der Führung des Krieges als auch in der Fassung der Friedensverträge überall nachzuweisen. Das beste und für den echten Soldaten unerfreulichste Beispiel bietet jene Art der Propaganda, wie sie mit dem Ausbruch des Weltkrieges zum erstenmal in Erscheinung trat, und deren Kennzeichen es ist, daß sie das humanitäre Gewissen zu erregen sucht. Dieses humanitäre Gewissen kennt keinen Unter¬ schied der Nationen, es kennt keinen Feind, ja es kennt eigentlich auch nicht den Krieg — und dies ist wohl der tiefste Grund dafür, daß ihm jene Vergiftung der kriegerischen Auseinandersetzung, die sich tödlicher und nachhaltiger als alle blutigen Verluste erwies, in so besonderer Weise gelungen ist. Das humani¬ täre Gewissen richtet sich an das Idealbild einer gleichförmigen Menschheit, an ein Weltbürgertum, das keine Grenzen und Unterschiede kennt. In diesem Bilde stellt sich der Krieg, das mächtigste Zeugnis für die Ungleichheit des Lebens, als ein Zustand dar, an dem jede Teilnahme, jede Verantwortung geleugnet werden muß. Dies verhindert natürlich nicht, daß er mit allen Mitteln ausgetragen wird. Er ist aber nur möglich als ein Krieg, der im Interesse der ganzen Menschheit ausgefochten wird. Daher gibt es in diesem Zeitalter keine Macht, die sich zum Angriff zu bekennen wagt, und die nicht für sich in Anspruch nähme, in einem Verteidigungskriege begriffen zu sein, als dessen Ziel nicht etwa der Sieg, sondern der Friede, der Fortschritt, die Zivilisation oder irgendeine andere Humanitär gefärbte Wertung dem Bewußtsein vorgespiegelt wird. Zum andern aber ergibt sich, daß der Gegner nicht etwa als der Feind im natürlichen oder ritterlichen Sinne erscheint, sondern als der Gegner aller dieser Wertungen, also als der Gegner der Menschheit schlechthin. Dies ist die Vorstellung, aus der die infame und in viel tieferem als im Humanitären Sinne unmenschliche Verlogenheit entspringt, durch die sich unser Zeitalter weit schwerer als durch die Verwendung giftiger Gase belastet hat. Denn alle Zeitalter haben ihre Kriege gehabt, und der Tod bedeutet heute nicht mehr als je, aber keins hat sich durch eine niederträchtigere Vorstellung vom Gegner ausgezeichnet als das unsere. Um dies zu ermessen, tut man gut, die überlieferten Aufzeichnungen tödlicher, aber ritterlicher Feinde, etwa der Mauren und Spanier, zu vergleichen mit den Jahrgängen irgendeiner Zeitung, die in Europa während des Weltkrieges erschienen ist. Man wird hier auf eine Gesinnung stoßen, die keinen Feind mehr verträgt, und die sich daher gezwungen sieht, den Gegner verächtlich zu machen, damit sie ihn mit gutem Gewissen bekämpfen kann. Diese Gesinnung liegt in einer anderen Schicht als Krieg und Frieden, sie liegt auch in einer anderen als der nationalen; sie besitzt enge Beziehungen zur Demokratie, zur Weltmacht der Presse, zur Reklame, zum Gelde schlechthin, zu allem, was sich, sei es im Krieg oder im Frieden, dadurch auszeichnet, daß es auf eine schmutzige Weise Stellung nimmt. Daher kann es denn nicht wundernehmen, daß dieselben 10