vogteien herablassen zu dürfen glaubten, als ob dieses Reich ein kaum noch atmender Leichnam wäre, als ob seine Bewohner wie zusammengestohlene Findlinge umherliefen und als ob verschämte Väter sich dieser voll herablassenden Erbarmens zu erinnern hätten! Oft habe ich es mir gedacht: Wenn es nur nie dieses „Also ob" gegeben hätte! Wie ein zitterndes Irrlicht gaukelte es exzentrischen Köpfen Umrisse grotesker Eroberungspläne vor Augen, entfesselte es den widerlichsten Hexensabbath nationalen Überheils und legte der Monarchie schließlich den Krieg vor die Tür. Nun wirkt er schon drei Jahre lang am Webstuhl der Zeit und fertigt aus gesponnener Jugend bleiches Linnen fürs Grab. Und fragt man sich nach dem Endzweck dieser Metzeleien, so kann man schaudernd ein Ende wahrnehmen, an dem schon jetzt der ewige Funke neuer Metze¬ leien glimmt. Deutlich genug hat im Jahre 1909 der serbische Partei¬ führer Stojan Protic dieses Ende gekennzeichnet: „Zwischen uns und Österreich-Ungarn kann es nur dann Frieden und gute Nachbarschaft geben, wenn Österreich-Ungarn darauf verzichtet, eine Großmacht zu sein; wenn es sich entschließt, die Rolle einer östlichen Schweiz zu übernehmen". Das also ist der feind¬ lichen Staats- und Gesamtweisheit letzter Schluß: Als unan¬ tastbares Herrschaftsgebiet wird demnach dem Hause Österreich ein Miniaturstaat angetragen, der wie eine Achse ohne Reif und Speichen sich in Zukunft helfen möge wie er kann. Nur über die Platzfrage hat sich noch keiner geäußert, haben sich alle miteinander wohl auch noch nicht geeinigt. Aber selbst, wenn es geschehen sein sollte, würde es wohl schwer fallen, auch noch den Zauber zu lösen, wie aus dem Golde der Haus- und Stephanskrone der Ring geschmiedet wird, der die geplanten Völkerbrüche aus der Tiefe ruft. Der Patriarch der tschechischen Geschichtsschreibung, der bekannte Domdekan Eosmus von Prag, legt dem sagenhaften Begründer des Premyslidenreiches Boemus nach feierlicher Landnahme das schöne Schlußwort in den Mund: „Hier wird euch nichts abgehen, weil niemand euch in den Weg treten wird." Dieses Patriarchenwort gilt weiter, fast möchte man sagen für die ganze Monarchie. Denn dieser eingewölbte Erdstrich am Silberband der Donau, ist er etwas anderes als eine stillversteckte Klause inmitten des Kontinents, die, als aus den Riesenbehältern Asiens die massenhaften Überschüsse einer zusammengestauten Menschheit nach Europa fluteten, die abgefallenen Splitter 24