1879 69 wissen Grade hat ihn auch persönliche Gereiztheit gegen die rus sischen Staatsmänner, gegen den Fürsten Gortschakow, dem er die „Komödie von 1875“ bei der Krieg-in-Sicht-Affäre nicht verzeihen konnte 1 , und den Zaren persönlich mit bestimmt. Entscheidend aber war doch, daß Bismarck unmittelbar nach Abschluß des deutsch österreichischen Bündnisses die Beziehungen nach Rußland hin wieder näher knüpfte und als erstes praktisches Ziel seiner weiteren Poli tik die Wiederbelebung des Drei-Kaiser-Bündnisses zu verwirk lichen vermochte. Bismarck war stets bereit und infolge seiner überlegenen Staatskunst auch imstande, sein Bündnissystem der jeweiligen Lage anzupassen, mochte es auch noch so verschlungen sich gestalten. Daß es seinen Nachfolgern nicht im gleichen Maße gelingen würde, souverän von Fall zu Fall zu entscheiden und zu handeln, das hat Bismarck kaum in Rechnung gestellt, darin ganz den großen Männern der Vergangenheit gleich, die ihr eigenes Lebenswerk gleichfalls auf dem eigenen Heroenausmaße auf- bauten, ohne daran zu denken, ob sie geeignete Nachfolger finden würden. Die deutsch-französischen Beziehungen 1875—1885 1 2 Während Bismarcks Außenpolitik im Osten durch die Neu regelung seiner Beziehungen zu den beiden Kaisermächten und durch die Entwicklung der Dinge auf dem Balkan nachdrücklich, wenn auch nicht ausschließlich, in Anspruch genommen wurde, hatte er nach Beseitigung der „Krieg-in-Sicht ?“-Krisis von 1875 zu Frankreich die entgegenkommendsten Beziehungen unterhalten. Es war ein Lieblingsgedanke Bismarcks, eine gemeinsame Tätigkeit mit Frankreich und damit die Grundlage zu einer dauernden Ver ständigung zu finden. Diesen Gedanken hatte der Herzog von Decazes im Frühjahr 1875 geäußert, und Bismarck griff ihn gern auf 3 . Auch nach seiner Auffassung war „die auf irgendeinem Terrain ostensibel auftretende Gemeinsamkeit deutscher und fran zösischer Politik ein Mittel zur Beruhigung der Kriegsbefürch tungen“ 4 . Er begrüßte es daher, als die französische Regierung sich bestrebte, das LehnsVerhältnis zwischen Tunis und der Pforte zu lösen und Tunis in ein Abhängigkeitsverhältnis zu Frankreich zu bringen. Den Gedanken, Elsaß-Lothringen an Frankreich wieder zu rückzugeben, hat Bismarck jederzeit weit zurückgewiesen. Der fran 1 Siehe o. S. 33. 2 Des besseren Überblickes wegen werden hier dje 10 Jahre von 1875—1885 zusammengefaßt. 3 Gr. Pol. Nr. 167, 168. 1 Gr. Pol. Nr. 172.