er das, er sei sein Pferdewärter und gehe eben zu ihm. Ich mit, wieder eine halbe Stunde weit. In der Wohnung wurde mir der Bescheid, der Doktor sei gerade zur Sanitätsanstalt gegangen, und zwar über die Felder. Deshalb hatten wir ihn nicht getroffen. Also ging ich über die Felder, von grenzenlosem Ärger über mein Schicksal und überzeugt, daß der Arzt eben auf der Landstraße heimkehre, so daß ich ihn wieder ver¬ fehlen werde. ,,Du, Körper/4 sagte meine Seele, „wir sind zwar Feinde von Geburt an, aber jetzt, da wir im Kriege sind und beide von anderen Mächten gepeinigt werden, könnten wir Frieden schließen. Ich bin genug geplagt, plage wenigstens du mich nicht mit Halsschmerz, Schnupfen, Magenschmerzen, Müdigkeit, Fußwunden, Rheumatismus, erfrorenen Zehen, Schmutz, Hunger und Krätze. Ich will dir dein Leid tragen helfen, erleichtere meines. Hast du denn gar kein Gefühl?“ „Hast du denn gar keinen Körper?“ gab der Leib brutal zurück. „Nimm doch Vernunft an,“ flehte der Geist. „Nimm doch Gestalt an,“ höhnte der Körper. In der Sanitätsanstalt fand ich endlich Dr. Nocar. Er unter¬ suchte mich und schüttelte den Kopf: „Du hast keine Krätze. Das können Flohbisse sein oder eine Reizung der Haut.“ Samstag, den 12. Dezember 1914. Abends konnte ich nicht einschlafen, denn das Jucken hat trotz der beruhigenden Diagnose des Oberarztes leider nicht auf gehört. Obwohl das Zelt höchst baufällig und schlapp war, fror ich nicht, denn, ein seltsames Phänomen, die Nächte sind im Dezember hier wärmer als im August. Auch die Tage scheinen von nichts weiter entfernt zu sein als vom Winter. Heute ist ein wundervoller Frühlingstag, und in der Mittagsstunde, als wir von Progon nordwärts nach Gigani bei Meljak marschier¬ ten, war uns so heiß, daß wir den Mantel ausziehen mußten. 228