Anziehungskraft des größeren Ansehens und stärkeren Armes auch die anderen zufallen, Wenzelskrone und Stefanskrone, wenn die Vereinigung eine dauernde und eine glückliche sein sollte. Welches Haus es treffen mochte, und alles übrige wie und wann lag in Fortunas Händen. Und dieses Reich soll, in Stücke zerhackt, von der Bild¬ fläche Europas verschwinden, einem fremdnationalen Fana¬ tismus zuliebe, der auf eine Idee eingeschworen ist und wie Shylock auf seinem Scheine besteht? Nur aufrichtig sein! In Wahrheit gibt es keine Ideen, die nach einheitlichem Muster folgerichtig angetragen, Brust an Brust mit gleicher Wärme fortwirken und alles gleichmäßig durchdringen. Ein Rock läßt sich nach dem allerneuesten Schnitt verfertigen, unausgemacht bleibt es noch immer, ob auch der Körper wirklich hineinfindet. Irgendwo fehlt es gewöhnlich immer, denn etwas Voll¬ endetes zu schaffen, ist der Menschheit nicht gegeben. Wir alle leben — nach einem schönen Worte Emersons — in einem Zustande beständiger Annäherungen. Eine Wirklichkeit, der es gelänge, die letzten Ziele idealistischen Strebens zu erreichen, würde vielleicht in das Gegenteil der erwarteten Wirkung umschlagen. Darum geht durch die Welt, durch alles Leben auch beständig ein dualistischer Zug. Sein scharfes Beil spaltet alles, was, ewige Harmonien versprechend, ihm in den Weg tritt. Und so stürzt wie Tag und Nacht Neues in Altes und wirft neue Tage, neue Nächte aus sich heraus. Auch die Ideen machen erst durch ihre Wechselwirkung den Menschen fähig, sie würdig zu gebrauchen und heilsam fortzubilden. Schreiber dieser Zeilen ist kein verstocktes österreichisches Bleichgesicht ohne völkische Lebensfrische im Geblüte; willig und gerne bekennt er sich zu einer nationalen Gesinnung, die das Wehen und Weben geistiger Eintracht zwischen den Volks¬ angehörigen Goethes, Gottfried Kellers und Grillparzers liebevoll und mit Ehrfurcht genießt; aber in dieser Gesinnung kennt er ein Merkmal seiner Menschlichkeit, nicht diese selbst, noch weniger aber den Ausdruck einer völkerrechtlich appro¬ bierten Staatsidee nach der Art einer schöpferischen Urquelle, an der sich ein verworrenes Europa von den Irrtümern seines historischen Werdeganges zu reinigen hätte, bevor es an die Anbahnung des ewigen Friedenswerkes schreitet. Napoleon III. hat zwar den nationalistischen Grundsatz zum treibenden Gedanken seiner Politik zu machen versucht; in der Gründung des Deutschen Reiches und des Königreiches Italien sprechen sogar die fertigen Tatsachen als solche für 27