244 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. alles aufgeboten, den Gegner aus dem Gebiet nördlich von Cholm, wo jeder Schritt desselben weiter voran pein lich und gefahrdrohend erscheinen mutzte, unbedingt fernzu halten. Dennoch öffneten sich die hartnäckigen Angreifer die Zugänge zum Gürtel der Westfront der gewaltigen Lagerfestung (siehe auch die untenstehende Karte), die ein Eckpfeiler der russischen Hauptmacht war. Trotz aller Ver teidigungskunst der Russen war es am 17. August nach er neutem nachhaltigem Druck auf den Feind nicht mehr frag lich, datz diese wichtige Stütze der russischen Hauptstellung über kurz oder lang verarmt werden würde. Das russische Hauptheer, das sich im Süden nach dem Fall von Warschau und Jwangorod auf Brest-Litowsk stützte, stand und fiel im Norden mit der mindestens gleich starken Festung Kowno (siehe die Karte Seite 201, sowie den Artikel und die Bilder Seite 196—199). Gleichzeitig mit dem Druck auf die Narewfront, der zur Einnahme der Festung Lomsha führte, ward auch der Angriff auf Kowno eingeleitet und durchgeführt. Bei einem Vordrängen gegen die Westfront von Kowno nahmen die Deutschen schon am Seite 247), fingen über 4500 Russen und erbeuteten 240 Ge schütze und sonstiges Gerät. Am Fort 1 zeichnete sich ein hessisches Regiment ganz besonders aus, während ein badisches Reserveregiment das Fort 5 eroberte und dabei allein 135 Geschütze gewann. Frohlockend hörte man die Kunde von diesem Erfolge in Deutschland und Österreich- Ungarn, zeigte doch die gewaltige Beute an Geschützen un verkennbar deutlich, datz die Russen mit einer langen Ver teidigung Kownos gerechnet hatten. Sie hätten ja zur Räumung Kownos so gut wie bei den Weichselfestungen Zeit in Masse gehabt. Seit Wochen waren sie bemüht gewesen, das kostbare Artilleriematerial in Sicherheit zu bringen und zu schonen, selbst wenn dadurch die Infanterie ungeheuerliche blutige Opfer zu bringen hatte. Und nun hatte es in Kowno eine so gewaltige Beute gerade an Ge schützen gegeben. Es war ausgeschlossen, datz die Russen nicht auf einen besonders andauernden Widerstand der Festung gerechnet hätten. Von einer regelrechten Belage rung war bei Kowno nicht die Rede gewesen. Wie schon vor Antwerpen, wie vor kurzem bei Warschau, hatte ein gegen Das Festungsgebiet von Bre 6. August 2 Maschinengewehre und über 500 Gefangene. Am Tage des Sturmes auf Lomsha, am 9., wurde der An griff unter ständigen Kämpfen auch wieder näher an die Fortlinie von Kowno herangetragen. Diesmal erbeuteten die Deutschen autzer einigen hundert Gefangenen auch vier Geschütze. Die Russen machten ihrerseits tags darauf aus Kowno mit starken Kräften einen umfangreichen An griff. Er scheiterte, und bei dieser Gelegenheit erhöhte sich die Zahl der seit dem 8. August eingebrachten Beute auf 2116 Gefangene und 16 Maschinengewehre. Am 13. August nahmen die Deutschen vor Kowno den befestigten Wald von Dominikanka und behielten wieder 350 Gefangene. Ein erneuter russischer Ausfall am nächsten Tage mitzlang, die Deutschen kamen der Festung wieder ein gutes Stück näher und machten 1000 Gefangene. Auch am 15. schoben sie sich kräftig weiter an die Festung heran, machten erfolg reiche Angriffe gegen die Vorstellungen und fingen 7 Offi ziere und 1730 Mann. Am 16. August holten die Deut schen unter der Führung des Generalobersten v. Eichhorn und des Generals v. Litzmann zu dem ersten Hauptschlage aus, der frisch und schneidig aufs Ganze gerichtet war. Sie erstürmten die zwischen Jesia und Rjemen liegenden Forts der Südwestfront von Kowno (siehe die Bilder :°Litolvsk aus der Vogelschau. einen Abschnitt der Befestigungen gerichteter Frontalangriff das Bollwerk sturmreif gemacht und den Deutschen ausge liefert. Gerade in diesem Augenblick verkündete aber die russische T^elegraphenagentur in einer langen, zum Trost des eigenen Volkes und der Verbündeten aufgestellten Übersicht über die Eesamtlage der russischen Heere: „Es ist durch aus klar, datz das russische Armeekommando keineswegs daran denkt, Kowno zu räumen." In dem Augenblick, als diese ermunternden Worte in England und Frankreich gelesen und geglaubt wurden, wurde in Deutschland und Österreich-Ungarn die freudige Kunde verbreitet: „Die Festung Kowno ist in der Nacht vom 17. bis 18. August mit allen Forts und unzähligem Material, darunter weit mehr als 400 Geschütze, in deutschen Besitz gekommen. Mit stürmender Hand wurde sie trotz zähen Widerstandes ge nommen." Die Zahl der erbeuteten Geschütze wurde später auf 1301 festgestellt. Das war eine Tatsache, die nicht aus der Welt zu lügen und deren Bedeutung durch keine Bekritte lung herabzumindern war. Der Sieg von Kowno war ein Haupthieb gegen die russischen Armeen, der sie unleugbar an empfindlicher Stelle traf und besonders wegen der ge waltigen Eeschützbeute unbestreitbar schmerzlich schwächte. Der Fall Kownos ermöglichte den siegreichen deutschen