicht werden, Ochrida selbst wurde aus der Seenenge
zwischen Ochrida- und Prespasee angestrebt.
Die Offensive war so angelegt, daß, falls sie durchdrang,
der westliche Heeresflügel der verbündeten Mittelmächte
eingedrückt und umklammert werden konnte. Uber 240 Ge-
schütze wirkten allein auf die Höhe 1248, die den Besitzer
zuweilen wechselte, schließlich aber doch in der Gewalt der
Verteidiger blieb. Die Hauptlast des Angriffes hatten die
Franzosen auf sich genommen. Teilweise gewannen sie
Gelände, doch verloren sie es gewöhnlich bald wieder. So
wurden sie am 20. März von den Höhen vertrieben, die sie
nordöstlich von Trnova und bei Snegovo erstürmt hatten.
Am 21. März standen die Feinde trotz eines Verlustes
von 40000 Mann ungefähr wieder in den Stellungen, von
denen sie am 12. März ausgegangen waren. Der große
Angriff Sarrails war fehlgeschlagen. In den folgenden
Tagen führten Türken, Bulgaren und Deutsche zahlreiche
Österreicher und Ungarn unterbrochen, durch den sie die
beherrschende Spitze der „Hohen Schneid" in ihre Hände
brachten. Dieser Gipfel ist 3000 Meier hoch und liegt auf
italienischem Gebiete, rund 5 Kilometer südlich vom Stilfser
Joch. Durch große Sprengungen und mühsames Aushauen
von Eistunneln mußte dem Angriff monatelang vorgearbeitet
werden. Die Italiener, die sich auf dem Grate festgesetzt
hatten, wurden^durch das schnelle Anstürmen der k. u.k.
Abteilungen vollkommen überrascht, obwohl sie eigentlich
mit einem Angriff rechnen konnten, denn Tags vorher
waren ihre Patrouillen dort vernichtet worden. Die
wackeren Alpentruppen hatten bei dem Unternehmen nur
einen Leichtverwundeten.
Auch im Karstgebiet bewiesen die k. u. k. Streiter große
Schlagfertigkeit. Aus ihren vortrefflich ausgebauten Stel-
lungen (siehe Bild Seite 298) gingen sie am 26. März im
Eörzischen unweit Biglia an der Wippach unter kräftiger
Artillerieunterstützung vor und drangen in die italienischen
Linien ein. Über 300 Italiener konnten dabei gefangen
abgeführt werden (stehe Bild Seite 299). Die Angreifer,
die das besetzte Gebiet gegen sehr heftige Wiedereroberungs-
Dfberreichifch-ungarifcheL Flammenwerfer.
Stöße in die feindlichen Linien aus, bei denen sie viele
Gefangene» eine ganze Anzahl Maschinengewehre und
sonstiges Kriegsgerät erbeuteten. —
Die Erkundungsgefechte an der italienischen Front
wurden in der Nacht zum 19. März durch einen Angriff der
Illustrierte Kriegsberichte.
Die Verpflegung unseres Feldheeres.
Von Mar Wieszner, Berlin.
I.
Kein Krieg zuvor hat ein solches Massenaufgebot an
Kämpfern gebracht wie das gegenwärtige Völkerringen.
Noch kennen wir nicht die genauen Zahlen, auch nicht von
unserem eigenen Feldheer, aber wir wissen, daß es Millionen
von Männern sind, die unsere Heimat draußen mit den
Waffen verteidigen. Seit dem Tage ihres Übertrittes zu
der bewaffneten Macht sind sie ausgeschieden aus dem
Stande der volkswirtschaftlich Erzeugenden, sie sind reine
Verbraucher geworden, die, abgesehen von Zuschüssen aus
den besetzten Gebieten, die gewiß erfreulich sind, die aber
verhältnismäßig genommen gegenüber dem ungeheuren
Bedarf doch verschwinden, aus der Heimat versorgt und ver-
pflegt werden müssen. Infolgedessen hat die Ernährungs-
und Verpflegungsfrage in diesem Kriege eine Bedeutung
erlangt, wie es niemand hat vorausahnen können, auch nicht
der Kreis der Fachleute, deren Lebensaufgabe es war, die
Lehren der Kriegsgeschichte zu sammeln und zu verwerten.
Denn wer konnte mit dieser Ausdehnung eines modernen
Völkerkrieges rechnen, wer hat es im Frieden für möglich
gehalten, daß solche Massen und auf so lange Zeit aufein-
Russische Militärtransporte auf dem Bahnhof Radziwilow werden durch Bombenabwürfe deutscher und österreichisch-ungarischer Flieger zerstört«
Nach einer Orrginalzeichnung von Kurd Albrecht.
4 Pf
gefrorenes Fleisch, 150
Gramm geräuchertes
Rind-, Schweine- ober
Hammelfleisch,geräucher-
ten Speck, geräucherte
Fleisch- oder Dauerwurst,
oder 150 Gramm Fleisch-
konserven (als eiserne
Portion 200 Gramm),
oder 250 Gramm Salz-
heringe oder Fischkonser-
ven, jedoch nur solche in
Marinade, oder 600
Gramm Flußfische oder
400 Gramm frische See-
fische oder 300 Gramm
Salzfische oder 200
Gramm Klippfische oder
ausSalz-undKlippfischen
hergestellte Räucherfische.
Zu diesen Fleisch- und
Fischportionen kommen
Gemüse, Kartoffeln, Hül-
senfrüchte und Teigwa-
ren hinzu. Davon muß
der Soldat täglich erhal-
ten: 125 Gramm Reis,
Graupen, Grieß, Grütze,
Phot, Preffe-Photo-Bertrieb, Berlin.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Lagernde türkische Division im Taurus in
anderprallen würden. Aber wir können stolz darauf sein:
die Verpflegungsabteilung des Kriegsministeriums und die
ihr unterstellten Intendanturen haben sich den von Monat
zu Monat stärker werdenden Anforderungen gewachsen ge-
zeigt und haben den Beweis für die Richtigkeit des mili-
tärischen Satzes erbracht, daß es im Kriege Unmögliches
nicht geben dürfe. Mögen auch Klagen im einzelnen noch
laut werden, es bleibt wahr und wird von niemand bestrit-
ten, daß unser Feldheer gut und den vorhandenen Vorräten
entsprechend reichlich verpflegt wird. Das große Gefüge
der deutschen Militärintendantur arbeitet bis in seine letzten
Ausläufer hinein reibungslos/und nur dadurch war es
möglich, die gewaltigen Massen von. Nahrungsmitteln in
der Heimat zu beschaffen und sie jederzeit ordnungsmäßig
an die Stellen nachzuschieben, an denen unsere Truppen
in Frankreich und Rußland, in den Karpathen, in Mazedo-
nien und in Rumänien oder gar am Tigris oder am Suez-
kanal im Kampfe stehen.
Lange Zeit hat unsere Heeresverwaltung genauere An-
gaben über den Umfang des Verpflegungsnachschubes aus
militärischen Gründen geheimhalten müssen. Jetzt besteht
die Gefahr, daß unsere Gegner Anhaltspunkte über unsere
Kampfstärke darin finden
könnten, nicht mehr, und
so war ich denn zum
erstenmal in der Lage,
vor kurzem in der „Frank-
furter Zeitung" auf
Grund amtlichen Mate-
rials den Schleier zu
lüften. Um ein Bild über
den Nachschub von Nah-
rungs- und Eenußmit-
teln zu bekommen, ist
zunächst die Frage zu
beantworten: Worauf
hat ein deuisher Soldat
der mobilen Truppe, das
heißt also der kämpfen-
den Truppe, täglich An-
spruch? Sein Speisezet-
telberuht auf zweiGrund-
be standteilen, auf der
Brotportion und auf der
Beköstigungsportion.Un-
ter Brotportion ist Brot,
Eierzwieback und Feld-
zwieback zu verstehen, und
davon erhält er täglich
_____________ 750 ErammBrot —inder
Kleinasien. Heimat entfallen auf je-
den deutschen Staatsbürger im Tagesdurchschnitt 280 Gramm
— oder 400 Gramm Eierzwieback oder 600 Gramm Feld-
zwieback. Erheblich vielgestaltiger ist der Begriff der Bekösti-
gungsportion, worunter Fleisch, Gemüse, Gewürze, Kaffee,
Fett und Marmelade zusammengefaßt sind. Natürlich kann
die Verpflegung im Felde nicht so abwechslungsreich und den
besonderen Bedürfnissen angepaßt sein wie in der Heimat.
Es ist Massenkost, die draußen verabreicht werden muß, und
zwar Massenkost, die häufig unter den erschwerendsten Um-
ständen hergestellt und ausgeteilt werden muß. Man braucht
nur an die Kämpfe an der Somme und vor Verdun zu
denken, um zu begreifen, daß zu Meisterstückchen des Kochs
die Vorbedingungen fehlen. Aber nicht nur reichlich soll
die Verpflegung sein, nicht nur kräftig und stärkend, sondern
auch abwechselnd, und die Kriegsverpflegüngsabteilung des
Kriegsministeriums hat darin wirklich das denkbar Mög-
liche geleistet, wenn man die Schwierigkeiten in Rechnung
stellt, die bei der Beschaffung der Nahrungsmittel und bei
dem Transport über lange Strecken zu überwinden sind.
Der Frontsoldat hat zurzeit, unter Berücksichtigung
einiger nach und nach eingetretenen Kürzungen einzelner
Teile der Beköstigungsportion, zu beanspruchen: 250 Gramm
frisches, gesalzenes oder
Ein Lager der arabischen Kamelreitertruppe am Sinai.
'<ruvH -IA
Türkische Truppen auf dem Marsche durch Anatolien.
Nach einer Originalzetchnung deS bet der osmanischen Armee zugelassenen Kriegsmalers Fritz Grolemeyer.
298
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. Photopresse Kankowsky, Budapest.
Musterhaft ausgebaute Stellungen der österreichisch-ungarischen Jsonzoarmee auf der Karsthochstäche.
Hafer- oder Gerstenflocken oder 250 Gramm Hülsenfrüchte,
wie Erbsen, Bohnen, Linsen oder Mehl, oder 60 Gramm
Dörrgemüse oder 150 Gramm Gemüsekonserven oder 1500
Gramm Kartoffeln oder 250 Gramm Kartoffelflocken oder
300 Gramm Dörrkartoffeln, letztere in Wintermonaten, wo
die frische Kartoffel wegen der Frostgefahr schwer zu trans-
portieren ist, oder die Hälfte der Portionssätze für Gemüse,
und Gemüsekonserven nebst 750 Gramm Kartoffeln oder
125 Gramm Kartoffelflocken oder 150 Gramm Dörrkartof-
feln oder zwei Drittel dieser Portionsätze nebst 500 Gramm
Kartoffeln oder 85 Gramm Kartoffelflocken oder 100 Gramm
Dörrkartofseln. Unter Umständen können als Gemüse auch
verwandt werden 200 Gramm Nudeln oder 1200 Gramm
Speiserüben oder grüne Bohnen, 1200 Gramm Wirsing-,
Weist-, Grün- oder Rotkohl oder 450 Gramm Sauerkohl
oder 125 Gramm Backobst oder 250 Gramm gesalzene
Schnittbohnen oder 400 Gramm gesalzener Spinat.
Um das Essen schmackhaft und appetitanregend zu
machen, ist auch auf einen ausreichenden Gewürzzusatz Be-
dacht genommen. Für den Kopf sind berechnet: 25' Gramm
Salz und 25 Gramm Zwiebeln oder 0,4 Gramm Pfeffer
oder 0,1 Gramm Paprika, oder 2 Gramm Kümmel oder
0,1 Gramm Nelkenblüte oder 0,05 Gramm Lorbeerblätter
oder 0,2 Gramm Majoran oder 0,05 Liter Essig oder 0,05
Liter Speiseöl oder 3 Gramm gemahlener Zimt und
schließlich täglich 2,5 Era-mm Senf (Mostrich). Es fehlt
kaum etwas, was die Hausfrau in ihrem Eewürzschrank
führt, und wenn der richtige Koch vorhanden ist, der sich auf
die nicht ganz leichte Verwendung von Gewürzen versteht,
so läßt sich in die Feldkost neben der Kraft auch schon
einigermaßen Geschmack bringen, der namentlich in der
Ruhestellung nicht allzu verwöhnten Gaumen die Erinne-
rung an die Heimat wecken kann. Fortsetzung j
Ein U-Boot im Kampf.
Es ist eine kalte Nacht. Einsam auf weiter See durch-
schneidet der Bug eines der grauen, schlanken D-Boote die
hohen Wellen des erregten Meeres. Fast haushoch steigt
das D-Boot mit den Wellen, um plötzlich wieder zu Tal
zu gleiten. So muß es sich mit Anspannung aller Kräfte
der Motoren den Weg durch das ungestüme Meer bahnen.
Der Kreiselkompaß, den der Kommandant im Auge hat,
zeigt Kurs nach Nord-Nord-West. Die Offiziere vom
Dienst und die die Geschütze und Maschinengewehre be-
dienende Mannschaft sind an Deck. Obwohl sie unter ihren
Olanzügen feste Lederkleidung mit dem vorschriftsmäßigen
Unterzeug tragen, frösteln sie, denn ein eisiger Polarwind
stürmt über die unendliche Fläche des Meeres. Wie fest-
gewurzelt stehen die Mannschaften auf dem glatten, von
den Wellen überspülten Deck. Der Kommandant und die
Offiziere halten von der Kommandostelle Wacht über den
Ozean, damit niemand die ihrer Aufsicht zugewiesene Zone
ungestraft durchfährt. Ein kurzes Wort des Kommandan-
ten, und verschiedene Hebel und Signalapparate werden in
Tätigkeit gesetzt. Man kann jetzt deutlich spüren, daß das
flinke D-Boot nun noch schneller fährt. Es wird immer un-
gemütlicher, ganze Sturzwellen überschwemmen das Deck.
Offiziere und Mannschaften sind trotz ihrer guten Kleidung
bis auf die Haut naß, der Gischt fliegt ihnen ins Gesicht und
brennt dort wie Feuer, da der schneidende Wind das salzige
Wasser wie Eisnadeln wirken läßt. Das Boot fährt mit
aller Kraft, es kann jedoch infolge der beständig entgegen-
gesetzt laufenden See seine volle Schnelligkeit nicht ent-
falten. Aber dennoch fliegt es fast pfeilgeschwind dahin.
Die Mannschaft und die Offiziere sind froh, daß es nach so
langer, angestrengter Tätigkeit endlich auf kurze Zeit dem
Sammelpunkte zugehen soll ...
Plötzlich erzittert die Antenne. Ein Funkspruch wird
aufgefangen. Bei dem ersten Zeichen ertönt ein freudiger
Ausruf von den Lippen des Kommandanten — also schon
ein Heimatgruß. Doch, was ist das? Ein Befehl zum so-
fortigen Vorgehen gegen einen bewaffneten englischen
Handelsdampfer. „Boot nimmt Kurs nach ... (folgt
genaue geographische Angabe), aufsucht feindliches Schiff
und vernichtet es!"
Der Kommandant gibt, seine Mannschaft beobachtend,
sofort die nötigen Befehle. „Wackere Leute," brummt er
vor sich hin, „obgleich sie wieder bösen Stunden entgegen-
fahren, freuen sie sich trotz aller Müdigkeit, daß es doch noch
einmal an den Fei,nd geht. Wir werden den Engländer
schon kriegen!" West, halb Nord, geht das Kommando.
Steuerbord das Ruder, vier Grad über, volle Motor-
kraft, und so saust das Boot statt der ersehnten Ruhe-
station neuem Kampf entgegen.
Der Sturm hat noch mehr zugenommen. Nach ein
paar Stunden, gegen Morgen, glaubt der Kommandant, ein
Schiff bemerkt zu haben; er gibt Befehl, den Kurs des U=
Bootes zu ändern. Die Motore geben her, was sie nur kön-
nen, und das Boot schneidet sieghaft die Wellenberge. Man
ME
Phot. Kilophot G. m. b. H., Wien.
Geschichte des Weltkrieges 1914/17
Illustrierte
Wasser dahinschießenden Torpedo abzulenken. „Die Ge-
schütze klar zum Gefecht!" lautete daher ein weiterer Be-
fehl. Im Augenblick waren die Schanzverkleidungen auf
dem Turm aufgeschlagen, die Geschütze hochgewunden und
schon nach einer Minute erhielt der englische Dampfer
Schnellfeuer. Er erwiderte es sofort. Eine Granate schlug
so nahe neben dem kt-Boot ein, daß eine mächtige Sturz-
welle das Deck überflutete.
Plötzlich lohte eine gewaltige Feuersäule auf dem eng-
lischen Dampfer empor. Der furchtbare Knall und das
unmittelbar darauf erfolgende Seitwärtslegen des großen
Schiffes ließ erkennen, daß der Torpedo seine Wirkung getan
hatte. Eine schwere Wunde war gerade im Maschinen-
raum in das Schiff gerissen. Seine Kanonen verstummten
und die Mannschaft suchte sich in wilder Hast zu retten.
Mit aller Kraft sauste das kt-Boot nunmehr an den Eng-
länder heran, um den Namen des Schiffes festzustellen.
Plötzlich prasselte Maschinengewehrfeuer auf das Boot,
verletzte zwei Mann, beschädigte den Schornstein, die
Schanzverkleidungen des Turms und selbst die Antennen
für die drahtlose Telegraphie. Ein Wink des Komman-
danten und die Schnellfeuergeschütze überschütteten die
Kommandobrücke des Engländers mit einem Granatenhagel,
der in kurzer Zeit die Maschinengewehre verstummen ließ.
Dann richtete sich das Schnellfeuer des bl-Bootes gegen
die Geschütze am Heck des sinkenden Schiffes, die eben
wieder zu schießen begonnen hatten. Auch sie wurden
in kurzer Zeit zum Schweigen gebracht. Inzwischen hatte
sich die Bemannung des Engländers in Rettungsboote ge-
flüchtet. Das schwer getroffene Schiff sank langsam, als
sich in rascher Fahrt englische Torpedoboote und ein kleiner
Kreuzer näherten. Wahrscheinlich hatte der Dampfer, als
er getroffen worden war, noch Hilferufe ausgesandt, die
von den englischen Kriegschiffen aufgefangen wurden. Da
das kt-Boot durch das Maschinengewehrfeuer einige Be-
schädigungen e-rlitten hatte, hielt es der Kapitän für' ge-
ratender Sammelstelle zuzueilen, hatte er doch den Befehl:
„.. .aufsucht feindliches Schiff und vernichtet es!" erfüllt.
Die zweite Kreuzerfahrt der „Möwe".
(Hierzu die Bilder Seite 302 und 303.)
Graf Dohna-Schlodien, der von Sieg und Glück gekrönte
Führer der „Möwe", erzählte in einem Vortrage über
seine Erlebnisse während seiner zweiten Kreuzerfahrt, daß
er von vornherein davon überzeugt gewesen sei, die neue
Unternehmung würde sich erheblich schwieriger gestalten.
vermindert die Entfernung zwischen beiden Schiffen, kann
aber noch nichts deutlich unterscheiden.
Plötzlich schlägt laut klatschend und zischend eine Granate
etwa 150—200 Meter vor dem Bug des kl-Bootes ins
Wasser, so daß eine große Fontäne in die Höhe steigt. „Alles
für Tauchfahrt klar!" ertönt das Kommando, und schnell
verschwinden die Geschütze und Maschinengewehre. Das
Deck, eigentlich nur ein langes Tafelbrett, ist im Augen-
blick leer; alles ist versunken. Aus der Schußrichtung kannte
der Kommandant ziemlich genau die Lage des feindlichen
Schiffes. So tauchte das bl-Boot und manövrierte unter
Wasser. Man hielt auf das Schiff zu und spürte deutlich,
daß rechts und links vom Boot immer noch Geschosse ein-
schlugen.
Der Kommandant hielt es für geraten, auch das Periskop
herunterkurbeln zu lassen, das möglicherweise dem zweifellos
gutbewaffneten Dampfer noch Zielrichtung gegeben hätte.
Noch weiter ging das Boot in die Tiefe und fuhr so dem
Engländer entgegen. Der war auf der Hut. Kaum war
das Boot wieder höher gegangen, um durch das Sehrohr
Ausschau zu halten, erhielt es abermals Feuer. Man hatte
sich dem Dampfer auf etwa 6000 Meter genähert. Um
zu sehen, wie und wo das Schiff lag, mußte man unbedingt
auftauchen. Die heiße, ölgesüttigte Luft wurde außerdem
bereits unangenehm, denn man befand sich fast zwei Stun-
den unter Wasser. Eine kaum noch zu bewältigende Schlaf-
sucht begann die übermüdete Mannschaft zu befallen. Als
der Kommandant dies bemerkte, befahl er, daß alle dienst-
freien Leute sich niederlegen und so ruhig verharren sollten,
um die Atmung möglichst einzuschränken. Es sollte da-
durch weniger Luft verbraucht werden. Mit dieser mußte
aber, da es um die Entscheidung ging, sehr gegeizt werden.
Schließlich gab der Führer das Klingelzeichen, das die ganze
Mannschaft sofort auf die Beine brachte. Danach rückte
der Zeiger des Torpedotelegraphen auf „Füllt!" Wie der
Blitz war die Torpedomannschaft in der Torpedokammer
am Werk, und noch keine Minute war verstrichen, als dem
Kommandanten zurückgegeben wurde: „Ist fertig!" Jetzt
erging der Befehl: „Alles klar für Oberfahrt!" Die Pum-
pen arbeiteten, und plötzlich schoß das kl-Boot aus dem
Wasser.
Schnell hatte sich der Kommandant von dem Kurse des
Gegners überzeugt. „Tiefensteuer um zwei Grad um-
legen, noch etwas Backbord, so, jetzt Torpedo los!" Das
Rohr öffnete sich, blitzschnell waren die Befehle ausgeführt
und der Torpedo schoß dahin^ dem Engländer entgegen.
Nun galt es, dessen Aufmerksamkeit von dem durch das
Italienische Gefangene werden hinter die Front geführt.
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DKß
Nach einem Originalgemälde des bei der osmanischen
Armee zugelassenen Kriegsmalers Fritz Grotemeyer.
Versenkung eines russischen Transportdampfers im Schwarzen Meer mittels
Torpedos durch den türkischen Panzerkreuzer «Javus Sultan Selim«.
302
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Ein feindliches Handelschiff wird durch das Megaphon angerufen.
Aber er hatte sorgfältig beobachten lassen, wo die Funken-
nachrichten der Engländer herkämen, und darauf seine
Pläne gebaut- Seine Absicht war, die großen Handel-
straßen der Engländer abzustreifen. Schon am ersten Tage
traf er auf den stattlichen Dampfer „Voltaire". Da es
spät abends war und die See ziemlich hoch ging, war es
schwer, festzustellen, um welches Schiff es sich handelte. Im
Atlantik werden nämlich nachts Flaggen nicht mehr ge-
führt Um vier Uhr früh zeigte die „Möwe" dann dem er-
tappten feindlichen Schiffe die deutsche Kriegsflagge und
ihre Geschütze. Es war ein sehr wertvolles Fahrzeug mit
großen Kühlräumen. Alle englischen Schiffe fuhren übri-
gens nach Amerika leer. Die nächsten zehn Tage kreuzte
die „Möwe" im Atlantik, und zwar die ersten drei Tage
vergeblich; dann aber stieß sie jeden Tag auf ein neues
Schiff, das natürlich versenkt wurde. Alle diese Dampfer
hatten sehr wertvolle Ladungen; eines zum Beispiel führte
1200 Pferde. Auch sonst hatten sie alle mehr oder weniger
Kriegsmaterial geladen. An der Bemannung konnte Graf
Dohna feststellen, daß es für die englischen Kapitäne sehr
schwierig geworden war, ihr Personal Zu ergänzen, denn
die wirklich brauchbaren Mannschaften waren für die Kriegs-
flotte in Anspruch genommen. Die Leute auf den Han-
delsdampfern standen meist
zwischen dem vierzigsten und
fünfzigsten Jahr, oder sie ge-
hörten den sogenannten Ka-
detten an» das heißt es wa-
ren Knaben von vierzehn bis
fünfzehn Jahren. Die erste
Frage der Kapitäne war fast
allemal: „Wann ist der Krieg
zu Ende?" worauf sie dann
von Graf Dohna die Ant-
wort erhielten, sie sollten sich
mit der Frage an ihre Regie-
rung wenden Darauf fingen
die Kapitäne gewöhnlich
furchtbar auf diese zu schelten
an, am meisten, wenn es
Schotten oder Irländer wa-
ren. Die Bemannung der
ersten acht Dampfer wurde
bekanntlich mit der „ Parrow-
dale" nach Deutschland ge-
schickt; die glänzende Leistung
des Prisenführers, Leutnants
der Reserve Badewitz, wurde
vom Grafen Dohna als vor-
züglich bezeichnet. Als letztes
Schiff in dieser Gegend nahm die „Möwe" den Dampfer
„Sankt Theodor", der mit 7000 Tonnen Kohlen von Amerika
nach Italien fuhr. Graf Dohna stattete ihn mit den Funken-
einrichtungen eines englischen Dampfers und zwei Ge-
schützen aus und betraute mit der Führung den Kapitän-
leutnant Wolf, der während einiger Monate mehrere Segler
mit wertvoller Ladung versenkte. In all dieser Zeit war
die „Möwe" in ständiger telegraphischer Verbindung mit
der Heimat. Nur in der Nähe der afrikanischen und der
südllmerikanischen Küste war das Abhören der Mitteilungen
sehr schwierig wegen deck hohen elektrischen Spannung in
der Luft. Täglich erhielt die „Möwe" den Heeresbericht,
den Zeitungsdienst und auch besondere Anweisungen. Die
glückliche Heimkehr der ,, Parrowdale" erfuhr man in
der Silvesternacht Zehn Minuten vor zwölf Uhr.
Graf Dohna fuhr nun weiter hinunter im südatlantischen
Ozean, traf wieder auf den „Sankt Theodor", aus dem er
inzwischen S. M. S. „Geyer" gemacht hatte und über-
nahm von ihm innerhalb dreier Tage 2000 Tonnen Kohlen;
eine großartige Leistung der Mannschaft. In der Gegend
von Kapstadt glaubte er viel ausrichten gu können. Es
stellte sich aber heraus, daß dort kein Schiff mehr zu finden
war, weil in Südafrika große Kohlennot herrschte Er
steuerte nun nach Südamerika,
ohne unterwegs auch nur
einen einzigen Dampfer zu
sehen, und übernahm dort
im Schutze eines guten, aber
unbewohnten Hafens vom
„Geyer" nochmals 1000 Ton-
nen Kohlen. Dann richtete
die „Möwe" ihren Kurs auf
Buenos Aires, Im Süd-
atlantik hatte die englische
Kriegsmarine den Schutz der
Handelschiffe offenbar ganz
aufgegeben. Anfangs war
überhaupt nur ein Hilfskreu-
zer dort, später fanden sich
vier Kreuzer und mehrere
Hilfskreuzer ein, die die
Hauptfahrstraße absuchten
Durch Zufall geriet hier die
„Möwe" auf die derzeitige
Fahrstraße der englischen
Handelschiffe. Am 17. Januar
hatte sie sogar eine Begeg-
nung mit einem Hilfskreuzer,
der alsbald ununterbrochen
andere Schiffe zum Beistand
herbeirief. Schließlich ver-
wechselte er aber die „Möwe"
mit einem aufkommenden
Die Mannschaft eines versenkten englischen Schiffes wird an Bord genommen.
Von der erfolgreichen zweiten Fahrt des deutschen Hilfskreuzers --Möwe«.
Nach photographischen Aufnahmen des Bufa.
Illustrierte Geschichte des Welttrieges 1914/17.
303
englischen Dampfer, begrüßte
ihn mit Granaten, und das
deutscheKaperschiff entwischte
glücklich.
Graf Dohna dachte nun
an die Heimreise und hoffte
dabei noch manche Versen-
kung vorzunehmen. Das Meer
aber war inzwischen leer ge-
worden, was man wohl als
Erfolg des tt-Bootkrieges an-
sehen darf. Die Neutralen
haben es so gut wie ganz
aufgegeben, englische Frach-
ten zu befördern. Das Ver-
fahren der Dampfer ist jetzt
auch anders. Cie leisten Wi-
derstand und kehren auch
sonst schon beim ersten An-
ruf die rauhe Seite hervor.
So gab es noch ein heftiges
Gefecht mit dem schnellen
Dampfer „Otaki". Bei hohem
Seegang wurde auf 2200
Meter Entfernung das Feuer
begonnen. Sich allmählich
nähernd, fuhren die Schiffe
zwanzig Minuten nebeneinander her. Schließlich erwies
sich das Feuer der „Möwe" besser; sie vermochte fünfund-
zwanzig Volltreffer abzusenden, die „Otaki" nur drei. Diese
begann achter brennend zu sinken, und die Mannschaft —
der Kapitän war gefallen — ging in die Boote. Auch
die „Möwe" war in Brand geraten und hatte durch einen
unglücklichen Treffer in den Heizraum einen Unteroffizier
und sechs Mann verloren. Der Assistenzarzt hatte mehrere
Tage viel zutun, da auch noch zehn Engländer meist schwer
verwundet waren; selbst verschiedene Amputationen wur-
den an Bord vorgenommen. Nach dem Gefecht mit der
„Otaki" konnte Graf Dohna noch zwei weitere Dampfer
versenken. Auch diese hatten sich sofort zur Wehr gesetzt,
aber mit den ersten Salven gelang es bereits, ihre Ge-
schütze zu zerstören. Die Heimfahrt war dann vom Wetter
außerordentlich begünstigt; die „Möwe" konnte ständig
mit dem Wind segeln, bei heller Beleuchtung und klarem
Sonnenschein. Dabei sah die Besatzung weder bei Island
noch in den norwegischen Gewässern auch nur eine Rauch-
wolke, die ein feindliches Schiff angedeutet hätte. Bei der
Rückkehr in die Heimat stieß sie zuerst auf einen deutschen
Fischdampfer, der ihr mit Beschießung drohte. Nach dem
Erkennen war die Freude auf
beiden Seiten natürlich groß.
Wiesich dieDeutschen
auf feindliche Flug
zeuge einschießen.
fHierzu das Bild Seite 304.) v
Flugzeuge Bieten, ihrer
Natur entsprechend, der Be-
schießung von der Erde aus
ziemliche Schwierigkeiten. Sie
haben nicht nur große Eigen-
geschwindigkeit, sondern be-
sitzen auch die Fähigkeit, Flug-
richtung und Steighöhe jeder-
zeit schnell zu ändern. Dies
ist für das Schießen gegen
solche Luftfahrzeuge insofern
erschwerend, als Entfernung
und Richtung des Zieles stän-
dig und rasch wechseln.
Zur Bekämpfungder Luft-
fahrzeuge wurden deshalb im
Weltkrieg zum ersten Male
besondere Geschütze, die Luft-
fahrzeugabwehrkanonen(siehe
auch das Bild Seite 89), ver-
wendet. Unter besonders gün-
stigen Verhältnissen können
Die zahlreichen Gefangenen an Bord dev «Möwe".
zwar Ziele in der Luft auch aus den gewöhnlichen Ge-
schützen beschossen werden. Diese reichen aber nicht mehr
aus, sobald die Ziele in größerer Höhe oder Nähe auftreten,
weil dann die Geschosse unter so großen Erhöhungen ver-
feuert werden müssen, wie sie sonst nur bei den schweren
Mörsern vorkommen. Die Abwehrkanonen dagegen be-
seitigen durch ihre besondere Bauart diese Schwierigkeiten
in der Beschießung der Luftfahrzeuge. Sie besitzen ein
großes Höhenrichtfeld sowie unbegrenzte seitliche Schwenk-
barkeit, sind imstande, schnell Änderungen der Höhen- und
Seitenrichtung vorzunehmen, und haben große Feuer-
geschwindigkeit, Reichweite und Treffähigkeit.
Schwierig bleibt aber auch beim Schießen mit Abwehr-
kanonen das rasche und richtige Anvisieren und Anmessen
der Ziele und die gute Beobachtung des abgegebenen
Feuers. Deshalb sind die Zieleinrichtungen so gebaut,
daß sie vor allem ein dauerndes Verfolgen des sich schnell
bewegenden Zieles gestatten, dann aber auch jede Berech-
nung von Erhöhungswinkeln und den zeitraubenden Ge-
brauch einer Schußtafel überflüssig machen. Zum Fest-
halten der Entfernung wird ein Entfernungsmesser benutzt,
an dem die den Geländewinkeln entsprechende Erhöhung
Burggraf und Graf zu Dohna-Schlodien hält nach
Ansprache an
im Heimathafen eine
Von der erfolgreichen zweiten Fahrt des deutschen Hilfskreuzers «Möwe«
Nach photographischen Aufnahmen des Bufa.
304
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
abgelesen werden kann. Diese Vorrichtung befindet sich
meist an der Zieleinrichtung des Geschützes und trägt so
zum raschen Erfassen des Zieles bei. Die für das Gelingen
des Schießens unerläßliche Beobachtungsmöglichkeit der
Schüsse hinsichtlich ihrer Lage zum Ziel macht die Verwen-
dung besonderer, leicht zu beobachtender Geschosse notwendig.
Ein eigenes, ebenfalls mit der Zieleinrichtung vereinigtes
Beobachtungsfernrohr mit entsprechender Einteilung ermög-
licht die Beobachtung und auf Grund derselben die Vor-
nahme der erforderlichen Korrekturen.
Entsprechend der Eigenart der Luftfahrzeuge und der
Schwierigkeiten beim Schießen auf sie, muß natürlich auch
das bei ihrer Bekämpfung anzuwendende Schießverfahren
ein besonderes sein. Die Flugzeuge haben nicht nur sehr
rasche Geschwindigkeit und große Beweglichkeit, sondern
bieten außerdem auch noch ein sehr kleines Ziel und bleiben
vielfach nur kurze Zeit sichtbar; trotzdem müssen sie aber
auf möglichst weite Entfernungen beschossen werden, wenn
ihre Aufklürungs- und Erkundungstätigkeit unmöglich ge-
macht werden soll. Ein
Einschießen, wie es ge-
gen Ziele auf der Erde,
sowohl feststehende wie
bewegliche, angewendet
wird, ist gegen die sich
sehr schnell bewegenden
Flugzeuge auch mit Hilfe
leicht zu beobachtender
Geschosse nicht gut mög-
lich. Hier führt nur ein
Verfahren zum Erfolg,
bei dem das Ziel auf
Grund der geschätzten
oder gemessenen Entfer-
nung und auf Grund
der Beobachtung des
ersten Schusses, unter
Berücksichtigung der nö-
tigen Änderungen, unter
wirksames Streufeuer ge-
nommen wird.
Die glänzenden Er-
folge der Deutschen im
Abschießen feindlicher
Flugzeuge zeigen deut-
lich, daß ihre Abwehr-
artillerie ein äußerst wirk-
sames und überlegenes
Schießverfahren zur An-
wendungbringt. Näheres
hierüber kann selbstver-
ständlich nicht mitgeteilt
werden. Wie aber nach
englischer Ansicht dieses
so erfolgreiche deutsche
Verfahren erklärt wird,
geht aus unserer neben-
stehenden, der englischen
Zeitschrift „The Sphere"
entnommenen Abbildung
hervor.
Nachdieser, allerdings
geometrisch schematischen
Darstellung arbeiten im-
mer vier Abwehrgeschütze
zusammen, die an den
Ecken eines Vierecks auf-
gestellt sind. Sobald nun
ein Flieger in Sicht
kommt und beschossen
werden soll» gibt jedes
Geschütz zur Ermittlung
der Entfernung einen
Beobachtungschuß ab.
Diese vier Schüsse bilden
beim Platzen ein ge-
dachtes Viereck am Him-
mel, das zur Erleichte-
rung des Messens der
genauen Entfernung mkt
Hilfe des Entfernungsmessers in vier Abschnitte geteilt
wird.
Wenn nun zum Beispiel der Flieger bei Abgabe der
Beobachtungschüsse sich im Abschnitt 2 befindet und dann
in den Abschnitt 4 kommt, so hat bis dahin jedes Geschütz
für sich die Entfernung gefunden und danach den Ee-
schoßzünder gestellt, und das Feuer der vier Abwehrge-
fchütze wird auf den Abschnitt vereinigt, in dem das Flug-
zeug fliegt. Da infolge der Sprengwirkung der Geschosse
die ganze Fläche dieses Abschnitts mit Sprengstücken und
Schrapnellkugeln bestreut ist, besteht beinahe die Sicher-
heit , daß auch das Flugzeug getroffen wird. Gelingt es
trotzdem dem Flieger, diesem Streufeuer unbeschädigt zu
entrinnen, so ist für ihn die Gefahr keineswegs beseitigt.
Im Gegenteil. Er kommt sofort in das Streufeuer von
vier anderen Geschützen. Solche sind selbstverständlich in
großer Zahl aufgestellt, von denen nach der englischen
Auffassung immer vier wieder eine andere Fläche am
Himmel in der eben geschilderten Weise überwachen.
Wie sich die Deutschen auf feindliche Flugzeuge einschießen.
Nach einer englischen Darstellung.
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
(Fortsetzung.)
Das zunächst verhältnismäßig rasche Nachrücken der
Franzosen in dem von den Deutschen geräumten Gebiet
verlangsamte sich gegen das Ende des Monats März erheb-
lich und paßte sich dem vorsichtigeren Vordringen der Eng-
länder mehr und mehr an. Diese standen um den 1. April
in dem weitgestreckten Raum von der Scarpe bis zur
Aisne auf der Linie Arras—Beaumetz—Roisel. Bei diesem
Orte schlossen sich die Franzosen nach Süden zu an; ihre
Mitte kämpfte in der Gegend von La Före und Laon, ihr
rechter Flügel war an das Nordufer der Aisne angelehnt
und suchte dort in heftigen Kümpfen vorwärtszukommen.
Die Feinde fühlten sich in dem ihnen von den Deutschen
freiwillig überlassenen Gebiete durchaus als Sieger und
wähnten sich schon auf dem Wege zur deutschen Grenze.
Zur Belebung ihrer Stimmung fehlte es nicht an auf-
peitschenden Berichten über erfundene deutsche Greuel-
taten. Die durch militärische Notwendigkeiten gebotene
Verwüstung der Felder, Wiesen und Wälder und die Nieder-
legung von Dörfern mußten dazu dienen, die französische
Wut von neuem zu entfachen. Unter den französischen
Soldaten und der französischen Bevölkerung entstand infolge
der Meldungen vom Kampfplatz eine Stimmung, wie sie
in Deutschland 1914 jäh aufgeflammt war, als die Deutschen
das verwüstete und zerstörte Ostpreußen den Händen der
russischen Horden wieder entrissen hatten.
Damals nahmen die Franzosen nur mit kaltem Spott
von den Zerstörungen Kenntnis. Als sie jetzt in dem „be-
freiten" Gebiete erkannten, was Krieg heißt, zeigten sie
sich im höchsten Maße entrüstet. Und doch waren die
' durch die Deutschen herbeigeführten Zerstörungen so ganz
anders als die von den Russen in Ostpreußen verursachten
(siehe die Bilder Seite 310 und 311). Dort hatte sinnlose
rohe Lust am Vernichten sich aus-
getobt und selbst vor der Ehre und
dem Leben der Frauen, Kinder und
Greise nicht halt gemacht. Die Bewoh-
ner waren gequält, verstümmelt und
zu Tode gemartert worden. Ost-
preußen sah mittelalterliche Kriegs-
greuel, Frankreich nur scharfe mili-
tärische Maßnahmen, aber unter Aus-
schluß solcher, die nichts als eine über-
flüssige Härte bedeutet hätten. Die
Sorge um die französische Zivilbevöl-
kerung ging so weit, daß diese sogar
reichlicher mit Nahrungsmitteln ver-
sehen war als die deutschen Soldaten,
und an bestimmten Stellen wurden
die nachrückenden Feinde durch Schil-
der davor gewarnt, von ihrer Artil-
lerie Gebrauch zu machen, weil sie sich
der für die Zivilbevölkerung eingerich-
teten Schutzzone näherten. Trotzdem
suchten Engländer und Franzosen die
Welt gegen Deutschland durch Erzäh-
lung von Greuelgeschichten aufzurei-
zen, in denen der vergiftete Brunnen
von Barleur eine große Rolle spielte.
In ihm wollte man am 24. März
Arsenik entdeckt haben. Nun hatten die
Deutschen den Ort allerdings schon am
16. März verlassen, und seit dieser Zeit
war der Brunnen regelmäßig benützt
worden, ohne daß Vergiftungsfülle
vorgekommen wären. Aber trotzdem
— die „Hunnen" hatten das Wasser
vergiftet.
In Frankreich verfehlte man nicht,
die„Wiedereroberung" der „befreiten
Gebiete" zu feiern und von Begeiste-
rungsausbrüchen der dort ansässigen
Bevölkerung zu erzählen. Damit kamen
die Franzosen aber nicht über die rie-
sigen Schwierigkeiten hinweg, die sich
ihrem Nachrücken entgegenstellten.
Ihren ganzen Nachschub mußten sie auf rasch gebauten
Knüppeldämmen herbeiführen, und dann waren sie sich
auch klar darüber, daß jeder Schritt vorwärts durch die
Wüste ein Schritt in den Tod, in neue ungekannte Gefahren
bedeutete.
Die Deutschen gingen zwar immer noch zurück und
wurden in den französischen Berichten immer noch „ge-
worfen". In der feindlichen Front erkannte man wohl,
daß man es mit schwächeren Truppenteilen zu tun hatte,
die ihren Gegnern nur Aufenthalt bereiten und Verluste
zufügen sollten, was sie auch ausgiebig taten. Am 26. Mürz
fiel Roisel am Colognebach nach mehrmaligem vergeblichem
Vorstoß der Franzosen und Engländer in die Hand der
Feinde. Häufig unternahmen die Deutschen auch Gegen-
stöße, in deren Verlaufe sie den Feinden den erzielten Vorteil
wieder entrissen. Ihre Gegner waren dann zu neuen ver-
lustreichen Angriffen gezwungen, denn heran an die Deut-
schen mußten sie. Die sogenannte deutsche „Siegfried-
stellung" oder die „Hindenburglinie" mußte um jeden Preis
in kürzester Zeit erreicht werden. Erst dann war ja für die
Feinde der Bewegungskampf mit seinen Aberraschungen und
Aberfällen abzuschließen und Sicherheit und Ruhe zum
Nachziehen ihrer Artillerie zu gewinnen. Darüber konnten
noch Wochen vergehen. Vielerorts waren die Verbündeten
aber doch in die Nähe der deutschen Hauptlinien gekommen,
denn sie begegneten immer lebhafterem Artilleriefeuer. In
das Bellen der leichteren Kaliber mischte sich auch schon das
Dröhnen der schweren.
Neue Hindernisse türmten sich vor den Truppen der
Westmächte auf. Die Verbindungslinien waren länger ge-
worden und befanden sich im Kampfgebiet trotz aller Aus-
besserungsarbeiten in einem Zustande, der die Ergänzung
Deutscher Horchposten mit Schalltrichter in einem Granatloch auf dem westlichen Kriegschauplatz.
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 by Union Deutsche Berlagsgesellschaft in Stuttgart.
VI. Band. 39
306
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
der Nahrungsmittel und^ der Munition bedenklich in Frage
zu stellen geeignet war. Die zunächst mit frischem Mut
vorgerückten Truppen erlahmten angesichts der unerträg-
lichen Zustände. Es bot sich ihnen keine Gelegenheit zur
Ruhe und Erholung, und Trinkwasser war kaum zu be-
schaffen. Dazu kamen noch die blutigen Opfer, die sie fort-
während zu bringen hatten.
Die Engländer, die am 26. März zwischen Lagnicourt
und Morchies, nordöstlich von Bapaume, in heftige Gefechte
verwickelt wurden, vermochten selbst unter Einsah größerer
Abteilungen nicht vorwärts zu kommen; die Zahl ihrer
Gefallenen belief sich an diesem Tage auf mindestens tausend.
Die Franzosen rangen mit starken Kräften und größter
Hartnäckigkeit auf dem Westufer der Oise bei La Fore
ebenfalls erfolglos. An anderen Punkten legten die Deut-
schen Hinterhalte. Von Longavesnes her ritten am 27. März
zwei englische Schwadronen auf Villersfaucon an. Cie
gerieten in das vereinigte Feuer der deutschen Infanterie,
Artillerie und der Maschinengewehre und wurden mit
schwersten Verlusten in die Flucht geschlagen. Nun
-leiteten die Engländer einen umfangreichen Angriff ein,
Bei Peronne an der Somme gefangene Franzosen und Engländer.
dem sie ein heftiges Artilleriefeuer vorausgehen liehen. Mit
Infanterie, vier Schwadronen Reiterei und fünf Panzer-
kraftwagen brachen sie dann plötzlich vor. Aber die deut-
schen Sicherungstruppen waren schon ausgewichen. Die
Engländer hatten einen Stotz in die Luft geführt und sich
in einen Hinterhalt locken lassen. Denn nun prasselten von
allen Seiten die Geschosse aus verborgen aufgestellten
Maschinengewehren und Geschützen auf sie ein und fügten
ihnen riesige Verluste zu.
Einen Gegenstoß führten die Deutschen am 28. März
bei Croisilles und Ecoust—St. Mein nordöstlich von Ba-
paume aus; auch hier hatten die Feinde viele Tote und
verloren außerdem 1 Offizier und 54 Mann als Gefangene.
Die Franzosen versuchten am 29. März und in den
nächsten Tagen hartnäckig im Raume von Soissons über
Vailly hinaus vorzudringen. Ihre Bataillone, die bei
La Neuville und Margival Boden zu gewinnen trachteten,
wurden aber von deutschen Posten verlustreich abgewiesen.
Die Engländer kämpften am 31. März schwer und mit
großen Verlusten bei dem Dorfe Henin-sur-CojeuI, süd-
östlich von Arras, ohne datz es ihnen gelungen wäre, die
Deutschen aus dem Orte zu vertreiben. Sie unternahmen
immer neue Vorstöße und setzten am Morgen des 2. Aprils
auf das Dorf und die Linie von dort bis Croisilles mehr
als eine Division an. Obwohl der heftige Angriff durch
schwere Artillerie vorbereitet worden war, mißlang er voll-
ständig, und die englischen Sturmwellen wurden im deut-
schen Maschinengewehrfeuer niedergemäht. Allein bei Henin
lagen 1200 tote Engländer.
Die deutschen Sicherungslinien und Stellungen zu
beiden Seiten des Oise-Aisne-Kanals und auf der Hoch-
fläche von Vregny wurden von den Franzosen in den
letzten Tagen des März planmäßig berannt. Doch auch
hier fochten sie nicht glücklich und fügten zu den früheren
Verlusten nur neue.
Obwohl die Deutschen im Monat März auf einer nahezu
140 Kilometer langen Front zurückgegangen waren, nahmen
sie 2900 Mann gefangen und erbeuteten 59 Maschinen-
gewehre. In derselben Zeit hatten die Feinde trotz ihrer
„Siege" nicht einmal halb so viel Gefangene aufzuweisen:
sie meldeten als Beute nur 1400 und 39 Maschinengewehre.
Die Hauptwaffe der Deutschen, deren kleine Abteilungen
eine außerordentliche Gewandtheit an den Tag legten, war
das Maschinengewehr. Im Feld- und Ortskampf (siehe
Bild Seite 309) verstanden sie es, diese Waffe immer wieder
geschickt ins Feuer zu
bringen und die Gegner
empfindlich zu schädigen.
Die Engländer hatten
namentlich in dem hart-
näckigen Ringen um
Beaumetz äußerst schwere
Einbußen. Wenn sie schon
die Ortschaft endgültig
erobert zu haben glaub-
ten , tauchten aus den
Spreng- und Granat-
trichtern (stehe die Bilder
Seite 305 und 307 oben)
immer von neuem deut-
sche Stoßtruppe mit Ma-
schinengewehren auf, die
sich im Schutze der In-
fanterie vorarbeiteten, auf
die feindlichen Ansamm-
lungen und eilig ausge-
hobenen Gräben mit der
gefährlichen Waffe ein-
hämmerten und so den
Feinden mehrmals den
Ort wieder entrissen.
Am 4. April erreich-
ten die Franzosen die süd-
westlichen Vororte von
St. Quentin (siehe Bild
Seite 308), das die Deut-
schen offenbar zu räu-
men gewillt waren, weil
die Umgebung von St.
Quentin nach Westen hin
nicht so günstige Verteidigungstellungen bot, wie das Gelände
östlich von der Stadt. Die Wege nach Cambrai und Laon
waren für die Engländer und die Franzosen schwer zu über-
winden, und erst nach tagelangen blutigen Gefechten über-
ließen die deutschen Sicherungsabteilungen den Engländern
am 4. April an der Straße Peronne—Cambrai einigen
Raum (siehe obenstehendes Bild). Bis zum 8. April er-
zielten die Feinde keinen nennenswerten Fortschritt, da
der deutsche Widerstand auf der ganzen Front zwischen
Scarpe und Aisne von Tag zu Tag stärker wurde.
Auf dem westlichen Maasufer und an der Höhe 185 bei
Ripont ereigneten sich wieder größere Zusammenstöße. Am
28. März vereitelten die Deutschen mehrfach versuchte
Angriffe der Franzosen am westlichen Maasufer durch
Artilleriefeuer, und Tags darauf verlief ein nach gründlicher
Vorbereitung unternommener weiterer Angriff der Feinde
ebenfalls ergebnislos. Stellenweise kam dieser Vorstoß
allerdings den deutschen Linien so nahe, daß mit Hand-
granaten und Gewehrkolben gekämpft wurde, und in
einem schmalen Grabenabschnitt des Osthanges der Höhe 304
faßten die Franzosen auch Fuß; allein schon nach eineinhalb
Stunden wurden sie dort im Gegenstoß zurückgeschlagen.
Am 30. März entbrannten heftige Gefechte um die Höhen
südlich von Ripont. Auf breiter Linie griffen die Franzosen
Hofphot. G. Berger, Potsdam.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
General v. Hülsen, der Führer einer GefechLsabLeilung in der
Champagne.
mit großen Massen an. Während sie auf den Flügeln
erfolglos fochten, drang ihre Mitte in die vordersten deut-
schen Gräben ein. Wenige Stunden später ging aber die
hier kämpfende deutsche Division zum Gegenstoß über
und warf den' Feind wieder aus der Stellung hinaus. In
den nächsten Tagen fortgesetzte Angriffe führten ebenso-
wenig zum Ziele und steigerten nur die Verluste der Fran-
zosen.
Mehr Glück hatten die Deutschen am 27. März mit
einem umfangreichen Vorstoß südlich von Ripont, bei und
südlich von St. Couplet und bei Tahure, der ihnen 300 Ge-
fangene und eine Anzahl Maschinengewehre und Minen-
werfer einbrachte. Schweres Geschütz und Minenwerfer
hatten ihnen den Weg gebahnt. Noch mehr Franzosen,
als nach dem ersten großen Sturm bei Ripont zurückgeschafft
wurden (siehe untenstehendes Bild), mußten den Deutschen
am 4. April in die Gefangenschaft folgen. An diesem Tage
glückte den Deutschen nördlich von Reims ein bedeutenderes
Unternehmen bei Sapigneul. In frischem Vorstoß wurde
der Feind dort vollständig geworfen und verlor 15 Offiziere
und 827 Mann an Gefangenen, ferner 4 Maschinengewehre
und 10 Minenwerfer. Die Feinde bemühten sich zwar,
das ihnen bei dieser Gelegenheit entrissene Gelände zurück-
zugewinnen, doch gelang es ihnen nicht, den Widerstand
der von dem General v. Hülsen (siehe obenstehendes Bild)
geführten Deutschen zu brechen.
Die Engländer holten sich am 30. März bei Reuville-
St. Vaast eine besonders blutige Niederlage. Ihrer Ge-
wohnheit gemäß, schickten sie an dieser Stelle, an der mit
starken Verlusten-gerechnet werden mußte, ihre kanadischen
Hilfstruppen vor, um das Blut ihrer eigenen Landsleute
Deutscher Sturmtrupp baut einen frisch besetzten Minentrichter zur
Verteidigung aus.
zu schonen. Rach starkem Artillerie- und Minenwerferfeuer
prallten die Kanadier abends zum Angriff aus ihren Gräben
vor; sie wurden aber unter schwersten Einbußen zür Umkehr
gezwungen. Im Laufe der Nacht stürmten sie noch dreimal,
aber immer vergeblich. Zahlreiche Tapfere, die bis an die
deutschen Drahtverhaue gekommen waren und sich dort
Bahn zu brechen suchten, blieben tot darin hängen, und von
den übrigen erreichten nur wenige die Ausgangspunkte
wieder. —
Die Unübersichtlichkeit des deutschen Abmarschgeländes
stellte besonders die feindlichen Luftstreitkräfte vor
schwierige Aufgaben, deren Erfüllung die Deutschen nach
Möglichkeit verhinderten. Bei Verdun vernichteten sie am
28. März wieder zwei französische Fesselballone. Am
gleichen Tage gingen den Feinden auch vier Flugzeuge
verloren. Zwei weitere Fesselballone und neun Flugzeuge
büßten sie am 3. April ein. In der Gegend von Douai
fand zwei Tage später ein Luftgefecht statt, bei dem ein
englisches Geschwader von vier Flugzeugen vernichtet
wurde. Außerdem schossen die Deutschen an diesem Tage
im Luftkampf und durch Abwehrfeuer noch zehn feindliche
Flugzeuge herunter, so daß insgesamt vierzehn Flugzeuge
der Gegner zerstört wurden, denen ein deutscher Verlust
von drei Flugzeugen gegenüberstand.
Der 6. April war der heißeste Kampftag in der Lust
seit Beginn des Krieges. Er brachte an Stelle der Einzel-
kämpfe die erste große Luftschlacht, die dem Feinde nahezu
das Neunfache der deutschen Verluste, 44 Flugzeuge gegen 5,
kostete. Trotzdem der Feind in der Durchführung seines
großangelegten Planes die Aufstiegplühe der Deutschen
unter Feuer hielt, die Stellungen der deutschen Flugzeug-
Der Zug der bei Ripont in der Champagne gefangenen Franzosen
308
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
abwehrkanonen (siehe Bild Seite 320) zu vergasen suchte
und gleichzeitig zur Ablenkung bestimmte Bombenangriffe
auf zahlreiche Orte, Fliegeranlagen und Bahnhöfe hinter
der deutschen Front zwischen Lille und St. Quentin an-
setzte, stiegen die deutschen Flieger doch sofort zur Abwehr
des Angriffes auf. In heldenmütigen Kämpfen brachten
sie 33 Feinde zum Absturz, die Luftabwehrkanonen holten
8 herunter, und 3 feindliche Flugzeuge mutzten hinter den
deutschen Linien Notlandungen vornehmen. Die deutschen
Flieger hatten sich in den erbitterten Kämpfen als über-
legene und tapfere Gegner erwiesen: Leptnant v. Bertrab
schotz allein vier feindliche Flugzeuge ab und Leutnant
Botz (siehe Bild Seite 312) erzielte seinen 24. Sieg.
Die Gegner führten außerdem aus die deutschen Fessel-
ballone einen Angriff aus, der aber ebenfalls abgeschlagen
wurde. Nur zwei Ballone, deren Insassen sich mittels
Fallschirme retteten, stürzten zur Erde. Die Franzosen
büßten an diesem Tage auch einen Fesselballon ein. In
den nächsten Tagen verloren die Feinde wieder zahlreiche
Flugzeuge, am 7. April allein zwölf im Luftkampf und eines
durch Abwehrfeuer, am 8. April noch siebzehn und zwei
Fesselballone. Hierbei besiegte der inzwischen zum Ritt-
meister beförderte Freiherr v. Richthofen (siehe Bild
Seite 312) seinen 39. Gegner und Leutnant Schäfer über-
wand seinen 12. Feind im Luftkampf. Welchen Umfang
die Gefechte in der Luft angenommen hatten und wie sich
die Geschicklichkeit der deutschen Flieger gesteigert hatte, be-
leuchteten die Zahlen über das Ergebnis des Luftkrieges
im Monat März. Der deutsche Verlust betrug 45 Flug-
zeuge; der feindliche dagegen belief sich auf 161 Maschinen,
von denen allein 143 im Luftkampf gefechtsunfähig ge-
worden waren. Durch Abwehrfeuer wurden fünfzehn
Flugzeuge zerstört und durch Notlandung gerieten drei in
deutschen Besitz. Außerdem wurden neunzehn Fesselballone
der Feinde vernichtet.
Der U-Bootkrieg nahm seinen erfolgreichen Fortgang.
Zwar war es den Feinden in Einzelfällen gelungen, deutsche
4I-Bootmannschaften außer Gefecht zu setzen, aber mit
Verlusten hatte das deutsche Reichsmarineamt gerechnet.
Diese stellten sich jedoch als bedeutend geringer heraus, als
zuvor angenommen worden war. Im Februar und März
kam die Gesamtzahl der Abgänge auf die Zahl der zur
Verfügung stehenden I1-Boote verrechnet überhaupt nicht
in Betracht; außerdem war der Zuwachs an neuen Booten
der Einbuße durch Gefechts- und andere Verluste bei weitem
überlegen.
Die langen Listen versenkter feindlicher Schiffe wurden
am 23. Mürz mit einer Aufstellung von 10 Schiffen fort-
gesetzt, die im Mittelmeer verloren gegangen waren; es
handelte sich meist um englische Schiffe von zusammen
31 000 Tonnen. Am 30. März wurden mehr als 60 Schiffe
mit 90 000 Tonnen als vernichtet gemeldet, darunter 24
große englische Schiffe und wenigstens ein euglischer Hilfs-
kreuzer von etwa 8000 Tonnen. Die Norweger waren in
dieser Liste mit 13 Schiffen vertreten; sie hielten es eben
immer noch für ihre Aufgabe, die Schiffsraumnot der Eng-
länder zu verringern ohne Rücksicht auf das Leben ihrer
Seeleute und den Bestand der norwegischen Handelsflotte.
Im wesentlichen gehörten auch die 134 000 Tonnen ver-
senkter Schiffe, von denen der Admiralstab der deutschen
Marine am 6. April berichtete, zu der bl-Bootbeute vom
März.
An den Schiffsversenkungen und der Störung des
Handels mit England waren auch die deutschen
Kaperschiffe, die gleich der „Möwe" auf fernen
Meeren schwammen, in erheblichem Maße beteiligt. Die
Rückkehr der „Möwe" von ihrer zweiten Fahrt am 22. März
sollte für die Feinde kein Anlaß zur Beruhigung über den
deutschen Kaperkrieg werden. Schon am 1. April wurde
aus Rio de Janeiro, dem Haupthafen Brasiliens, gemeldet,
daß dort die französische Bark „Cambronne" mit 200 Ma-
trosen eingetroffen sei, den Schiffsbesatzungen von Seglern
und Dampfern, die bei Trinidad durch ein deutsches Kaper-
schiff vernichtet worden waren. Nach den Angaben der
Feinde hieß das neue deutsche Kaperschiff „Seeadler" und
sollte am 22. Dezember 1916 in See gegangen sein. Seine
L)er Platz vor dem Rathaus in St. Quentin.
Phot. A. Grohs, Berlin.
310
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. A. Grohs, Berlin.
Die stehen gebliebenen Überreste des Dorfes Boursies in dem geräumten Gebiet zwischen Arras und St. Quentin.
Bewaffnung sollte aus zwei 10,6-em-Geschützen und 16 Ma-
schinengewehren bestehen; das Schiff wurde als ein Segler
mit Gasolinmotoren beschrieben. Die vielen Minen, die es
an Bord führte, erklärten nach der Behauptung der Gegner
Deutschlands den Untergang zahlreicher Dampfer an der
brasilianischen Küste. Der Führer des „Seeadlers" war
Graf v. Luckner (siehe Bild Seite 312), der sich schon in der
Schlacht am Skagerrak das Eiserne Kreuz erworben und
vor seiner Ernennung zum Kommandanten des Hilfskreu-
zers unter dem Grasen Dohna-Schlodien an der ersten
Fahrt der „Möwe" teilgenommen hatte. In der Ver-
senkungsliste des „Seeadlers" wurden sechs englische und
französische Dampfer von zusammen über 16000 Tonnen
aufgeführt. Von Schiffsuntergängen durch Minen an
fernen englischen Küsten hatte schon eine Meldung aus
London vom 29. März erzählt, nach der auch der englische
Transportdampfer „Tyndareus" am 9. Februar bei Kapa-
zulhas an der südafrikanischen Küste auf eine Mine gestoßen
und mit schweren Beschädigungen nach großer Seenot in
Simonstadt südöstlich von Kapstadt eingelaufen war.
Mit neuen kühnen Unternehmungen traten auch die deut-
schen Tor p e d ob oo te wieder hervor. Inder Nacht zum
26. März stieß ein Geschwader gegen den wichtigen feind-
lichen Kriegshafen Dünkirchen vor. Mittels kräftiger Schein-
In den Trümmern des vernichteten Dorfes Boursies.
werfer und Leuchtkugeln
erhellten die deutschen
Seeleute die Nacht (siehe
die Kunstbeilage) und
feuerten aus kurzer Ent-
fernung zielsicher 200Gra-
naten auf die Hafenan-
lagen und die darin an-
kernden Schiffe ab. Die
Feinde versuchten zwar
auch diesen verwegenen
Vorstoß zu verkleinern;
es wurde aber doch bald
bekannt, daß die deut-
schen Granaten wertvolle
Ziele gefunden hatten.
Unter anderem wurden
zwei größere französische
Dampfer in den Grund
gebohrt.
Bei der Streife leichter
deutscher Seestreitkräfte
durch das Sperrgebiet
Südostenglands in der
Nacht zum 29. März hoff-
ten die Deutschen wieder
mit feindlichen Kriegschif-
fen in Berührung zu kom-
men, wie am 18. März, an dem sie die englischen Zerstörer
„Paragon" und „Llewellyn" versenkten (siehe Bild Seite 313).
Sie fanden jedoch nur den bewaffneten englischen Dampfer
„Mascote", den sie östlich von Lowestoft durch Artillerie-
feuer vernichteten.
Einen neuen Verlust erlitt die englische Kriegsmarine
am 29. März, an dem zwei ihrer Zerstörer untergingen.
Der eine war im Kanal auf eine Mine gelaufen und mit
dem größten Teil seiner Besatzung gesunken; der andere
stieß mit einem Dampfer zusammen und sank ebenfalls;
dabei hatten die Engländer nur einen Toten. Am 29. März
brachte ein ll-Boot Gewißheit über den Untergang des eng-
lischen Zerstörers „Manly", der erst 1914 von Stapel gelaufen
war und mit einer Wasserverdrängung von 1000 Tonnen zu
den größten englischen Schiffen seiner Art gehört hatte.
Am 23. März war auch, wie erst am 8. April bekannt
wurde, der englische Torpedojäger „Larofey" fünf Seemeilen
nordwestlich vom Kap Gris Nez durch einen Torpedoangriff
vernichtet worden.
Diesen Kriegschiffverlusten der Feinde stand auf deut-
scher Seite die Einbuße des Torpedobootes 6 88 gegen-
über, das durch ein englisches D-Boot in der Nacht zum
8. April an der flandrischen Küste durch Torpedoschuß ver-
senkt wurde; die Mannschaft dieses Schiffes konnte fast
vollständig in Sicherheit
gebracht werden.
* rir
*
Als zehnter Feind
Deutschlands traten am
2. April die Vereinigten
Staaten von Nord-
amerika endlich offen zum
Vierverband über (siehe
die Bilder Seite 314 und
315). An diesem Tage
forderte Wilson den Kon-
greß auf, zu erklären,
daß zwischen Deutschland
und den Vereinigten
Staaten der Kriegszu-
stand bestehe. Er ver-
langte ferner die Auf-
stellung von einer halben
Million Mann und die
Verstärkung der ameri-
kanischen Flotte, insbe-
sondere durch Einrichtun-
gen zur Bekämpfung der
Il-Boote. In völliger
Unkenntnis der Stim-
mung in Deutschland und
311
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
den mit ihm verbündeten Ländern suchte er auch Zwie-
tracht zu säen durch die Bemerkung, daß Amerika nur die
deutsche Regierung und nicht das deutsche Volk und noch
viel weniger die Verbündeten Deutschlands bekämpfe. Der
letzterwähnte Hinweis bezog sich auf den Versuch der Ver-
einigten Staaten, mit Österreich-Ungarn nicht zu brechen,
um dadurch einen Keim zur Uneinigkeit zwischen den Mit-
telmächten legen zu können. Diese Absicht konnte aber nicht
durchgeführt werden, denn als am 6. April der amerikanische
Senat mit 82 gegen 6 und das Repräsentantenhaus mit
373 gegen 50 Stimmen der von Wilson gewünschten Er-
klärung des Kriegszustandes zustimmte, brach Österreich-Un-
garn sofort seine diplomatischen Beziehungen zu den Ver-
einigten Staaten ab. Bulgarien und die Türkei schlossen
sich diesem Schritte später an.
Im Vterverbandslager herrschte über die Teilnahme
denn fast seit dein Beginn des Weltbrandes hatte es den
Vierverbaud in jeder Weise, mit Waffen, Munition, Unter-
seebooten und Geld, unterstützt. Nun war anzunehmen,
daß alles getan werden würde, um noch mehr Kriegs-
material als bisher zu erzeugen. Das konnte sich aber erst
nach Monaten auf den Schlachtfeldern fühlbar machen,
wenn nicht etwa die deutschen Il-Boote die Zufuhr auf ein
Mindestmaß herabdrückten. Die militärische Hilfe war auch
fragwürdig, weil das nordamerikanische Heer für die Ver-
hältnisse auf den europäischen Kriegschauplätzen erst vor-
bereitet werden mutzte; dazu kamen noch die Schwierig-
keiten der Beförderung. Die Flotte konnte ihrer ganzen
Zusammenstellung nach ebenfalls kaum ins Gewicht fallen.
Die Haupthilfe bestand demnach in der Bereitstellung
größerer Geldmittel. —
Dem Vorgehen der Vereinigten Staaten schloß sich die
Deutsche Fliegeraufnahme aus dem geräumten Gebiet im Westen.
Die Straße Roye—Laneourt, die durch Sprengungen derart unterbrochen ist, daß sie nicht mehr befahren werden kann. Vor dem Trichter in der Mitte des
Bildes sieht man drei französische Kraftwagen, die infolge der Sprengungen nicht weiterkommen.
Amerikas am Kriege große Freude und man sah Deutsch-
land schon zerschmettert am Boden liegen. Die Feinde
waren nun trotz ihrer Bedrängnis zu Laude und zu Wasser
sicher, daß sich die Mittelmächte der Kriegsnot im Jahre 1917
nicht mehr erwehren könnten. Die Mittelmächte bewahrten
jedoch die Ruhe vollkommen, und in Deutschland fand man
sogar noch Zeit, sich mit wichtigen Fragen der inneren Politik
zu befassen. Der Deutsche Kaiser richtete an den Reichs-
kanzler einen Erlaß, in dem er seiner Überzeugung Ausdruck
gab, daß nach den gewaltigen Leistungen des ganzen deut-
schen Volkes während des Krieges kein Raum mehr für
das Klasseuwahlrecht in Preußen sei. Der Reichskanzler
wurde beauftragt, bestimmte Vorschläge vorzulegen, damit
bei der Rückkehr der Krieger die Umgestaltung des preußi-
schen Wahlrechts im Wege der Gesetzgebung durchgeführt
werden könne. Damit fand eine alte Streitfrage ihre vor-
läufige Erledigung.
Amerikas Eintritt in den offenen Krieg war zunächst
nicht geeignet, den Lauf der Dinge wesentlich zu beeinflussen,
von diesen abhängige Republik Kuba sowie einige süd-
amerikanische Staaten an, die sich ebenfalls als mit Deutsch-
land im Kriegszustand befindlich erklärten» während Chile
den Neutralitätsstandpunkt einnahm. — «Fortsetzung folgt.»
Illustrierte Kriegsberichte.
Die Verpflegung unseres Feldheeres.
Von Mar Wießner, Berlin.
(Schluß.)
II.
Zur Herstellung warmer Getränke werden regelmäßig
täglich verabreicht 25 Gramm gebrannter Kaffee für den
Mann, oder an Stelle von Kaffee 3 Gramm Tee mit etwa
17 Gramm Zucker. In bestimmten Fällen, nach sehr großen
Strapazen, nach großen Kampftagen oder nach Tagen be-
sonders schlechter Witterung und aus gesundheitlichen Rück-
312
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
sichten können an Stelle von Kaffee oder Tee auch 25
Gramm Kakao mit 25 Gramm Zucker zugeteilt werden.
Der Brotaufstrich besteht aus 65 Gramm Butter oder
Schmalz oder fettem Schweinefleisch in Büchsen, dem so-
genannten Schmalzersatz. Da sich die Fettnot in Deutsch-
land in ihrer Wirkung auch aufs Feldheer erstreckt, so ist
genau so wie in der Heimat die Obstmarmelade zu einer
vor dem Kriege kaum jemals geahnten Bedeutung gelangt.
Von diesem Heldenfett oder der Offensivschmiere, wie es
unsere Truppen in ihrem derben Feldhumor zu nennen
pflegen, werden dem einzelnen Manne 125
Gramm zugemessen. Als Ersatz für Fett
kommen weiter in Betracht: gekochte Mett-,
Blut- und Leberwurstkonserven oder Käse.
Der Portionsatz für Wurst und Käse an
Stelle von Fett beträgt 125 Gramm. Wer
diese der eigentlichen Ernährung dienenden
Stoffe hinaus werden der Truppe Bier und
Mineralwasser zugeführt, für besondere Fälle
auch Wein, Branntwein rmd Tabak in den
verschiedensten Formen.
Diese Verpflegungssätze sind nun nicht
etwa auf dem Papier stehen geblieben, son-
dern es sind tagein, tagaus auch die entspre-
chender: Mengen aus der Heimat an die
Front gebracht worden, Mengen, für die
oft das Begriffsvermögen fehlt und für die
ich einige Anhaltspunkte geben möchte.
In den beiden ersten Kriegsjahren, in der
Zeit von Anfang August 1914 bis Ende Juli
1916, fand ein Nachschub von Verpflegungs-
mitteln für die Truppen und die Pferde von
insgesamt 7 958000 Tonnen oder 159160000
Zentnern statt. Rechnet man die Ladefähig-
keit eines Eisenbahnwagens nach den Maßen, wie sie bei in-
dustriellen Werken gebräuchlich sind, so sind 795 800 Eisen-
bahnwagen zum Transport dieses Verpflegungsnachschubs
notwendig gewesen. Im Durchschnitt haben die bei einem
Transport benutzten Wagen von Puffer zu Puffer eine
Länge von etwa 10 Metern. Würde man diese ins Feld
gegangenen Wagen zu einem Zuge aneinanderkoppeln, so
würde dieser Zug
eine Länge von
7958 Kilome-
tern aufweisen
und damit etwa
zweimal um die
Erde herumrei-
chen. Dabei sind
die großen Men-
gen von Verpfle-
gungsgegenstün-
den aller Art
außer Betracht
gelassen worden,
die ebenfalls in
der Heimat be-
schafft und an die
Front nachge-
führt worden
sind, um dort als
Marketender-
waren von den
Truppen aus ei-
genen Mitteln ge-
kauft zu werden.
Wie setzen sich
nun diese Sen-
dungen zusam-
men? Sie alle
aufzuführen, würde
möglich sein.
Phot. Ferd. Urbahns, Kiel.
KapitänleutnanL Folix Graf
v. Luckner,
Kommandant des deutschen Kapev-
schiffes „Seeadler".
Phot. Berl. JNustrat.-Ges. m. b. H.
Leutnant d. R. Werner Voß°
Zwei deutsche Kampfflieger als Ritter des Ordens Pour 1c Mcritc.
tm
Rahmen dieser Darstellung un-
Aber die hauptsächlichsten möchte ich heraus-
greifen, die sinnfälligen. Unser Heer, das aus Männern im
besten Alter besteht, hat viel Durst. Das beweisen die
Bierlieferungen. Zunächst fiel das Bier unter den Begriff
der Liebesgabe und Marketenderware. Aber die Ungleich-
heiten, die sich bei der Verteilung herausstellten, ließen es
angezeigt erscheinen, auch das Bier in den geordneten Nach-
schub einzubeziehen.
Am 1. August 1915 wurde für den Biernachschub, mit
Ausnahme derjenigen für die Truppen von Bayern und
Württemberg, die beide eine eigene Regelung vorgenom-
men hatten, während die übrige Verpflegung einheitlich für
das ganze Reich geordnet war, in Berlin eine Hauptstelle
geschaffen. Die Truppen waren verpflichtet, ihren Bedarf
anzumelden, und entsprechend den vorhandenen Vorräten
wurde dann gleichmäßig der Bedarf befriedigt. Insge-
samt sind seit dem 1. August 1916 bis zum 30. Septem-
ber 1916 durch die stellvertretende Intendantur des 3. Korps,
in deren Hände die einheitliche Ordnung nach den näheren
Anweisungen der Kriegsverpflegungsabtei-
lung gelegt wurde, 2 717 222 Hektoliter Bier
ins Feld gesandt und dadurch bei einer an-
geforderten Menge von 3 603 022 Hektoliter
75 Prozent des Bedarfs gedeckt worden. In
den warmen Jahreszeiten waren die An-
forderungen natürlich größer als in den
kälteren, die größten brachte der Mai 1916
mit rund 490 000 und der Juni mit gar
rund 533 000 Hektolitern. Wenn in einzel-
nen Monaten die Anforderungen nicht voll
erfüllt werden konnten, so gab es wieder
Monate, wie August und September, in de-
nen die Lieferung nur um 2 oder 7 Prozent
zurückblieb, oder auch Monate, in denen die
Lieferung die Anforderung überstieg, wie
im Juli 1916, in dem mit 321000 Hektolitern
die Lieferung 101 Prozent der Anforderung
betrug. Durchschnittlich sind seit der Schaf-
fung der Bierversorgungshauptstelle im Mo-
nat 194 087 Hektoliter an die mobilen Trup-
pen gegangen. Daneben wurden den Trup-
pen als Teil der Feldkost Mineralwasser und
Fruchtsäfte geliefert, aus der Heimat 19200
Hektoliter und 9814 Hektoliter; eine wahrscheinlich viel größere
Menge an Mineralwassern und Fruchlsäften ist im Etappen-
und Operationsgebiet durch die Feldintendanturen selbst
hergestellt worden, sei es zur Verwendung als Feldkost oder
als Marketenderware. Für die kälteren Jahreszeiten er-
hielten die in dem Schützengrabenkrieg allen Unbilden der
Witterung ausgesetzten Truppen Branntwein, Arrak, Rum,
Kirschwasser und
verschiedene an-
dere Spirituosen,
sofern dies vom
gesundheitlichen
Standpunkt aus
für notwendig er-
achtet wurde:
Branntwein wäh-
rend der beiden
ersten Kriegsjahre
191 609 Hekto-
liter , Arrak
67148 Hektoliter,
Rum, besonders
in dem zweiten
Kriegswinter,
303 930 Hekto-
liter und Kirsch-
wasser 8841 Hek-
toliter.
Als Reizmittel
bei großen Stra-
pazen und als
Beruhigungsmit-
tel nach überstan-
denen Anstren-
gungen hat der
Tabak zu dienen,
wie es auch im
Phot. I. C. v. Dührerr> Berlin.
Rittmeister Manfred Freiherr v. Richthofen.
und dieser ist als Zuschuß Zur Feldtost ■
Kriege 1870 der Fall gewesen ist — in Form von Zigarren,
Zigaretten, Rauchtabak und Schnupftabak in ungeheuren
Massen ebenfalls durch Vermittlung einer einheitlichen
Hauptstelle, die bei der Handelskammer Minden aus
sozialen Gesichtspunkten heraus geschaffen wurde, in regel-
mäßiger Folge hinausgegangen,- mit dem Anwachsen der
Truppenkörper natürlich in Lauernd steigendem Maße. Zi-
garren wurden während der^beiden ersten Jahre geliefert
insgesamt 4 229 428 000 Stück, die Zigarettenlieferungen
Beschießung von Dünkirchen durch deutsche Torpedoboote in der Nacht vom 25. zum 26. März 1917.
Nach einer Originalzeichnung von Professor Willy Stöwer.
Gefecht deutscher Torpedoboote mit englischen Zerstörern am 18. März 1917. wobei die Zerstörer »Paragon-- und »Llewellyn-- vernichtet wurden.
Nach einem Originalgemälde von Robert Schmidt-Hamburg.
314
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Eine der letzten entscheidenden Sitzungen des amerikanischen Kabinetts vor der Erklärung des Kriegszustandes mit Deutschland.
Von links nach rechts: Präsident Wilson, Finanzminister G. Me Adoo, Justizminister Thomas W. Gregory, Marineminister Josephns
Daniels, Landwirtsckaftsminister D. F. Houston, Minister der öffentlichen Arbeiten William Wilson. — Vordere Reihe: Staatssekretär
des Auswärtigen R. Lansing, Kriegsminister Newton D. Baker, Generalpostmeister Albert S. Burleson, Minister des Innern Franklin
K. Lane, Handelsminister W. C. Redfield.
bezifferten sich ebenfalls auf über 4 Milliarden Stück, dazu
kamen dann noch 8150 Tonnen Rauchtabak, 715 Tonnen
Kautabak und 126 Tonnen Schnupftabak. Wer vermag sich
den Berg auszudenken, den die mehr als viereinviertel
Milliarden Zigarren und reichlich vier Milliarden Zigaretten
aufeinandergeschichtet darstellen? Und dazu kamen weitere
Berge an Zigaretten, die als Marketenderware oder als be-
queme Liebesgaben hinausgeschickt worden sind.
Eine wichtige Rolle im Leben des Feldsoldaten spielt
die „eiserne Portion". Hier macht sich am stärksten der Ein-
fluß der Kampfhandlung selbst bemerkbar. Bei starken
Offensiven, wie wir sie zu Beginn des Feldzuges in Frank-
reich und Belgien und dann vom Mai 1915 bis zum Juli 1915
in Rußland hatten, ist der Verbrauch ungleich höher gewesen
als bei ruhigem Stellungskampfe,' stark ist der Verbrauch
auch bei den Kämpfen an der Somme gewesen, wo vielfach
das Vorbringen der warmen Speisen zu den Kampftruppen
unmöglich war. An Brot beträgt die eiserne Portion für den
Mann 250Gramm Zwieback, an Fleischkonserven 200 Gramm.
An Fleischkonserven für die „eiserne" wurden im ersten
Kriegsjahr 142 999 000 Portionen gebraucht, im zweiten
Kriegsjahr 126 571000 Portionen. An Gemüsekonserven
zu eisernen Portionen, die 150 Gramm fassen, im ersten
Kriegsjahr 111 Millionen, im zweiten Kriegsjahr 82 Mil-
lionen Portionen.
Den größten Teil der eigentlichen Nahrungsmittel, die
der Fronttruppe zugewiesen wurden, machen selbstverständ-
lich Brot, Fleisch, Kartoffeln und Gemüse aus, und unter
diesen drei Hauptnahrungsmitteln besteht eine enge Be-
ziehung. War die Fleischlieferung groß, so ließ die Gemüse-
lieferung etwas nach; mußte dagegen die Fleischlieferung
eingeschränkt werden, so erhielt dafür die Truppe neben
dein Ersatz an Fischen in erhöhtem Maße Gemüse. An
Backmehl für die Brot- und Zwiebackbereitung sind ins Feld
gegangen im ersten Jahr 388 539 Tonnen, im zweiten
795 000 Tonnen, also zusammen 1 183 539 Tonnen. Dazu
kamen noch 40 375 Tonnen Zwiebäcke» die aus der Heimat
zugeführt wurden.
Rinder wurden geliefert: im ersten Kriegsjahr 226 190
Stück, im zweiten Kriegsjahr, wo die Beitreibungen in den
Ersatzgebietsteilen so gut wie ganz nachgelassen hatten,
704744 Stück, also insgesamt fast eine Million Stück. Hüm-
mel sind im er-
sten Kriegsjahr
192 582 Stück,
im zweiten
380 739 Stück
geliefert wor-
den. Bei den
Schweinen hat
sich die Stück-
zahl von 383 928
im ersten auf
65 231 Stück
im Zweiten
Kriegsjahr ver-
mindert. Das
hat seine Ur-
sache darin, daß
unsere Heeres-
verwaltung un-
ter Berücksichti-
gung des
Schweineman-
gels und des
Bedürfnisses
der heimischen
Bevölkerung
dazu überge-
gangen ist, die
Schweine in der
Heimat sachge-
mäßer zu ver-
arbeiten und die
fertigen Fleisch-
produkte in Ee-
staltvon Dauer-
ware oder von
Konserven der
Truppe zuzu-
führen. Dauerfleisch wurden im ersten Kriegsjahr 66 366
Tonnen nachgeführt, im zweiten 122 953 Tonnen, dazu
traten 19 645 Tonnen Wurstkonserven.
Zum Brotaufstrich dienten insgesamt 27 056 Tonnen
Butter, 21161 Tonnen Schmalz, 20 347 Tonnen Schmalz-
ersatz und schließlich in wachsendem Maße Obstmarmelade,
bis jetzt 72 141 Tonnen. Hierzu kamen weiter 58 000 Ton-
nen Käse.
Einen gewaltigen Posten in der Feldverpflegung machen
die Kartoffeln aus; es wurden bis jetzt 285 777 Tonnen
nachgeführt. Auch hier zeigt sich ein rasches Anwachsen im
zweiten Jahre, das nicht allein durch die Vergrößerung des
Heeres erklärt wird, sondern auch dadurch, daß im ersten
Jahre, wo nur rund 40 000 Tonnen aus der Heimat geliefert
zu werden brauchten, den Truppen die Feldfrüchte in den
eroberten Gebieten zur Verfügung standen. Die Menge
der Rohkartoffeln vermehrte sich noch um 8000 Tonnen Kar-
toffelflocken. Recht vielseitig sind die Nachschübe an Gemüse
und Teigwaren, Erbsen, Linsen, Bohnen, Reis, Nudeln und
Flocken aller Art. Viele Tonnen sind an Gewürzen, an
Zimt, Pfeffer, Nelkenblüten, Senf und dergleichen mehr,
was zum Anreiz und zur Geschmacksverbesserung dienen
kann, hinausgegangen. Kaffee hat das Feldheer in den
beiden ersten Kriegsjahren rund 68 000 Tonnen bekommen,
Tee 4000 Tonnen und, um das harte, schwere Leben
etwas zu versüßen, über 70 000 Tonnen Zucker.
Unsere Aufführung ist zwar lange noch nicht vollständig,
aber sie zeigt doch schon zur Genüge, daß die Heimat
nicht gekargt, sondern alles getan hat, um das Los der
Kämpfer nach Möglichkeit erträglich zu machen.
Neben den hungrigen Menschen wollen auch die hungrigen
Pferde verpflegt sein, deren Schicksal in diesem großen
Kriege wahrlich nicht leicht ist. 3 081 516 Tonnen Hafer,
696 582 Tonnen Ersatzfuttermittel, wie Mais, Gerste, Kleie,
Rübenzucker und Mischfutter, 673 000 Tonnen Preßheu und
448 000 Tonnen Stroh waren dazu nötig. Allerdings lie-
ferten gerade zur Pferdeverpflegung die besetzten Gebiete
sehr starke Zuschüsse, die uns große Erleichterungen brachten,
besonders im Frühjahr und im Sommer, wenn der Weide-
gang möglich war.
Wenn wir die Leistungen werten, die in diesem Kriege
vom deutschen Volk in allen seinen Schichten vollbracht
315
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
worden sind, um uns den Sieg zu sichern, so wollen wir
auch nicht vergessen, was unsere Militärintendantur getan
hat, damit unsere tapferen Soldaten nicht hungern und
darben mutzten, sondern, sofern es die Kampfhandlungen
nur irgend zuließen, das dauernde Bewußtsein haben
konnten: die Heimat vergißt uns nicht, sie gibt so gut und
so reichlich sie es nur kann.
Monastir und Saloniki.
Von Generalleutnant z. D. Baron v. Ardenne.
(Hierzu die Bilder Seite 818 und 317.)
Als sich der Kampf der Mittelmächte gegen Serbien
seinem Höhepunkte näherte, beschloß der Vierverband, etwas
verspätet, dem bedrängten Lande durch ein Erpeditions-
korps zu Hilfe zu eilen. Dieses landete Ende Oktober 1915
bei Saloniki in einer Stärke von etwa 100 000 Mann, die
aber bald auf das Doppelte vermehrt und trotz aller Ab-
gänge dauernd auf diesem Stand erhalten wurden. Diese
Armee war die buntscheckigste, die die Kriegsgeschichte zu
verzeichnen hatte: Franzosen, Engländer, Serben — später
Italiener, Russen, Indier, schwarze Kolonialtruppen aller
Art. Die Führung übernahm General Sarrail, der während
des Feldzugs auf Eallipoli keine Lorbeeren hatte pflücken
können. Als im Süden und Westen von Serbien noch die
entscheidenden Kämpfe tobten, rückte er im Wardartale
bis in die Höhe von Strumitza vor, wurde aber am 3. No-
vember 1915 südlich von dieser Stadt und am 3- Dezember
in der Front Petrovo—Mirovca von dem bulgarischen
General Todorow entscheidend geschlagen. Die Fran-
zosen und Engländer mußten bis in die Linie Nabrovo—
Valandovo und bald weiter beiderseits des Wardars in Un-
ordnung zurückgehen. Während sie in dem geknebelten
Griechenland mit äußerster Willkür schalteten, vermieden
es die Bulgaren, die griechische Grenze zu überschreiten,
ein Verfahren, das auch die Deutschen, die bald die Bul-
garen verstärkten, innehielten. Der Oberbefehlshaber der
Deutschen und Bulgaren war Feldmarschall v. Mackensen.
Bei Doiran-Ejevgjeli machte General Sarrail halt, und da
die Bulgaren nach siegreichen Gefechten bei Struga,
Gjevgjeli und Doiran am 12. Dezember 1915 dort noch auf
mazedonischem Boden stehen blieben und zwischen beiden
Gegnern die griechische Grenze lag, so kam es nun zu einem
lang andauernden Beobachtungskrieg, der aber nicht die
Schärfe des Stellungskrieges an den
übrigen Fronten annahm.
Im Laufe der folgenden Monate
dehnte General Sarrail seine Front
nach Osten und Westen wesentlich aus.
Den rechten Flügel nahmen die Eng-
länder ein. Er erreichte den türkischen
Grenzfluß, die Struma. Die Fran-
zosen, die den Hauptteil des ganzen
Expeditionskorps ausmachten, verlän-
gerten ihre Linien vom Wardar dis
zur Cerna, in deren nach Norden ge-
öffnetem Bogen später so erbittert ge-
kämpft wurde, von da bis Florina,
südlich von Monastir (Bitolia), und
weiterhin am Südrande des Prespa-
und Ochridasees über die Kamena
Plana, so daß sich ihr linker Flügel in
der Richtung auf Valona in den al-
banischen Bergen verlor.
Die Kampfpause, die eingetreten
war, wurde am 27. Mai 1916 unter-
brochen durch die Besetzung des Eng-
passes von Rüpel und der anschließen-
den Höhen am Wardar sowie einiger
beherrschender Stellungen an der Stru-
ma durch deutsche und bulgarische
Truppen. Erst am 19. August kam es
wieder zu einem bemerkenswerten tak-
tischen Ereignis. Biglista und die
Gegend südlich vom Prespasee, sowie
Vanica und andere Dörfer südöstlich
von Florina wurden von den Deut-
schen und Bulgaren genommen. Die
Serben, die sich als die zuverlässigsten,
wenn auch nur noch wenig zahlreichen
Truppen Sarrails erwiesen, wurden von den Höhen nörd-
lich vom Ostrovosee hinabgeworfen; Demirhissar besetzten
die Bulgaren. Bei Ceres wurde das linke Strumaufer
von Engländern gesäubert. Der Kampf setzte sich am
20. August fort, hauptsächlich wieder südlich und südöstlich
von Florina. Dort fielen serbische Stellungen östlich von
Banica im Sturm. Auch bei Ceres flammte der Kampf
wieder auf. Mit welcher Hartnäckigkeit die Serben foch-
ten, bewiesen ihre achtzehnmal wiederholten Gegenangriffe
im Abschnitt Kukuruz—Kovil. Am 23. August stürmten
die Bulgaren die Höhe 750 bet Orfano, den Berg Bigla
und die Bergstellungen nördlich von Kavalla, am 25 August
auch Malik, südlich vom Ochridasee.
Mit dem am 27. August erfolgten Eintritt Rumäniens
in den Weltkrieg gewann die Salonikiarmee eine erhöhte
Bedeutung. Bon ihr wurde nun verlangt, daß sie den
Russen und Rumänen, die durch die Dobrudscha auf
Konstantinopel vorzudringen beabsichtigten, entgegenziehen
und sich mit ihnen vereinigen sollte. Dadurch sollte auch
Serbien wieder erobert werden. Der schnelle Niederbruch
Rumäniens, die geniale Führung des zum Chef des deutschen
Generalstabs ernannten Feldmarschalls v. Hindenburg und
seiner Unterführer ließen diesen ganzen Plan in seinen
Anfängen stecken bleiben. Trotz aller Anreizungen durch
die Vierverbandspresse konnte sich die Armee Sarrail zu
einer großzügigen Offensive nicht aufraffen, die sie in der
Vereinzelung in die Arme der Heeresgruppe des Generals
v. Below geführt hätte. Der in Ostpreußen und Kurland
bewährte Führer hatte die Stelle des Feldmarschalls
v. Mackensen eingenommen, während dieser auf dem Krieg-
schauplatz in Rumänien eine vielbewunderte Verwendung
fand.
General Sarrail vollführte am 1. September das Hel-
denstück, die griechischen schwachen Besatzungen von Saloniki
und dem Fort Kara Burun zu entwaffnen. Der Ver-
räter Venizelos wurde zu einem Aufruf gedungen, der
Griechenland an die Seite des Vierverbandes zwingen
sollte. Dieser Frevel scheiterte aber an der Festigkeit des
griechischen Königs.
Am 12. September brachten englische Angriffe links
von der Struma bet Revoljen keine Änderung der Kriegs-
lage. Das 4. griechische Armeekorps in Ceres, Drama und
Kavalla wurde von seinem Befehlshaber unter deutschen
> Schutz gestellt und als neutraleEäste nachDeutschland gebracht.
Phot. Franz Otto Koch, Berlin.
Infanteristen von der als Freiwilligenkorps nach dem Kriegschauplaß in Frankreich abgegangenen
amerikanischen Maschinengewehrabteilung.
Illustrierte-Geschichte des Weltkrieges 19:14/17,
Zu den Kämpfen vor Monaftir. Sächsische Jäger im Feuer.
nach zehntägigem Angriff von den Bulgaren siegreich ge-
halten. In weiterer Offensive wurden am 3. Oktober
neue Stellungen.^zwischen dem Prespasee und der Nidze
Planina eingenommen.
Nach diesen schärferen Kämpfen entwickelte sich nun
wieder ein Beobachtungs- und Vorpostenkrieg, der nach und
nach um so mehr erlahmte, als Rumänien und die ihm zu
Hilfe geeilte russische Armee unter den Schlägen der ver-
Am 17. September wurde Florina von den Franzosen
besetzt, die die Rolle der Vorkämpfer auf dem mazedonischen
Kriegschauplatz auf sich genommen hatten, nachdem ein
italienisches Hilfskorps nach dem Ausspruch des Generals
Sarrail den Erwartungen keineswegs entsprochen hatte.
Die Bulgaren erstürmten daraufhin am folgenden Tage im
Becken von Florina eine Reihe von Bergstellungen. Die
Höhen von Kaimaktschalan, nordöstlich von Florina, wurden
- & & #X
bbs-äS®
Zu den Kämpfen vor Monastir. Vorgehende bulgarische Schützenlinien.
Phot. Bufa.,
Abweisung eines französischen Sturmangriffs auf die deutschen Stellungen an den Ufern des Prespasees.
Nach einer OriginalzeichnunH von LadißlauS Tuszynski.
318
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Füllen eines deutschen Fesselballons.
einigten Heere der Mittelmächte zusammenbrach. Einen
Lichtblick hatte allerdings die Heerführung des Generals
Sarrail durch die Einnahme von Monastir. Seine übrig-
gebliebenen Serben hatten sich vorgenommen, am Weih-
nachtstage dort die Wiederaufrichtung des altserbischen
Großstaates zu feiern. Das glückte ihnen zwar nicht, wohl
aber fiel die Stadt bald darauf einem Überfall zum Opfer.
General v. Below setzte keine Kräfte an ihre Wiederein-
nähme, denn sie hatte kaum eine politische, keinesfalls aber
eine taktische Bedeutung. Sie liegt tief im Tale und wird
von den Höhen, die sie kranzförmig umgeben, vollständig
beherrscht. Diese Höhen haben die deutschen und bulga-
rischen Truppen kraftvoll in den ersten Monaten des
Jahres 1917 festgehalten. Als im Cernabogen die Lage
einmal drohend zu werden schien, ergriff bei einem Sturm
auf eine wichtige Höhe der General v. Below die Fahne
des Lauenburgischen Jägerbataillons — als großherziges
Beispiel — und führte die bewährte Truppe zum Siege
Band
V
Fertig gefüllter deutscher Fesselballon
(siehe auch
Seite 437).
Die Stille» die dieser
hervorragenden Waffen-
tat folgte» wurde Mitte
März 1917 durch eine
stürmische, schwer zu er-
klärende Angriffsbewe-
gung der Franzosen ab-
gelöst. Sie dauerte volle
elf Tage und enditzte mit
einem großen Mißerfolg.
Zwar flackerten noch Teil-
kämpfe nach, aber eine
Änderung der Lage ver-
mochten sie nicht herbei-
zuführen. Der deutsche
Heeresbericht vom 23.
März begnügte sich mit
der kurzen Mitteilung:
„Die Franzosen fahren
fort, sich in vergeblichen
blutigen Angriffen auf-
zuopfern. Alle Angriffe
nördlich von Monastir
wurden abgewiesen: eine
neu aufgefahrene Bat-
terie wurde durch deut-
sches Zerstörungs feuer zu-
sammengeschossen." Er-
gänzend führte eine an-
dere Meldung aus, daß die Franzosen auch von den Hängen
des wichtigen Beobachtungshügels 1248 und von dem Berg-
gelände nördlich von Snegovo hinabgeworfen wurden.
Alle Gegenangriffe, auch nächtliche, scheiterten restlos, so
am 24. März der groß angelegte Ansturm der 76.» 156. und
67. Division, verstärkt durch Negertruppen, zusammen etwa
60 000 Mann. Die, bulgarischen Heeresberichte gaben den
Verlust der Franzosen bei diesen langandauernden Kämpfen
auf 50 000 Mann an.
Daß auch im englischen Parlament das Schicksal der
Salonikiarmee, die durch den ll-Bootkrieg auf ihren Etappen-
straßen zur See auf das äußerste bedrängt wurde, Sorge
erweckte» erhellte aus einem Ausspruch des Ministers Bonar
Law, der es am 6. März ablehnte, über das Schicksal der
Expedition irgendwelche Auskunft zu geben. Dies ließ
darauf schließen, daß die Engländer die Expedition gern
aufgegeben hätten, nur wollten sie die, Wiederholung des
Abenteuers von Gallipoli vermeiden und den Groll der
mißvergnügten Verbün-
deten nicht heraufbe-
schwören.
Die wütenden Vor-
stöße der Franzosen auf
dem westlichen Flügel in
der Gesamtfront Ochrida
—Monastir — nördlich
von Vodena — sind wohl
zu erklären aus der Ab-
sicht» die Deutschen und
Bulgaren an der Kampf-
front festzuhalten oder
aus dem Wunsch, sie eine
Strecke weit zurückzu-
drücken, um sich einen
etwa nötig werdenden
Abzug nach Valona zu
sichern. Von Siegeszu-
versicht waren sie nicht
eingegeben. Die später
eingetroffene Nachricht,
daß französische Teile
der Armee Sarrail in
Italien bei Tarent ge-
landet seien, gestattete
den Rückschluß, daß die
Bedeutung der Saloniki-
expedition selbst von den
Westmächten nicht mehr
hoch bewertet wurde.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
319
Phot. Phorothek, Berlin.
Streben die verdiente Anerkennung und endlich auch staat-
liche Unterstützung. Sein Erfindergeist, seine Unverzagtheit
und sein großer persönlicher Wagemut sind für alle die
Pioniere der Luft, die nach ihm die zahlreichen Formen
der Flugzeuge schufen, vorbildlich geworden. Seine Stra-
tegie der Luftaufklärung und des Bombenangriffs hat recht
behalten; seine Kreuzer sind es, die von allen Luftfahr-
zeugen der ganzen Welt heute noch die bei weitem aus-
gedehntesten Fahrten zurücklegen können.
Gleich ihm haben rastlos mit unermüdlicher Aufopferung
unsere ersten deutschen Fliegeroffiziere gearbeitet. Ihnen
gelang es erst zehn Jahre nach Zeppelins erstem Aufstieg,
mit Maschinen zu fliegen, die „schwerer als die Luft" waren.
Für sie bedeuteten die kurzen Jahre vom Herbst 1910 bis
zur Mobilmachung im Jahre 1914 auch schon Krieg, denn
manches schwere Opfer mußten sie bei der Eroberung des
leichtesten Elements bringen. Alles war neu, völlig unerprobt,
und jeder Zoll Höhe im Luftmeer mußte erkämpft werden.
Die ersten Kriegswochen des Jahres 1914 zeigten schon
große Erfolge. Auf weiten Erkundungsfahrten wurde fest-
gestellt, wo der Feind zu treffen und zu schlagen sei. Un-
gehindert von den französischen Fliegern, die nach ihrer
prahlerischen Ankündigung gleich zu Beginn des Krieges
die deutschen Werkstätten und Kanonenfabriken in Trümmer
legen wollten, folgten unsere Luftfahrer allen Vorgängen
für die mit Zelten, Wagen, Pferden und einer beträchtlichen
Anzahl von Personen- und Lastautomobilen ausgerüsteten
Flieger- und Ballonabteilungen bedingt jeder Auf- und Ab-
bau die größte und aufopferndste Kraftentfaltung aller Offi-
ziere und Mannschaften. Die Flieger und Fesselballone be-
herrschten in gemeinsamer Tätigkeit den Luftraum unmittel-
bar an der Front, während die Flotte der Luftschiffe sich einen
ausgedehnteren Wirkungskreis und fernere Ziele suchte.
Die ältesten der modernsten Soldaten halten in ihren
Ballonen von Sonnenaufgang bis zum Dunkelwerden
treue Wacht über ihren Abschnitten. Bei Regen und Nebel,
in Sommersonnengluten und in den Eisstürmen des Winters
pendeln sie in dem schmalen Korb Hunderte von Metern
hoch in der Luft und melden den Batterien getreulich die Ein-
schläge der Geschosse, bis die Ziele nach erfolgtem Einschie-
ßen vernichtet sind. Mittels des Fernglases und der Photo-
graphie erkunden sie täglich, ob der Feind über Nacht Ver-
stärkungen erhalten hat. Sind solche erkannt worden, so mel-
det sie der Offizier im Ballonkorbe durch den Fernsprecher
unter genauer Angabe ihrer Stellungen dem Batterieführer.
Aufregender ist die Tätigkeit der Flieger, denen erst
der Stellungskrieg Feinde in der Luft brachte. Im Ge-
denken daran, daß sie ja im Grunde alle Sportkameraden,
Pioniere der Luft seien, die sich zum Teil bei friedlichen
internationalen Wettbewerben begegnet waren, wichen sich
Unsere modernsten Soldaten.
Von Adolf Victor v. Koerber.
iHierzu die Bilder Seite 318 und 319.)
Zeppelin ist tot! In ihm ist der Begründer unserer
Vormachtstellung in der Luft von uns gegangen. Im Jahre
1900, wo es im ganzen Deutschen Reiche noch keine Motor-
slieger gab, gelang ihm der erste Aufstieg mit einem lenk-
baren Luftschiffe seines starren Systems. Graf Zeppelin führte
selbst das Steuer, als sich das Schiff hoch über die wogende
Fläche des Bodensees erhob. In jenem Augenblicke wurde
aus dem General der alten Schule unser modernster Soldat.
Sein in langer militärischer Laufbahn geschärfter Blick er-
kannte damals klar, was für eine gewaltige Waffe zu werden
sein Luftschiff berufen war, und mit zäher Tatkraft ver-
folgte er seinen anfangs dornenvollen Weg weiter, obwohl
ihm in den ersten Jahren seine stolzen Schiffe eins nach
dem anderen durch widrige Naturgewalten zerschmettert
wurden. Er führte sein oft angefeindetes und kühl ab-
gelehntes Werk unter Opferung seines ganzen Vermögens
im Anfang aus eigener Kraft durch; viel später erst, be-
sonders nach dem Unglück bei Echterdingen, fand sein
des Bewegungskrieges über den Heeren des Gegners. Den
Fall seiner Festungen beschleunigten die schweren Bomben
der Zeppeline und deren Schwesterschiffe, der Schütte-
Lanz-Luftkreuzer, die auch bei der Aufklärung gegen Ruß-
land große Dienste leisteten. Die Feldluftschifferabteilungen,
diese ältesten unserer modernen Soldaten — auf einem
ihrer Fesselballone hatte Graf Zeppelin einst seinen ersten
Aufstieg ins Lustreich gemacht — rückten mit den Kampf-
truppen vor, und wo irgend Artillerie längere Zeit im
Gefecht lag, ließen sie ihre Gasblasen aufsteigen und leiteten
das Feuer der Batterien. Besonders die Festung Ant-
werpen lernte die Folgen der genauen Beobachtungen aus
Fesselballonen kennen. Die starke Festung fiel, und die
Armeen gingen weiter nach Westen vor. An der Pser
staute sich die Kampfeswelle. Vom Nordseestrande bis nach
Ppern, von Lille bis zu den Eishäuptern der Alpen war
die Feldschlacht dem Stellungskampfe gewichen.
Der Stellungskrieg erweiterte die Aufgaben unserer
Lufttruppen mit jedem Tage. Waren sie bisher bei dem
fast täglichen Stellungswechsel allen Heeresbewegungen ge-
folgt, so konnten sie jetzt von einem festen Hafen aus ihre
Aufgaben vollbringen. Das war ein großer Vorteil, denn
Auf der Verladerampe beim Umzug einer Fliegerabteilung.
320
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
die Flieger im Anfang gegenseitig aus und übten so eine
gewisse Ritterlichkeit, doch entwickelte sich mit der stets un-
erbittlicher werdenden Kriegführung auf der Erde und mit
dem aus täglicher Verleumdung durch die feindliche Lügen-
presse geborenen Völkerhaß auch die Feindschaft hoch oben
in der Luft. Heute sieht der Flieger im Gegner nur noch
den Feind, den er vernichten muß. Die Losung heißt auch
hier: „Du oder ich!"
■ Die Erweiterung der Fliegeraufgaben im Stellungs-
kriege begann mit einer erhöhten Aufklärungstätigkeit für
die Artillerie. Die Erkunder kreisen Tag für Tag über den
feindlichen Linien und erspähen deren Stellungen und die
Anzahl ihrer Batterien. Was von den Fesselballonen im
kleinen für die nächsten Frontabschnitte besorgt wird, ver-
richten die Flieger im ausgedehntesten Stil im großen.
Sie ziehen ihre Kreise unbekümmert im wütendsten Ab-
wehrfeuer. Ein einziger Treffer kann sie aus ihrem herr-
lichen Fliegerleben herausreißen. Der Beobachter gibt mit
der einen Hand dem Führer Zeichen, mit der anderen
bedient er Karte, Zirkel, Fernglas, Buntstifte und Melde-
block; der Flugzeugführer drückt die Maschine in steilem
Eleitflug ein paar hundert Meter tiefer, bis genau erkundet
ist, ob die Batteriestellung da unten wirklich mit Geschützen
besetzt oder ob sie nur zum Schein angelegt ist. Was das
Auge nicht unterscheiden kann, zeigt klar und deutlich die
photographische Platte nach ihrer Entwicklung auf dem Flug-
platz. "Sie verrät dem Chef des. Stabes und dem Artillerie-
kommandeur alles: Brückenschläge, neue Befestigungsan-
lagen, zerstörte Werke und andere wichtige Dinge, die Einfluß
auf die Entschließungen der Truppenführer haben können.
Das Feuer auf die mit Artillerie anzugreifenden Ziele
leiten die Flieger mit Hilfe eines besonderen Signal- und
Einschießverfahrens. Die Wirkung der Geschosse beobachten
sie genau; die Photographie unterstützt auch dabei wieder
ihre Wahrnehmungen.
Diese lästigen Artillerieerkunder müssen natürlich mit
allen Mitteln bekämpft werden. Zu diesem Zwecke er-
schienen die Kampfflieger über beiden Fronten. Fast täglich
las man von ihren Heldenflügen im Dienste der Artillerie
oder zum Schutze der mit Erkundungen betrauten Flieger.
Jeder Tag brachte neue Luftkämpfe, oft einzelne Duelle»
oft erbittertes Ringen ganzer Geschwader gegeneinander.
Der Ausgang solcher Treffen ist immer ungewiß, denn
den Geübtesten kann ein unglücklicher Zufall besiegen.
Doch auch im Stellungskriege beschränkten sich die Flüge
nicht nur auf die nächsten Gebiete an der Front. Tief
hinein in Feindesland stießen immer wieder einzelne Flug-
zeuge vor, um die rückwärtigen Linien der Gegner, die
Straßen, Eisenbahnstrecken und Kanäle zu beobachten und
etwaige Truppenverschiebungen festzustellen. Ganze Ge-
schwader durchbrachen die Sperrzonen, um schwere Bomben-
lasten über feindlichen Etappenorten, Munitionslagern,
Fabriken, Bahnhöfen und Brücken abzuwerfen. Derartige
Flüge wurden nicht nur an der Ost- und Westfront aus-
geführt, sondern auch an den Dardanellen und über den
Wüsten Ägyptens, und weder Regen noch Sturm noch
eisige Kälte, die mitunter 30 bis 40 Grad erreichte, hielten die
wackeren deutschen Flieger von ihren Unternehmungen ab.
Uber den Wogen der Nord- und Ostsee halten gemein-
sam mit den Marinefliegern die Luftkreuzer ständige Wacht.
Ihre Befähigung zu Dauerfahrten gibt ihnen einen großen
Wert für die Aufklärung zur See, Die Sperre der Unter-
seeboote, die während der Unterwasserfahrt auf die Aus-
schau durch ihr kurzes Sehrohr angewiesen sind und auch
in aufgetauchtem Zustande nur eine sehr begrenzte Fern-
sicht haben, wäre ohne die tägliche Aufklärungsarbeit der
Luftfahrzeuge nur schwer durchführbar. Doch auch das
ferne Land des Feindes suchen sie auf. Schon am 20. Ja-
nuar 1915 erfuhren unsere Feinde jenseits des Kanals,
daß ihres Reiches Jnsellage sie nicht vor den Bomben der
deutschen Luftschiffe sichern kann, und mit jedem weiteren
Angriff zerriß der Traum der Unnahbarkeit mehr und mehr.
Häufig erhielten die Engländer den Besuch deutscher Lust-
streitkräste, die sogar die City von London nicht mit ihren
Wurfgeschossen verschonten.
Übermenschlich fast muten die Leistungen an, die in diesem
erbarmungslosen Krieg der gepanzerten Menschen und Ma-
schinen von unseren modernsten Soldaten vollbracht werden.
Offiziersunterftand eines deutschen Fliegerabwehrzuges an der Arsne
Nach einer Originalzeichnung von Professor Ernst Liebermann.
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
(Fortsetzung.)
Am Anfang des Aprils lenkte die russische Revolution in
Bahnen, die den mit Rußland verbündeten Mächten recht
unerfreulich erschienen und die namentlich in England
großes Mißtrauen wachriefen. Das Ringen zwischen den
verschiedenen politischen Körperschaften um die Macht
wurde immer schärfer, und die Frage: Krieg oder Frieden?
trat mehr und mehr in den Vordergrund. Es gab vier
Gruppen, die die Macht an sich reißen wollten, und zwar
die vorläufige Regierung mit Lwow als Ministerpräsi-
denten, Miljukow als Minister des Auswärtigen und
Kerenski als Justizminister (siehe die Bilder Seite 289),
dann den ausführenden Ausschuß der Duma, den Militär-
ausschuß der Duma und den Abgeordnetenausschuß der
Arbeiter und Soldaten unter der Führung Tscheidses
(siehe Bild Seite 289) und in innigster Verbindung mit
Kerenski. Zu diesen vier Ausschüssen, die ihren Willen
durchzusetzen strebten und bei allen Handlungen des neuen
Rußlands mittätig waren, kam im April noch ein fünfter,
der Ausschuß der Offiziere und Soldaten. Dieser wurde
ins Leben gerufen, um dem Ausschuß der Arbeiter- und
Soldatenvertreter in Heeres- und Friedensfragen entgegen-
zuwirken, und trat für die tatkräftige Fortführung des
Krieges und die Wiederherstellung einer straffen Mann-
schaftsordnung ein. Seine Auffassung der Heereszucht ent-
sprach der der alten Regierung, während die Arbeiter- und
Soldatenvertreter die parlamentarische Heeresverfassung
einführen wollten. In welcher Form diese die Heeres-
angehörigen zur Erfüllung ihrer Pflicht anzuhalten dach-
ten, ließ sich ungefähr aus einem Aufruf der Arbeiter- und
Soldatenvertreter des 175. Reserveinfanterieregiments ent-
nehmen, in dem es hieß: „Alle, die sich eigenmächtig aus
dem 175. Reserveinfanterieregiment entfernt haben, werden
aufgefordert, in den nächsten Tagen zum Regiment zurück-
zukehren. Andernfalls werden sie als Anhänger der alten
Regierung betrachtet." Dieser Aufruf ließ zugleich erkennen,
daß sehr viele Desertionen vorgekommen sein und überhaupt
sonderbare Zustände in der russischen Armee Platz gegriffen
haben mußten.
Es war unter diesen Umständen kaum anzunehmen, daß
das russische Heer bei den vom Vierverband für das Jahr
1917 geplanten entscheidenden Schlägen eine irgendwie
ins Gewicht fallende Rolle spielen könne, wie es der Aus-
schuß der Offiziere und Soldaten wünschte- Tscheidse ließ
sich nicht von den betriebsamen englischen Drahtziehern
beeinflussen, sondern trachtete, anscheinend mit Erfolg,
danach, der vorläufigen Regierung den Willen zum Frieden
abzutrotzen. Diese und die ihr treu folgenden Ausschüsse
hielten Paraden ab, bei denen Hetzreden für den Krieg
gehalten wurden. Der Arbeiter- und Soldatenrat sorgte da-
für, daß die zur Fortsetzung des Krieges bereiten Truppen
nach der Front abgeschoben wurden, und setzte die Zurück-
führung anderer Truppenteile nach Petersburg durch, die
als militärische Schutzwache der Arbeiter- und Soldaten-
vertreter zu betrachten waren.
Die bei dem russischen Volke immer stärker hervor-
tretende Neigung zum Frieden erfüllte die englische Re-
gierung mit wachsender Besorgnis, so daß sie wiederholt
ihre Unzufriedenheit mit dem Lauf der Dinge in Petersburg
zu erkennen gab. Miljukow nahm deshalb Veranlassung,
in einer Unterredung mit Pressevertretern der mit Rußland
verbündeten Mächte seine Ansicht über die Kriegsziele
darzulegen, die zugleich die Auffassung der russischen Re-
gierung widerspiegeln sollte. Seine Ausführungen ent-
sprachen ganz den Wünschen der Westmächte. Ausdrücklich
Deutsche Artillerie auf dem Vormärsche in den verschneiten Karpathen.
Nach einer Originalzeichnung von Professor Karl Storch.
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut für den Schutz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.
VI. Band. 41
322
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
bezeichnete er als Kriegsziele
Rußlands die Befreiung der
dem „türkischen Joche" unter-
worfenen asiatischen Völker,
die grundlegende Neubildung,
das heißt Zerstücklung Öster-
reich-Ungarns, die Errichtung
eines tschechisch-slowakischen
Staates, die Zurückdrängung
Deutschlands in seine „ethno-
graphischen Grenzen", das
heißt die Wegnahme der öst-
lichen Provinzen Preußens
bis etwa an die Oder, die
Vereinigung der auf öster-
reichisch-ungarischem Gebiete
wohnenden Italiener und
Rumänen mit Italien und
Rumänien, der Ukrainer mit
Rußland und die Einigung
Serbiens auf Kosten der k. u.k.
Monarchie. Dazu forderte er
die Besetzung Konstantinopels
und der Dardanellen durch
Rußland.
Das war ein Programm,
das sich mit den Wünschen
der Verbündeten Rußlands
deckte, wenn die Engländer
im Grunde auch nicht gern
sahen, daß Konstantinopel
den Russen zufalle. Doch
schon am 10. April erließ die
vorläufige russische Regierung eine vom Ministerpräsidenten
Lwow gezeichnete Kundgebung, in der die Entscheidung über
Krieg und Frieden dem russischen Volke anheimgestellt wurde
und in der mit großem Freimut zum Ausdruck kam, daß
Rußland keine Eroberungsabsichten habe, sondern nur für
seine eigene Freiheit kämpfen wolle und einen Frieden auf der
Grundlage des freien Selbstbestimmungsrechtes der Völker
anstrebe. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, daß
Rußland zu einer hoffnungsvollen Kriegführung auch gar
nicht mehr in der Lage sei. Die russische Regierung be-
kämpfte also die Äußerungen Miljukows und verkündete
Kriegsziele, die friedfertig und mit den Absichten der Mittel-
mächte vereinbar waren. Die Regierungserklärung fand
begeisterte Aufnahme bei Tscheidse
und seinen Anhängern, die die durch
diese Feststellungen geschaffene Lage
nach Kräften ausnützten. Erleich-
tert wurde ihnen das durch die Hal-
tung der Mittelmächte, die von neuem
hervorhoben, daß sie Frieden und
Freundschaft mit Rußland wünsch-
ten. Sie stellten fest, daß die Erklä-
rung der Petersburger vorläufigen
Regierung vom 10. April vollständig
mit den Friedensabsichten, die sie
den kriegführenden Staaten wieder-
holt bekannt gegeben hatten, über-
einstimmte. Die Russen wurden nicht
darüber im Zweifel gelassen, daß
nicht die Mittelmächte die Schuld
trügen, wenn sie noch länger bluten
und leiden müßten und keine Ruhe
zUm Ausbau ihrer Freiheit fänden.
Die Schuld laste ausschließlich aus den
mit Rußland Verbündeten, die ein
Interesse am Fortgang des Krieges
hätten, um ihre eigenen Eroberungs-
pläne durchzusehen. Für die Wahr-
haftigkeit der Friedensäußerungen
der Mittelmächte sprach auch die
Tatsache, daß Angehörige verschie-
dener Parteien des deutschen Reichs-
tags mit russischen Politikern auf neu-
tralem Boden Fühlung nahmen.
Ferner erlaubte die deutsche Regie-
rung dreißig friedensfreundlichen rus-
sischen Sozialisten, die sich im Aus-
lande aufgehalten hatten, die
Heimreise durch Deutschland,
nachdem ihnen die englische
Regierung die Rückkehr über
England verweigert hatte.
Auch hierbei zeigte sich, wo
die Hauptgegner eines bal-
digen Friedens zu suchen
waren, der den Russen die
gewünschte ruhige Ordnung
ihrer inneren Staatsangele-
genheiten gewährleistet hätte.
* *
*
Während die politischen
Umwälzungenim Zarenreiche
vor sich gingen, war es an
der russischen Front nicht
ruhig geblieben. Nordwest-
lich von Baranowitschi grif-
fen stärkere Kräfte der Rus-
sen am 2. April eine deutsche
Feldwache an. Diese vertei-
digte sich aber mit solcher
Ruhe und Kaltblütigkeit, daß
die Feinde unverrichteter
Sache abziehen mußten. Bei-
derseits der Bahn Zloczow—
Tarnopol eröffneten die Rus-
sen ein heftiges Wirkungs-
feuer; auch an der Zlota-
Lipa und am Dnjestr schienen
sie größere Unternehmungen
vorzubereiten, doch ließen sie dem starken Eeschützfeuer
keine Infanteriestöße folgen. Zu solchen kam es an der
Bistritz, wo die Feinde aber leicht abgeschlagen werden
konnten.
Die Deutschen an der Front des Generalseldmarschalls
Prinzen Leopold von Bayern überfielen nordwestlich von
Dünaburg die russischen Gräben, aus denen sie als Beute
1 Offizier, 93 Mann und 2 Maschinengewehre wegführten.
Nordöstlich von Bogdanow, bei Miljawitschi, hatte ein Stoß-
trupp ebenfalls guten Erfolg und brachte von seinem Unter-
nehmen 26 Russen mit zurück.
Das bedeutendste Ereignis der letzten Zeit trat am
3. April ein. Am mittleren Stochod hielten die Russen auf
dem westlichen Flußufer den Brücken-
kopf von Toboly, der ihnen in einem
glänzenden Anlauf entrissen wurde,
und worüber wir in einem beson-
deren Artikel aus der Feder des
auf dem Schauplatz der Kämpfe
weilenden Kriegsberichterstatters vr.
Fritz Wertheimer auf Seite 326 be-
richten. Neben k. u. k. Schützen
stürmten,nach kräftiger artilleristischer
Vorbereitung, an der zum größten
Teil österreichisch-ungarische Batte-
rien beteiligt waren (siehe Bild
Seite 325), Bayern und andere
deutsche Bataillone über das Sumpf-
gelände gegen den Fluß, wo sich
an mehreren Punkten ein heißer
Kampf entspann.
Lebhafte Tätigkeit entfaltete die
russische Artillerie am 5. April süd-
lich von Riga bei Jllurt und auch
bei Toboly. Südwestlich von Brze-
zany brachen die Russen gegen die
Höhe Popielicha vor, doch scheiterte
der Angriff, trotzdem ihm eine um-
fangreiche Minensprengung voraus-
gegangen war. Am nächsten Tage
wurden wieder russische Streifab-
teilungen bei Baranowitschi und süd-
lich von Stanislau zurückgeschlagen.
In der Folge' blieb die Eefechts-
tätigkeit bis zum 15. April auf der
ganzen Ostfront gering, wenngleich
die russische Artillerie vom Norden
Photopresse Kankowskh, Budapest.
Fahrbare und zusammenlegbare österreichisch-ungarische Beobachtung-
stelle mit Telephon.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
323
bis zum Süden fortgesetzt Unruhe schaffte. — Auch die
Front des Erzherzogs Joseph kam nicht in stärkere Be-
wegung. Freilich ereigneten sich auch dort Zusammenstöße,
die aber aus dem Rahmen der örtlichen Gefechte nicht her-
austraten. So drangen in den Karpathen, unterstützt durch
herbeigeführte deutsche Artillerie (siehe Bild Seite 321),
deutsche Stoßtruppen in russische Unterstände ein und
kehrten mit einigen Gefangenen in ihre Stellungen zu-
rück. Den österreichisch-ungarischen Truppen bot sich eben-
falls keine Gelegenheit zu größeren Unternehmungen. Sie
begnügten sich in der Hauptsache mit Erkundungen, die
sich ihre Gebirgsartillerie (siehe Bild Seite 324 unten)
zunutze machte, indem sie von den Patrouillen festgestellte
Truppenansammlungen oder Verteidigungsanlagen des
Feindes unter Feuer nahm. —
* *
*
An dem in Rumänien am Sereth entlang ziehenden
Teile der Front, die auf feindlicher Seite unter dem Kom-
mando des russischen Generals Letschitzky stand (siehe Bild
Seite 324 oben), verhinderte Tauwetter alle Kriegshand-
lungen. Im eroberten Teile des Landes waren fast fried-
liche Zustände wieder eingekehrt. Zum Militärgouverneur
pon Rumänien war zu Anfang des Dezembers 1916 der
deutsche General Tülff v. Tschepe und Weidenbach (siehe
Bild Seite 326) ernannt worden, unter dessen Leitung sich
das Land von den Schrecknissen des Krieges langsam er-
holte und neu aufblühte, v. Tülff war 1907 Brigadekom-
mandeur in Brandenburg und seit 1912 kommandierender
General des VIII. Armeekorps in Koblenz gewesen. —
* *
-r-
In Persien erzielten die Russen einige Fortschritte.
Am 5. April kamen sie nordwestlich von Hanikin und an
anderen Punkten im Gebiete des persisch-türkischen Grenz-
flusses Diala ins Gefecht mit türkischen Nachhuten, die mit
dem Gegner Fühlung behalten wollten, um ihn bei der
Überschreitung des Flusses zu stören. Dem russischen Führer
gelang es jetzt auch, eine Vorhut auszuschicken, die die Ver-
bindung mit den Engländern herstellen sollte. Die Lage
der Türken war dabei noch immer nicht gerade ungünstig;
sie besaßen Spielraum genug, um einer Umfassung durch
die Russen und die Engländer vorzubeugen, und hatten sich,
wie die Engländer mehrfach zu fühlen bekamen, auch
stellenweise wieder verstärkt. Die Engländer waren be-
strebt, sich von der Einmündung des Diala in den Tigris
aus nach Osten und Nordosten dahin vorzuarbeiten, wo der
Fluß im wesentlichen die persisch-türkische Grenze bildet,
um die Vereinigung mit den Russen früher herbeizuführen.
Im besonderen war Hanikin ihr Ziel. Diese Bewegung
hatten die Feinde aber nicht so schnell ausgeführt, daß die
Türken an dem Austritt aus dem persisch-türkischen Erenz-
gebirge hätten gehindert werden können. Die Engländer
berichteten von Gefechten, die am 11. April mit türkischen
Abteilungen stattgefunden hatten, die von Deli Abbas her
an die türkische Hauptarmee Anschluß suchende Streit-
kräfte aufzunehmen beabsichtigten. Die Engländer wollten
diese türkische Bewegung vereitelt und die aus Persien
kommenden Truppen zu einem Umwege gezwungen haben,
auf dem ihr Ziel, die Verschmelzung mit der Hauptmacht»
noch nicht sicher geglückt sei. Die Russen entschuldigten
ihre mangelhafte Unterstützung dieses teilweise gelungenen
Vorhabens mit Verpflegungsschwierigkeiten und Schneefall,
die zusammen ein rasches Eingreifen verhindert hätten. Das
Zusammenwirken der Engländer und Russen trug noch
keine erkennbaren Früchte. —
* *
*
Ihre schwere Niederlage in Palästina suchten die Eng-
länder nach Möglichkeit zu verschleiern. Sie behaupteten,
nur wegen Nebels und Wassermangels den Rückzug an-
getreten zu haben; außerdem wollten sie den Türken bei
den scharfen Zusammenstößen wenigstens 8000 Mann Ver-
luste beigebracht und selbst nur 400 Mann verloren haben.
Die Türken stellten daraufhin fest, daß Nebel nicht geherrscht
hätte. Die von den Engländern angegebenen 8000 Mann
türkischer Verluste erschienen von vornherein unglaubhaft,
denn nicht einmal die gesamte Besatzung von Gaza erreichte
Vogelschauansichk der Gegend am Brückenkopf von Toboly am Stochod.
Aach einer Aufnahme von einem Schütte-Lanz-Luftschiff aus gezeichnet.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
diese Zahl. Die Feinde, die mit großer zahlenmäßiger
Überlegenheit angegriffen hatten, nahmen allerdings an,
daß die Besatzung über 20 000 Mann betragen habe. Die
Behauptung der Feinde» sie hätten nur 400 Mann verloren,
wurde durch die Tatsache widerlegt,
daß die Türken allein 1500 Engländer
beerdigten und damit den Beweis
lieferten, daß ihre Schätzung der eng-
lischen Verluste auf 3000 Mann nicht
zu hoch gegriffen war. Die Türken
waren wohl die Herren des Schlacht-
feldes geblieben, aber sie folgten den
Engländern nicht, weil sie für eine
solche Unternehmung nicht genügend
viele Truppen zur Verfügung hat-
ten. Sie begnügten sich damit, dem
Feinde die Durchführung eines gro
ßen Planes, der umfangreiche Vor
bereitungen erfordert hatte, unter Zu-
fügung großer Verluste unmöglich ge-
macht zu haben.
So trugen die Türken auch auf
den entfernten Kriegschauplähen (siehe
die Bilder Seite 327) nach Kräften
dazu bei, die gemeinsamen Feinde zu
schädigen und niederzuringen. Wie
innig die Verbindung der Türkei mit
den Mittelmächten war, kam am
15. April erneut zum Ausdruck, als
der türkische Prinz Zia Eddin Effendi
(siehe Bild Seite 334) im Großen
Hauptquartier dem Deutschen Kaiser
einen Ehrensäbel als sichtbares Zeichen
treuer Waffenbrüderschaft der verbün-
deten Heere und als Zeichen der Aner-
kennung für die Taten des deutschen Heeres überreichte. —
* *
An der Schwächung der Feinde auf den türkischen Krieg-
schauplätzen wirkten die H-Boote irn Mittelmeer
Letschißky, russischer
mando an der
bald
durch ihre glänzenden Erfolge außerordentlich mit. Am
9. April wurde die Versenkung von weiteren 11 Dampfern
und 13 Seglern im Mittelmeer bekannt gegeben. Unter
diesen Schiffen, mit einem Eesamtraumgehalt von 38 224
Tonnen, waren auch ein zur englischen
Tigrisflotte gehöriges Fahrzeug, das
mit Proviant von England nach Meso-
potamien unterwegs war, und ein
großer bewaffneter französischer Damp-
fer, der von Marseille kam und Port
Said anlaufen wollte. Am 14. April
wurden schon wieder 12 Dampfer und
14 Segler mit einem Gesamtraumge-
halt von 50 000 Tonnen als versenkt
gemeldet.
Ein großer Teil dieser Schiffe trug
Frachten für die Truppen des Vier-
verbands in Mazedonien. Der starke
Angriffstoß Sarrails war allerdings
von den Gegnern aufgefangen wor-
den, doch wiesen rege Tätigkeit im
Vorfelde, häufige Artillerie Überfälle
von beiden Seiten und nicht zuletzt
die Betriebsamkeit der Flieger darauf
hin, daß mit neuen Vorstößen zu rech-
nen war. Die deutschen Flieger führten
am 31. März an dieser Front einen
Angriff auf feindliche Fesselballone aus
und brachten zwei davon brennend
zum Absturz. Außerdem suchten sie
auch die Truppenlager im Cernabogen
mit Bomben wirksam heim. Am 2. April
unternahmen die Franzosen mit schwa-
chen Kräften einen Vorstoß nördlich
von Monastir; sie wurden aber blutig
heimgeschickt- Den Truppen der Mittelmächte gelang
zwischen Ochrida- und Prespasee ein Erkundungstoß, der
bis in die vorgeschobenen Stellungen der Franzosen ge-
führt wurde; unter Mitnahme von Gefangenen und Beute
b.H.
Aus den Kämpfen Ln Rumänien. Österreichisch-ungarische Gebirgsbanone in Feuerstellung.
Nach einer Originalsktzze des auf dem rumänischen Kriegschauplatz zugelassenen Kriegsmalers A. Reich-München.
Entwicklung österreichisch-ungarischer: Schützenregimenter unter Führung des Generals der Kavallerie Freiherrn v. Hauer zum Sturmangriff auf den Brückenkopf von
Loboly am Stochod am Morgen des 3, April 1917. Rechts Lm Vordergründe die liegende Batteriebedienungsmannschaft.
Nach einer Originalzeichnung von M. Ledeli.
326
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
zogen sie sich wieder zurück, nachdem sie feindliche Gegen-
stöße Zunächst innerhalb der französischen Linien sieg-
reich abgeschlagen hatten. Zwischen dem Wardar und dem
Doiransee eröffneten die Engländer seit dem 6. April zeit-
weilig heftiges Artilleriefeuer, das von den Batterien der
Mittelmächte so nachhaltig erwidert wurde, daß Angriffs-
versuche des Feindes von vornherein unmöglich waren.
Österreichisch-ungarische Abteilungen überfielen am 9. April
die französischen Stellungen südlich vom Ochridasee, aus
denen sie sich einige Gefangene holten. So wechselten
kleinere Unternehmungen der beiden Gegner miteinander
ab, ohne daß es bis Mitte April zu bedeutenderen Zu-
sammenstößen gekommen wäre. —
* ❖
*
Die Italiener litten sehr unter den Folgen des unein-
geschränkten Unterseebootkrieges, durch den die Zufuhr von
Lebensmitteln und Kohlen ganz empfindlich beeinträchtigt
wurde. Infolgedessen mehrten
sich auch in Italien die Stim-
men, die nach Frieden riefen,
weil besonders die Lebensmittel
immer knapper wurden. In
vielen Städten, wie zum Bei-
spiel in Mailand (siehe Bild
Seite 329), kam es sogar zu
Straßenkundgebungen gegen
den Krieg, wobei zahlreiche Ver-
haftungen erfolgten. Unter den
Festgenommenen befanden sich
auch mehrere Gemeinderäte.
An der Front blieben die so
oft angekündigten großen An-
griffe noch aus. Es schien über-
haupt, als ob die Italiener ihre
Angriffsabsichten aufgegeben
hätten und sich mehr und mehr
auf die Verteidigung einrich-
teten, obwohl sie an der küsten-
ländischen Front (siehe die Bilder
Seite 328) seit dem 10. April
ein verhältnismäßig lebhaftes
Feuer unterhielten. Im Ge-
biete des Etschtales und des
Gardasees begannen sie ein un-
unterbrochenes Zerstörungsfeuer
gegen die österreichisch-unga-
rischen Ortschaften. Diese Be-
schießung hielt jedoch die k. u. k.
Streitkräfte nicht davon ab, ihre
kleinen Vorstöße fortzusetzen, die
im Raume von Eörz dazu be-
stimmt waren, die Italiener all-
mählich in die Ebene hinabzu-
drücken und ihnen alle wich-
tigeren Verteidigungstellungen
oder Angriffstützpunkte zu neh-
men. Sturmabteilungen von
zwei österreichis ch - ungaris chen
Regimentern drangen am 11. April gegen Abend in die
feindlichen Gräben von Unter-Vertojba ein und brachten
nach siegreichem Gefecht 4 Offiziere, 135 Mann, 2 Ma-
schinengewehre und 3 Minenwerfer als Beute ein.
Mit großem Eifer waren in der Berichtszeit die öster-
reichisch-ungarischen Seeflugzeuge wieder tätig. In der
Nacht zum 4. April bewarfen Seeflugzeuggeschwader die
militärischen Anlagen und besonders die Flugzeugschuppen
in Grado und Gorgo mit zahlreichen schweren Bomben,
wobei mehrere Volltreffer in die Flugzeugschuppen fest-
gestellt werden konnten. Die feindliche Gegenwirkung war
sehr stark, doch gelang es ihr nur, ein Flugzeug aus dem
Geschwader herauszuschießen, während die anderen unver-
sehrt ihren Ausgangsort erreichten. Am 8. April stießen
italienische Flieger auf Barcola und Sistiana vor und
warfen Bomben ab, ohne aber Schaden zu stiften. Bald
darauf griffen österreichisch-ungarische Flugzeuge die italieni-
schen Barackenlager von Vermigliano mit Erfolg an, jedoch
kehrte auch von diesem Vorstoß ein österreichisch-ungarisches
Flugzeug nicht zurück. Wenige Tage später, am 13. April,
beschossen österreichisch-ungarische Geschwader das Pump-
werk von Codigoro, das mehrere Bombentreffer erhielt.
Von diesem Streifzuge kehrten alle Fahrzeuge wohlbehalten
heim. Die sehr lebhaft gewordene Fliegertätigkeit ließ ver-
muten, daß die italienische Front
nun langsam aus der langen,
nur durch kleinere örtliche Zu-
sammenstöße unterbrochenen
Ruhe zu neuem Leben zu er-
wachen begann. —
* ❖
*
Aus einer englischen Mel-
dung vom 1. April war ersicht-
lich, daß die Feinde in Deutsch-
Ostafrika (siehe die Mlder
Seite 331), der größten und letz-
ten deutschen Kolonie, deren Be-
satzungstruppe noch mannhaften
Widerstand leistete, einengroßen
Mißerfolg gehabt hatten. Der
englische Oberbefehlshaber be-
richtete, daß seit der Regenzeit
die klimatischen Verhältnisse Ost-
afrikas hauptsächlich in der
Küstengegend jede ausgedehnte
Tätigkeit völlig verhinderten. Er
fügte tröstend hinzu, daß die
Zeit nicht nutzlos verstreichen
werde. Die britischen Streit-
kräfte würden neu geordnet, die
Transportverhältnisse umgestal-
tet und die bei dem Rückzug der
Deutschen zerstörte Eisenbahn
und die Wege erneuert. Die
eingeleitete Neuordnung der
Streitkräfte des britischen Hee-
res war besonders auffallend,
denn sie bestätigte mittelbar die
von den Deutschen gemeldeten
bedeutenden Verluste der Eng-
länder in den Kämpfen in Ost-
afrika. Die endgültige Erobe-
rung der Kolonie, die mehrfach
für das Jahr 1916, als völlig
sicher in Aussicht gestellt worden war, war immer noch
nicht gelungen. Es standen weitere harte Kämpfe be-
vor, zu denen die Engländer erst neue gründliche Vor-
bereitungen treffen mußten, denn die Deutschen waren
gewillt, den Feinden auch weiterhin das Vordringen zu
erschweren. — «Fortsetzung folgt.»
Phot. Berl. Jlluftrat.-Ges. m. b. H.
General Tülff v. Tschepe und Weidenbach, der Leiter der deut-
schen Militärverwaltung in Rumänien.
Illustrierte Kriegsberichte.
Der Sieg von Toboly.
Von Dr. Fritz Wertheimer, Kriegsberichterstatter der „Frankfurter
Zeitung".
(Hierzu die Kunstbeilage sowie die Karten Seite 322 und 323.)
Der Tag von Toboly hat mit einem schönen, stolzen
Erfolge der deutschen Waffen geendet. Wohl war es
nur ein Unternehmen räumlich begrenzten Umfanges, das
seit langem hier geplant und viele Monate hindurch
vorbereitet worden war. Aber über die erwartete Beute
von vielleicht 3000» allerhöchstens aber 5000 Gefangenen
hinaus brachte der Tag eine Beute von über 10 000 Mann,
130 Offizieren, 15 Geschützen und weit über 150 Maschinen-
gewehren und Minenwerfern. Das sind schon Zahlen,
die den Erfolg zu einem Siege machen. Und mehr noch
als diese Äußerlichkeiten wirkt der Stil dieses Sieges, die
Art des Zusammenarbeitens einer kühl wägenden, des
Wartens nicht überdrüssigen, alles bis ins kleinste über-
denkenden Führung mit schneidigen, draufgängerisch-forschen
Speziakwaffen und mit alterprobter nimmermüder In-
fanterie. Das bedeutet so viel für eine Truppe, die einen
langen, harten, entbehrungsreichen und ereignisarmen Winter
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
327
Phot. A. 6r°kS, Berlin.
Phot. A. Grohs, Berlin.
Kamele Lm Dienste des Roten Halbmonds im Sandsturm Ln der Wüste.
des Stellungskrieges hinter sich hat,
zu wissen und zu vertrauen: wenn
wir nur wollen, geht alles. Nicht
nur die Verbände, die die Toboly-
schlacht geschlagen haben, durchströmt
dieses Kraftgefühl des Könnens; das
zieht mit der Schnelligkeit des Tele-
phons und Telegraphen, aber noch
mehr und wirksamer durch persön-
liche Mitteilungen von Mann zu Mann
die ganze Ostfront entlang. Aus der
Wurzel Toboly schießt dieser Frühling-
saft in den ganzen Stamm der Ost-
front bis in die feinsten Verästelungen
hinein: so schön ging's bei Toboly, so
schön würde es auch bei uns gehen,
wenn man uns brauchte. Das Be-
wußtsein der Überlegenheit, das nie
nach der zahlenmäßigen Abwägung
der Kräfte fragt, das im acht- und
zehnfach stärkeren Gegner noch keine
besondere Gefahr erblickt, das nur
eigenes Ziel vor Augen sieht und so-
mit die eigentliche Grundlage des Sie-
ges bildet, dieses Kraftbewußtsein ist
durch den Tag von Toboly der ganzen
Ostfront von neuem gewachsen.
* *
Es galt eine Erbschaft aus den Tagen der Brussilow-
schen Offensive zu liquidieren. AIs der Durchbruch von
Olyka ihm geglückt und er damit die Front der Verbündeten
am oberen Styr um Luck herum durchbrochen hatte, drängte
Brussilow sofort rücksichtslos energisch zum Stochod vor,
um vom Süden her Wladimir Wolynsk und Kowel zu
erreichen. Am mittleren Styr, ungefähr von Sokul über
Kolkt und den Bogen von Czartorysk weg, hielt die alte
Front noch zähe fest. Brussilow erkannte, daß trotz aller
Menschenopfer im Süden gegen die frisch herangeworfenen
deutschen Truppen kein Vorwärtskommen mehr möglich
war, drehte alsbald gewandt die Angriffsrichtung um, und
warf seine besten Truppen gegen die österreichisch-unga-
rische Styrfront zwischen Sokul und Kolki. Hier glückte
ihm in den Julitagen auch wirklich der Durchbruch, den
deutsche Reserven nicht mehr aufzuhalten vermochten: nun
mußte auch dieser Teil der Styrfront bis hinauf zum
Nobelsee hinter den Stochod in eine mehr angedeutete
als ausgebaute Ausnahmestellung zurück.
Abermals drängte Brussilow nach und lief gegen die
neue Front Sturm. Am 18. August, als man eben des
alten Kaisers Franz Joseph Geburts-
tag feierte, brach er bei Toboly durch
die Front österreichisch-ungarischer Rei-
terei und schuf sich auf dem westlichen
Stochodufer um Toboly herum bis
nach Helenin hinunter einen an be-
herrschende Höhen angelehntenBrücken-
kopf von 7 Kilometern Länge und
annähernd 3 Kilometern Breite . Allen
Versuchen, weiter vorzukommen und
durch Erweiterung des Brückenkopfes
nun auch die Stochodfront aufzurollen,
boten freilich preußische Landwehr und
bayrische Reiter blutigen Halt, allein
auch die Versuche, die Russen wieder
auf das östliche Stochodufer zurückzu-
werfen, scheiterten in den September-
tagen und so verblieb den Feinden
dieses „Sprungbrett von Toboly", als
eine für einen angriffslustigen Gegner
immerhin recht günstige Gelegenheit
zu neuem Vorbrechen. Niemand zwei-
felte, daß im Frühjahr 1917, sobald
es die Wegeverhältnisse und das Fertig-
werden der im Winter aufgestellten
russischen Neuformationen gestatten
würden, der Brückenkopf von Toboly
im Rahmen einer allgemeinen russischen
Offensive eine ganz besondere Rolle
spielen würde. Die Beobachter stellten
denn auch immer den Bau neuer
russischer Wabengräben fest, die dauernd stark besetzt waren.
Am späten Abend des 11. Märzes erfolgte plötzlich ein
starker Feuerüberfall der russischen Artillerie im Südteil
des Brückenkopfes. Man nahm damals an, der Russe
wolle die Batterien seiner Gegner aus ihrem Schweigen
herauslocken, er habe von deren Angriffsvorbereitungen
manches gemerkt und wolle sie zwingen, vorzeitig Farbe
zu bekennen. Nach der Schlacht von Toboly ist ein An-
griffsbefehl für drei russische Regimenter gefunden worden:
sie sollten nach kurzer Feuervorbereitung an jenem Abend
vorbrechen, aber „mit größter Energie" und „ohne nur
an den feindlichen Drahtverhauen halt zu machen". Es
war vielleicht der letzte Angriffsbefehl des zarischen Re-
gimes. Der Vorstoß scheiterte im Sperrfeuer weniger
leichter Batterien. Patrouillen, die sich zeigten, wurden
durch ein paar Maschinengewehrschüsse verjagt. Aber der
gefundene Befehl beweist, daß der Charakter des russischen
Brückenkopfes oder „Waffenplahes", wie ihn die Russen
nannten, richtig beurteilt worden ist. Es ist auf alle Fälle
gut, daß er genommen werden konnte.
Auf einem Verbandplatz in der Wüste. Die neu angekommenen Verwundeten werden von den
türkischen Ärzten in Behandlung genommen.
328
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Ich habe Wolhynien nun in
den letzten Monaten an den
verschiedensten Stellen gesehen
und erlebt — nirgendwo war es
einförmiger und trauriger als
in der Stochodgegend von To-
boly. Jüngst wollte hier eine
Sanitätskompanie der bayrischen
Reiter einen Brunnen graben,
um Wasser für ihre schöne Bade-
anstalt zu gewinnen. Da stieh
die Rohrleitung wenige Meter
unter der üblichen morastigen
Sumpfschicht auf eine wasser-
undurchlässige Tonschicht und
darunter auf reinste Kreide.
Selbst in 51 Metern Tiefe war
noch kein Erundwasser zu fin-
den. Das bestätigt die Theorie
von der Entstehung dieser ganzen
riesigen Sümpfe. Die Schmelz-
wasser des Frühlings und der
Märzregen wie auch die Herbst-
niederschläge können nicht ver-
sickern und sind auf langsame
Verdunstung durch Sonne und
Wind angewiesen. Im Styr-
bogen von Czartorysk hat man
Rettung in dem fliehenden Nah
waren die in Herbst und Winter
fleihig gebautenKnüppeldämme.
Aber gerade das war die Zeit,
die der Führung für den Angriff
gfr
am günstigsten schien. Der.Sto-
chod sollte nicht in seinen vielen
Dutzenden von Armen träge zu
Tal schleichen, ein einziger ge-
waltiger Strom sollte all die
Stege und Brücken überfluten,
die das Herankommen wie das
Zurückziehen von feindlichen
Truppen noch während des
Kampfes ermöglichen konnten.
Im Winter, namentlich in dem
auch für russische Ansprüche har-
ten Winter 1916/17, wollte man
nicht angreifen, weil da der fest-
gefrorene Stochod gar kein Hin-
dernis war, der Brückenkopf so-
mit keinen eigentlichen Brücken-
kopf, sondern eine einfache Stel-
lungsausbuchtung mit ganz ge-
sicherten rückwärtigen Verbin-
dungen darstellte. Zudem wäre
das Wirken der Artillerie in
dem über Metertiefe gefrorenen
Phot. Photopresse Äankowsly, Budapest.
Soldat der k. u. k. berittenen Marine auf dem Kriegschauplatz
an der adriatischen Küste.
Kähne in den Dörfern gefunden, die zu gewissen Zeiten
die einzigen Verkehrsmittel waren.
In dem ungewöhnlich trockenen und regenarmen Sommer
1915 haben die Soldaten über diese „wolhynische Marine"
gespottet — jetzt war bei den bayrischen Reitern der Sumpf
so tief» die Wassersnot so arg, dah der Verkehr zu den Feld-
wachen nur noch im Boot möglich war und dah sich die
Leute draußen auf die Erdbrüstung legen muhten, um nicht
zu ertrinken. Im Winter war das alles eine weite blin-
kende Eisfläche, die später ein dickes Weihes Schneetuch
deckte — jetzt, bei Tauwetter, gab es weite Seen, aus
Flühchen, wie der kleinen Turija, waren reihende Ströme
geworden, die Wälder schienen aus unendlichen Wasser-
flächen emporgewachsen zu sein, einziger Halt und einzige
Boden
sehr
Ausbo
gering und die Arbeit der eigenen Truppe
beim Ausbau einer neuen Stellung über alle Mähen
schwer gewesen. Das Abwarten der richtigen Zeit, da der
Stochod sehr hoch sein würde und außerdem der zur Ver-
gasung der russischen Batterien notwendige Westwind wehte,
war für die Nerven der Truppe vorn eine harte Belastungs-
probe. Denn immer blieb Toboly in den Händen der
Russen für die Truppen der Mittelmächte ein „Alpdruck".
Toboly liegt vielleicht 40 oder 50 Meter höher als die
Stellungen der bayrischen Reiter im Sumpf davor. Nament-
lich von der Kirchhofshöhe sahen die Russen ihren Gegnern
bequem in die Stellung und in die rückwärtigen Verbin-
dungen. Überdies hatten sie da oben ring- und terrassen-
förmig mehrere Linien übereinander ausgebaut und fügten
Phot. Photopresse Kankowsky, Budapest.
Karst und Adria, die südlichste Frontspitze auf dem österreichisch-ungarisch-italienischen Kriegschauplatz.
JvlvnHofpiAfiN ftmcMm
f'W
Der Sieg von Toboly.
Eindringen deutscher Sturmbataillone in die «Tobolylöcher«, die völlig verwahrlosten russischen Unterstände am Stochodbrückenkopf.
Nach einer Originalzetchnung von Professor Anton Hoffmann.
330
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
den Verbündeten im Winter von hier aus durch Artillerie-
und Jnfanteriefeuer dauernd Verluste zu, die zusammen-
gerechnet wohl erheblich höher sind, als diejenigen, die der
ganze Sturmtag den Angreifern kostete. Was die Toboly-
höhe im Norden war, das war die Höhe 166, die soge-
nannte Grillmeierhöhe, im Süden des Brückenkopfes: eine
ständige Bedrohung, eine wundervolle gegnerische Be-
obachtungstelle. Und als es taute, als das ganze Wasser in
die tiefliegenden Gräben der Verbündeten floß, während es
den Russen droben ganz leidlich zu ergehen schien — nur
schien, denn in Wirklichkeit hatten sie, was sich später heraus-
stellte, so wenig gearbeitet, daß sie weit mehr in Schmutz und
Schlamm steckten als ihre Gegner, deren Entwässerungs-
künste sich prachtvoll bewährten — da war die Ängriffs-
ungeduld der Truppe kaum zu bändigen. Immer wieder
wurde die „Tobolysache" angesagt und abgesagt. Erst plötz-
liches Tauwetter, dann neuer Frost, dann wieder Tauwetter
und plötzlicher Ostwind — es schien ein Unstern über der
ganzen Geschichte zu walten. Aber die Führung verlor
die Ruhe nicht, und als sie dann am späten Abend des
2. Aprils den Angriff befahl, erwies sich der Tag als der
denkbar günstigste. Mäßiger Westwind am Morgen, der erst
nachmittags allzuscharf blies und am späten Abend» als
alles vorbei war, in Ostrichtung
umdrehte, Hochwasser im Sto-
chod — also volles Wetterglück.
Der Angriffsplan ging da-
hin : Am frühen Morgen sollte
das letzte Einschiehen der zahl-
reich vereinigten Batterien be-
ginnen, denen sich die Minen-
werfer aller Kaliber anzu-
schliehen hatten. Mehrstündiges
Wirkungsfeuer sollte sich an-
reihen und dann, um die Mit-
tagszeit, hatte die Infanterie
von Helenin aus nach Norden
und vom Walde aus nach Osten
vorzustohen, bis nördlich etwa
die Russenmauer und Rudka
Czerwiszcze und östlich der
Ctochod erreicht wären. Für
den zweiten Tag war nach
neuem Trommelfeuer der
Sturm nach Norden und Nord-
osten hin mit dem Ziele Toboly
vorgesehen, das nicht von der
schwierigen Westseite» sondern
vom Gut Czerwiszcze und von
der Ziegelei aus angegriffen
werden sollte. Am dritten Tage endlich sollte die „Bastion"
vor Stare Czerwiszcze genommen werden.
Am Morgen ging alles programmähig. Die in die
vordersten Sappenköpfe eingebauten Minenwerfer legten
ihr Salvenfeuer auf die russische Stellung, während die Ar-
tillerie den Ctochod unter Sperrfeuer nahm und ihre Feuer-
vorhänge bald vom Stochod zurück nach Westen, bald
in umgekehrter Richtung wehen lieh. Auf die Sekunde
pünktlich sprengten österreichisch-ungarische Sappeure unter
der Erillmeierhöhe aus drei Minenstollen je 7000 Kilo-
gramm Dynamit und schufen einen gewaltigen Krater-
trichter gerade an der Stelle, die auch die Russen als Haupt-
einbruchstelle erkannt und unter Ärtilleriefeuer gehalten
hatten. Das Gros der feindlichen Artillerie war bald so
vergast, dah während des Sturmes selbst jede Gegenwirkung
ausblieb. Kurz nach ein Uhr verliehen die Sturmbataillone
die Gräben, schon um drei Uhr war das befohlene Angriffs-
ziel des Tages erreicht, ja, starke Patrouillen, ganze Kom-
panien, waren schon in weiterem Vorwärtsschreiten. Da
änderte die Führung kurz entschlossen ihren Plan um und
befahl, das ganze Angriffsprogramm noch am Nachmittag
zu vollenden. Die Truppe hatte es als selbstverständlich
gar nicht anders erwartet. Jäger und Radfahrerkompanie,
holsteinische, oldenburgische und ostpreuhische Infanterie
und Landwehr wetteiferten an Schnelligkeit. Bald war
das Gut Czerwiszcze genommen und ein Regimentstab
im „weihen Hause" des Eutsparks gefangen. Drei weib-
liche Feinde, die Infanteristen gesehen haben wollen,
Leutnant z. S. d. R.
Conrad Sörensen,
Kommandant des Hilfsdampfers
„Marie", der Anfang 1916 aus
einem deutschen Hafen auslief und
allen feindlichen Nachstellungen zum
Trotz große Mengen KriegSmate-
rial in der Sudibucht in Deutsch-
Ostafrika ablieferte. Mit dem ent-
leerten Schiff gelang ihm dann
der Durchbruch nach Niederlän-
disch-Jndien, von wo aus er später
mittels eines Segelbootes Manila
auf den Philippinen erreichte.
müssen leider entkommen sein, feine Damenwäsche hat
man jedenfalls im Regimentstabsquartier mit erobert.
Gegen sechs Uhr abends gab es an der Ziegelei bei einer
Bretterwand noch kurzen Widerstand» dann stieh man rasch»
östlich an Toboly vorbei, zum Stochod vor. Drei im Kirch-
hof abgeschnittene russische Kompanien wollten noch um-
drehen und sich wehren, aber nach kurzem Bajonettkampf
gaben auch sie sich gefangen. Rach kurzer vereinigter
Feuerwirkung der Batterien setzten dann noch im Abend-
dunkel die bayrischen Reiter, auf einer Strecke von 100 bis
300 Metern zum Teil bis an Brust und Hals im Wasser,
zum Sturm auf die „Bastion" und die Kalkofenstellung an
— als um acht Uhr der Mond aufging und weihen Schein
über das Schlachtfeld warf, war der ganze Brückenkopf von
Toboly in deutscher Hand.
* *
Die Russen haben sicherlich sowohl bei der Minen-
sprengung wie im Feuer der Minenwerfer, das ihre Stel-
lungen einstampfte, große blutige Verluste erlitten. Am
meisten kostete ihnen aber der bald in regellose Flucht aus-
artende Rückzug über den Stochod. Die beiden großen
Brücken bei Rudka und Rowo Czerwiszcze lagen dauernd
im Schrapnellhagel, waren
streckenweise auch durch Gra-
natentreffer zerstört, die Hun-
derte von kleinen Stegen waren
zum Teil durch die Strömung
weggerissen, zum andern Teil
überflutet; man sah jedenfalls
von hohen Beobachtungstellen
aus, wie beim Übergang über
den Stochod Gesunde und Ver-
wundete reihenweise umsanken
und in den Fluten verschwan-
den. Die Russen gaben selbst
ihre Verluste mit der wohl rich-
tigen Zahl von 20- bis 25 000
Mann an. Über 10 000 sind
gefangen worden; am Morgen
mögen noch zahlreiche Ver-
wundete zurückgekommen sein,
aber ein starker Prozentsatz der
Verluste besteht wohltu Toten.
Das liegt einmal an der über-
wältiaendenWirkungdes Feuers
der Artillerie und Minenwerfer
der Verbündeten, das von
schneidigen österreichisch-unga-
rischen Fliegern ausgezeichnet
geleitet wurde» dann aber auch
am schlechten Ausbau der rus-
sischen Stellungen, die ebensowenig bombensicher, wie auch
nur im entferntesten menschenwürdigen und gesunden
Unterkünften ähnlich waren. Die Russen brauchen ja
nicht wochenlang vorn zu liegen, weil ihr Reichtum an
Menschen ein öfteres Ablösen als bei den Gegnern er-
möglicht. Aber den Siegern lief es schon ganz kalt über
den Rücken bei dem Gedanken, dah sie in diesen Toboly-
löchern auch nur zwei oder drei Tage hätten aushalten
sollen (siehe die Kunstbeilage). Es war da ganz „barba-
rische" Arbeit zu leisten, um aufzuräumen und gesundheit-
lich erträgliche Zustände zu schaffen. Aber diese Arbeit
wurde gerne geleistet. Denn der Sieg von Toboly hat
der Truppe neuen Mut und neuen Geist gegeben!
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b.
Oberleutnant z. S. d. R.
Carl Christiansen,
dem es glückte, im Februar 1916
sein mit Munition und anderem
Kriegsmaterial für die Schutz-
truppe in Deutsch-Ostafrika be-
ladenes Schiff durch die Kette der
englischen Bewachungsfahrzeuge
in der Nordsee und den atlantischen
Gewässern sowie an der afrikani-
schen Küste zu führen, wodurch die
Widerstandsfähigkeit der sich hel-
denmütig verteidigenden Schutz-
trüppe gekräftigt wurde.
Unter deutscher Flagge nach Ostafrika.
(Hierzu die obenstehenden Bildnisse.)
Während die deutschen afrikanischen Kolonien Togo und
Kamerun nach kurzem, heldenmütigem Kampfe der feind-
lichen Übermacht erlegen sind und auch Südwestafrika nach
längerer hartnäckiger Verteidigung sich dem General Botha
ergeben muhte, hat Deutsch-Ostafrika in einem zähen Kampfe,
der schon über zweieinhalb Jahre währt, standgehalten. An-
gesichts dieser heldenhaften Verteidigung gegenüber einer
erdrückenden Übermacht erhebt sich in Deutschland immer
wieder die Frage, wie es möglich ist, dah den deutschen
Helden in Afrika trotz fortwährender Kämpfe noch nicht die
Munition und das sonst noch erforderliche Kriegsmaterial
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
331
Jtilima in Deutsch-Ostafrika. Ansicht der Steppenlandschaft.
.■. "■ ■■
ausgegangen ist. Diese Frage hat jetzt, wie
von zuständiger Stelle bekannt gemacht wird,
ihre Lösung gefunden Deutsche Schiffe haben
es verstanden, die englischen Sperrlinien mehr
als einmal zu durchbrechen; dem Wagemute
deutscher Seeleute ist es gelungen, der Schutz-
truppe die Mittel zu verschaffen, deren sie
zur Fortsetzung des Kampfes unbedingt be-
durfte.
Im Februar 1915 fuhr ein deutscher
Dampfer unter dem Befehl des Oberleutnants
z. S. d. R. Christiansen aus einem deutschen
Hafen ab. Seine Ladung bestand aus Ge-
wehren, Maschinengewehren, mehreren Mil-
lionen Patronen, Geschützen mit Munition
und Maschinenausrüstung für den Kreuzer
„Königsberg" sowie Proviant, Bekleidungs-
und Sanitätsausrüstungen. Der Dampfer
durchbrach glücklich die Kette der englischen
Bewachungschiffe und lief im April in die
Mansabucht in Deutsch-Ostafrika ein. Erst
beim Einlaufen wurde er von dem eng-
lischen Kreuzer „Hyazinth" verfolgt und be-
schossen, geriet teilweise in Brand und ver-
sank in dem flachen Wasser. Doch war es
möglich, die kostbare Ladung zu bergen.
Als zweites Schiff lief der Hilfsdampfer
„Marie" Ende 1915 bei eisiger Kälte aus
irgendeinem deutschen Hafen aus. Sein Kom-
mandant war der Leutnant z. S. d. R. Sö-
rensen. Auch sein Ziel war Ostafrika. Seine
Ladung bestand in erster Linie aus Muni-
tion und Kriegsgeräten, mehreren tausend
Gewehren, vielen Millionen Patronen, Ar-
tilleriemunition sowie mehreren Geschützen,
Feldkanonen und Feldhaubitzen; außerdem
hatte er in großem Umfange Material zur
Herstellung weiterer Munition an Bord.
Aber die kühne Fahrt des Dampfers ent-
hält die „Berliner Äbendpost" folgende an-
schauliche Schilderung: „Die berühmten eng-
lischen Blockadelinien wurden mit Leichtig-
keit durchbrochen. Eines schönen Tages lief
die Marie ‘ in die Sudibucht ein und ging
vor Anker, während in einer Entfernung von
15 Seemeilen (28 Kilometer) nordwärts ein
englischer Kreuzer Wache hielt. Die Ladung
wurde schnell gelöscht, es wurde zur Abreise
gerüstet und alles seeklar gemacht, als am
11. April morgens zwei Uhr zwei englische
Wachtboote in die Bucht hineindampften.
Sie erblickten den Dampfer und eröffneten
aus 1500 Metern Entfernung das Feuer. Gegen
acht Uhr morgens kam ein Kreuzer und be-
gann von See aus auf einen Abstand von
5 Kilometern zu feuern. Furchtbar war
das Getöse; etwa 800 schwere Geschosse wur-
den abgefeuert und richteten großen Schaden
an. Das Feuer dauerte bis 10 Uhr vor-
mittags. Fünf schwere Geschosse trafen das
hilflose Schiff, außerdem erhielt es über 100
Treffer von kleineren Kalibern. — Es ist ein
Wunder, daß niemand von der Besatzung ge-
tötet oder verwundet wurde.
In der Meinung, ihre Arbeit getan und
das Schiff vernichtet zu haben, dampften die
Engländer ab. Nun hieß es auf der Marie',
das schwerbeschädigte Schiff, so gut es ging,
auszubessern. Als die Leute eifrig bei der
Arbeit waren, begann am 16. April von
zwei Kreuzern, zwei Kanonenbooten und
einem Wachtschiff aus die Beschießung von
neuem, die zweieinhalb Stunden dauerte.
Die Marie' wurde nicht getroffen, alle Gra-
naten wühlten sich in den weißen Küsten-
sand. Da sie auch diesmal ihre Arbeit voll-
endet zu haben glaubten, drehten die Eng-
länder ab und dampften der See zu. Nun
ging es wieder mit allen Kräften ans Aus-
bessern. Das ganze Achterdeck war ein
Jkoma in Deutsch-Ostafrika. Der Fluß Grünest!.
Blick auf den goldhaltigen Kitengeraberg in Deutsch-Ostafrika.
332
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
aufgerollter Eisenklumpen und wie ein Sieb durchlöchert.
Die Backbordseite hatten Granaten an mehreren Stellen
durchschlagen. Es war eine schwere Arbeit, aber Willens-
kraft und Ausdauer überwanden sie. Als sich das Schiff in
einigermaßen seetüchtigem Zustande befand» wurde be-
schlossen, die Bucht so bald wie möglich zu verlassen.
Am 23. April bei dunkler Nacht ging der Anker hoch»
und die stolze Marie" dampfte der offenen See zu. Ziel:
Batavia in Niederländisch-Jndien. Auf Umwegen, hart an
Klippen und Untiefen vorbei, nahm der Kapitän seinen
Kurs. Die englischen Kreuzer lagen draußen auf der
Lauer. Sollte das Schiff doch noch wider Erwarten her-
auskommen, so würde es die sonst übliche Fahrroute benutzen.
So hatten es sich die Engländer gedacht. Von der Marie"
spähten scharfe Augen in die Nacht. Es ist geglückt, sie sind
dem Feinde entronnen. Immer den östlichen Kurs ver-
folgend, gewannen die Tapferen den Indischen Ozean. In
der Sundastraße, nicht weit vom Ziel, drohte abermals
Gefahr.
In der Nacht vom 12. zum 13. Mai wurde ein holländischer
Küstendampfer von englischen Kreuzern _ angehalten und
durchsucht. Gerade um diese Zeit lief die Marie" in die
Sundastraße ein. Es war ein Wagestück auf Leben und
Tod. Immer näher ging es an der
Küste hin dem Ziel entgegen. Bald
graute der Morgen. Langsam fuhr
die Marie" der Reede von Batavia
entgegen." Die Ankunft dort schildert
ein Brief aus Makassar in fesseln-
der Weise:
„Auf der Außenreede von Batavia
war es, in der Frühe des 14. Mais.
Im Osten graute eben der Tag. Ein
englischer Frachtdampfer, der seinen
Raum voll Zucker hat, hißt gerade
seinen Anker, um in See zu gehen;
da naht in der Ferne ein Schiff.
Langsam dampft es heran und wirft
seinen Anker zwischen den deutschen
Dampfern ,Hohenfels" und ,Uhen-
fels". Was ist denn das für ein Schiff,
und wie merkwürdig sieht es aus?
Die Seeleute von den deutschen
Dampfern stehen an Deck und sehen
verwundert auf den Ankömmling.
Das Fahrzeug sieht aus, als wenn
es mit einem Taifun zu tun gehabt
hätte.
Plötzlich steigt zu aller Verwunde-
rung die deutsche Flagge an seinem
Heck empor. Welch ein Jubel, welche
Hurraschreie! Alle hatten den Damp-
fer für einen englischen gehalten,
denn Form und Bau ist nach eng-
lischer Art. Rasselnd läßt der englische Zuckerdampfer sei-
nen Anker wieder fallen. Aus Angst? Möwe"? Wer kann's
wissen? Sollten nicht unter dem Verschlag dort auf dem
Vorschiff Geschütze stehen? Der Engländer hält es daher
doch für sicherer, im Hafen zu bleiben, so lange, bis die hol-
ländischen Behörden dieses Rätsel gelöst haben. Erst nachdem
sich herausgestellt hat, daß wirklich keine Gefahr im Anzuge
ist, klariert John Bull aus und geht in See. Alles ist in-
zwischen auf den Beinen, um die tapferen Landsleute zu
begrüßen. Ruder- und Segelboote, sogar Schauerprahme
umringen das namenlose Schiff und jubeln der Bemannung
zu. Da kommt die Barkasse des Hafenmeisters mit voller
Fahrt dahergesaust. Kraft seines Amtes stürzt der Hafen-
meister an Bord. Er ist ja dazu berufen, dieses wunder-
bare Rätsel zu lösen.
,Wo kommen Sie her, und wie heißt Ihr Schiff?" —
,Deutscher Dampfer Marie' aus Deutsch-Ostafrika", ent-
gegnet der wettergebräunte, bärtige Kapitän. — »Sonder-
bar", murmelt der Beamte und stellt nun an den Kapitän
allerlei Fragen. Lächelnd beantwortet sie der Seemann.
Schließlich erklärt er, das Schiff untersuchen zu müssen.
Run beguckt der Hafenmeister sich das Schiff von oben bis
unten; zuerst auf dem Vorderdeck, wo er unter dem Segel-
werk Geschütze vermutet. Er findet nichts dergleichen. Run
das Achterschiff. Wie sieht es dort aus! Englische Geschosse
hatten sich dort mit Eisenplatten, Lukendeckeln, Scherstücken
Rumänische Treibmine.
und sonstigen Eisen- und Holzteilen herumgebalgt. Die
Maschinistenkammern sowie die Mannschaftsräume sind von
den Granaten weggeblasen. Boote, fast keine mehr, und
die Davits krummgebogen und abgeschossen. Mles ist ein
Wirrwarr. Das Deck ist wie ein Sieb, alles von Granaten
durchlöchert. Der Hafenmeister kann nur feststellen, daß
das Schiff leer ist. »Also Ladung haben Sie nicht im Schiff,
Herr Kapitän?" — »Rein, die habe ich schon gelöscht."
Aber das Schiff trug doch eine Fracht, wie sie nur je ein
Schiff getragen hat: eine Heldenschar. Zwanzig deutsche
feste Seeleute, denen der Schalk und der Mut aus den
Augen blitzten. Und ihre Führer Männer, denen der Ernst
und die Verantwortlichkeit auf der Stirne geschrieben steht.
Dazu noch zwölf stämmige Suahelineger, die darauf schließen
lassen, daß die Marie" aus Afrika kommt.
Mit dem zerschossenen Schiff ist zum ersten Male während
des Krieges Wirklichkeit zu uns gekommen und zugleich die
lebendige Botschaft von deutschem Mut und Willen. Dem
deutschen Namen hat die tapfere Besatzung der Marie" hier
in Indien alle Ehre gemacht und uns Deutschen unsägliche
Freude bereitet."
Die Abenteuer eines Teils der kühnen Seefahrer sollten
damit aber noch nicht zum Abschluß gekommen sein. Die
^Manila Weekly Times" enthält über
ihre weiteren Fahrten den folgenden
kurzen Bericht: „Kapitän Sörensen
und zwei Matrosen Jversen und
Toft von dem in Batavia inter-
nierten deutschen Dampfer Marie'
beschlossen, zu fliehen, um zu ver-
suchen, auf dem Wege über die Phi-
lippinen die Heimat wieder zu er-
reichen. Mit noch zwei anderen
Deutschen unternahmen sie die 1500
Seemeilen lange Fahrt nach Min-
danao in einem nur 20 Fuß langen
offenen Segelboot. Sechzig Tage
kämpften die tapferen Männer mit
Sturm und schwerem Seegang, der
das gebrechliche Fahrzeug stündlich
gu vernichten drohte. Während der
ganzen Zeit stand das Wasser stets
knietief im Boot. In den letzten zwei
Wochen gingen ihnen die Lebensmit-
tel aus, so daß sie bei der endlichen
Ankunft in Celebes halb verhungert
waren. Trotzdem wagten sie nach ei-
nigen Wochen Erholung in Celebes die
Weiterfahrt im gleichen Boot nach den
Philippinen. Rach unendlichen Müh-
seligkeiten glückte ihnen auch dieses
Wagestück und die tapferen Seeleute
kamen unversehrt in Manila an."
Rumänische Treibminen.
(Hierzu das nebenstehende Bild.)
Richt nur an den Meeresküsten und in den Seebecken,
auch in den großen Flüssen spielen die Minen in dem ge-
waltigen Weltkrieg eine große Rolle. Insbesondere war
die untere Donau, bevor sie ganz in die Hand der Mittel-
mächte kam, der Schauplatz des Kampfes mit Minen.
Die serbischen Minen haben die Eroberung Serbiens und
den Donauverkehr sehr erschwert. Roch lange nachdem die
tapferen deutschen und österreichisch-ungarischen Krieger die
Donau bei Belgrad und Semendria überschritten hatten,
mußten eigene Minenfänger, das sind Schiffe mit einer
rechenartigen Vorrichtung am Bug, den Strom von den ser-
bischen und russischen Minen säubern. Auch die Rumänen
bedienten sich vielfach ähnlicher Minen in der Donau, die sie
zum Teil schon in Friedenszeiten ausgesetzt hatten. Man
unterscheidet Beobachtungsminen, die vom Lande aus unter
Wasser zur Entzündung gebracht werden, und Kontakt-
minen, die sich entzünden, wenn Schiffe an sie stoßen. Die
Kontaktminen sind entweder verankert, oder sie treiben
als Treibminen im Wasser. Die Rumänen haben zumeist
die letztgenannte Art von Minen verwendet; diese hatten
den Zweck, die Schiffe der Mittelmächte und die von ihnen
geschlagenen Schiffsbrücken zu gefährden. Glücklicherweise
waren aber diese rumänischen Treibminen — deren Bau
Sie Furcht vor den deutschen U-Booten. Eine Reihe von Transportschiffen der Verbandsmächte wird von Zerstörern geleitet.
Nach einer Origtnalzeichnung von Professor Willy Stöwer.
-- ——
334 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
das Bild auf Seite 332 zeigt — meist sehr schlecht ge-
arbeitet und ganz veralteter Art. Sie waren oft mit unzu-
länglichen Mitteln hergestellt, vielfach sehr schlecht gefüllt
und gingen in der Mehrzahl der Fälle nicht los.
Das Schutzgeleit von Handelschiffen.
«Hierzu das Bild Seite 883.,
In von Monat zu Monat steigendem Maste verringern
die deutschen ll-Boote und Minen die Handelschiffsbestände
der Vierverbandstaaten. Dem jetzt recht bescheiden an-
mutenden Ergebnis des ersten Monats des ll-Boot-Kreuzer-
krieges, des Februars 1915, nämlich 33 000 Bruttoregister-
tonnen, standen im Jahre 1917 als Ausbeute des Monats
März '885 000 Bruttoregistertonnen gegenüber. Zur un-
angenehmen Überraschung des seegewaltigen England stellte
sich heraus, datz sich seine riesige Kriegsflotte den O-Booten
gegenüber als ohnmächtig erwies. Ein Heer von Erfindern
und Entdeckern war tätig, um
geeignete Abwehrmatzregeln zu
schaffen, doch blieb alle Mühe
vergeblich. Millionen und aber
Millionen wurden für Netze,
Minen, ll-Bootjäger und D-,
Bootfallen ausgegeben; allein
die Netze kosteten nach eng-
lischen Angaben 1,5 Milliarden
Mark. Es hat alles nichts ge-
nützt. Die einzelnen Häfen
konnten durch Netz- und Mi-
nensperren wohl geschützt wer-
den, aber auf offener See gab
es kein wirksames Abwehrmit-
tel, besonders nachdem die
Tauchboote infolge des Be-
ginns des uneingeschränkten
ii-Bootkrieges innerhalb der
Sperrgebiete nicht mehr an die
Regeln des Kreuzerkrieges ge-
bunden waren und die dort
angetroffenen Schiffe ohne
nochmalige besondere Warnung
versenkt werden durften.
Zum Schutze der Handel-
schiffe griffen deshalb die West-
mächte zu einem Mittel, das
an längst verflossene Zeiten er-
innerte; es ist das Geleiten
— Convoyieren—einer Samm-
lung von Dampfern durch eine
Anzahl von Kriegschiffen. Nach
der Entdeckung Amerikas und
des Seeweges nach Ostindien
galt es bis zu den ersten Jah-
ren des 19. Jahrhunderts, die
wertvolle Ladungen tragenden
Handelschiffe gegen feindliche
Angriffe und Freibeuter auf
den langen Fahrten zu schützen.
Die Seekriegsgeschichte ist reich an ruhmvollen Schilderungen
der sich um diese Geleitzüge häufig entspinnenden Kämpfe.
Zur Zeit der Segelschiffe war es schon nicht leicht, einen
solchen Verband einigermaßen beieinander zu halten, trotz-
dem alle Schiffe gleichmäßig auf dasselbe Bewegungsmittel,
den Wind, angewiesen waren. Reeder und Kapitäne gut
segelnder Schiffe ließen sich auch meist nur nach Androhung
von Strafen dazu bewegen, ihre Schiffe einem Eeleitzuge
anzuschließen.
Im Zeitalter des Dampfes macht das Zusammenstellen
und das Sichern eines solchen Transportes ungleich größere
Schwierigkeiten, da sich seine Fahrgeschwindigkeit nach dem
langsamsten Schiffe richten muß. Die Handelsdampfer sind
je nach ihrem Zweck und ihrer Größe als Fracht- oder Passa-
gierschiffe so gebaut, daß sie möglichst sparsam arbeiten.
Jede technische Neuerung, die diesem Zwecke dient, wird
bei Neubauten berücksichtigt. Bei dem schnellen Fortschrei-
ten der Technik liegt es auf der Hand, daß es nicht so
leicht ist, eine Anzahl Schiffe zusammenzustellen, deren Ge-
schwindigkeit annähernd gleich und dabei doch so groß ist,
daß sie einem getaucht fahrenden 1I-Boot entfliehen können.
Zur Bildung eines solchen Zuges bedarf es längerer
Vorarbeiten. Schiffe müssen aus ihren bisherigen Fahrten
herausgezogen werden, die Ladungen sind nach dem ge-
meinsamen Auslaufhafen zu leiten, Liegeplätze sind für die
abgefertigten oder noch abzufertigenden Dampfer zu schaffen,
die Schiffsführung muß das Fahren im Verbände, das
durchaus nicht so einfach ist, üben — kurz, es gehen Zeit
und Geld verloren. Für die das Geleit gebenden Krieg-
schiffe ist die Aufgabe auch nicht leicht. Wollen sie den
Schutz wirksam ausüben, so ist es nötig, daß sie die Fracht-
schiffe dauernd umkreisen wie Schäferhunde die Herde, und
sie müssen vor allem auch in genügender Zahl vorhanden
sein. Auf kurze Strecken, wie im Kanal zwischen England und
Holland, genügen hierfür Zerstörer, für größere Entfer-
nungen bedarf es der Einstellung von Kreuzern, die eine
Menge Betriebstoffe verbrauchen, die an anderer Stelle
vielleicht besser zu verwenden wären, abgesehen davon, daß
eine große Anzahl von Menschen anderem Sicherungsdienst
entzogen wird. Es dürfte den
Admiralitäten der Westmächte
nicht leicht werden, die zum
Geleiten notwendigen Krieg-
schiffe bereitzustellen. Und zu
ihrem Kummer mußten sie
sehen, daß auch dieses Schutz-
mittel nicht genügt, denn nach
den Bekanntmachungen des
deutschen Admiralstabes sind
sowohl in der Nordsee wie im
Kanal, im Atlantik und im
Mittelmeer von den bi-Booten
Schiffe trotz starken Schutzge-
leites versenkt worden.
Die derPerson Seiner
Majestät des Deut-
schen Kaisers zugeteil-
ten Offiziere der mit
dem deutschen Heere
verbündeten Armeen.
Von Generalleutnant 3. D. Baron
v. Ardenne.
(Hierzu die Bilder Seite 335.)
Nach Beendigung der Be-
freiungskriege kamen die Mo-
narchen von Rußland und
Preußen überein, als Zeichen
dauernder Hochachtung und
Freundschaft je einen General
zu tauschen, der lediglich der
Person des befreundeten Herr-
schers zu besonderem Dienst
zugeteilt bleiben sollte. Diese
Generale hatten nicht etwa die
Stellung von Militärbevoll-
mächtigten oder Attaches der
betreffenden Botschaften, sondern bildeten lediglich einen Teil
der Gefolgschaft der Staatsoberhäupter, denen sie, wie man
sagte, akkreditiert waren. Sie waren also Generale a la suite
in des Wortes eigentlichster Bedeutung. Da sie meist sehr
lange in ihrer Stellung blieben, so war es natürlich, daß
sie mit ihren hohen Herren in vertraulichere Beziehungen
kamen als wie zum Beispiel die Chefs der militärischen
Missionen, die den diplomatischen Vertretern ihrer Staaten
für kürzere Zeit beigegeben waren. So hatte zum Beispiel
der preußische General v. Werthern am Petersburger
Hofe so sehr die Achtung und Wertschätzung dev Zaren
Alexander des Zweiten und Nikolaus des Zweiten zu
gewinnen gewußt und war deren Familienleben so nahe
gekommen, daß er, ohne es in seiner Bescheidenheit zu
wollen, ein Faktor geworden war, mit dem gerechnet werden
mußte. Auch der russische General Schuwalow erfreute sich
hoher Sympathie bei Kaiser Wilhelm dem Ersten. Dem
jetzigen Deutschen Kaiser sind nun von seinen Verbün-
deten auch Offiziere kommandiert worden, die dauernd in
seinem Gefolge verbleiben sollen. Da sie Seine Majestät
auch ins Feld zu begleiten haben, so ist es natürlich, daß ihre
Phot. W. Gircke, Berlin.
Prinz Zia Eddin Effendi (1), der älteste Sohn des Sultans, dev
den vom Sultan dem Deutschen Kaiser verliehenen Ehrensäbel
überbrachte, bei seinem Aufenthalt in Berlin. In seinem Gefolge
befinden sich Generalleutnant Zekki Pascha (2), Tewfik Bei (3),
erster Kammerherr und Oberhofmarschall, und Salih Pascha (4),
Generaladjutant.
Phot. Berl. Jllustrat.--Ges. m. b. H.
ilgarische Milikärbevoll--
te und Flügeladjutant
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
K.u.k. Generalmajor Alois Ritter
Klepsch Kloth v. Roden.
Tätigkeit einen mehr militä-
rischen als höfischen Einschlag
erhält. Sie sind gewissermaßen
Verbindungsglieder des ober-
sten Kriegsherrn mit dessen
verbündeten Armeen gewor-
den. Man könnte sie beinahe
als Nachrichtenoffiziere be-
zeichnen, die bestimmte Wün-
sche nach beiden Seiten über-
mitteln beziehungsweise ent-
gegennehmen, Aufklärungen
über das und jenes erteilen
und Anfragen beantworten.
Natürlich gilt das nur mit ge-
wissen Einschränkungen, die
Bescheidenheit, Takt und
kluge Beurteilung als Gren-
zen erscheinen lassen. Die
drei Offiziere nun, die die
Verbündeten der Deutschen
in diese hohe Vertrauen-
stellung entsandt haben, sind
folgende:
1. Der k. u. k. General-
major Alois Ritter Klepsch
Kloth v. Roden. Er ist für
Kaiser Wilhelm kein Fremder,
da er schon mehrere Jahre
vor seiner am 17. Oktober 1916
erfolgten Ernennung Militär-
attache bei der Österreichisch-
ungarischen Botschaft in Ber-
lin und seit anderthalb Jahren
zur deutschen Obersten Heeresleitung kommandiert war.
Auf Wunsch des Kaisers Franz Joseph blieb er auch Flügel-
adjutant. Es galt dieses Verhältnis als besondere Auf-
merksamkeit und „Courtoisie" des greisen Monarchen.
2. Der osmanische Generalleutnant Zekki Pascha, bisher
Militärbevollmächtigter beim Deutschen Kaiser. Auch er
verbindet diese Stellung mit der eines Generaladjutanten.
Er soll die Energie En-
ver Paschas und ein fel-
senfestes Vertrauen in
den Sieg der Mittel-
mächte besitzen.
3. Der bulgarische bis-
herige Militärbevoll-
mächtigte und Flügel-
adjutant Oberst Ean-
tschew, ein Offizier, auf
den sich viele Hoffnun-
gen der bulgarischen Ar-
mee vereinigen.
Wenn Napoleon der
Erste öfters gesagt hat:
L’homme fait Fepoque
— der Mann schafft sein
Zeitalter —, so kann von
den genannten Offizie-
ren gesagt werden: der
Mann schafft sich seine
„Stellung".
Sie können diese
ausbauen und zu einer
bedeutenden gestalten,
wenn sie hohe militä-
rische und diplomatische
Eigenschaften besitzen.
Strategischer
Rückzug.
Von Franz Carl Endres.
Mit dem Wort „Rück-
zug" wird im alltäglichen
Leben eine ganze Reihe
von Begriffen bezeichnet,
die sehr verschiedener
Natur sind, sowohl was
Der bulgarische
rnächtigte und
Oberst
ihre Beweggründe., als auch
was die Form ihrer Durch-
führung betrifft. Schon die
Unterscheidung freiwilliger
oder unfreiwilliger Rückzug
teilt den allgemeinen Begriff
den Ursachen nach in zwei
große Gruppen ein. Diese
Unterscheidung ist aber nur
sehr grob, denn wenn wir
schärfer nachdenken, werden
wir zugeben müssen, daß je
der Rückzug im letzten Grunde
unfreiwillig ist. Wir bezeich-
nen mit einem freiwilligen
Rückzug einen solchen, der
zwar vom Gegner veranlaßt,
aber nicht erzwungen ist, der
schließlich auch unterbleiben
könnte» wenn man die aus
seinem Unterlassen ent
stehende Verschlechterung der
Lage mit in den Kauf neh-
men will. Es ist das also ein
Rückzug, der noch der Über-
legung des Feldherrn sein
Dasein mit verdankt, während
der unfreiwillige Rückzug au-
tomatisch eintritt oder ganz
kurze Zeit vor diesem sicher
erwarteten automatischen
Eintritt befohlen wird und
lediglich in der Art seiner
Durchführung noch vom Füh-
rer beeinflußt werden kann. Ein solcher Rückzug tritt ein nach
verlorener Schlacht. Der freiwillige Rückzug aber will die
unangenehme Lage unter Vermeidung der Schlacht ver-
bessern, beispielsweise indem die Armee auf heranrückende
Verstärkungen zurückgeht, um nach der Vereinigung mit
diesen offensiv zu werden, oder die Verteidigung bis zur
Entscheidung durchzufechten oder indem die Armee ausweicht,
um Zeit zu gewinnen.
Sie setzt dann verlorenen
Raum in gewonnene
Zeit über. Das wird der
Führung angenehm sein
in all den Fällen, wo ihr
weniger am Raum als
an der Zeit liegt. Sie
wird sich um so leichter
mit einem derartigen
Raumverlust abfinden,
wenn sie im Feindes-
land steht, es also nicht
die eigene Heimat ist, die
sie durch ihr Zurückgehen
dem Feinde preisgibt.
Wir unterscheiden
weiterhin „konzentrische"
und „exzentrische" Rück-
züge, von denen, kurz
gesagt, die ersteren aus
breiter Front in schmale
oder aus getrennter Auf-
stellung in vereinigte
(sogenannte Konzentra-
tionen nach rückwärts),
die letzteren umgekehrt
aus schmaler in breite
Front oder aus vereinig-
ter in getrennte Auf-
stellung führen.
In welchen Fällen
diese oder jene Art zu
wählen ist, kann hier nicht
näher auseinandergesetzt
werden» denn es liegt
uns ja nur daran, die
Begriffe für den Laien
ein wenig zu klären.
Phot. Berl. Jllustrat.-Gef. m. b.
Zekki Pascha, Generalleutnant und Generaladjutant.
336
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Geht ein Teil einer größeren Gruppe zurück, ohne daß
die Eesamtabsicht sich ändert, lediglich zu dem Zwecke, bes-
sere Kampfverhältnisse zu gewinnen, so ist ein solches Ver-
fahren ein taktischer Rückzug; geht aber, eine Gesamtheit
zurück, um eine Aufgabe, die ihr gestellt ist, auf andere
Art und in anderer Gruppierung zu lösen, so handelt es
sich um einen strategischen Rückzug.
Hindenburg hat durch die Zurücknahme von Teilen der
deutschen Westfront offenkundige Vorteile errungen.
Die deutschen Truppen sind zum großen Teil aus stark
zerschossenen in ganz neue, mit allen Mitteln permanenten
Festungsbaues errichtete Stellungen gelangt. Das erleichtert
die Verteidigung und erspart Truppen, weil es immer als
Regel anzusehen ist, daß je besser eine Stellung ist, desto
weniger Truppen zu ihrer Verteidigung nötig sind.
Eine weitere Ersparung an Truppen ist auch dadurch
erreicht worden, daß die neue Front, die, ganz allgemein ge-
sprochen, in der Linie Lens—St. Quentin—La-on läuft, die
Sehne des Bogens Arras—Royon—Caissons—Reims dar-
Eeschick diesen Rückzug ausgeführt haben, zwischen sich und
den Gegner eine völlig kahle, völlig zerstörte Zone ließen.
Der Feind fand keine Unterkunft, kein Wasser, keine Deckung,
keine Transportmöglichkeit. Dadurch und durch zäh fest-
haltende, wenn auch schwache Nachhuten wurde sein Nach-
gehen noch mehr verlangsamt, der Zweck des Zeitgewinns
in noch höherem Maße erreicht. i
Die Wirkung auf den Gegner war doppelt. Jeder
Rückzug erzeugt im Feinde zunächst das Gefühl der Er-
leichterung und erhöht seine Stimmung. Das konnte auch
hier nicht vermieden werden. Namentlich in der Presse fand
dieses Gefühl in Frankreich einen ganz gewaltigen Ausdruck.
Auch in der französischen und wohl auch in der englischen
Armee entstand das Gefühl des Sieges, das ganz natürlich
von der Führung gepflegt und gehegt wurde.
Diesem Massengefühl widersprechend und entgegen-
gesetzt, war das Gefühl bei der feindlichen Führung von
Anfang an mehr das der Verlegenheit. Besonders die
führungstechnisch wenig geschulte englische Armee, die den
Denkn, alsenthüllung auf dem Heldenfriedhof Vieville-sous-les-Cotes, auf dem über 1000 Gefallene ruhen.
stellt und als solche ganz wesentlich kürzer ist. Kürzere Fron-
ten sind aber mit weniger Kräften zu halten als längere.
Diesen wesentlichen Erleichterungen der eigenen Auf-
gabe stehen nun beträchtliche Erschwerungen der feindlichen
gegenüber. Engländer und Franzosen waren zum doppel-
seitigen Angriff mit den ungefähren Hauptrichtungen
Peronne—St. Quentin (Engländer) und. Soissons—Laon
(Franzosen) bereit. In dem Augenblick, in dem ihr er-
hobener Arm niedersausen sollte, wich Hindenburg aus.
Im modernen Stellungskrieg kann ein Angriff nicht so
einfach vor sich gehen wie im Feldkrieg — er bedarf wochen-,
ja monatelanger Vorbereitung. Der ganze riesige Apparat
der Befehlsübermittlung muß neu geschaffen werden, die
Truppen müssen in der Sturmstellung eingerichtet sein, die
Artillerie muß ebenfalls in weit vorgezogenen Stellungen
bereit und mit riesigen Munitionsmengen versehen sein.
All das war vor den alten deutschen Stellungen bereits in
vollendeter Weise fertig. - Nun mußte diese ganze Vorbe-
reitung noch einmal vom Feinde vor der neuen deutschen
Stellung bewerkstelligt werden.
Dazu kam, daß die Deutschen, die mit meisterhaftem
Deutschen nördlich von der Querlinie Ham—St. Quentin
folgte, wußte sich mit der veränderten Sachlage nicht ab-
zufinden. Sie ging nur zögernd und in steter Angst vor
Fallen Hindenburgs vor, während sich die ungleich ge-
wandtere französische Armee der neuen Lage gegenüber
wesentlich geschiÄer erwies. — Die deutschen Truppen
haben in der Sicherheit, daß Hindenburgs Rückzüge nur
Vorbereitungen eines Sieges sind, von den moralischen
Schädigungen, die fast allen Rückzügen anhaften, nichts ver-
spürt. Die Erinnerung an ähnliche, den Sieg vorbereitende
Rückzüge in Polen war wirksamer als die äußere Erschei-
nungsform gegenwärtigen Handelns. Die gleiche merk-
würdige, psychologische Rückwirkung zeigte sich auch in der
Masse des deutschen Publikums. Die Armeen überließen
mehr als 2000 Quadratkilometer dem Feind, und ganz
Deutschland jubelte über diese Tatsache, betrachtete sie als
einen Sieg und schätzte sie ein wie eine gewonnene Schlacht.
Und das nicht etwa, weil die Allgemeinheit die Ursachen
und die taktisch-strategischen Vorteile dieser Bewegung er-
kannt oder gewürdigt hätte, sondern nur aus dem ein-
zigen Grunde, weil Hindenburg es so angeordnet hatte.
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17
(Fortsetzung.»
In dem von den Deutschen in Frankreich freiwillig
geräumten Gebiet zwischen der Scarpe und der Aisne kam
es zu Anfang des Aprils häufig zu Zusammenstößen, die
mitunter ein schlachtartiges Gepräge trugen. In der
Hauptsache handelte es sich um Angriffe der Franzosen auf
St. Quentin; daneben richteten sich die Kampfhandlungen
der Franzosen und Engländer aber auch gegen die Flügel-
punkte der aus ihrer Erstarrung herausgetretenen Linie.
Die Räume von Arras und Caissons waren die gegebenen
Angriffsgebiete, denn an beiden Stellen war die deutsche
Front zum Teil noch in der Bewegung und konnte vielleicht
auch im Fluß gehalten werden; unmittelbar daneben war
im Norden und im Süden je ein fester Widerstandspunkt
der Deutschen, der überrannt und nach Möglichkeit in die
Strömung hineingerissen werden mutzte. Das war die
Hauptaufgabe der Feinde, wenn sie einen neuen großen
Durchstoß versuchen wollten. Um ihn zu erreichen, legten
die Engländer, die diesmal die Angriffsbewegung eröffneten,
von Ende März ab ein in solcher Wucht noch nie dagewesenes
Artillerie- und Minenwerferfeuer auf die deutschen Linien
bei Arras, das volle zehn Tage ununterbrochen anhielt. In
mehreren Linien hintereinander standen die Staffeln der
englischen Geschütze und warfen nach den eigenen Angaben
der Feinde we-
nigstens vier
Millionen Ge-
schosse auf die
deutschen Grä-
ben. Die Hölle
der Schlacht
an der Som-
me wurde
durch dieses
Feuer noch
übertroffen.
Es beschränkte
sich nicht nur
auf die Ge-
gend um Ar-
ras , sondern
es erstreckte
sich auf die
ganze Linie
von Lens bis
nach St.
Quentin.
Montag,
den 9. April,
morgens halb
sechsUhr,brach
die englische
Infanterie
auf einer über
zwanzig Kilo-
meter breiten
Front Zwi-
schen LenS und St. Quentin zum Angriff vor; die vierte
Schlacht von Arras begann. Im Dezember 1914 hatten
dort Franzosen in blutigem Ringen mit unverhältuismäßigen
Opfern kleine Verbesserungen ihrer Front an der Loretto-
höhe erzielen können. Im Mai 1915 war ihnen dann unter
weiteren großen Verlusten die Lorettohöhe selbst zugefallen,
und im September desselben Jahres hatten sich Franzosen
von ihrem Stützpunkte Arras aus und die anschließenden
Engländer im Raume von Loos ein wenig in der Rich-
tung auf Givenchy, Neuville und die Höhe von Mmy vor-
gearbeitet. Nun traten die Engländer allein zur vierten
Schlacht bei Arras an, die zu beiden Seiten der Scarpe in
der Richtung auf Lens, Douai, Cambrai und St. Quentin
strahlenförmig von Arras aus geführt wurde (siehe Bild
Seite 338).
Als die englische Infanterie ihre Gräben verließ, regnete
es in Strömen. In der Dunkelheit der frühen Morgen-
stunde kletterten die Feinde über ihre Brustwehren hinweg,
wobei ihnen Raketen den Weg in die zerschossenen deutschen
Linien wiesen. Dort wurden sie von Bayern, Württem-
bergern, die sich unter Führung der Generalleutnante
v. Moser und v. Hofacker (siehe die untenstehenden Bilder)
wieder ganz hervorragend bewährten, und Hanseaten emp-
fangen, deren Löwenmut das Durchbrechen der deutschen
Stellung verhinderte. Die Engländer mußten sich mit dem
Einbruch in die Gräben begnügen und konnten trotz ihrer
gewaltigen Übermacht und ungeheuren Verluste das er-
strebte Ziel nicht erreichen. Um so stärker bauschten sie
die Erfolge auf, die si: tatsächlich errungen hatten.
Die ungewöhnlich wuchtige Vorbereitung des Vorstoßes
hatte, wie schon bei allen früheren Angriffen gegen die
Deutschen, nur bewirkt, daß die vordersten zur Verteidigung
ungeeignet gewordenen deutschen Stellungen durch eine
Übermacht der Feinde besetzt werden konnten. Die Eng-
länder hatten auf diese Weise die Linie von Eivenchy-en-
Eohelle, dem nördlichsten Punkt ihres Sturmlaufes, der
elf Kilometer nördlich von Arras liegt (siehe die Karte
Seite 338), bis zu dem neun Kilometer südöstlich von dort
befindlichen Orte Henin im großen und ganzen in ihren
Besitz gebracht. Das bedeutete aber nicht den Sieg, am
allerwenigsten den Durchbruch. Der Hauptstoß traf den
Schnittpunkt der alten und neuen deutschen Linien südlich
von der Scar-
pe , wo die
Ortschaften
Tilloy-les-
Mouflaines
und Neuville-
Vitasse vorn
Feinde besetzt
wurden. Öst-
lich von Arras
blieben Athics
und Feuchy in
seiner Hand,
die beide zwei
Kilometer öst-
lich von dem
vorher unmit-
telbar in die
deutschen Li-
nien einge-
schlossenen St.
Laurent-
Blagny lie-
gen. An der
Straße Lens
—Arras gaben
die Deutschen
die Dörschen
Thelus, Les
Tilleuls und
Givenchy
(siehe das Bild
Seite 339) auf.
Südöstlich von diesem Orte liegt die 147 Meter hohe Vimy-
höhe, um die äußerst heftige Teilgefechte entbrannten.
Hier, an dem gefahrvollsten Punkte der angegriffenen deut-
schen Stellungen, fochten Kanadier, die auch diesmal von
den Engländern wieder da ins Feuer geführt wurden,
wo die härtesten Kämpfe zu erwarten waren und es
voraussichtlich das meiste Blut kosten würde.
Die Verluste der Deutschen waren ebenfalls nicht leicht.
Der schweren Beschießung zu entrinnen war, auch wenn
es beabsichtigt gewesen wäre, nicht möglich, weil die Feinde
hinter die vorderen deutschen Gräben ein undurchdring-
liches Sperrfeuer richteten, das auch die Fernsprechverbin-
dungen mit der weiter hinten befindlichen höheren Führung
unterbrach, so daß die Kämpfer vorn sich völlig selbst über-
lassen blieben und die Engländer hier auch eine Anzahl
Gefangene machen konnten.
_ Schon am 10. April war es offenbar geworden, daß die
Feinde ihren Durchbruch nicht mehr erzwingen konnten.
Die große Schlacht begann sich in zahlreiche Einzrlkämpfe
Gesetzlich vorgeschriebener Wortlaut sür den
VI. Band.
Schlitz gegen Nachdruck in Amerika: Copr., 1917
by Union Deutsche Vcrlagsgesellschast in Stuttgart.
43
Hofphot. Andersen, Stnllgart.
Generalleutnant v. Moser. Generalleutnant v. Hofacker.
Zwei verdienstvolle württembergische Heerführer, erhielten den Orden ?our Is Nörittz. Die von ihnen geführten
tapferen Truppen hatten sich in der Schlacht bei Arras wiederum ausgezeichnet geschlagen und den Engländern
keinen Fußbreit Boden überlassen.
in»...... 'IM
338
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
» \ lorgies jf
***** » \M,3ivr-~{
»o
aufzulösen. Die Engländer griffen mit starker Infanterie
vergeblich bei Fampour an; bei Roeur, südöstlich davon,
schickten sie Reitermassen vor, die in den dichten Feuer-
garben deutscher Artillerie und Maschinengewehrabtei-
lungen furchtbar zugerichtet wurden. Ein Mitkämpfer gibt
davon folgende anschauliche Schilderung:
„Aus dem grauen wogenden Morgennebel brachen dunkle
Massen hervor, die sich mit unheimlicher Schnelligkeit
näherten. Englische Reiterregimenter waren es, soweit
das Auge reichte, eine einzige gewaltige Reitermasse. Die
Kompanien links von uns schossen schon auf weite Ent-
fernung, was aus dem Lauf heraus wollte. Bei uns je-
doch blieb es wie auf Kommando noch still, nur einige
Hitzköpfe gaben einige Schüsse ab. Die sechs Maschinen-
gewehre, die in der Ferme nebenan lagen, blieben auch
noch still, obgleich ich sehen konnte, wie die Bedienung un-
geduldig und aufgeregt wurde. Der Führer, ein Ober-
leutnant, ging von einem Gewehr zum anderen und be-
schwichtigte die fiebernde Mannschaft. Noch waren die
Feinde nicht nahe genug, es dauerte überhaupt länger, als
wir gedacht hatten, weil die Reiter, von der Infanterie links
von uns stark unter Feuer genommen, eine scharfe Schwenkung
machten. Nun hatten wir sie fast in
der Flanke und zitterten vor Erregung.
Endlos lang dehnten sich die Minuten.
Die Spannung aller Nerven war un-
geheuer. Wie durch einen Schleier
sah ich die graue Masse heranjagen,
die Offiziere mit hochgeschwungenen
Säbeln vor der Front der englischen
und bengalischen Reiter. Ich spürte,
wie der Boden unter den Tausenden
von Pferdehufen bebte, und wie das
Donnern gewaltiger, brechender Mee-
reswogen klang das Nahen der feind-
lichen Massen — drohend, beängsti-
gend. Ich warf einen Blick in die
Gesichter meiner Leute. Blatz vor Er-
regung waren sie alle, doch von Furcht
keine Spur. Was kümmerten uns jetzt
die feindlichen Granaten und Schrap-
nelle, die uns mit ihrem Segen über-
schütteten, die vor, hinter und neben
uns platzten und manchen braven Ka-
meraden stumm machten! Was küm-
merte uns der freche Flieger, der kaum
150 Meter über uns hinwegstrich und
uns aus einem Maschinengewehr be-
schotz! Wir hatten nur Augen und Ohren für das, was da
vor uns geschehen sollte. Da waren die verhaßten Eng-
länder, wunderbare Ziele, die wir uns nicht entgehen lassen
durften. Der lange aufgesparte Hatz, die mühsam zurück-
gedrängte Wut mutzten jetzt ihre Befriedigung finden. Näher
und näher kamen die Reiterregimenter, jetzt waren sie noch
300 Meter von uns entfernt, jetzt 280 ... 270 ... 250 Me-
ter und ... da hielt uns nichts mehr zurück, keine Macht
der Erde hätte uns vom Schietzen abhalten können. Ein
wilder Schrei ging durch unsere Reihen, ein Schrei, in
d»m sich all das ungeheure Erleben, die furchtbare Nerven-
spannung der letzten Minuten Luft machte. Da zerriß auch
der Schleier, der vor meinen Augen gelegen hatte. Klar
und scharf sah ich den Feind in fast greifbarer Nähe, klar
und scharf gab ich die Befehle weiter, und ganz ruhig war
die Hand, die jetzt das Gewehr auf die vordersten Reiter
richtete.
Und dann ging's los------------. Neben mir, hinter mir,
über mir krachte, sauste und heulte es. Der reinste Hexen-
sabbat um mich herum. Unsere Maschinengewehre rasten
förmlich, eins suchte das andere womöglich noch zu über-
bieten. Und hinter uns, zwei Feldbatterien, arg zerschossen
zwar schon, jagten ihre letzte Munition dem Feinde entgegen.
Und wir, Mann für Mann, schossen — schossen — schossen.
Wir schossen mit einer wilden Freude, mit einer grimmigen
Genugruung, endlich einmal mit den Engländern richtig
abrechnen zu können. Mit gieriger Hast griff ich nach dem
zweiten Patronenrahmen, nachdem der erste verschossen war.
Nochmals laden ging nicht mehr. Bier — fünf Pferde,
schaumüberspritzt, mit braunen heulenden Kerlen darauf,
waren herangekommen. .Handgranaten 'raus!‘, und ...
da flog auch schon die erste, von meinem Nebenmann ge-
schleudert, den Pferden vor die Beine, eine zweite kam
gleichzeitig von woanders her, fast ein Krach, und vor uns
wälzte sich eine wirre Masse in Todeszuckungen. , Neue
Pferdeleiber tauchten auf, wilde Schreie gellten an unsere
Ohren, blutunterlaufene, mordgierige Augen stierten uns
an, graue Lanzen, blitzende Säbel drohen, verlangen unser
Leben, wollen uns vernichten . . . Die Handgranaten
fliegen, und neue zuckende Hügel türmen sich auf. Eine Barri-
kade aus Tier- und Menschenkörpern vor unseren Linien, ein
Hindernis für die noch Anstürmenden. Doch die Flut hört
auf, die Reiterwogen ebben zurück. Vergeblich war ihr
Ansturm, zerschellt ihre wilde Kraft an unseren Linien.
Die keuchenden Pferde rasen zurück über die Leichen
ihrer früheren Herren, um dem Tode zu entgehen. Doch
der Tod folgte ihnen. Aus den Hunderten wurden Tau-
sende, und immer noch mähte der Tod unerbittlich, er-
barmungslos. Unsere Maschinengewehre knatterten weiter,
das Wasser in ihren Mänteln kochte, glühend heitz waren
die Rohre — .ganz gleich, wenn die Waffe auch unbrauch-
bar wird, nur weiterschietzen, weiterschietzen!' —
Auch ich fand jetzt Zeit, neu zu laden und zu schießen,
wie alles rings um mich her, bis das Krachen, Heulen und
m
(v.v;: *
<■]
WM.
■ * r - -;‘4‘
Phot. Hanns Eder, München.
Vorgeschobene Stellung der deutschen Linie an der Straße 2lrras—Cambrai.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
339
Sausen allmählich erstarb. Tief atmete ich auf: das war
überstanden! War das ein Erfolg; die feindlichen Regi-
menter so gut wie aufgerieben! Die ganze weite Ebene war
bedeckt mit toten und verwundeten Menschen und Pferden.
Traurige Überreste der Regimenter jagten zerstreut schon
weit, weit am Horizont davon. Und ihnen nach bellten
noch die Maschinengewehre eines seitwärts liegenden Ba-
taillons." —
Erbittert geführte Gefechte tobten südlich von Roeur
um Monchy und Wancourt, wobei es den Engländern,
nachdem sie unter bedeutenden Verlusten für sie mehrfach
abgeschlagen worden waren, gelang, Monchy zu erobern.
Dagegen wurden südlich und nördlich von dem Orte ihre
durch Panzerwagen unterstützten Kavallerie angriffe (siehe
Bild Seite 341) äußerst blutig zurückgewiesen. In der Nähe
von Bulle court nahmen die Deutschen ihren Feinden bei
einen: Gegenstoß sogar über 1000 Gefangene und 25 Ma-
schinengewehre ab.
Auf de m nördlichen Ufer der Scarpe waren die Deutschen
am 11. April bis vier Kilometer weit zurückgegangen, um
Die iu den nächsten Tagen nördlich von der Scarpe ein-
getretene Ruhe benützten die Deutschen am 13. April,
um Teile ihrer alten Linien an diesem Frontstück aufzugeben
und dadurch die vom Feind vorgetriebenen Keile und Ein-
buchtungen wieder auszugleichen.
Erst am 17. April wurde der Artilleriekampf an einzelnen
Teilen der Front bei Arras wieder lebhafter; seine Wucht
steigerte sich bis zum 21. April und nahm hauptsächlich im
Raume von Loos besonders heftige Formen an. Die
Engländer leiteten mit dem neuen Vernichtungsfeuer den
zweiten Teil der Schlacht ein.
Der wichtigste Verteidigungsblock, der den Engländern
ein schweres Hindernis bot, war Lens. Von Norden, Westen
und Süden her suchten sie dort die Stellungen ihrer
Gegner zu zermalmen und sturmreif zu machen, wo
die Deutschen in den vielen Arbeiterhäusern, die zwischen
Lievin und Lens in weitem Umkreise in Gruppen oder
einzeln stehen, wertvolle Stützpunkte fanden. Erst nach
fünf Tagen schwerster Artillerie Wirkung, aur 22. April,
wagten die Engländer den Jnfanteriestoß anzusetzen.
Phot. Prefse-Photo-Vertrieb, Berlin.
Der vollständig zusammengeschossene Ort Givenchy nördlich von Arras.
sich nicht unnötigen Einbußen auszusetzen, die ihnen der
Feind von den durch ihn eingenommenen und einen guten
Überblick gewährenden Höhen aus hätte zufügen können.
Die Geschütze, die sie bei dem raschen Ausweichen zurück-
ließen, waren durch Sprengung unbrauchbar gemacht
worden. An der Vimyhöhe vermochten sich Kanadier unter
wahren Strömen von Blut vorwärts zu arbeiten, während
alle englischen Unternehmungen am Ausläufer des Vimy-
rückens bei dem Dorfe Farbus scheiterten. Die von den
Engländern an diesem Tage ins Treffen gebrachten Panzer-
wagen (siehe Bild Seite 344) erfüllten die in sie gesetzten
Hoffnungen keineswegs; von 25 dieser Ungetüme entging
nur ein Viertel dem wohlgezielten deutschen Artilleriefeuer.
Am dritten Tage der großen Schlacht suchten die Feinde
über Souchez hinaus und westlich von Angres gegen Lens
vorzudringen. Daneben griffen sie zwischen der Straße
Arras—Eavrelle und dem Nordufer der Scarpe wieder
mit zwei Divisionen an; doch zeigte sich immer mehr,
daß sie nennenswerten weiteren Raumgewinn kaum noch
erzielen konnten, nachdem die Zurückgebogenen deutschen
Linien der Beschießung durch die noch nicht vorgezogene
feindliche Artillerie nicht mehr so stark ausgesetzt waren.
Die Schlacht bei Arras bildete trotz ihrer großen Aus-
dehnung nur einen Teil des Planes der Feinde, durch dessen
Ausführung die Deutschen endlich aus Frankreich und Bel-
gien vertrieben werden sollten. Bei Arras sollten nur starke
deutsche Kräfte gebunden werden, um einen noch umfang-
reicheren und mächtigeren Angriff der Franzosen zu er-
leichtern. Während dort die Schlacht wütete, unterhielten
die Franzosen auf der weiten Linie von Soissons über
Reims bis weit nach Verdun zu ein sehr heftiges Trom-
melfeuer quf die deutschen Stellungen. Die Deutschen erwi-
derten es wuchtig. An vielen Stellen schickten die Franzosen
Kundschafter aus; aber auch ihre Gegner blieben nicht müßig.
Wohlausgerüstete Sturmtruppen (siehe Bild Seite 340
oben) wanden sich, am Boden kriechend, geschickt unter den
Drahtverhauen hindurch (siehe Bild Seite 340 uuten), brachen
in die französischen Linien ein und führten mit Vorsicht
und Schneid ihre Aufgaben durch; zahlreiche Feinde
mußten ihnen in die Gefangenschaft folgen, und manches
noch brauchbare Maschinengewehr nahmen sie aus den
feindlichen Gräben in die deutschen Stellungen mit.
An: 12. April versuchte eine Anzahl französischer Bat-
terien nördlich von Prosnes einen Kilometer vor den deut-
340 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. M. Sennecle, rlleruu.
Ein deutscher Sturmtrupp erhält Anweisungen vor dem Angriff im Aprilschnee an der Westfront.
scheu Linien aufzufahren. Sie zogen sofort deutsches Ar-
tilleriefeuer auf sich, das ihnen schweren Schaden zufügte.
Östlich von Auberive schickten die Feinde an diesem Tage
stärkere Abteilungen zu Erkundungszwecken vor. Diese
drangen zwar in die deutschen Gräben ein, doch wurden
sie sofort wieder hinausgeworfen. Wie schon im Jahre 1914,
so stellten die Franzosen auch seht wieder mehrere Batterien
in der Mhe der historischen Bauwerke von Reims auf, um
in ihrem Schuhe die Deutschen zu beschießen. Die Batterien
mußten natürlich bekämpft werden, wobei nicht zu ver-
meiden war, daß auch die Baudenkmäler beschädigt wurden.
Die deutsche Front, die nun schon viele Tage hindurch
von den Franzosen unter heftigem Zerstörungsfeuer gehalten
wurde, begann östlich von Soissons /siehe die Karte Seite 342
oben) bei der Feste Condö. Dort war der Punkt, wo die
neue deutsche Front vor der eigentlichen in ihrem Verlauf
noch unbestimmt gebliebenen Hindenburglinie von Norden
her senkrecht auf die alte Front an der Aisne stieß. Von
da aus folgten die deutschen Stellungen einem Höhenzug,
der sich über Vailly und nördlich von Soupir bis in die Ge-
gend von Eraonne hinzog. Auf dem Kamm dieser Höhen
führt die Straße Ehemin-des-Dame«, die bei der Feste
Malmaison beginnt und in Eraonne mündet. Die Deutschen
saßen in Stellungen am Südhang der Höhe in ziemlicher
Nähe der Aisne. Im Raume von Eraonne strebte die
deutsche Linie in weitem Bogen nach Norden bis nach
Craonette, wo die Stellungen der Franzosen bis auf den
Kamm des Höhenzuges hinaufreichten. Dort schwenkte
sie nach Südosten in scharfer Richtung auf Reims ab,
überschritt die Aisne bei Berry au Bac, verlief über Sa-
pigneul östlich vom Aisnekanal, der bei Loivre nach Westen
und dann wieder nach Osten gekreuzt wurde. Von Betheny
aus strich die Front östlich um Reims bis in die Nähe
der Feste Pompelle (siehe die Karte Seite 342 unten),
die noch den Franzosen gehörte, und bog dann in östlicher
Richtung nach Verdun zu in die Champagne ab, wo sie
Aubörive erreichte. - <
Am 16. April frühmorgens stürmte die französische
Infanterie in dichten Wellen aus den Gräben heraus. Eine
neue große Durchbruchschlacht, die größte Schlacht der
Weltgeschichte, war auf der Front von Soissons über Reims
bis in die Champagne entfesselt worden. Der erste Ansturm
erfolgte zwischen Soupir an der Aisne und Betheny bei
Reims auf einer Strecke von vierzig Kilometern. Im Ver-
lauf der nächsten Tage verbreiterte sich die Angriffsfront
zu beiden Seiten der genannten Orte nach Osten bis über
Phvl. trt. ^euneae, Deruu.
Deutscher Sturmtrupp bei der Überwindung von Drahthindernissen im Aprilschnee an der Westfront.
Ein im Gebiet südlich von der Scarpe bei Monchy angesetzter englischer Reiterangriff bricht im deutschen Feuer verlustreich zusammen.
Nach einer Originalzeichnung von Professor Anton Hosfmann.
342
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
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Aubsrive hinaus, nach
Westen bis nach Conds
und nach Norden bis in
die Gegend von Laffaur
und Crucy, wo sie mit der
aus zahllosen Einzelge-
fechten bestehendenKampf-
handlung im Räumungs-
gebiete zwischen Aisne und
Scarpe zu einem Schlacht-
ganzen verschmolz. Die
über zweihundert Kilo-
meter lange Front von
Lens bis Aubsrive in der
Champagne geriet in lo-
dernde Flammen.
Den unter dem un-
mittelbaren Befehle des
Generals Micheler stehen-
den Sturmkolonnen fügte
das schwere Feuer der
deutschen Artillerie von
den Höhen des Chemin-
des-Dames aus ungeheure
Verluste zu, aber die dich-
ten Massen, denen starke
Reserven folgten, kamen
trotzdem in die vorderste
deutsche Linie. Sie sollten
jedoch bald erkennen, daß
der beabsichtigte Durch-
bruch nicht gelingen konnte.
Die deutschen Befestigun-
gen bestanden nicht mehr
ails einigen schwachen,
durch Verbindungsgräben —
zusammengefaßten Erabenab-
schnitten, sondern aus einer
tiefgegliederten Befestigungs-
Zone. In dieser hatten die Deut-
schen die Möglichkeit, zurückzu-
weichen und wieder vorzustür-
men, wie ihnen das geboten er-
schien. Das führte zu einem
Mittelding zwischen Bewegungs-
kampf und Stellungskrieg, bei
dem Überraschungen und Aus-
fälle der Verteidiger möglich wa-
ren und gute Früchte tragen
konnten. Dabei ließ sich aller-
dings nicht vermeiden, daß den
Franzosen Maschinengewehre,
Minenwerfer und auch Geschütze
in die Hände fielen; dafür konn-
M,
1*1.D
^gefönter Franzoeisc/ter Angriff
•»« ~*Oeutscfie Front ror und nach demAngriFf
Wie sich die Franzosen den Angriff
an der Aisne dachten.
ten aber die Deutschen ihre
Mannschaften in weit-
gehenden: Maße schonen.
Glückten Gegenstöße, dann
wurden dem Feinde die
gewonnenen Kampfmittel
wieder abgenommen und
er büßte dazu noch Sol-
daten ein. Selbst unter
dem ungeheuren Druck,
den feindliche Massen am
ersten Tage ausübten, ge-
lang es den Deutschen,
noch über 2100 Gefangene
zu machen.
Schon am Nachmittag
unterstützten die Feinde
den Frontangriff nach Nor-
den an der Aisne durch
heftige Teilstöße zwischen
der Oise und Conds, und
am nächsten Morgen, am
17. April, folgten auch
zwischen Prunay und Au-
bsrive ununterbrochene
Massenangriffe. An der
Aisne ruhten an diesem
Vormittag die Kämpfe zu-
nächst. Die Franzosen füll-
ten die in ihre Reihen ge-
rissenen furchtbaren Lücken
durch frische Truppen. Wo
immer sie die zehn Tage
lang unter wütendstem
Feuer gehaltenen deut-
Karte zu der französischen Offensive in der Champagne.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
343
scheu Linien angegriffen
hatten, lagen dicht gesät
die Leichen ihrer Gefalle-
nen. Der Masseneinsatz
von Panzerkraftwagen
hatte auch hier keinen
Gewinn gebracht. Die
Reihen der Panzerwagen
hatten in Gruppen zu je
einem Dutzend im Ab-
stande von 70 bis 90 Me-
tern die deutschen Gräben
überwinden sollen. Es
glückte nicht; die deutsche
Artillerie vernichtete al-
lein am 16. April 26
dieser Gefährte.
Am Nachmittag des
17. Aprils entbrannten
neue heftige Kämpfe an
der Aisnefront und in
dem Abschnitt zwischen
Craonne und Betheny.
Zwischen Moronvillers
und Aubsrive entrissen
die Deutschen dem Feinde
vorher preisgegebene Ge-
ländestücke in Gegen-
stößen und erbeuteten
über 500 Gefangene und
eine Anzahl Maschinen-
gewehre.
Tags darauf wurden
die Kämpfe erbittert wei-
tergeführt. Die Brenn-
punkte des gewaltigen
Ringens lagen bei Cra-
onne (siehe die neben-
stehenden Bilder) und am
Brimont, der Feste bei
Reims, die mit ihrer Um-
gebung von den Deut-
Schloß in Craonne.
scheu zu einem besonders
widerstandsfähigen Boll-
werk gemacht worden
war. Hier, wo starker
Widerstand zu erwarten
war, schickten die Fran-
zosen die russischen Hilfs-
truppen ins Feuer, wie
sie an anderen Stellen
ihre farbigen Hilfsvölker
dem Verderben über-
lieferten. Bei Ville-aur-
Bois erzielten die An-
greifer Vorteile. Dort
hatten sich die deutschen
Besatzungen der Wald-
stellungen so sehr in die
Kämpfe verstrickt, daß sie
sich nicht mehr vom
Feinde lösen konnten.
Rach dreitägigem, hel-
denmütigem Wider-
stände, der den franzö-
sischen Ansturm an einer
der gefährdetsten Stellen
völlig aufhielt, gaben die
Deutschen die Stellung
preis und gerieten größ-
tenteils in Gefangen-
schaft. Ihre Standhaftig-
keit hatte aber ausge-
reicht, an diesem Punkte
alle Gefahren für die
deutschen Houptlinien ab-
zuwenden. Bei Craonne
und Brimont fielen die
Franzosen und ihre Hilfs-
völker zu Tausenden, ohne
daß sie die Deutschen ver-
drängen konnten.
Die Doppelschlacht an
der Aisne und in der
344
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Champagne nahm am folgenden Tage wieder ungemein hef-
tige Formen an. Der Chemin-des-Damcs-Rücken und beson-
ders die Umgebung von Craonne, ferner Brimont und der
Raum von Auberive sahen die verzweifeltsten französischen
Anstrengungen. Bei Craonne brachen dichte französische
Sturmwellen unter ungeheuren Verlusten zusammen.
Wieder hatten sich die Franzosen ganzer Tankgeschwader
bedient, von denen allein auf der kaum zwei Kilometer
breiten Strecke zwischen dem Flüßchen Mette und der
Aisne 32 in Brand geschossene und zerschmetterte Panzer-
wagen liegen blieben. In der Schlacht am Aisne-Marne-
Kanal mit Brimont als Mittelpunkt kam es zu fünf tief
gestaffelten Massenangriffen, die trotz der Aufopferung der
Russen und der Hartnäckigkeit der Franzosen mit einer
schweren Niederlage der Feinde endeten.
Die Deutschen unternahmen auch hier einen Gegenstoß,
eroberten dabei einige ihnen früher verloren gegangene
Gräben zurück und machten . 1 Offizier und 143 Mann zu
Gefangenen. Auch in der Champagne gewannen sie durch
Gegenangriffe Gelände zurück und nahmen den Feinden
Waffen und Gerät ab. Mehr als 30 französische Divisionen
erreicht, wenn auch die Franzosen schon vor Beginn der
Aisneschlacht behaupteten, daß sie sich auch bei Coucy und
Laffaur, wo große Gefechte stattfanden, an die neuen
deutschen Linien herangearbeitet hätten.
St. Quentin wurde lebhaft angegriffen. Hier trafen die
Franzosen mit den Engländern zusammen, die den Ort
von Westen her angingen, während die Franzosen mehr von
der Südseite näherzukommen trachteten. Die Stadt lag
unter schwerem Artilleriefeuer, an dem sich auch die Fran-
zosen ohne Rücksicht auf das Leben ihrer Landsleute und
die Baudenkmäler beteiligten (siehe die Bilder Seite 345).
Die übrigen Teile der Westfront gerieten nach und nach
ebenfalls in Unruhe. Bei Ppern und bei La Bassse ent-
wickelten sich scharfe Artillerie- und Grabenkämpfe, und an
der Argonnenfroüt, um Verdun und in den Vogesen steigerte
sich die Artillerietätigkeit. Im Elsaß fanden zahlreiche Er-
kundungsgefechte statt, und am 18./19. April richteten fran-
zösische Flieger während eines Schneesturmes einen Angriff
gegen deutsche Fesselballone, der ergebnislos verlief.
Die Ereignisse auf der Front von Lens bis Auberive
waren von zahlreichen Luftkämpfen begleitet, in denen
Phot. A. Grohs, Berlin.,
Einer der bei Arras erbeuteten englischen Tanks (Panzerwagen), die. von der deutschen Artillerie getroffen, bei den feindlichen Durchbruchs-
versuchen kläglich versagten.
hatten sich an den Kämpfen beteiligt. Die Vorstöße der
Feinde am 20. und 21. April ließen ein Nachlassen ihrer
Kraft erkennen. Die Deutschen hatten ihre Front nur an
der vorspringenden Ecke bei Condö bis Soupir zurück-
genonimen. Diese Räumung des zehn Kilometer tiefen
Eeländestreifens östlich von Vailly führte die Deutschen dort
erst in ihre „Siegfriedstellung".
Dem großzügigen französischen Unternehmen lag die
Absicht zugrunde, die deutsche Front nach ihrem Durchbruch
womöglich an drei Stellen zu umfassen. Sie sollte in der
Champagne bei Aubörive durchstoßen werden, um die öst-
lichere deutsche Aufstellung zu gefährden. Zwischen Reims
und Berry au Bac (siehe Karte inmitten Seite 342) sollten,
was aus aufgefundenen französischen Befehlen hervorging,
die durchgebrochenen Streitkräfte den ■ Deutschen bei der
Feste Brimont in die Flanke fallen. Zwischen Soissons und
Craonne endlich sollte der Weg nach Laon erzwungen wer-
den, um hier der neuen deutschen Stellung, der „Siegfried-
linie", in die Flanke zu kommen und sie von Süden her auf-
zurollen. Auch die Engländer hatten die Aufgabe, nach dem
Durchbruch bei Arras die Siegfriedstellung von Norden
her anzugreifen. Diese Linie hatten sie aber bei den Kämpfen
zwischen Scarpe und Aisne immer noch nicht entdeckt.
Nur dort, wo sie sich an die Aisnefront anlehnte, wurde sie
die deutschen Flieger wieder ihre Überlegenheit bewiesen.
Sie begnügten sich nicht nur mit der Vernichtung feind-
licher Flugzeuge, sondern griffen auch mit Maschinengewehren
und durch Abwerfen von Bomben aus oftmals nur 50 Me-
tern Höhe in die Kämpfe auf der Erde ein. Die Verluste
der Feinde an Flugzeugen waren außerordentlich stark, wo-
gegen die Deutschen verhältnismäßig geringe hatten. Den
vielen Luftkämpfen und dem Abwehrfeuer fielen in der
Zeit vom 11. bis zum 21. April 147 feindliche Flugzeuge
zum Opfer, ein weiteres wurde durch Jnfanteriefeuer
heruntergeholt. Bei Douai fiel ein ganzes Geschwader von
6 Flugzeugen der Vernichtung anheim. Zu diesen Einbußen
kamen auch noch 6 Fesselballone.
Ganz Hervorragendes leistete in diesen Kämpfen wieder
die Jagdstaffel des Rittmeisters Manfred Freiherrn v. Richt-
hofen. Besonders erfolgreiche deutsche Flieger waren die
Leutnante Hans Müller, Boehme, Dossenbach, Lothar Frei-
herr v. RichthofeN, der Bruder des Rittmeisters, Schäfer
und Wolff und der Vizefeldwebel Festner, die alle mehrmals
als Sieger aus den Gefechten in der Luft hervorgingen. In
den Zahlreichen Kämpfen verloren sie leider auch einige
ihrer tüchtigsten Kameraden, darunter den Oberleutnant
Hans Berr, die Leutnante Baldamus und Frankl und den
Offiziekstellvertreter Reimann (siehe die Bilder Seite 347).
Ein beliebtes Ziel der englischen Artillerie. Eine Granate schlägt in
das Dach der Kathedrale.
Häuserruinen der Rue de Paris.
Durch englisches Artilleriefeuer angerichtete Zerstörungen Ln der nordfranzösischen Stadt St. Quentin.
Nach Aufnahmen des Bufa.
VI. Band 44
346
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Deutsche Marineflieger grif-
fen am 21. April über Nicu-
port ein feindliches Luftschiff
an. Trotzdem sie erbittert ab-
gewehrt wurden, näherten sie
sich ihm bis auf fünfzig Meter
und schossen es in Brand, worauf
es ins Meer stürzte.
Die offene Stadt Freiburg
i. Br. war am 14. April wieder
einmal das Ziel feindlicher Flug-
zeuggeschwader, und zwar eng-
lischer.. Der verbrecherische Aber-
fall (siehe nebenstehendes Bild)
kostete einer Anzahl Einwohner
das Leben und viele erhieltenVer-
letzungen. Von den Flugzeugen
wurden drei heruntergeschossen.
Die Engländer hatten die Drei-
stigkeit, den Frevel als Vergel-
tungsmaßnahme für die imKanal
erfolgte Torpedierung des eng-
lischen Lazarettschiffes „Glou-
cester Castle" hinzu stellen. Dazu
fehlte ihnen aber jede Berechti-
gung, denn die Deutschen hat-
ten schon lange vorher darauf
hingewiesen, daß sie innerhalb
einer bestimmten Zone jedes
Schiff, auch die für den Ver-
wundete ntransport bestimmten,
versenken würden, weil diese von
den Engländern häufig den Vor-
schriften des Völkerrechts entge-
gen zur Beförderung von Kriegs-
mitteln verwendet wurden. —
Zu dem Einsetzen der Offen-
sive in Frankreich hatten wohl
nicht wenig die Ergebnisse des
uneingeschränkten Ü-Bootkrie-
ges mit beigetragen. Derschwe-
ren Wunden, die dieser den
schlug, wurden immer mehr.
Phot. Bufa.
Aufgefundene Reste von englischen Brandbomben, die bei dem
barbarischen englischen Fliegerangriff auf die offene Stadt Frei-
burg i. Br. am 14. April 1917 abgeworfen wurden.
Handelsflotten
Der Monat
der Feinde
März hatte
wieder eine Vermehrung der
durch Kriegsmaßnahmen der
Mittelmächte hervorgerufenen
Schiffsverluste gebracht. Nach
einer Meldung des Chefs d» s
deutschen Admiralstabes der Ma-
rine belief sich das Ergebnis für
diesen Monat auf 450 Handel-
schiffe mit 885 000 Bruttoregistcr-
tonnen, von denen 345 Schiffe
mit 689 600 Tonnen feindlichen
Ursprungs waren. England war
mit 586 500 Tonnen beteiligt.
Daneben wurden noch 6 Schiffe
mit 29 500 Tonnen so schwer
beschädigt, daß sie für weitere
Transporte zunächst nicht mehr
in Betracht kamen. Seit dem
Beginn des Krieges waren bis
zum 31. März 1917 zusammen
5 711000 Bruttoregistertonnen
feindlichen Schiffsraums ver-
loren gegangen, davon entfielen
4 370 500 Tonnen allein auf
England, was 23 vom Hundert
der zu Anfang des Krieges vor-
handen gewesenen Gesamtton-
nage der englischen Heimathan-
delsflotte entsprach. Das waren
ganz empfindliche Schläge für
die Versorgung der Feinde über
See, denn alle diese Schiffe
hatten ihnen ja Lebens- und
Kriegsmittel zuführen sollen.
Dieses Druckes zur See wollten
sich Frankreich und England
durch einen großen Sieg auf dem
Lande entledigen, bevor es zu
spät war. Der erste Schritt dazu
war mißlungen; die deutsche
Front stand unerschüttert fest. Sie
erhielt in der Heimat eine neue
Stütze in Gestalt der 6. Kriegs-
a n l e i h e, die mit einem Zeichnungsbetrage von 12 978 840 700
Mark alle ihre Vorgängerinnen übertraf. »Fortsetzung folgt.»
Illustrierte Kriegsberichte.
Auf Patrouille.
Nacherzählt von Otto Guem.
Eine rabenschwarze Nacht hatte sich über die Berge ge-
breitet. Der Himmel hing voller Wolken und der Nord-
wind trieb uns Regen und Schnee ins Gesicht. Der Groben
war halb mit Wasser gefüllt und auch in die Unterstände
tropfte es, so daß der Aufenthalt darin recht ungemütlich
wurde. Und dennoch freute sich jeder, der im Unterstand
sitzen konnte und nicht Posten stehen mußte.
Ich kommandierte eine vorgeschobene Feldwache. Ab
und zu blickte ich auf die Uhr — wie langsam verrann doch
die Zeit! Dann horchte ich wieder in die Nacht hinaus;
alles still, nichts rührte sich. Die Posten wurden abgelöst;
sie meldeten nichts Neues. Mißmutig legte ich mich nieder
und wickelte mich in die Zeltbahn ein; noch ein Blick auf
die Uhr — halb elf — und ich schloß die Augen. Gedanken
an frühere Zeiten kamen. Ich dachte an die Eltern, an die
Geschwister, an die Kameraden — wo werden sie alle sein?
Zum Kuckuck, solches Zeug paßt nicht daher, nur nicht rühr-
selig werden! Ich sprang auf uud ging in den Sturm
hinaus. Während mir der Regen ins Gesicht trieb, der
Wind heulte und die Bäume krachten, horchte ich auf-
merksam zum Feind hinüber, doch nichts Verdächtiges
regte sich, nur das Wetter tobte. Halb zwölf Uhr war es
erst, bis zur Ablösung noch sieben Stunden, eine ganze
Ewigkeit!
Da, horch! Ein Schuß. Was mag das sein? In dieser
Richtung steht der zweite Horchposten. Ich brauche nicht lange
zu warten, da eilt der Posten auch schon herbei. Aber wie
sieht der Mann aus! Aufgeregt, Gesicht uüd Hände voll Blut.
„Was gibt's, Geber?" rufe ich ihm zu. — „Meld' gehor-
samst, Herr Zugführer, zwei Alpini haben mich angefallen,
der eine von links, der andere von rechts. Den einen hab'
ich niedergestochen und den anderen erschossen. Ich hab'
mir nimmer anders z'helfen g'wußt und ich hab' noch mehr
Augen blitzen sehen im Dunkeln. Da ist der Sä uß zugleich
ein Alarmschuß gewesen. Ich glaub', die Katzelmacher
woll'n stürmen, weil's da drüben die ganze Zeit hin und
her gegangen ist."
„Es ist gut, Geber. Wasch dir das Blut ab und dann
komm wieder." Der Mann verschwand.
Ich blieb draußen und überlegte, was zu tun sei. Es
war das beste, wenn ich selbst einmal hinüber ging und
festzustellen suchte, was die Italiener vorhatten. Rasch
wählte ich mir einige Leute aus und machte mich auf den
Weg. Meine Begleiter waren erprobte Männer, meistens
Wildschützen, die dem Tod schon oft ins Auge gesehen hatten.
Kriechen und Schleichen konnten sie wie Katzen, und so
manches kecke Stücklein hatten wir schon zusammen voll-
bracht.
Schweigend stapften wir durch Sturm und Regen den
Berg hinunter. Wer je im Hochgebirge nachts durch einen
Wald gegangen ist, weiß, daß wir keinen Spaziergang vor
uns hatten. Die Augen auf den Boden gerichtet, wanderten
wir dahin. Uber Stock und Stein ging der Weg. Das
Jungholz hinderte uns stark, denn die Aste schlugen uns
fortwährend ins Gesicht. So verging geraume Zeit, bis
wir an der Talsohle ankamen. Wir erreichten den ersten
Horchposten, den ich ausfragte. Er hatte drüben Lärm
gehört, der nach dem Schuß auf einmal verstunrmt sei.
Mit dieser Auskunft war mir nicht gedient. Ich ging
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
347
Phot. Berl. Jünstrar.--Ges.m. b. H.
Kampfflieger Oberleutnant Hans Berr,
Ritter des Ordens Pour le JVlerite, stieß
während eines Luftkampfes mit dem
Flugzeug eines Kameraden zusammen
und stürzte tödlich ab. Er hat neun
feindliche Flugzeuge und einen Feffel-
ballon abgeschossen.
an einen dicken Baumstrunk,
dessen oberer Teil sich abheben
liest. Der hohle Strunk bildete
den Eingang des Ganges, der
schräg abwärts führte. Ich stieg
in die Öffnung und kroch vor-
wärts, bis ich nach etwa einer
Viertelstunde einen kalten Luft-
zug spürte, ein Zeichen, daß ich
mich dem Ausgange näherte.
Der Gang mündete in einen
drei Meter tiefen Granattrichter
vor dem feindlichen Drahtverhau.
Nun kam das Schwierigste.
Ich mutzte durch den Drahtver-
hau vor der feindlichen Stel-
lung. Langsam kroch ich auf dem
Bauche an den Rand des Trich-
ters und spähte nach dem Loch,
das ich von dem Baume aus ge-
sehenhatte. Ich erblickte es kaum
zehn Schritte vor mir.
Lautlos schlich ich weiter. Da
deshalb allein noch ein Stück weiter
vor und stieg auf einen Baum.
Von ihm aus erkannte ich schon
den neben einem Baume stehenden
italienischen Horchposten, außer-
dem bemerkte ich eine Öffnung
im feindlichen Drahtverhau, durch
die ich der Stellung der Gegner
näher kommen konnte. Ich verliest
meinen Standpunkt wieder und
ging zu meinen Leuten, denen ich
befahl, zurückzubleiben und mich
zu erwarten. Sollte ich nach drei
Stunden noch nicht wieder zu
ihnen gestohen sein, so wäre ich
tot oder gefangen.
Unter unserem Drahtverhau
führte ein Gang hin, den nur
Feldwachkommandanten kannten
und den ich benutzen wollte. Nach-
dem ich etwa hundert Schritte
seitwärts gegangen war, kam ich
Kampfstieger Leutnant Hans Nlüller, hat bis Nkitte
April 1917 acht feindliche Flugzeuge und sieben Fessel-
ballone vernichtet.
Pbot. Berl. Illustrat.-Ke». m. b. 4
Oberstleutnant Thomson.
Chef des Generalftabes der
Luftstreitßräfte, erhielt am
8. April 1917 den Orden
Pour le Merlte.
Nun ging es zu
dem italienischen Po-
sten, der beseitigt wer-
den muhte, wenn ich
weiter wollte. Wie
eine Katze schlich ich
um ihn herum, bis
ich in seinem Rücken
war. Ein Sprung, ein
Griff nach seiner
Kehle, ein Stotz mit
dem Messer — und
lautlos sank er nieder.
Noch vierzig Schritte
waren es bis zum
feindlichen Graben.
Ich rastete zuerst ein
wenig, wobei ich schon
die Tritte eines Po-
stens und leises Ge-
flüster vernehmen
konnte. Dannkrochich
Kampfstieger Ofstzierstellvertreter Rei-
mann, Ritter des Eisernen Kreuzes
erster Klaffe, der in kurzer Zeit fünf
feindliche Flugzeuge zum Absturz ge-
bracht hatte, fand den Heldentod im
Luftkampf.
hörte ich drüben etwas knacken.
Sofort blieb ich liegen und
rührte mich nicht. Wohl zehn
Minuten mochte ich so gelegen
haben, dann ging ich wieder
einige Schritte weiter. Da hörte
ich von drüben einen Ruf. Ich
duckte mich sogleich, und kaum
war ich hinter einem dicken Pfahl
verschwunden, so blitzte ein Licht
auf. Es war ein Scheinwerfer,
mit dem das Gelände abgeleuch-
tet wurde. Ich glaubte mich
schon verloren, doch wurde ich
glücklicherweise nicht entdeckt und
hatte sogar noch Gelegenheit,
meine Umgebung genau zu über-
sehen, bevor das Licht erlosch.
Ungehindert gelangte ich dann
bis zu dem Loch und zwängte
mich durch. Das war gar nicht
so leicht und ich zog mir dabei
einige Verletzungen zu, doch end-
lich war ich glücklich drüben-
Kumpfflieger Leutnant d. R. Boehme, hat bis NTitte April
1917 zwölf Gegner im Luftkampf bezwungen.
348
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
349
weiter — noch zwanzig Schritte. Plötz-
lich kam jemand mit einem Licht. Ich
blieb ruhig liegen. Ein Offizier war es,
der zur Mannschaft sprach. Aus dem Zu-
sammenhang seiner Rede konnte ich nur
einzelne Worte deutlich vernehmen, aber
was ich gehört, genügte mir. Früh um
halb vier wollen sie stürmen. Wir alle müs-
sen sterben, keiner wird gefangen genom-
men.— Gut, daß ich es weiß. Wir werden
euch schon empfangen! Jetzt aber zurück!
Das ging noch viel langsamer als das
Vordringen. Ich kroch ungefähr in der
Richtung, aus der ich gekommen war.
zurück. Weiter ging's und immer weiter»
aber wo war denn nur das Loch im
Drahtverhau? Ich tastete um mich — ich
fand es nicht. Zweifellos hatte ich mich
verirrt. Das fehlte gerade noch. Ich hob
den Kopf ein wenig und hielt Umschau.
Links von mir war ein Tal. Vielleicht
kam ich durch,- also da hinüber.
Die Gefahr, entdeckt zu werden, wäh-
rend ich vierzig Meter vom feindlichen
Graben entfernt dahinkroch, war groß,
doch endlich gelangte ich nach Umgehung
einer Feldwache ins Tal und ging an den
Bach. Zum Glück befand sich am Ufer
Gestrüpp, neben dem ich mich fort-
schleichen konnte. Run ging's schneller.
Der Bach war unsere Abschnittsgrenze,
also konnte ich mich nicht sehr weit ver-
irrt haben. Das Stück bis zum Trichter
mußte ich noch kriechen und dann stieß
ich durch den Gang wieder zu meinen
Leuten. Es war drei Uhr; zweieinhalb
Stunden hatte ich also gebraucht.
Wir gingen in unseren Graben zu-
rück, von dem aus ich telephonisch die
Hauptmacht um Verstärkungen bat, die
bald darauf mit Handgranaten ausge-
rüstet eintrafen. — Nach kaum einer Vier-
telstunde meldeten die Posten das An-
rücken des Feindes. Wie freuten wir uns
auf den Besuch der „Bundesgenossen"!
„Avanti, Savoia," schrien sie und
stürmten zu uns herauf. Sie wurden heiß
empfangen; die Handgranaten räumten
schrecklich unter ihnen auf. Nur wenige
der Stürmenden vermochten sich in ihre
Stellung zu retten.
Der Aberfall wurde glänzend abge-
schlagen und schon nach zwei Stunden
rückten wir zur Haupttruppe ein.
AIs Belohnung für meinen erfolg-
reichen Patrouillengang erhielt ich die
große silberne Tapferkeitsmedaille.
Volltreffer eines deutschen
Flugzeuges in die Transport-
mannschaft eines englischen
Schiffsgeschützes.
(Hierzu das nebenstehende Bild.)
Volltreffer eines deutschen Flugzeuges in die Transportmannschaft eines schweren englisiin Schiffsgeschützes in der Gegend von Gommeeourt am 23. März 1917.
ist mit einem Stiiüberzug versehen.
Nach einer Originalzeichnunges Kriegsmalers Adolf Wald.
Als die Ausführung der feit Ende November 1916 von
den Engländern mit allem Hochdruck im Sommegebiet vor-
bereitete „Abermaterial"-Offensive im März 1917 dank dem
strategischen Rückzug Hindenburgs zunächst unmöglich ge-
worden war, bemühten sich die Feinde, durch Zusammen-
assen stärkerer Kräfte die Artilleriebeobachtung und Auf-
klärung erneut zu erzwingen. Gleichzeitig wiederholten
ich ihre bisher ergebnislos gebliebenen Versuche, die ihnen
chon lange entrissene Vorherrschaft in der Luft durch ein-
heitlich geregelten Masseneinsatz ihrer Flieger zurückzu-
gewinnen. Durch die Zurücknahme der deutschen Front
war der größte Teil der schweren und schwersten Artillerie
des Feindes an dieser Stelle unverwendbar geworden.
Eine Unsumme harter Arbeit war umsonst geleistet und
viel wertvolles Material nutzlos verbaut worden, ganz ab-
gesehen von den riesigen Geldverlusten, die dadurch ent-
standen waren.
Selbstverständlich durfte den Deutschen die Fühlung
mit dem Feind nicht verloren gehen. Das planmäßig
militärisch unbrauchbar gemachte Gelände ließ die Ver-
wendung größerer Massen aufklärender Kavallerie nicht zu.
Ihre Aufgabe wurde von den Aufklärungsfliegern über-
nommen, die ihre Erkundungen bis weit hinter die feind-
lichen Linien ausdehnten. Das gleiche tat der Feind.
Seine Fliegergeschwader brachen hervor, um die neuen
deutschen Stellungen und Batterien ausfindig zu machen
und die „Augen" der Batterien, die Fesselballone, zu ver-
nichten. Aber alle Aberfälle mißlangen, denn in nimmer-
müder Bereitschaft warfen sich die deutschen Kampf- und
Jagdflieger den Angreifern entgegen, indem sie gleich-
zeitig abwehrten, erkundeten, die Ballone schützten, feind-
liche Mündungsfeuer beobachteten und das Einschießen der
eigenen Batterien auf neue Ziele leiteten. Als der Feind
seine schweren Geschütze abbaute und sie in neue Stellungen
bringen wollte, boten sich den deutschen Bombengeschwadern
dankbare Ziele. Ein Teilnehmer an den Flügen südlich
von Gommeeourt erzählte darüber folgendes:
„Unser Kampfgeschwader flog am Morgen des 23. März,
einem trüben regnerischen Tage, auf. Da wir es voraus-
sichtlich mit englischen Kampffliegern zu tun bekommen
würden, die sich unvergleichlich zäher und trotziger schlagen
als die Franzosen, so blieb das Geschwader ziemlich dicht
beisammen. Aber die Straße von Albert und über die
breit ausgetretenen Wasser der Somme zogen wir nach
Süden. In diesem Abschnitt drohen allenthalben die Flug-
zeugabwehrkanonen mit hochaufgerich-
teten Rohren. Weite Drahtfelder, Graben-
züge , Feldbefestigungen und Batterie-
stellungen durchzogen das Land, llberall
ringsumher waren jedoch eifrigste Abbau-
arbeiten und Abtransporte zu bemerken.
In der Nähe von Contalmaison zogen
wohl 50 Marineartilleristen und Infan-
teristen ein schweres Schiffsgeschütz an
Tauen vorwärts. Schon meine erste
Bombe faß mitten in der Bedienungs-
mannschaft. Trotz der starken Rauchent-
wicklung wurden Verluste und eilige Flucht
in die zur Seite der Straße liegenden
verlassenen Unterstände deutlich erkenn-
bar. Ich war, durch einige Wolken ver-
borgen, bis auf 200 Meter herunter-
gestoßen, ohne daß mir die entgegen-
gesandten Gewehrschüsse geschadet hätten.
Nun schraubte ich mich wieder in die
Höhe und trat die Heimfuhrt an. Nach
der Ankunft bei der Abteilung empfingen
mich freudige Zurufe und Händeschütteln.
Der Kommandant, dem ich meine kurze
Meldung abstattete, wußte bereits Be-
scheid, da ihm die Beobachter den Vor-
fall schon zugefunkt hatten."
Der Schipperdienst.
Von Chefarzt Dr. Vulpius (Landwehrfeld-
lazarett Nr. 13).
(Hierzu die Kunstbeilage und die Bilder Seite 360 u. 361.)
Schipp! Schipp! Hurra! — lautet
der Gruß, womit unsere braven Armie-
rungssoldaten oft angerufen werden.
Längst hat er aber — wenigstens irrt Feld
— den spöttischen Beiklang verloren, der
ihn ftüher kränkend erscheinen ließ. Wis-
sen wir doch nur zu gut, daß der mit
Hacke und Spaten geführte Kampf dem
mit der Waffe gefochtenen an Bedeu-
tung mindestens gleichkommt.
Immer wieder wurden gleich am An-
fang des Krieges die hervorragenden und
oft ausschlaggebenden Leistungen un-
serer Pioniere hervorgehoben. An die
Seite dieser spezialistisch geschulten Truppe
sind dann, als mit der Entwicklung des
Stellungskrieges die technischen Aufgaben
der Heere immer größeren Umfang und
wachsende Bedeutung annahmen, als
Hilfsarbeiter die Armierungsoldaten ge-
treten.
Wenn man bedenft, daß sich diese Ba-
taillone aus Mannschaften ergänzen, die
wegen einer bereits bestehenden oder
durch Verwundung eingetretenen körper-
lichen Unzulänglichkeit zum Dienst in der
fechtenden Truppe für untauglich befun-
den wurden, so muß man ihre Leistun-
gen, die meist schwere körperliche und
vielfach ungewohnte Arbeit bei oft un-
günstigsten Witterungsverhältnissen be-
dingen, besonders bewerten. Dazu kommt,
daß ihrer Tätigkeit der Ruhmesglanz des Waffenhandwerks
versagt ist, und so erscheint die Selbstverleugnung derer,
die auch diesem Dienst fürs Vaterland ausdauernd und
unverdrossen obliegen, im hellsten Licht.
Die „Schipper" erhalten nur eine notdürftige mili-
tärische Ausbildung, damit sie sich Vorgesetzten gegenüber
einigermaßen als Soldaten benehmen können. Sie sind
in Bataillone und Kompanien gegliedert und stehen unter
dem Kommando von Truppenoffizieren und Anteroffi-
zieren, so daß militärische Zucht und Ordnung auch bei
ihnen herrscht. Da sie unbewaffnet sind, werden sie im
allgemeinen nur außerhalb des Eefechtbereichs verwendet,
was aber Gefährdung durch feindliches Artilleriefeuer nicht
ausschließt. Auf dem östlichen Kriegschauplatz war der
Bau und die Instandhaltung von Straßen ihre wesentlichste
Das Geschützrohr
350 Illustriert? Geschichte des Weltkrieges 191^/17.
Deutsche Soldaten bei Schanzarbeiten auf dem östlichen Kriegschauplaß.
Aufgabe, während sie im Westen hauptsächlich zu Schanz-
arbeiten, wie Ausheben von Schützen- und Laufgräben,
Unterstands- und Stollenbau sowie Anlage von Truppen-
lagern und dergleichen, verwendet werben. Die Straßen-
und Bahnunterbauarbeilen fallen hier meistens den ge-
fangenen Russen, wohl auch französischen oder belgischen
Zivilgefangenen zu.
In die Schanzarbeiten in den vorderen Stellungen
teilen sich gewisse Abteilungen der Armierungsbataillone
mit den fechtenden Truppen. Letzteren fallen aber aus-
schließlich die laufenden Jnstandhaltungsarbeiten in den
Schützengräben zu. Denn selbst in Stellungen, wo zeit-
weise jede Eefechtstätigkeit ruht und die Gräben nur ganz
vereinzelt durch feindliche Beschießung zu leiden haben,
gehl das Wühlen und Graben ununterbrochen fort. Handelt
es sich doch um einen fortwährenden Kampf mit den Ele-
menten und der Witterung. Bald verwandeln Regen-
güsse die Erabensohle in knietiefen Morast und setzen auch
die Unterstände unter Wasser, so daß sie immer und immer
wieder ausgepumpt werden müssen, bald erfordern die
Erabenwände Befestigung durch Faschinen und Pfahl-
werk, um sie vor dem Herabrutschen und Zusammenbrechen
zu bewahren. Besonders hat das' Tauwetter nach dem
lang anhaltenden harten Winter 1916/17 in dieser Be-
ziehung schwere Aufgaben gestellt. Die Entwässerung der
Schützengräben ist eine schwierige technische Frage» die
immer neue Rätsel aufgibt. An der Herstellung der meilen-
langen Knüppelroststrecken, die in nasser Jahreszeit allein
den Verkehr in den Gräben ermöglichen, arbeiten selbst
Leichtkranke und alle in den Feldlazaretten zeitweilig ent-
behrlichen Kräfte mit.
Ist nun die Schützengrabenbesatzung abgelöst und hat
ihre sogenannten „Ruhe"quartiere bezogen, so werden
neben Putzdienst, Exerzieren und allen möglichen Sonder-
übungen, worunter das Handgranatenwerfen eine wesent-
liche Rolle spielt, wieder andere Schanzarbeiten von ihnen
gefordert. Denn ihnen liegt dann, wieder von Armierung-
soldaten unterstützt, kompanieweise oder in kleineren Ab-
teilungen der Ausbau der Reserve-, Aufnahme- oder
Riegelstellungen ob. Auch dies ist eine Arbeit, die nie zu
Ende geht, denn immer müssen unter neuauftauchenden
strategischen und taktischen Gesichtspunkten Abänderungen
und Ergänzungen des bereits Geschaffenen getroffen werden.
Der Anmarsch zur Arbeitstütte ist manchmal stunden-
weit und um so beschwerlicher, als diese Truppen nicht wie
die Armierungsoldaten nur mit ihrem Arbeitsgerät» son-
dern völlig gefechtsbereit ausgerüstet sein müssen, um im
Fall eines plötzlichen Angriffes dem Befehlshaber des be-
treffenden Frontabschnittes als erste Verstärkung zur Ver-
fügung zu stehen. Führt der Weg durch Gelände, das vom
Feinde leicht eingesehen werden kann, so sind oft große
Strecken in Annäherungsgräben zurückzulegen, ja, die
Schanzarbeit selbst kann häufig nur unter dem Schutze der
Nacht ausgeführt werden. So sehen wir auf unserer Kunst-
beilage „Nach vorn zum Schanzen" die zum Schanzen ziehende
Kompanie sich bei untergehender Sonne durch eine Dorf-
straße bewegen, deren Häuserruinen die dringende Not-
wendigkeit, sich auch hier in einem Annäherungsgraben zu
bergen, genugsam dartun. Zugleich zeigt sie aber, daß
unseren wackeren Kriegern, seien es nun alte Landwehr-
leute oder jüngster Ersatz, auch bei dieser schweren Aufgabe
die gute Laune nicht ausgeht, wenn nur das Wetter
einigermaßen günstig ist.
So sind, seit uns der russisch-japanische Krieg die Be-
deutung des Schützengrabens mit allem sonstigen Zubehör
einer wohlausgebauten Erdbefestigung gelehrt hat, zu
den Mordinstrumenten aller Art als Verteidigungswaffen
ersten Ranges die Hacke und der Spaten — früher vor-
wiegend neben Säge, Beil und Sprengzeug das Arbeits-
gerät der Pioniere — als weitestverbreitete und höchst
wichtige Kriegsmittel hinzugekommen.
Die Abendmeldung.
Von Hans Schipper.
Der Bataillonsadjutant, Leutnant S., hockt in seinem
„Bombensichern" und bemüht sich gerade, die Meldungen
der vier Kompanien in möglichst kurzer, alles Wichtige um-
fassender Form zu Papier zu bringen. Es soll die Abend-
meldung des ersten Bataillons werden. Im Bataillons-
abschnitt draußen war wieder einmal ein bewegter Tag
gewesen. Die feindliche Artillerie hatte ohne Unterlaß ge-
funkt, die Infanterie des Gegners in den Sappen geschanzt,
so daß die Minenwerfer öfter in Tätigkeit treten mußten.
Die Meldungen der Kompanien waren deshalb ziemlich
umfangreich ausgefallen. Es galt, viel zu streichen. Nur
das für das Regiment Wichtige durfte aus den vier Mel-
dungen in den Tagesbericht des Bataillons aufgenommen
werden. Jetzt ist der Adjutant mit der Niederschrift der
Meldung fertig. Schnell greift er zum Fernsprecher und
ruft das Regiment an.
„Hier Regiment!" meldet sich bald die Eegenstation.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
351
„Hier erstes Bataillon; die Abendmeldung!"
„Bitte, kommen!"
„Beim Feinde den ganzen Tag über lebhafte Tätigkeit.
Er schanzte fleißig in seinen Sappen. Unsere mittleren
Minenwerfer traten öfter in Tätigkeit, diese Arbeiten mit
Erfolg störend. Feindlicher Fesselballon war die meiste
Zeit oben. Artilleriefeuer hielt den ganzen Tag an, ohne
jedoch Schaden anzurichten. Zeitweilig erhielt der Ba-
taillonsabschnitt leichtes Minenfeuer, das nur geringen
Materialschaden anrichtete. Schäden wurden sofort aus-
gebessert. Ganz vereinzeltes feindliches Jnfanteriefeuer.
Es wurden ankommende Verstärkungen beim Gegner fest-
gestellt. Tote und Verwundete keine. — Vergleichung,
bitte!"
Der Telegraphist beim Regiment hat die Meldung wort-
getreu niedergeschrieben und liest den ganzen Text zur
Kontrolle dem Bataillonsadjutanten schnell vor.
„Vergleichung stimmt, Schluß!"
Die Abendmeldung des ersten Bataillons ist beendet.
Da ruft auch schon das zweite Bataillon an. Dessen Meldung
gleicht fast der des ersten Bataillons. Nur hat in diesem
Abschnitt das feindliche Artilleriefeuer Opfer gefordert. Ein
Volltreffer durchschlug einen Mannschaftsunterstand, tötete
zwei und verletzte fünf Mann schwer. Sonst auch keine
Veränderungen.
Kurz vor fünf Uhr gibt auch das dritte Bataillon noch
schnell seine Meldung durch, und der Regimentsadjutant
machr sich rasch an die Arbeit, um aus den drei Meldungen
den Bericht des Regiments zu formen. Viel Zeit bleibt
nicht. Spätestens um fünfeinhalb Uhr will die Brigade
Meldung von den beiden ihr zugeteilten Regimentern
haben. Will durch wenige knappe Sätze von dem Ver-
laufe des ganzen Tages seit der Morgenmeldung Kenntnis
erhalten. Will alles Bemerkenswerte genau erfahren, ohne
jedoch mehr als sechs bis acht Zeilen dafür zu gewähren.
Die Adjutanten graulen sich hinterm Ohr, und — die
Minuten verrinnen. Doch die große Übung hilft. Man wird
mit der Zeit auch im kürzesten Stil Meister. Schließlich wird
ja auch auf die Form der Meldung nichts, auf den Inhalt
alles gegeben. Also schnell die Eesamterlebnisse des Regi-
ments zusammengefaßt und als Abendmeldung durch den
Draht zur Brigade hinübergesprochen.
Regiments- und Brigadestab brauchen nicht dauernd
im Bombensichern zu hausen. Sie wohnen, wenn auch
noch in der Feuerzone, so doch nicht unmittelbar an beson-
ders gefährdeten Orten. Rur wenn es der feindlichen Artil-
lerie mal einfällt, der Abwechslung halber die rückwärtigen
Ortsunterkunften unter Feuer zu nehmen, müssen auch
diese Stäbe irgendeinen bombensicheren Keller aufsuchen.
Dies wird nun zwar, falls es tagelang hintereinander ge-
schehen muß, recht lästig, doch darf deswegen die Erledigung
der laufenden Arbeiten keine Verzögerung erleiden. Am
allerwenigsten darf wegen so 'n bißchen Knallerei die
Abendmeldung unterbleiben. Eine höhere Instanz, die
Division, will diese zur festgesetzten Stunde in Händen
haben. Der Unterschlupf im Keller hat daher auch einen
Telephonanschluß erhalten. Mag oben der Feind seine
Granaten ins Haus jagen; unterm dicken Sandsteingewölbe
im dumpfen Keller sitzt der Brigadeadjutant, nimmt die
Meldungen der beiden Regimenter entgegen und gibt sie
dann der Division weiter.
Je weiter rückwärts die Meldungen gehen, um so
größer wird der Fortschritt, über dessen Tätigkeit in den
Meldungen Bericht erstattet wird. Und um so länger
müßten auch, vermeint man, die Ausführungen werden.
Das Gegenteil ist der Fall. Was für die Brigade, vielleicht
auch noch für die Division Wert hat, interessiert den General-
stab des Armeekorps schon weniger. Die kleineren Plänke-
leien mit dem Feinde, die Ergreifung wirksamer Gegen-
maßnahmen, Verbesserung der eigenen Stellungen und ähn-
liches, bleibt eine Angelegenheit der unterstellten Stäbe.
Der Eeneralstab gibt seine Anordnungen in großen Zügen;
die Kleinarbeit ist Sache der unteren Abteilungen. Deshalb
will auch der Eeneralstab nur einen ganz knappen Uber-
Beim Bau von Unterständen in dem Felsgebirge an der Front bei Doiran.
352
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
blick über die allgemeine Lage der beiden Divisionen haben,
um daraus den Inhalt für die Abendmeldung des Korps
schöpfen zu können.
Eine Viertelstunde später erfährt das Armeeoberkom-
mando, was sich tagsüber in dem Bereich der einzelnen
Armeekorps ereignete. Von starkem Artillerie- oder Minen-
feuer, von verhältnismäßiger Ruhe, von lebhafter Tätigkeit
des Feindes oder von großen Verstärkungen, vom Auf-
tauchen neuer Truppenteile und der Abwehr feindlicher
Angriffe, von eigenen Gegenstößen und deren Erfolg be-
richten die A.K. dem A.O.K., so daß der Eeneralstab der
Armee ein klares, übersichtliches Bild über den Verlauf des
Tages gewinnt. Doch weiter noch muß die Abendmeldung
wandern. Eine höhere Instanz, die höchste des gesamten
deutschen Feldheeres, das Große Hauptquartier, wartet auf
die Abendmeldung der einzelnen Armeen. Alle Fäden laufen
beim Großen Eeneralstab zusammen. Der vorgeschobenste
Lauschposten in Ost oder West ist durch den jede Entfernung
überbrückenden Draht mit der Obersten Heeresleitung ver-
bunden.
Im Großen Hauptquartier laufen zur festgesetzten Zeit
alle Abendmeldungen der Ar-
meen in Ost und West ein. Doch
auch damit findet die Wande-
rung der Meldung noch kein
Ende. Nicht nur die Oberste Hee-
resleitung hat Interesse an den
Berichten der Heere. In der
Heimat wartet das ganze deutsche
Volk und mit ihm auch seine
treuen Verbündeten und darüber
hinaus die ganze Welt, die Feinde
inbegriffen, auf die Veröffent-
lichungen der Obersten Heeres-
leitung. Von dieser werden da-
her in aller Eile die Meldungen
zu einem kurzen, knappen Be-
richt im Telegrammstil vereint.
Und die Zusammenstellung wird
dann der Presseabteilung im
Stellvertretenden Generalstab in
Berlin weitergegeben. Um bei
der Übermittlung dieser kurzen,
inhaltschweren Meldungen jeden
Irrtum auszuschließen, erfolgt
die Weitergabe telegraphisch und
gleichzeitig auf einer anderen
Leitung telephonisch. Der Stell-
vertretende Generalstab in Ber-
lin gibt den Bericht an das
W.T.B. (Wolff's Telegraphisches
Bureau) weiter. Das W.T.B.
läßt den Bericht durch Ferndrucke
wieder zurück an die Presseab-
teilung des Stellvertretenden
Eeneralstabs gelangen. Das ist
eine Vorsichtsmaßregel, eine
Kontrolle, die jeden Irrtum ausschließen soll. Erst wenn
diese Kontrolle die Richtigkeit der Übermittlung ergeben hat,
erhält das W.T.B. die Ermächtigung, die Abendmeldung
des Feldheeres als Mitteilung der Obersten Heeresleitung
an die Zeitungen weiterzugeben. Dies geschieht dann mit-
tels Fernschreibers oder Fernsprechers. Natürlich am gleichen
Abend noch, denn die am nächsten Tag erscheinenden Blätter
wollen ihren Lesern bereits in der Morgenausgabe die
neuesten Ereignisse vom Kriegschauplatz vorsetzen und dar-
unter nehmen ja die Mitteilungen der Obersten Heeres-
leitung die erste Stelle ein.
Auf diese etwas umständlich erscheinende und dabei
doch einfache und genaue Weise, die jeden Irrtum aus-
schließt, erfahren dann einen halben Tag später ganz
Deutschland und seine Verbündeten, einen Tag später die
ganze Welt — mit Ausnahme Frankreichs, wo die Mit-
teilungen der Obersten Heeresleitung bekanntlich von den
Zeitungen nicht mehr veröffentlicht werden dürfen — daß
an Teilen der Ostfront am vergangenen Tage vielfach nur
„Artilleriekämpfe" stattfanden, im Westen aber die präch-
tigen deutschen Truppen dem wütendsten Trommelfeuer
und den Massenstürmen der Engländer und Franzosen
bei Arras und in der Champagne eisern standhalten.
General der Infanterie Rudolf Stoeger-
Steiner v. Steinstätten, der neue öster-
reichisch-ungarische Kriegsminister.
lHierzu das untenstehende Bild.)
Nun ist in keinem der kriegführenden Staaten mehr
jener Kriegsminister im Amt, der die Mobilisierung durch-
geführt hat. In allen diesen Staaten hat die Person des
Kriegsministers im Laufe der Zeit gewechselt, mitunter so-
gar mehrere Male. Derjenige aber, der am längsten auf
seinem Posten ausharrte, war der österreichisch-ungarische.
Erst Anfang April 1917 bat Generaloberst Freiherr von
Krobatin um seine Entlassung, die der Kaiser, die Ver-
dienste des aus dem Amte Scheidenden anerkennend, be-
willigte, und der ihn darauf zum Armeekommandanten
ernannte.
Als Nachfolger des Freiherrn v. Krobatin, der seit
Anfang 1913 im Amte war, wurde der General der In-
fanterie Rudolf Stoeger-Steiner v. Steinstätten am
13. April 1917 zum österreichisch-ungarischen Kriegsminister
ernannt. Mit ihm zog ein Mann
in den Palast am Stubenring,
der den Krieg unmittelbar ken-
nen gelernt hat. General v.
Stoeger - Steiner stand nämlich
seit Kriegsbeginn an der Front,
wo er sich als tapferer, umsich-
tiger Führer bewährte. Er ist
von Geburt Steirer. 1861 in
Pernegg geboren, besuchte er
später die Kadettenschule, die
er mit so außerordentlichem Er-
folg durchlief, daß er bereits in
seinem neunzehnten Lebensjahr
das goldene Portepee des Leut-
nants erhielt. Er diente zuerst
im Feldjägerbataillon Nr. 9 und
kam dann nach dem Besuch der
Kriegschule in das Generalstabs-
korps. Später war er längere
Zeit Lehrer an dieser Schule.
Dann trat er wieder in den ak-
tiven Truppendienst und befeh-
ligte das 74. Infanterieregiment
und die 56. Jnfanterietruppen-
division. Als Generalmajor stand
er hierauf an der Spitze der Ar-
meeschießfchule und erwarb sich
in dieser Stellung für die Ver-
besserung der Ausbildung der
Infanterie im Schießen große
Verdienste.
Gleich beim Beginn des Krie-
ges zog er als Kommandant der
4. Jnfanterietruppendivision ins
Feld und wurde Ende Mai 1915
Führer eines Korps an der Jsonzofront.
General v. Stoeger-Steiner kennt durch sein Wirken
im Felde die Bedürfnisse der Armee im Kriege genau, und
bei seinen hervorragenden organisatorischen Fähigkeiten
unterliegt es keinem Zweifel, daß er die Aufgaben, denen
er sich als Kriegsminister zuwenden muß, voll wird er-
füllen können.
Die Rüstungslieferungen der Vereinigten
Staaten an den Vierverband.
Der „Economist" gibt folgenden Aberblick über die
Ausfuhr der Vereinigten Staaten an Sprengstoffen und
anderem Kriegsmaterial:
1914 1915 1916
Patronen 6 567 122 25 408 079 55 103 904
Dynamit Gewehr- und Ge- 1213 600 1609050 4 173 175
schützpulver . . . 289 893 66 922 807 263 423 149
Andere Sprengstoffe 966 972 95 129 957 392 875 078
Phot. A. Mocsigay, Hamburg.
General der Infanterie Rudolf Stoeger-Steiner v. Steinftätten,
der nach dem Rücktritt des Jreiherrn v. Krobatin (siehe Abbildung
Band I Seite 3) zum k. u. k. Kriegsminister ernannt wurde.
Reitergefecht im Diala, einem Nebenfluß des Tigris. Im Hintergrund die flachen Berge des Djebel Hamrin.
Nach einer Originalzeichnung des auf dem türkischen Kriegschauplatz zugelassenen Kriegsmalers Fritz Grotemeyer
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
»Fortsetzung.»
In Rußland hatte die Revolution noch zu keiner
Klärung der Verhältnisse geführt. Die verschiedenen Parteien
bekämpften sich gegenseitig weiter und jede suchte ihren Be-
strebungen zum Siege zu verhelfen. Hauptsächlich war es die
Frage, ob der Krieg fortgesetzt werden sollte oder nicht, über
die die einzelnen Gruppen zu keiner Verständigung gelangen
konnten. Engländer und Franzosen waren eifrig am Werk,
das Zustandekommen eines Sonderfriedens zu verhindern;
in ihren Bemühungen wurden sie unterstützt durch verbands-
freundliche Sozialisten, wie zum Beispiel Plechanow, der
fünfundzwanzig Jahre als Verbannter in Frankreich gelebt
hatte. Andere Sozialisten wieder, wie Lenin, traten für
den Abschluß eines, Sonderfriedens ein und fanden da-
bei eine Stütze in einer halbamtlichen Erklärung der
Wiener Regierung, in der ausdrücklich auf die dauernde
Besetzung russischen Gebietes verzichtet wurde. Jminerhin
schien es, als ob die Kriegspartei mehr und mehr die Ober-
hand gewönne und die Neigung, einen Sonderfrieden zu
schließen, abnähme.
Die Zustände im russischen Heere waren auch nicht er-
freulich. Die Manneszucht hatte unter dem Einflüsse der
Revolution sehr gelitten und häufig verließen die Soldaten
eigenmächtig ihre Truppenteile. Selbstverständlich wurde
darunter die Schlagfertigkeit der Armee stark beeinträchtigt.
Es zeigte sich denn auch an der russischen Front eine fast
vollkommene Ruhe» die nur ab und zu durch kleinere Ge-
fechte unterbrochen wurde.
Nach einer Reihe stiller Tage setzte am 13. April
starkes Artilleriefeuer ein, das von den Russen eröffnet
und von Deutschen, Österreichern und Ungarn (siehe
Bild Seite 357) erwidert wurde. Besonders zwischen
dem Pripjet und dem Dnjestr lebte die Artillerietätigkeii
auf, ohne daß es zu Jnfanterieangriffen gekommen wäre.
In den nächsten Tagen ging der Eeschützkampf weiter, was
den Truppen der Mittelmächte Veranlassung gab, ihre
Aufmerksamkeit noch zu erhöhen. Vorgeschobene Posten
lagen in Sprengtrichtern (siehe Bild Seite 354) und
meldeten ihre Wahrnehmungen ständig den Kommando-
stellen. Wenn auch die russischen Geschosse keinen besonderen
Schaden anrichteten, so ereignete es sich doch, daß hier und
da ein Unterstand in Brand geriet und Mannschaften ver-
letzt wurden, die aber ebenso rasche Hilfe erhielten» wie
bei kleineren Sprengungen verunglückte Sappeure (siehe
Bild Seite 355). -
Am 25. April nahm die Feuertätigkeit der Russen be-
sonders in den Abschnitten von Riga, Smorgon, Luck,
längs der Putna und am Sereth zu, was zur Folge
hatte, daß auch die Verbündeten ihr Vergeltungsfeuer
steigerten. Die Infanterie griff aber nur auf Teilen der
Front in den Waldkarpathen, am Sereth und in der nörd-
lichen Dobrudscha in größerem Umfange in den Kampf
ein. Die etwas stärkere Unruhe im rumänischen Abschnitte
(siehe Bild Seite 356) der Front erklärte sich zum Teil viel-
leicht aus dem Wechsel des Oberbefehlshabers bei den
Russen. Das Kommando über diesen Abschnitt hatte der
General Tscherbatschew übernommen, der einst bei Brussi-
lows Angriffsbewegung in Wolhynien besonders hervor-
getreten war.
Russische Flieger warfen am 22. April bei Lida Bomben
ab. Als Lbüwort darauf unternahmen deutsche Flieger
einen Angriff auf die Umgebung von Minsk, wobei nament-
lich Molodeczno und Tercz eine Anzahl Bombentreffer
erhielten.
Der rumänische Hafenplatz Sulina, der an dem gleich-
namigen Donauarm liegt, wurde ain 26. April von deut-
schen Seeflugzeugen bombardiert, was starke Brandwirkung
im Hafengelände und auf kleineren Schiffen hervorrief. Das
russisch-rumänische Abwehrfeuer war ungewöhnlich stark,
doch gelang es den Fliegern, unversehrt zurückzukehren. —
* *
*
Viel lebhafter als an der gesamten europäischen Ostfront
zeigten sich die Russen im Kaukasus (siehe die Karte
Band II Seite 302), wo ihnen aber die Türken energisch ent-
Österreichisch-ungarische Sturmtruppen mit Stahlhelmen beziehen ihre Stellungen an der Südtiroler Kampffront.
VI. Band.
45
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
354
gegentraten. Diese machten am 19. April einen Vorstoß, hoben
einige russische Kavallerieposten auf und erbeuteten eine
größere Anzahl Gewehre und Säbel sowie sonstiges Kriegs-
gerät. An einer anderen Stelle vertrieben türkische Auf-
klärungstruppen die Russen, die sich mit Maschinengewehren
verteidigten; auch in diesem Falle machten die Angreifer
gute Beute. In den nächsten Tagen versuchten die Russen
mehrmals, die Türken auf ihrem linken Flügel zurückzudrän-
gen, was ihnen aber nicht glückte. Auf dem rechten Flügel
stieß dann am 21. April eine türkische Patrouille mutig bis
30 Kilometer hinter die russischen Linien vor und führte
einen Überfall auf ein von den Russen besetztes Dorf aus.
Mit dem Feinde abgenommenen Gewehren und Reitpferden
gingen sie darauf in ihre Stellungen zurück. —
An der Front im Irak /siehe Bild Seite 358) suchten
die Engländer neue Erfolge zu erringen. Die Türken blie-
ben dort in der Verteidigung und mußten in ihrer ver-
schanzten Stellung nördlich von Samara am 19. April
starke englische Vorstöße abwehren. Am 21. April griffen
die Engländer nach mächtiger Vorbereitung durch Artillerie
mit mehreren Divisionen die türkischen Stellungen auf bei-
den Tigrisufern an. Auf dem linken Ufer faßten sie in
einem Teil der angegriffenen Linien Fuß, sie wurden aber
an den meisten Punkten durch türkische Gegenstöße wieder
hinausgeworfen. Da die türkischen Stellungen durch das
englische Artilleriefeuer schwer gelitten hatten, zogen sich
die Türken in vorbereitete Linien einige Kilometer nörd-
lich von den alten zurück, ohne daß es die Gegner zu-
nächst bemerkten. Am andern Tage folgten die Engländer
mit großem Ungestüm den abgezogenen Türken und setzten
gegen deren linken Flügel einen wuchtigen Kavalleriean-
grifs an. Sie hatten den Diala, einen Nebenfluß des
Tigris, nordöstlich von Bagdad überschritten und wurden
nun von den Türken gefaßt und in den reißenden Fluß
zurückgeworfen. Viele Reiter ertranken mit ihren Tieren,
weil sie die Furt verfehlten und in den tiefen Fluß gerieten
/siehe die Kunstbeilage). Gegen Abend desselben Tages
folgte ein neuer Stoß, an dem auch Panzerwagen teil-
nahmen, der aber ebenfalls abgewiesen wurde. Einen auf-
klärenden englischen Flieger schoß türkische Infanterie am
24. April herunter. —
Wuchtiger noch als im Irak waren die Unternehmungen
der Engländer an der Sinai front /siehe die Karte Band II
Seite 306). Nach der Niederlage bei Gaza hatten sie sich
dort schnell zu einem neuen Vorstoß aufgerafft. Am
18. April richteten sie heftiges Artilleriefeuer gegen die
türkischen Stellungen, und Tags darauf brachen sie aus
ihren stark verschanzten Stellungen mit wenigstens drei In-
fanterie- und zwei Kavalleriedivisionen vor. Besonders
schwer lastete der Angriff auf dem rechten türkischen Flügel,
der sich an die Küste
anlehnen mußte, um eine
feindliche Unternehmung
von der Flanke her zu
verhindern. Dort waren
sie aber dem Feuer eng-
lischer Kriegschiffe ausge-
setzt, die mit ihren weit-
tragenden Geschützen in
den Kampf eingriffen
und die auch die Höhen
südlich von Gaza mit
Granaten bedachten. Wie
an der europäischen West-
front» so führten die
Feinde auch an dieser
Front Panzerwagen ins
Treffen. Von acht Wagen
wurden drei von der tür-
kischen Artillerie sofort
außer Gefecht gesetzt. Der
erste Angriff der Eng-
länder erfuhr eine blutige
Abweisung. Auch ein
zweites und drittes Mal
blieben die Stürme der
Feinde vergeblich. Dann
gingen Türken und Ara-
ber zum Gegenstoß über
und brachten den bedeu-
tend überlegenen Feind nach hartem Ringen zum Weichen.
Deutsche Flieger, die sich mit großer Tapferkeit an
dem Kampf beteiligt hatten, vermehrten die Schwierig-
keiten der Engländer noch, indem sie die eigens für die
englischen Streitkräfte angelegte Wasserleitung zerstörten.
Die blutigen Verluste der Engländer bei dieser zweiten
Niederlage vor Gaza übertrafen noch die der ersten. Vor
der türkischen Front lagen mindestens 3000 Feindesleichen;
6 Offiziere und 221 Mann waren gefangen worden. Außer-
dem erbeuteten die Türken 1500 gewöhnliche und 20 Schnell-
ladegewehre, ferner 5 Maschinengewehre, mehrere Fern-
sprecher, Entfernungsmesser, zahlreiche Pferde und viel
anderes Kriegsgerät. Die englischen Gesamtverluste be-
liefen sich auf mindestens 8000 Mann.
Die Feinde gaben aber ihre Absichten noch nicht auf und
ließen ihre Flieger wieder lebhaft aufklären. Von diesen
stürzte einer am 21. April nach einem Luftkampf zur Erde,
ein anderes Flugzeug wurde bei Teil Seheria durch Ab-
wehrfeuer zum Niedergehen gezwungen; die Insassen fielen
in Gefangenschaft. Am folgenden Tage begann wieder
ein heftiges Feuer aus weittragenden Geschützen gegen Gaza.
Vor Akaba machten die Engländer unter dem Schuh
eines Kreuzers und eines Kanonenbootes einen Landungs-
versuch, der aber mißlang. Die Türken warfen die wenig-
stens 2000 Mann starken Feinde sechsmal zurück und zwangen
sie zur Aufgabe ihres Vorhabens. —
* -!-
*
An der italienischen Front war es immer noch nicht
zu entscheidenden Kämpfen gekommen. Auf beiden Seiten
wurden noch weitere Vorbereitungen getroffen. Die Zahl
der Geschütze wurde beträchtlich erhöht und für besondere
Zwecke bedienten sich die k. u. k. Truppen sogar kleiner
von Hunden gezogener Geschütze /siehe Bild Seite 360
unten). Sappeure /siehe Bild Seite 360 oben) bauten
neue Stellungen aus, die dann Sturmtruppen /siehe Bild
Seite 353) besetzten.
Daneben kam es oft zu Zusammenstößen. Nachdem die
k. u. k. Truppen, wie auf Seite 294 bereits geschildert, sich
in den Besitz der beherrschenden Spitze der „Hohen
Schneid" gesetzt hatten /siehe Bild Seite 361), drangen
am 21. April österreichisch-ungarische Landsturmabteilungen
in eine feindliche Stellung bei der Dreizinnenhütte, er-
beuteten 2 Maschinengewehre und führten 75 Italiener
als Gefangene zurück. Noch häufiger als die kleinen Unter-
nehmungen waren, namentlich an der Jsonzofront, wütende
Feuerüberfälle der italienischen Artillerie, die aber wenig
Unheil anrichteten. — Italienische Luftschiffe erschienen am
20. und 25. April in der Umgebung von Triest, wo sie
Bomben abwarfen, die keinen nennenswerten Schaden ver-
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
355
ursachten. Österreichisch-ungarische Flugzeuge unternahmen
an beiden Tagen Vergeltungsangriffe. —
* -i-
*
In Mazedonien waren die Truppen der Mittelmächte
bestrebt, im Raume von Monastir den Franzosen die Erfolge,
die sie dort im März erzielen konnten, wieder streitig zu
machen. Am 17. April glückte es, die Franzosen durch einen
kraftvollen Stotz aus den Stellungen auf der Crvena Stena
zu werfen, in denen sie sich in etwa einem Kilometer Breite
festgesetzt hatten. Der Feind erlitt nicht nur bedeutende blu-
tige Verluste, sondern büßte auch 200 Gefangene, einige
Maschinengewehre und Minenwerfer ein.
Mit dem 20. April begannen auch die Engländer leb-
haftere Tätigkeit zu entwickeln. Immer häufiger schickten
sie Erkundungsabteilungen vor, die von den Bulgaren stets
zurückgeworfen wurden. Nach heftiger Beschietzung der
bulgarischen Front zwischen Doiran und dem Wardar (siehe
Bild Seite 362s am 21. und 22. April stietzen englische
Jnfanterieabteilungen in dichten Massen vor. Sie wurden
von ihren Gegnern so blutig empfangen, datz sie sehr bald
wieder umkehren mutzten. Die Engländer verdoppelten
ihre Anstrengungen am nächsten und übernächsten Tage
und gingen am 24. April kurz vor Mitternacht ohne Artillerie-
vorbereitung zwischen dem See und dem Dorf Doldscheli mit
2 Divisionen zu einem besonders heftigen Angriff über.
Aber dieser Ilberraschungsversuch wurde von den Bulgaren
rechtzeitig erkannt und erfolgreich zurückgewiesen; sie be-
hielten ihre Stellungen fest in der Hand. Der Angriff war
wochenlang hinter der Front geübt worden, trotzdem endete
er kläglich. Das gesamte Schlachtfeld war wie mit Leichen
übersät.
Auch diese schweren Opfer hatten die Armee Sarrail
nicht aus ihrer Bedrängnis befreien können. Die Miß-
erfolge wirkten auf die Bevölkerung Griechenlands
zurück, die den Eindringlingen immer feindlicher gesinnt
wurde, weil die Mächte des Vierverbands gar keine Miene
machten, das den Griechen in rücksichtsloser Weise auferlegte
Joch zu erleichtern. Das erzeugte wieder einen neuen Druck
der Vierverbandsmächte auf Griechenland, was schließlich
den Rücktritt des Kabinetts Lambros und die Bildung
eines neuen Ministeriums unter Zaimis zur Folge hatte. —
* *
*
Auf die Unternehmungen der Gegner des Vierbundes
wirkte auch der Seekrieg lähmend ein. Viele der Schiffe,
die Truppen, Munition oder Lebensmittel beförderten,
fielen der Vernichtung anheim. So wurde in der Nähe der
griechischen Insel Milos
ein Transportschiff von
12 500 Tonnen versenkt,
und ein deutsches v-Boot
beschädigte am 14. April
westlich von Alerandria
einen zu den englischen
Bewachungstreitkräften
gehörigen kleinen Kreu-
zer der Forglove-Klasse
durch zwei Torpedo
schwer.
Am 21. April beschoß
ein deutsches U-Boot den
Hafen bei Eourays, west-
lich von Algier, der für
die Erzverladung aus
Nordafrika besondere Be-
deutung hat. Infolge der
Beschietzung stürzte eine
der Erzladebrücken ein
und die andere erlitt so
schwere Beschädigungen,
datz längere Zeit zu ihrer
Wiederherstellung nötig
war.
Auch in den Gewäs-
sern um England und
Frankreich wurden den
Feinden wieder große
Verluste zugefügt. In
der Zeit vom 13. bis
zum 18. April versenkten deutsche U-Boote im Sperrgebiet
insgesamt 93 000 Tonnen Handelschiffe. Vom 19. bis zum
24. April kamen dazu noch 143 500 Tonnen. Darunter
befanden sich mehrere Schiffe, die mitten aus Eeleitzügen
(siehe den Artikel Seite 334) herausgeschossen worden waren,
ein Beweis, datz auch diese Maßnahme nicht genügte, die
Schiffe zu schützen.
Die Gefahr, die an der englischen und der nordfranzö-
sischen Küste durch Minen drohte, wurde ebenfalls immer
größer, so datz sich die Engländer gezwungen sahen, am
10. April die Häfen von Greenock, Cardiff und Plymouth
zu sperren, wie das vorher schon mit dem Hafen von Liver-
pool geschehen war. Ein 13 000 Tonnen großer, mit Fleisch
beladener Dampfer, der sich auf der Fahrt von der englischen
Westküste nach London befand, lief auf eine Mine und
versank.
Deutsche Torpedoboote stietzen in der Nacht zum 21. April
unter Führung des Korvettenkapitäns Eautier (siehe Bild
Seite 363) wieder einmal gegen die Themsemündung und
in den englischen Kanal vor und nahmen die Festungen
Dover und Calais unter Granatfeuer- Vor Dover ver-
nichteten sie auch ein englisches Vorpostenschiff. Ohne
Fühlung mit dem Feinde gewonnen zu haben, wurde
die Rückfahrt angetreten, nach 2 Uhr aber nochmals kehrt
gemacht und Kurs auf die Downs genommen, in der Ab-
sicht, auslaufende Seestreitkräfte anzugreifen. Östlich von
Dover kam es dabei mit einer den deutschen Streitkräften
erheblich überlegenen Anzahl englischer Zerstörer zu einem
scharfen Gefecht, in dessen Verlaufe das feindliche Führer-
schiff versenkt wurde. Ein anderer englischer Zerstörer er-
hielt fünf Minuten später einen schweren Torpedotrefser,
einem dritten schlug Artilleriefeuer ein Loch ins Vorschiff und
zwei weitere wurden schwer beschädigt. Sehr wahrscheinlich
waren wenigstens zwei der englischen Zerstörer gesunken.
Die Deutschen verloren in diesem Gefecht die Torpedo-
boote 0 85 und o 42, von denen die Engländer im ganzen
10 Offiziere und 95 Mann auffischten und 29 Tote bargen.
Während des Kampfes war es einem der deutschen
Schiffe gelungen, an den feindlichen Zerstörer „Broke" heran-
zukommen. Die Deutschen enterten an Bord des Englän-
ders, wobei es zu einem harten Kampf Mann gegen Mann
kam und nach dem englischen Bericht die englische Mann-
schaft mit Revolvern und Messern zurückgedrängt wurde.
Rach einigen Minuten kamen die Schiffe wieder vonein-
ander los und setzten das Gefecht fort. „Broke" schied dann
infolge eines Granattreffers in den Maschinenraum sehr
rasch aus dem Kampfe aus.
Schon in der Nacht zum 25. April unternahm der
Pbok. Berl. JNustrat.-Ges. m. b. H.
Einem durch Rauchgase verunglückten österreichisch-ungarischen Sappeur wird Sauerstoff zur Wiederbelebung
zugeführt.
356
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Kapitünleutnant Aßmann eine neue Streife mit Torpedo-
booten und beschoß die Festung und die Reede von Dün-
kirchen mit 350 Sprenggranaten. Die feindlichen Küsten-
batterien erwiderten das Feuer erfolglos. Die Deutschen
suchten dann noch die See nach feindlichen Streitkräften ab
und kamen in ein Gefecht mit anscheinend französischen
Torpedobooten. Eines davon ging infolge eines Torpedo-
treffers unter. Ein feindliches Vorpostenfahrzeug, das sich
in der Nähe befand, wurde durch Artilleriefeuer vernichtet.
Die Deutschen erlitten weder Beschädigungen noch Verluste.
Kurz danach, in der Nacht zum 27. April, beschossen deutsche
Torpedoboote den englischen Hafen Margate und die dazu-
gehörigen Befestigungsanlagen.
An den Kämpfen zur See nahmen auch Luftstreit-
kräfte teil. Am 23. April nachmittags bewarfen englische
Flugzeuge übende deutsche Torpedoboote mit Bomben,
ohne zu treffen. Sie ergriffen die Flucht, als deutsche Flieger
zur Abwehr mlfstiegen. Am selben Tage brachte ein deutsches
Seeflugzeug in der Nordsee die norwegische Bark „Royal"
auf, die mit Grubenholz beladen und nach Westhartlepool
Krieg gegen Deutschland. Ihre Hilfe für den Verband
bestand einstweilen in der weiteren Munitionslieferung und
in der Hergäbe von Geld. Dann sollte die Marine in Kriegs-
zustand versetzt und eine Streitmacht von 500 000 Mann
aufgeboten werden, wobei der Marineminister Daniels (siehe
Bild Seite 359), der Chef der Admiralität, Admiral Berson
(siehe Bild Seite 359) und der Chef des amerikanischen
Generalstabs, General Hugh Scott (siehe Bild Seite 359),
ihre Fähigkeiten beweisen konnten. Freiwillige meldeten sich
verhältnismäßig wenig, unter ihnen befand sich auch der
frühere Staatssekretär des Auswärtigen I. Bryan (siehe
Bild Seite 359). Der ehemalige Präsident Roosevelt (siehe
Bild Seite 359) erbot sich, eine Division Freiwillige zu
führen, was ihm aber nicht zugestanden wurde.
-, Wenn sich die amerikanische Regierung auch sehr kriegs-
lustig zeigte, so gelang es dem nach Washington gereisten
englischen Lord Balfour of Burleigh in seinen eingehenden
Besprechungen mit dem amerikanischen Staatssekretär R. Lan-
sing (siehe Bild Seite 359) doch nicht, die Vereinigten Staaten
zum Beitritt zu dem Londoner Vertrag zu bewegen, nach
Rumänische Bauern Liefern ihr Getreide an die Mühle eines deutschen Proviantamtes in Bukarest ab.
bestimmt war. Ein Prisenkommando ging an Bord und führte
das Schiff in einen deutschen Hafen (siehe das Bild
Seite 364/366 und den Sonderbericht Seite 366). Drei
Tage später erschienen englische Eroßkampfflugzeugr in
der Nähe der flandrischen Küste; dort wurden sie von
deutschen Fliegern empfangen, die einen der Feinde
herunterschössen. Kurz danach setzten auch die deutschen
Küstenbatterien ein französisches Flugzeug außer Gefecht. —
Wie aus einer in Paris eingetroffenen Meldung hervor-
ging, war das deutsche Kaperschiff „Seeadler" immer noch
auf der Suche nach feindlichen Handelschiffen, von denen
es an einem Tage wieder acht versenkt hatte. —
So boten sich den deutschen Seeleuten immer wieder
Gelegenheiten, ihren Mut und ihre" Geschicklichkeit zu be-
weisen. Ihre Ausbildung war vorzüglich und wurde wäh-
rend des Krieges nach den neuesten Erfahrungen durch-
geführt. Häufig fanden auch auf hoher See Übungen im
Scharfschießen (siehe Bild Seite 363 unten) statt.
*
*
Die Vereinigten Staaten von Nordamerika betrieben
mit Eifer ihre Vorbereitungen zu dem vom Zaune gebrochenen
dem es den Vertragschließenden unmöglich sein sollte, mit
den Mittelmächten einen Sonderfrieden zu schließen. —
Die Bemühungen Wilsons, auch andere Staaten in den
Krieg gegen Deutschland zu hetzen, hatten wieder den Er-
folg gehabt, daß Brasilien am 16. April die diplomatischen
Beziehungen zu Deutschland abbrach, wozu die Versenkung
des mit Bannware beladenen brasilianischen Dampfers
„Rarana" den Vorwand geben mußte. —
Unter starken Druck wurden auch die Neutralen
Europas genommen. Diese konnten sich aber noch nicht
zu einer Beteiligung am Kriege entschließen, wenngleich
einige mit dem Verband liebäugelten. Der spanische
Ministerpräsident Romanones (siehe Bild Seite 359) hatte
durch seine Handlungen wiederholt erkennen lassen, daß
er den Westmächten zuneigte. Da er aber seine Absichten
nicht durchzuführen vermochte, weil der König von Spanien
an der Neutralität festhielt, nahm er am 19. Äpril seine Ent-
lassung. Sein Nachfolger wurde Earcia Prieto, dem der
General Aguilera (siehe Bild Seite 359) als Kriegsminister
und der Admiral Miranda als Marineminister zur Seite
traten. Der neue spanische Ministerpräsident sandte an die
deutsche Regierung eine scharfe Note gegen den unein-
Im russischen Sumpfgebiet auffahrende deutsche Artillerie.
Nach einer Originalzeichnung von Professor Anton Hofsmann.
358
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
geschränkten V-Bootirieg, die aber noch von seinem Vor-
gänger entworfen worden war. Die deutsche Regierung
gab daraufhin der Öffentlichkeit bekannt, daß sich gerade
Spanien immer eines besonderen Entgegenkommens zu
erfreuen gehabt hatte. Deutschland hatte Spanien die
Deckung seines Kohlenbedarfes auf dem Weg: über einen
dänischen Hafen angeboten und ihm außerdem seine ganze
Apfelsinenernte abgekauft, die nach dem Kriege nach Deutsch-
land geschafft werden sollte. — Großes Aufsehen dagegen
machte eine mit Begeisterung aufgenommene Rede des
früheren konservativen Ministerpräsidenten Maura (siehe
Bild Seite 369), die dieser in Madrid vor etwa 20000 Men-
schen hielt, und in der er die unentwegte Neutralität
Spaniens verfocht, die in keiner Weise von Deutschland
verletzt sei. Den Kriegstreibereien müßte entgegengetreten
werden, es sei nicht wahr, daß sich die Kriegführenden für
die Freiheit der kleinen Völker und die Vernichtung des
Militarismus schlagen. Aber so lange England in Gibral-
tar herrsche, sei die Unabhängigkeit Spaniens in Frage
gestellt. i;___
Wie in Spanien, so war es auch in dem am Kriege be-
teiligten Portugal zu einem Kabinettswechsel gekommen.
Vorsitz und Finanzen übernahm Affonso Costa (siehe Bild
geheimen Parlamentsitzungen, die Neutralität auch ferner-
hin Zu wahren. Sie brachte sogar einen Gesetzentwurf
ein, der die Verhetzung des norwegischen Volkes gegen
einen fremden Staat unter Strafe stellte. Der Entwurf
wurde jedoch abgelehnt, worauf der norwegische Justiz-
minister Urbye zurücktrat. Ursprünglich hatte die gesamte
Regierung mit ihrem Rücktritt gedroht, weil der Minister-
präsident Knudsen (siehe Bild Seite 359) fürchtete» infolge
des Druckes der von der gehässigen Presse geschürten Kriegs-
lüsternheit gewisser Teile des norwegischen Volkes in den
Krieg getrieben zu werden.
Norwegen war in seinen Entschlüssen nicht ganz unab-
hängig von den anderen nordischen Staaten Dänemark und
Schweden, die aber viel entschiedener als Norwegen die
Neutralität wahrten. Für die Zeit vom 9. bis zum 11. Mai
war eine neue Zusammenkunft der Minister aller drei
Reiche in Stockholm festgesetzt worden, in der gemeinsame
Maßregeln zur Überwindung der durch den Krieg entstan-
denen Schwierigkeiten beraten werden sollten. Das er-
schien um so notwendiger, als Amerika den europäischen
Neutralen zu verstehen gegeben hatte, es würde ihnen
die Lebensmittelzufuhr unterbinden, falls sie ihre freund-
lichen Beziehungen zu Deutschland aufrecht erhielten. Dem-
Phot. Leipziger Presse-Büro.
Mit Lebensmitteln beladene Kamele kommen in einem deutschen Feldlager hinter der türkischen Jrakfront an.
' <. V -
PLL
Seite 359)» Mandes Ribeire Norton de Matos wurde
Kriegsminister und Mandes Fedroso Marineminister.
In Norwegen, wo der Bannwarenhandel blühte, schuf
der U-Bootkrieg ebenfalls neue Erregung. Dort wurde
sogar gefordert, die norwegischen Handelschiffe zu be-
waffnen, was leicht bedenkliche Folgen hätte haben können.
Die norwegische Regierung entschloß sich aber nach langen
gegenüber war Deutschland nach wie vor bestrebt, die Lage
der Neutralen nach Möglichkeit zu erleichtern und gewährte
unter anderem deren in englischen Häfen liegenden Schiffen
sichere Fahrt in ihre Heimatländer, wenn sie am 1. Mai
ausliefen. Von dieser Vergünstigung machten besonders
Holland, Dänemark, Schweden und Spanien Gebrauch, wo-
hingegen Norwegen sich ablehnend verhielt.— Gortsctzung folgt.)
Illustrierte Kriegsberichte.
Der Stellungswechsel im Westen.
Von Kriegsberichterstatter Evgen Kalkschmidt.
Die Sommeschlacht war nach dem letzten großen Vorstoß
der Engländer im Ancre-Abschnitt (13. bis 15. November 1916)
Anfang Dezember zu einem vorläufigen Abschluß gelaugt.
Außer ständigen Patrouillengefechten und der üblichen
gegenseitigen Erabenbeschießung schien diese Front bei-
nahe Winterruhe zu halten. Aber das schien nur so. Wir
wußten sehr bald, daß die Verbündeten einen riesenhaften
Angriff für das Frühjahr an zwei ausgedehnten Fronten
zwischen Ancre und Oise vorbereiteten, daß sie auch in der
Gegend der alten Arrasschlacht etwas im Schilde führten.
Diese Vorbereitungen bestanden zunächst in einer plan-
mäßigen Verlängerung der englischen Front bis gegen Roye
hinunter. Dadurch bekamen die Franzosen eine Menge
Kräfte frei, die sie südlich von Roye bis über die Oise hinaus
bereitstellen konnten. Die Vermehrung der englischen
Streitkräfte war ganz außerordentlich. Sie warfen an Men-
schen und Material in den Krieg hinein, was sie irgend hatten.
Zum ersten Male schoben sie die Mannschaften, die durch
das Wehrpflichtgesetz ausgehoben worden waren, in größeren
Massen ins Feld.
Die deutsche Heeresleitung blieb diesem heimlichen Auf-
marsch gegenüber, der sich zum Glück nicht verbergen ließ,
keineswegs müßig. Mitten in den heißesten Tagen der
Sommeschlacht war der Gedanke aufgetaucht, die bisherige
Westfront dort, wo sie am weitesten gegen Westen vorsprang,
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
359
Phot. Franz Otto Koch, Berlin.
Der amerikanische Staatssekretär
des Auswärtigen R. Lansing.
Phot. A. Grohs, Berlin.
Der Chef der amerikanischen Ad-
miralität, Admiral William S.
Berson.
Phot. Franz Otto Koch, Berlin.
Josephus Daniels, der amerika-
nische Marineminister.
Phot. Bert. Jllustrat.--Ges. m. b. H.
Der frühere amerikanische Staats-
sekretär des Auswärtigen William
I. Bryan.
also den großen Vogen südlich von Arras bis Caissons,
durch einen Stellungswechsel zu vertürzen und die ver-
wüstete Kampfzone, deren taktischer Wert für die Deut-
schen äußerst gering war, dem Gegner zu überlassen. Einzig
politische Erwägungen konnten gegen diesen Plan sprechen,
denn es war vorauszusehen, daß die Franzosen die Zurück-
gewinnung
von Städten
wie Noyon,
Roye, Ham,
Bapaume
und Peron-
ne, auch
wenn ein-
zelne von ih-
nen nur noch
Trümmer-
stätten wa-
ren, mit lau-
tem Tri-
umphgeschrei
als den An-
fang vom
Ende des
deutschen
Widerstan-
des in die
Welt rufen
würden.
Die Deutschen fühlten sich stark genug, diesem An-
schein zu trotzen, und die Arbeit an den Siegfriedstellungen
begann. Während an Ancre und Somme um jedes kleine
Grabenstück gerungen wurde» steckten die Ingenieur- und
Bauoffiziere im Hinterlande die neue Front ab. Sie hatten
Muße, jede Bodenwelle, jeden Bach, Wald und Hügel auf den
Verteidigungswert hin zu untersuchen. Dann kamen die
Arbeiter in Massen heran. Die fleißigen Kämpfer mit der
Schippe in der Hand, und neben den Armierungsbataillonen
die Zivilarbeiter. Pioniere und geschulte Vorarbeiter
leiteten das Ameisenwerk, das nun begann. Drahthinder-
nisse krochen in langen Raupenschnüren über das weite
Land, Grä-
ben hinter
Gräben wur-
den ausge-
worfen, die
Unterstände
ausgehöhlt,
die Batterie-
stellungen
vorbereitet.
Monate und
Monate ging
so die Ar-
beit fort,
unermüdlich
vom Morgen
bis in den
Abend, und
bis tief in die
sinkende
Nacht der
kurzen Win-
tertage hin-
ein. Es wurde kalt, es schneite, fror und taute beinah
zu gleicher Zeit, aber mit eiserner Beständigkeit schafften
die Tausende am wuchtigen neuen Erenzwall des Krieges;
ungeheure Massen von Schienen, Schwellen, Erabenhölzern,
Betonplatten wurden nach und nach eingebaut. Ein ganzes
verzweigtes System von Feldbefestigungen nach neuestem
Phot. Berl. Jllustrat.--Ges. m. b. H.
Dev frühere spanische Minister-
präsident Maura.
Graf Romanones. der zurückgetretene
spanische Ministerpräsident.
Phot. Verl. Jllustrar.-lKes. m. v.H.
General Aguilera, der neue spa-
nische Kriegsminister.
Mot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b. H.
Roosevelt, der frühere Präsident
der Vereinigten Staaten.
General Hugh Scott, der Chef des
amerikanischen Generalstabs.
Affonso Costa, der neue portugie-
sische Ministerpräsident.
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b. H.
Knudsen, norwegischer Minister-
präsident.
360
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Österreichisch-ungarische Sappeure erwarten auf der Karsthochfläche Befehle.
Muster des Grabenkrieges entstand so, fast wie durch
Zauberspruch.
Am 1. März meldete der deutsche Heeresbericht, daß die
Truppen „aus besonderen Gründen" die vordersten Stel-
lungen beiderseits des Ancrebaches geräumt hätten. Diese
Räumung erstreckte sich auf eine Breite von etwa 20 Kilo-
metern und gab einen schmalen Streifen frei, der in seiner
größten Tiefe etwa 5 Kilometer maß. In aller Stille, un-
bemerkt von: Feinde, war die Operation während des
letzten Februardrittels erfolgt. Alle Geschütze und Mate-
rialien waren herausgezogen, die Unterstände unauffällig
während des Feuers gesprengt worden. Kleine Postierungen
blieben im Vorgelände als Nachhut zurück und verschleierten
tagelang den Abmarsch — sie haben tatsächlich bei den Eng-
ländern den Glauben erhalten, die volle deutsche Graben-
besatzung zu bekämpfen. Es dauerte mehrere Tage, bis der
Feind sich entschloß, schüchtern vorzufühlen. Er war voll-
kommen verdutzt, unschlüssig, sehr vorsichtig. Denn sobald
er in stärkeren Massen entschlossen vorging, belegten ihn
die bereitstehenden deutschen Batterien, die nur darauf ge-
wartet hatten, mit einem vernichtenden Feuer. Die Witte-
rung war demVor-
gehen äußerst un-
günstig , Gräben
und Trichter voll
Schlamm, das
ganzeEelände auf-
gewühlt und ohne
jede Unterkunft.
Denn die letzten
Stützpunkte, die
der Nachhut ge-
lassen worden wa-
ren, wurden von
ihr zerstört, so-
bald sie ihre Auf-
gabe erfüllt hatte
und spurlos ver-
schwand.
Dieses war nur
der Auftakt ge-
wesen. Am 16.
und 17. März er-
folgte die eigent-
liche Räumung des
großen Bogens
von Arras bis zur
Aisne.
Die Technik
dieser gewaltigen
Frontverlegung ist
ohneBeispielinder
Kriegsgeschichte.
Dieselben Aufgaben wie an der Ancre, nur ums vielfache
vergrößert. Räumung — das hieß zunächst: alles brauch-
bare Kriegsmaterial in Sicherheit bringen, sodann: alles,
was mittelbar dem Kriege dienen konnte, mitführen oder
vernichten. Die Motorpflüge und Dreschmaschinen, die
Vorräte an Getreide und Heu, die Kirchenglocken und
anderes verwertbares Metall oder Rohmaterial, das konn-
ten die Deutschen nicht dem Feinde lassen, so wenig wie
das Vieh, soweit es noch vorhanden war. Und endlich
die Menschen — was sollte mit den französischen Bürgern
und Bauern geschehen? Man konnte sie nicht einfach ihrem
Schicksal zwischen den Fronten überlassen. So wurden
sämtliche Arbeitsfähigen in das Hinterland gebracht. Der
Marquis von Folembray in langen weißen Haaren, die er
sich während der Kriegsdauer nicht schneiden lassen will,
durfte aus seinem Schlosse ebenso seine 75 Kilogramm Ge-
päck mitnehmen, wie der kleine pikardische Bauer oder der
Fabrikarbeiter aus Chauny. In Hunderten von Zügen
wanderten die Einwohner ab. Städte wie Chauny, Tergnier,
La Fsre, St. Quentin entvölkerten sich rasch. Städte
wie Noyon, Ham und Nesle wiederum erhielten Zu-
wachs, denn hier
wurden Frauen,
Kinder und Greise
vereinigt, um, mit
Verpflegung für
einige Tage ver-
sehen, dem nach-
rückenden Feinde
überlassen zu wer-
den. Bedenkt man
die Belastung der
Bahnen während
dieser kritischen
Tage durch den un-
geheuren Trans-
port der Kriegs-
güter aller Art, der
Truppen und ihrer
Ausrüstung, so er-
staunt man über
die Größe und
Schwierigkeit der
hier geleisteten
Arbeit.
Aber weiter:
das Gelände mußte
nicht nur geräumt,
es mußte auch,
soweit es militä-
risch geboten war,
zum Hindernis für
den Feind gemacht
Phot. Photopresse Kankowsky, Budapest.
Österreichisch.ungarische Hundebatterie der Jsonzoarmee auf der Karfthochfläche.
VI. Band.
Eroberung der Hohen Schneid durch österreichisch-ungarische Truppen
Nach einer Originalzetchnung von Fritz Nenmann.
J
362
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Phot. 21. Grohs, Berlin.
werden. Infolgedessen ergaben sich drei Zonen verschiedener
Art vor der Siegfriedstellung. Die erste war die bisherige
deutsche Stellungszone hart am Feinde; die zweite ein fried-
licher Gürtel besetzten Landes, in dem man nur Brücken und
Straßen zerstörte, die Wohnstätten bestehen und die Einwoh-
ner zurückließ. Die dritte war die eigentliche Schutzzone vor
der neuen Front, gleichsam das Glacis für die zukünftigen
Kämpfe. Hier war eine planmäßige Zerstörungsarbcit nötig,
ähnlich derjenigen, die bei Kriegsbeginn im Vorgelände
der deutschen Festungstädte ausgeführt wurde, nur natürlich
viel gründlicher. Ich bin wenige Tage vor der Räumung
durch diese Kriegszone gefahren, wahrlich — erst solche
Bilder des unerbittlichen Krieges lassen einen den Segen
des Friedens ganz empfinden, der der deutschen Heimat seit
der Abwehr der Russen beschieden ist. Städte und Dörfer,
bisher bewohnt und inmitten grünender Felder und Obst-
gärten gelegen, rauchten in Schutt und Asche. Sie mußten
gesprengt werden, damit der Feind keine Ortsquartiere
fände, Überall legten die Pionierkommando die letzte
Hand ans Werk, Straßenkreuzungen, Brücken, Kanäle und
Deutsche Soldaten beim Baden im Wardar in Mazedonien.
Schleusen waren miniert, die Kammern geladen. Hoch-
bepackt zogen schwere und leichte Kolonnen, Batterien und
Feldfahrzeuge in bunter Reihe gen Osten. Der Feind
hat keine Rolle Stacheldraht, keine Schiene, keinen Spaten,
kein Kabel, keinen Keller und keinen Brunnen vorgefunden.
Flußtäler waren kilometerweit durch Aufstauung unter
Wasser gesetzt worden. Elektrische Leitungsmasten lagen
geborsten am Wege. Wälder waren abgeholzt, die hohen
Alleebäume angesägt worden, um in der letzten Stunde
vor dem Abrücken als Hindernis über die Straße geworfen
zu werden. Und das Merkwürdige war: die Truppen voll-
führten khren großen „Umzug," in einer absoluten Sieger-
laune, ohne eine Spur von Niedergeschlagenheit, einig
in der Freude der wiedergewonnenen Bewegung und in
dem Vertrauen auf die kluge Voraussicht der Führung.
Der Feind erkannte auch hier die Vorbereitungen erst,
als es für ihn zu spät war. Daran ändern auch die ge-
legentlichen Plakate der Spaßvögel nichts, die sich drüben
den Anschein gaben, als ob sie was Gewisses wüßten. So
die- Franzosen bei Roye: „In eure Hindenburgfalle gehen
wir nicht." Oder die Engländer vor Bapaume: „Sollen
wir beim Umzug helfen?" Die feindlichen Heeresleitungen
verhielten sich sehr ungewiß. Das Wetter an den beiden
kritischen Tagen begünstigte das Abrücken außerordentlich.
Die Wahrung des Geheimnisses einer Stellungsänderung
von diesem Umfange ist, an und für sich betrachtet, schon
eine militärische Disziplinleistung allerersten Ranges. Die
folgerichtige Verwirklichung des Räumungsplanes bleibt
angesichts eines Gegners von anerkannter Qualität eine
seltene Tat militärischer Überlegenheit und Energie.
Der erste Erfolg dieses unblutigen Sieges von Hinden-
burg und Ludendorff war: Bewegung an der Westfront,
offene Gefechte in Wald und Flur, Überraschungen, Nach-
huten und Patrouillen, auffahrende Artillerie, Kavallerie,
Radfahrer. Schwerfällig folgte der Engländer, feuriger
der Franzose,' schwere blutige Verluste in den ungezählten
Scharmützeln erlitten sie beide. Strategisch war ihnen das
Heft ganz aus der Hand genommen- ihre große Frühjahrs-
offensive war zusammengebrochen vor dem leeren Raum.
Monate müssen vergehen, ehe sie an dieser Front so heran
sind, daß sie einen Angriff großen Stiles unternehmen
können.
Aber die Zeit drängte, und die Il-Boote halfen nach.
Der Feind schwenkte seine
Angriffsdivisionen und
seinen Artilleriepark ab
nach links und rechts,' die
Engländer, bemerkens-
wert rasch gesammelt,
stellten sich im Raume
von südlich von Arras bis
Lens, die Franzosen zwi-
schen Soissons und Reims
zur Schlacht bereit. Nach
übereinstimmendem Pla-
ne, wenn auch zu ver-
schiedenen Zeiten, gingen
sie geg.en die vermuteten
Ansatzstellen der neuen
deutschen Front, dort also,
wo sie in die alte Linie
mündete, umfassend vor.
Die Siegfriedstellung
sollte von den Flanken
und vom Rücken her auf-
gerollt werden. Hierüber
das nächste Mal.
Die russische
Sommeroffensive.
Von Major a. D. E. Moraht.
Als die westliche Hee-
reskrast unserer Gegner
durch den Angriff des
deutschen Heeres auf Ver-
dun tief erschüttert war,
beschloß man im „Großen
Kriegsrat" der Verbands-
mächte etwa im Mai des Jahres 1916, die russischen Massen
zur Entlastung in Bewegung zu setzen. England war, wie
man später aus einer Erklärung des Sir Douglas Haig,
des Höchstkommandierenden der britischen Truppen auf
dem Festlande, erfuhr, noch nicht bereit. Es blieb also
nichts anderes übrig, als auf die Russen zurückzugreifen,
wenn man nicht Gefahr laufen wollte, durch immer
stärkere, vom Osten herangeführte deutsche Truppen um
den Besitz von Verdun gebracht zu werden. Rußland
hatte seit seiner gescheiterten Frühjahrsoffensive Zeit ge-
habt, sich wesentlich zu verstärken. Weitere Transporte aus
dem Osten waren angelangt und die jüngste Mannschaft
war unter die kriegserprobten Divisionen eingeteilt worden.
Die Munitionsversorgung durch England und Amerika
hatte mittlerweile ein gutes Ergebnis gehabt, weil die
Transportschiffe noch ziemlich ungehindert den Hafen von
Archangelsk, der ja im Sommer eisfrei ist, erreichen konn-
ten. So ließ sich Rußland bereitfinden, aufs neue mit un-
erhörter Wucht gegen die Fronten im Osten anzurennen,
mit dem Zweck, eine großzügige Entlastung für die Ver-
bündeten im Westen zu erzielen.
Es wurden Anfang Juni 1916 ungeheure Menschen-
massen in Bewegung gesetzt. Die strategischen Ziele für
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
363
die russische Heeresleitung waren der Raum von Barano-
witschi, ferner die Festung Kowel und die Hauptstadt Gali-
ziens, Lemberg. Durch die Eroberung Baranowitschis wollte
man einen äußerst wichtigen Eisenbahnknotenpunkt in die
Hand bekommen. Derselbe Gedanke schwebte auch bei dem
Angriff in der Richtung Kowel
vor, von wo aus sich die Linien
gegen Brest-Litowsk und Cholm
in Südpolen zweigen. Lemberg
war politisches Ziel und sollte er-
reicht werden, um einen tiefen
moralischen Eindruck auf die sla-
wische und polnische Bevölkerung
Österreich-Ungarns zu hinterlassen.
Zunächst griff der Russe über
Luck an. Im Raume von Rowno,
in Wolhynien, einer Festung, die
immer in russischen Händen geblie-
ben war, hatte sich das starke
feindliche Angriffsheer versammelt,
um gegen die Heeresgruppe Lin-
singen vorzubrechen. Hauptsäch-
lich war die Armee des Erzherzogs
Joseph Ferdinand für den Angriff
ausersehen. Es gelang den Fein-
den, durch Anwendung von unge-
heuren Munitionsmassen die Grä-
ben der vordersten Stellungen ein-
zuebnen. Rücksichtslos wurde die
russische Infanterie eingesetzt und
durch eigenes rückwärtiges Feuer
vorgetrieben. Rach einigen Wochen
Kampf hatte der russische Ober-
feldherr Brussilow zweifellos Er-
folge zu verzeichnen, und er nötigte
seine Gegner, aus dem Innern
Deutschlands Verstärkungen für die
Armee Linsingen heranzuführen.
Brussilow ließ seine Stoßgruppen
gegen Kowel einschwenken, aber deutsche Kräfte begannen
am 16. Juni mit dem Gegenstoß. Sie gewannen schritt-
weise Boden zurück, und weitere Verstärkungen, die sie
Ende Juni bekamen, hatten Erfolge aus südwestlicher
Richtung gegen Nordosten. Ein dritter Gegenstoß am
30. Juni führte neue Kräfte mit Erfolg gegen die russische
Phot. Berl. Jllustrat.--Ges. m. b. H.
Korvettenkapitän Gautier,
der mit leichten deutschen Seestreitkräften in der Nacht vom
20. zum 21. April 1917 in den östlichen Kanal und gegen die
Themsemündungchorstieß und die Festungen Dover und Calais
auf nahe Entfernungen mit insgesamt 650 Schuß wirkungsvoll
unter Feuer nahnl.
Front. Trotz ungeheurer Schwierigkeiten, die aus dem
schlechten Wetter des Sommers erwuchsen und die wol-
hynischen Wege in Morast verwandelten, blieb der Angriff
nicht stecken. Im Verein mit anschließenden k. u. k. Jn-
fanterietruppendivisionen kamen die Deutschen im Raume
von Zubilno und Trysten vorwärts.
Im allgemeinen zwar mußte Ge-
neral v. Linsingen sich darauf be-
schränken, den Feind zu Umgrup-
pierungen zu zwingen- Die Ver-
schiebung der russischen Kräfte
nahm viel Zeit in Anspruch, und
die Herbeiführung neuer russischer
Ersatztruppen verlangsamte die Tä-
tigkeit ihrer angreifenden Front.
Die Stochodlinie war es, die
das befohlene Operationsziel, Ko-
wel, den Gegnern versperrte. Ko-
wel sollte auf jeden Fall erreicht
werden, während Brussilow zu-
gleich im Norden gegen Barano-
witschi, im Süden gegen Lemberg
durchbrechen wollte. Aber es ge-
lang nicht in der Richtung auf Ko-
wel den Keil in die Fronten der
Gegner zu treiben. Ende Juli und
Anfang August war es ein hartes
Ringen gegen überlegene feind-
liche Kräfte, das die Truppen der
Mittelmächte durchzuhalten hatten,
und weniger starke Nerven, wie die
ihrer Führung, hätten sich er-
weichen lassen unter dem Eindruck
der fortwährend eingehenden Mel-
dungen über die beobachteten Mas-
sentransporte auf den nach Luck
und Kowel führenden Bahnen.
Vor allen, Dingen war die wieder
aufgefüllte russische Garde dazu be-
stimmt, Kowel als Siegespreis ihrer Opfer zu erobern. Man
kann nicht leugnen, daß die russische Garde, die seit den Kämp-
fen um Wilna im September des Jahres 1915 geschont wor-
den war, über gut ausgerüstete Regimenter mit durchgebilde-
tem Ersatz verfügte, und man muß rechnen, daß etwa 100000
Mann Eardetruppen zur Erreichung des wichtigen Kowels
Scharfschießen eines großen deutschen Panzerkreuzers.
Phot. A. Renard, Kiel.
Ein deutsches Markneluftschiff unter Führung des Kommandanten Kapitänleutnant Koch bringt am 23. 3
norwegische Bark »Royal« auf und läßt sie durch ein Prisenkommando unter Befehl des Obe:,
il 1917 siebzig Seemeilen von Hornsriff in der Nordsee die mit Grubenholz nach Westhartlepool beladene
uermannsmaats Fegert mit drei Nkatrosen des Luftschiffes in einen deutschen Hafen einlaufen.
Nach einer Originalzeichn^von Professor Willy Stöwer.
366
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
zur Verfügung standen. Der Artillerieangriff geschah nach
französischem Muster. Ein ungeheures Trommelfeuer wurde
in seinem Erfolg noch unterstützt durch den leicht zerrinnbaren
Sand, in dem sich die vorderen Linien der Deutschen ein-
genistet hatten. Das Kennzeichnende des russischen An-
griffs aber lag doch in dem rücksichtslosen Vorpeitschen der
dichten Jnfanteriemassen. Es ist berichtet worden, daß an
einzelnen Kampforten 23 Angriffswellen hintereinander
nutzlos hingeopfert wurden. Alle Anstürme brachen meist
vor den deutschen Hindernissen zusammen, und den Rest be-
sorgte der Handgranatenkamps. Von Süden, Südosten und
Osten drückte Brussilow gegen die Front, die ihm Kowel
versperrte. Russische Massengräber entstanden an den Ufern
des Stochods. AIs am 30. Juli der dritte Tag des allge-
meinen Angriffs anbrach, konnte man die russischen Leichen-
felder überblicken. Unerschütterlich blieben die deutsche Füh-
rung und das tapfere Heer, so daß auch das Ergebnis des
31. Julis und des ersten Augusttages darin bestand, datz von
den Feinden kein entscheidender Schritt auf dem Wege
nach Kowel gemacht war.
An den nächsten Augusttagen herrschte etwas Ruhe, und
einzelne russische Stotzgruppen zeigten die Zermürbung der
Angriffswellen. Aber immer noch nicht wurde das Ziel
Kowel fallen gelassen. Turkestanische Truppen wurden
herangeführt, und ein zweiter gewaltiger Ansturm begann
am 8. August. Die vorderen Angriffswellen wurden von
Offizieren geführt, die hinteren mit geschwungenen Peit-
schen vorgetrieben. Aber auch jetzt blieb das strategische Ziel
unerreicht. Kleine taktische örtliche Erfolge hatte der Russe
mit einem blutigen Verlust von mehr als 100 000 Mann
bezahlt. Kowel blieb in den Händen der verbündeten
Truppen.
Ein gleiches Schicksal war der russischen Offensive gegen
Baranowitschi und gegen Lemberg beschieden. General-
oberst v. Woyrsch hielt die Wacht an der Schtschara und am
Serwetsch. Ein sehr starkes Artilleriefeuer setzte am 13. Juni
gegen die Stellungen ein. An einzelnen Orten warf der
Gegner gegen 12 000 Schutz auf die Gräben. Auch hier
trieb er seine Kämpfer wiederholt in der rücksichtslosesten
Weise vor; sie brachen aber zusammen. Run gruppierten
sich die Russen um. Unter ihrem Führer, dem General
Lesch, sollten die beiden Armeekorps 9 und 25 die Scharte
auswetzen und namentlich die k. und k. Truppen über
den Haufen rennen. Die Tage vom 3. bis zum 9. Juli
haben Kümpfe von unerhörter Heftigkeit gezeitigt, die in
der Front des Landwehrkorps und in den österreichisch-un-
garischen Stellungen nördlich vom Koldytschewosee ausge-
fochten wurden. Aber überall fluteten die Massen des
Feindes zurück, zerstreut von dem schweren Artilleriefeuer
der Batterien. Eine kurze Zeit flauten die Kämpfe ab, dann
gingen die Verbündeten zum Gegenangriff über. Am
25. Juli hatten sich die Russen verstärkt. Drei neue Di-
visionen suchten einzubrechen, aber mit Granaten und Bajo-
nett wurden sie zurückgeworfen. Nun trat die Ruhe der
Erschlaffung ein, und am 29. Juli war die Reihe der Kämpfe
um Baranowitschi zu Ende. Einige hundert Meter Schützen-
graben hatten die Feinde gewonnen, aber sie hatten den
Gewinn, der nur ein geringer taktischer genannt werden
kann, mit etwa 40 000 Toten und 60 000 Verwundeten
bezahlt; dazu kamen noch fast 6000 Gefangene.
Das dritte strategisch-politische Ziel der Russen war,
wie erwähnt, die Hauptstadt Galiziens, Lemberg. General
Sacharow hatte den rechten Flügel der k. u. k. Truppen,
die Armee Boehm-Ermolli, Ende Juli zurückgedrängt.
Man wollte in den schweren Käurpfen der ersten August-
tage auf russischer Seite ein weiteres Zurückgehen dieser
Verteidigungsgruppe erreichen, um den Nordflügel der
Armee des Grafen Bothmer zu gefährden. Aber diese
hielt in zähester Verteidigung die Strypafront. Es ent-
spann sich ein langer Kampf um den Sereth, und um
jeden Schritt Boden haben die k. u. k. Truppen gerungen.
Dann setzten Gegenangriffe deutscher Divisionen ein und
verhinderten die weiteren Versuche des Gegners, am
Sereth südöstlich von Horodyscze Raum zu gewinnen.
Die Russen verlegten wiederholt ihre Hauptangriffspunkte,
zum Beispiel in den Raum von Zalocze, aber immer waren
die Deutschen rechtzeitig zur Stelle. Dann lietz General
Sacharow von der Front Boehm-Ermolli ab und wandte
sich gegen die Heeresgruppe des Grafen Bothmer. Sie
hielt mit deutschen, österreichischen und ungarischen Truppen
die Wacht Zwischen Dnjestr und Sereth. Es wurde um
Buczacz gerungen, und dann versuchten die Feinde im
Raume von Burkanow vorzudringen. Vergeblich. Bald
richteten sich die russischen Massen gegen den Nordflügel,
bald gegen den Südflügel Bothmers. Endlich mutzte sich
die tapfere Führung entschließen, die bisherige Front
aufzugeben. Die Verteidiger wurden in neue vorbereitete
Stellungen zurückgenommen. Nun versuchten die Feinde
Mitte August im Raume von Monasterzyska und Horo-
zanka ihre Gegner weiter nach Westen abzudrängen. Der
Versuch mutzte nach vielen blutigen Schlappen der Russen
aufgegeben werden, und seit dem 17. August stand die Hee-
resgruppe Bothmer in fast geradliniger Front zwischen
den beiden Armeen Boehm-Ermolli und Kävesz. Die
Umfassung der Armee Bothmer war den Feinden mitz-
lungen. Die Führung hatte es verstanden, die einheitliche
Front aufrecht zu erhalten.
Aufbringen eines Seglers durch ein
deutsches Marineluftschiff.
«Hierzu das Bild Seite 8611385.»
In der Luftschiffhalle zu ... herrscht ein emsiges Treiben.
Die Obermaschinistenmaate klettern in die Motorstände
des Luftschiffs, die Luftschrauben werden zur Probe an-
geworfen, ihr brausendes Dröhnen erfüllt die Halle. Die
seemännischen Unteroffiziere prüfen die Rudereinrichtungen,
Munition wird an Bord getragen und nach einer Stunde
wird „L .." flugklar gemeldet. Die Haltemannschaften er-
greifen auf Kommando die Taue, lautlos gleiten die riesigen
Türflügel zur Seite, und als eben die Strahlen der auf-
gehenden Sonne über das Land schießen, steigt das Luft-
schiff zur Fahrt auf. - , -
Nordwestwind weht von See her, aber leicht kommt
„L .gegen ihn an, und nach einer halben Stunde schon
liegt die See unter ihm. Es ist richtiges Flugwetter: klarer
Himmel, unbegrenzte Fernsicht und günstiger Barometer-
stand. Unten ziehen einige grotze Linienschiffe durch die
See, hinter ihnen leuchtet das Schraubenwasser, voraus
und zu beiden Seiten fahren Torpedoboote. Böeiter nord-
wärts werden noch mehrere Vorpostenboote überflogen,
dann liegt die freie Nordsee vor dem Luftschiff. Kein
Schiff kommt bei dem Weiterfluge in Sicht, nur unter der
dänischen Küste tauchen die braunen Segel von Fischersahr-
zeugen auf. Die ganze Nordsee ist wie ausgestorben; seit
der deutschen Sperrgebietserklärung ist der Handelschiff-
verkehr zwischen England und den skandinavischen Ländern
fast eingestellt, nur einzelne verwegene Kapitäne, denen
das Geldverdienen mehr ist als ihr Leben und die Sicher-
heit von Schiff und Besatzung, wagen sich noch quer über die
Nordsee. An Steuerbord liegt die Nordspitze Dänemarks,
voraus tauchen die Berge Norwegens aus der See, jetzt
heitzt es umdrehen.
Im weiten Bogen holt „L .." nach der Ostseite der Dog-
gerbank aus, vielleicht zeigt sich dort ein Feind, der Turm
eines englischen 1t-Bootes oder ein fürwitziger Minenleger.
Doch nichts ist zu erblicken und schon will der Komman-
dant die funkentelegraphische Meldung geben, daß keinerlei
feindliche Fahrzeuge gesichtet sind, als voraus ein Segler
mit Kurs nach England in Sicht kommt. Einige Minuten
später umkreist ihn „L .An seinen Bordwänden leuchtet
das blaue Kreuz im roten Felde, also ein Norweger. Er
hat sicher Bannware, denn die Besatzung hat die Segel
backgebratzt; gestoppt schaukelt die Bark in der leichten
Dünung. Die Besatzung bringt die beiden Schiffsboote ohne
besondere Aufforderung zu Wasser, sie weitz schon, welches
Schicksal ihrem Schiff bevorsteht, auf dem auch vom Luft-
schiff aus die hochgestapelten Grubenhölzer zu sehen sind.
Dicht an ihnheran, datz die Gondeln das Wasser berühren, geht
das Luftschiff, dem sich eines der Ruderboote nähert und
die Schiffspapiere bringt. Ein kurzes Überlegen des Ka-
pitänleutnants Bockholt — es ist nicht mehr weit bis zu
den deutschen Vorpostenlinien, der Nordwest weht in die
Deutsche Bucht hinein, eine günstige Gelegenheit für das
Luftschiff, auch mal eine Prise in einen deutschen Hafen
zu schicken. Vier Leute der Besatzung können entbehrt
werden; mit Handwaffen ausgerüstet klettern sie von der
Gondel in eines der Boote und rudern mit der norwegischen
Besatzung an Bord des Seglers. Dann steigt „L .." wieder
auf. Gleich danach eilen elektrische Funken durch die Lust
Kampfflieger Vizefeldwebel Sebastian Festner, der den berühmten eng- Kampfflieger Leutnant Lothar Freiherr v. Richthofen, der jüngere Bruder
lischen Flieger Robinson im Luftkampf zum Niedergehen hinter den deut- des Rittmeisters, kehrt von einem Fluge zurück. Bis zum 7. Mai 1917
fchen Linien zwang und nach 12 Luftsiegen im Mai 1917 im Luftkampf siel. hat er 20 Gegner zum Absturz gebracht.
Die startbereiten Flugzeuge der Jagdstaffel, die bis zum 22. April 1917
einhundert feindliche Flugzeuge im Luftkampfe zum Niedergehen ge-
zwungen hat.
Im Quartier des Rittmeisters v. Richthofen. An den Wänden Num-
mern und Abzeichen abgeschossener feindlicher Flugzeuge. Von der Decke
herab hängt als Kronleuchter der Motor eines englischen Flugzeuges.
Kampfflieger Leutnant Schäfer, der am 1. Mai 1917 seinen 24. und 25.
Luftsieg errang.
Kampfflieger Leutnant Wolff, der am 1. Mai 1917 seinen 28. und 29.
Gegner besiegte.
Bei der Jagdstaffel des Rittmeisters Manfred Freiherr» v. Richthofen.
368
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
zum Flottenflaggschiff: „Habe norwegische Bark ,Royal'
mit Grubenholz aufgebracht und mit Prisenbesatzung nach
... geschickt." Tief unter dem Luftschiff fährt der Nord-
west gegen die Segel der Bark, in flotter Fahrt gleitet
sie südwärts, wird von den deutschen Vorpostenlinien auf-
genommen und ankert am nächsten Morgen in dem befoh-
lenen Hafen. Der Führer des Prisenkommandos, Ober-
steuermannsmaat Fegert, wurde zur Belohnung zum Deck-
offizier befördert.
Jagdstaffel Richthofen.
«Hierzu die Bilder Seite 367.)
In einem kleinen Schloß an der Westfront wohnt der
Rittmeister v. Richthofen mit seiner Jagdstaffel. Im Schlöß-
chen hausen er, sein Bruder Lothar und seine anderen Kampf-
gefährten, die Leutnante Schäfer, Wolff, Brauneck, Krefft,
Simon und noch einige. Auch der inzwischen gefallene
Mzefeldwebel Festner, ein vorzüglicher Jagdflieger, gehörte
zur Staffel. - In den Nebenhäusern ist die zur Abteilung
gehörige Mannschaft untergebracht: die Monteure, der Waf-
fenmeister, der Startunterofsizier, der den Startplatz am
Tage durch ein abseits geschürtes
rauchendes Feuer und nachtsdurch
Leuchtraketen den heimkehrenden
Fliegern sichtbar zu machen hat.
Der „Rittmeister", wie v.
Richthofen allgeniein genannt
wird, benutzt ein Schlafzimmer-
chen und ein Wohnzimmer, das
er mit seinem Bruder teilt. Die-
ses Wohnzimmer ist recht seltsam
geschmückt; die Wände sind mit
den Nummern der abgeschosse-
nen Flugzeuge bedeckt. Jede
Zahl, jedes A/3340, N/5193,
A/1108 ist das Siegerzeichen von
einem gefällten Feind. Aber
dem Tisch hängt als Kronleuchter
ein 8 - Zylinder - Gnome - Motor,
in dessen Zylinder elektrische
Lampen eingeschraubt sind. Mer
der Tür ist ein Seitensteuer an-
gebracht, daneben ein Maschinen-
gewehr, dort zwei Browning-
pistolen — wohin man sieht,
Trophäen.
Solange kein „Flugwetter"
ist, stehen die Flugzeuge, lauter
gedrungene kleine Doppeldecker,
in ihren Hallen, vor feindlicher
Fliegersicht wohl geschützt. Die
Flugzeugwärter sehen Motoren,
Drähte, Spannschlösser nach, der
Waffenmeister prüft die Maschi-
nengewehre. Aber wenn die Glocke rasselt, ändert sich das
Bild. Rasch stehen die Flugzeuge draußen, in einer Reihe
ausgerichtet, die Fliegerkleidung liegt auf den Sitzen. Die
Jagdflieger kommen, flinke Hände helfen beim Anziehen.
Richthofen in weißen Fellstiefeln klettert schwerfällig die
Leiter zum Sitz hinauf. Schon surrt das erste Flugzeug
ab, dann das zweite — fort sind sie. —
Ein paar Minuten Flug — und sie sind am Feind. '
Und nun zeigt sich, was die deutschen Flieger überlegen
macht» ihnen den Sieg verschafft: das rücksichtslose Drauf-
gängertum im entscheidenden Augenblick, die Beherrschung
aller Nerven und die bessere Schieß- und Flugkunst. Mögen
noch so viele „dicke" englische „Vickers" oder „Sopwith" oder
„B. E." (British Erperimental) oben sein, die Richthofensche
Staffel greift an. Jeder sucht sich einen Gegner, immer
bestrebt, sich „hinten an ihn ranzuhängen" und ihm „den
Laden vollzuschießen". Aber mitten im Wirbel der Wen-
dungen und Sturzflüge, der spritzenden Maschinengewehr-
garben hat noch jeder der Flieger so viel Zeit, nach den
Kameraden zu schauen; ist einer von zu vielen Feinden
bedrängt, so sucht der nächste heranzukommen, um ihm Luft
zu machen.
Ein Geschwader, das mit Richthofens Staffel zusammen-
gerät, darf nicht hoffen, heil nach Hause zu kommen. Ruhig
lassen die Richthofen-Leute den Feind über die Front, sie
tun so» als sähen sie ihn nicht — und dann schneiden sie ihm
den Rückzug ab, zwingen ihn zum Kampf.
Richthofens Leute sind fest davon überzeugt, daß ihr
„Rittmeister" die Engländer „riechen" kann. Wenn gar
nichts los ist, stundenlang keine Meldung von der Front
kommt, das Wetter sich nicht aufheitern will, springt Richt-
hofen plötzlich auf und ruft: „Jetzt los!" — Das Geschwader
startet, und fast nie fliegt es zur Front, ohne dort auf
Feinde zu stoßen, die gerade über die Linien wollen.
Dicht hintereinander, wie sie startete, kommt die Richt-
hofensche Staffel zurück. Dann geht's ans Nachsehen der
Flugzeuge und ans Treffersuchen. Oft haben Motor und
Tragdecke Schüsse bekommen; im Sitz, im Benzintank
stecken Kugeln. Da heißt es für die Monteure, schnell aus-
bessern, denn jeder Augenblick kann zu neuem Kampfe
rufen.
Manchmal schon zwang ein Schuß in den Motor den
einen oder den anderen zur Notlandung; dann wird gefragt
und telephoniert und im Auto, herumgesucht, bis endlich der
Vermißte gefunden wird. Solche Notlandungen haben alle
schon machen müssen: Richthofen, Schäfer, Festner, der
schon verschiedene Schüsse durch Wams und Ärmel, einen
Treffer sogar in die Maschinen-
gewehrpatronen bekam, ohne
daß er selbst verletzt wurde-
Er nähte sich die Schußlöcher
zu und trug die Jacke weiter.
Auch Richthofen mußte einmal
notlanden und konnte seine Ab-
teilung nicht benachrichtigen, so
daß sich Leutnant Schäfer in
schwerer Sorge im Auto auf die
Suche machte. Endlich fand er
ihn — irrt Kasino einer Pionier-
abteilung vor einer Schüssel voll
Austern! Schäfer brachte ihn
im Auto zurück; Richthofen
nahm sofort ein anderes Flug-
zeug und schoß am selben Rach-
mittag noch einen Engländer ab!
Vizefeldwebel Festner war
übrigens der Besieger des be-
kannten englischen Fliegerkapi-
täns Robinson, der 1916 für den
Abschuß eines Zeppelins den
englischen ?our ls Merite, das
„Victoria-Croß", bekam. Festner
faßte das Robinsonsche Flugzeug
über den deutschen Linien, schoß
ihm den Motor entzwei und
drückte es tiefer, bis der Eng-
länder auf einer Wiese bei Douai
landen mußte. Nun kam Festner
nachgesaust, konnte aber nicht
landen, weil ihn sonst der Eng-
länder mit seinem unversehrt gebliebenen Maschinenge-
wehr angegriffen hätte. So flog Festner, den Feind
ständig bedrohend» in niedriger Höhe um ihn herum,
bis Soldaten kamen und den englischen Flieger gefangen-
nahmen. , M. P.
Der neue Chef des Feldeisenbahnwesens.
(Hierzu das obenstehende Bild.)
Mer die Eisenbahnabteilung des Großen Generalstabs
und die Organisation des Militäreisenbahnwesens im Kriege
haben wir unsere Leser bereits in einem fachkundiger Feder
entstammenden Artikel unterrichtet, der in Band II auf
Seite 396 enthalten ist. Als der damalige Chef des Feld-
eisenbahnwesens, Generalleutnant Grüner, die Leitung des
bei dem Kriegsministerium neu geschaffenen Kriegsamtes
übernahm, galt es, für diesen wichtigen Posten einen ge-
eigneten Rachfolger zu suchen. Er ist vor kurzem in dem
Obersten Freiherrn v. Oldershausen ernannt worden. Der
neue Chef des Feldeisenbahnwesens war vor dem Kriege
Oberstleutnant im sächsischen 6. Infanterieregiment Nr. 105,
König Wilhelm II. von Württemberg. Er ist im Jahre
1872 in Hildesheim als vierter Sohn des im Jahre 1895
verstorbenen, in österreichisch-ungarischen Diensten gestan-
denen Rittmeisters Ernst Freiherrn v. Oldershauseir geboren.
Oberst Freiherr v. Oldershausen,
der neue Chef des Feldeisenbahnrvesens.
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
IFvrtlotzmig.»
Nach der Niederlage, die sich die Engländer an
der deutschen Westfront in der Schlacht bei Arras geholt
hatten, zogen sie an Truppen und Kriegsgerät zusammen,
was ihnen erreichbar war, um möglichst rasch einen neuen
Schlag auszuführen. Die Kampflinie verlief jetzt etwa
von Lens über Avion, Acheville, Arleur, Oppy, Gavrelle,
Roeur, Monchy, Euemappe, Cherisy, Fontaine, Croisilles,
Bullecourt, Noreuil nach Lagnicourt (siehe die Karte
Seite 338 oben).
Hatten die Engländer schon ihrem ersten Angriff eine
Beschießung der deutschen Stellungen mit 15-om-Eeschossen
vorausgehen lassen, die das der Schlacht an der Somme
vorausgeschickte Feuer um das Zweieinhalbfache über-
traf, so trat diese Leistung noch in den Schatten gegen die
neue Artilleriewirkung, die die zweite Schlacht von Arras
einleitete. Diesmal wurden sogar sechseinhalbmal mehr
Granaten mittleren Kalibers verschossen als an der Somme.
Nach dieser mit so ungeheuren Mitteln genährten Vorbe-
reitung brachen die englischen Sturmkolonnen am 22. April
nachmittags vor, um die Stadt Lens in ihre Gewalt zu
bekommen und womöglich einen Durchbruch zu erzwingen.
Der erste Jnfanteriestoß richtete sich gegen den Ort Roeur
an der Scarpe. Es war zunächst mehr ein Vortasten mit
starken Kräften, um das Ergebnis der Beschießung fest-
In Erwartung eines feindlichen Angriffs im vordersten deutschen Graben.
Nach einer farbigen Originalzeichnung des der Kronprinzenarmee zugeteilten Kriegsnialers Joseph Correggio.
VI. Gand.
370
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Kanadische Truppen bringen bei einem Angriff im Westen ihre
Nach einer englischen Darstellung.
zustellen. Allein die starken feindlichen Abteilungen kamen
nicht weit,- im deutschen Maschinengewehrfeuer (siehe die
Bilder Seite 371) brach der Angriff blutig zusammen. Nun
steigerten die Feinde ihr Trommelfeuer in einem bisher noch
nicht dagewesenen Matze, das auch den letzten Rest der
deutschen Stellungen zermalmen sollte- Die äutzerste Wucht
erreichte das Feuer am 23. April morgens vier Uhr. Dann
schritten die englischen Divisionen in einer Ausdehnung von
30 Kilometern Breite von Lens bis Bullecourt zum Sturm.
Avion, Acheville, ArleuX und Oppy bildeten Brennpunkte
des englischen Vorstotzes, der wieder durch Panzerkraft-
wagen (siehe Bild Seite 372/373) unterstützt wurde.
Die Engländer hatten gehofft, datz die Artillerie die
Widerstandskraft der Deutschen gebrochen habe und sie
nun mit der Einnahme von Lens leichtes Spiel haben
würden. Auf diese Stadt stürmten sie aus den östlichen
Vororten von Lievin, der Eite du Moulin und du Bois,
ehemaligen Bergarbeiterwohnorten, auf die deutschen
Stellungen bei Lens vor. Die berühmten „Tanks" wurden
dort von der deutschen Artillerie empfangen und zusammen-
geschossen. Statt den Weg freizumachen, bildeten sie
nun Hindernisse auf dem Schlachtfelde. .Wie die Tanks,
so erlagen auch die anstürmenden Linien der Engländer
dem rasenden Abwehrfeuer der deutschen Artillerie und
der Maschinengewehre; trotz todesmutiger Tapferkeit ver-
mochten sie ihr Ziel nicht zu erreichen
Südlich von der Scarpe drangen die Engländer mit
der gleichen Wucht vor; sie konnten aber auch dort nur in
den Trümmern von Guemappe Futz fassen und eine geringe
Einbuchtung der deutschen Linien erzielen. An diesem
Punkte und an den Einbuchtungstellen nördlich von der
Scarpe führten die deutschen Eegenunternehmungen zu
äußerst heftigen Kämpfen und schweren Niederlagen der
Feinde *
Bei Eavrelle eroberten die Deutschen ihren alten Besitz
teilweise zurück und auch bei Guemappe entrissen sie den
Engländern den größten Teil ihres Gewinnes wieder. Dabei
machten sie 500 Gefangene, die neun verschiedenen Divi-
sionen entstammten, ein Beweis für die gewaltige Streit-
macht, die die Engländer ins Gefecht brachten- Die Verluste,
die diese erlitten, waren ungeheuer. Über die Leichenhaufen
der Gefallenen stürmten immer neue Abteilungen vor;
truppweise, wie sie anstürmten, blieben sie im Feuer liegen.
Marschall Haig setzte seine Hoffnungen auf den fol-
genden Tag und schickte neue Regimenter in die Schlacht.
Die Kampffront war aber
schon kürzer geworden.
Gegen Lens erfolgten
keine Angriffe mehr, und
auf weiten Strecken süd-
lich davon wirkte nur die
feindliche Artillerie- Klei-
nere Jnfanterieabteilun-
gen, die vorzugehen ver-
suchten, brachen im deut-
schen Abwehrfeuer zu-
sammen. Das Dorf Ea-
vrelle , das einstmals
500 Einwohner gezählt
hatte, also ein winziger
Punkt innerhalb der deut-
schen Verteidigungsfront
an der Straße von Arras
nach Douai, wurde von
den Feinden nachdrück-
lich berannt. Kleine Vor-
teile, die sie erzielten,
wurden ihnen von den
Deutschen immer wieder
streitig gemacht, so datz
sie fortwährend Verstär-
kungen nachziehen mutz-
ten, die dann ebenfalls
im Kampfe untergingen.
Südlich von der Scarpe
stürmten die Feinde un-
ablässig bei Guemappe
Maschinengewehre in Stellung. Und auch bei Monck)y
beiderseits der Straße
Arras—Cambrai; sie er-
höhten jedoch damit nur ihre Verluste. An dem Flusse
selbst konnten sie nicht verhindern, datz die Deutschen den
Ort Roeur mit dem Bahnhof wieder eroberten, wobei diesen
Gefangene und mehrere Maschinengewehre in die Hände
fielen. Auf. einer 5 Kilometer langen Linie zwischen Monchy
und Cherisy kam es schließlich zu einem sehr starken Sturm-
angriff der Engländer, bei dem sie nur die Zahl ihrer
Toten und Verwundeten beträchtlich vermehrten, ohne
irgendwie zum Ziele zu kommen. Dieser Tag hatte den
Feinden so ungeheure Opfer gekostet, datz die Gesamt-
angriffsfront am nächsten Tage wieder zusammenschmolz.
Es entwickelten sich nur bei Eavrelle und Roeur stärkere
Unternehmungen, die ebenfalls erfolglos blieben Die
zweite Schlacht bei Arras hatte trotz der gründlichsten Vor-
bereitung nur zur Verblutung der englischen Divisionen
geführt-
Am vierten Tage der zweiten Schlacht wichen die Jn-
fanteriekämpfe schon wieder denen der Artillerie Es handelte
sich aber mehr um eine Atempause, denn die Feinde hatten
ihre ursprüngliche Absicht noch nicht aufgegeben. Schon
bald hatten die Engländer die Lücken in ihren Reihen
neu gefüllt und traten am 28 April früh halb sechs Uhr
auf der ganzen Linie zur dritten Schlacht an. Schotten,
Kanadier (siehe obiges Bild), Australier und farbige Sol-
daten, und dazu auch eigentliche Engländer wogten den
deutschen Stellungen entgegen. Das Abwehrfeuer der Ver-
teidiger und deren Handgranaten (siehe Bild Seite 369)
rissen breite Lücken in die englischen Sturmwellen und
legten sie reihenweise nieder. Dennoch gelangten die Feinde
im ersten Anprall an vielen Stellen über die vorderen
deutschen Gräben hinaus Mit größter Wucht stürzten sich
die Deutschen aber auf die Angreifer und trieben sie
zurück. Wieder hatten sich Tankgeschwader am Kampfe
beteiligt, die von der deutschen Artillerie unter wirksames
Feuer genommen wurden. Die dadurch hervorgerufenen
starken Explosionen der mitgeführten Munitions- und Ben-
zinvorräte wurden den Angreifern ebenfalls verderblich.
Der deutsche Gegenstoß warf die Engländer nicht nur fast
überall wieder zurück, sondern trieb sie stellenweise auch
über die alten Verteidigungslinien westwärts hinaus- Die
Feinde büßten dabei über 400 Gefangene und eine größere
Anzahl Maschinengewehre ein Nur den kleinen Ort Ar-
leuX, nördlich von Eavrelle, schälten die Engländer aus.
den deutschen Linien heraus.
Südlich von der Scarpe war der englische Stotz unter
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
371
dem gutliegenden Sperrfeuer der
deutschen Geschütze und den Ge-
schoßgarben der deutschen Maschi-
nengewehre so völlig zusammenge-
knickt^ daß den Handgranaten-
werfern in den deutschen Gräben
nicht mehr viel zu tun übrig blieb.
Auch für diese dritte Schlacht bei
Arras hatten die Engländer wieder
Kavallerie in großen Mengen bereit-
gestellt, um den Durchbruch, der
ihnen sicher zu sein schien, sofort
mit allem Nachdruck zu erweitern.
Deutsche Flieger entdeckten die
Sammelplätze der Reiter, die dann
im Feuer der weittragenden deut-
schen Geschütze große Verluste er-
litten, ohne daß sie in den Kampf
eingegriffen hatten.
Trotz aller Verluste setzte der
Feind mit unverwüstlicher Zähig-
keit seine Vorbereitungen zu einer
neuen Schlacht fort. Es schien, als
ob die Engländer um jeden Preis
die Entscheidung des Krieges im
Schlachtraum von Arras suchen
wollten
Am Morgen des 3. Mais stürzte
sich ein englisches Heer von über
300000 Mann aufs neue gegen die
deutschen Linien- Wieder in 30Kilo-
meter breiter Front, von Ache-
ville bis Queant, also einige Kilo-
meter weiter nach Süden als bisher,
suchten die Engländer unter Anwendung aller Kampfmittel
die deutsche Verteidigungsmauer zu überrennen. Die vorder-
sten Angriffswellen sanken in einem furchtbaren Feuerwirbel
der deutschen Geschütze und Maschinengewehre dahin. Fast
auf der ganzen Linie wurde der englische Angriff trotz
seiner Mächtigkeit abgeschlagen. Besonders stark erschütterte
deutsche Stellungsabschnitte vermochte der Feind im ersten
wütenden Anlauf einzudrücken. Arleur, Roeur, Oppy
und Chorisy waren die Punkte, wo er Raum gewann. Kraft-
volle deutsche Gegenstöße zwangen die Engländer aber
bald, neue Divisionen in den Kampf zu werfen, die von der
deutschen Infanterie nördlich und südlich von der Scarpe
must schon aus eigener Kraft abgewehrt werden konnten,
ohne daß sie erst Verstärkungen und Reserven abwarten
mußte.
Südlich von dem Flusse drangen die Engländer noch
bei Bullecourt in wenigen hundert Metern Breite vor,
aber trotzdem stand an keiner Stelle die Schlacht für den
Feind irgendwie aussichtsvoll, und schon am Abend konnte
der vierte englische
Durchbruchsver-
such als völlig ab-
geschlagen gelten.
Ehorisy, Roeurund
zum Teil auch Fres-
noy, vor allem aber
das seit mehreren
Tagen wütend um-
kämpfte Oppy, wa-
ren, als der Tag zu
Ende ging, schon
wiede^in der Hand
der Deutschen.
Außer den ganz ge-
waltigen blutigen
Einbußen kostete
der Tag den Fein-
den 1000 Gefange-
ne und viel Kriegs-
material; trotzdem
konnten sie, abge-
sehen von dem klei-
nen Fortschritt bei
Fresnoy, nur ein
Grabenstück bei
Bulle court besetzen
Phot. Hauns Eder, München.
Gepanzerter Sappenkopf für ein Maschinengewehr in
der La-Folie-Stellung bei Vimy im Norden von Arras.
0^ ^ Ä- -
|ii ■- ", ' *
Auf dem nördlichen Flügel be-
gann die Schlacht am 4. Mai schon
zu erlahmen, dagegen hielt sie auf
den südlicheren Teilen der Linie
noch mit wenig verminderter Wucht
an. Der Schwerpuntt der Kämpfe
lag in der Gegend von Bullecourt
und südlich davon. Schon in der
Nacht zum 4. Mai hatten die Eng-
länder dort mit starken Kräften drei
vergebliche Vorstöße unternommen;
auch der vierte und wuchtigste An-
griff, mit dem die Engländer über
die zahllosen Leichen ihrer Kame-
raden hinweg den Erfolg auf ihre
Seite zwingen wollten, erstarb iin
deutschen Feuer. Die Zahl der Ge-
fangenen aus der vierten Schlacht
wuchs an diesem Tage auf 1225
Mann und 10 Offiziere, ferner
hatten die Deutschen den Feinden
wenigstens 35 Maschinengewehre
abgenommen. Württemberger,
Eardetruppen, Bayern, Sachsen,
Badener» sowie Regimenter der
Provinzen Ostpreußen, Posen,
Schlesien, Hannover und Rhein-
land hatten ander schweren Schlacht
vom 3. und 4., Mai ganz beson-
deren Anteil.
Während die Engländer sich zum
ersten Male seit Beginn des Krieges
mit ihrer ganzen Macht immer
wieder in den Kampf warfen, blieb
eine Wiederholung des Durchbruchversuchs der Franzosen
bis zum 19 April aus. Nennenswerte Vorteile waren ihnen
nur an der Ecke von Conds, östlich von Soissons (siehe die
Karte Seite 342 oben), zugefallen; ihr Ziel, mittels eines
Durchbruchs bis nach Laon die Besatzung der vorspringen-
den deutschen Linien abzuschneiden, wurde von ihnen
nicht erreicht Bei Vauraillon hatten die Deutschen ihre
Stellungen freiwillig bis etwa in die Linie Vauraillon,
Fort Malmaison, Braye, Cerny zurückgenommen und sie
einige Kilometer westlich von Craonne in die alten Ver-
teidigungsanlagen einmünden lassen. An allen anderen
Punkten der Aisnefront (siehe die Bilder Seite 375) und
dem in Bewegung gekommenen Teil der Linien in der
westlichen Champagne blieben die deutschen Stellungen
im großen und ganzen unverändert. Das blieb auch so,
trotzdem die Franzosen in allen wichtigen Abschnitten
Teilvorstöße unternahmen, bei denen sie in der Zeit vom
16. bis zum 19. April in dem Raume von Berry au
Bac—Aubsrioe allein 30 Offiziere und 1472 Mann an
Gefangenen und
91 Maschinenge-
wehre einbüßten.
Am 22. April
abends elf Uhr
liefen sie gegen die
deutschen Stellun-
gen bei Craonne
an, doch brach der
Angriff im ver-
nichtenden Maschi-
nengewehrfeuer
der Verteidiger
äußerst verlustreich
zusammen. Tags
darauf zog fran-
zösische Artillerie,
die sich umzugrup-
pieren versuchte,
schweres Feuer auf
sich. Überhaupt
überwog an die-
sem Tage der Ar-
tilleriekampf; die
Franzosen rafften
sich nur zu ge-
legentlichen Er-
Phor. Rich. Spelliüg, Berti».
Deutsches Maschinengewehr in Feuerstellung während eines Gasangriffs.
wiesen. In glücklichen Gegenstößen
warfen die Deutsch en den Feind und
nahmen ihm über 500 Gefangene ab.
Auch in der Gegend von Nauroy,
wo die Franzosen ebenfalls mit meh-
rerenDivisionendieHöhenstellungen
angriffen und die Deutschen zum
Teil verdrängt hatten, wurden über
100 Gefangene gemacht; das ver-
lorene Gelände eroberten die Deut-
schen im Gegenstoß zurück.
Am nächsten Tage wurde die
Angriffsfront noch verlängert; sie
dehnte sich von Craonne bis zur
Aillette aus. Nach dem denkbar
schärfstenVorbereitungsfeuer stürm-
ten zahlreiche französische Divisionen
gegen die deutschen Linien an. Es
gab einen heißen und blutigen Tag,
an dem der Feind seine besten
Truppen in den Kampf führte.
Trotzdem zeigte sich am Abend schon
deutlich, daß auch dieser Hauptstoß,
abgesehen von wenigen Einbuch-
tungenin die deutsche Linie,keine be-
langreichen Erfolge zeitigen konnte.
Bis zum 30. April hatten Eng-
länder und Franzosen nicht weniger
als hundert Divisionen, wovon auf
die Franzosen allein 47 entfielen,
oder etwa anderthalb Millionen
Mann gegen die Deutschen vor-
gehen lassen. Davon waren nach
vorsichtiger Schätzung wenigstens
300 000 Mann außer Gefecht ge-
setzt worden. Neben ihren Toten
und Verwundeten hatten die Feinde
auch wieder viele Gefangene ein-
gebüßt. Dadurch war die Zahl der
von den deutschen und mit diesen
verbündeten Truppen im Verlaufe
des Krieges gemachten Gefangenen
abermals angewachsen. Die nach-
stehende Zusammenstellung bietet
einen Überblick über die Zahl der
in den verschiedenen Ländern des
Vierbundes untergebrachten Ange-
hörigen der feindlichen Heere nach
dem Stande vom 1. Februar 1917.
Nach einer Originalzeichnung von Fritz Neumann.
Engländer
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1014/17.
kundungstößen auf. Bei dem Hurte-
bise-Eehöft in der Nähe von Cra-
onne wurdendie Feinde am 24.April
schon wieder abgewiesen; auch klei-
nere Unternehmen gegen den Bri-
mont und westlich von Suippes
brachten ihnen keinen Erfolg.
Zwischen dem Hurtebise-Eehöft
und Craonne gingen die Deutschen
am 25. April selbst zum Angriff
über, verbesserten ihre Stellungen
in der beabsichtigten Weise und
nahmen 3 Offiziere und mehr als
160 Mann gefangen. Am Abend
des gleichen Tages stießen die Fran-
zosen nach starker Vorbereitung
durch Artillerie in 3 Kilometer brei-
ter Front gegen das Dorf Braye
(siehe die Kunstbeilage) vor. Sie
wurden auch dort abgeschlagen und
verloren wieder eine ganze Anzahl
Gefangene. Zwischen Cerny und
Corbeny steigerte sich das fran-
zösische Artilleriefeuer am 26. April
nachmittags zu bedeutender Wucht;
ein großer Angriff war zu erwarten.
Das deutsche Gegenfeuer ließ ihn
jedoch nicht zur Entwicklung kom-
men, so daß er sich in mehr oder
weniger kräftige Teilhandlungen
auflöste. Bei Braye wurden die
Franzosen wieder mit großen Ver-
lusten abgewiesen. Ein noch gegen
neun Uhr abends in der Nähe der
Zuckerfabrik von Cerny unternom-
mener Stoß vermochte ebenfalls
nicht den deutschen Widerstand zu
überwinden.
Die nächsten Tage wurden von
gewaltigen Artilleriekämpfen be-
herrscht. Reims (siehe Bild Seite 378)
stand dabei auch wieder unter Feuer,
weil die Franzosen dort abermals
zwischen den Häusern Batterien auf-
gestellt hatten und hochragende
Bauwerke, darunter auch die Ka-
thedrale, als Aussichtspunkte für
Artilleriebeobachter benutzten, die
natürlich bekämpft werden mußten.
Ein Beobachter hatte es sich auf
der Plattform eines Turmes der
Kathedrale in einer Hütte bequem
gemacht; ein paar Artillerietreffer,
die beide Türme erhielten, ent-
fernten ihn von dort. Auch starke
Reserven waren in Reims bereit-
gestellt worden.
Die große Unruhe, die in Frank-
reich infolge des Ausbleibens der
Meldungen über Fortschritte an
der Aisne immer größer wurde und
das Verlangen nach Aufklärung
und Wahrheit steigerte, bewirkte,
daß der französische Oberbefehls-
haber Nivelle sein Ansehen ein-
büßte. Man verargte es dem Sie-
ger von Verdun, daß er in der
Champagne so ungeheure Opfer gebracht hatte, ohne daß die
hochgespannten Erwartungen erfüllt worden wären. General
Pstain wurde zum Generalstabschef ernannt. Der Posten
war seit Joffres Abgang und Nivelles Ernennung zum
Oberbefehlshaber unbesetzt gewesen.
Am 30. April waren die neuen Vorbereitungen der
Franzosen so weit gediehen, daß sie den Kampf an der Aisne
und in der Champagne wieder aufnehmen konnten. Drei-
mal rückten sie gegen die Höhen östlich von Berry au Bac
und den Brimont vor, wurden aber jedesmal blutig abge-
schlagen. Der Schwerpunkt der neuen Reihe von Kämpfen
lag an der Champagnefront. Dort richteten die- Franzosen
ein wuchtiges Trommelfeuer auf die deutschen Stellungen
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Aus der Schlacht bei Arras. Deutsche Sturmtruppen im Kampf mit englische» Panzerkraft«
und stießen bald nach Mittag bei Prosnes und Aubsrive mit
frischen Divisionen vor, um den Deutschen die Höhen von
Nauroy und Moronvilliers zu entreißen (stehe die Karte
Seite 342 unten). Die Verhaue vor den deutschen Stel-
lungen waren durch die Beschießung aber nur zum Teil
vernichtet worden und boten deshalb noch starke Hinder-
nisse für die Angreifer, in denen sie sofort die Hauptziel-
punkte der Maschinengewehrschützen und der Artillerie
wurden, denen es gelang, die Franzosen an zahlreichen
Punkten zur Umkehr zu zwingen. Erbittert geführte Kämpfe
spielten sich auch am Poehlberg ab; er blieb aber im Besitz
der Deutschen, obwohl die Franzosen zu seiner Eroberung
maßlose Opfer brachten. Badener, Sachsen und Branden-
Franzosen
Russen .
Belgier.
Engländer
Serben.
Rumänen
Deutschland.
Mann-
Offtäiete schäften
6 287 360 837
9 223 1 202 784
658 41 777
1 104 32 025
25 879
202 9 955
Zusammen
367 124
1 212 007
42 435
33 129
25 879
10 157
17 474 1 673 257 1 690 731
bürger trotzten dort dem Feinde und nahmen ihm über
400 Gefangene ab.
Wiederholungen der Angriffe während der nächsten
Tage änderten nichts an der Lage, ebensowenig ein von den
Franzosen am 3. Mai mit stärksten Kräften in 3 Kilometer
breiter Front angesetzter Angriff bei Braye. Dieser war
aber nur die Einleitung zu einer neuen großen Schlacht
an der Aisne, die der Feind am 4. Mai begann.
Unter größerem Munitionseinsatz als jemals vorher
hatten die Franzosen ihren Sturmtruppen freie Bahn zu
schaffen-, versucht. Vier französische Divisionen brachen
allein gegen die Ecke der deutschen Front zwischen Aisne
und Brimont vor; doch wurde ihr Ansturm blutig abge-
Offiziere Mann- schaften
Russen . . 4 755 848 098
Serben . . 709 96 363
Montenegriner 31 5 564
Italiener . 2 227 95 485
Rumänen . 542 37 785
Franzosen 12 453
18 13
Zusammen
852 853
97 072
5 595
97 712
38 327
465
31
8 294 1
Bulgarien.
Offiziere
Engländer...................... . 24
Franzosen............................ 21
Italiener......................... 7
Russen...............................120
Rumänen..............................789
Serben.......................- . 187
Belgier . ............................—
Montenegriner ......
083 761 1 092 055
Mann-
schaften
604
869
298
5 439
27 718
31492
2
12
Zusammen
628
890
305
5 559
28 507
31 679
2
12
1148 66 434 67 582
374
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Türkei.
Offiziere Mannschaften Zusammen
Engländer . . . . 560 10 893 11 453
Franzosen . . . . 9 119 > 128
Russen 132 10 148 10 280
Rumänen . . . . 3 2 039 2 042
704 23 199 23 903
Es waren also am 1. Februar in Gefangenschaft der
Mittelmächte: Offiziere Mannschaften Zusammen
Deutschland. . . . 17 474 1 673 257 1 690 731
Österreich-Ungarn.. . 8 294 1 083 761 1 092 055
Bulgarien . . . . 1 148 66 434 67 582
Türkei . . . . 704 23 199 23 903
27 620 2 846 651 2 874 271
Phot. Bufa.
Ein in der Schlacht an der Aisne erbeuteter, völlig in Trümmer geschossener französischer Panzerkraftwagen.
Von diesen insgesamt 2 874 271 Kriegsgefangenen
waren, nach der Staatsangehörigkeit, geordnet:
Russen . . . Offiziere . . 14 230 Mannschaften 2 066 469 Zusammen 2 080 699
Franzosen . . . , 6 329 362 278 368 607
Engländer . . . . 1 706 43 535 45 241
Italiener. . . . . 2 234 95 783 98 017
Belgier . . . . . 658 41 779 , 42 437 '
Rumänen . . . , 1 536 77 497 79 030
Serben . . . . o 896 153 734 154 633
Montenegriner. . . 31 5 576 5 607
Auf einen gefangenen Offizier entfielen Mannschaften:
Bei den Russen 145, den Franzosen 57, den Engländern 26,
den Italienern 42, den Belgiern 62, den Rumänen 50, den
Serben 169, den Montenegrinern 180. —
* *
*
« Für die deutschen Flieger (siehe die Bilder Seite 379)
zeitigten die in Frankreich entbrannten Schlachten neue
Aufgaben. Sie beteiligten sich lebhaft am Infanterie-
kampf, indem sie in geringer Höhe die feindlichen Stellungen
überflogen und sie tritt heftigem Maschinengewehrfeuer
überschütteten, wie Hauptmann Zorer, der am 24. April
bei Eavrelle der stürmenden deutschen Infanterie in
150 Metern Höhe voranflog und die englischen Linien wirk-
sam mit seinem Maschinengewehr beschoß (siehe Bild
Seite 377). Wo infolge des feindlichen Artilleriefeuers die
Verbindung der kämpfenden Truppen mit der Gefechts-
leitung unterbrochen worden war, übernahmen die Flieger
die Nachrichtenübermittlung und trugen so wesentlich zu
den Mißerfolgen der Feinde bei. Der Artillerie waren
sie ebenfalls sehr nützlich. Sie leiteten deren Feuer in vor-
züglicher Weise und machten von dem Gebiet hinter den
feindlichen Linien Aufnahmen, auf denen häufig wertvolle
neue Ziele ermittelt werden konnten.. Sehr oft wurden
auch weite Erkundungsflüge unternommen und für die
Gegner wichtige militärische Orte und Niederlagen mittels
Bomben angegriffen. So wurden am 23. April im ganzen
1374 Kilogramm Sprengstoffe abgeworfen. Am 30. April
belegten die Flieger die Bahnanlagen und Geschoßlager
von Mourmelon, St. Hilaire und Haut Temple mit 6700 Kilo
Sprengstoffen. Auch Dünkirchen und andere Hafenplühe
vor der flandrischen Front und sonstige Orte wurden an-
gegriffen; überall ereigneten sich große Explosionen und
Brände. Die Feinde, die in ähnlicher Weise über und
hinter den deutschen Linien tätig sein wollten, konnten nicht
viel ausrichten, weil sie durch die deutschen Abwehrmaß-
nahmen und Schutzflieger überall gestört wurden.
Ungewöhnlich zahlreich waren auch wieder die Luft-
kämpfe (siehe Bild Seite 379 oben). In der Zeit vom 22. April
bis zum 4. Mai wurden
von den deutschen Flie-
gern nicht weniger als
167 feindliche' Flugzeuge
heruntergeschossen,außer-
dem vernichteten sie 18
Fesselballone; dem Ab-
wehrfeuer von der Erde
aus fielen 6 Flugzeuge
zum Opfer. Hierzu kam
noch ein Flugzeug, das
hinter den deutschen Li-
nien eine Notlandung
vornehmen mußte. Es
ist erklärlich, daß dabei
auch die Deutschen Ein-
bußen zu beklagen hatten.
Von ihren Helden der
Luft geriet mancher in
Gefangenschaft oder
wurde vom Tode ereilt,
wie der Vizefeldwebel
Sebastian Festner von der
Jagdstaffel Richthofen,
die am 22. April das
hundertste feindliche Flug-
zeug außer Gefecht setzte.
Zweifellos aber waren
die deutschen Luftstreit-
kräfte ihren Gegnern bei
weitem überlegen. Diese
Überlegenheit kommt auch in der Übersicht zum Ausdruck, die
wir hier folgen lassen. Von den erfolgreichsten lebenden
deutschen Kampffliegern hatten bis zum 1. Mai einschließlich
acht und mehr Gegner im Luftkampf unschädlich gemacht:
Rittmeister Freiherr v. Richthofen* . . 52
Leutnant Wolff ......... 29
Leutnant Schäfer* ........ 25
Leutnant Voß*........................ . 24
Leutnant Bernert*.......................22
Leutnant Eontermann.....................17
Leutnant Freiherr v. Richthofen ... 16
Oberleutnant Berthold*................14
Leutnant Dossenbach* ...... 14
Offizierstellvertreter Nathanael .... 13
Oberleutnant Buddecke*, Leutnant Böhme,
Leutnant Höhndorf* ° . ° . . . je 12
Leutnant v. Bülow, Leutnant Pfeiffer je 11
Leutnant Müller, Leutnant Allmenroeder,
Offizierstellvertreter Eoettsch ... je 9
Oberleutnant Schilling, Oberleutnant Frei-
herr v. Althaus*, Leutnant Schulte, Leut-
nant Schneider............... ° . .je
Gefallene Kampfflieger:
1. Hauptmann Boelcke* (40), 2. Leutnant Frankl* (17),
3. Leutnant Wintgens* (18), 4. Leutnant Baldamus (17),
5. Oberleutnant Jmmelmann* (15), 6. Vizefeldwebel Man-
schet (12), 7. Vizefeldwebel Festner (12), 8. Oberleutnant
Kirmaier (11), 9. Leutnant v.Keudell (11), 10.'Oberleutnant
Berr* (10), 11. Leutnant Mulzer* (10), 12. Leutnant Theiller
(10), 13. Leutnant Leffers* (9), 14. Leutnant Parschau* (8).
Diese Aufstellung gibt zugleich Zeugnis von dem her-
vorragenden Angriffsgeist, der in der deutschen Flieger-
truppe herrscht. (Fortsetzung folgt.y
. * Mit dem Orden „Pour le Me rite“ ausgezeichnet.
8
Straße in einer unter feindlichem Feuer stehenden Ortschaft.
Die rauchenden Trümmer eines im Kampfraum liegenden Ortes.
Deutsche Radfahrerpatrouilte fghrt durch eine zerstörte Ortschaft.
Bilder von der Schlacht an der Aisne.
Aus dem Kampfgebiet zwischen St. Quentin und Laon.
Nach photographischen Aufnahmen des Bufa.
Illustrierte Kriegsberichte.
Infanterieflieger.
Von Oberleutnant O. Daenbruch.
(Hierzu das Bild Seite 377.)
Seit Stunden wütet das feindliche Trommelfeuer. Es
ist ein ununterbrochenes Dröhnen in der Luft. Ein Krach
folgt dem anderen. Die Erde zittert und ist eingehüllt in
den Rauch der platzenden Geschosse. Die eherne Mauer
unserer heldenhaften Erabenbesatzung weicht und wankt
nicht. Der Boden ist zerwühlt, zerfetzt sind die Leitungen
des Fernsprechnetzes. Keine Kunde von vorn dringt zu
den Reserven. Die Sperrfeuerzone läßt keinen Melde-
gänger nach hinten gelangen. Das Auge vermag nicht
durchzudringen durch die Rauchschwaden, die wie dichter
Nebel auf dem Boden lagern. Der feindliche Sturmangriff
mutz jeden Augenblick einsetzen.
Da knattert Motorengeräusch in der Luft. Ein Flugzeug
grotz. Das Schlachtfeld gleicht einem grotzen Leichenhaufen.
Die Aufstellung der feindlichen Reserven, die herangeführte
Grabenartillerie, die Stellung der Maschinengewehre und
Minenwerfer, alles haben die kühnen Späher gesehen.
Nichts ist ihnen entgangen, und ehe der Gegner sich erst von
dem Entsetzen erholt hat, das der Angriff aus der Luft
bei ihm verbreitet hat, da kommen schon die ersten stäh-
lernen Grütze unserer Artillerie, .die seinen Reserven, den
angesetzten Sturmtruppen Tod und Verderben bringen und
alle seine längst vorbereiteten Pläne umwerfen.
Wie einst aus antikem Schlachtfelde der Streitwagen
des Heerführers den Truppen im Angriff vorausfuhr, so
führen jetzt unsere Infanterieflieger unsere heldenhaften
Sturmtruppen. Ungeachtet des feindlichen Feuers, das
ihnen bei ihrer niedrigen Flughöhe aus den Gräben ent-
gegenprasselt, machen sie unserer Infanterie Luft und halten
Verbindung zwischen den vordersten Gräben und der
Gegen die feindlichen Grüben vorgehender deutscher Stoßtrupp in der Champagne.
und dann noch eins brausen in geringer Höhe über unsere
Gräben. Ein Aufatmen geht durch die Grabenbesatzung:
„Unsere Infanterieflieger." Alles verfolgt gespannt, was
sich drüben beim Feinde entwickelt. Die Flugzeuge rasen
in Sturmeseile über die feindlichen Gräben. Alles, was
drüben schießen kann, schießt wütend nach den todesmutigen
Spähern- Umsonst, sie sind wie gefeit- Aber nun prasselt
von oben der feindlichen Grabenbesatzung wohlgezieltes
Maschinengewehrfeuer entgegen, grast die Gräben ab, schickt
jähen Tod in die aufgestellten Reserven, verbreitet rings
umher Furcht und Entsetzen. Der plötzlich auftauchende
Angreifer in der Luft hat drüben alles in Verwirrung ge-
bracht. Keiner ist vor dem scharfen Blick der kühnen Späher
sicher. Wehe denen, die nicht schleunigst in Deckung ge-
gangen sind, in sie hinein schlägt erbarmungslos die Ee-
schoßgarbe der Maschinengewehre der Flieger. Hin und
her geht es in rasendem Flug. Neue Flugzeuge erscheinen
auf dem Plan, lösen die ersten ab. Diese wenden, und
zurück geht es zu dem Befehlstand des höheren Truppen-
führers. Hier harrt man schon voll Ungeduld und Span-
nung ihrer Meldung. Endlich kommen sie und bringen
Kunde, wie es vorn steht.
Unsere heldenmütige Erabenbesatzung behauptet trotz
des Höllenfeuers ihre Stellungen. Drüben beim Feinde
über sieht es böse aus. Die Verluste sind über alle Begriffe
Truppenführung, wenn im Trommelfeuer Fernsprecher und
Meldegänger versagen.
Auf allen Kampfgebieten hat unsere junge Fliegerwaffe
den Gegnern den Rang abgelaufen. Keine prahlerischen
Siegesmeldungen berichten von ihren Taten. Der deutsche
Heeresbericht begnügt sich mit knappen Worten. Aber in
diesen wenigen Worten liegt eine Fülle stillen Heldentums.
Immer fester wird das Bündnis zwischen den Siegern in
der Luft und den Siegern auf der Erde. Mögen Divisionen
auf Divisionen feindlicher Angreifer anrennen, die deutsche
Wacht in West und Ost in der Luft und in den Stellungen
hält unerschüttert stand.
Sturm.
Nacherzählt von Otto Guem.
Wir waren in Lavarone in Reservestellung. Herrliche
Tage verlebten wir da unten in Südtirol. Alles blühte,
die Kirschen hingen schwer von den Zweigen, die Ver-
pflegung war ausgezeichnet, Wein gab es noch genug,
und dazu herrschte ein herrliches Wetter, das nur den Nach-
teil hatte, datz die feindliche Artillerie uns ziemlich häufig
Granaten und Schrapnelle herüberfandte, was uns indessen
nicht besonders störte. Kurz, die Tage vom 9. bis zum
16. Mai 1916 waren solche des schönsten Frühlings. Es
378
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
waren auch Tage der Freude für uns Kaiserjäger; sollte
es doch endlich mit aller Kraft gegen die Welschen gehen.
Wir hatten diese Stunden lange herbeigesehnt. Schon als
wir noch in Rußland kämpften und Kunde vom Verrate
Italiens erhielten, harrten wir mit Sehnen auf die Zeit
der Rache. Jetzt war sie gekommen.
Der 16. Mai brach an. Des Morgens um zwei Uhr
begann jenes Konzert aus zweitausend Mörsern und Kano-
nen, das den Auftakt zur Offensive gegen den verhaßten
Erbfeind-bildete. Um neun Uhr stürmten die ersten Truppen
und bald darauf rückten wir nach. Es ging rasch vorwärts.
Der Campomolon und einige andere Spitzen waren
schon gestürmt, als wir in die Nähe von Arsiero kamen und
haltmachen mußten. Vor uns war die Bosina, ein kleiner
Eebirgsfluß, an dessen anderem Ufer sich steil der Monte
Alto erhob. Da mußten wir hinauf. Aber den Fluß führte
eine schmale Holzbrücke, die das Regiment überschreiten
Priafora mußte gestürmt werden. — Am nächsten Morgen
früh vier Uhr nahm die Artillerie die ersten feindlichen
Gräben unter Trommelfeuer. Rach Verlauf von einer
Stunde pflanzten wir das Bajonett auf, und mit „Hurra"
gingen wir gegen den etwa 100 Meter höher gelegenen
ersten feindlichen Graben vor. Dort stand ein italienischer
Kapitän, der seinen Browning abschoß. Dann stürzte er,
den Säbel schwingend, vorwärts und drang auf mich ein.
Ich wehrte ihn ab und schlug ihm mit dem Gewehr den
Säbel aus der Hand. Run erhob er die Hände, so daß ich
von ihm abließ. Da zog der Offizier einen Dolch aus dem
Schaft seines Stiefels und wollte mich niederstechen. Rasch
wandte ich mich ihm zu und stieß ihm zur Strafe für seine
Heimtücke das Bajonett in die Brust.
Die Artillerie hatte unterdessen die zweite Stellung
unter Feuer genommen und wir stürmten weiter. In der
zweiten Linie fanden wir nicht mehr viel Italiener; die
Ansicht einer Straße von Reims. Die zerschossenen Häuser waren früher Hotels.
Nach einer französischen Darstellung.
mußte. Der Feind befand sich auf den Höhen, doch konnte
man nichts von ihm entdecken.
Die 14. und 15. Kompanie wurden bestimmt, den
Monte Alto zu stürmen, während der Rest des Regiments
in Reserve bleiben sollte. Die Mannschaften der 14. Kom-
panie, bei der auch ich war, überschritten nun die Brücke.
Bei einiger Aufmerksamkeit der Italiener wäre wohl kaum
ein Mann hinübergekommen, so aber ging es ganz gut
und in einer halben Stunde waren die Kompanien auf dem
jenseitigen Ufer. Nun galt es, den Berg zu erklimmen. Die
Rüstung wurde abgeschnallt, und der Aufstieg begann.
Ich befand mich bei der rechten Flankendeckung und
stieg mit meinem Schwarm im Walde empor. Jede Minute
mußten wir gewärtig sein, auf den Feind zu stoßen, doch zu
unserem Erstaunen zeigte sich dieser nicht. Nach dreistün-
digem Anstieg hatten wir die Höhe fast erreicht. Wir
hielten eine kurze Rast und stürmten dann mit lautem
„Hurra" den letzten Hang hinauf. Der Feind war vollkom-
men überrascht worden. Wir drangen in vier hinterein-
anderliegende Geschützstellungen ein, erbeuteten 20 Kanonen
und nahmen fast die ganze Mannschaft gefangen.
Der erste Teil unserer Aufgabe war erfüllt. Nun kam
aber der zweite und schwerere Teil. Die dahinterliegende
meisten waren schon vor dem Trommelfeuer geflohen. Die
übrigen waren so niedergeschlagen, daß sie nicht den gering-
sten Widerstand leisteten. So nahmen wir fünf Stellungen
hintereinander. Sie wurden immer erst von unserer Ar-
tillerie kräftig beschossen und dann stürmten wir.
Bei der Einnahme der letzten Stellung verloren wir
leider unseren Zugführer. Als erster war er in den Graben
gesprungen, und als er sich erhob, um Ausschau zu halten,
da traf ihn eine Kugel in die junge Brust. Auf luftiger
Höhe begruben wir ihn und setzten ein schlichtes Holzkreuz
auf sein Grab.
Ein unvergeßlicher Anblick bot sich uns noch, als der Tag
sich neigte: die brennenden Fabriken von Arsiero. In das
Abendrot mischte sich das Feuer der brennenden Fabriken
und weit, weit draußen glänzten die Lagunen von Venedig.
Pferdeschwemme bei Vaux-les-Mouron im
Aisnetal.
Von Chefarzt vr. Vulpius (Landwehrfeldlazarett Nr. 13).
(Hierzu das Bild Seite 380/381.)
Nur wenige Kilometer unterhalb der Stelle, wo Aisne
und Aire, die beiden Flüsse, die das Argonnerwald-
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
379
Phot. Berl. Jllustrat.-Gef. m. b. H.
Kampfflieger Leutnant v. Bertrab, der in seinem
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b. H.
Phot. Photoaktuell, Berlin.
Feindlicher Farman-- Doppeldecker wird im Luftkampfe brennend zum Absturz
gebracht.
gebirge zwischen sich fas-
sen, zusammenfließen,
liegt das Dorf Mouron.
Es baut sich auf dem
hohen rechten Ufer der
Aisne an einem Steil-
hang empor» während
sich jenseits am Rande
desAisne-Wiesengrundes
das Dorf Vaur auf sanf-
ter Böschung ausbreitet.
Zwischen diesen beiden
Dörfern ist das Flußbett
breit und flach und mit
veränderlichen Sand-
bänken durchsetzt, so daß
es in der trockenen Jah-
reszeit eine leicht zu
durchschreitende Furt bil-
det. Die charakteristische
Aisnelandschaft mit ihren
breiten Wiesenflächen
ttnd den vielgestaltigen
Gruppen von Weiden
und Silberpappeln an
den Flußufern zeigt sich
hier in besonderer Lieb-
lichkeit. Zu gleicher Zeit
ist aber gerade diese
Stelle von historischem
Interesse für uns Deut-
sche, denn sie bildete die
erste Leidenstation auf
dem kläglichen Rückzug
des verbündeten preu-
ßisch-österreichischen Hee-
res nach der Kanonade
von Valmy im Jahre 1792, wie ihn Goethe in seiner
„Kampagne in Frankreich" beschreibt.
Auch im Weltkrieg bot die Aisnefurt zwischen Vaur
und Mouron besonders zur Sommerzeit häufig ein sehr
belebtes, aber glücklicherweise weniger trauriges Bild, als
es Goethe an dieser Stelle geschaut hatte. Denn in Mouron
wechselten lange Zeit ebenso wie in Vaur mancherlei
Kolonnen und Truppen ab. Die zahlreichen Pferde dieser
Truppen wurden in der besseren Jahreszeit zur Ergänzung
ihres sehr knapp bemessenen Stallfutters zum Weidegang
auf die Aisnewiesen geschickt und in die Aisnefurt zur
Tränke und Schwemme gebracht. Es bildete das einen Teil
der schwierigen und sorgsamen Pflege, die allein imstande
ist, die Pferde in brauchbarem Zustand zu erhalten. Die An-
forderungen,
)ie der Krieg
in die Tiere
teilt, sind ganz
ingeheure, ob-
steich die Ka-
lallerie als
Kampftruppe
iur in ganz
vereinzelten
Fällen zur Ver-
vendung kam,
ier ihr früher
hauptsächlich
^liegende Auf-
klärungsdienst
;umgroßenTeil
>urch Flieger
md Luftschiffer
übernommen
vurde und Mo-
orradfahrer für
ne schnelle Be-
fehlsübermitt-
ung eingetre-
en sind. Ja,
rotz der zahl-
eriren >>egre,ryen llustgesecyr am v. mpcii isiy vier -Ofet! d^hsonen-
englische Flugzeuge zum Absturz brachte. UNv
wagen, die von der Hee-
resverwaltung aufge-
boten wurden, können
die durch Pferdebespan-
nung immer noch zu
leistenden Transporte
nur mit äußerster Mühe
und weiser Verteilung
der Kräfte bewältigt
werden. Dazu kommen
die ausgedehnten land-
wirtschaftlichen Arbeiten
zur Feldbestellung und
Ernte in den besetzten
Gebieten. Die Rationen
an Kraftfutter, beson-
ders Hafer, mußten aber
immer mehr beschnitten
werden, so daß schließ-
lich die Befolgung des
altenKavalleristengrund-
satzes: Gut geputzt ist
halb gefüttert, nicht mehr
als Ausgleich dienen
konnte. Die Gewöhnung
der Tiere an das nun
bedeutend überwiegende
Rauhfutter (Heu und
Stroh) und Grünfutter
erforderte große Vorsicht
und genaue Überwachung
durch die Tierärzte, die
anderseits der Huf- und
Hautpflege die größte
Beachtung schenken müs-
sen. In letzter Beziehung
-gilt es besonders der
seuchenartigen Ausbreitung von Räude und Verlausung ent-
gegenzuarbeiten, wobei neben dem sorgfältigen täglichen
Putzen zu geeigneter Jahreszeit auch das Schwemmen der
Pferde gute Dienste tut.
Major v. Olberg, der Leiter der Ober-
zensurstelle im deutschen Kriegspresseamt.
(Hierzu das Bild Seite 382.)
Alle Nachrichten und Äußerungen, die irgendwie mit
der Kriegführung zusammenhängen, unterliegen einer
Durchsicht der Zensurbehörde, ehe sie ihren Weg durch
Zeitungen oder Zeitschriften in die Öffentlichkeit finden.
Daß eine solche Überwachung der Presse notwendig ist,
begegnete sei
Kriegsbeginn
keinerlei Zwei
fein, am aller
wenigsten be
der Presse selbst
Es ist einleuch
tend, daß durck
Unkenntnis ode
Nachlässigkeit
Mitteilungen ii
die Welt hin
ausgehen kön
nen, die den
Feinde nützlick
sind. Was abe
dem Feinde
nützlich ist, scha
det den eigenei
Truppen.
Wie auf an
deren Gebieten
so mußte mar
auch auf den
der Zensur ers
während de<
Krieges Erfah
riirmtm frrtn Kampfflieger Leutnant Bernert, der bis zum
lunyzn lurns ± Mai 1917 22 Gegner abschoß, wurde mit dem
MeiN. Aiige-- Orden Pour le Merite ausgezeichnet.
Pferdeschwemme be! Vaux-les-Mouron an der Aisne.
Nach einer Originalzeichnung von Professor Hans W. Schmidt.
382
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
meine Richtlinien bestanden schon beim Beginn des Krie-
ges; die eigene Auffassung der vielen Zensurstellen kam
aber in ebensovielen verschiedenen Bestimmungen zum
Ausdruck, so daß schließlich eine große Unsicherheit eintrat
und niemand mehr recht wußte, wie er sich verhalten sollte.
Die notwendige Einheitlichkeit stellte in mühsamer Arbeit
der Major v. Olberg her, der mit der Gründung einer
Oberzensurstelle betraut wurde. Er stammt aus Darm-
stadt lind ging aus einer alten und durch Träger höchster
Dienstgrade bekannten Offiziersfamilie hervor. Er gehörte
dem Kadettenkorps an und wurde 1892 Offizier bei den
Lübbener Jägern; nach mehrfachem Wechsel der Garnison
besuchte er von 1902 bis 1905 die Kriegsakademie, wurde
1907 Hauptmann im Regiment 32 in Meiningen und kam
im September 1912 als Lehrer der Taktik an die Krieg-
schule in Potsdam. Rach der Ausbildung einer Reserve-
kompanie führte Major v. Olberg im Jahre 1914 ein
Bataillon des 48. Reserveregiments bei dem Vormarsch
durch Belgien. Bei den Kämpfen vor Antwerpen erhielt
er im Gefecht von Hovestaden eine schwere Verwundung
des Oberschenkels und des Beckens, was einen langen Auf-
enthalt im Lazarett zur Folge hatte.
Roch mit linksseitiger Lähmung behaftet, stellte sich
Major v. Olberg bereits im Januar 1915 für den Bureau-
dienst wieder zur Verfügung. Es wurde ihm die Neuord-
nung des Zensur-
wesens übertragen
und am 1. April
1915 trat er in den
stellvertretenden
Eeneralstab als
Abteilungschef der
von ihm gegrün-
deten Oberzensur-
stelle des Kriegs-
presseamtes ein.
Seitdem erteilt er
Richtlinien für die
Zensur, gibt in
Pressebesprechun-
gen die Zensuran-
weisungen der
Obersten Heeres-
leitung weiter und
prüftdieBeschwer-
den der Zeitungen
über strittige Zerk-
surmaßnahmen
der Generalkom-
mandos. Im Mai
1917 wurde Major v. Olberg, der im 45. Lebensjahr steht,
unter Belassung in seiner Stellung in den Großen Eeneralstab
versetzt. —Er erwarb sich das Eiserne Kreuz, die hessische Tap-
ferkeitsmedaille und das Meininger Kriegs-Verdienstkreuz.
Das Leben unserer U -Bootmannschaften.
«Hierzu das Bild Seite 383.»
Vor Vertretern der Berliner Presse hielt vor kurzem
Kapitänleutnant Freiherr v. Forstner einen Vortrag, in
dem er eine fesselnde Darstellung über das Leben und Trei-
ben an Bord unserer bi-Boote gab. Wir entnehmen daraus
folgende Einzelheiten: Wie die 42er Mörser, so war auch
die Tatsache, daß Deutschland über vortreffliche D-Boote
verfügte, bis zum Kriegsausbruch ein wohlbehütetes Ge-
heimnis. Die Erkenntnis der Gefahr, die den Feinden von
dieser meisterhaft geführten Waffe drohte, kam den Eng-
ländern freilich erst dann zu vollem Bewußtsein, als der
unvergeßliche Weddigen an einem Tag drei englische Panzer-
kreuzer in die Tiefe beförderte. Seitdem ist es für unsere
Blaujacken ein besonderer Stolz, zum Dienst auf einem
lö-Boot befohlen zu werden, und willig unterziehen sie sich
allen Beschwerden, die der strenge Dienst dort vom ersten
bis zum letzten Mann der Besatzung verlangt.
Besonders im Anfang griff er die Leute außerordentlich
an, vor allem infolge der Luftverschlechterung, die jede
längere Tauchfahrt im D-Boot verursachte. Dank zahl-
reicher Verbesserungen ist das jetzt ganz anders geworden;
der Aufenthalt unter Deck erscheint nun vielen so ange-
nehm, daß sie überhaupt nicht an Deck gehen, was wie-
derum mancherlei Vorteile bietet, zum Beispiel beim
schnellen Tauchen. Das ist gewiß eine große Selbstüber-
windung, wenn man bedenkt, daß O-Boote neuerdings meist
55 Tage unterwegs sind. Dieses Verhalten wurde der
Mannschaft erstens ermöglicht durch das vortreffliche Ver-
hältnis der Leute untereinander und zu den Offizieren,
dann aber hauptsächlich durch die geistreichen Vorrich-
tungen, die für dauernden guten Zustand der Atmungs-
luft sorgen. Es ist klar, daß die Luft im untergetauchten
Boot nicht besser wird. Zunächst kann man zwar stunden-
lang unter Wasser bleiben; dann aber stellt sich regelmäßig
Kopfweh ein. Zur Besserung der Luft sind Chemikalien an
Bord, die die Aufsaugung der ausgeatmeten Kohlensäure
besorgen sollen. Ferner ist ein Sauerstoffapparat fort-
während in Tätigkeit. Er ist auf die Zahl der Teilneh-
mer der Fahrt eingestellt, wodurch theoretisch die Mög-
lichkeit geschaffen ist, daß die Besatzung an Luft überhaupt
nicht zu kurz kommt. So ist denn ihre Laune und der
Geist, der sie erfüllt, stets sehr erfreulich; unter keinen
Umständen, auch unter den schwierigsten, verliert sie ihren
Humor und verfolgt fast mit sportlichem Interesse die
Unternehmungen des lt-Bootes.
Was nun diese anbelangt, so vergeht zumeist lange Zeit
zwischen dem Sichten eines feindlichen Handelschiffes und
dem Angriff, dem die Mannschaft allemal mit großer
Spannung und in
lautloser Stille
entgegenharrt.An-
derseits waren die
Kapitäne der Han-
delschiffe durch die
hetzerischen Mer-
verbandslügen oft
so eingeschüchtert,
daß sie, wenn Teile
ihrer Mannschaft
ins Wasser sprcut-
gen, keinenVersuch
machten, sie zu
retten, weil sie in
demWahnelebten,
es würde auf die
Schiffbrüchigen
geschossen; deshalb
mußten die O-
Boote häufig ihre
Weiterfahrt ver-
zögern, um diesen
Leuten die Ret-
tung zu ermög-
lichen. Überhaupt pflegt die Haltung unserer kk-Bootmann-
schaften auf die Besatzung der aufgebrachten Dampfer meist
einen starken Eindruck zu machen. So nahm der Kapitän-
leutnant v. Forstner einmal einen Norweger. Dabei stellte es
sich heraus, daß dieser Dampfer, dessen Fahrtrichtung schon
Befremden erregte, ein englisches Prisenkommando an
Bord hatte. Der führende englische Offizier setzte seiner
Festnahme Zunächst Widerstand entgegen und sprang dann
über Bord; hernach zeigte er sich erfreut, daß für ihn der
Krieg zu Ende war. Er wunderte sich nur, daß das O-Boot
nach einem solchen Erfolg, wie seine Gefangennahme, nicht
gleich nach Hause dampfte. Er mußte jedoch noch lange
an Bord des O-Bootes bleiben und machte sogar die Durch-
fahrt durch die Straße von Gibraltar mit. Diese bereitete
ihm allerdings Sorge, denn er glaubte, das bi-Boot würde
dort sicher von seinen Landsleuten in den Grund geschos-
sen. Dieser englische Offizier war seinerzeit auch an Bord
des Kriegschiffes „Majestic" gewesen, und er beschrieb die
'schmerzliche Überraschung, die die Engländer empfanden,
als das deutsche Torpedo, das den Schlachtriesen versenkte,
glatt durch das Schutznetz durchging.
Endlich wären noch die Gefahren zu erwähnen, die den
bl-Bootmaunjchaften"durch ein Leck oder andere Unglücks-
fälle erwachsen können. Freiherr v. Forstner erinnerte hier
daran, daß wir uns, im Gegensatz zu Frankreich, im lö-Boot-
bau zunächst zurückhielten; wir waren der Ansicht, daß
brauchbare O-Boote erst gebaut werden könnten, wenn ein
wirklich seetüchtiger Motor vorhanden wäre. Die Fran-
zösen verwendeten damals als Betriebstoff Gasolin und
andere leichte Ole. Die Folge waren die vielen Unfälle in
Phot. Berl. Jllustrat.-Ees. m. b. ^
Major v. Olberg, der Leiter der Oberzensurstelle im deutschen Kriegspresseamt in seinem
Arbeitszimmer.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
383
der französischen Marine. Wir aber hatten von unserer
Vorsicht den Vorteil, daß wir seit 1907, seit der bekannten
Katastrophe von „kl 3", keinen Unfall inehr zu verzeichnen
brauchten. Die Mannschaft fühlt sich daher an Bord ihres
kk-Bootes völlig sicher und wohl, solange es keinen Gra-
natenwechsel mit einem bewaffneten feindlichen Fahr-,
zeug gibt.
Im Anschluß sei nun unseren Lesern noch kurz erläutert,
wie die Rettungsversuche vor sich gehen, wenn ein kk-Boot
infolge eines allzugroßen Lecks in die Tiefe sinkt. Für
solche Fälle wird für jeden Mann ein entsprechender At-
mungsapparat mitgenommen, der eine überaus große
Rettungsmöglichkeit gewährt. Er besteht in der Haupt-
sache aus einem Luftsack mit einem entsprechenden Zu-
führungsrohr zum Mund. Die Auffrischung der Atmungs-
luft geschieht mit Hilfe einer kleinen Sauerstoffpatrone, die
in dem Sack untergebracht ist; die Beseitigung der aus-
geatmeten schädlichen Kohlensäure dagegen erfolgt durch
eine Kalipatrone. Das ganze Gerät ist also ein Mund-
atmungsapparat ohne Helm. Der „Tauchretter" erlaubt
übrigens dem Auftauchenden auch eine bewußte Regelung
des Auftriebs. Das Hochgehenlassen aus Tiefen bis zu
14 Metern ist nämlich im allgemeinen nicht gesundheits-
schädlich; plötzliches Hochgehen aus größeren Tiefen ver-
ursacht jedoch unter Umstünden schwere Störungen des
Allgemeinbefindens, die eine Rettung überhaupt in Frage
stellen können (Taucherkrankheit). Deshalh befindet sich
in dem Rettungsapparat noch ein zweiter, mit Preßluft
gefüllter Stahlzylinder, der es dem Auftauchenden (siehe
nebenstehende Abbildung) nicht nur er-
möglicht, seinen Auftrieb zu regeln,
sondern auch seine Atmungsluft mit
den Bedingungen in Einklang zu brin-
gen, unter denen er in Tiefen von mehr
als 20 Metern gefahrlos atmen kann.
Der mit einem solchen Tauchretter
Ausgerüstete hat es also nicht nötig,
2uftsäcke aufzublasen, wie zum Bei-
spiel die Leute der englischen und
französischen Marine. Sein Gerät ist
endlich noch mit einer den Ober-
körper umschließenden Schwimmweste
verbunden, die ihn nach dem Auf-
tauchen stundenlang über Wasser hält.
matisch in den Nachrichtendienst der deutschen Armee ein-
geführt, und zwar zunächst in Festungen, wurden die Tauben
erst, nachdem man 1870/71 ihre wertvollen Dienste, die
sie dem belagerten Paris leisteten, zu würdigen lernte.
Aber 40 000 Depeschen gelangten damals aus Paris über
den eisernen Ring der Belagerer hinweg.
Bismarck war es, der 1875 die Anregung zur mili-
tärischen Verwendung der Brieftauben in Deutschland
gab. 1894 gründete sich der erste Brieftaubenliebhaber-
verein in Köln, dem sehr bald zahlreiche andere Vereine
folgten. Schon 1902 gab es 858 Vereine mit 9514 Mit-
gliedern und 238 553 Tauben. Wettflüge, Ausstellungen
und das Verleihen von Staatsmedaillen regten den Eifer
der Vereinsmitglieder an.
Man beschäftigte sich auch mit Abwehrmaßregeln gegen
feindlichen Brieftaubenverkehr und hoffte» Falken als
Brieftaubenjäger dressieren zu können. Die Versuche miß-
langen jedoch.
Später wandte auch die Kavallerie Brieftauben an»
um ihre Aufklärungsergebnisse möglichst rasch dem Stabe
der Kavalleriedivision übermitteln zu können. Die Tauben
wurden in Körben auf dem Rücken der Reiter mitgenommen,
draußen mit einer Meldung über den Feind versehen und
freigelassen. Die Taube fliegt auf geradem Wege infolge
eines geheimnisvollen Orientierungsinnes, der durch zahl-
reiche Abungen geschärft ist, dahin, wo sie brütet. Es
handelt sich also darum, den Heimatschlag, der auch trans-
portierbar in einem Wagen eingerichtet werden kann, der
Taube möglichst behaglich zu machen. Sie wird sich immer
Brieftauben.
Von Major Franz Carl Endres.
Merzn die Bilder Seite 381.)
Die Verwendung von Tauben als
Überbringer von Nachrichten geht in
das graue Altertum zurück. Nament-
lich wurde damals die Verbindung
von Schiffen zum Land durch Tauben
hergestellt. Vielleicht hat diese Abung
auch die Sage von der Taube der
Arche Noah mit beeinflußt. In
Griechenland wurden im 5. Jahrhun-
dert vor Christi Geburt Brieftauben
verwendet, um die Sportnachrichten
(olympische Spiele) rasch in die Hei-
mat der Siegenden oder der Wetten-
den zu bringen. Zu Cäsars Zeit
waren sie in Rom bekannt und Dio-
kletian soll eine regelmäßige Tauben-
post eingerichtet haben. Im Orient
kannte man sie im 12. Jahrhundert.
In Europa spielen sie seit dem Mittel-
alter eine bedeutende Rolle, waren
auch im 16. Jahrhundert militärisch
nicht unbekannt, wo sie bei den Be-
lagerungen von Haarlem (1573) und
Leiden (1574) Dienste leisteten.
Schon bei der Belagerung von
Mutina (43 vor Christi Geburt) haben
Brieftauben militärische Verwendung
gefunden und durch ihre Botschaften
entscheidenden Einfluß auf die strate-
gischen Handlungen gewonnen. Syste-
Die Mannschaft eines gesunkenen Unterseebootes rettet sich mittels eines mit einer Sauerstoff-
patrone versehenen Atmungsapparates, der zugleich als Schwimmweste dient.
384
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
wieder zurückfinden, wenn nur wäh-
rend ihres Flugdienstes der Heimat-
schlag seinen Platz nicht wesentlich ver-
ändert.
Irrtümer kommen aber auch bei
den klugen Tauben vor. So sah ich
in einem nahe hinter der Front als
Heimatschlag eingerichteten Wagen,
in dem eifrig gebrütet wurde, auch eine
französische Taube,die sich verirrt hatte
und in den deutschen Schlag geflogen
war. DieAufnahme, die sie fand, soll gar
nicht feindlich gewesen sein und bald
ketteten sie zarte Liebesbande an einen
sehr schönen deutschen Täuberich.
Die Fluggeschwindigkeit der Brief-
taube ist erstaunlich groß. Die Taube
fliegt durchschnittlich 60 Kilometer in
der Stunde auf weite Strecken, Lei-
stungen von 100 Kilometern und dar-
über sind aber leine Seltenheit. Die
Höhe des Fluges wechselt mit der
Witterung. Bei ruhiger Licht beträgt
sie 250 bis 300 Meter, bei unruhi-
gem Wetter 100 bis 150 Meter. Al-
tere kräftige Tauben fliegen bis zu
1000 Kilometer weit, ja, es ist vorge-
kommen, daß von neun in London auf-
gelassenen amerikanischen Tauben
(1886) drei ihre Heimatschkäge in
Amerika erreichten.
Das Anbringen von Depeschen er-
folgte früher in Federspulen, heute
meist in Aluminiumbüchschen, in die
die Originalmeldung, auf ein kleines
Stück sehr leichten Papieres geschrie-
ben, eingesteckt wird. Handelt es sich,
wie beispielsweise bei Festungen, um
die Übermittlung zahlreicher Nach-
richten durch eine Taube, so wen-
det man das photographische Ver-
fahren an. Schon 1870/71 war es be-
kannt. Ein damals aufgegebenes, nur
4,3 : 3,2 Zentimeter großes photogra-
phisches Blättchen enthielt 3500 De-
peschen zu je 20 Wörtern, mithin
70 000 Wörter. Durch Vergrößerung
kann so ein Zettelchen lesbar gemacht
werden. Im Feldkrieg ist dieses Ver-
fahren natürlich nicht anwendbar.
Man hat schon versucht, photo-
graphische Aufnahmen durch Tauben
bewerkstelligen zu lassen, indem man
ihnen Miniaturphotographenapparate
an die Brust schnallte, deren Ver-
schluß sich automatisch löste, wenn
die Taube, deren Weg man ja kennt
und deren Geschwindigkeit man auch
ziemlich genau in die Rechnung ein-
setzen kann, über einer gewissen Ee-
ländestrecke schwebt. Doch sind diese
Versuche immer recht fraglich in ihrem
Ergebnis gewesen.
In dieser Hinsicht ist die Taube
heute durch den Flieger abgelöst.
Funkentelegraphie und Flugzeug er-
setzen die Taube in vieler Hinsicht,
und übertreffen sie an Schnelligkeit
und Sicherheit. Aber trotzdem ist sie
nicht ganz verdrängt. Namentlich im
modernen Grabenkrieg, wo durch
Trommelfeuer sehr rasch alle Ver-
bindungen zerstört werden, leistet die
Taube noch ganz hervorragende
Dienste. Sie verbindet die Beobach-
tungstellen in den vordersten Grä-
ben, die Beobachtungswarten und Be-
fehlstellen der Truppenstäbe mit dem
Divisionstab oder dem Stab des Ge-
neralkommandos. Unsere Abbildungen
zeigen das Verbringen der Tauben
in die vordere Linie und die Schutz-
maßnahmen, die gegen das alles Le-
bendige tötende Gas der Gasgranaten
oder G'asgebläse getroffen werden.
Der auf dem ersten Bild hinten mar-
schierende Mann trägt einen Gas-
schutzkasten auf dem Rücken.
Das Anbringen der Meldungen
an den Tauben geht, wenn die Wär-
ter geübt sind, sehr rasch vor sich. Die
„gut erzogene" Taube weiß ganz ge-
' ncm, was mit ihr geschieht und fürchtet
die sie greifende Hand ihres Wärters
keineswegs. Dieses Greifen der Tau-
ben ist ein kleines Kunststück; denn
jeder Druck beeinträchtigt die Flugkraft
des Vogels, der mit so vielen anderen
Tieren im Dienst des modernen Krie-
ges und in scharfer Konkurrenz mit
den toten Werken der Technik steht.
Die größten Feinde der Brief-
tauben sind die Raubvögel. Deshalb
ist fleißiges Abschießen des Raubzeuges
in den Gebieten, in denen Tauben
fliegen sollen, dringend zu empfehlen.
Oberes Bild: Verbringen von Brieftauben zur Brieftaubenstation in die vordersten Stellungen.
Zum Schuß gegen Gasangriffe wird ein Gasschutzkasten mitgeführt.— Mittleres Bild: Bei einem
drohen-^^Ga»qngriff werden die Brieftauben im Unterstand in den Gasschußkasten gebracht. —
.Eine Meldung wird zur Beförderung durch Brieftauben aufgeschrieben.
..Die Brieftauben im deutschen Heeresdienst.
Nach photographischen Ausnahmen des Bufa.
£
Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
lffortsetzung.»
■ Die Beuteziffer der deutschen Tauchboote erreichte im
April eine ungeahnte Höhe. Nach einer Meldung des
deutschen Admiralstabes wurden in diesem Monat durch
Kriegsmaßnahmen der Mittelmächte 1091000 Bruttoregister-
tonnen Schiffsraums versenkt; hiervon waren 822000 feind-
lichen, von diesen 664000 Tonnen englischen Ursprungs.
Seit dem Beginn des uneingeschränkten ll-Boot-Krieges
waren sonnt insgesamt 2772000 Tonnen Handelschiffs-
raums verloren gegangen, von denen 1707 000 auf Eng-
land entfielen. Die große Gefahr, die dadurch besonders
England drohte, suchten die Engländer und Franzosen mit
ihren Truppen durch die schweren Angriffe an der Front
in Frankreich zu bannen, weil sie es auf dem Meere nicht
vermochten. Die Hunderttausende, die von Lens bis Reims
im April und im Mai gegen die deutschen Linien vor-
stürmten, wurden, im Grunde genommen, durch die Tätig-
keit der Unterseeboote ins Verderben getrieben. Da aber
auch diese Kämpfe nicht den Wünschen der Angreifer ge-
mäß verliefen, so mehrten sich die Stimmen, die das Zer-
stören der deutschen Küstenbefestigungen durch die englische
Flotte forderten, um die kl-Boote dadurch ihrer Stütz-
punkte zu berauben. Die englische Flotte blieb jedoch vor-
läufig noch in ihrem Schlupfwinkel, und die englische Ad-
miralität begnügte sich einstweilen mit dem Auslegen von
Minen in der Deutschen Bucht.
Unterdessen blieben die deutschen D-Voote frisch am
Werk. Kaum ein Tag verging, der nicht eine bedeutsaure
Meldung vom Schauplatz ihrer Tätigkeit brachte. Am 2. Mai
berichteten die Engländer, daß der auf der Heimfahrt befind-
liche Truppentransportdanrpfer „Ballarat" von 11120
Tonnen, auf den: sich „eine große Zahl" australischer Truppen
befand, durch ein D-Boot in den Grund gebohrt worden
sei. Schon am nächsten Tage gab die englische Admirali-
tät einen neuen Verlust bekannt. Im östlichen Mittelmeer
hatte ein Torpedo einen britischen Transportdampfer, der
eine Menge Truppen an Bord führte, ereilt und zum Sin-
ken gebracht; die Besatzung, von der 279 Mann ertranken,
hatte nur 5 Minuten Zeit, sich in Sicherheit zu bringen.
Eine deutsche Versenkungsliste von: 4. Mai führtü
18 Schiffe mit 56 000 Tonnen auf, worunter sich 8 Schiffe
befanden, die im englischen Kanal in die Tiefe gingen.
Südlich von Lizard wurde ein von Torpedobootzerstörern
begleiteter englischer Transportdampfer von wenigstens
11 000 Tonnen in den Grund gebohrt. Der englische Tank-
dampfer „San Hilario", mit 18 000 Tonnen Schweröl aus
Amerika unterwegs, wurde ebenfalls die Beute eines
D-Bootes. Der Kapitän hatte Geschützfeuer eröffnen lassen
und mußte deshalb den Deutschen in die Gefangenschaft
folgen. Weitere deutsche Meldungen aus der Zeit vom
5. bis zum 12. Mai zeigten die Vernichtung einer großen
Anzahl von Schiffen von zusammen über 266500 Tonnen
Naumgehalt an. Darunter befanden sich wieder mehrere
Truppentransportdampser und solche Fahrzeuge, die aus
Eeleitzügen herausgeschossen worden waren. Auch ein eng-
lischer Minenleger wurde torpediert.
Große Kühnheit bewies die Mannschaft eines deutschen
O-Bootes, das nach einer holländischen Meldung in einen
Hafen der Ostküste Schottlands eindrang, dort den nor-
wegischen Dampfer „Gerda" versenkte und ein anderes
Schiff beschädigte. Dem D-Boot gelang es, rechtzeitig
zu entkommen.
-st -st
-st
In der Nacht zum 10. Mai statteten deutsche leichte
Seestreitkräfte den Hoosden, den Gewässern vor der eng-
lischen Südostküste, wieder einen Besuch ab (siehe Bild
Seite 387). Sie stießen auf eine größere Zahl englischer
Torpedobootzerstörer, bei denen sich auch einige kleine
Kreuzer befanden. Es kam in der Nähe des Noordhinderer
Feuerschiffs zu einem Gefecht, in dessen Verlauf sich die
Schiffe der flandrischen Küste näherten. In der Gegend
der Thorntonbank hielten sich die Kreuzer zurück. Nun
verminderten die Deutschen ihre Fahrt, um mit den Zer-
störern den Kampf fortzusetzen. Ein Treffer verursachte
auf einen: englischen Torpedoboot eine Kesselerplosion,
worauf das Schiff nach kurzer Zeit sank. Als die Deut-
Nach einer Originalzeichnung von Paul Teschinsky.
VI. Band.
49
386
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Prinz Heinrich von Preußen (X) unterhält sich auf einer deutschen
gekehrten Flieger.
scheu versuchten, den Engländern näher zukommen, drehten
diese mit höchster Geschwindigkeit ab, um sich wieder mit
den kleinen Kreuzern zu vereinigen.
An der Bekämpfung feindlicher Handelschiffe betei-
ligten sich am 1. Mai auch wieder deutsche Marineflie-
ger (siehe obenstehendes Bild), die nicht weit von dem
englischen Hafen Aldebourgh den britischen 3000-Tonnen-
Dampfer „Eena" angriffen. Zwischen ihnen und dem
bewaffneten Dampfer entwickelte sich ein lebhafter Feuer-
kampf. Eines der deutschen Flugboote wurde zum Nieder-
gehen gezwungen, dem anderen gelang es, einen Torpedo
auf das Schiff zu werfen, der es zum Sinken brachte. —
In Mazedonien lagen Anzeichen vor, die auf neue große
Unternehmen der Armee Sarrail schließen ließen. Die
Feinde hatten offenbar die Absicht, zur Erleichterung ihrer
Angriffe in Frankreich möglichst viele Truppen der Mittel-
mächte an dieser fernen Front zu binden (siehe die Bilder
Seite 390 und 391), weil auf eine rechtzeitige Beteiligung der
Russen nicht mehr zu rechnen war. Zu Anfang Mai be-
gann denn auch ein ziemlich kräftiges Artilleriefeuer im
Cernabogen und westlich vom Wardar; auch die Flieger-
tätigkeit wurde lebhaft. Deutsche Flieger belegten ein
stark ausgebautes Lager mit 2300 Kilogramm Spreng-
stoff, wobei große Erplosionen erfolgten und sich dichte
Rauchwolken entwickelten, die bis in 2000 Meter Höhe
aufstiegen. Bei Bac an der Cerna gelang es einem deut-
schen Bombengeschwader, Treffer in Materialansamm-
lungen der Feinde zu bringen. Am % Mai griff das
schwerer werdende Artilleriefeuer immer weiter nach Osten
und erstreckte sich schließlich bis in die Gegend von Mouastir
und dem Doiransee. Vom 6. Mai ab zeigten sich bei
gelegentlichen Feuerpausen auch schon starke feindliche Auf-
klärungsabteilungen.
Tags darauf ging der Feind mit seiner Hauptmacht
gegen Teile der Truppen der Mittelmächte vor, und am
nächsten Tage brach der Sturm mit großer Gewalt auf der
ganzen Front vom Ochridasee bis in den Raum von
Doiran los.
Auch von der Seeseite her wirkten feindliche Streit-
kräfte mit. Zwischen dem Ochrida- und dem Prespasee
stürmten die Feinde in der Nacht gegen die von ihnen
schon einmal vergeblich berannten Stellungen der Bul-
garen an. Ihr Stoß erstickte im Feuer der Maschinen-
gewehre und Handgranaten. Auf der Crvena Stena und
nördlich von Monastir, auf der Höhe 1248, war das feind-
liche Massenfeuer, das seit zwei Tagen schwer auf diesen
Wasserflugzeugstation mit einem zurück-
Punkten lag, zu einem
Zerstörungsfeuer von
größter Wucht ange-
schwollen, und gegen drei
Uhr morgens schickten
Franzosen, Russen und
Italiener ihre Angriffs-
kolonnen vor. Der größte
Teil der Angreifer wurde
von einem Hagel von
Geschossen aus Geschützen
und Maschinengewehren
gefaßt und mußte wei-
chen. An manchen Stel-
len aber kamen die Feinde
über die Vorstellungen
hinaus und drangen wei-
ter vorwärts. Es ent-
wickelten sich schwere
Kämpfe, in denen die
feindlichen Truppen ver-
bluteten. Da setzte das
Trommelfeuer der Ge-
schütze und Minenwerfer
mit erneuter Wucht ein.
Gegen vier Uhr nachmit-
tags glaubten die Feinde,
die ihnen gegenüberlie-
genden Stellungen der
Gegner sturmreif geschos-
sen zu haben, und liefen
abermals in dichten
Massen dagegen an. Aber auch dieser Angriff wurde durch
das Abwehrfeuer der Geschütze gebrochen. Die Feinde
wagten noch einen dritten Vorstoß, der im Nahkampf ab-
geschlagen wurde. Nicht besser erging es einem vierten
Angriff, der teils sofort angehalten, teils im Gegenstoß
zurückgewiesen wurde.
Ähnlich war die Lage in anderen Frontabschnitten, so
östlich von der Cerna und in der Gegend von Moglena,
auf dem linken Wardarufer, südlich von Doiran sowie ani
Fuße der Belasica Planina und in der Ebene von Seres.
Wie Italiener, Russen und Franzosen auf dem westlichen
Teil, so hatten die Engländer auch auf dem mittleren Teil
der Kampffront bei Doiran nicht das mindeste erreichen
können und dabei äußerst blutige Verluste erlitten. Nicht
ganz entschieden war die Schlacht nur an einem Punkte
der Front Cascali—Doiran, am Stautzberg bei Doiran.
Hier waren auf der einen Seite Deutsche und Bulgaren,
auf der anderen Engländer in heftige Kämpfe verwickelt,
die noch nicht abgeschlossen waren. Der Feind hielt dort
in einigen von ihm eroberten Gräben noch stand.
Am 9. Mai wurde die Schlacht auf der ganzen Linie
mit größter Erbitterung fortgesetzt. Ihr Brennpunkt lag
im Cernabogen. Nordwestlich von Monastir wütete ein
Kampf um die Höhe 1248, die von den Feinden schon so
oft und immer vergeblich berannt worden war. Bis zum
Mittag des Tages lag sie mit ihrer Umgebung unter heftigstem
Trommelfeuer, nach dem die Jnfanterieangriffe mit großen
Massen begannen. Sie mißglückten vollständig, und die
Feinde mußten mit den schwersten Verlusten wieder in ihre
Ausgangstellungen zurückgehen.
Die große Schlacht im Cernabogen zeitigte vier gewaltige
Stürme, in denen Russen, Italiener und Franzosen ihr
Bestes gaben. Der erste Stoß erfolgte in den Morgen-
stunden und wurde im Sperrfeuer, zum Teil auch durch
Gegenangriff völlig gebrochen. Hierauf kam es zu einer
mehrstündigen, ungemein heftigen Artillerieschlacht, und dann
folgten mehrere Jnfanterieangriffe, zu denen alle Kräfte
der Feinde zusammengerafft wurden. Nach langem, er-
bittertem Hin- und Herwogen war der Kampf zugunsten
der Verteidiger entschieden. Die Feinde verloren 250
Gefangene, Tausende von Toten, 4 automatische sowie
2 Maschinengewehre und mußten sich mit dem Gewinn
einer Höhe südlich von Orle begnügen. Aber auch dort
sollten sie nicht lange bleiben. Nachdem am Abend noch
zwei Hauptangriffe der Feinde auf der ganzen Linie ab-
gewiesen worden waren, schritten Deutsche und Bulgaren
zum Gegenangriff auf die Höhenstellung bei Orle. Das
Unternehmen gelang, und die Feinde mußten auch an
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
387
diesem Punkte die gewonnenen Grabenstücke wieder preis-
geben.
Bei Doiran griffen die Bulgaren die Engländer am
Stautzberg an. Das Infanterieregiment Nr. 34 ging mit
großem Schneid vor und vertrieb die Feinde im Hand-
granaten- und Bajonettkampf auch aus dem letzten Nest
der dort von ihnen genommenen Stellungen.
Tags darauf lebte die Schlacht nur im Cernabogen in
6 Kilometer breiter Front beiderseits Makowe wieder auf.
Nach vielstündiger Vorbereitung durch Artillerie unternahm
der Feind noch einmal einen Sturm mit großen Truppen-
massen, doch konnte er die Mißerfolge der Vortage in keiner
Weise irgendwie ausgleichen, sondern vermehrte nur seine
ohnehin nicht geringen Verluste.
Zu dem Mißlingen der Angriffe Sarrails hatten nicht
wenig auch die deutschen Funker durch rasche Übermittlung
der Befehle beigetragen. Sie aufzuspüren und zu ver-
nichten, ließen sich die Feinde besonders angelegen sein.
ihre Gesinnung nicht vom Vierverband vorschreiben lassen
wollten. — Da nun auch der neue Vorstoß des Generals
Sarrail völlig mißlungen war, mehrten sich die Stimmen
in Frankreich und in England, die die Zurücknahme der
Truppen aus Mazedonien wünschten, weil sie in Frankreich
besser zu verwenden gewesen wären. —
-ft -ft
-ft
Die Italiener hatten sich bisher immer noch nicht ent-
schlossen, die schon so oft angekündigte zehnte Jsonzoschlacht
zu beginnen. Hier und da nur verstärkte sich der Artillerie-
kampf. Von den Spitzen der höchsten Berge im Ortler-
gebiet (siehe Bild Seite 393) ließen schwere und leichte Ge-
schütze ihre eherne Stimme in der noch stark verschneiten
Bergwelt erschallen, wo viele Lawinen zu Tal gingen. Trotz
der Gefahren, die das Gebirge um diese Zeit bot, führten
die berggewohnten k. u. 1 Truppen doch ihre Patrouillen-
unternehmen unerschrocken durch. Der junge Kaiser Karl,
So geriet auch eine bayrische Funkerabteilung, die in der
Nähe der Stadt Prizrend ihre Stellung wechselte, in feind-
liches Feuer (siehe Bild Seite 388/389). —
Die Niederlage der Armee Sarrail wurde in Griechen-
land mit besonderer Freude begrüßt. Obwohl die Griechen
alle ihnen vom Vierverband auferlegten Forderungen er-
füllt hatten, fiel es diesem gar nicht ein, die Blockade auf-
zuheben. Infolgedessen griff die Hungersnot im Lande
immer weiter um sich. Es starben an Hunger im Januar
26, im Februar 26, im März 49 Menschen. Trotzdem
lockerten die Peiniger ihre Maßnahmen nicht, die mit dazu
beitragen sollten, das Volk seinem König zu entfremden.
Das war jedoch immer noch nicht gelungen. Am 21. April
fand im Piräus sogar eine machtvolle Kundgebung gegen
die Rückkehr der Aufständischen, die auf englischen und
französischen Druck hin aus den Gefängnissen entlassen und
begnadigt werden mußten, statt. Auch darin zeigte sich,
daß die Bedrängten treu zu ihrem König hielten und sich
der mit dem Feldmarschall Freiherrn Conrad v. Hötzendorf
die Soldaten an der österreichisch-ungarischen Südwestfront
besuchte (siehe die Bilder Seite 392), fand eine wohlaus-
gerüstete, schlagbereite Truppe vor, die voll Siegeszuver-
sicht der neuen Kämpfe harrte. Ihre Geduld sollte an-
scheinend auf keine harte Probe mehr gestellt werden, denn
am 11. Mai eröffneten die Feinde ein heftiges Artillerie-
und Minenwerferfeuer, das ohne Zweifel als Einleitung
der erwarteten neuen Angriffe zu gelten hatte. —
Wenig Freude erlebten die Italiener in Afrika, während
an ihrer Nordfront verhältnismäßige Ruhe herrschte. Zum
Mißvergnügen der Italiener, die nichts dagegen tun konnten,
waren nämlich die Engländer in Tripolis (siehe die Karte
Band IV Seite 70) erschienen. Sie ließen sich am Golf
von Solum nieder und waren — zur Abwehr von Araber-
angriffen aus Libyen, wie sie behaupteten — auch schon
von Siwa aus vorgedrungen. Dabei hatten sie bereits
Tebba, 200 Kilometer westlich von Siwa, erreicht, das sie
anscheinend nicht mehr zu verlassen gedachten. Von ganz
Tripolis, das die Italiener bei ihrem Raubzug gegen die
LE
i»
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Bayrische FunkerabLeilung wechselt im serbischen Feuer Ln der Nähe der Stadt Prizrend Ln Mazedonien ihre Stellung.
Nach einer Originalzeichnung des Kriegsmalers Hugo L. Braune.
Türkei hatten erobern wollen, gehörten ihnen jetzt nur noch
Suara, Tripolis, Homs, Derna und zeitweilig die Küste, so-
weit sie diese mit ihren Geschützen von der See her be-
streichen konnten. Der ganze 200 Kilometer tiefe Landstrich
von Suara bis an den Golf von Soium war ihnen von
den Arabern wieder entrissen worden. —
*
Die Türken wurden an der S i n o i f x o n t von den
Engländern nicht wesentlich belästigt. Diese beschränkten
sich im allgemeinen auf Überfälle durch Artilleriefeuer und
ließen sich die Ordnung ihrer rückwärtigen Verbindungen
sowie die Auffüllung und den Ersatz ihrer geschlagenen Regi-
menter angelegen sein. Ein lebhaftes Vorpostengefecht ent-
wickelte sich am 27. April zwischen Engländern und türkischen
Vorposten an der Küste. Die Türken konnten in Eile eine
Kompanie zu Hilfe rufen und mit dieser vereint die über-
legenen englischen Kräfte aus dem Felde schlagen, wobei
diese eine verhältnismäßig starke Einbuße an Toten erlitten.
Gegen Gaza nahn: die Feuertätigkeit der Engländer wieder
zu; am 3. Mai versuchten sie auch einen Vorstoß mit
Kavallerie in östlicher Richtung. Die Reiter wurden unter
Verlusten im türkischen Feuer zerstreut. Auch die türkische
Kavallerie war nicht untätig. Es gelang ihr in diesen
Tagen, in den Rücken des Feindes zu kommen und eine
Bahnverbindung zu unterbrechen. Die Fliegertätigkeit
nahm auf beiden Seiten gegen die Mitte des Monats
Mai zu. —
Im Irak (siehe die Bilder Seite 394) ereigneten
sich wieder umfangreichere Gefechte- Gegen Ende April
versuchten drei englische Kavallerieregimenter stärkere tür-
kische Vorstellungen auf dem rechten Ufer des Ehdem zu
überfallen. Ihr Vorhaben mißlang jedoch uüd endete für
i
390
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
die Engländer mit einer ver-
lustreichen Niederlage. Der
linke Flügel der Türken stand
arn 30. April unter besonders
starkem englischem Druck.
Das 13. türkische Armee-
korps, das südwestlich von
Kifri eine Stellung auf
beiden Seiten des Ehdem
besetzt hielt, wurde von den
Engländernüberraschend an-
gegriffen. Diese drangen in
die erste Linie der Türken
ein und entrissen ihnen auch
ein Dorf, das in die Be-
festigungslinien einbezogen
war. Sofort gingen die
Türken zum Gegenstoß über
und nahmen die verlorenen
Stellungen einschließlich des
Dorfes den Feinden wieder
ab. Dabei wurden 4 Offi-
ziere und 161 englische Sol-
daten gefangen. Die son-
stigen Verluste der Englän-
der bei diesem Zusammen-
stoß waren recht bedeutend;
sie betrugen wenigstens
2000 Mann an Toten und
Verwundeten, wohingegen
die Türken noch nicht 500
einbüßten. —
Auch im Kaukasus,
wo der Befehl über die rus-
sischen Truppen an den
General Judenitsch über-
gegangen war, fochten die
Türken recht glücklich, wie
z. B. bei Belumer, wo sie
am 28. April eine Höhenstellung in ihren Besitz brachten
Luftige Wohnung eines bulgarischen Soldaten an
Der eigenartig gewachsene Baum Bietet natürliche
und den Deutschen abgewie-
sen, wobei deutsche Stoß-
truppen bis in die Unter-
stände des Gegners vordran-
gen (siehe Bild Seite 395).
Später unternahmen drei
russische Bataillone im Susi-
tatal wieder einen erfolg-
losen Vorstoß. Eine größere
Bedeutung kam diesen Ge-
fechten an der rumänischen
Front nicht zu.
Die ungeklärten inneren
Verhältnisse in Rußland
führten Ende April und An-
fang Mai zu neuen Ver-
wicklungen, bei denen es in
Petersburg wieder zu blu-
tigen Straßenkämpfen kam.
Die Friedensfrage hatte
noch keine befriedigende Lö-
sung gefunden. Der Wille
zum Frieden beherrschte
nicht nur das russische Heer
in Rußland; sondern auch
die russischen Hilfstruppen
in Frankreich. Die dort
stehende, 8000 Mann starke
russische Brigade erzwang
sich durch die Drohung mit
einem Aufstande das Zuge-
ständnis, zwei Abgeordnete
zum Arbeiter- und Sol-
datenrat in Petersburg ent-
senden zu dürfen, die für
einen raschen Friedenschluß
und die Verteilung des
russischen Bodens eintreten
sollten. —
In Rußland hatte die Revolution wieder neue Ver-
änderungen im Heere zur Folge gehabt. Sie fegte eine
ganze Reihe von Generalen von der Bildfläche. General
Alerejew mußte den Oberbefehl über das russische Heer
wieder abgeben, und General Rußki, der das Kommando
über die Nordostfront führte, wurde durch den General
Dragomirow ersetzt. Auch die Großfürsten verloren ihre
Stellungen im Heere. Das russische Flugwesen, das bisher
dem Großfürsten Michailowitsch unterstand, wurde dem
Obersten Tkatschew übertragen. Diese Veränderungen
waren nicht gerade geeignet, den Zusammenhalt im russischen
Heere zu fördern und dessen Gefechtsbereitschaft zu erhöhen.
Es kam denn auch nur ganz gelegentlich noch zu russischen
Angriffen, so am 2. Mai Zwischen Putna- und Susita-
tal. Der Vorstoß brach dort aber im deutschen Feuer für
die Russen verlustreich zusammen. Im Erenzgebirge der
Moldau und nördlich vom Oitoztale griffen mehrere russische
Bataillone an; auch sie wurden von den k. u. k. Truppen
Während in Europa immer öfter vom Frieden die Rede
war, wurde in anderen Erdteilen immer mehr vom Kriege
gesprochen. Den Vereinigten Staaten von Nordamerika
hatten inzwischen auch B o I i v i a und — die afrikanische
Negerrepublik Liberia ihre Zustimmung zu dem Vorgehen
gegen Deutschland ausgesprochen. Immer noch weilte
Balfour in Amerika, um die Amerikaner noch mehr für
den Krieg zu begeistern und sie neben der Geld- und Muni-
tionslieferung auch für die Entsendung von Soldaten nach
dem europäischen Kriegschauplatz zu gewinnen. Die Ameri-
kaner schienen geneigt zu sein, den immer flehender werden-
den Bitten zu entsprechen. Man einigte sich, in allernächster
Zeit Zehntausende unausgebildeter Amerikaner nach Frank-
reich zu bringen und sie hinter der französischen Front aus-
bilden zu lassen. Bis zu ihrer Ankunft und Verwendbarkeit
mußten noch Monate vergehen, in denen sicher noch Zehn-
tausende von Franzosen und Engländern aus den Kämpfen
ausschieden. Die Gefahr erschien somit für Deutschland
nicht gerade überwältigend groß. —
•' ‘ ""'S, «Fortsetzung folgt.)
Illustrierte Kriegsberichte
Von der österreichisch-ungarischen Jsonzo-
armee.
Von Oberst Egli.
Dank einer Erlaubnis der österreichisch-ungarischen Ober-
sten Heeresleitung ist es nrir im März 1917 vergönnt ge-
wesen, den Teil des italienischen Kriegschauplatzes besuchen
zu dürfen, wo seit Kriegsbeginn die härtesten und blutigsten
Kämpfe unter so schwierigen Verhältnissen stattgefunden
haben, wie sie kein anderer Kriegschauplatz geboten hat.
Die Italiener setzten von Anfang des Krieges ihre Haupt-
kräfte am unteren Jsonzo an, um das Küstenland zu
gewinnen und Triest zu „befreien". In neun großen
Schlachten versuchten sie über Görz und den Karst vor-
zudringen, und erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1916,
als die österreichisch-ungarische Oberste Heeresleitung durch
die Ereignisse im Osten gezwungen gewesen war, ihre
Armeen auf dem italienischen Kriegschauplatz bis aufs
äußerste zu schwächen, ist es ihnen endlich unter großen
Opfern gelungen, etwas Raum zu gewinnen, doch be-
schränkte sich der ganze Verlust der österreichisch-ungarischen
Jsonzoarmee in den vier letzten Schlachten auf 10 Kilo-
nreter Tiefe am Karst und gar nur 4 Kilometer bei Görz.
Als im August 1916 die sechste Jsonzoschlacht mit einem
Angriff gegen den Brückenkopf von Görz einsetzte, war dort
nur eine zur Hälfte aus Landsturm bestehende Division gegen-
über dreiundeinhalb italienischen Armeekorps. Durch Über-
läufer italienischer Zunge war die italienische Heeresleitung
nicht nur über die Schwäche der Besatzung des Brückenkopfes,
sondern auch über den Standort der wenigen Batterien und
Reserven sowie über alle Einzelheiten der Befestigungen
so genau unterrichtet worden, daß sie infolge dieses Verrates
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
391
für die Vorbereitung des Angriffs und für den Sturm die
zweckdienlichsten Maßnahmen treffen konnte. So wurde
ein österreichisch-ungarisches Bataillon von einer ganzen
italienischen Division angegriffen. Zuletzt standen die
österreichisch-ungarischen Truppen bei Görz zehnfacher Über-
macht gegenüber — und doch Haben die Italiener nicht
gewagt, den Angriff wesentlich über Eörz und St. Peter
hinaus fortzusetzen. Allerdings, einen Erfolg hat die Ein-
nahme von Görz für sie nach sich gezogen: die mit großer
Zähigkeit seit Kriegsbeginn verteidigte Karsthochfläche von
Doberdo mußte ebenfalls geräumt und die Verteidigungs-
linie hinter den Einschnitt des Vallone zurückgenommen
werden. In der siebenten und achten Jsonzoschlacht konnten
die Italiener nur wenig Raum gewinnen, dagegen war es
ihnen möglich, anfangs November noch auf einer Front von
etwa 4 Kilometern um etwa 3 Kilometer vorwärts zu kom-
men. Dann haben die Italiener mehr als sechs Monate
nicht gewagt, den damals mit großem Jubel verküudeten
Sieg auszunützen. Das ist begreiflich, wenn man be-
denkt, daß sie den geringen Raumgewinn mit mehr als
einer halben Million an Verwundeten, Toten und Ge-
fangenen bezahlen mußten. Die Blüte des italienischen
Heeres wurde am Karst geopfert, trotzdem ist ihm der Weg
nach Triest heute fester als je verrammelt, denn noch nie
waren an der Jfonzofrout so starke österreichisch-ungarische
Truppen mit so viel Artillerie und allen anderen Kampf-
mitteln des Stellungskrieges in so gut ausgebauten Stel-
lungen wie jetzt.
Von der Jfonzoarmee ist Gewaltiges geleistet worden,
um ihre Stellungen widerstandsfähig zu machen. Zu Be-
ginn des italienischen Krieges standen dort fast nur Land-
sturmvorposten, denn von einer starken Besetzung konnte
keine Rede sein. Alle irgendwie verfügbaren Streitkräfte
waren viel nötiger im Osten, wo damals, im Mai 1915,
die großen Schläge gegen die russische Armee geführt
wurden. Die ersten Verstärkungen, die herangeführt werden
konnten, mußten deckungslos im überlegenen Artilleriefeuer
des Feindes ausharren, denn von Eingraben war auf dem
Karst keine Rede. Steinmauern, die man vor der Ver-
teidigungslinie errichtete, vermehrten durch Splitterung nur
noch die Wirkung der feindlichen Artilleriegeschosse; so
schmolzen die Kompanien bald auf fünfzig, vierzig und
noch weniger Kämpfer zusammen. Dazu kam unter der
heißen Sonne der schier unerträgliche Durst, denn nirgends
ist Wasser zu finden, und auch heute noch muß trotz
Wasserleitungen in viele Abschnitte der Kampflinie das
Trinkwasser auf Tragtieren gebracht werden. Trotzdem
wurden alle Stürme der Italiener abgewiesen; kam es
zum Nahkampfe, so kämpfte man mit Kolben, Bajo-
nett und Messer, und wenn gar keine andere Waffe mehr
brauchbar war, so erschlug man den Gegner mit Steinen.
Bald nach den ersten abgewiesenen Stürmen kam es zu
einer neuen Qual: die dicht vor den Stellungen liegenden
Leichen konnten weder weggeschafft, noch begraben werden,
aber auch das wurde ertragen. Nach und nach wurde es
sogar möglich, in harter Arbeit durch Sprengungen im Ge-
stein Schützengräben auszuheben und Höhlen zu bohren,
die Schutz gegen die Geschosse der schweren Artillerie boten.
Dann fand man auch einige Höhlen, die zur Unterkunft und
Deckung benützt werden konnten. Heute ist das alles viel
besser: in jeder Stellung sind mehrere Schützengrabenlinien
ausgebaut; besonders wichtige Abschnitte sind als Stütz-
punkte stark befestigt, und wenn die italienische Artillerie
mit Trommelfeuer einsetzt, so finden nicht nur die Be-
satzungen, sondern auch die herankommenden Reserven gra-
natsichere Unterkunft bis zu dem Augenblick, wo sie sich
dem Angreifer entgegenwerfen.
Der Karst wird durch das Tal von Brestovica von Westen
nach Osten in zwei Teile getrennt. Im südlichen zieht sich
der gewaltige Steinblock der Hermada (393 Meter ü. M.)
quer durch den Raum zwischen Duino und Brestovica. Den
Italienern ist es noch nicht gelungen, bis an den Westhang
dieses Berges heranzukommen, der eine von Natur starke
Stellung ist; sie stehen immer noch an der Straße Mon-
falcone—Duino wie zu Beginn des Krieges in der Bagni-
stellung (etwa halbwegs Moufalcone—S. Giovanni). Weiter
nördlich find sie bis an den Ostrand des Doberdofees (westlich
von Jamiano) gelangt. Hier stehen sich die Gegner auf kurze
Phot. k. u. k. Kriegsministerium.
Kaiser und König Karl bei einem Besuch der Front im Wippachtal.
Phok. k. u. k. Kriegsministerium.
Feldmarschall Freiherr Conrad v. Hötzendorf beim k. u. k. 59. Infanterieregiment an der Front gegen Italien.
Die wichtigsten Kriegsorden und -ehrenzeichen Deutsch-
lands» Österreich-Ungarns, Bulgariens und der Türkei
in 2/5 der natürlichen Größe«
Beilage zu Heft 150 der Illu-
strierten Geschichte des Welt-
krieges 1914/17.
Verlag der Union Deutsche Ver-
lagsgesellschaft in Stuttgart,
Berlin, Leipzig, Wien.
Tafel II folgt in einem der nächsten Hefte.
(Text Seite 398-400.)
Nachdruck verboten.
Tmjfeanumiu
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
Ebene nördlich von Castagnavizza, so daß der Besitz der Stadt
militärisch für die Italiener ziemlich wertlos ist, zumal auch
die Brücken über den Jsonzo vollständig eingesehen sind und
unter dem Feuer der österreichisch-ungarischen Geschütze
liegen. Welche Überraschungen die weittragenden Geschütze
beiden geringen Beobachtungsverhältnissen gegen die Ebene
bereiten können, haben die Italiener erfahren, als in eine
bei Cormons abgehaltene Parade plötzlich die schweren Gra-
naten der österreichisch-ungarischen Artillerie schlugen.
Die italienische Armee hat seit Kriegsbeginn große Fort-
schritte gemacht, und ihre Soldaten fochten zum großen
Teil tapfer und gut, obwohl sie sehr bald einsehen mußten,
daß alle ihre Versuche, nach Triest durchzubrechen, ver-
geblich sind. Das erkennen auch die österreichisch-unga-
rischen Truppen, in denen fast alle Völker der Monarchie
vertreten sind, unumwunden an. Trotzdem sind sie voller
Zuversicht und Selbstvertrauen in die neuen großen Kämpfe
mit den Italienern, die zehnte Jsonzoschlacht, eingetreten.
Entfernung dicht gegenüber, und oft gingen die österreichisch-
ungarischen Sturmabteilungen mit Erfolg vor, um aus den
italienischen Stellungen Gefangene zu holen. Auf dem
nördlichen Teil des Karstes, der Hochfläche von Comen,
biegt die Kampflinie nach Osten um; die Ruinen von
Hudilog und von Kostanjevica konnten trotz aller An-
strengungen von den Italienern nicht genommen werden.
Bei Kostanjevica nimmt die Front Richtung nach Norden
zum Fajti Hrib (der im Besitz der Italiener ist), dann zieht
sie sich nach Nordwesten über Höhe 284 hinunter zur Wippach,
die sie südwestlich von Biglia erreicht. Südlich von dieser
Ortschaft hat ein österreichisch-ungarisches Bataillon am
26. März 1917 einen Handstreich ausgeführt, der nicht nur 500
Gefangene einbrachte, sondern auch eine von den Italienern
besetzte Höhe gewinnen ließ. Infolge dieses geglückten
Vorstoßes waren die Feinde genötigt, ihre Stellungen auf
mehr als einem Kilometer Front um einige hundert Meter
zurückzuverlegen. Zwischen Hudilog, Kostanjevica, Fajti Hrib
ArtLlleriekampf im OrLlergebiet. Nach einer Originalzeichnung von Fritz Neumann.
und San Erado di Merna bildet die italienische Stellung
eine Art Sack; sie ist von der österreichisch-ungarischen Front
auf drei Seiten umschlossen. Wie gefährlich die Lage dort
für die Italiener ist, geht nicht nur daraus hervor, daß sie
auf der Linie Kostanjevica—Fajti Hrib nirgends näher als
etwa 800 Meter an die österreichisch-ungarische Stellung
herangegangen sind, sondern auch aus den gewaltigen Be-
festigungsarbeiten» die sie dort ausgeführt haben. Rahe
hintereinander liegt eine Verteidigungs- und Hindernis-
linie nach der anderen, und auch westlich vom Ballone,
auf der Hochfläche von Doberdo, haben sie mindestens
drei Stellungen, jede mit mehreren Linien, ausgebaut,
und immer noch arbeiteten sie dort weiter, so daß man eher
den Eindruck erhielt, daß die Italiener einen Angriff fürch-
teten, als daß sie selbst von neuem vorgehen wollten.
Nördlich von der Wippach zieht sich die Front nahe östlich
von Vertojba vorbei zur Höhe von S. Marco (227 Meter
ü. M.); Rosental, Castagnavizza und die Höhe östlich von
Salcano sind ebenfalls im Besitz der österreichisch-unga-
rischen Jsonzoarmee. Zu ihren Füßen liegt Görz und die
VI. Band.
Schweizerische Sappeure beim Bau einer
Behelfsbrücke.
(Hierzu die Bilder Seite 396.)
Die Schweiz ist von zahlreichen Wasserläufen durch-
zogen, die sehr verschiedenen Charakter, aber doch die
gemeinsame Eigenschaft besitzen, daß sie für Truppen-
bewegungen sehr unangenehme Hindernisse sind, sei es nun
ein großer Fluß wie die Aare, oder ein Flüßchen wie die
Emme, die jetzt ein zahmes Gewässer und schon wenige
Stunden später ein reißendes Wildwasser sein kann, dessen
trübe Fluten nicht nur Baumstämme, sondern auch Fels-
blöcke mitführen, deren Anprall jede unzweckmäßig angelegte
Brücke wegreißt. Schon im Frieden haben die schweize-
rischen Genietruppen oft Gelegenheit gehabt, bei Hochwasser
durch den Bau von Notbrücken an Stelle von zerstörten
Flußübergängen zu zeigen, daß sie derartige schwierige Auf-
gaben lösen können, trotzdem sie in solchen Fällen als Miliz-
truppe meistens nicht im Dienste standen, sondern vyn
einer Stunde zur anderen aus dem bürgerlichen Leben
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
394
Phot. Photothek, Berlin.
Versorgung englischer Truppen mit Wasser in Mesopotamien.
herausgeholt werden
mutzten. Die lange an-
dauernde Erenzbesetzung
zum Schutze der Neutra-
lität gab seit 1914 man-
chen Anlatz, nicht nur
Befestigungswerke aller
Art auszuführen, sondern
auch den Brücken- und
Stratzenbau zu üben.
Viele der ausgeführten
Werke dienen neben den
militärischen Bedürfnis-
sen auch dem bürger-
lichen Verkehr. Manche
kleine Gemeinde und
Talschaft hat so in den
Kriegsjahren eine Ver-
bindung erhalten, die für
sie schon im Frieden ein
Bedürfnis war, die aber
aus Mangel an Mitteln
nicht gebaut werden
konnte.
Überall, wo der Flutz-
boden und die Flutztiefe
es erlauben, wird man
die starken und einfachen
Jochbrücken jeder anderen
Bauart vorziehen. Aber
nicht immer können die
Rammböcke in Tätigkeit
treten, namentlich wenn
der Flutzboden felsig ist.
An Stelle der Joche
müssen dann Böcke ein-
gebaut werden, für de-
ren Befestigung am Ufer
besonders Sorge getra-
gen werden mutz, sobald
Gefahr vorhanden ist, datz Hochwasser eintritt,
in den Flutz gestellten Böcke umwirft und
Gebirge kommen autzerdem Fälle vor, wo
weder Joch noch Bockbrücken Anwendung
Unter Umständen mutz die ganze Brücke
das die nur
wegreitzt. Im
bei Schluchten
finden können,
an Drahtseilen
aufgehängt werden, die
fest an den Ufern ver-
ankert sind. Bei kleiner
Spannweite können
Hänge- oder Spreng-
werke gebaut werden,
das sind Brücken, bei
denen die Fahrbahn von
einem Balkenbau ge-
tragen wird. Auch höl-
zerne Eitterbrücken wer-
den aus Balken und so-
gar aus Brettern her-
gestellt, wenn andere
Bauarten weniger gün-
stig sind. Der Erfindungs-
gabe der schweizerischen
Genieoffiziere ist in die-
ser Beziehung ein weiter
Spielraum gelassen.
Selbstverständlich be-
sitzt die schweizerische Ar-
mee auch besondere
Kriegsbrückentrains, die
mit dem altbekannten
Biragoschen Brückenzeug
(Pontons) ausgerüstet
ind und von einer be-
sonderen Truppe, den
Pontonieren, bedient
werden. Die kurze Aus-
bildungszeit der schwei-
zerischen Milizarmee hat
es notwendig gemacht,
den Dienst der Pioniere
viel mehr zu speziali-
sieren, als es in anderen
Armeen der Fall ist,
weil nur auf diese Weise
erreicht werden kann, datz
die technischen Truppen ihre Aufgaben mit der notwen-
digen Sicherheit erfüllen können. Autzer den Sappeuren
und Pontonieren gibt es daher auch noch Telegraphen-,
Funken-, Signal-, Scheinwerfer- und Ballonpioniere. Da
in die Einheiten dieser Truppen vor allem Fachleute ein-
Phot. Photothek, Berlin.
Ein englisch-indisches Lager in einem Palmenhain in Mesopotamien.
\ ...
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17
Deutsche Stoßtruppen dringen am Nordosthang des Coman in den Waldkarpathen in die russischen Stellungen und Unterstände ein.
^ Nach einer Originalzeichnung von Fr. Müller-Münster.
geteilt werden, so können sie, trotz kurzer Ausbildungszeit,
Gutes, in manchen Beziehungen sogar Hervorragendes leisten.
Die Kriegsbrücke bei Caineni.
(Hierzu das Bild Seite 397.)
Einer württembergischen Ersatz-Vahnkompanie war der
Auftrag erteilt worden, die bei Caineni von den Rumänen
in die Luft gesprengte Brücke, der große strategische Be-
deutung Zukam, wieder benutzbar zu machen.
Da der Viadukt in drei Teile zerrissen war, mußte von vorn-
herein von jeder Ausbesserung Abstand genommen werden.
Man entschloß sich deshalb zum Bau einer neuen Brücke.
Was das heißt, kann sich nur der einigermaßen vorstellen,
der schon einmal dabei war, wenn eine Pionierabteilung
in Friedenszeiten über irgend ein harmloses Flüßchen einen
396
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Manöver sieg legte. Erfor-
dert das schon große Ge-
wandtheit und viel Kraft,
so ist beides im Feindes-
lande, wo das Rohmaterial
meist ohne jegliche Hilfe
von Maschinen erst zube-
reitet werden muß, ir
viel größerem Maße
Zum Glück befanden
sich in der Nähe riesige
Laubwälder, aus denen das
Bauholz geholt werden
tonnte. Das Fällen und
Sägen der dicken Stämme
war jedoch in Anbetracht
der dazu benützten ein-
fachen Werkzeuge keine Klei-
nigkeit. Aber alles ging
flotr vonstatten, und schon
am Tage nach dem Ein-
treffen des Befehls konnten
die ersten Eichenbohlen in
den fast unergründlichen
Flußgrund getrieben wer-
den. Dann begann der
Bau der Holzjoche. Wenn
man bedenkt, daß zu einem
Joch etwa bundert Balken
von je zwei Metern Länge
gebraucht werden — drei-
zehn Joche waren vorge-
sehen — so wird man be-
greifen, was dre ^Ersatz-
bahner" leisten mußten.
Dazu erhielten sie noch
Feuer von der feindlichen
Artillerie, die das Fort-
schreiten der Arbeiten auf-
halten und hindern wollte.
Außerdem hatten die Mann-
schaften unter der Kälte der
rauhen Spätherbsttage zu
leiden. Das alles aber ver-
mochte die Württenrberger
bei ihrer Arbeit nicht zu
stören. Wuchtig klangen
die Schläge ihrer Arte und
Hämmer durch die sonst so
stillen Täler. Wie Pilze
aus feuchimoosigem Wald-
boden so wuchsen die hohen
Pfeiler aus dein gelbbrau-
nen Wasserspiegel des Stro-
mes, während ein anderer
Teil der Kompanie die zwei
Meter breite Brückenbahn
fertigstellte, die dann von
Joch zu Joch,, gespannt
wurde.
Schon am frühen' Mor-
gen des achten Tages nach
dem Beginn der Arbeiten
war die Brücke fertig. Der
Hauptmann der Ersatz-
Bahnkompanie schickte die
Meldung ab, worauf sich
die Marschkolonnen alsbald
in Bewegung setzten. Wohl
ächzten und bebten die
hohen Holzjoche unter der
Last der darüber hinziehen-
den Truppen, doch sie
hielten fest. ; Der Wdg
über den Alt war wieder-
hergestellt.
Die Abwehrschlacht
an der Aisne.
Von Kriegsberichterstatter
Eugen Kalkschmidt.
lHierzu die Karren Seite 342 und das
Bild Seite 399.),
Im Raume zwischen
Soissons und Reims hat-
ten die Franzosen schon seit
geraumer Zeit Angriffs-
vorbereitungen getroffen.
Cie hätten hier wahrschein-
lich einen Durchbruch ver-
sucht, auch wenn die große
Räumung an unserer West-
front nicht erfolgt wäre.
Es ist wohl anzunehmen,
daß Franzosen und Eng-
länder gleichzeitig losschla-
gen wollten. Aber wäh-
rend die letzteren zwischen
Lens und Arras am 9. April
mit Massenstürmen die
große Offensive begannen,
zögerten die Franzosen bis
des 16. Aprils
Oberes Bild: Die Arbeitsdrücke muß infolge Steigens des Wassers gehoben werden. — Mittleres Bild : Die
Pionieroffiztere beim Rammbock. — Unteres Bild: Die fertige Brücke.
Bau einer Jochbrücke durch Pioniere der schweizerischen Armee.
< '£$$$* K
Die Kriegsbrücke bei Caineni in Rumänien, von einer Württembergischen Ersatz-Bahnkompanie in acht Tagen erbaut.
Nach einer Originalzeichnung des auf dem rumänischen Kriegschauplatz zugelassenen Kriegsmalers A. Reich-München.
ihren Generalangriff hinaus. Warum? Sie waren mit
den Vorbereitungen nicht ganz fertig geworden.
Ganz geheim sollte diesmal die französische Absicht
bleiben. Es erfolgte kein Vorarbeiten der Infanterie, keine
besonders lebhafte Patrouillentätigkeit, kein Versuch einer
Luftsperre oder einer planmäßigen Luftbeobachtung. In
aller Stille wurden die Batterien in dem schluchtenreichen
Gelände der Aisne verstärkt, Munitionslager eingerichtet,
sehr viel schwere Minenwerfer eingebaut. Um das wirksame
Beschießen der neuen Geschütze möglichst zu verhindern, hatte
man sie auf Eisenbahnwagen als sogenannte „Gabelbatterien"
gebaut und konnte derart auf der Schienengabel den
vorausschickte. Unsere Flieger beobachteten nicht nur genau
die gehäufte Artillerie, sondern auch zahlreiche Truppen-
lager, Feldbahnen, Flughäfen und zum Sturmangriff be-
reitgestellte „Tanks", die bekannten gepanzerten Kraftwagen,
die die Franzosen den Engländern in einer beweglicheren,
freilich auch gebrechlicheren Form nachgemacht hatten.
Unser Vorstoß am 4. April gegen die Kanalstellung bei
Berry au Bac brachte neben 900 Gefangenen auch un-
widerlegliche Beweise über das bereitgestellte Angriffsmate-
rial in unsere Hand.
Unsere Mannschaft vorn erzählte mir freilich, sie hätte
gar nicht recht an die bösen Absichten der Franzosen glauben
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Standort der Batterien jederzeit verschieben. Die Graben-
besatzungen wurden täglich gewechselt, um möglichst viele
Truppen mit dem Gelände vertraut zu machen. Dabei
aber war den Mannschaften bei strenger Strafe verboten»
sich nach Vorgängen hinter der Front oder nach militärischen
Plänen auch nur zu erkundigen. Sie wurden in künstlicher
Unwissenheit erhalten, und Offiziere hatten den Auftrag,
die Grabengespräche zu belauschen.
Trotz aller dieser Vorsichtsmaßregeln konnten wir schon
im März feststellen, daß die französischen Korps vor Craonne,
Berry au Bac und dem Brimont zu den besten der Armee
gehörten; es waren dies das 20. und 32. Korps; die 37. und
14. Division, die, aus Zuaven und Turko bestehend, den
Brimont nehmen sollten; die 10. Kolonialdivision und die
Russenbrigaden, die man als bewährtes Kanonenfutter
mögen. So wenig Flieger in der Luft, und nur dann und
wann etwas Artillerie. Aber es sollte anders kommen,
denn vom 6. April ab begann der Feind ein planmäßiges
Wirkungschießen, das am 9. ungemütlich lebhaft wurde.
Ganz so wie an der Somme war es freilich anfangs nicht.
Die rückwärtigen Verbindungen hatten zum Beispiel viel
weniger zu leiden als die Linien der ersten Stellung und
der Zwischenstellungen. Woran lag das? Für weitere
Entfernungen schien den Franzosen doch schon die genaue
Schußkorrektur zu fehlen, obwohl sie auf den Höhen vor
der Hochfläche von Craonne, südlich vom Aisne-Marne-
Kanal und nordwestlich von Reims zweifellos sehr gute Be-
obachtungen sowie auch genügend Fesselballone besaßen.
Entscheidend war doch wohl die Gegenwirkung unserer
Artillerie, die mit außerordentlicher Kraft die feindlichen
398
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
Batterien niederkämpfte. Daher dann auch das Verschieben
des Angriffs. Die deutschen Gräben waren weit davon
entfernt, „sturmreif" zu sein.
Endlich, am 15. April, entschloß sich General Nivelle
zum Angriff für den folgenden Morgen. Er schickte einen
kurzen allgemeinen Befehl voraus: „Die Stunde ist ge-
kommen! Vertrauen und Mut! Es lebe Frankreich!"
Die Angriffsziele wurden bekannt gegeben, Spezialbefehle,
die bis zum Umfange von mehreren engbeschriebenen Folio-
seiten anschwollen, erläuterten sie mit peinlichster Genauig-
keit. Man hoffte auf einer Front von 60 Kilometern, von
Soupir bis Bötheny bei Reims, an den Haupteinbruch-
stellen bei Cerny, Craonne, Berry und Loivre in eine Tiefe
von 15 Kilometern bereits am ersten Tage durchzustoßen.
Gleichzeitig erfolgte ein Seitendruck von Westen her zwischen
Laffaur und dem Aisne-Oise-Kanal. Kurz vor dem Angriff
wurde die alte Kathedralstadt Laon mit schwerem Feuer
belegt. Wir erwiderten es durch die Beschießung von
Reims, wo sich die Franzosen auf allen Türmen und Schlo-
ten zur Beobachtung eingenistet und eine Menge Batterien
zwischen Häusern und in Gärten aufgebaut hatten.
Der 16. April brach an. Das Wetter war bedeckt, aber
sichtig. Die Franzosen gingen mutig vor, fanden die vorder-
sten Gräben und Unterstände an vielen Stellen völlig ein-
getrommelt und dachten, das ginge nun so weiter. Aber
es kam anders. Denn nun schossen aus den Riegelstel-
lungen die deutschen Maschinengewehre, die Gräben füllten
sich, die Artillerie funkte in die dichten Sturmkolonnen
der Feinde, die Reserven kamen eilig heran und machten
kühne Gegenangriffe. Der Stellungskampf entbrannte
an vielen Punkten der Front zur offenen Feldschlacht. Sie
wogte von früh sechs Uhr bis tief in die Nacht hinein.
Auch der Feind schickte seine Reserven ins Gefecht. Kleinere
Abteilungen, die gleichsam versehentlich tiefer durchge-
brochen waren, wurden abgefangen, eine von ihnen sogar
durch einen Feldgendarmen verhaftet. Unsere Stoßtruppe
gingen beherzt bis hinter die feindliche Front und kehrten
im Triumph mit Gefangenen zurück. Die „Sturmwagen",
die den Divisionen an der Aisne voranfahren sollten,
wurden von unseren Feldbatterien mit wahrem Vergnügen
zusammengeschossen. Auf einem unserer Divisionsabschnitte
liegen ihrer 32 teils vor, teils hinter unserer Front. 30 Divi-
sionen hatte Nivelle vom 16. bis zum 19. April eingesetzt, und
das Ergebnis: ein paar Dorftrümmer, die in der vordersten
Stellung gelegen waren, ein paar Beulen von 1 bis 3 Kilo-
metern Tiefe; Gefangene aus verschütteten Unterständen.
Der Angriff war zum Stehen gekommen, binnen vier-
undzwanzig Stunden. An der ganzen deutschen Angriffs-
front herrschte nur ein Gefühl: Der Sieg ist unser!
Der Feind versuchte nun rasch ein neues Angriffs-
zentrum zwischen Reims und Aubörive in der Champagne
zu schaffen. Die ziemlich beträchtlichen Höhen nördlich
von Prosnes, den Mont Cornillet, den Hochberg, Keil-
berg wollte er überrennen. Er setzte in den folgenden
Tagen und Wochen sehr starke Kräfte an, erreichte aber
nichts weiter als die Einnahme der Gräben am Südhange
der Höhen, während die eigentliche beherrschende Ver-
teidigungstellung auf dem Kamm von unseren Truppen
in äußerst zäher und erbitterter Gegenwehr gehalten wurde.
Den verhältnismäßig bedeutendsten Eeländegewinn, den ein-
zigen im Grunde, gaben wir den Franzosen freiwillig durch
die Zurückverlegung unserer Frontecke bei dem Fort Conds.
Bis zum 28. April hatte der Gegner nach und nach
annähernd 47 Divisionen eingesetzt. Seine Verluste während
dieser Zeit werden auf 150 000 Mann geschätzt; seine
Tatkraft hatte beträchtlich gelitten, und er erschöpfte sich nun
tagelang in Einzelkämpfen am Damenweg, am Winterberg
bei Craonne und in der Champagne. Es dauerte volle
zwanzig Tage, bis er am 5. Mai zu einem zweiten großen
Gesamtangriff auf breiter Front ausholte. Immerhin hatte er
diesmal den Bogen etwas weniger weit gespannt und den
Abschnitt des geplanten Durchbruches zwischen Craonne und
der Mette auf etwa 35 Kilometer begrenzt. Die Stoß-
richtung weist auf Laon. Es ist immer noch der alte Ge-
danke, flankierend und rückwärts unsere neue Siegfriedstel-
lung aufzurollen. Die Artillerievorbereitung war diesmal,
entsprechend der kleineren Front, erheblich wuchtiger, aber
die Gunst der waldigen Hochfläche wurde von unseren
Truppen mit so standhafter Tapferkeit ausgenutzt, daß der
Gegner weniger erreichte als beim ersten Angriff. Ebenso-
wenig erreichte er am 4. Mai mit dem Vorstoß von vier
Divisionen am Brimont sein Ziel.
Die Abwehrschlacht an der Aisne ist für den Feind eine
einzige große Enttäuschung gewesen. Er hat, wie die Ge-
fangenen versichern, den Glauben an die Überlegenheit
seiner Artillerie völlig eingebüßt. Er hat neue ungeheure
Blutopfer gebracht, um dafür ein paar eingetrommelte
Gräben und zertrümmerte Dörfer einzutauschen.
Die Kriegsorden und -ehrenzeichen Deutsch-
lands, Österreich-Ungarns, Bulgariens und
der Türkei.
i.
(Hierzu die Kunstbeilage.)
Seit der „Wiederaufrichtung" des Eisernen Kreuzes in
den ersten Tagen des Weltkrieges sind in den deutschen
Einzelstaaten so viele neue Kriegsauszeichnungen geschaffen
worden, daß es, einschließlich der älteren Schöpfungen,
einiger Neustiftungen in Österreich-Ungarn und der Kriegs-
auszeichnungen der Türkei und Bulgariens, rund 120Kriegs-
orden und -ehrenzeichen der Mittelmächte 'gibt, die als
Belohnungen für die verschiedenen „Kriegsverdienste" be-
stimmt sind, die sich Personen beiderlei Geschlechtes, aller
Stände und Rangstufen, im Felde» wie in der Heimat, im
Heere, wie durch nützliche Dienste, wie durch Werke der
Menschenliebe erwerben können. Eine bunte Mannigfaltig-
keit herrscht dabei hinsichtlich der Bestimmungen über die
Verleihung und der dabei eingehaltenen Übung. Es gibt
Kriegsauszeichnungen nur für Offiziere, oder nur für
Tapferkeit, für Militärverdienst überhaupt, besondere Ab-
zeichen (Schwerter, Lorbeerkränze, Eichenlaub, Bänder von
besonderer Farbe), die das „Kriegsverdienst" zum Ausdruck
bringen sollen, Kriegsauszeichnungen für Leistungen nur im
Kampfgebiet, oder, umgekehrt, nur in der Heimat. Es gibt
besondere Auszeichnungen für Verdienste um die Kranken-
pflege, für geistliches Verdienst und ganz neuerdings auch solche
für den „bürgerlichen Hilfsdienst". Es gibt endlich solche auch
für Frauen, oder nur für Frauen. Am volkstümlichsten
sind diejenigen Kriegsauszeichnungen, die einerseits „für
heldenmütige Tat" verliehen werden, anderseits, ohne Unter-
schied des Ranges und Standes, an Offiziere» Unteroffiziere
und Soldaten verliehen werden, wie das Eiserne Kreuz.
Diese bunte Mannigfaltigkeit macht es unmöglich, in dem
nachfolgenden Verzeichnisse, das bis zum Augenblicke des
Erscheinens vollständig ist, die Bedingungen für die Ver-
leihung genauer anzugeben. Einige kurze Angaben müssen
genügen. Die Satzungen sind im übrigen überall grund-
sätzlich veröffentlicht und von den zuständigen Ministerien
oder Ordenskanzleien erhältlich. Auf die Satzungen muß auch
hinsichtlich der Trageweise verwiesen werden, wie hinsichtlich
der Reihenfolge, in der die Abzeichen auf der Brust, neben-
einander, oder am Hals, übereinander, zu tragen sind.
Württemberg. Militärverdienstorden. Ge-
stiftet 1759 als Militär-Karls-Orden. Nur für Offiziere.
Tapferkeitsorden. 3 Klassen. Für die rangältesten Ritter,
Komture und Großkreuze mit Jahreseinkünften verbunden.
Brachte früher (bis 1913) den persönlichen Adel mit sich.
(Taf. I, Abb. 1: Eroßkreuz; Abb. 2: Stern dazu.) Damit
verbunden: goldene und silberne Militärverdien st-
Medaille, letztere (Taf. I, Abb. 3) nur für Unteroffiziere
und Mannschaften.
Orden der W ü r t t e m b e r g i s ch e n Krone.
Gestiftet 1818. Für Kriegsverdienst mit Schwertern. Die
vier obersten Klassen brachten ftüher (bis 1913) den persön-
lichen Adel mit sich. 5 Klassen (Taf. I, Abb. 42: Komtur-
kreuz mit Schw.; Abb. 10: Ehrenkreuz mit Schw.; Abb. 11:
Ritterkreuz mit Schw.) und Verdienstmedaille.
Friedrichsorden. Gestiftet 1830. Für Kriegs-
verdienst mit Schwertern. 5 Klassen (Taf. I, Abb. 4: Stern
der Komture; Abb. 7: Kreuz der Komture; Abb. 5: Ritter-
kreuz 1. Klasse; Abb. 6: Ritterkreuz 2. Klasse) und Verdienst-
medaille.
V e r d i e n st k r e u z. - Gestiftet 1900. Für Kriegs-
verdienst mit Schwertern. 1 Klasse (Taf. I, Abb. 9).
W i l h e I m s k r e u z. - Gestiftet 1915. Für Kriegs-
verdienst in der Heimat. 1 Klasse. Kann an Militär-
personen mit Schwertern (Taf. I, Abb. 8) sowie mit Schwer-
tern und Krone verliehen werden.
Charlottenkreuz. Gestiftet 1916. Für Ver-
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
399
dienst um die Pflege der Verwundeten und Erkrankten oder
auf dem Gebiete der allgemeinen Kriegsfürsorge. 1 Klasse
(Taf. I, Abb. 13). Auch Frauenorden.
Baden. Militärischer Karl-Friedrich-
Verdienstorden. Gestiftet 1807. Nur für Offiziere.
Tapferkeitsorden. 3 Klassen (Taf. I, Abb. 17: Ritterkreuz).
Militärische Karl-Friedrich-Verdienst-
medaille. Gestiftet 1807. Für Unteroffiziere und Mann-
schaften. Tapferkeitsauszeichnung. 2 Klassen (Taf. I,
Abb. 18: Medaille in Silber).
Orden vom Zähringer Löwen. Gestiftet
1812. Für Kriegsverdienst mit Schwertern. 5 Klassen
(Taf. I, Abb. 14: Ritterkreuz 2. Klasse mit Schw.).
Verdien st- und Rettungsmedaille. Ge-
stiftet 1866. Für Kriegsverdienst am Bande des Militär-
Karl-Friedrich-Verdienstordens. 3 Klassen (Taf. I, Abb. 19:
Medaille in Silber).
Verdien st kreuz vom Zähringer Löwen.
Gestiftet 1889. Für Kriegsverdienst am Bande des Militär-
Karl-Friedrich-Verdienstordens. 1 Klasse (Taf. I, Abb. 15).
OrdenBertholdl. Gestiftet 1896. Für Kriegs-
verdienst mit Schwertern. 4 Klassen (Taf. I, Abb. 20:
Ritterkreuz mit Schw.).
KreuzfürfreiwilligeKriegshilfe1914
bis 1916. Gestiftet 1915. Für Verdienst auf dem Ee-
schauplatz: an blauem Bande mit rot und gelber, für Kriegs-
verdienste in der Heimat: an rotem Bande mit gelb und
blauer Einfassung. 2 Klassen (Taf. I, Abb. 35: 2. Klaffe).
Auch Frauenorden.
Hausorden der Wendischen Krone. Ge-
stiftet 1864 in beiden Eroßherzogtümern Mecklenburg. Für
Kriegsverdienst: 1. Klasse (Groszkreuz) mit Schwertern.
5 Klassen und 2 Verdienstkreuze. Auch Frauenorden.
Friedrich-Franz-Alerandra-Kreuz. Ge-
stiftet 1912. Für Werke der Nächstenliebe in der Heimat:,
an karmesinrotem, blau und gelb eingefaßtem, für besondere
Verdienste um die freiwillige Kranken- und Verwundeten-
pflege auf den Kriegschauplätzen oder in den besetzten Ge-
bieten an Zivilpersonen: am blauen Bande des Militär-
verdienstkreuzes. 1 Klasse. Auch Frauenorden.
GroßherzogLum Sachsen. Hausorden der
Wachsamkeit oder vom weißen Falken.
Gestiftet 1732. Mit Schwertern, wenn für Auszeichnung
vor dem Feinde verliehen. 5 Klassen (Taf. I, Abb. 21:
Stern der Eroßkreuze mit Schw.; Abb. 22: Ritterkreuz
1. Klasse mit Schw.) und 2 Verdienstkreuze (Taf. I, Abb. 25:
in Silber mit Schw.).
Allgemeines Ehrenzeichen. Gestiftet 1902.
Mit Schwertern, wenn für Auszeichnung vor dem Feinde
verliehen. 3 Klassen (Taf. I, Abb. 23: in Bronze mit Schw.).
biete der Kriegshilfe. Für Auszeichnung im Kriegsgebiete
mit Eichenkranz. 1 Klasse. Auch Frauenorden.
Kriegsverdien st kreuz. Gestiftet 1916. Für
Kriegsverdienst für Personen ohne Unterschied des Ranges
und Standes. 1 Klasse (Taf. I, Abb. 16). Auch Frauenorden.
Hessen. Allgemeines Ehrenzeichen. Ge-
stiftet 1849. Für Offiziere, Unteroffiziere und Mann-
schaften: 1. mit Inschrift auf der Rückfeite: „Für Tapfer-
keit" (Tapferkeitsmedaille), nur für Auszeichnung in feind-
lichem Feuer in eigentlicher Kampftätigkeit (Band: hellblau
mit roten Randstreifen); 2. mit Inschrift auf der Rückseite:
„Für Kriegsverdienste" (Band: hellblau mit roter Einfas-
sung) für Auszeichnung in feindlichem Feuer, nicht in eigent-
licher Kampftätigkeit; in Ausnahmefällen für Kriegsver-
dienft hinter der Front. Je 1 Klaffe (Taf. I, Abb. 28).
Militärsanitätskreuz. Gestiftet 1870. Für
Personen jedes Standes und Geschlechts für unmittelbare
Verdienste um die Pflege kranker und verwundeter Soldaten.
1 Klasse (Taf. I, Abb. 29). Inhaber des Kreuzes von 1870
können eine Spange mit der Zahl 1914 erhalten.
Kriegsehrenzeichen. Gestiftet 1916. Für
Kriegsverdienste jeder Art hinter der Front. 1 Klasse
(Taf. I, Abb. 31). An Frauen mit der Inschrift „Für
Kriegsfürsorge".
Kriegsehrenzeichen in Eisen. Gestiftet
1917. Rur Verwundetenauszeichnung für hessische Staats-
angehörige. Für Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften.
1 Klasse (Taf. I, Abb. 30).
Mecklenburg-Schwerin. Militärverdien st-
kre uz. Gestiftet 1848. Für Verdienste auf dem Krieg-
Wilhelm-Ernst -Kriegskreuz. Gestiftet 1915.
Rur für Besitzer des Eisernen Kreuzes 1. Klasse. Für Offiziere,
Unteroffiziere und Mannschaften. 1 Klasse. (Taf. I, Abb. 24.)
Ehrenzeichen für Frauenverdienst im
Kriege. Gestiftet 1915. 1 Klasse.
Mecklenburg-SLreliß. Hausorden der Wen-
dischen Krone (siehe Mecklenburg-Schwerin).
Kreuz für Auszeichnung im Kriege. Ge-
stiftet 1871. Für Offiziere, Heeresbeamte, Unteroffiziere
und Mannschaften. Für Mitkämpfer: an blauem Bande
mit rot und gelber, für Richtmitkämpser: an rotem Bande
mit gelb und blauer Einfassung. 2 Klassen (Taf. I, Abb. 26:
2. Klasse).
Kreuz für Auszeichnung im Kriege für
Frauen. Gestiftet 1915. Für Verdienste auf dem Ge-
biete der Nächstenliebe. 1 Klasse.
Oldenburg. Haus- und Verdienstorden des
Herzogs Peter Friedrich Ludwig. Gestiftet
1838. 5 Klaffen (Taf. I, Abb. 38: Komturkreuz mit Schw.).
Friedrich-August-Kreuz. Gestiftet 1914. Für
Kriegsverdienst, auch in der Heimat. Für Verdienste auf
dem Kriegschauplah: am Bande des Hausordens. 2 Klassen
(Taf. I, Abb. 39: 2. Klasse).
Rote-Kreuz-Medaille. Gestiftet 1907. Für
Verdienste auf dem Gebiete der Menschenliebe in Kriegs-
und Friedenszeiten. 1 Klasse. Auch Frauenorden.
Braunschweig. Kriegsverdien st kreuz. Ge-
stiftet 1914. Für Männer ohne Unterschied des Ranges
und Standes. Für Verdienste auf dem Kriegschauplatz an
dunkelblauem Bande mit gelben Randstreifen, für Kriegs-
400
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17.
verdienst in der Heimat an gelb-blauem Bande. 1 Klasse
(Taf. I. Abb. 48).
Sächsische Herzogtümer. Sachsen-Ernestinischer
Hausorden. Gestiftet 1833 in Altenburg, Coburg und Mei-
ningen. Für Kriegsverdienst im Kampfgebiete mit Schwer-
tern, für Kriegsverdienst in der Heimat mit der Jahreszahl.
5 Klassen (Taf. I, Abb. 27: Ritterkreuz 1. Klasse mit Schw.).
Sachsen-Meiningen. Sachsen-Ernestinischer
Hausorden (siehe Sächsische Herzogtümer).
Ehrenzeichen für Verdien st im Kriege.
Gestiftet 1915. 2 Formen: Ehrenkreuz und Ehrenmedaille.
(Taf. I, Abb. 45: Ehrenkreuz am Bande für Mitkämpfer;
bei dem Bande für Nichtmitkämpfer ist die Einfassung
einfarbig grün, nicht gewürfelt.)
EhrenzeichenfürVerdienstvonFrauen
und Jungfrauen In der Kriegsfürsorge.
Gestiftet 1915. 1 Klasse.
Sachsen-Altenburg. Sachsen-Ernestinischer
Hausorden (siehe Sächsische Herzogtümer).
Herzog-Ernst-Medaille. Gestiftet 1906. 1 Klasse.
Für Kriegsoerdienst auf dem Gebiete der Krankenpflege
und der Kriegswohlfahrtspflege mit einer Spange mit der
Jahreszahl 1914, mit oder ohne'Krone. Auch Frauenorden.
Tapferkeitsmedaille. Gestiftet 1915. Nur für
Unteroffiziere und Mannschaften. 1 Klasse (Taf. I, Abb. 36).
Sachsen-Coburg-Gotha. Sachsen-Erne stinischer
Hausorden (siehe Sächsische Herzogtümer).
Herzog-Carl-Eduard-Medaille. Gestiftet
1888. Für Verdienst im Kriegsgebiete mit Schwertern
und an einer Spange mit dem Auszeichnungstage. 2 Klassen.
Carl-Eduard-Kriegskreuz. Gestiftet 1916.
Nur für Besitzer des Eisernen Kreuzes 1. Klasse. Für Offi-
ziere, Unteroffiziere und Mannschaften, die dem Infanterie-
regimente Nr. 95 angehören oder früher angehört haben.
Anhalt. Hausorden Albrechts des Bären.
Gestiftet 1836 in Köthen, Dessau und Bernburg. Für
Kriegsverdienst mit Schwertern. 5 Klassen und 2 Medaillen,
je mit oder ohne Krone. (Taf. I, Abb. 40: Komturkreuz
mit Schwertern und Krone.)
Friedrich-Kreuz. Gestiftet 1914. Für Personen
ohne Unterschied des Ranges und Standes sowohl für Ver-
dienste auf dem Kriegschauplatze (Band: grün-rot) wie im
Heimatgebiete (Band: grün-weiß). 1 Klasse. (Taf. I, Abb. 41.)
Schwarzburg. Ehrenkreuz. Gestiftet 1857 in
Rudolstadt und Sondershausen. Für Kriegsverdienst vor
dem Feinde mit Schwertern, für Kriegsverdienst nicht vor
dem Feinde, ebenso wie die Ehrenmedaille, mit einem
goldenen Eichenbruche. 4 Klassen und 2 Ehrenmedaillen.
(Taf. I, Abb. 34: Ehrenkreuz 1. Klasse mit Schw.)
Silberne Medaille für Verdien st im
Kriege. Gestiftet 1870/71 in Rudolstadt und Sonders-
hausen. 1 Klasse. Nur für Militärpersonen vom Feldwebel
abwärts. Für Kriegsverdienste vor dem Feinde: am Bande
des Ehrenkreuzes, auf dem zwei gekreuzte silberne Schwer-
ter anzubringen gestattet ist, wenn das Band ohne Me-
daille getragen wird; für Kriegsverdienst nicht vor dem
Feinde: am blauen, gelb geränderten Bande (Taf. I, Abb. 33).
Waldeck. V e r d'i e n st k r e u z.• Gestiftet 1857. Für
Kriegsverdienst mit Schwertern und am weißen, schwarz-
rot-gelb geränderten Bande. 5 Klassen und 2 Verdienstmedail-
len. (Taf. I, Abb. 37: Verdienstkreuz 4. Klasse mit Schw.)
Reuß älterer Linie. Ehrenkreuz. Von Reuß
jüngerer Linie (siehe unten) auf Reuß älterer Linie aus-
gedehnt 1902. Für Kriegsverdienst mit Schwertern und das
Band goldgelb, schwarz-rot gerändert. 6 Klassen und 3 Me-
daillen . (Taf. I, Abb. 47: Medaille in Silber mit Schw.)
Kriegsverdien st kreuz. Gestiftet 1915. Für
Offiziere. Unteroffiziere und Mannschaften. Tapferkeits-
auszeichnung. 1 Klasse (Taf. I, Abb. 46).
Medaille für aufopfernde Tätigkeit
in Kriegszeit. Gestiftet 1915. Für Verdienste auf
dem Gebiete der Nächstenliebe. 1 Klasse. Auch Frauenorden.
Medaille für treues Wirken in eiserner Zeit.
Gestiftet 1917. Für Kriegsverdienste in der Heimat.
1 Klasse. Auch Frauenorden.
Reuß jüngerer Linie. Ehrenkreuz. Gestiftet
1869. (Siehe Reuß älterer Linie.)
Kriegsverdien st kreuz (siehe Reuß älterer Linie)..
Medaille für aufopfernde Tätigkeit in
Kriegszeit (siehe Reuß älterer Linie).
Medaille für treueöWirken in eisernerZeit
(siehe Reuß älterer Linie).
Schaumburg-Lippe. Schaumburg-Lippi-
scher Hausorden (Ehrenkreuz). Gestiftet 1890.
Für Kriegsverdienst mit Schwertern. 5 Klassen (Taf. I.
Abb. 42: 1. Klasse mit Schw.). ■ -
Kreuz für treue Dien st e 1914. Gestiftet
1914. Für Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, die
mobilen Heeresteilen angehören, für Verdienste im Kampf-
gebiet: an blauem Bande mit weißen Rand- und einem
weißen Mittelstreifen; für Kriegsverdienste nicht im Kampf-
gebiet: an weißem, blau-rot gerändertem Bande. 1 Klasse
(Taf. I, Abb. 43).
Militärverdien st medaille mit demEen-
fer Kreuz. Gestiftet 1914. Für aufopfernde Tätigkeit
um das Wohl der Kämpfenden und deren Angehörigen für
Personen ohne Unterschied des Ranges, Standes und Ge-
schlechts. 1 Klasse (Taf. I, Abb. 44). Auch Frauenorden.
Lippe- Militärverdien st Medaille. Ge-
stiftet 1832. Für Kriegsverdienst mit Schwertern. 1 Klasse.
LippischerHausorden (Ehrenkreuz). Ge-
stiftet 1869. Für Kriegsverdienst mit Schwertern. 4 Klassen
in sieben Abstufungen.
Kriegsehren kreuz für heldenmütige
Tat. Gestiftet 1914. Tapferkeitsauszeichnung. 1 Klasse.
Krie g sv e rd i e n stkr e uz- Gestiftet 1914. Für
Kriegsverdienst im Feld an gelbem, rot-weiß eingefaßtem,
für Kriegsverdienst in der Heimat an weißem, rot-gelb
eingefaßtem Bande. 1 Klasse (Taf. I, Abb. 49).
Kriegsehren me d a i l l e.. Gestiftet 1915. Für
Verdienste auf dem Gebiete der Menschenliebe im feindlichen
Gebiet an gelbem, rot-weiß eingefaßtem, für gleichartiges
Kriegsverdienst in der Heimat an weißem, rot-gelb ein-'
gefaßtem Bande. 1 Klasse. Auch Frauenorden.
Lübeck. Hanseatenkreuz (siehe Hamburg).
Bremen. Hanseatenkreuz (siehe Hamburg).
Hamburg. Hanseatenkreuz. Gestiftet 1915.
Für Kriegsverdienst ohne Unterschied des Ranges und
Standes. 1 Klasse (Taf.I, Abb. 32).
Hohenzollern. F ürstlicher Hausorden von
Hohenzollern. Gestiftet 1841 in Hechingen und
Sigmaringen. Für Kriegsverdienst mit Schwertern. 5 Klas-
sen und 2 Verdienstkreuze.
Ehren- und Verdien st medaille. Gestiftet
1841 in Hechingen und Sigmaringen. Für Kriegsverdienst
mit Schwertern. 2 Klassen, die erste (goldene Medaille)
für Unteroffiziere mit Portepee, die zweite (silberne Me-
daille) für Unteroffiziere und Mannschaften.
Türkei. Jmtiaz-Medaille. Gestiftet 1882.
Tapferkeitsauszeichnung. 2 Klassen (Gold,und Silber).
Liakat-Medaille. Gestiftet 1890. Verdienst-
auszeichnung. Für Kriegsverdienst mit Schwertern. 2 Klas-
sen (Gold und Silber). (Taf. I, Abb. 52: in Silber mit
Schw.)
Eiserner Halbmond (Stern der O s-
manen). Gestiftet 1915. Für Kriegsverdienst. Für
Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften. 1 Klasse
(Taf. I, Abb. 51). . Dazu ein rot-weißes Band für das
Knopfloch.
RoterHalbmond. Gestiftet 1915. Keine eigent-
liche Kriegsauszeichnung. Wird für moralische und ma-
terielle Verdienste um den „Roten Halbmond" (entsprechend
dem „Roten Kreuz" im Abendlande) verliehen. 3 Klassen.
Auch Frauenorden.
Bulgarien. Militärorden für Tapferkeit
i m K r i e g e. ' Gestiftet 1879. 4 Klassen.
Aleranderorden. Gestiftet 1881. Für Kriegs-
verdienst mit Schwertern. 6 Klassen.
RotesKreuz. Gestiftet 1886. Für Verdienste aus
dem Gebiete der Menschenliebe. 2 Klassen. Auch Frauen-
orden.
Militärverdienstorden. Gestiftet 1900. Für
Kriegsverdienst mit Schwertern und am hellblauen, silbern-
geränderten Bande des Militärordens für Tapferkeit im
Kriege (siehe oben). 6 Klassen (Taf. I, Ahb. 50: 3. Klasse
in Gold mit Schw.).
M i l i t ä r v e r d i e n st m e d a i l l e. Gestiftet 1912.
Für Kriegsverdienst am Bande des Militärordens für
Tapferkeit im Kriege (siehe oben). Für Unteroffiziere und
Mannschaften. 3 Klassen. «Fortsetzung folgt.,