82 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17. Einige Tage später lief bei den Kriegführenden auch eine Friedenskundgebung der drei skandinavi schen Reiche, Dänemark, Norwegen und Schweden, ein, in der sie ihre wärmste Sympathie für alle Bestre bungen, dem Kriege ein baldiges Ende zu machen, aus- sprachen. Diese Haltung der neutralen Staaten bewies, daß die Mittelmächte mit ihren Verbündeten durchaus auf dem rechten Wege waren, als sie der Welt die Segnungen des Friedens zurückgeben wollten, nur ihre Gegner verschlossen sich noch immer hartnäckig der Einsicht. Um die Jahreswende erfolgte endlich die Antwort des Vierverbandes auf das Friedensangebot. Es war nicht leicht gewesen, die widerstreitenden Ansichten und Interessen der einzelnen Regierungen in eine alle befriedigende Form zu bringen und damit die „Einigkeit" des Vielverbandes zu beweisen. Am 30. Dezember wurde die Antwort dem Bot schafter der Vereinigten Staaten in Paris zur Mermittlung an die Mittelmächte übergeben. Wie es nach den voraus gegangenen Äußerungen der Staatsmänner des Verbands nicht anders zu erwarten war, lautete sie ablehnend, und in ihr fanden sich fast alle unwahren Beschuldigungen wieder, die seit Beginn des Krieges gegen Deutsch land erhoben worden waren, das als Friedenstörer hingestellt wurde. So blieb leider nichts anderes übrig, als den Kampf fortzuführen und zu ver suchen, den Vierverband durch kräftiges Vorgehen an den ausschlaggebenden Fron ten zum Eintritt in Friedensverhandlun gen und zu einer vernünftigeren Auffas sung der ganzen Lage zu zwingen. Der Hauptstoß des Jahres 1916» den Franzosen und Engländer an der deutschen Westfront ausführten, war bestimmt ge wesen, einen Umschwung in der Kriegslage hervorzubringen. Das war nicht gelungen, und die feindlichen Militärkritiker, die um die Jahreswende einen Rückblick auf die Ereignisse warfen, konnten sich der Tatsache nicht verschließen, daß die Unternehmun gen des Verbandes von wenig Glück be gleitet gewesen waren. Der russische An sturm, der im Mai den Österreichern und Ungarn im ersten Anprall einigen Ge bietsverlust gebracht hatte, war trotz mo natelanger Kämpfe nicht weiter vorange kommen, und die ungeheuren Anstren gungen in der Sommeschlacht hatten die deutsche Front nur um ein geringes zurückdrücken können, ohne strategisch aus wertbare Punkte zu erreichen. Die große Schlacht war trotz aller Opfer in sich Zusammengebrochen. Zwar donnerten im mer noch französische und englische Ge schütze zu beiden Seiten der Somme, im mernoch stiegen nachts Leuchtgranaten und Raketen auf, fuh ren zischend hoch in die Luft und verbreiteten für Augenblicke strahlende Helle (siehe Bild Seite 81), aber die Kämpfe waren bei weitem nicht mehr so heftig, wie sie Monate hindurch ge tobt hatten. Die Franzosen rasteten nach vergeblichen Kämpfen gegen den St.Pierre-Vaastwald und die Sailly-Saillisel-Stel- lung, und die Engländer konnten der Hügelstellung von Mar len court weder aus dem Süden noch zu beiden Seiten der Ancre von Westen her näher kommen. Am 18. Dezember lebte auf beiden Seiten der Somme das Minenwerfer- und Eeschützfeuer wohl stärker auf, aber zu größeren Infanterie- vorstößen kam es nicht. Auch am übernächsten Tage stei gerte sich die Artillerietätigkeit infolge klaren Wetters ganz bedeutend. Die Geschosse richteten in den deutschen Stel lungen manchen Schaden an; Bäume zersplitterten und stürzten in und über die offenen Gräben (siehe Bild Seite 83 oben), Erdschollen und Eesteinsmassen wurden aufgewir belt, Drähte, Bohlenstücke und Sandsäcke in wirren Haufen durcheinandergeworfen, und häufig mußte die Besatzung der Stellungen verschüttete Kameraden ausgraben. Die Deutschen dagegen unternahmen einen kräftigen Jnfanterievorstoß bei Horgny, unweit Villers-Carbonnel, einer kleinen Ortschaft westlich der Somme an der schnur geraden Straße von St. Quentin nach Amiens. Er wurde nach schwerem deutschem Wirkungsfeuer von Eardegrena- dieren und ostpreußischen Musketieren ausgeführt, die weit in die feindliche Stellung einbrachen.' Dort zerstörten sie eine Anzahl Unterstände durch umfangreiche Sprengungen und kehrten dann befehlsgemäß in ihre Gräben zurück. Die Beute des wagemutigen Vorgehens betrug 4 Offiziere und 26 Mann an Gefangenen und 1 Maschinengewehr. Am selben Tage versuchten die Engländer, zwar nicht unmittelbar an der Sommefront, aber doch noch im Ab schnitt der Heeresgruppe des bayrischen Kronprinzen, bei Arras eine ähnliche Unternehmung. Sie beschossen lange Zeit und lebhaft das für den Angriff bestimmte deutsche Stellungstück und stürmten schließlich mit starken Kräften unter Einsetzung ihrer Riesenpanzerautomobile (siehe die Bilder Seite 83 unten und 84/85) an der Straße Arras-Lens vor. Vier-, an anderer Stelle fünfmal suchten sie an die zer schossenen deutschen Gräben heranzukommen; immer wieder wurden sie abgeschlagen, und immer von neuem griff die englische Artillerie mit ein. Schließlich gelang ein Einbruch in den vordersten deutschen Graben, doch bald nachher wurden die Feinde daraus vertrieben. Bis zum Jahresende blieb dann das feindliche Artillerie- feuer an der Somme im Gange, doch entwickelte es sich nur ganz gelegentlich zu größerer Heftigkeit. Durchbruchver suche wurden nicht unternommen; die Feinde gaben stillschweigend die Somme schlacht verloren. Das war ein großer Gewinn für die Deutschen und bedeutete den vollen Sieg ihrer Verteidigung. Sie rechneten indessen mit weiteren Angriffen und bauten deshalb eifrig ihre Stellungen neu aus. Lange Auto- und Tragtier kolonnen mit Munition rückten hinter der ganzen Front an die vorderen Linien heran (siehe die Bilder Seite 86) und brachten neue Vorräte. Ende Dezember war die deutsche Front an der Somme neu ausgebaut und so fest wie vor der großen Dauerschlacht. Die Feinde hätten bei einem nochmaligen ernsten Durchbruch versuch dieselben Schwierigkeiten über winden müssen, die sich ihnen beim ersten Male entgegengestellt hatten; sie würden aber jedenfalls mit noch höheren Ver lusten zu rechnen gehabt haben. — Im Bogen von Ppern und Wyt- schaete waren die Engländer im letzten Drittel des Dezembers mit besonderem Nachdruck tätig. Am 22. Dezember flammte dort das Artilleriefeuer gewal tig auf. Als die Engländer glaubten, die Beschießung habe die erhoffte Wir kung getan, brachen sie beiderseits Wieltje mit großen Jnfanteriemassen gegen die deutschen Linien vor. Nur zu bald sollten sie erfahren, daß ihre Berechnung falsch war, denn sie gerieten in ein vernichtendes Abwehrfeuer. Aü einer Stelle nur gelangten die Feinde in die Nähe der deutschen Gräben. Hier wurden sie von den Verteidigern erwartet, und sogleich entwickelte sich ein Nahkampf, in dem neben Handgranaten und Gewehrkolben auch Spaten als Waffen dienten. Da suchten die Angreifer ihr Heil in der Flucht. Wie hier in der Abwehr, so waren an diesem Tage deutsche Truppen südlich von Boesinghe auch im Angriff erfolgreich. Sie drangen in die feindlichen Stellungen, die infolge des vorausgegangenen Artilleriefeuers zum Teil schon verlassen waren, ein, machten Gefangene und erbeuteten Maschinen gewehre und andere Kriegsgeräte. In den Weihnachtstagen setzten die Engländer ihre An griffe fort. Diese wurden regelmäßig durch starke Artillerie- tätigkeit eingeleitet, worauf dann die Infanterie vorging. Aber in keinen: Falle führten die Unternehmungen zu dem erstrebten Ziele. — Nach dem Abflauen der Sommeschlacht waren die Fran zosen auf dem von ihnen besetzten Teile der Westfront noch regsamer, als dje Engländer auf dem nördlichen Teil des westlichen Kriegschauplatzes. In der Gegend von Soissons, stärker noch in der Champagne, in den Argonnen und um Verdun steigerte sich die Kampftätigkeit außerordentlich. Die Phot. Leipziger Presse-Büro. In voller Ausrüstung gefangen genom mener französischer Soldat.