I. Friedensliebe und ihre Grenzen. rin Geringerer als Leibnitz hat das Deutschtum das Herz Europas genannt. Fest steht jedenfalls, daß es das Bindeglied ist zwischen Ost und West, zwischen Nord und Süd. Daraus sind Vorteile, aber auch Gefahren erwachsen. In seiner strich¬ weisen Ausbreitung bis tief nach Ungarn und Rußland, in seiner weiträumigen Kolonisation hat dieser „beste Kern der Menschheit", wie ein Philosophenwort lautet, das Netz der Zivilisation in die Wildnis des Ostens gesponnen, ein regsamer Kulturträger, wie kaum ein zweiter im nachklassischen Europa. Er hat besonders in unserem engeren Heimatlande nach dem Rechten gesehen und Hand angelegt, aus daß alles seine be¬ stimmte Gestalt annehme. Er hat hier nicht etwa einen grünen Wald angestammter Menschheit niedergelegt, um sich selbst in aller Bequemlichkeit breit zu machen, sondern als Kitt der Völkerverbrüderung die anderen Völker und Stämme aus ihrer vorgeschichtlichen Einsamkeit herausgehoben und in den Kulturkreis des Westens eingeführt. Der Nachteil ergibt sich aus seiner zentraleuropäischen Lage, welche ihm seine Stellung in Europa so schwer macht, wie nur noch seinen Leidensgenossen, den Magyaren, Polen und Tschechen, gleich ihm Völker der Mitte. Wie gut haben es dagegen die übrigen Nationen und Staaten Europas. England ist zufolge seiner zirkummarinen Lage beinahe ein Kontinent für sich; es kennt keine wirklichen Grenzsorgen. Rußland hat nur nach Westen hin europäischen Grenzabschluß, überdies in seiner geographischen Beschaffenheit eine Defensivkrast, die ihm schon von Naturs Gnaden unzerstörbare Langlebigkeit sichert. Frankreich bekommt einen Arm frei durch Anlehnung an das Weltmeer. Italien genießt den Vorteil einer einzigen Landfeite, nicht viel anders Spanien, während Schweden von der entfernten Lage feiner Landverbindung profitiert. Un¬ günstige Plätze nehmen Belgien, Holland und Dänemark ein, den ungünstigsten die Schweiz. Aber über die Integrität dieser 7