Die Bismarckzeit 90 zember 1886 einen auf seine Person berechneten Erlaß für den Bot schafter v. Schweinitz entwerfen 1 und das Schriftstück vorerst dem Minister v. Qiers zur Kenntnis mitteilen 1 2 . Dieser erklärte gerade heraus, der Zar wolle kein Bündnis mit Deutschland gegen Öster reich, er möchte aber ein Bündnis ohne Österreich; Österreich stehe zwischen Deutschland und Rußland 3 . Die Art, wie der Zar den Bismarckschen Erlaß, den ihm nach gewissen Änderungen Herr v. Qiers am 4. Januar 1887 vorlas, aufnahm, erfüllte Bismarck mit der Sorge, daß im Falle eines französischen Angriffes auf Deutsch land eine Rückendeckung durch Rußland wie 1870 voraussichtlich ausbleiben dürfte. In seiner so oft erwähnten Reichstagsrede vom 11. Januar 1887 zur Septennatsvorlage hob er die deutsch-öster reichische Freundschaft stark hervor. Einen Bruch mit Rußland wegen der bulgarischen Frage wies er weit von sich und sprach dabei die berühmt gewordenen Worte: „Was ist uns Bulgarien?“ „Es ist uns vollständig gleichgültig, wer in Bulgarien regiert, und was aus Bulgarien überhaupt wird, — das wiederhole ich hier; ich wieder hole alles, was ich früher mit dem viel mißbrauchten und totgerit tenen Ausdruck von den Knochen des pommerschen Grenadiers gesagt habe: die ganze orientalische Frage ist für uns keine Kriegs frage.“ Diese Rede bewirkte eine erhebliche Ernüchterung der öffent lichen Meinung in Österreich. Kaiser Franz Joseph war „ernst und bis zu einem gewissen Grade niedergeschlagen“, wie der deutsche Militärattache in Wien, Oberst Graf Wedel, am 15. Januar 1887 be richtete 4 , erklärte sich aber bereit, die Mittel zu einer annehmbaren Auseinandersetzung mit Rußland zu suchen und zu finden. Wieder einmal war es der Bismarckseben Staatskunst gelungen, die innere Gegensätzlichkeit der östlichen Kaisermächte auf dem Balkan zu bannen und den Krieg zu vermeiden. Aus allen Doku menten dieser Epoche tritt aber klar hervor, daß es nur einer ganz überlegenen Staatskunst und nur einer Persönlichkeit von unbe strittenem internationalen Ansehen gelingen konnte, ein deutsches Bündnis mit Rußland und Österreich-Ungarn zugleich in die Zu kunft hinüberzuretten. Der Streit um Bulgarien war im Frühjahr 1887 noch keineswegs erledigt. Da man in Rußland, nachdem eine bulgarische Regent schaft die Regierung übernommen hatte, immer noch eine Rückkehr des Fürsten Alexander befürchtete, bildete Bismarcks abweisendes Verhalten gegenüber einer bulgarischen Mission, die bei den Groß mächten herumreiste, um sich dort für die Gestaltung der bulga- 1 Or. Pol. Nr. 1001. 2 Gr. Pol. Nr. 1002. 3 Gr. Pol. Nr. 1003. 4 Gr. Pol. Nr. 1027.