186 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. linie: Blonie—Nardazyn—Gora-Kalwarja, mit Blonie als Hauptpunkt, zurückgezogen. Warschau erschien von nun an unmittelbar bedroht. Die Russen hatten bereits in ihren Berichten eingeräumt, daß deutsche Vortruppen mit der Flügelfestung Nowo-Georgiewsk in Fühlung getreten waren. Die Einleitung des Kampfes um Warschau geschah am 24. Juli durch die Wegnahme verschiedener russischer Stel lungen westlich von Blonie und die Erstürmung der südlich Warschau gelegenen Orte Ustanow, Lbiska und Jazgarzow. Zwei Tage später fiel das 24 Kilometer westlich der Fort linie von Warschau gelegene Pienunow und wurden An griffe der Russen in der Gegend südwestlich von Gora- Kalwarja zurückgewiesen. Zielbewußt und sicher ging es auf dem Frontabschnitt von der Ostsee bis zur Pilica voran, die Beute der zahl reichen und immer furchtbar schweren Zusammenstöße auf diesem Kriegschauplatz betrug im Juli 95 023 Gefangene, 41 Geschütze, darunter 2 schwere, 4 Minenwerfer und 32 Maschinengewehre. In Südpolen reiften unterdes ebenfalls Entscheidungen von ausschlaggebender Bedeutung heran. Die Angriffs unternehmung des Generals v. Woyrsch, der Deutsche, Österreicher und Ungarn unter seinem Oberbefehl ver einigte, führte am 17. Juli zu einem Erfolg, der zu gleich die Aussicht auf weitere Fortschritte eröffnete. Am Vormittag dieses Tages ward unter schwerstem russischen Feuer eine Lücke in der mit allen neuzeitlichen Mitteln ver schwenderisch ausgestatteten russischen Stellung erzwungen. In erbittertem Nahkampf wurde diese Lücke im Laufe des Tages erweitert und schließlich der Feind geworfen. Das Moskauer Erenadierkorps war dem Ansturm deutscher Land wehr- und Reservetruppen nach hartnäckiger Gegenwehr gewichem Unter nachdrücklicher Verfolgung ging der Gegner am 18. Juli bis an den Jlshankaabschnitt zurück, dessen Nord rand wieder außergewöhnlich stark befestigt war. Trotz noch so guter Verschanzung vermochten die Russen jedoch dem in der Nacht zum 19. Juli von den verbündeten Trup pen unternommenen Sturm nicht zu widerstehen. Zwischen Ciepielow und Kasanow gelang der entscheidende Durch bruch, der dem Grenadierkorps aufs neue schwerste Verluste kostete, so daß es in den Schutz der in mehrmonatiger Jngenieurarbeit vorbereiteten, von russischen Gefangenen als uneinnehmbar bezeichneten Außenstellung der Festung Jwangorod bei Zwolen flüchten mußte (siehe auch die Kunst beilage). Der Beherztheit schlesischer Landwehr gelang nach vortrefflicher Artillerievorbereitung in der Nacht vom 20. zum 21. Juli aber auch die Überwindung dieser letzten Vorstellung von Jwangorod. Nunmehr war der Feind in die engere Festungsumgebung zurückgeworfen. Die tapfere Landwehr erfreute sich einer Beute von 7000 Gefangenen und vielen Maschinengewehren. Stolz rief ihnen ihr Füh rer, General der Kavallerie Freiherr v. König, zu: „Unver- welklichen Lorbeer habt ihr euch erworben. Das Vaterland, insbesondere die schlesische Heimat, wird dankbar eurer Siege gedenken. Nun weiter, bis der Feind völlig am Boden liegt." Den wackeren Kämpfern ward die Freude zuteil, die Anerkennung für ihre heldenmütige Haltung auch aus dem Munde des Deutschen Kaisers zu hören. Dieser traf am Morgen des 23. Juli auf dem Gefechtsfelde ein. Ab ordnungen der Krieger waren unmittelbar vor einem er stürmten russischen Berg, auf dem nunmehr die deutsche Flagge stolz im Winde wehte, aufgestellt. Der Kaiser be grüßte dort die sich meldenden Führer und zeichnete General der Kavallerie Freiherrn v. König und General leutnant Grafen Bredow durch den Orden Pour le Merite aus, zu dem vorher der Armeeführer Generaloberst v. Woyrsch bereits das Eichenlaub erhalten hatte. Danach schritt der Kaiser die Front der Abordnungen ab, ehrte jeden Offizier und Mann durch eine kurze Unterhaltung und übergab vielen selbst das Eiserne Kreuz. Nach der Besichtigung der russischen Stellung, deren sorgfältige Aus führung besondere Aufmerksamkeit erregte, sprach der Kaiser in einer Rede den Ab ordnungen der Truppenteile seinen Dank aus und trug ihnen auf, ihn auch den Kame raden zu übermitteln, die vorn in den Schützengräben treue Wacht vor den letzten Stel lungen der Festung hielten. Weiter östlich von diesem Standort des linken Flügels der Armee, an den der Kaiser sich zunächst gewandt hatte, stan den im Bereich der Festungs geschütze unter präsentiertem Gewehr die Reserven und die Abordnungen des rechten Flü gels zur Begrüßung des obersten Kriegsherrn bereit. Unter den Klängen der Nationalhymne schritt dieser wieder die Front ab, zeichnete viele Offiziere und Mannschaften aus und sprach den treuen Landwehrleuten auch hier seinen und des Vater landes Dank für ihre tapferen und erfolgreichen Taten aus. Die Landwehr habe sich so vortrefflich wie 1813 geschla gen. Noch gelte es aber weiter zukämpfen für die Freiheit des Vaterlandes, um mit Gottes Hilfe den Gegner endgültig niederzuringen. Die Armee Woyrsch hatte am 22. Juli durch ihr kühnes Zufassen die Absicht des Feindes, seine geschlagenen Truppen vor der Festung Jwangorod zum Halten zu bringen, ver eitelt und diese, die bestimmt gewesen waren, diebedeutende Weichselfestung zu decken, in die Werke hineingetrieben, die jetzt dem machtvollen Angriff der deutschen Artillerie preisgegeben waren. Jwangorod war nach sorgsam vor- hereiteten, in schweren Kämpfen erstrittenen Siegen nun mehr fest eingeschlossen. Alle Mühe der Russen, die über die Weichsel vorgedrungenen Teile der Armee v. Woyrsch wieder über den Strom zurückzutreiben, blieb vergeblich. Die Deutschen hielten das östliche Ufer zähe fest, wiesen alle noch so wuchtigen russischen Angriffe ab und nahmen im Nachstoß am 31. Juli die Höhe von Podzawcze, wobei sie mehr als 1000 Gefangene behielten. Während zwischen Bug und Weichsel bei der Armee Mackensen um die Mitte Juli ein Zeitabschnitt kleinerer, große Ereignisse vorbereitender Gefechte eingetreten war, kam es im südöstlichen Anschluß an diese Armee zu harten Kämpfen. Bei Sokal in Galizien, am rechten Ufer des Bug, der um diese Zeit durch andauernden Regen stark angeschwollen war, hielt sich der Feind noch auf dem westlichen Ufer in Vorstellungen. Am östlichen Ufer befanden sich seine Hauptstellungen. Dieses steigt 5—8 Meter senkrecht aus Phot. E. Bönninghoven, Berlin. Vorbeimarsch österreichisch-ungarischer Truppen vor Generalseldmarschall v. Mackensen in Lublin.