127 Von der Nichterneuerung des Rückversicherungsvertrages bis Ende 1894 Am Abend vor der Entlassung des Fürsten Bismarck teilte der russische Botschafter in Berlin, Graf Schuwalow, dem Sohne des Kanzlers mit, er sei vom Zaren ermächtigt, den im Juni 1890 ab laufenden geheimen deutsch-russischen Vertrag auf sechs Jahre zu verlängern „und zwar in der Absicht, diese Abmachung nunmehr als eine dauernde anzusehen 1 “; im Falle der Entlassung des Fürsten müsse er erst neue Weisungen von seiner Regierung einholen 2 . Kaiser Wilhelm II. ließ den Botschafter bitten, zu ihm zu kommen, und erklärte ihm, er befinde sich in der traurigen Notwendigkeit, sich vom Kanzler zu trennen. In den Beziehungen zu Rußland solle aber nichts geändert werden; der Kaiser sei vielmehr ganz bereit, auf die Gedankengänge des Zaren einzugehen; er wolle nur den Frieden außen und Ordnung im Innern. Daraufhin ließ der Zar mit- teilen, er sei bereit, die Verhandlungen zum Abschluß zu bringen. Eine sofortige Weitergabe dieser Nachricht an den Kaiser scheint nicht erfolgt zu sein; Graf Herbert Bismarck schrieb ihm vielmehr am 20. März 1890, Schuwalow habe ihm mitgeteilt, daß russischer- seits auf eine Verlängerung des Vertrages verzichtet werde, nach dem Fürst Bismarck aus seinen Ämtern entlassen sei 3 . Bei den nunmehr beginnenden Verhandlungen über den Rückversicherungsvertrag in Berlin, zu denen auch der Botschafter v. Schweinitz aus Petersburg herangezogen wurde, siegte schließ lich die Auffassung des Reichskanzlers v. Caprivi, des Unterstaats sekretärs im Auswärtigen Amte, Grafen Berchem, und des Vor tragenden Rates v. Holstein. Nach ihrer Meinung waren die Fest setzungen des Vertrages weniger ihrem Wortlaute als ihrem Sinne nach mit dem Dreibunde, mit dem rumänischen Vertrage und mit der deutscherseits auf England geübten Einwirkung nicht wohl in Einklang zu bringen. Das immerhin mögliche Bekanntwerden des Vertrages gefährde den Dreibund und sei geeignet, England von Deutschland abzuwenden. Der Kaiser beschloß hierauf, auf die Er neuerung zu verzichten 4 . Botschafter v. Schweinitz kehrte nach Petersburg zurück und berichtete von dort alsbald, Herr v. Giers r Gr. Pol. Nr. 1366. 2 Gr. Pol. Nr. 1373. 8 Gr. Pol. Nr. 1367. 1 Gr. Pol. Nr. 1369.