154 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. Presse-Photo-Bertrieb, Berlin. Französische Blindgänger verschiedenen Kalibers. abermals Mülhausen zu besetzen, so verdankten die Fran zosen diesen Erfolg nicht zuletzt der Eisenbahnlinie, die Belfort mit Mülhausen verbindet, bei Valdieu (Eottestal) auf deutsches Gebiet übertritt und dann über Dammer kirch—Altkirch dem Rhein zu führt. Auf dieser Bahn konnten die bei Mülhausen geschlagenen Franzosen rechtzeitig Ver stärkungen aus Belfort herbeischaffen, die zwi schen Altkirch und Dammerkirch ihren Rückzug zum Stehen brachten und zugleich die Forts von Bel fort vor einem weiteren Vordringen der deutschen Truppen schützten. Den großen strategischen Wert dieser Eisenbahnlinie, die in dem hügligen Berg gelände der Vogesen militärischen Maßnahmen in hervorragender Weise zustatten kommt, wußten die Franzosen sehr wohl zu schätzen, und aus diesem Grunde sprengten sie, nachdem sie Ende August in folge der Niederlagen in Lothringen und des deut schen Vormarsches auf Paris zur endgültigen Räu mung Mülhausens und des Oberelsasses gezwun gen worden waren, den großen Eisenbahnviadukt, der zwischen Dammerkirch und Altkirch auf eine Länge von mehreren hundert Metern das Jlltal überbrückt, stellenweise in die Luft, nachdem das großartige Bauwerk schon während des Kampfes mehrfach von deutscher Artillerie beschädigt worden war. Die Franzosen suchten durch Zerstörung der Eisenbahnverbindung das deutsche Vorgehen gegen Belfort zu hemmen, in Wirklichkeit aber schadeten sie nur sich selbst; denn die deutsche Heeresleitung verzichtete von Anfang an auf größere Unterneh mungen im Elsaß und besonders gegen Belfort: man begnügte sich damit, den Feind in Schach zu halten, während die Würfel der Entscheidung in Nordfrankreich fallen sollten. Im Laufe des Stel lungskrieges, der sich allmählich im Vorgelände von Belfort entwickelte, gelang es den Franzosen, wieder über Dammerkirch, wo der Stab der fran zösischen „Armee des Elsasses" sein Hauptquartier aufschlug, in Richtung auf Altkirch vorzudringen und sich dieser Stadt bis auf wenige Kilometer zu nähern. Zu ernstlichen Kümpfen kam es indes auf diesem Kriegschauplatze nicht; offenbar fühlten sich die Franzosen zu einem Durchbruchsversuch nach dem Rhein zu schwach, oder sie hielten den günstigen Augenblick hierfür noch nicht für gekom men. Unermüdlich waren sie damit beschäftigt, ihre Stellungen auszubauen, Verhaue und Gräben an zulegen, und ganz besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt verwandten sie auf die Wiederherstellung des zerstörten Eisenbahnviadukts. Mehrere hundert Arbeiter, darunter auch viele Italiener, wurden herangezogen, unt den Schutt wegzuräumen und die zerstörten Pfeiler neu aufzuführen. Ganze Eisenbahnzüge voll Material wurden herbeigeschafft, die nahen Wälder und Schneidemühlen lieferten Holz zu dem gewaltigen Gerüst, das zu beiden Seiten des stellenweise bis zu 25 Meter hohen Viadukts emporwuchs. Im Winter erschwerten Kälte und Hoch wasser die Vauarbeiten, die viele Monate in Anspruch nahmen und oft von der Beschießung durch deutsche Artillerie und Flugzeuge gefährdet wurden. Ende Mai war es den Franzosen endlich gelungen, die zerstörten Bogen wiederherzustellen und den Viadukt betriebsfähig zu machen. Die Belastungsprobe war bereits abgehalten worden, und am 14. Juni, dem Jahrestag von Marengo und Friedland, sollte der Viadukt im Beisein des französischen Generalstabes unter den Klängen der Marseillaise eingeweiht und zunächst nur dem Militärverkehr übergeben werden. Schon hatte man Pfeiler, Bogen und Geländer mit Tannengirlanden und Maibäumen geschmückt und dazwischen in malerischem Bunt unzählige blauweißrote Fähnchen und Schleifen angebracht. Mit schmetternden Fanfaren wollte man ein Freudenfest auf der „erlösten" elsüssischen Erde feiern — allein es kam anders. An dem klaren Sonntagmorgen des 30. Mai erschienen in aller Frühe drei deutsche Flieger in einer Höhe von etwa 2500—3000 Metern über Dammerkirch. Sie kreisten mehr mals, als wollten sie sich über einen bestimmten Punkt unter richten, über der Stadt, unbekümmert um das Feuer der französischen Abwehrkanonen, das ihnen keinen Schaden zu fügen konnte. Gegen dreiviertel sieben Uhr standen sie nahe zu senkrecht über dem Bahnviadukt; der eine hielt wenige Augenblicke fast still in der Luft — offenbar hatte er auf draht losem Wege den etwa 7^4 Kilometer entfernten deutschen Stellungen eine Meldung gemacht. Wenige Minuten später kam schon die Antwort herüber: ein weißes Wölkchen blitzte am hellblauen Horizont auf, flog singend, pfeifend und Pl ot. Bert. Jllustrat^-Ges. m. b. H. Französischer Artillerist beim Abfeuern eines Lufttorpedos.