88 „Wenn du es so haben willst, natürlich — natürlich! Ich tu jetzt alles, was dein Wunsch ist, mutzt mir's nur immer sagen." Sie gingen miteinander hinaus und wurden in einen Saal geführt, wo die Vorstehung des Hauses und ein Herr vom Ober- landesgericht auf sie wartete. Der Beamte entsiegelte ein großes Schreiben und las mit feierlicher Stimme, daß das Oberlandesgericht die unumstößlichen Beweise von der Unschuld der Marialene erhalten und das Urteil des Schwurgerichtes ausgehoben habe. Es spreche auch der unschul¬ dig Verurteilten sein tiefstes Bedauern aus und werde alles ver¬ anlassen, daß ihre Ehre wieder vollkommen hergestellt werde. Eine dreimalige Veröffentlichung des ganzen Sachverhaltes iN allen Zei¬ tungen sei bereits angeordnet worden, und wenn die Marialene einen Wunsch habe, möge sie ihn äußern. Sie sprach aber kein Wort, sondern saß zusamwestgekauert da und weinte still in sich hinein. Erst nach« einer Weile sagte sie, daß es ihr am liebsten wäre, wenn man von der Sache nicht mehr rede und kein Wesen davon mache. Nachdem der feierliche Akt geschlossen war, wurde sie in ein anderes Zimmer gebracht, wo sie sich umkleiden konnte. Eine Viertelstunde später kam sie in ihrem hellblauen Festtagsgewand daher. Es war ihr viel zu weit, und sie mußte bald lachen, bald weinen, wie sie nicht mehr so recht darin auszuschreiten vermochte. Ihr Mann ver¬ sicherte aber, daß es sie wunderbar kleide und daß sie nun wieder ganz die alte Marialene sei. Am selben Nachmittag schon fuhren die zwei Wiedervereinigten tritt dem Eilzug nach Innsbruck, wo sie sich eisten Tag aufhielten. Der Daviter telegraphierte nach' Hause, daß sie am folgenden Tage Heimkommen würden. Diese Nachricht brachte! nun Bewegung ins Daviterhaus. Rasch wurden Taxgowinde und Kränze gebunden, von der Kirch'e herab trug man zwei Pöller, der Hirt brachte von der Hochalm einen ungeheuren Buschen Edelweiß, in der Küche wurde gebacken und gebraten, als ob eine Hochzeit bevorstünde. Soll¬ te doch ein festtägliches Mahl stattfinden, zu dem der Vetter Thaddes schon die nächsten Freunde und Nachbarn eingeladen hatte. In den ersten Nachmittagsstunden des anderen Tages waren die Vorberei¬ tungen vollendet. Ueber dem Gartentor stand eine Triumphpsorte, um die Haustür und den Söller entlang zogen sich schöne Blätter¬ girlanden, die hin und hin mit Edelweiß besteckt waren, aus dem Dachgiebel flatterten zwei Fahnen und hinter dem Haus im Birken¬ wäldchen stieg ein blauer Rauch kerzengerad in die Höhe. Dort hat¬ ten die Knechte ein Feuerlein gemacht, an dem sie die Pöllerlunte anglühten. Der alte Thaddes ging wie ein Feldherr im Hofe aus und ein, musternd, ob seine Anordnungen pünktlich durchgeführt würden. Er trug feisten ganzen Festtagsstaat und schien heute wie¬ der jung geworden zu sein, so blühend schaute er aus. Zum Teil mochte das wohl davon herkommen, daß er ab und zu ein Schnüps- chen hinter die Binde goß, um sich bei Stimmung zu erhalten. Auch Liesl, der Kiebitz, steckte schon seit Mittag in einem reichbebänder¬ ten, geschmacklos aufgeputzten Feiertagskleid, schnäbelte zornig bald