(100) geben, eine solche Last sei doch nur da, um einen selber krank und untüchtig zu machen. Frau Tanner wurde schwankend und ent- gegnete endlich: „Ja, Leute, gewiß, was ihr sagt, ist ja vollkommen wahr, aber ein paar Wochen will ich noch warten, ehe ich Lene entlasse. Wendet sich ihr Zustand während dieser Zeit noch immer keiner entschiedenen Besserung zu, so soll dann Meinetwegen euer Wille geschehen." Die paar Wochen gingen herum, und mit ihnen fand auch, durch die milden Lüfte be zwungen, die Herrschaft des Winters ein plötzliches Ende. geschwunden und während des Winters kehrte die blühende Farbe strotzender Gesundheit heller denn je auf Lenens wieder vollge rundete Wangen zurück. Die treue Anhäng lichkeit an ihre Herrschaft hatte sich nach ihrer Krankheit natürlich noch um das doppelte gesteigert und just ein Jahr darnach, als sie dem bitteren Sterben so nahe war und an ihrer Frau eine so opferwillige Pflegerin fand, hatte sie reichlich Gelegenheit, an der selben ihre unbegrenzte Dankbarkeit in gleicher Weise zu bezeigen. Frau Tanner sah einer schweren Stunde entgegen, und als diese nach heißem, er- . . . . Ueber dem Lager hing ein Schutzengelbild, auch auf dieses sah Lene hinauf. Dann aber kehrte sie ihr Antlitz, auf dem tiefe Blässe die Spur eines heißen Seelenkampses verriet, wieder dem jungen Manne zu Alles lebte auf und freute sich der neu erstandenen Frühlingspracht, und auch die Nachwehen von Lenens Krankheit schienen wirklich nur auf diesen Umschwung des Wetters gewartet zu haben, um endlich eine merkliche Wendung zum Schwinden zu nehmen. Des Mädchens Entkräftung nahm von Tag zu Tag ab und allmählich erinnerte sein Aussehen doch wieder annähernd an die frühere kräftige Lene. Im Sommer bedurfte freilich die arg Geschwächte bei mancher Arbeit noch einer ergiebigen Stütze, aber in den Herbsttagen war jede Spur von Krankheit schöpfendem Kampfe endlich vorüber war, lag neben dem kleinen, bange ersehnten Erdenbürger noch ein zweiter in der bereit gestellten Wiege. Es waren muntere Jungen, die sogleich mit voller Lungenkraft allerlei Anforderungen an das Leben stellten, aber die junge Mutter war nicht imstande, auch nur einen Finger zur Pflege der Kleinen zu rühren, sie hatte hart genug mit dem Tode zu ringen. Da war es nun die treue Lene, die sich voll überströmender Zärtlichkeit über die wimmernden Zwillinge beugte und mit sorg licher Hand die Mutter ersetzte.