74 Der unheinüidiß Von L. Nowak Man schreibt 1628. Es find unruhige Zeiten. Der obderennsische Bau ernkrieg hat eben ausgetobt. Das Land liegt schwer darnieder an den Wunden, die er ihm schlug. Auf dem Tenn seines schönen Vierkanthofes steht der Bauer Tobias Lehner. Er ist auch dabei ge wesen, der Wes. Eine Schramme von einem Sä belhieb zieht sich über seine Stirn, die hat ihm ein Löblischer Kroat geschlagen. Der Wes ist lang daran wund gelegen in seinem Hof daheim, sein Weib, die Susanna, hat ihn gesund gepflegt. Es ist ein grausiger Waffentanz gewesen, jetzt ist's aber aus. Und es ist wieder Ruh. Die Radl- führer sind zu Linz gerichtet worden, die Bauern hat der Kaiser pardonniert — nur fügen müssen sie sich. Der Tobias seufzt, streicht sich über die Stirn, als wollte er einen bösen Traum, ein schreckliches Erinnern wegwischen. Er überschaut die Vorräte an Weizen, Korn und Heu. Ist wenig genug da, ist schlecht gewirtschaftet worden das vergangene Jahr — soll heuer bes ser sein! Sein Hof ist ein stattliches Anwesen im Traun viertel. Die Gegend ist reich; sind freilich auch viel Schlösser da, denen man zinsen muß, aber es geht an. Zum Anbauen wird's und was an dem Wes und seinen Leuten liegt, das soll geschehen, daß es recht wird, das Jahr. Und der noch junge, gesunde, starke Mann werkt mit seinen Knechten und Mägden willig vom Mor gen bis zum Abend. Wie's dunkelt, geistert eine einsame Frauen gestalt auf den Hof zu. Noch ist die Tür offen und sie geht schnurgerad ins Vorhaus herein. Es ist ein warmer Frühlingsabend. Die Dienstleut sitzen grad bei der Abendsuppe am Vorhaustisch, der Bauer und seine Familie in der Stuben. Die Leut schauen die Fremde verwundert an. Wer ist denn die? Was will die? Schwarze Kleider hat sie an, eine Witwenhaube auf, ein schmales, blasses Gesicht darunter. Aber sie bietet frommen Gruß: „Grüß Gott." „Bauer, a Frau is da!" meldet einer der Bur schen. Tobias kommt aus der Stuben und tritt fra gend zur Fremden. „Was willst?" „Eine Herberg, ein Nachtlager, bin müde, bin von weither." Der Wes mißt sie vom Kopf bis zum Fuß. „Bist allein?" „Ja." „Allein? Ein Frauenzimmer — bei der Zeit?" „Ich bin von weither. — Gib mir eine warme Suppe. — Ein Bett. — Ich muß wieder weiter — morgen." Sie spricht erschöpft und abgerissen. Der Bauer zuckt die Achseln. Die Frau kommt ihm nicht ganz richtig vor. Sie hat etwas Irres im Blick. Jetzt sieht er einen goldenen Ring an ihrem Finger blitzen, Goldohrringe unterm dunk len Haar. Gar so weit kann die nicht her sein. Ist sie eine Welserin? Oder eine Bürgersfrau aus Kremsmünster? Er kennt dort viele Leute — sie aber nicht. Ist sie ein Flüchtling? Krieg ist ja noch draußen im Reich und drunten in Unterösterreich zittern sie vor den Schweden. Aber das Weib ist allein, ganz mutterseelenallein; das kommt ihm nicht ganz geheuer vor. Die Fremde hat sich derweil seufzend auf das Ende der Bank niedergelassen. „Müd, müd", wimmert sie leis, „hungerig . . ." Die Susanne, die Bäuerin, ist auch aus der Küche gekommen. Sie bringt der Fremden einen Löffel, sie soll mit den Dienstleuten aus der gemeinsamen Schüssel essen. Sie tut's auch, langt zu, aber nach ein paar Bissen hat sie schon genug. Einen Schluck Most nimmt sie noch, dann lehnt sie blaß an der Wand. „Müssen sie doch behalten", meint die Bäuerin zum Bauern, „sie kann ja nimmer weiter."