Luftangriffe auf London
Aus dem Werk: „The Desence ofLondon/4 Von
A. R&wlinson. Verlag A. Melrose Esq., London
Der erste mir bekannte Luftangriff auf London fand in der Nacht vom 23. Mai
1915 statt und wurde von einer unbekannten Zahl von Zeppelinen, möglicher¬
weise nur von einem, ausgeführt. Ungefähr 90 bis 100 kleine Bomben wurden
in den östlichen und nordöstlichen Vierteln von London abgeworfen, 5 Menschen
wurden getötet und 14 verletzt, während der Sachschaden an den Gebäuden im
Verhältnis zur Zahl der abgeworfenen Bomben gleich Null war. Diese Tat¬
sachen illustrieren die Wirksamkeit der damals vom Feind benutzten Bomben für
die geplante Zerstörung. Indes zeigte sich die Sache in einem ganz andern Licht
für die Einwohner von London, die eine weniger intime Bekanntschaft mit der
Wirkung hochexplosibler Stoffe hatten und die ihre Insel für unangreifbar ge¬
halten hatten. In einer kurzen Nacht fanden sie, daß ihr Vertrauen auf die ab¬
solute Sicherheit ihrer Heime und ihres Eigentums in der gegenwärtigen Lage
eine Täuschung bedeutete. Das positive Ergebnis des Bombenabwurfs war das
„Erwachen" Londons; es herrschte kein Gefühl der Panik, aber sicherlich das der
Bestürzung. Allgemein war ein tiefer Ingrimm spürbar, daß solche Angriffe auf
unsere ungeschützten Frauen und Kinder möglich waren. Ein noch tieferes Ge¬
fühl von Unzufriedenheit, daß es kein Abwehrsystem gab, war im Wachsen, daß
unsere Heime der Gnade des Feindes ausgeliefert sein sollten, an dessen
mörderischen Absichten kein Zweifel sein konnte. Cs entstand daher eine starke
Bewegung, die von der Negierung die Einrichtung eines Luftabwehrdienstes
forderte.
... Nach dem Tagesangriff vom 7. Juli 1916 trat eine Pause in den Angriffen
ein. Diese erklärten wir uns so, daß sie der Ausbildung von neuen feindlichen
Luftgeschwadern galt; in Zukunft sollten nämlich der neue „Gotha"-Typ von
Bombenflugzeugen insbesondere für Luftangriffe auf London Verwendung
finden.
In der Nacht vom 4. zum 5. September 1916 kamen 26 verschiedene Bombenflug¬
zeuge herüber, und die abgeworfenen Bomben bestanden nur aus „Hochexplosiv¬
stoffen", es waren keine Brandbomben darunter. 14 Menschen wurden getötet
und 37 verletzt. Der Sachschaden betrug über eine halbe Million Mark. Zwei
weitere Nachtangriffe erfolgten am 24. und 25. September. Sie wurden von
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