Eine kritische Stunde Am 29. November schon wieder Rasttag! Wir sollen hier in Ma¬ rie nburg verladen werden. Seit unserem Abmarsch von der rumä¬ nischen Kampffront wird dem Regiment dauernd dienstlich versichert, daß von hier aus Abtransport nach Deutschland stattfindet. In dieser Loffnung marschierten wir hierher. Da trifft heute der Divisionsbefehl ein, daß weitermarschiert werden muß. Die „Bahn- und Kohlenlage" schließen zur Zeit einen Bahnttansport aus, heißt es kurz im Befehle. Die Truppe ist begreiflicherweise auf das äußerste erregt. Sie hat dem dienstlich gegebenen Versprechen geglaubt, die Beschwerden des sehr anstrengenden Gebirgsmarsches durch die Bodzaer Alpen bei Schnee und Eis willig erttagen. Nun sieht die Truppe sich bettogen. Dazu kommt, daß ein anderes Regiment angeblich — nach Aussage des Sol¬ datenrates — wegen schlechter Lattung der Truppe mit der Bahn be¬ reits abtransportiert ist. Die aber in guter Zucht gebliebene Truppe soll nun marschieren! Das Schuhwerk ist zerrissen. Den Truppen fehlt die Winterausrüstung. Dazu heult der Schneesturm durch die Dorfstraße. Da ttifft die Nachricht ein, daß die Rumänen Siebenbürgen bis zum Maros fordern und jeden deutschen Soldaten, der östlich des Maros angetroffen wird, als Kriegsgefangenen behandeln werden. Die Gerüchte von der Entwaffnung und Internierung in Angarn treten mit erneuter Leftigkeit auf. Kein Wunder, daß die Truppe kopflos wird. Die Lage im Regiment ist dadurch plötzlich ernst geworden. Nun gilt es, persönlich einzugreifen. Ich versammle am Nachmittag mein Re¬ giment auf dem Marktplatze in Földvar und spreche eindringlich zu ihm. Offen und ehrlich weise ich auf den Ernst der Lage hin, ermahne zum kameradschaftlichen Zusammenhalten und warne vor Fahnenflucht und Meuterei. Ich erinnere an die Ruhmestaten des Regiments, an unsere Pflicht, im Gedenken an die Gefallenen den guten Ruf des Re¬ gimentes zu erhalten, schildere, wohin Zuchtlosigkeit führen muß, daß nur Zusammenhalten bis zum Äußersten uns vor der Kriegsgefangen¬ schaft, Not und Tod retten kann, und daß wir nur bei der Aufrecht¬ erhaltung der Manneszucht und bei gegenseitigem Vertrauen die ge¬ liebte deutsche Leimat wiedersehen können. Dann zeige ich auf die 64