342 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. Ptiot. Bert. Jllustrai.-Ges. m. b. H. Admiral Sir David Beatty, der als Bevollmächtigter der englischen Admiralität die abzuliefernde deutsche Kriegsflotte entgegennahm. In Berlin spitzten sich die Kämpfe zwischen dem Voll zugsausschuß des Albeiter- und Soldatenrates und dem Rat der Volksbeauftragten immer mehr zu. Die Regie rung, der Rat der Volksbe auftragten, wollte als oberste Behörde gelten,' der Voll zugsausschuß des Arbeiter und Soldatenrates maßte sich dagegen die gleichen Rechte an. Beträchtliche Meinungsverschiedenheiten ergaben sich auch hinsichtlich der Einberufung einer ver fassunggebenden Reichsver sammlung. Die Berliner Regierung wünschte diese und wollte ihren Zusammen tritt rasch ermöglichen, doch erhoben sich auch Stimmen, die davon nichts wissen wollten. Das Beispiel der Hauptstadt stiftete Verwirrung im ganzen Reich. Lebensmittelmagazine wurden ausgeraubt, Verpflegungszüge für das Feldheer geplündert, Lazarett züge und Gefangenentransporte rücksichtslos verlassen. Eine Räuberbande ließ sich auf dem Schlesischen Bahnhof in Berlin als „Sicherheitswache" nieder, plünderte Züge aus und raubte insbesondere aus einem Zuge rumänisches Gold, das sie auf Lastwagen fortschaffen wollte. Im letzten Augenblick gelang es einer wirklichen Sicher heitswache, die Räuber festzunehmen. Die Reichsregierung forderte immer zur Ordnung und Unterdrückung von Unregel mäßigkeiten auf,' sie konnte aber nicht ver hindern, daß Berliner Radikale unentwegt bemüht blieben, russische Zustände auch in Deutschland einzuführen. Man wollte gar keine verfassunggebende Versammlung mehr, sondern beabsichtigte, sofort an die Sozialisie rung desdeutschenWirtschaftslebens zu gehen. Die Arbeiter-und Soldatenräte erstrebtenden Zusammenschluß im ganzen Reiche mit der Absicht, die Führung der Reichsgeschäfte völ lig an sich zu reißen und Deutschland der Diktatur einer einzigen Klasse ausjulte'fem. Die Spartakusleute, die deutschen Bolsche wisten, wollten nicht einmal den Frieden für Deutschland, sondern an der Seite der russischen Bolschewisten den Kampf gegen die Westmächte fortsetzen, mit deren „kapita listischen Regierungen" sie überhaupt keinen Frieden schließen wollten. Die Bolsche wistengruppe verfügte über eine kleine An hängerzahl, aber über sehr reichliche Geldmittel. Diese stammten von den russischen Bolschewisten, deren Berliner Vertreter Joffe bis zu seiner Ausweisung zu Beginn der Re volutionswoche nicht gespart hatte. Der Führer der Gruppe, Liebknecht, warb auch unablässig unter den Frontsoldaten, doch diese bekannten sich fast ausnahmslos zu der sozialen Republik unter Führung Eberts und zur raschesten Herbei führung der Ordnung und des Friedens; sie waren auch für die verfassunggebende Versammlung. Das war auch der Standpunkt der weit überwiegenden Mehrheit der deutschen Einzelregierungen. Unter dem Ein druck des bolschewistischen Treibens in Berlin wehrten sie sich einmütig gegen die Bevormundung durch die sozialisti sche Minderheitsgruppe und gaben dadurch auch der schwach werdenden Regierung Ebert wieder festen Halt. Die große Gefahr des Berliner Treibens spiegelte sich am deutlichsten in der. Absicht einiger deutscher Republiken, sich vom Reiche loszulösen. Dieser nur den Feinden nützliche Reichszerfall sollte vermieden werden durch eine Konferenz aller deutschen Bundesstaaten, die am 25. November in Berlin begann rmd vor allem die Frage der Reichsversammlung regeln sollte. Sie tagte im Kongreßsaale des Reichskanzler palais und wurde durch den Vorsitzenden, Volksbeauf- Phol. Berl. Jllustral.-Gel. m. b. H. Konteradmiral Meurer, der im Auftrage des deutschen Flvtten- rates die Berhandlunge-n zur Übergabe der deutschen Kriegsflotte leitete. kragten Ebert, mit einer Rede eröffnet, in der er ausführte, daß die neue Regierung bei Übernahme der Macht vor einem Trüm merhaufen gestanden habe. Die nächsten Aufgaben seien Völkerfriede und Siche rung des Wirtschaftsle bens. Die Rettung aus der Rot wäre der Vorfriede, bis zu dessen Abschluß aber jeder Arbeiter und Soldat auf seinem. Posten bleiben müsse. Die Regelung der Zusammenarbeit zwischen Reichsleitung und Bundes staaten solle der bald einzu berufenden Reichsversamm lung vorbehalten bleiben; zunächst sei ein Provisorium zu schaffen. Dann schilderte Staatssekretär Solf die aufs äußerste bedrohte Lage des Lord Robert Cecrl. der zurückgetretene englische Blockademinister. Reichs. Rach ihm berichtete Staatssekretär Erzberger über die Waffenstillstandsverhandlungen. Der bayrische Minister präsident Eisner griff diese beiden Redner scharf an, ver langte ihren Austritt aus der Regierung und schlug die Einführung eines vorläufigen Präsidiums anstatt des Bun desrats vor, das alle Verhandlungen mit den Verbands mächten zu führen hätte. Im Verlauf der Konferenz zeigte sich, daß die Mehrzahl der Versammelten für eine Reichs versammlung, die bald zusammentreten sollte, sowie für das Fortbestehen der Reichsein heit war. — Gleichzeitig mit der Revolution in Deutschland zeigten sich in der Schweiz und in den Niederlanden ebenfalls Umwälzungsbestrebungen, die in Streiken zum Ausdruck kamen. Auch in D ä n e- mark, Norwegen und Schweden traten bolschewistische Umtriebe in die Er scheinung. Kisten mit bolschewistischer Lite ratur, wie sie in Deutschland gefunden wor den waren, trafen auch in Stockholm, Chri- stiania und Kopenhagen in Massen ein. Hauptsächlich in Schweden mehrten sich da her die Stimmen, die ein Kesseltreiben gegen die Bolschewisten verlangten. — Die Bolschewisten in Rußland hielten sich nur noch durch eine Schreckensherrschaft (siehe die Bilder Seite 350 und 361 sowie den Aufsatz auf Seite 347 und ff.) über Wasser, der viele Unschuldige zum Opfer fielen. Dennoch machte es den Eindruck, als ob die Macht der Bolschewisten vor dem Zusammenbruch stünde. In der Ukraine schien sich ihr Einfluß zu erhöhen. Dort wurde der Hetman Skoropadski gestürzt, wodurch bolschewistische Führer ans Ruder kamen. Doch das Verhängnis war auf dem Wege. Die Engländer nahten von der Küste des Schwarzen Meeres her. Die Sterbestunde des russischen Bolschewismus rückte näher und näher. — In Ungarn wurde der Bolschewismus durch das Auftreten d^r Franzosen gebannt, deren Führer Franchet lLEspörey sich mit aller Schärfe gegen Arbeiter- und Sol datenräte wandte. Unter Franchets Schutz konnten auch die Serben ihren Eroberungsgelüsten reichlich nachgeben. Im Osten drängten sich die Rumänen heran, und die tschecho slowakische Republik erhob Anspruch auf den ganzen nord westlichen Teil Ungarns. Das ungarische Heer, soweit von ihm noch die Rede sein konnte, war kaum imstande, sich diesen Ansprüchen nachhaltig entgegenzusetzen. So mußte Ungarn seinen vorzeitigen Austritt aus der Monarchie noch sehr schmerzlich empfinden. — Der Krieg der Völker Österreich-Ungarns unterein ander nahm immer heftigere Formen an. Der Kampf