— 30 - Ich übergehe für jetzt die äußerst gewichtige Frage hin¬ sichtlich der sofortigen oder aufzuschiebenden Ausführung des eventuellen Abkommens, obwohl die verschiedene Art ihrer Lösung unausbleiblich zurückwirken würde auf den Wert der zu treffenden Abmachung. Von seiten Italiens verlangt Baron Burian an erster Stelle die Verpflichtung, eine wohlwollende Neutralität in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu bewahren. Hier heißt es sich unzweideutig zu verstehen. Wenn unter diesen Worten die Verpflichtung verstanden wird, eine vollkommene und aufrichtige Neutralität zu befolgen und aufrechtzuerhalten, wie wir sie bis jetzt beobachtet haben, so hätte ich dagegen nichts einzuwenden; aber ich muß zu bedenken geben, daß die geographische Lage Italiens im Mittelmeer ihm jedwede Be¬ günstigung der einen Gruppe von Kriegführenden verbietet, die Repressalien seitens der anderen, die das Meer beherrscht, hervorrufen könnte, wenn es nicht sein ganzes Wirtschafts¬ leben aufs Spiel setzen und dadurch die Bevölkerung alle Schäden, die ein Krieg mit sich bringt, spüren oder sich wider Willen in den Kampf verwickeln lassen will. Baron Burian verlangt weiter, daß in Albanien das gegenwärtige Abkommen zwischen Oesterreich-Ungarn und Italien sowie die Beschlüsse der Londoner Konferenz in Kraft bleiben. _ Es ist nun für Italien nicht möglich, Oesterreich-Ungarn Aktionsfreiheit auf dem Balkan zuzugestehen, ohne nicht ein¬ mal zu verlangen, daß Oesterreich-Ungarn sich willig in bezug auf Albanien desinteressiert. Indem ich mich zur Substanz der angebotenen Abtretung wende, will ich nur im Vorübergehen bei einigen der kleineren und sekundären Fragen verweilen, die Baron Burian ver¬ zeichnet,^ da es unmöglich ist, sie mit Erfolg zu erörtern, bevor nicht der Hauptpunkt vereinbart ist: die Ausdehnung der abzutretenden Gebiete. Ich kann nicht verstehen, welche Rechtfertigung die Forde¬ rung einer Pauschalsumme als Kompensation für die staat¬ lichen Investierungen in den abzutretenden Gebieten haben könnte. Soweit solche Investierungen nicht bezahlt wurden mit den aus den besagten Gebieten gezogenen Auflagen, würde es notwendigerweise durch die Emission der Staats¬ schulden geschehen sein, so daß sie gedeckt bleiben durch die Staatsschuldquote, die wir zu übernehmen hätten. Wenn außerdem Baron Burian von der Staatsschuld spricht, deren Teilquote man berechnen müsse, um sie auf Italien zu übertragen, auf welche Epoche hat sich das zu be¬ ziehen? Auf die Schuld, wie sie am Anfang des Krieges war, oder vielmehr auf genau den Tag, an dem die Ab-