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Anstatt der drei- bis vierhunderttausend Japaner, die von den Franzosen erwartet
wurden, veranlaßte Lord Kitchener im Herbst 1914 die Landung von 70 000
Indern in Marseille... Am meisten Soldaten lieferten die Gourkas und Sikhs.
Die Gourkas stammen aus Nepal im östlichen Himalaya und find mongolisches
Halbblut. Es sind kleine, untersetzte Menschen, selten größer als 1,60 Meter, mit
bronzenen Gesichtern, in denen sich nur die beherrschten Augen bewegen, die einen
ungewöhnlichen Glanz haben. Ihre Lieblingswaffe ist ein krummer Dolch, der
Koukri. Der Gourka trennt sich nie von seinem Koukri, weder im Frieden noch
im Krieg; er schneidet damit Äste ab, baut Hütten und gebraucht ihn als furcht¬
bare Waffe gegen seine Feinde in der Schlacht. Die Sikhs stammen aus dem
Pandschab, bei Kaschmir, und aus Afghanistan und sind groß gewachsene Menschen
von schöner Haltung, viele von ihnen find 2 Meter hoch. Die Züge sind regel¬
mäßig, der Teint hell, die Gesichter oval. Im Gegensatz zu den Gourkas schneiden
sie Vart und Haupthaare nie. Der Bart ist seltsam an den Wangen gekräuselt,
das Haar zurückgekämmt und unter dem Turban verborgen. Außerdem sind noch
da die Pathaus, meistens Reiterei, arabisches Halbblut; die Raipouts und
Dogras, zwei Völker arischen Ursprungs, ferner die Marabatten, ein Stamm von
Räubern und Mördern, die sich unterm Einfluß der militärischen Disziplin in
Soldaten von einem unwiderstehlichen Angriffsgeist verwandeln. . .
Die christlichen Inder essen alles. Für die Muselmanen genügt es, das Schweine¬
fleisch von der Ernährung auszuschließen. Aber für die meisten andern Soldaten
spielte die Ernährung in der Praktik ihrer Religion eine ausschlaggebende Rolle.
Ochse und Kuh sind heilige Tiere, kein Inder wird sie je berühren. Das Schwein
wird ebenfalls als unreines Tier zurückgewiesen. Hammel, Ziege und Huhn find
der niederen Kaste erlaubt, die obere muß vollständig vegetarisch leben, die Vor¬
nehmheit der Raffe verbietet ihr, alles anzurühren, was tierisches Leben hat.
Ihre Hauptnahrung ist der Reis, der mit verschiedenen pikanten Saucen zu¬
bereitet wird. Die Ziegen werden bei Sonnenaufgang von einem Opferpriester
geschlachtet. Um die Inder zu ernähren, mußten in den Alpen und Pyrenäen
alle Ziegenherden requiriert werden. Ihre einzigen Getränke find Wasser und
Tee, Alkohol nehmen sie nicht. Jeder Soldat ißt für sich. Das Religionsgesetz
verbietet, daß ein unreiner Schatten auf die Nahrung fällt, die den Göttern
gehört. Fällt der Schatten eines Christen, eines Feindes oder Freundes, auf ein
Gericht, so muß dieses ins Feuer geworfen werden. Infolgedeffen ist in der
Stunde der Mahlzeit der Zutritt in die indischen Lager streng verboten. Ärztliche
Hilfe nehmen sie nur von ihren eingeborenen Ärzten an, die eine Art von Zauberern
oder Devs sind. Von europäischen Präparaten verwenden sie nur Quinine. Sie
haben eine eigene Apotheke »end Operationstechnik, mit der sie übrigens auffallende
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