438 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Die zerstörte Kirche in Schneckenbusch bei Saarburg. Gebiet abgehalten werden; doch durfte die oberste Heeres leitung das wahre Ziel der Operationen nicht aus dem Auge lassen. Als das schwedische Blatt jene zutreffenden Sätze schrieb, wußte noch niemand von dem Eintritt neuer Kämpfe im Gebiete -der Warthe. Die meisterliche „Kautschutstrategie" der Deutschen feierte wieder Triumphe: am Freitag, den 6. November, waren drei russische Kavalleriedivisionen, die die Warta (nach dem Übertritt auf preußisches Gebiet Warthe genannt) oberhalb des Städtchens Kolo über schritten hatten, geschlagen und über den Fluß geworfen worden. Das etwa 10 000 Einwohner zählende Städtchen liegt an demjenigen Punkte des Flusses, von dem ab er sich nach Westen wendet. Die Entfernung zwischen Kolo und Thorn beziehungsweise Posen beträgt zwischen 50 und 60 Kilometer. Deutsche Kavallerie räumte nicht nur bei Kolo, sondern auch bei Konin mit dem Feinde auf. Um dieselbe Zeit wurden auch an der ostpreußischen Grenze am Wysztytensee starke russische Kräfte mit großen Verlusten an Truppen und Kriegsmaterial zurückgeschlagen. Wohl hatten die armen Grenzbewohner ein neues Ein dringen der Russen befürchtet; allein sie ließen ihre Hoff nung auf den heldenmütigen Sieger bei Tannenberg nicht sinken, und sie ist nicht zuschanden geworden. General v. Rennenkampf. (Hierzu das Bild Seite 436.) Als der Krieg ausbrach, hielt man General Paul v. Rennenkampf für den tüchtigsten russischen Führer. Im Borerkriege sowohl wie im russisch-japanischen Kriege hatte er sich einen glänzenden Namen gemacht. Die Chinesen nannten ihn nur den „Tigergeneral"; die Japaner schätzten ihn so hoch ein, daß sie nach Asiatenart eine halbe Million Mark für seinen Kopf aussetzten. Allerdings fehlte es da mals schon nicht an Stimmen, die ihm mehr soldatischen Schneid und Draufgängertum als strategische Begabung zusprachen. Zu Beginn des Krieges befehligte er die Wilnaer Armee (fünf bis sechs Armeekorps), der Generalfeldmarschall v. Hindenburg an den masurischen Seen eine vernichtende Niederlage bei brachte. In Zivilkleidern mutzte Rennenkampf da mals Hals über Kopf aus Gumbinnen flüchten, wenige Stunden nach dem Generalissimus Nikolai Nikolajewitsch. Aus einer ursprünglich deutschen, leider aber längst stockrussisch gewordenen Familie stammend, ist Paul v. Rennenkampf im letzten Sommer sechzig Jahre alt geworden. Seine Ausbildung erhielt er in der Junkerschule zu Helsingfors; 1873 wurde er Offizier, 1895 Oberst und Chef des 36. Dragoner regiments, 1899 Stabschef der Truppen im Trans baikalgebiet. Im Kriege gegen Japan soll er durch die Eifersucht Kuropatkins in seiner Wirksamkeit stark behindert worden sein. Danach wurde er kommandierender General des 3. Armeekorps in Wilna und im Jahre 1913 Oberbefehlshaber des ganzen Wilnaer Militärbezirks. In den grotzen Schlachten um Lowicz und Lodz Anfang Dezember wurde ihm ein so großer Anteil an der Niederlage Russen beigemessen, datz er beim Zar in An fiel und nach dem Kaukasus versetzt wurde. Von den tapferen Schwaben. Nach den Aufzeichnungen eines Oberleutnants vom württembergischen Reserveregiment Nr. 120. Das württembergische Reserveregiment Nr. 120, aus Reserveleuten und Landwehrmännern zu sammengestellt, wurde von Anfang an in die ebenso hartnäckigen wie schwierigen Vogesen kämpfe verwickelt. Mutzte hierbei doch Schritt für Schritt Terrain erobert werden, meistens unter sehr erschwerten Umständen. Besonders bei der Erstürmung des Donon zeichneten sich die 120er Reservemannschaften aus, mit wahrer Todesverach tung drangen sie vor. Auch von Verräterei hatten sie manches aus zustehen. Man beschoß sie aus Häusern, hinter deren halbgeschlossenen Fensterläden das verbrecherische, meuchelmörderische Gesindel lauerte, das dann meist den wohlverdienten Lohn empfing. Eine weitere Aufgabe war die Erstürmung des Dorfes P.; sie erfolgte in finsterer Nacht, fünf brennende Häuser am Dorfeingang beleuchteten den Weg, den die Tapferen zu nehmen hatten. Es wurden Quartiere bezogen, und die Bevölkerung zeigte sich willfährig. Zwei alte Frauen be reiteten zu später Stunde dem Stab noch ein frugales Nachtessen und holten sogar einige Flaschen Rotwein her bei. Das war mehr, als man erwarten konnte in Feindes land! — Anderen Tags übernahm dann wieder die viel berühmte, segensreiche „Feldküche" die Verpflegung der braven Truppen. Von P. marschierten unsere Schwaben gen B., es wurde am Mittag angegriffen und war gegen Abend in deutschem Besitz. Die Stellung der 120er er wies sich aber als ziemlich vorgeschoben, und so wurde der Befehl gegeben, das Bataillon ... solle sich befestigen. Man grub vor dem Dorfe einen Schützengraben, und kaum war der fertig, kamen auch schon die Granaten der Franzosen geflogen. Unheimlich zischte es durch die Luft und schlug fünf Schritte vor der Stelle ein, wo sich der Offizier befand. Glücklicherweise krepierte das Geschoß nicht, dies mal kam man noch einmal mit dem Schrecken davon. Eine Wand des Grabens aber stürzte ein und begrub zwei Leute. Unter dem Erdreich wurde es sofort leben dig, und die total beschmutzten Soldaten erhoben zuerst die Hände, dann den über und über von Schmutz über schütteten Kopf. Ein paar Tage später ging es nicht so glücklich ab. Es fiel dem Stabe auf, datz das Bataillon, kaum daß es aus gerückt war, sofort auch schon mit allerheftigstem Artillerie feuer überschüttet wurde. Wie war das nur möglich? In massiven Häusern waren schließlich die Mannschaften unter gebracht. worden und eines derselben wurde außer von einer Anzahl Leuten auch vom Stabe bezogen. Sonder bar! Nun nahm sich die feindliche Batterie sogar dieses Haus zur Zielscheibe! Es kam eine Granate geflogen