460 461 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/19. Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/19. auf die befohlene Geschwindigkeit von 20 See meilen. Die Ventilatoren heulen, daß sie jedes andere Geräusch übertönen, und am Bug wie am Heck der Schiffe brausen mächtige Wasser massen auf, die gelegentlich gegen eine Bord wand schlagen und als Spritzer über das ganze Schiff hinweg bis zur Brücke hinauffegen. Ein herrlicher Anblick diese mächtigen Schiffe! Wie sie jedem Befehl des Führerschiffes mit unbeschreiblicher Genauigkeit und Sicherheit ge horchen! Wie sie unbeirrt ihren Kurs steuern gegen den inzwischen zum Sturm angewachse nen Wind» der an ungeschützten Stellen der Brücke einen Unvorsichtigen ohne weiteres um wirft! Die eigentliche Aufgabe des Geschwaders ist beendet; nur die Übungen werden noch eine Weile fortgesetzt. Bei heftigem Winde hat es aufgeklart, und in der Ferne — das Geschwader ist schon lange auf der Rückfahrt — sieht man die blaue Felsentasel von Helgoland. In solcher Stimmung, unter dem unauslöschlichen Eindruck deutscher Kraft und deutschen Willens, hat es der eine oder der andere der Offiziere geäußert, daß sie bei der trostlosen militärischen Lage lieber mit einem stolzen Schiffe untergehen als sich einem schimpflichen Frieden fügen würden. Auch Mannschaften äußerten ähnliche Gedanken. Und wahrlich, man konnte es verstehen. — Zum Schlüsse nur ein Wort über die unsin nige Behauptung, daß von den Deutschen eine Verzweiflungsschlacht beabsichtigt worden sei, womit die Matrosen ihre Revolte zu entschul digen suchen. Ich war in der fraglichen Zeit beim Flottenchef eingeladen. Die Dinge lagen so: Man wußte aus verschiedenen Meldungen, daß der Feind Angriffsabsichten gegen die Deut sche Bucht hatte und an mehreren Stellen den ihn selbst hindernden Minengürtel weg- rüumte. Demgegenüber hatte die Flottenleitung natürlich nicht die Absicht, ruhig zuzusehen, zu mal, da ein derartiger Angriff für uns eine günstige strategische Lage geboten hätte. Be greiflicherweise hatte der Flottenchef vor dem Eintreten einer solchen Möglichkeit den Wunsch, das sichere Zusammenarbeiten der Flotte noch einmal in einein Manöver zu erproben, an dem die gesamte Flotte teilnehmen sollte. So wurde das Auslaufen der Flotte befohlen. Was dann geschah, ist bekannt. Zuerst in Kiel, dann in Wilhelmshaven weigerten sich die Besatzungen, dem Befehl zu gehorchen. Die Revolte brach aus und gab das Zeichen zur Revolution. Der englische 9000-Donnen-Dampfer «Formosa« verläßt mit einem größeren Transport englischer Verwundeter den Hafen von Swinemünde. Nach einer Originalzeichnung von Professor Willy Stöwer. ■ ' // , -A ' Jr< einquartiert. In ihren schmucken, neuen Fnedens- uniformen mit den silbernen Eichenblättern am Kragenschluß und in altmilitärischer, wohldiszi plinierter Haltung und Führung machten diese Mannschaften einen sehr vorteilhaften und ver trauenerweckenden Eindruck. Schnell verstrichen unter solchen Vorberei tungen die Tage bis zum Eintreffen der Abge ordneten: Von Ost und West, von Nord und Süd strömten sie herzu, ja, auch vom Elsaß- Lothringenschen Hilfsverein begehrten mehrere Abgesandte Zulassung zur Versammlung, und die Deutschösterreicher hofften, weiteren Zuzug in Aussicht stellen zu können. Feierlich riefen am 6. Februar vormittags die noch vorhandenen Glocken zum Weihegottesdienst in der alten, durch Lukas Cranachs Altargemälde und Grab berühmten Stadtkirche, während bei der Eröffnung der Versammlung am 6. Februar, nachmittags drei Uhr, die Musikkapelle des Lan desjägerkorps den Eintritt der Abgeordneten in das Theater mit den Klär gen des alten Vaterlandsliedes: „Deutschland, Deutschland über alles" begleitete. Es galt jetzt für die Abgeord neten zu beweisen, daß — wie der erste Präsi dent Dr. David in seiner Antrittsrede sagte —- Deutschland ein für die Demokratie reifes Land ist, reifer als das französische Volk nach der Revolution. Die Sitzordnung der großen Parteien zeigt sich dem Reichstag gegenüber insofern etwas verändert, als das Zentrum nach links zwischen die Deutsche Demokratische Partei und die Deutschnationale Volkspartei gerückt ist. Ein völlig neues Bild im Volksparlamente bieten die weiblichen Abgeordneten dar. Am Schlüsse seiner Eröffnungsrede huldigte der - Volksbeäuftragte Ebert in eindringlichen Worten den Manen Goethes mit der Mahnung an die Volksvertreter, sich in ihrer Arbeit von dem in Wilhelm Meisters Wanderjahren und im zweiten Teil des Faust waltenden Geist leiten zu lassen: Möge der Erfolg dann sein, daß wir dereinst voll hoher Befriedigung mit Fausts letzten Worten ausrufen können: Auf freieur Grund mit freiem Volke stehn — Zum Augenblicke dürft* ich sagen: Verweile doch, du bist so schön! Englischer Verwundeten- und Ge fangenentransport verläßt Swine münde. (Hierzu das nebenstehende Bild.) Eröffnung der Nationalversammlung in Weimar. Von Dr. W. Vulpius. tHisrzu die Bilder Seite 450—453.) Nach dem Wirbelsturm der Revolution, der in Weimar zwar nicht zu heftig tobendem Ausbruch gekommen war, war das Leben in der kleinen Thüringer Residenzstadt wieder in ruhige Alltagsbahnen zurückgekehrt. Trotz der trüben Aussichten für die Zukunft machte sich ein starkes Bedürfnis nach Zerstreuung bemerkbar; das zum „Deutschen Nationaltheater" umgetaufte frühere Hoftheater war fast allabendlich ausverkauft. Als es die Spartakusunruhen in Berlin und die Ab neigung der süddeutschen Staaten gegen Preußens Haupt stadt geraten erscheinen ließen, Umschau zu halten nach eineni anderen für die Nationalversammlung geeigneten Tagungs ort, da empfahl sich Weimar nicht nur durch seine zentrale Lage, sondern auch als die Heimstätte des kulturellen Geistes. Die Entscheidung für Weimar fiel im letzten Drittel des Januars. Während nun die Reichs- und Stadt- behörden eine fieberhafte Vorbereitungstätigkeit ent falteten, wurden Tausende von Privatwohnungen zur Unterbringung von Gästen angemeldet. Natürlich mußten auch alle besseren Gasthäuser und Fremdenheime ihre Zimmer zur Verfügung halten, und die Reichsbehörden stellten besondere Zuschüsse an Verpflegungs- und Heiz mitteln bereit. Das städtische Wohnungsamt hat dann die schwierige Aufgabe der richtigen Verteilung glänzend gelöst. Das Theater sollte als Versammlungssaal dienen und mußte — wenn es sich in seiner Gesamtanlage auch gut dafür eignete — in vielen Beziehungen erst entsprechend hergerichtet werden. Eine das versenkte Orchester verdeckende Vorbühne, von der einige Stufen in das stark ansteigende Parterre hinabführten, war schon vorhanden. Ebenso ein muschelförmiger Abschluß der Bühne mit vorzüglicher Akustik. So kam es nur darauf an, für die Abgeordneten die Sitzreihen im Parterre durch Pulte und pultartige Bretter an den Rücklehnen zu ergänzen, während auf der Bühne in der Mitte das Rednerpult, rechts und links die Tische für die Regierungsvertreter, dahinter die Plätze für die Bundesratsmitglieder und schließlich die erhöhten Sitze für das Präsidium Aufstellung fanden. In den sehr geräumigen Wandelhallen konnten zahlreiche Fernsprech zellen eingerichtet, in den Nevensälen und in den Kleider ablagen Schreibzimmer und ein Lesezimmer untergebracht werden. Weiterhin galt es, den Verkehrs- und Nachrichten dienst den sich gewaltig steigernden Anforderungen anzu passen, wobei es für die Eisenbahnverwaltung besonders erschwerend wirkte, daß der begonnene Bahnhofsneubau feit Anfang des Kriegs nicht weitergeführt worden war. Tausende von Postbeamten und Arbeitern des Fernsprech amts hielten ihren Einzug in Weimar. Um Platz für neue Schalter zu schaffen, wurde der ganze Paketbeförderungs dienst aus dem Postgebäude in eine Schulturnhalle verlegt. In einer anderen Schule, dern Sophienstift, brachte inan das Haupttelegraphen- und Fernsprechamt unter; das Dach wurde mit einem hohen Mast als Antennenträger für den Funkspruchverkehr versehen. Zahllose Arbeiter waren bis tief in die Nacht hinein tätig, um in dem hartgefrorenen Boden Gräben auszuheben zur Aufnahme der Kabel, die Hunderte von neuen Leitungen zum Nachrichtenverkehr mit der Außenwelt hinausführten. Auf dem Flugplatz des Weimarer Luftverkehrsvereins ließ sich die Deutsche Luftreedereigesellschaft nieder, uni Flugpostverbindung und schnellste Zeitungsübermittlung» nach Bedarf auch Per sonenbeförderung, zwischen Weimar, Leipzig und Berlin zu übernehmen. Zum Schutze der Versammlung aber rückte wenige Tage vor deren Beginn trotz des Widerspruchs des örtlichen Soldatenrates das Landesjägerkorps in voller Feldaus rüstung mit Artillerie, Maschinengewehren und Bagage in Weimar ein; es wurde in den umliegenden Dörfern An die deutschen Transportmittel wurden irn Laufe des Krieges unerhörte Anforderungen gestellt; Lokomotiven und Wagen mußten bis zum Zusammenbrechen ausgenutzt werden. An die regelmäßigen Untersuchungen und Instand setzungen, wie in Friedenszeiten, war nicht mehr zu denken gewesen; Hauptsache war, daß die Räder rollten. Nach Friedenschluß sollte alles wieder so instand gesetzt werden, wie es gewesen war. Und dann kam der plötzliche Waffen stillstand nach dem Zusammenbruch und mit ihnr die drückenden Bedingungen, die neben vielem anderen die sofortige Auslieferung der in Deutschland befindlichen Kriegsgefangenen forderten. , Die Gegner hofften wohl mit dieser Forderung und der gleichzeitigen der Ablieferung von Tausenden von Lokomotiven und Wagen das gesamte deutsche Transportwesen lahmzulegen, Deutschland in die schwersten Lebensnöte zu bringen und ihm gleichzeitig das Zurückführen seiner Truppen unmöglich zu machen. Diese Hoffnung wurde dank der deutschen Obersten Heeres leitung zuschanden gemacht, es konnte aber nicht ver hindert werden, daß Tausende von Kriegsgefangenen auf eigene Faust versuchten, die feindlichen Linien zu erreichen, wo sie dann, meist mangelhaft bekleid et/.und ernährt, an kamen. Heftige Proteste der Gegner, besonders der Franzosen, folgten, die immer nur für sich forderten, anstatt der Verkehrsnot zu gedenken, in die ihre maßlosen Forde-