Historische und topographische
Darstellung
der
Pfarren, Stifte, Klöster,
milden
Stiftungen und Denkmähler.
i m
ErzherzogLhnme Oesterreich,
Herausgegeben
»on
einigen Freunden der Geschichte.
Vierter Band.
Baden mit dem Stifte Heiligenkreuz und der Umgegend,
oder:
das DecänaL Baden der Wiener-Diöcese.
Mit einer Abbildung, und der Karte des Decanates.
Wien 18 25.
WMWWM,
V. v. i ,
Historische und topographische
Darstellung von Baden
und
dem Stifte Heiligenkreuz
mit ihrer Umgegend;
mit
besonderer Rücksicht
auf
Pfarren, Stifte, Klöfter,
M i l d e
Stiftungen und Denkmähler.
Herausgegeben
einigen Freunden der Geschicht
Mit einer Abbildung, und der Karte des Decanates.
- 1t
Wien 1825.
In Commission bey Anton Doll.
w?*R8äBi<' "ilWIjJ
Vorrede.
Ä)enn der dritte Theil der kirchlichen Topographie nach
einer Unterbrechung von drey Jahren nur mit der Hoff-
nung an das Licht trat, daß- duH -sein Erscheinen dem
Mangel an einem ähnlichen Werke, seit W e i s k e r n'ö
thätigem Wirken, abgeholfen, und dadurch dem Ver-
langen würdiger Freunde der Geschichte nach Beyträ-
gen für die vaterländische Länderkunde, vorzüglich zur
Kenntniß des Zustandes der christlichen Re-
ligion in Oesterreich genug gethan werde: so darf
der gegenwärtige Band mit aller Zuversicht hervortreten,
zu der ihn die günstige Aufnahme des dritten Bandes
berechtiget. Er enthält die historisch-topographische Dar-
stellung eines Dekanates, das schon durch den allge-
mein beliebten Badeort, und ein berühmtes , den Zei-
ten der.Babenberger angehöriges Stift, die Aufmerk-
samkeit der Freunde unseres Vaterlandes auf sich zu
ziehen ganz geeignet ist. Weiter führt er den Leser an
vielen Ortschaften vorüber, die an der von frommen
Wallern häufig besuchten Straße nach Mariazell liegen,
oder ihr nahe sind. Hier schließt er sich enge an die vor-
hergegangenen Bände der kirchlichen Topographie an,
und gibt für den kommenden fünften die Schlußkette.
Denn, wie bereits in einer eigenen Ankündigung gesagt
wurde, lieferten die beyden ersten Bände die histori-
sche Darstellung von Klosterneuburg und seiner Um-
gegend und jene von Schönbrunn mit seinen nachbar-
lichen Kirchhnelen, und dadurch die Beschreibung aller
Orte, welche sich von Höflein an der Donau bis Sim-
mering, d. i. von den Linien Wiens in einer Entfernung
von zwey deutschen Meilen gegen Ungarn, Steyermark
und Oesterreich ob der Enns hinziehen; der dritte Band,
welcher das Decanat Laa enthält; schildert alle Orte,
welche an der genannten Straße von der Spinne am
Kreuze bis in den Hinterbrühl vorkommen, und der ge-
genwärtige vierte Band beschreibt endlich alle Pfarren
von Hinterbrühl bis Alland, von welchem Orte bis Alten-
markt es dem fünften Bande vorbehalten bleibt, fer-
nere Schilderungen zu liefern, und durch ein allgemei-
nes Inhalts - Verzeichniß eine Uebersicht über alle fünf
Bände zu geben.
Da das Decanat Baden auch mehrere im grauen
Alterthume blühende, nun verfallene, und nur noch in
einigen Ruinen stolz emporragende Schlösser, und viele
uralte Pfarren enthält, deren Geschichte dieser vierte
Band dem Leser darstellt, so wird er auch allen, die
nebst der Erweiterung ihrer Kenntnisse zugleich eine
nützliche Unterhaltung wünschen, willkommen seyn. Fal-
len dem geneigten Leser in diesen Blättern die vielen
und verschiedenen Patronate, und der häufige Wechsel
der Gutsbesitzer auf, so wird ihm auch die Ueberzeu-
gung nicht mehr ferne seyn, aus wie vielen und ver-
schiedenen Quellen die Verfasser der kirchlichen Topo-
graphie schöpfen mußten, um ihre Darstellung so viel
als möglich, vollständig und gründlich zu machen; ob-
wohl er sich als Patriot zugleich über das gefällige
Mitwirken aller derjenigen freuen darf, die mit so vie-
ler Bereitwilligkeit zur Vollendung des Ganzen beyge-
tragen haben.
V
Die Herausgeber verdanken die Angaben über Klali-
sten - Leopoldsdorf Sr. Excellenz dem k.k.
Oberstjagermeister, Herrn Grafen v.Hoyoö,
durch das Einschreiten der ihm untergeordneten Be-
hörde; — die Geschichte des deutschen Ordens in
Oesterreich Sr. Excellenz, dem Commenthur
des Ordens, Herrn Grafen v. Har rach, un-
ter der Mitwirkung des Herrn Hofrathes und ge-
heimen Referendarius des Ordens, von
Schön, so wie des Herrn Ordens-Secretärs
Butz; — ferner die Beschreibung der Pfarre Gum-
poldskirchen den Nachforschungen des Herrn Pfar-
rers Joseph Her born; die Berichte von Tribus-
winkel dem Herrn Pfarrer Ignaz Bugl, unter
der Beyhülfe der herrschaftlichen Kanzley, und des
Herrn Lehenpropstes, Ritters v. Le wen au;
die Beschreibung von Guntramsdorf, von Schön-
au, von Ginselsdorf und St. Helena den
Herren Pfarrern dieser Orte, Florian Stangl,
Matthäus Ringhofer, Joseph Rohr und
Eugen v. Haus; — die Geschichte der Pfarren des
Benedictiner - Stiftes Melk > Traiskirchen und
Gainfahren, sammt der Geschichte von Merken-
stein und Leestorf, dem Capitularen dieses Stiftes,
Herrn Ignaz Kaiblinger.
Auszüge aus den neueren Schriften über Baden
und dessen Heilquellen, deren Titel bey der Darstel-
lung dieses berühmten Badeortes vorkommen, die Aus-
wahl des Zweckmäßigen aus diesen schätzbaren Werken,
so wie Beyträge aus mehreren anderen in dem wissen-
schaftlichen Schatze Klosterneuburgs befindlichen Quel-
len, endlich die Darstellung der Stiftspfarre Tatten-
ximilian Fi-
scher, Capitularen des Stiftes Klosterneuburg, nun
öflein an der Donau. Der Herr Pfar-
fstätten, Malachias Koll, Capi-
tular des Cisterzienser - Stiftes Heiligenkreuz, hat aus
Urkunden seines Stiftes, aus dem Archive der
öt Baden, und des Herrn Dechants allda, Bey-
ferner die Geschichte seines Stiftes, das
in dieser Hinsicht in unseren Zeiten zu wenig gewürdiget
war, und die Darstellung aller diesem Stifte zugehöri-
gen Pfarren gegeben. Dem großen Umfange seiner Lo-
calkenntnisse dankt dieses Werk so manche topographische
Züge und Berichtigungen, welche es dem Freunde der
Vaterlandskunde angenehm machen werden. — Obschon
die Herausgeber der kirchlichen Topographie alle Quel-
len sorgfältig benützt haben, welche ihnen zu Gebothe
standen; so möchte doch hier und da Manches im Ver-
borgenen unbenützt liegen, was nicht zu ihrer Kenntniß
kommen konnte. Darum ersuchen sie alle Freunde der
Geschichte und der vaterländischen Länderkunde, welche
Zusätze und Berichtigungen zu geben vermögen, diese!-
an die Anton Doll'sche Buchhandlung porto-
frey einzusenden, damit sie, als Nachträge theils zu
dem gegenwärtigen, theils zu den'drey vorhergehen-
den Bänden, dem Drucke übergeben werden können.
Wien am i. October 1824.
Erste Fortsetzung
des
Verzeichnisses der P. T. Subscribenten.
Baus back Gottfried, C apitular des Stiftes zu Zwettl, «nd Pfar-
rer zu Edelbach.
Bosch 2lnton, bürgert. Handelsmann, und Armenvater zu Baden.
Burg Hofer Veda, Capitular des Venedictiner Stiftes zu Salz-
burg, und Cooperator in Dornbach.
Berlin Conrad, Pfarrer zu Trumau,
Braun Alexander, Prafect der Sängerknaben,
Er ritz Crnest,
Fidler Carl, Pfarrer zu Minkendorf,
Fuchs Rudolph, Cleriker, Hörer der Theologie,
Furcht Gotthard, Sastner und Kellermeister,
Gindl Leopold, Küchenmeister,
Gr ein er Bernhard, Cooperator an der Stiftskirche,
Grünbeck Gregor, Catechet an der Stiftskirche,
Koll Malachias, Pfarrer zu Pfaffstätten,
Lendway Martin, Waldschaffer, \
Mühlhauser Udalrich,
Prab Maximilian, Vice - Prafect an der theol. Lehranstalt
im Stifte,
Schwan Engelbert, Wirthschafte.-Verwalter der Herrschaft
Trumau,
Seidemann Franz Xaver, Abt des Stiftes,
Sterz Caspar, Prior und Pfarrer an der Stiftskirche,
Strack Eugen, Cleriker, Hörer der Theologie,
Weis Nepomuck,
Wiedermann Ignaz, Professor der Moral an der theol.
Leh ranstalt, - - ,
DiNing erFelix, Hofrathbey der k. k. allgemeinen Hofkammer.
- rnrazusöMch «zi-isiZ qun usivWiiÄvZ
VIII
Einfalt Romuald, TiLular-Eonsistorialrath, l.f. Pfarrer, und
Dechant in Pirawarth.
Ehrlicher Bartholomaus, Domherr und Kanzley-Director des
Consistoriums von St. Pölten.
Faust in M. Albrecht, aus dem Orden der Serviten, Cooperator
n Gutenstein.
Freindaller Franz, der Theologie Doctor, Capitular des^Stift
tes zu St Florian, und Pfarrer zu Vöklabruck.
Se. Eminenz, Herr Carl Graf von Gaisruk, Cardinal, k.k. geh.
Rath, Groß-Dignitar, Kron-Caplan des Lombard. Venet.
Königreiches, und Erzbischof von Mailand.
Hacker, Ferdinand Edler von, k.k. Hofrath der Obersten Justizstelle.
Hahn, Leopold Freyherr von, Ritter des St. Stephan-Ordens,
k.k. Hofrath,
Hauer, Leopold Edler von, k.k. Gubernialrath, Kreishauptmann
an der Etsch, und Director der Gymnasien zu Bohen und
Meran.
Helm Rupert, Capitular des Venedietjner-Stiftes zu Melk, und
Wirthschasts-Verwalter zu Leestorf.
Haus, Eugen von§ Pfarrer zu St. Helena.
Laudinger Johann, bürgert. Handelsmann, und Inspektor der
bürgerl. Höfe von Gaming und Heiligenkreuz in Baden.
Leonar dis Anton, Bischof in Triest.
L u s ch i n Franz Xaver, Fürstbischof in Trient. .
Lußmann Joseph, Kanzley-Director des fürsterzbischöflichen Con?
flstoriums.
Megerle von Mühlfeld, k.k. Rath, Mitglied mehrerer gel.
Gesellschaften, Director des Archivs der k. k. Hofkammer.
Mayer Paul, Capitular und Kämmerer des BenedictinerrStistes
zu St. Peter in Salzburg,
o r a w e h Joseph, bürgert. Apotheker in Baden.
Orgler Joseph, der Theologie Doctor, Domherr inPreßburg.
Otschkay Anton, der Theologie Doctor, k.k. Hof-Caplan.
Peter, Don Johann Baptist, aus dem Collegium der PP. Bar-
nabiten zum heil. Michael.
tkowich, JosephaEdle von, geb. von Csemez, k.k.Hofraths-,
Witwe.
Pollack Joseph, Verwalter der Herrschaft Tribuswinkel.
Pyrker von Felsö-Eör, Ladislaus, k.k. geh.Rath, Patriarch
von Venedig.
Reittenberger Carl, Abt des Pramonstratenser-StifteS Tepl in
IX
DU lief Anton, Wundarzt in Baden.
Rotter Verthold, k. k.Nath, Fürst-Abt des Benedictiner-StisteS
St. Paul.
Rücker Anton, Magistrathsrath in Baden.
Schabt Johann, fürsterzbischöfl. Consistorialrath, Dechant, Pfar-
rer, und Distrikts-Aufseher in Baden, mit 10 Ungenannten.
Schenck Carl, k.k. Sanitatsrath, und Badearzt in Baden.
Schmidt Joseph, Capitular des Stiftes zu Zwettl, Dechant zu
Schweiggers.
Schuht Joseph, Ortsrichter zu Pfaffstätten.
Seelhammer Anton, Domherr von St. Pölten, l.f. Pfarrer und
Dechant zu Raabs.
Sillipp Norbert, Consistorialrath, Dechant, und Schuldistricts-
Aufseher des Decanats Egenburg; reg. Chorherr des Stiftes
von Herzogenburg.
Stadler Joseph, bürgert. Wachszieher in Baden.
Stipal, Capitular des Stiftes zu Lilienfeld, Pfarrverweser zu
Unterdirnbach.
Stöger, Carl Freyherr von, k.k. Landrath in Laybach.
Thys, Joseph Edler von.
Weber Johann Baptist, Pfarrer zum heil. Leopold in Wien.
Weber Joh. Philipp, Secretar des Collegiums der Ni. Oest. HH.
ständischen Verordneten, und Negistraturs-Direktor.
Weigl Joseph, k.k. privil. Großhändler.
Wein schenk Anton, Oberkämmerer der Stadt Baden.
Weintritt Vincenz, Pfarrer in Reh.
Wolf Vincenz, Bischöfin Laibach.
Zängerle Roman, der TheologieDoctor, Fürstbischof in Sekau.
Zettl Ambros, Cooperator an der Stadtpfarre in Baden.
VIII
Nachricht
an die P. T. Herren Abnehmer.
3« den drey bisher herausgegebenen Bänden ftnb getreue Abbildungen der
Kirchen, Stifte, Klöster und Denkmähler, schwarz das Stück zu »2 Kr.,
illuminirt zu 20 Kr. W. W. zu haben. 25 für den ersten Band, 3ofür
den zweyten, und 4<> für den dritten. Jene zu dem gegenwärtigen Bande
werden bis ».Januar ganz vollendet seyn.
Inhalt.
Ällacht (Alland) ................ . . . . .... . . . . . Seite,
Glashütten ...............................................6
Pölla.............................................. ___ 6
Groisbach ................................................5
Mayerling ........ ................................... —. 7
Gaden............................................................8
Filiale Sparbach.................................... — ,9
Baden..................................................... — 23
Leeftorf...................................... . . — 94
................ 99
Braiten...........................................—. ioi
Alland-Alleegaffe....................................._ 102
Allan dg affe und Ziegelöfen...................... — »02
Sauerhof und Thurmgasse...............................— io5
Dörfer, und Marienspital............................ — 106
Gutenbrunn............................................— 108
Gainfahrn.................................................. I10
Filiale Vöslau...........................................n5
Filiale Groffau................................... . — 118
Filiale Merkenstein.....................................119
Ginselsdorf.................................................. 12£
Filiale Teestorf................................... . __ 125
Gumpoldskirchen .............................................— 126
Tallern......................................r /N _ ,45
Gundramsdorf ........................... . .... . — ,47
Sanet Helena . .................................. * * _ ,54
Rauhenstein ......................................... _ 1s9
Weikerstorf ..........................................— x63
Dörfer . . ....................... . .............— 166
Boint .............................................. — 167
Leithen ....................................... . . —. ,67
Wolfsthal . . .............................! ! ! — x72
Stift und Pfarre Heiligenkreuz .............................._
A. Geschichtliche Darstellung .......................— i75
B. Topographische Darstellung....................' . — 229
Kottingvrunn.............................................. — 237
Wagram............................................... — 340
Klausen - Leopoldsdorf...................................... — 341
XII
Münchendorf ...................................Seite «4^
Oberwalterstorf................................... . — «45
Oenhausen. ............................... — «54
Pfaffstätten .......................................— -65
Raifenmarkt....................................... — 263
Sittendorf .................... — 270
Dornbach .....................................— 27Z
Rohrberg......................................— 273
Neuweg...................................... — 273
Wildeck..................................... — 273
Sooft...............................................— 276
Sultz............................................. — 279
Lattendorf ............................ . . . ... —28»
Hadmanstorf................................. — 283
Gevendorf ................. . . . .........— 284
Traiskirchen...................................... — 284
Filiale Möllerstorf...........................— 298
Filiale Wienersdorf . . .......3o»
Tribuswinkel.........................3o3
Trumau.............. t .. .......................— 309
Historische und topographische
Darstellung von Baden
und
dem Stifte Heiligenkreuz,
mit ihrer Umgegend.
I. Pfarre Macht. (Alland) ’).
Ort wird in den älteren Urkunden Adaleth, Ade-
lathe, Aleuthe, Aleth, Alaecht, Alach, AlauM^
Luden neueren Altacht oder Alland, im gemeinen (m- ß
brauche Alend genannt. — Abt Clemens Schaffen
bemerkt über den Nahmen dieses Ortes in seiner Handschrift:
Nötitia universalis monasterii S. Crucis an: Den Nahmen
Allacht hat der Ort vielleicht dadurch erhalten, daß 8 Kirchen
zu ihm gehörten, nähmlich: r) die Ortskirche, als die Mut-
terpfarrkirche; 2) die Filiale Merkenstein, welche erst im An-
fange des r5tenJahrhundertes durch die Herren von W al see
von der Mutterpfarre losgekauft wurde; 3) Schwarzensee,
welches jetzt zur Localie Raisenmarkt gehört; 4) Raisenmarkt,
seit dem 1.1783 eine eigene Loealie; 5) Mayerling, welches
noch denyahlen der Pfarre Alland zugetheilt ist— im I.
i55o kaufte Abt Conrad Hl. von dem Stifte Klein-Ma-
riazell einen Unterthan in Meierling, mit 3 Talenten jähr-
lichen Einkommens, für das Stift Heiligenkreuz; — b) Spar-
bach , welches schon im i3ten Jahrhundert von Alland ge-
trennt wurde; 7) Sittendorf, welches auch im »4^« Jahr-
hundert einen Weltprtester als eigenen Pfarrer erhielt, dann
später von Geistlichen des Stiftes Heiligenkreuz versehen
wurde, aber der Pfarre Alland wieder bis zum I. 1783 un-
tergeordnet blieb; 8) Groisbach, noch zur Pfarre gehörig.
Allacht ist ein Dorf, eine Stunde westlich von Heiti-
genkreuz, an der von Wien nach Groß-Mariazell führenden
Straße, in einem angenehmen, von Waldungen, Aeckern,
Wiesen und Gärten umgebenen Thäte, welches der Schwe-
charfluß durchfließt, der hier aüch Klausfluß oder Schwemm-
bach genannt wird, weil er von dem eine Stunde von hier
nordwestlich entfernten Orte Klausen-Leopoldsdorf bis zürn
*) Aus den Urkunden des Stiftes HeiluMkreuz.
A
2
Helenenthale bey Baden zur Hotzschwemme benützt wird. Die-
ser Ort zahlte, nact; dem erzbischöflichen Protokolle im Jahre
,786, 71 Häuser und 600 Seelen; jetzt bey 60 Häuser und
800 Seelen; die Bewohner sind alle katholischer Religion,
und nähren sich von Ackerbau, Viehzucht, Taglohn, Holz-
« Kalkhandel, und einigen Handwerken. Es wohnt hier
ein k. k. Oberförster, und ein k. r. Waldbereiter , wel-
^ che die Aufsicht über die landesfürstlichen Wälder dieser Ge-
gend haben; auch ein k. k. Holzschwemm-Director, der die
Holzschwemme im Schwechatfluffe zu leiten und anzuordnen
hat. Das Amt eines Forstmeisters zu Alland hat schon im
Jahre i358 Herzog Rudolph IV. mit dem Hofjägeramte
vereinigt.
In den Jahren i456 bis 1460 war allhier zu Alland
Forstmeister Sigmund Eitzing er, welcher sich mit Ge-
walt gegen den Kaiser Friedrich IV. erblich im Genusse und
v Besitze dieses Amtes behaupten wollte. In einer Urkunde wird
gesagt, daß denselben der junge König L ad is la u s zum Forst-
meister zu Alland bestellt habe.
Daß dieser Ort so verschiedene Nahmen führt, rührt her
theils von der Unbestimmtheit der deutschen Schreib - und
Mundart in älteren Zeiten, theils von der Bequemlichkeit in
, der Aussprache neuerer Zeiten, da man durch Versetzung und
Weglassung einzelner Buchstaben die Wörter verkürzte, wo-
durch zwar dem Geschichtforscher die Untersuchungen erschwe-
ret werden, doch der Ursprung und die Identität der meisten
solcher eigenen Nahmen noch kennbar bleibt, wie es auch hier
mit dem Orte Allacht oder Alland der Fall ist. Von diesem
Orte geschieht zuerst Erwähnung unter dem Nahmen
Adaleth, im Jahre n35, in einer Urkunde, in welcher Re-
g.inmar, Bischof von Paffau sagt, daß die Vorfahren des
heil. Markgrafen Leopold IV. den Zehent daselbst saeculari
consuettidine, non jure canonicö sich zugeeignet hätten.
Diese Worte sind zugleich ein Beweis , »daß dieser Ort schon
viel früher vorhanden gewesen sey. Im Jahre 1136 schenkte
der Bischof von Paffau, Reg in mar, dem Stifte Heili-
genkreuz auf ewige Zeiten den Zehent der Umgebung des
Stiftes/ und erhielt dafür vom Landessürsten Leov^l'd IV.
zwey Lehen oder Huben (mansös) zu Aleth und Murlingen.
Daraus läßt sich mit Rechr schließen/ daß damah'/s der Lan-
desfürst eigenthümlicher Besitzer dieser Gegend §var. In der
Stiftungs-llrkunde von Heili.genkreuz im Jahre n36 kommt
einEberger von Adetat he als Zeuge vor. Der Ort hat
weder diesem adeligen Geschlechte seine Entstehung zu danken,
oder dasselbe kam später in den Besitz wenigstens eines Theiles
von diesem Orte, mit dem es gleichen Nahmen führt; öder-
es erhielt denselben von dem Landesfürsten erblich zürn Lehen.
Von den späteren Abstämmlingen dieses Geschlechtes erwähnt
der Schriftsteller Huber eines Albert, mit dern Beynah-
men Feusel von Al echt, der im Jahre 12Z7 vorkömmt. Der
Geschichtsforscher Ha nt Haler nennt im Jahre 1292 einen
Rüger, im Jahr i3oo einen Eberhard, im Jahre r34o
einen Leut hold, im Jahre-342 einen Rüger und seinen
Bruder Johann, im Jahre i353 einen Ulrich, im Jahre
1406 einen Wolfger von Alaecht, und im Jahre i4*3
einen Hanns von Alach. Ob diese auch im beständigen Be-
sitze des Ortes Alland oder Attacht geblieben seyen, ist unbe-
kannt. Dieses Geschlecht scheint im i5ten Jahrhunderte ausge-
storben zu seyn. Von den Schicksalen des Ortes Allacht
ist wenig bekannt; man weiß auch nicht bestimmt anzuge-
ben, wann und wie die gegenwärtigen Ortsherrschaften und
Grundobrigkeiten, daS Stift Heiligenkreuz, das k. k. Wald-
amt, die Herrschaft Kottingbrunn und Klein-Mariazell,
zu diesen ihren Gerechtsamen, gelangten. — Es ist auch die
Zeit der Entstehung der hiesigen Pfarre unbe-
kannt; doch ist gewiß, daß dieselbe sehr alt, und schon lange
vor der Stiftung des Klosters Heili.genkreuz vorhanden gewe-
sen ist, indem unter der Oberaufsicht der Bischöfe von Paffau
dieser ganze Waldbezirk derselben untergeordnet war, und die
Seelsorge von Alland aus durch Weltpriester missionsweise
versehen wurde. Ein solcher Pfarrer von Alland, Leopold,
harte um das Lahr 1246 mit dem Stifte Heiligenkreuz
unter dem AbtevEgilolf einen Streit wegen des Zehents,
welcher aber bald gütlich beygelegt wurde. Otto, ein um
A 2
das^Jahr »320 verstorbener Pfarrer zu Alland, wurde in der
alten Marrkirche zu Heiligenkreuz begraben. In deü Ritter-
schlössern^und Bergvesten versahen die sogenannten Burgpfaf-
fen den GMtesdienst, und übten die Seelsorge als eine Art
von Local-Wplänen; daher diese Vesten, oder die anliegen-
den Mrierhöf^und Dörfer ihre besonderen Capellen hatten,
W!s denen später eigene Pfarrkirchen wurden, wie dieses bald
mit den Oertern Gaden, Sparbach, Sittendorf und Mer-
kenstein der Fall war. Das Stift Heiligenkreuz hatte für den
Gottesdienst und die Seelsorge des Klosters seine eigenen
Priester, und seine eigene Klosterkirche; aber die für die
Laren im Jahre 1278 erbaute Pfarrkirche, war der Pfarre
Alland untergeordnet, bis Heiligenkreuz im Jahre 1643 auch
zu einer von Alland unabhängigen Pfarre gemacht wurde.
Das Patronats- Recht über die Pfarre Alland üb-
ten ursprünglich die Landes fürsten, später erhielten das-
selbe die H e rz 0 g e v 0 n M ö d lin g; daher auch im Jahre
i 25o Gertrud, eine Tochter H e i n richs deöGrausa-
m e n, und Gemahlin des Hermann, Markgrafen von Ba-
den, dasselbe im Besitze hatte, als sie in diesem Orte Alland
ihren Sohn Friedrich gebar (nach dem Ausdrucke der Schen-
kungsurkunde r Ibi feliciter enixa est puerum); daher sie,
zum dankbarlichen Andenken, diese Pfarre mit dem Vogt- und
, Lehenrechte, so wie dieselbe ihre Vorfahren besessen hat-
ten, im Jahre 1623 dem Stifte Heiligenkreuz schenkte;
welche Schenkung König Ottokar im Jahre 1264, dann
Papst Alerander IV. und Otto, Bischof von Passau, im
Jahre 1255 bestätigten. Im Jahre >38o wurde diese Pfarre
durch den Cardinal Guido und durch Albert, Bischof
Passau , gänzlich dem Stifte Heiligenkreuz incorpo-
welche Jncorporation vom Papste Urban VI. und
>rg Bischof von Passau im Jahre 1889 bestätigt wur-
, mit dem vom Bischöfe Reginmar dem Stifte ertheil-
ten, und vom Papste Gregor IX. und von Ru d ger Bi-
schof von Paffau bestätigten Zehentrechte, und dem Befugnisse,
diese Pfarre entweder mit Stiftsaeistlichen oder Welpriestern,
s
erste bekannte Pfarrer atthier, aus dem Stifte Heiligenkreuz
hieß Nicolaus; er wurde im Jahre i38i durch Johann
Bischof von Paffau eingesetzt, trat aber noch im nähmli-
chen Jahre, mit Bewilligung des Abtes von Heiligenkreuz,
Colmann II., diese Pfarre an einen Weltpriester, Ja-
ko b v on Pruck ab. Als aber dieser später die Pfarre Haugs-
dorf übernahm, wie aus einer Urkunde vom Jahre 1428 er-
hellet, so wurde im Jahre 1411 vonG e o rg Bischof von Pas-
sau obiger Nic 0 laus, Stiftsglied von Heiligenkreuz, wieder
als Pfarrer zu Alland eingesetzt. Es mag vielleicht noch öfter
ein Wechsel von Weltpriestern und Stiftsgeistlichen auf dieser
Pfarre Statt gefunden haben, durch den Mangel an StiftS-
geistlichen veranlaßt; doch ist hierüber nichts näher bekannt»
So viel ist aber gewiß, daß unter dem Abte Udalrich II.,
welcher im Jahr »684 starb, das Stift Heiligenkreuz nur
drey Priester hatte, von welchem einer Pfarrer zu Alland war.
Nach dem Zeugnisse der Handschrift: Corona offieialium
Sanctae Crucis, waren im 17*™ Jahrhunderte, vom Jahre
1601 bis 1700, 3i Stiftsgeistliche von Heiligenkreuz in un-
unterbrochener Reihe atthier Pfarrer, jedoch alle von der will-
kührlrchen Bestimmung des Stifts-Abtes abhängig, der sie,
so oft er es für gut fand, verändern, und zu einer andern
Stiftspfarre, oder einem andern Geschäfte bestimmen konnte.
Daher geschah es auch, daß eine solche Stiftspfarre biswei-
len in einem Jahre zwey auch drey verschiedene Seelsorger
nach einander erhielt, und das nähmliche Individuum im
nähmlichen Orte die Seelsorge mehrmahlen übernehmen mußte.
Der Protestantismus fand zwar auch in der Pfarre
Alland Eingang, besonders zu S ch w ar z e n see, wo sich so-
gar ein protestantischer Pastor eindrang; aber durch den klu-
gen ausharrenden Eifer der Aebte von Heiligenkreuz und der
Pfarrer von Alland, wurde derselbe wieder verdrängt, und
die Bewohner zur Religion ihrer Väter zurückgeführt.
Als im Jahre i683 die Türken Wien belagerten und
das ganze Land verheerten, flüchtete sich Friedrich Koch,
der damahlige Pfarrer von Alland, in das Stift Rhein in
Steyermark, und. diese Pfarre war vom 8. Julius bis Ende
6
Septembers unbesetzt; dann wurde sie wöchentlich abwechselnd
von Geistlichen des Stiftes Heiligenkreuz versehen, bis im Junius
1684 obiger Friedrich Ko ch wieder als Pfarrverweser allhier
eingesetzt wurde. Abt Clemens erbaute auch wieder bte von
den Türken verbrannte Kirche und den Pfarrhof. Im Jahre
172c) wurde auch'diese Pfarre vom Bisthume Passau an daS
ErzbisthumWien abgetreten. Bis dahin waren im i8ten Jahr-
hunderte allhier 9 Pfarrer, alle aus dem Stifte Heiligenkreuz.
Im Jahre 1767 wurde die Pfarre Klausen-Leopoldsdorf, und
im Jahre »788 die Local-Wplaney Raisenmarkt errichtet, und
deren Bestandtheile von der Pfarre Alland getrennt. Das
Patronat der Pfarre Alland hat noch immer das Stift Hei-
ligenkreuz, dem dieselbe incorporirt ist. Dem Pfarrer ist jetzt
ein Cooperator beygegeben; beyde sind Stiftsglieder von
Heiligenkreuz. Zum Lebensunterhalt hat der Pfarrer nebst der
Stole- und Zehentgebühr auch mehrere Aecker und Wiesen,
und eine halbjährige Weinschank-Gerechtsamkeit im Sommer.
Die Pfarrkirche hat aber keine besonderen Stiftungen; sie
liegt neben dem Pfarrhofe und dem im Jahre 1799 neu er-
bauten Schu lHause; sie hat nebst dem Haupt-Altare zum
heiligen Georg, noch zwey Seitenaltä're zum heiligen
Bernhard und zur schmerzhaften Mutter Gottes. E i n G r a b-
stein ist hier merkwürdig, welcher einen auf dem Rücken lie-
genden Hund mit einem Kreuze auf dem Bauche vorstellt,
ohne Aufschrift. Es soll hier ein Herr vonArn stein begraben
seyn, den seine Mutter ersäufen wollte, weil seine Gestalt
einem Hunde ähnlich gewesen sey.
Im geistlichen Schematismus vom Jahre 1628 wird die
Seelenzahl des ganzen Pfarrbezirks von Alland auf 1870 an-
gegeben, und die größte Entfernung drey Viertelstunden. Dazu
gehören nebst dem Orte Alland, und mehreren zerstreuten
Häusern, noch folgende Ortschaften :
r) Glashütten, mit 1 Haus und 3o Seelen; vormahls
wurde hier Glas gemacht, jetzt wohnt ein k. k. Förster hier.
2) Pölla, mit 2 Häusern und 16 Seelen.
3) Gr 0 isbach, eine halbe Stunde westlich von Alland an
der Straße nach Groß-Mariazell, mit einer Capelle zur
Ehre Mariens. Im Jahre 1786 hatte dieser Ort 33Hauser
und 200Bewohner, jetzt bey 40 Häuser, und 35oSeelen. Von
der Entstehung und den Schicksalen dieses Ortes ist mchts
näher bekannt; doch ist derselbe schon alt; denn in einem Kauf-
briefe der Herrschaft Leestorf im Jahre i3i2 wird gesagt, daß
dieselbe damahls zwey Grundholden oder Unterthanen zu Alach,
und drey zu Krenspach gehabt habe. Der Ort Groisbach war
und ist noch der Herrschaft Arnstein-Fahrafeld unterthänig.
4) Mayerling, ein Dorf, eine halbe Stunde südlich
von Alland, am Schwechatfluffe, welches im Jahre 1766
10 Häuser und 80 Seelen zählte, hat jetzt 12 Häuser und
bey 100 Seelen. Der heilige Markgraf Le 0 p 0 l d 1V. schenkte
im Jahre 1136 dem Bischöfe Reg in m a r von Passau zwey
Lehen (mansos) zu Aleth und Murlingen. In der Stiftungs-
Urkunde von Heiligenkreuz ist ein Otto und Ottfried
von Murlingen als Zeuge unterschrieben. Es scheint aber
dieses adelige Geschlecht bald ausgestorben, und darauf
das Stift Heiligenkreuz zum Besitze dieses Ortes gekommen zu
seyn. Däö hiesige Herrschaftshaus mit dem Gasthause und der
Kirche gewähren eine schöne Ansicht. Die Kirche wurde vom
Abte Albert erbaut, und im Jahre 1412 zur Ehre des hei-
ligen Laurenz, von Andreas, Weihbiscbof von Paffau
eingeweiht; sie brannte später ab, und wurde wieder im Jahre
i5i6 von Bernhard, Weihbischof von Paffau eingeweiht.
Im Jahre 162g wurde sie abermahls von den Türkert ver-
brannt, und erst im Jahre 164.0 vom Abte Michael II.
wieder erbauet» Dieser Abt ließ die Seelsorg e zu Mäyer-
11 ng durch einen Provisor von Heiligenkreuz versehen. Bis
zum Jähre 1700 waren nach dem Zeugnisse der Gorona'ftffi-
eialium Sanetae Crucis 11 solcher Provisores, welche tnei-
stens zugleich Stifts-Priobes oder Stiftskämmerer waren all-
hier. Im Jahre 16Z4 wurde eine Brrrderfchaft der heili-
gen Rochus und Sebastian errichtet, welche fortdauerte, bis
Kaiser Jose pH II. alle derley Bruderschaften aufhöbi Sie hatte
die Verehrung obiger heiligen Pest-Patronen zum Zwecke, und
hielt an gewissen Festtagen allhier feyerlichen Gottesdienst. Im
Jähre *683 wurde diese Kirche wieder von den Türken ver-
brannt; aber bald von dem Abte Clemens neuerdings erbauet.
Abt Robert ließ im Jahre 173s neben der Kirche ein heili-
ges Grab, nach dem Modelle jenes zu Jerusalem erbauen,
welches noch jetzt besteht; es wird auch noch bisweilen in der
Kirche ■ Messe gelesen. —
UL Pfarre Gaden').
Gin Dorf, in den ältern Urkunden Gadmen und Gat-
me, jetzt im gemeinen Dialeete auch Godn und Garn ge-
nannt, in einem schönen geräumigen Thäte, welches der von
Sittendorf kommende Mödlingerbach durchfließt, an welchem
sich hier eine Mühle, zwey Gipsmühlen und eine Kreiden-Fa-
brik befinden, an der von Wien nach Gvoß-Mariazell führen-
den Straße, eine Stunde westlich von Mödling, eine Stunde
östlich von Heiligenkreuz, eine halbe Stunde südlich von Spar-
bach, und eine halbe Stunde östlich von Sittendorf, zu wel-
chem letzteren Orte ein kleines muldenförmiges Thal eine an-
genehme Aussicht gewährt. De r N a h m e dieses Ortes kommt
wahrscheinlich von dem altdeutschen Worte Gaden, welches
ein Behältniß von Lebensmitteln oder ein Magazin bedeu-
tet. Hier war ursprünglich eine Veste und der Wohnsitz eines
adeligen Geschlechtes der Herren von Gaden. Schon
im Jahre 1094, in den Urkunden des Stiftes Melk, in einer
Bulle Udalrichs, Bischofs zu Paffau, kommen ein Wi-
ch ard undU d alrich von Gaden vor. Im Jahre n36 kommt
ein Ulrich von Gaden als Zeuge vor in dem Stiftungsbriefe
des Klosters Heiligenkreuz. Eben derselbe schenkte bald darauf
diesem Kloster eine Wiese zu Trumau; in der hierüber ausge-
fertigten Urkunde nennt er sich ducis Vorstarius; er hatte
also wahrscheinlich die Oberaufsicht über die landesfürstlichen
Wälder dieser Gegend. Im Jahren^, in einer Schenkungs-
urkunde in dem Klosterneuburger-Saalbuche erscheint als Zeuge
ein Ulrich von Gademe, und sein Bruder Wichard von
Arnstein. In einer Schenkungsurkunde des Herzogs Leo-
1) Nach dem Versuche einer pragmatischen Geschichte der Pfarre Gade«
des P. Theodor Kraft, Capitularen des Stiftes Heiligenkreuz,
9
pold des Tugendhaften, vom I. 1188, worin er dem
Stifte Heiligenkreuz den Ort Rohreck und die umliegenden Wäl-
der schenkt, kommt einU lrich von Gadme und sein Sohn Wi-
ch ard als Zeugen vor. Im Jahre 1202 wurdeA de lh aid von
Gatme im Stifte Heilrgenkreuz begraben, und ihre Söhne
Wichard und Ulrich schenkten dem Stifte dafür einen
Weingarten in Winistall bey Engelschalksdorf. Dieser Wi-
chard von Gatme ist wahrscheinlich der nähmliche, der in
einer Urkunde, welche der Herzog He inrich von Mödling
dem Stifte Heiligenkreuz über das Bergrecht in Wartberg bey
Mödling ausstellte, im Anfange des dreyzehnten Jahrhundvr-
tes als Zeuge unterschrieben ist. Als unter dem Herzoge Leo-
pold dem Glorreichen der Ritter Rudolph von Chat-
w e nbe rg e eine Wallfahrtsreise nach Palästina machen wollte,
schenkte er dem Stifte Heiligenkreuz zwey Weingarten bey
Tallern; aber sein Sohn Rudolph verkaufte demungeachtet
dieselben an Ulrich von G ad men. Als nun das Stift jene
Weingärten benützen wollte, ließ dieser Ulrich vonGadmen
die Arbeiter verjagen, ja sogar einige verstümmeln, und ih-
nen die Nasen abschneiden. Das Stift beklagte sich hierüber
bey dem Herzoge Leopold, und dieser ließ dann zur Strafe
alles Eigenthum U lrichs, welches er zu Nieder-Gaden besaß,
verbrennen und verwüsten. Als einigen Schadenersatz gab
das Stift spater dem dadurch verarmten Ulrich ein Lehen
(mansus) in Hirzindorf, und das Bergrecht von obigen zwey
Weingarten, welche der Herzog Leopold dem Stifte als
Eigellthum zuerkannt hatte: Im Jahre »264 kaufte Hein-
rich III., Abt zu Herligenkl^uz, den Ort (praedium) Grub
und den Wald Mitterhard, von Ulrich von Gaden mit dem
Beynahmen Asinus oder Asmus. Dieser hatte noch drey
Brüder, Ulrich, H a d m a r und Ch ou nr ad, welche die-
sen Verkauf billigten, und auf alle Ansprüche Verzicht leiste-
ten. Diese sind die letzten bekannten Herren von Gaden, die
den Nahmen ihres Rittersitzes führen. Mit ihnen scheint die-
ses adelige Geschlecht ausgestorben zu seyn; wahrscheinlich
durch die häufigen Kriege und Schlachten wahrend der Regie-
r«ng des Königs Ottokar, an welchen der?jdel allgemeinen
13
pellen erbauet, die sich bald jn Pfarrkirchen verwandelten, in-
dem ein eigener Priester unter dem Nahmen Pfarrer (pleba-
nus, parochus) in denselben den Gottesdienst verrichtete, und
dre Seelsorge der Umgebung versah. Es mußten aber dem Pfar-
rer mehrere Grundstücke zum Lebensunterhalte, und für die
Pfarrkirchen bestimmte Einkünfte zu ihrer Erhaltung, und zur
Besorgung des Gottesdienstes angewiesen werden; diese nannte
man Pfarrlehen, und derjenige Wohlthäter, der dieselben
am ersten, oder der die vorzüglichsten derseben stiftete, erhielt
dadurch das Patronats-Recht und die Vogtherrlichkeit der
Pfarre; daß heißt: er bekam das Recht und die Verpflichtung,
einen ihm beliebigen Priester zum Pfarrer zu ernennen, und
über die Rechte, Besitzungen und Bedürfnisse des Pfarrers
und der Kirche zu wachen, und gehörige Obsorge zu tragen.
Daher war das Patronats-Recht und die Vogtherrlichkeit einer
Pfarre nicht immer mit der Ortsherrschaft vereinigt. Dieses
war. auch der Fall im Orte Gaden, welcher schon im vierzehn-
ten Jahrhunderte in Ober- und Unter- oder Nieder-
Gaden abgetheilt ward. Die Veste, welche in neueren Zei-
ten in die Wohnung des Pfarrers verwandelt wurde, und der
von dieser Veste verschiedene, alte Pfarrhof sammt der
Kirche, wurden zu Unter-Gaden gezählt. Wenn daher in den
Urkunden der Ausdruck: Pfarrlehen in Ober-Gaden vorkommt,
so ist dieses nicht von dem Pfarrhofe, sondern von den Häu-
sern und Gründen zu verstehen, welche dem Patronats-Rechte
dienstbar waren. Die Zeit der Entstehung der Pfarre
zu Gaden, so wie die Nahmen der ersten Pfarrer, Patrone
und Vogtherren sind gänzlich unbekannt. Die Einkünfte der
Pfarre waren beträchtlich. Das Vorzüglichste dieses Pfarrle-
hens und der Vogteylichkeit (juris advocatiae) bestand in
äs Tagwerk Wiesen, dann 4o Joch Aecker, dann wieder 12
Joch Aecker, wo gegenwärtig das Gemeindeholz steht. Ferner
gehörten dazu der Zehent in Ober - und Nieder-Gaden, auch
etwas Weinzehent zu Pfaffstätten von den Rieden oder Wein-
bergen in der Einöde und im Baumgartfelde. Endlich ein ei-
genes Grundbuch über die dem Pfarrlehen dienstbaren Häuser
Und Güter zu Mödling, Bertholdsdorf, Siebenhirten, Enzer-.
storf, Gundramstorf, Wienerstorf, TribuSwinkel, Ober-Wal-
terstorf, Gumpoldskirchen, Pfaffsta'tten und Priel. Die Kirche
hatte ihre Erhaltung von dem Vogtherrn zu fordern; aber sie
besaß auch zwey Stücke Waldungen; das eine von »2 Joche in
Nieder-Gaden neben dem Winkelhofe im Ainfelde; das andere
Lichtenaichen oder Lichtholz genannt; diese wurden zu der Kir-
che gestiftet, damit dieselbe zu Reparationen und anderen Be-
dürfnissen das nöthige Holz habe, und auch dafür vor dem
Hochwürdigsten ein immerwährendes Licht unterhalten werde.
Die Besitzer von Gaden wechselten in folgender chrono-
logischer Ordnung: ») Die Herren von Gaden, beyläufig
bis zum Jahre 1276. 2) Die Herren von Rohr bis »876,
3) Zugleich mieden vorigen tue Brüder Schweinbarter
bis i38o. 4) Das Stift Heiligenkreuz bis 1460. 5)
Greißnecker bis 1499. 6) Georg von Neudeck bis
i5*2. 7) Christoph von Rauheneckbls i538; zugleich
theilweise Joachim von Reichenau, dann das Stift
Heiligenkreuz, endlichAleriusKochter. 6) Das Stift
Heiligenkreuz bis i55o. 9) Christoph Prandtmayer
bis »563. 10) Hanns Stoßamhimmel bis ,671. 11)
Franz von Pöppendorf bis 1679. l 2) Das Stift Heili-
genkreuz allein und ununterbrochen vom Jahre 1679 bis jetzt.
Nachdem das Stift Heiligenkreuz, wie schon gesagt, von
Marquard von Rohr und von den Brüdern Schwein-
bar ter die Dorfherrlichkeit von Gaden erkauft harte, blieb
es im Besitze derselben bis zum Jahre 1460; doch hatte das
Pfarrtehen andere Herren, deren Nahmen nicht bekannt sind,
und die immer besorgt waren, daß die Pfarre ununterbrochen
mit einem Seelsorger besetzt sey, und die Pfarrkirche zum
heiligen Apostel Jakob dem Aeltern immer in gutem
Stande erhalten werde. Der älteste Pfarrer allhier, den mack
nahmentlich kennt, kommt im Jahre »45p vor, und hieß Lo-
renz Palleutner oder Pollender. Er mar ein Welt-?
Priester, und kommt vor in einem Kaufbriefe, worin Hein-
rich Pelndorfer seinen Hof zu Nieder-Gaden, welcher als
ein Burgrecht dem Stifte Heiligenkreuz dienstbar war, an
besagten Lorenz, Pfarrer zu Gaden, und an dessen Brudep,
i
Wolfgang P ollender oder Polleu tn er verkaufte.
Dieser Hof verursachte spater dem Stifte Heiligenkreuz einen
langwierigen Prozeß. Der auf den L o r e n z P o l te n d e r fol-
gende Pfarrer hieß Wolfgang P erger, er war auch ein
Weltpriester , und starb im ersten Viertel des sechzehnten Jahr-
hunderts. Im Jahre 1460 verkaufte das Stift Heiligenkreuz
seine Besitzung in Gaden an einen Herrn G reiß n ecker;
von diesem gelangte Gaden im Jahre 1499 an die Herren
von Neudeck/ und im Jahrei5r2 verkaufte Georg von
Neu deck seine Dorfherrlichkeit von Gaden an Christoph
von Rauheneck, welcher sodann die Dorfherrlichkeit mit
dem Pfarrleh?n vereinigt besaß. Ob diese Vereinigung durch
seine Vorfahren, oder durch ihn'geschah, ist ungewiß. Soviel
ist aber gewiß, daß Christoph von Rauhen eck die verei-
nigten Güter von Gaden theilweise verkaufte und verpfändete;
und zwar im Jahre *629 an das Stift Heilrgenkreuz zuerst
die Veste Gaden, sammt allem, was zur weltlichen
Herrschaft gehörte, dem Abte Johann V. um dargeliehene
i00 Pfund Pfennige. Im Jahre i53o versetzte er eben dem-
selben Abte um 60 Pfund Pfennige die Pfarre und dasPfarr-
Lehen zu Ober-Gaden, mit dem vorbehaltenen Auslösurrgs-
rechte. Im nähmlichen Jahre kamen beyde Theile über die
Veste Gaden in einem Kaufe überein, und so gelangte diese
Herrschaft zum zweyten Mahle an das Stift Heiligenkreuz.
Christoph von Rauheneck präsentirte zur Pfarre ei-
nen Weltpriester, M i ch a e l V o g e l, welchen Christoph
Tangler, Paffauer Vicä'r undOfsscial, den »3.May 1628
installirte. Nach diesem haben wahrscheinlich Stiftsgeist-
liche von Heiligenkreuz diese Pfarre versehen, so lange, das
Stift im Besitze der Dorfherrschaft und des Pfarrlehens war.
Christoph von Rauheneck scheint das Pfarrlehen, nach
Maßgabe der eingetretenen Nothdurft, theilweise veräußert zu
haben. Das,im Jahre i53o an daS Stift fieiliümtuub ver-
setzte Pfarrlehen hat derselbe zwar bald wieder eingelöst, aber
im Jahre i536 neuerdings an dasselbe versetzt. Einen Theil
des Pfarrlehens verkaufte er an Joachim v 0 n R e t*
chenau. Dieser war der Erste unter den Vögtherrn, welcher
sich die Nutznießung der Pfandgüter zueignete. Abt Hiero-
nymus von Heiligenkreuz verkaufte im Jahre »538 mit Ein-
willigung des Christoph v o n R a u h e n e ck , etliche Stucke
Gülten und Güter des Klosterhofes und Pfarrlehens zu Ober-
und Nieder-Gaden, mit allen Ehren, Würden und Rechten, wie
dieselbe von Herrn Christo pH von Rauhen eck an das Klo-
ster Satz- und Kaufweise gekommen, an den Herrn Alexius
Ko chler, Kuchler oder Kachler (diese drey Nahmen kom-
men von eben demselben vor) und seine Hausfrau Barbara,
geborne Sinzendorf, mit zehnjährigem Wiederkaufsrechte.
Dieselben besaßen vorn Jahre 1621 bis »648 zugleich die Veste
Johannstein. Obiger Miteigettthümer von Gaden, Joa-
chim Marschall zu Reichenau, führte vom Jahre »536 bis
,540 einen Rechtsstreit und Gewalrsklagv wider diesen 'A l e-
a'iusKochler, und nennt sich Erbvogt der St. Jakobs-Kir-
che, und titulo justo emptionis Eigenthümer des Pfarrlehens
(juri8 palronarnZ) und des Pfarrhofes. Dieser Vogtherr sagt
auch, daß' er die geistlichen Güter und Rechte von weiland
Christoph von Rauhen-eck käuflich an sich gebracht, aber
aus Mangel der Priester und erbärmlicher Zerschleifung des
Pfarrhofes und der zur Pfarre gehörigen Güter, bis er einen
beständigen Priester erlangen könne, einen Theil der Gülte und
Einkommen der Pfarre zu seinen Handen habe, in der Absicht,
den verödeten Pfarrhof wieder zu erbauen. Hieraus ergibt sich
die Art und Ursache, wie und warum so viele Pfarrlehen in die
Hände der Laien gekommen , und von denselben so wie die Dorf-
herrschaft benutzt, und in her Folge mit derselben vermischt wur-
den. Wenn man die Geschichte der damahligen Zeiten nur ober-
flächlich betrachtet, so wird man leicht einsehen, daß die hier von
Joachim von Reichenau angegebenen Ursachen gegründet
waren. Der feindliche Einfall des ungarischen Königs Ma-
thias Corvinu s, die Kriege mit den Türken, die Unru-
hen der Protestanten, u. s. haben in ganz Oesterreich
gräuliche Verwüstungen verursacht, und allenthalben die trau-
rigsten Spuren hinterlassen. Kirchen, Pfarrwohnungen und
Bauernhöfe wurden zu Tausenden zerstöret, blieben viele Jahre
ohne Besitzer, und die Kirchen ohne Priester und Patrone. —
ib
Wie lange Joachim von Reichenau fern Pfarrlehen
zu Gaden besessen; wann, wie, und an wen er dasselbe veräu-
ßert; ebenso, wann und wie das Pfarrlehen wieder mit der
Dorfherrschaft vereiniget wurde; davon kann man nichts mit
Gewißheit sagen. Nur so viel ist bekannt, daß beydes, nähm-
lich das Pfarrlehen und die Dorfherrschaft, im Jahre i55<>
wieder unter einem Herrn vereinigt erscheint. Abt Con-
rad III. hat in diesem Jahre, vermöge des bedungenen Ein-
lösungsrechtes, die vereinigten Güter von Gaden wieder von
den Kochlet'schen Erben auS den Händen ihres Vormünder-;
C h r i st o p h P i t s ch e l i n, an das Stift Heiligenkreuz ein-
gelöset, konnte aber den Besitz derselben nicht behaupten; denn
das Stift war damahls so verarmt, daß dieser Abt Conrad
von einer Radigund Freudenreich zu Gaden 5o Gul-
den entlehnen, und dafür seine goldene Kette'versetzen mußte,
um die Fechsungsunkosten im Jahre i555 bestreiken zu kön-
nen ; und als er bald darauf gezwungen war, das Anlehen zu
vermehren, gab er auch sein Pectoral zum Pfande. Eben dieser
Armuth wegen war der Abt Conrad genöthigt, den kaum
erst erworbenen Ort Gaden im Jahre i55o an Christoph
Prandtner oder Pran dt mayer um 70c» Pfund Pfen-
nige zu verkaufen. In dein hierüber den 3. August i558 vom
, Abte Udalrich II. ausgefertigten Kaufbriefe, wurde dem
Stifte ausdrücklich das Wieder - und Verkaufsrecht bedungen.
Als Christoph Prandtmayer im Jahre ,563 starb, setzte
er durch Testament seinen Schwager HannS S t 0 ß a m h i in-
mel, Gegenschreiber des unteren Stadtkammeramtes, Bür-
ger und äußeren Rath zu Wien, zum Erben von Gaden ein.
Der Abt Ud alrich protestirte dagegen, und führte doßwegen
bis zum Jahre 167» einen kostspieligen Prozeß/ ohne für das
Kloster etwas Vortheilhaftes bewirken zu können. Im Jahre
,5bl) kaufte der Abt Udalrich von Reinprecht Koch ler
vier Unterthanen zuOberG^den, sammt aller Zugehör; dann
das Badnerholz, Lichtenaichen, den Wald Kren-und Gutten-
bach. Im Jahre 1667 erlittHannsStoßam himm el sammt
seinen Unterthanen durch eine Feuersbrunst großen Schaden;
er starb im Jahre 1670, und hinterließ, viele Schulden, so
l7
zwar, daß sein Sitz zu Gaden an einen Bürger von Wien, Se-
bastian Weiller, verpfändet war, der seme Ansprüche und
Rechte im Jahr 167» um eine Summe Geldes an Franz von
Pöppendorf und dessen Hausfrau Margareth abtrat.
Im nämlichen Jahre i5*j\ machte auch Ursula, hinterlas-
sene Witwe und Erbrn des Hans Stoß am Himmel, mit
diesem Franz von Pöppendorf einen Kaufvertrag, wo-
durch sie von demselben 1600 Gulden nebst einer gebührlichen
Verehrung erhielt; dafür aber ihm ihren Sitz zu Gaden, die
öde Veste, die Mühle, das Brauhaus, die Unterthanen, Aecker,
Wiesen, Gehölze, Weiden, Fischweiden, nebst allem Zugehö-
rigen, Nutzen und Einkommen einantwortete. So gelangte
Franz von Pöppendorf zum Besitze der Dorfherrlichkeit
und der Vogteylichkeit, ungeachtet Abt Udalrich seinen
Rechtsstreit fortsetzte, und sogar vom Kaiser Maximilian II.
im Jahre 1672 einen Befehl erwirkte, vermöge dessen Franz
von Pöppendorf dem HerrnAbte das Gut Gaden ab-
treten sollte. '
Wie das Pfarrlehen von den, auf Joachim von
Reichenau folgenden Vogtherren benutzt wurde, ist nicht
bekannt. Im Jahre 1667 kommt ein Weltpriester, Sebastian
Schüßl, als Pfarrer vor. Im Jahre 1672 präsentiere Kai-
ser Maximilian II. einen Weltpriester, Caspar Schrötl,
als Pfarrer. Dessen Einsetzung suchte Franz von Pöppen-
dorf, welcher der protestantischen Religion zugethan war, zu
verhindern. Es ist noch ein Schreiben des damahligen Pfar-
rers zu Baden, Melchior Schrecks mel, vorhanden, von
Leesdorf den 26. Junius 1674, worin er der Gemeinde zu
Gaden bekannt macht, daß er ihnen am 1. Julius auf kaiser-
liche Resolution den Herrn Caspar Schrötl als Pfarrer
installiren werde. Im Jahre ,57b brachte Pöppendorf
einen lutherischen Pastor von Straßburg, Joseph W a l-
b ing, nach Gaden, der sich bis zum Jahre 167c) allhier behaup-
tete. Pöppendorf fixiere ihm zur jährlichen Bestallung die
Wohnung im Pfarrhofe, 26 Gulden in baarem Gelde, einen
Muth Getreide, 10 Errner Wein, 10 Eimer Bier, ,2 Klaf-
ter Holz, und den Gemüse-'Zehent. Alle übrigen Einkünfte des
B
Pfarrlehens behielt er für sich. Das Stift Heiligenkreuz, wel^
ches auf P o p p e n d o r f als Burg- und Vogtherr folgte, ließ
die Sache, wie sie war, und konnte sie auch Nicht fü^lch auf den
alten Fuß herstellen, weil die Seelsorge vom Kloster aus ver-
sehen wurde, welches daher mit Recht die Pfarreinkünfte
selbst bezog, indem kein Religiöse, auch als.Pfarrverweser,
praeter yictum et amictum, etwas mehr für sich zu fordern
vom Kloster berechtiget ist.
Im Jahre 1679 schloß der Abt U d a l r i ch II. von Heili-
genkreuz einen förmlichen Kauf mit Franz von Pöppen-
dorf, wodurch letzterer die Veste Gaden sammt dem
Pfarriehen, den Unterthanen, Gülten, Gütern, Diensten,
Wiesen, Aeckern, Gehölzen, Freyheiten, Rechten und Gerechtig-
ketten zu Ober- und Nieder Gaden, dann auch den Wein- und
Getreide- Zehent, wie er es daselbst genossen und inne gehabt,
um die richtig gemachte Kauf-Summe und den Leutkauf für die
Frau von Pöppendorf abgetreten und eingeantwortet hat.
Von dieser Zeit an blieb das Stift Heiligenkreuz im
ununterbrochenen Besitze des Ortes und der Pfarre Gaden. Abt
Udalrich suchte auch die abgerissenen kleineren Stücke des
Gutes wieder zu erhalten, und der„ Gesammtherrschaft einzu-
verleiben, und reinigte so das Gut von fremden Besitzern. Die
Pfarr- Renten waren alle schon zu dorfherrschaftlichen Gülten
und Gütern übergetragen, und von der österreichischen Land-
tafel intabuliret, folglich durch landesfürstliche Genehmigung
dorfherrschafllich gemacht worden. Abt Udalrich erbaAe
das Schloß zu Gaden ganz neu, und wahrscheinlich auch
die Kirche. Von jener Zeit an v'ersahen Stiftsgeistliche
von Heiligenkreuz ununterbrochen die Seelsorge und den Got-
tesdienst zu Gaden, doch wohnten dieselben nicht hier, sondern
im Stifte. Nach der Handschrift Corona oflficialiuin San-
c;tae Crucis, waren allhier vom Jahre 1601 bis 1660, 26
Pfarrer. Nachdem der Abt Michael II. im Jahre ,652 daS
Gut Sparbach angekauft hatte, versahen zwey Seelsorger zu-
gleich Gaden und Sparbach. Vom Jahre 1660 bis 170» wa-
ren 34 Seelsorger; davon wurden rm Jahre ,679 vier zu
gleicher Zeit als Aushülfs-Seelsorger für die Pestkranken der
'
Umgebung verwendet. Im Jahre i683 war die Pfarre vom
Julius bis October der Türken wegen verlassen, dann wurde
sie wöchentlich abwechselnd von Stistsgeistllchen versehen, bis
im Jahre »684 wieder ordentliche Seelsorger angestellet wur-
den. Vom Jahre iW bis 1729 waren hier 18 Seelsorger.
Im Jahre 1729 würbe auch diese Pfarre vom Bisthume Pas-
sau an das Erzbisthum Wien abgetreten. Im Jahre »749
wies der Abt Robert dem jeweiligen Pfarrer eine bestän-
dige Wohnung im herrschaftlichen Schlosse an. Im Jahre
1792 ließ der Abt Marian II. das Schloß um ein Stockwerk
niedriger machen und abtragen, und einen Theil zur W 0 h n u n g
des Pfarrers, den andern zürn Schulhause einrichten.
Die nebenstehende P f a r r k i rch e hat zwey Thürme, und ist
dem heiligen Apostel Jakob dem kelteren geweiht; sie hat aber
keine Stiftungen oder Capitalien und sonstige Einkünfte, auch
keine merkwürdigen Grabmähler oder besondere Denkwürdig-
keiten.
Der Hauptnahrungszweig der Bewohner dieser
Pfarre ist der Handel mit Kalk und mit Holz, dann Ackerbau,
Viehzucht und Taglohn. Alle sind der katholischen Religion
zugethan. Im Jahre 1768 war die Seelenzahl dieser Pfarre
691, wovon man 614 zu Gaden, und 177 zu Sparbach zähl-
te. Im geistlichen Schematismus vom Jahre 1828 wird die
ganze Seelenzahl 705 angegeben. — Hierher gehört als Filiale
S p a r b a ch,' -
ein aus 82 Häusern bestehendes Dorf, mit einer dem hei-
ligen Nikolaus als Patron geweihten Kirche, und
einem herrschaftlichen Schlosse sammt dem dazu gehörigen
Meierhofe, mit schönen Hartenanlagen und einem großen
Thiergarten, in dessen Bezirk sich die Ruin en der V e-
sten Johannstein und Schnepfenstein befinden. Von
diesen beyden Vesten weiß man weder die Zeit noch die Art
ihrer Erbauung und Zerstörung anzugeben, auch von den Be-
sitzern derselben weiß man yur wenig. Von dem Schlosse
Schnepfen stein sieht man kaum noch d:e Ueberreste einer
B 2
20
alten Mauer bey emigen armseligen Hütten unweit vom neue-
ren herrschaftlichen Schlöffe zu Sparbach. Die Schlosser Schne-
pfenstein und Sparbach scheinen bald unter einem Herrn ver-
einigt worden zu seyn, denn im An^nge des Jahr-
hundertes wurde eine Mechtild vW Sparbach und
Schnepfen st ein im Kloster Helligenkreuz begraben, und
vermachte demselben (nach dem Ausdrucke der Schenkungsur-
kunde: pervirum suum) durch ihren Gemahl Rapato von
Trieb amswinkheln einen Hof (pvaeäium) zu Win-
dischdorf. Die Ruine der Veste Johann stein hat eine ro-
mantische Lage auf schroffen Felsen, eine Viertelstunde rück-
wärts des Schlosses zu Sparbach, in einem kleinen, engen, zwi-
schen hohen waldigten Bergen versteckten Thäte, welches der
kleine, vom Orte Neuw'eg kommende Sparbach durchschlängelt.
Von diesem Thale aus angesehen steht das Schloß auf einer
steilen Felsenwand, mit dieser beynahe in gleicher senkrechter
Linie, es ist fest und aus Quadersteinen in Form eines Mal-
theserkreuzes erbaut, ohne inneren Hofraum. Es scheint noch
die ursprüngliche Gestalt zu haben, und daher seines geringen
Umfangs wegen nrcht von besonderem Reichthums seiner Er-
bauer oder Besitzer zu zeugen. Der einzig mögliche Eingang
ist von der Seite des steilen mit Nadelholz bewachsenen Schloß-
berges. Fürst Johann von Liechtenstein ließ einige Ge-
nracher wieder herstellen, und nach Art der Ritterzeiten ein-
richten, auch den Zugang erleichtern und verschönern; beson-
ders gewahrt ein auf einer Wiese angebrachter Tempel eine
weite herrliche Aussicht.
Von den Besitzern der Veste Johannstein kennen wir nur
vom Jahre -621 bis i5/j9 einen Alexius Kochler und
seme Hausfrau Barbars, geborne S i n z e n d o r f, welche
zugleich den Ort Gaden besassen. Im Jahre war An-
dreas Tonradl Herr von Johannstein am Sparbache. Ob
aber damahls die Veste Johannstein noch bewohnt, oder schon
zerstört, und ihr Besitz mit der Herrschaft Sparbach vereinigt
gewesen sey, ist ungewiß; doch scheint letzteres wahrscheinli-
cher, weil man von nun an die Besitzer der vereinten Herr-
schafk kennt. Von den ältesten Besitzern der Herrschaft Spar.
31.
dach weif; man etwas mehr. Im Jahren3i nennt das Klo-
fterneuburger Saalbuch eine Adelheit von Sparewar-
bespach, und im Jahre nöo einen Prunrich von Spar-
werspach. Im Jahre n36 war ein Hnfesm von Spar-
barspach Zeuge im Stiftbriefe für Heiligenkreuj. Eine
Mechtild von Sparbach und Schnepfenstein wurde
zu Heiligenkreuz begraben. Noch im Jahre 14 2 führt P hi-
Libert Hueber einen Heinrich Stark von Sparbach
an. Nach dem Andreas Tonradl, welcher im Jahre 1671
Besitzer dieser Herrschaft war, folgte B al t h a sa r C h r i st 0 p h,
Freyherr »von Tonradl, k. Maj. Hofkammerrath, von wel-
chem das Schloß und die Herrschaft seine Gemahlin Anna
Katharina, geborne Gaßler, erbte. Dieser folgte im
Besitze Anna Katharina von Heteritz, geborne G aß-
ler, von der es ihre Tochter Christina Katharina, Chor-
frau zur Himmelpforte in Wien, im Jahre 1646 erbte. Die
Oberinn dieses Conventes, Agnes Elisabeth Pruner,
verkaufte im Jahre ii>52 diese Herrschaft an den Abt Mi-
chael II. von Heiligenkreuj. Zur Besorgung dieser Herr-
schaft setzten die Aebte von Heiligenkreuz einen Stiftsgeistlichen
als Wirthschafts-Verwalter hierher, von denen einer, Nor-
bert Theuerkauf, im Jahre i683 von den Türken in die
Gefangenschaft geschleppt wurde. Das von den Türken ver-
brannte Schloß wurde vom Abte Clemens wieder herge-
stellt. Der Kaiser Leopold I. ergötzte sich öfters mit der
Jagd in dieser Gegend, und pflegte hier zu speisen/ —- Im
Jahre 1786 verkaufte diese Herrschaft der Abt Robert an
Johann Joseph, Grafen Jörg er zu Tollet. Von
diesem kam sie erblich an Quin tin, Grafen von Jörg er.
Im Jahre 1743 kaufte sie Philipp Ferdinand Edler von
Mayenberg, von welchem sie im Jahre 1747 an Jodok
Edmund Siedentopp, und dann von diesem erblich an
Anton Ulrich Siedentopp von Eizen kam. Im
Jahre 1800 kaufte dieses Gut G e 0 rg .P h il i p p von I t t-
ner, und von demselben im Jahre i8o3 Graf von Klary
und Aldringen; endlich im Jahre 1609 Johann Fürst
von und zu Liechtenstein, welcher daS Schloß und oft
*
253
Umgebung verschönerte, und diese Herrschaft unter dem Nah-
men Neu-Johannstein mit der Verwaltung seiner benach-
barten Herrschaft Liechtenstein vereinigte.
Der Ort Sparbach liegt eine halbe Stunde westlich von
Brühl und Weißenbach/ eine halbe Stunde nördlich von Ga-
den, und eine halbe. Stunde östlich von Wildeck und Sitten-
dorf, in einem kleinen angenehmen Seitenthals, welches eine
Aussicht nach Sittendorf gewahrt. Sparbach hatte schon früh
eine eigene Kirche, in welcher vermuthlich seit ihrer Erbauung
der heilige Bischof Nikolaus als Patron verehret wird.
Zu Anfang des i3^n Jahrhundertes erhob Bischof' Wolfker
von Paffau diese Kirche zur Pfarre, und trennte sie von Al-
land, wofür Adelt) eit, die damahlige Besitzerin dieser
Herrschaft, auf den Georgs-Altar zu Atland einen Unterthan
mrt einer jährlichen Abgabe von So Pfennigen stiftete. Man
weiß tzdvch weder die Nahmen noch die Zahl der Seelsorger
von Sparbach. Vermuthlich hörte diese Pfarre auf selbststän-
dig zu seyn zur Zeit des einreißenden Protestantismus,
besonders da die in der Reformations-Geschichte berüchtigte
Familie Tonradl im Besitze dieser Herrschaft war. Als
Abt Michael HL von Heiligenkreuz dieses Gut im Jahre
i652 kaufte, vereinigte er die Pfarre mit Gaden, welche
Vereinigung noch fortdauert; aber eingeschult ist der Ort nach
Sittendorf, wegen des näheren und bequemeren Weges. Der
Pfarrer von Gaden bezieht nebst der Stolgebühr, vermöge ei-
nes vom Abte Nicotaus II. im Jahre 1816 erneuerten
Vertrages, von der Ortsherrschaft jährlich 24 Gulden. Die
Kirche hat ihren eigenen Taufstein, Lerchenhof und Pfarr-
Matrikel. Patron derselben ist die Ortsherrschaft.
Die Bewohner von Sparbach sind alle der katholischen
Religion zugethan, und ernähren sich vom Hotz - und Kalk-
handel, Ackerbau, Viehzucht und Taglohne.
Hl. Pfarre Baden ').
6'ine landesfürstliche Stadt, vier Meilen südlich von Wien
entfernt, rechts der von Wien nach Neustadt führenden Post-
straße, von welcher sich zwischen Guntramödorf und Traiskir-
chen eine Seitenstraße über Pfaffstätten dahin zieht, unter dein
330 55' 0" der Länge, und 48° 0' 20" der Breite. Sie liegt
am Fuße des Badner- und Calvarien-BergeS, der auf seiner ober-
sten Höhe kahl und unfruchtbar ist, und zur Ausgrabung des
weißen Kalksandes benutzt wird, der häufig nach Wien und in
die Umgebung verkauft wird; dessen mittlere Höhe aber bis
in die Ebene mit Weinreben, Bäumen und Gesträuchen
bepflanzt ist, die durch ihr belebendes Grün der Gegend viele
Annehmlichkeiten mittheilen. Dieser Berg ist ein Theil des
waldigen cetischen Gebirges, daS sich von Südost gegen
Nordwest im Lande ausdehnt, und von welchem auch Ba-
den von Norden, Westen und Süden umschlossen ist. Der
nördliche Theil dieses Gebirges heißt in dieser Gegend bey
Gumpoldskirchen und Pfaffstätten der Anningerberg, und ist
größten Theils mit Waldungen und Weinreben bewachsen,
die am südöstlichen Abhange des Berges einen sehr guten Wein
liefern. Die westliche Gebirgskette heißt der Hühner-, der CaU
varien - und der Mitterberg, welcher letztere sich von Baden
bis zum Helenenthale ausdehnt; gegen Süden erstreckt sich
der kalte Berg - und Lindkogel vom Helenenthale bis Sooß und
Gainfahren. Gegen Südosten bildet eine Anhöhe, der Eichko-
gel genannt, mit dem gegenüber liegenden Calvarien - Berge
ein Thal, in welchem Baden liegt. Diese Anhöhe hat ihren
Nahmen daher, weil sie mit einem Eichenwalde bewachsen ist;
die ««gränzenden Weingärten heißen am Hart, und liefern sehr
guten Wein, der gleich dem Gumpoldskirchner geschätzt wird.
Gegen Osten ist eine weite Ebene, die von dem Leitha- und
Rosalienberge gegen Ungarn begränzt wird. Der Schwechat.-
1) Nach den städtischen und pfarrlichen Archivs-Urkunden, und den unter
verschiedenen Titeln durch den Druck bekannt gemachten Beschreibun-
gen von der Stadt Baden, und ihren Heilbädern.
fluß, der zunächst aus dem Helenenthale kommt/ bewässert in
seinem Laufe von Westen gegen Osten die Stadt Baden in
zwey Armen; der äußere südöstliche Arm, gewöhnlich der Au-
bach oder Schüttbach genannt, trennt das Gebieth der Stadt
von den der Herrschaft Weikerstorf unterthänigen Ortschaften:
Dorfe! mit dem Sauerhofe, dann Attand- und ZlUand-Allee-
gasse, Braiten und Rohr. Das Wasser desselben ist gewöhn-
lich klein und unansehnlich; er erreicht aber doch bisweilen,
wenn der Schnee im Gebirge schnell aufthauet, oder durch Re-
gengüsse, eine zerstörende Größe. Man sucht den Verwüstungen
desselben durch Weidenpflanzungen und zweckmäßige Verdäm-
mung der Ufer allenthalben vorzubeugen. Durch mehrere Stege
und Brücken ist die Stadt mit den, jenseits dieses Baches gele-
genen Ortschaften in Verbindung gesetzt. Der zweyte nordwest-
liche Arm des Schwechatfluffes, gewöhnlich der Mühlbach
genannt, durchfließt, in einer kleinen Entfernung von dem Au-
dache, die Dörfer Weikerstorf und Gutenbrunn, treibt vier
Mahlmühlen im Bezirke der Stadt Baden, und läuft dann
weiter nach Leestorf; er hat einett immer gleichen Rinnsal,
welcher jährlich vom Schlamme gereiniget wird, wozu jeder
Mühlenbesitzer in seinem Bezirke verpflichtet ist; das nöthige
Wasser wird im Helenenthale bey der Wasserwehre in diesen
Rinnsal geleitet, wodurch derselbe immer gleiche Höhe des
Wassers erhält.
Der Ort Baden hat seinen Nahmen, seine Entstehung
und Erhaltung den häufigen hier aufsprudelnden heilbringenden
warmen Schwefelquellen zu verdanken, die eine wahre, der lei-
denden Menschheit- vom Schöpfer gewidmete Wohlthat der Na-
tur sind, und als solche auch von jeher häufig benutzt werden.
Ueber den Ort Baden, in topographisch - geschichtlicher, ärztli-
cher und pittoresker Hinsicht, haben schon viele berühmte Män-
ner viel Gründliches geschrieben, besonders in Hinsicht der Be-
standtheile, des Nutzens und Gebrauches dieser Schwefelquel-
len. Herr Doetor B eck in seinem Buche »über Baden« (Wien
1622) zählt 3<) solche Werke auf, von denen einige besondere
Rücksicht verdienen. Das älteste bekannte Werk des Wolf-
gang A n e m a r i u s vom Jahre iS11 —- 11, und des
Wolfgang Windberger 1612, dann des hiesigen Land-
schafts-Physicus Carl I 0 achimFesta 1781; und des jetzt
noch lebenden Anton Rollet, Wundarztes zu Gutenbrunn,
»Medicimsch-chirurgisches Archiv von Baden,« »604; »Hygieia«
18^6; ChrysostomuS Schratt, Wundarztes zu Baden,
»Darstellung der Heilkräfte der Schwefelquellen zu Baden,«
1821; des Doctor Beck »Baden ln Niederösterreich,« 1822;
vor allen aber des um Baden und dessen Umgebung als Schrift-
steller, als Arzt, Naturforscher und Menschenfreund hoch-
verdienten Herrn Carl v. Schenk, k. k. Sanitäts-Rathes,
Bade-Arztes, und wirklichen correspondirenden Mitgliedes der
Universität zu Göttingen: »Abhandlung von den Bädern der
Stadt Baden« 1791—1794 — *799; »Taschenbuch für Ba-
degäste Badens« i8o5; dann »die Schwefelquellen von Baden«
1817.
Auch Herr Bürgermeister Mayer, in seinen »Miscellen
über den Curort Baden,« 1. Band 18*9, hat das besondere
Verdienst, daß er in genauen urkundlichen Nachrichten, und
wohl gelungenen bildlichen Darstellungen uns mit der Vorzeir
Badens so wie mit der Gtgenwart näher bekannt machte.
Baden ist wirklich ein von Natur und Kunst sehr begün-
stigter Ort, und man'kann ihn mit Recht unter die ersten und
vornehmsten Cur-Orte zählen. Die hiesigen Schwefelquellen
werden entweder als D v n st b a d gebraucht, wodurch der
Körper durch Einsaugung der warmen mineralischen Ausdün-
stungen in häufigen Schweiß gebracht wird; oder als TroPf-
und T u s ch b ad, wodurch das Schwefelwasser tropfenweise oder
langsam fließend auf kranke Theile des Körpers geleitet wird;
oder als Fußbad, wodurch nur die Füße einige Zeit im
warmen Schwefelwasser verweilen; oder als Halbbad, wo
nur die untere Hälfte des Körpers; oder als Vollbad, wenn
der ganze Körper bis an den Kopf sich im Wasser befindet,
und im eigentlichen Sinne gebadet wird. Dieses letztere kann
entweder in einzelnen Behältnissen geschehen, als sogenanntes
Stundenbad, oder gemeinschaftlich mit andern in einem
großen Badebehälter. Beym Badest wird durch Reinigung der
Haut und Einsaugung der mineralischen Bestandtheile des
WafferS von Außen auf die inneren Theile des Körpers ge-
wirkt; man pflegt aber auch dieses Wasser unmittelbar inner-
lich zu gebrauchen, und dasselbe zu trinken, wozu hier auch
eine eigene Trink-CuranstaLt errichtet ist. Man gebraucht
dieses Schwefelwaffer auch zu Klystieren, und den sogenannten
Badeschlamm zu Umschlagen auf äußere kranke Theile des
Körpers.
Der Hauptbestandtheil des Badner Mineralwassers ist
Schwefel, daher auch die Luft mit den schweklichten Ausdüm
stungen so geschwängert ist, daß deren Geruch denen, welche noch
nicht daran gewohnt sind, ziemlich empfindlich wird; selbst das
Tnnkwasser in den Brunnen enthält Schwefelthetlchen in sich,
und rst daher zwar der Gesundheit gedeihlich, aber dem Ge-
schmacke minder angenehm. Die hiesigen Heilquellen haben
nach der Angabe des Herrn Bade-Arztes Carl Schenk einen
Grad der Wärme von 23 bis 3(>o Reaumur. Es sind im ganzen
fünfzehn Mineralquellen atthier, und sechszehn Badehäuser,
in welchen diese Quellen zum Badegebrauche benutzt werden;
welche Badehäuser aber nicht alle eine eigene Quelle haben,
sondern nur zwölf derselben. Von den obigen fünfzehn Quel-
len sind drey noch unbenutzt, und haben auch kein eigenes Ba-
dehaus; nähmlich: Die Franzensquelle, auf städtischem Grunde,
am diesseitigen Ufer des Aubaches in der Nähe des Johannes-
baoes, mit einem Wärmegrade von Grad Reaumur. Herr
Bürgermeister Mayer ließ dieselbe im Jahre 1802 mit ei-
nem Badebehälter umfangen, und einstweilen von oben mit
Erde bedecken, bis günstigere Zeitumstände erlauben werden,
hierein eigenes Badehaus zu errichten, welches vorzüglich zum
Gebrauche der ärmeren Menschen-Claffe und der Israeliten die-
nen soll. Diese Quelle läuft durch angebrachte hölzerne Röh-
ren in den Aubach ab, und wird dort bisweilen als Fußbad
benutzt. Dann ist noch eine unbenutzte Quelle mitten in dem
Rinnsale des Aubaches, rückwärts des ersten Hauses in der
Alland-Alleegasse, unweit der Fahrbrücke, und eine andere
lolche Quelle ist in dem Garten eines Privathauses zwischen
dem Adlerwirthshause und dem Josephsbade, die Quelle zum
-Neubade genannt, mir 250 Grad Reaumur. Das Locale die-
ser Quellen erlaubt nicht, sie öffentlich zu benutzen, oder Bade-
hauser über dieselben zu erbauen. — Auf dem Gebiethe der
Stadt Baden sind nur sieben benutzte Quellen, und eilf Bade-
häuser, von denen eines nicht dem städtischen Kammeramte,
sondern der gesammten Bürgerschaft zugehört ; die übrigen Quel-
len und Badehäuser gehören den benachbarten Gutsbesitzern.
Es sind hier folgende städtische Bäder:
1) der Ursprung » » » eigene Quelle;
2) die Ursprungshalbbäder von obiger abgeleitet;
3) die Theresienbäder » » dto. dto.
4) das Herzogbad » » » dto. dto.
6) das Antonbad » » » dto. dto.
6) das Frauenbad » » eigene Quelle;
7) das Carolinenbad » » dto. dto.
8) das Josephbad » » » dto. dto.
9) das Peregrinusbad » dto. dto.
10) die Leopoldsbäder » » eigeneQuelle derBürgerschaft,
Li) das Mariazellerbad » eigeneQuelle, dem Wohlthä-
tigkeitsfonde gehörig;
12) das Armenbad » » eigene Quelle, auf dem Ge-
biethe der Herrschaft Weikerstorf, aber zum unentgeldlichen Ge-
brauche der Armen dienend.
Den benachbarten Gutsbesitzern gehören noch folgende Bade-
häuser:
13) das Petersbad » » » eigene Quelle, lattdesfürstlich;
14) die Engxlburgbäder » eigene Quelle, der Herrschaft
Weikerstorf gehörig;
15) das Sauerbad > » » dto dto. ,
16) das Johannisbad » » eigene Quelle zu Gutenbrunn,
einem Privaten gehörig.
Die vormahls im Schloßhofe zu Gutenbrunn befindliche
Quelle ist eingegangen, und kann daher unter Badens Mine-
ralquellen nicht mehr angeführt werden.
Wir wollen von jeder derselben einzeln in Kürze handeln;
und zwar:
L) Der Ursprung oder die Hauptqnelle, ist als die erste, äl-
teste, schon den Römern bekannte Quelle zu betrachten. Sie ist an
39
der nördlichen Seite der Stadt/ am Fuße des Calvarien-Ber-
ges, und gleichsam schon im Innern dieses Kalkberges/ neben
dem Park oder Theressieng arte n; zu derselben führt ein
unterirdischer/ fünf und vierzig Schritte langer Gang; die
Quelle selbst befindet sich in einer hohen weiten Höhle/ welche,
als das städtische Kamlneramt diese Quelle im Jahre 1716
käuflich von dem Grafen Lamberg an sich brachte, noch
sehr klein und so niedrig war, daß man hineinkriechen mußte.
Im Jahre 1764 ließ der damahlige Stadtrichter Johann
Guß mann dieses von den Dünsten zernagte, kaum noch
einen Schuh dicke, den Einsturz drohende Felsengewölbe er-
höhen, mit einem Steingewölbe überspannen, und die
Höhle, in der heutigen vrereckigen Form gemauert, erweitern;
die in deren Mitte befindliche kleine Felsenhöhle, wo das
Schwefelwaffer hervorquillt, ließ er gleichfalls, so wie sie noch
jetzt ist, zu einem viereckigen Behälter gemauert, formen, wel-
cher der BadekeffeL genennt wird» Er ist 36 Quadratschuh
breit, und gegen 2 Klafter tief, und in demselben fließt das
Wasser gegen Osten und Westen aus mehreren natürlichen
Oeffnungenvon unten in solcher Menge, daß dasselbe nach der
Berechnung des Herrn Bade-Arztes Schenk in einer Stunde
56o Eimer beträgt, mit einem Wärmegrade von 29^ Reau-
mur. Dieser Badekessel ist mit einer niedrigen Gallerie umge-
ben, und gegen Osten sind vier hölzerne Röhren angebracht,
durch welche dieses Badewaffer in die nahe gelegenen Bade-
häuser abgeleitet wird.
Als im Jahre 1768 auch in hiesiger Gegend ein heftiges
Erdbeben war, wurde nach den, von dem damahligen Stadt-
Syndicus, Georg Grundgeyer, gemachten Wahrnehmun-
gen aus den Felsenschlünden dieser Quelle zugleich mit dem Wasser
viel rother Sand ausgeworfen; das Wasser selbst nahm an
Wärme, Zufluß und Schwefelgeruch zu.
Am Ende des Ganges, beym Eingänge in die gewölbte Höhle,
ist ein kleines Behältniß, von einem hölzernen Gitter umge-
ben und mit einigen hölzernen Stühlen versehen, seit dem
Jahre 1800 zum Gebrauche-eines Dunstbades eingerichtet; zu-
gleich wurde am Anfange des engen Ganges ein kleines Zim-
29
mer zu dem Zwecke-mit einem Ofen versehen, daß nach dem
Dunstbade der Körver hier ausruhen könne, und sich allmäh-
lich an eine kühlere Temperatur der Luft .gewöhne. Dieses zu
einem Dunst- oder Schweißbade vorzüglich geeignete Locale läßt
in dieser Hinsicht zum häufigeren bequemeren Gebrauche noch
Manches zu wünschen übrig. — Der Gang und die Felsenhöhle
sind immer mit Dünsten angefüllt, welche die Seitenwände zer-
nagen, und in Tropfen verwandelt von der Gewölbdecke her-
abfallen, und saure Tropfen genannt werden, weit sie einen
sauren beißenden Geschmack haben, und sehr ätzend sind, so
daß sie die Farbe und Stoffe der Kleidungen zerstören. Durch
das Schwefelwasser und dessen Dünste erhalten auch alle Me-
talle, Gold ausgenommen, sowie alle durch Schminke, Pfla-
ster, Salben und dergleichen verunreinigten Kleidungsstücke
oder Theile der Haut eine mehr oder weniger braune Farbe.
An den Wänden und dem Fußboden der Höhle und des Gan-
ges beym Ursprünge setzt sich eine salzige Substanz ab, die
das Badner Salz genannt wird. In einer bedeckten Grube äm
Eingänge in die Ursprungsquelle wird der künstliche Bade-
schlamm bereitet, der aus einer Thonerde besteht, auf welche
das Quellwasser geleitet wird, damit es dieselbe mit seinen
Bestandtheilen durchdringe und schwängere, und zum äußerli-
chen Gebrauche bey einigen Krankheiten geeignet mache. Es
ist hier auch eine eigene Trink-Curanstalt errichtet. Man
trinkt hier nach Verordnung des Arztes gewöhnlich in den Vor-
mittagsstunden i bis 6 Gläser dieses Mineralwassers, jedoch
jedeLMatzl nur einen Becher auf ein Mahl, und zwar, nach ei-
ner jedes Mahl mäßig gemachten Bewegung, nach einem Zwi-
schenräume von einer halben bis einer Viertelstunde. Ein ei-
gener Diener hat, gegen eine kleine Belohnung von den Cur,ga-
sten, dafür zu sorgen, daß dieselben mit frischem aus der Ur-.
sprungsquelle geschöpftem Wasser bedienet werden.
2) Die Ursprungshalbbäder sind an dem Eingänge
zur Ursprungsquelle südwestlich angebauet, und schalten ihr
Wasser von derselben abgeleitet, mit einem Wärmegrade von
2<)0 Reaumur. Noch zu Anfang de's siebzehnten Jahrhun-
derts war auf diesem Platze eine eigene Quelle, die ohne alles
3o
Obdach gegen fünf Schuhe im Durchschnitte betrug/ und zu
einem Fußbade benutzt wurde. Zu Anfang des achtzehnten
Jahrhundertes wurde hier ein kleines Gebäude aufgeführt, und
in demselben ein Bad errichtet, worin fünf bis sechs Perso-
nen gegen Bezahlung die Füße oder den halben Leib baden
konnten. Im Jahre 1768 wurde zu diesem noch ein Gebäude
mit einem Gange zwischen beyden, und noch einem Badebe-
hälter errichtet , zu welchem das Wasser aus dem Ursprünge
eingeleitet wurde, und wo sich eine oder zwey Personen halb,
und wenn sie sich auf dem Fußboden des Behälters setzten,
auch ganz baden konnten. JmJahre 1796 ließ die Stadt nach
dem Plane des Grafen Camillo von Lamberti, diese
Ursprungsbäder nach orientalischem Geschmacke in der heu-
tigen Gestalt erbauen. Als man diesem neuen Gebäude mehr
Luft und Aussicht verschaffen wollte, und daher den auf der
Hinterseite gegen Westen höher steigenden Erdgrund, von wel-
chem das Gebäude halb verdeckt war, auf 10 Schuhe weit,
bis zur gleichen Linie mit dem Eingänge zur Ursprungsquelle
abgraben ließ, stieß man auf die Mauern eines alten römischen
Dunstbades, wodurch man zur Gewißheit gelangte, daß diese
Quellen schon von den Römern benutzt worden sind. Schon
im Jahre 1764, als das Gewölbe der Ursprungsquelle gemacht
wurde, hatte man einen Ziegelstein mit der Aufschrift AQUAE
entdeckt; und hier fand man nun sehr viele Ziegeln, die alle,
Zoll dick, die meisten 11 Zoll lang, und 11 Zoll breit,
auch einige bey gleicher Breite 17 oder 19 Zoll lang waren,
und das gebräuchliche Meisterzeichen der i4ten und ioten römi-
schen Legion hatten. Erstere hieß auch gemina, martia, yic-
trix; und die andere gemina, fidelis, pia. Das den Zie-
geln aufgedrückte Zeichen war: LEG. XIIII. G. M. V. und
LEG. X. P. G. E. P. Es ist aus mehreren alten Schriftstellern
bekannt, daß diese beyden Legionen unter und noch vor dem
Kaiser Marcus Aurelius Antoninus im heutigen
Oesterreich in der Gegend von Wien und Carnuntum ihr
Standlager hatten; folglich war ein Theil derselben auch hier-
in Baden und benutzte diese Quellen zu einem Bade. Man
stieß beym Aufgraben auf einen ganz von Schwefel- und Kalk-
8.1
theilen durchdrungenen Flötzboden, auf welchem in' zweyschu-
higen Distanzen von einander stehende Fußgestelle von <) Zoll
Höhe und 5 Quadratzoll im Durchschnitte befindlich waren,
welche aus 3 Zoll dicken auf änanber liegenden, durch ctneii
Kitt verbundenen festen Ziegeln bestanden. Ueber diesen Fuß-
gestellen lagen sehr dicke, über zwey.Schuh lange und ebenso
breite Ziegelplatten, welche erst den eigentlichen Fußboden
ausmachten. Von allen Seiten befanden sich in verschiedenen
Entfernungen Rauch- und Dunstfange, 36 Quadratzoll im
Durchmesser, und über einen Schuh in der Höhe; an den bey-
den entgegengesetzten Seiten dieser Dunstgänge bemerkte man
große Oeffnungen, welche 6 Zoll Höhe und 3 Zoll Breite hat-
ten. Nur Schade, daß man diese antiquarischen Nachforschun-
gen nicht fortsetzte, sondern nach erfolgter beabsichtigter Ab-
grabung der Erdoberfläche, diese altrömische Badeanlage wieder
verschüttete. Vielleicht hätte man sich daraus ein Modell für
die Einrichtung heutiger Dunstbäder nehmen können. Um die-
ses rörnische Dunstbad herum fand man auch die Ueberreste ei-
nes sehr großen Gebäudes in der östlichen Gegend von der
Quelle, wo jetzt der Park oder Theresiengarten ist. Die heu-
tigen Ursprungsbäder bestehen aus zwey Abtheilungen, zu de-
nen man aus dem in ihrer Mitte gelegenen Vorgemache kom-
men kann. Zn diesem Vorgemache sind zwey römische Ziegeln
mit ihrem Meisterzeichen eingemauert, und die Bade- und
Laxordnung angeheftet. Aus dem Vorgemache kommt man bey-
derseits in das Aus- und Ankleidezimmer, aus welchem man
rechter Hand in ein rundes, mit einer hohen Kuppel und mit
halben, in beträchtlicher Höhe angebrachten Bogenfenstern verse-
henes Zimmer tritt, worin sich ein ovaler Badebehälter befindet,
der einem erwachsenen aufrecht stehenden Menschen bis an den
halben Leib reicht, und bequem io bis m Menschen faßt; er
kann als Halbbad, oder sitzend als Vollbad, oder auch bloß
als Fußbad benutzt werden, und durch einen angebrachten
Schlauch oder Röhre auch als Tropf- und Tuschbad. Gleiche
Bauart hat auch das Badezimmer linker Hand des Vorgema-
ches; aber der Badebehälter ist achteckig, worin nur wenige
Personen zugleich baden können. Gewöhnlich aber benutzt man
32
dieselben einzeln als Stundenbäder, für die jedes Mahl gewöhn-
lich 3b Kreuzer Metallmünze bezahlt werden, nebst einer klei-
nen Belohnung für den Badediener zu Ende der Cur. Es ist
hier ein Badediener und eine ^adedienerinn.
3) Die Theresienbäder, liegen 100 Schritte abwärts
südlich von den Ursprungsbädern entfernt, so daß ihre Fronte
oder Haupt-Facade mit denselben in gleicher Linie steht. Sie
erhalten ihr Wasser durch bleyerne Röhren von der Ursprungs-
quelle, mit einem Wärmegrade von 28° Reaumur. Ueber der
Eingangsthüre ist ein aus Stein gehauener doppelter Adler,
auf dessen Brust ein wapenloser Schild mit einem Herzogs-
huteist; in der einen Klaue ist ein Oehlzweig, in der andern
ein Lorbeerzweig. Unter demselben ist auf einer rothen Mar-
morplatte mit metallenen Buchstaben folgende Inschrift:
Dis Soteribus
Francisco et Mariae Theresiae
F. F. F. F. A. A.
(^iiod Aquas Cetias
Sanandis miiitum suorum plagis
Et impluentes fieri
.Et novo balneario mcliuli
Jusserunt
Gurante Joan. Nep. ab Humbourg,
Reg. M. M. Chirurgo.
Nach Anzeige dieser Inschrift haben also diese Bäder ih-
ren Nahmen und ihre Entstehung der Kaiserin Maria The-
resia zu danken. Sie befahl nämlich der Stadt die Erbauung
dieser Bäder im Jahre 1768, unter der Leitung des k. k. Leib-
arztes von Humbourg. Sie gab dazu einen Beytrag von
1000 Ducaten, mit der Bedingung, daß die verwundeten
Officiere der Armee diese Bäder unentgeldlich brauchen dürfen.
Nachdem von Seiner Majestät dem Kaiser Franz im
Jahre 179b das Peters bad zum Gebrauche des Militärs
erkauft wurde, und die Stadt dazu einen Beytrag von 2000
Gulden leisten mußte, hörte dieses Vorrecht der k. k. Offi-
ziere auf, und nur die Officiere der k.k. Leibgarden haben noch
das Vorrecht-, in jedem städtischen Bade unentgeldlich baden
ju dürfen. Das Theresienbad - Ge bäude hat über dem
Eingänge einen kleinen Saal, und zu ebener Erde sechs ein-
zelne Bäder, nähmlich zu beyden Seiten des Einganges drey
derselben, jedes mit einem Aus- und Ankleidezimmer ver-
sehen. Im zweyten Badezimmer wurde im Jahre 1800 ein
Tropfbad errichtet, mittelst eines bteyernen, zwey Klafter ho-
hen Rohres. Die Badebehälter können nur einige Menschen
fasten, das Master strömt in dieselben aus einer sechs Schuh
hoch angebrachten metallenen Pipve, durch einen ledernen
Schlauch, der auch zu einem Tuschbade benützt werden kann.
Beym dritten und vierten Badezimmer sind kleine Zimmer
zum Ausruhen angebracht; es kann daher auch zur Win-
terszeit gebadet werden. Doch pflegt man hier nur Stunden-
bäder zu nehmen; die Stunde des Badens wird von den Ba-
demeistern jedem Einzelnen auf gewisse Zeit um den Preis von
3o Kreuzer M. M. für jedes Mahl Baden bestimmt, und in
ein Protokoll eingetragen. Es sind hier drey Badediener, und
drey Badedienerinnen.
4) Das Her zog bad befindet sich unterhalb der The-
resienbäder, 40Schritte von denselben südöstlich entfernt,
innerhalb der ehemahligen Ringmauern der Stadt, im Herzog-
hofe. Das Wasser wird durch Röhren eine Strecke von i5o
Schritten von der Ursprungsquelle hierher abgeleitet. Diese Röh-
ren sind seit dem Jahre i8o5 von Bley, und gewähren den
Nutzen, daß dadurch das Wasser an Wärme, Reinheit und
Klarheit gewinnt, auch der Badebehälter viel schneller gefüllt
werden kann, als durch die vorigen hölzernen Röhren; denn
anstatt, wie vorher in fünf einer halben Stunde, füllt sich
derselbe nun in 3 Stunden und 3o Minuten. Der Wärme-
grad des Wassers beträgt 280 Reaumur. Der Badebehälter
ist zu einem Gesellschafts -Volldade eingerichtet, in ovaler
Form, und kann bey i5o Menschen fassen. Es ist daran eine
Schraubenspindel angebracht, um das Wasser ablassen zu kön-
nen, welches durch eine unter den Sitzen an der Wand ange-
brachte Oeffnung zuströmt. Auf zwey entgegengesetzten Seiten
sind mit einer Thüre versehene Stiegen angebracht, auf wel-
chen auf einer Seite die Männer, auf der andern die Frauen
C
34
in die geräumigen Umkteidezimmer gelangen können. Zn der
Mitte der oberen Zimmerdecke über dem Badebehältnisse ist eine
Oeffnung angebracht, die zur Ableitung der Badedünste be-
stimmt ist, und nach Belieben auf- und zugemacht werden
kann. Durch zwey an der Nordwestseite angebrachte Fenster
erhält das Badezimmer Licht, und um den Badebehälter ist
eine Gallerie angebracht, zu welcher man durch zwey Thüren
aus den Umkleidezimmern, und durch eine Thüre von dem
äußeren Gange gelangen kann. Es sind hier drey Badediener
für die Männer, und eben so viele Badedienerinnen für die
Frauen. Der Preis ist für jedes Mahl Baden 6 Kreuzer M.M.
Die Zeit der Erbauung dieses Badehauses ist nicht bekannt;
es scheint aber schon in den ältesten Zeiten ein Bad hier ge-
wesen zu seyn, obschon nicht von so großem Umfange; viel-
leicht hatten schon die Herzoge von Oesterreich aus dem Hause
Babenberg, als Besitzer des Herzogshofes, wegen der Nähe
der Ursprungsquelle hier eine'Wasserleitung und Badestube er-
richtet. Seit dem Ankäufe des Herzogshofes im Jahre 1716
ist das städtische Kammeramt im Besitze dieses Bades.
£) Das Ant 0 nbad liegt südlich vom Herzogbadein
dem nähmlichen Gebäude des Herzogshofes an dasselbe angrän-
zend; es erhält sein Wasser auf gleiche Art und mit gleichem
Wärmegrade wie das Herzogbad. Der Badebehälter ist vier-
eckig und faßt bey 100 Menschen. Die übrige Bauart ist gleich
dem Herzogbade. Bey heiterem Wetter ist das Badewasser ge-
wöhnlich klar und hell; bey Regenwetter oder starkem Winde
pflegt es aber durch die in Bewegung gesetzten Badeschlamm-
theilchen bald trübe zu werden, welches aber auch durch die
nichtgehörig von der Seife gereinigte Badewäsche geschehen kann.
Diese Badewäsche kann jeder Badende selbst mitbringen; sie
wird dann jedes Mahl von den Badeoienern gereinigt und getrock-
net, und unter einer eigenen Nummer zum jedesmahligen Ge-
brauche aufbewahret; man kann sich aber auch der gemein-
schaftlichen Badewäfche bedienen, wofür jedes Mahl besonders
bezahlt werden muß. Der Preis für ein Mahl Baden ist hier
16 Kreuzer M. M., nebst einer Belohnung für die Badedie-
ner am Ende der Bade-Cur. Es sind hier so viele Badediener
ZZ
wie im Herzogbade; ihre Pflicht ist/ täglich zwey Mahl, ttähm-^
Uch um Mitternacht und zu Mittag, das Wasser abzulassen,
den Behälter zu reinigen, und wieder vermittelst der Einlaufs-
öffnungen zu füllen; dann die Badenden beym An- und Aus-
kleiden zu bedienen, die Badewäsche zu reinigen, zu trocknen
und aufzubewahren, und überhaupt auf Ordnung und Rein-
lichkeit im Badegebäude zu sehen.
Diese Badediener erhalten von dem Badeeigenthümer
eine geringe Besoldung, und sind für ihre Bemühung auf die
gewöhnliche unter dem Nahmen Trinkgeld bekannte Belohnung
der Badenden angewiesen.
Die Umkleidezimmer sind mit geheitzten Oefen und mit
allen nöthigen Bequemlichkeiten versehen. Auf der bedeckten,
zum Badebehälter führenden Stiege pflegt man die Bade-
wäsche beym Herausgehen aus dem Bade abzulegen, wird dann
von dem Badediener mit einem gewärmten leinenen Mantel um-
hüllt, in einer Abtheilung des Ankleidezimmers abgetrocknet
und dann angekleidet. Das Antonbad wurde im Jahre 1699
von dem damahligen Besitzer des Herzogshofeö, Carl Grafen
v. La mb erg, erbauet, und kam im Jahre 1716 mit der
Besitznahme des Herzogshofes an das städtische Kammeramt.
(>) Das Frauenbad, im südöstlichen Theile der Stadt
unweit des Mühlbaches, wo vormahls das Frauenthor und die
Frauenkirche stand, von welcher das Badegebäude den Nah-
men erhielt, weil die Quelle unter dem Hochaltare dieser Kir-
che entsprang, und von da durch Röhren in den an die Kirche
nördlich angebauten Badebehälter abgeleitet wurde. Diese
Quelle ist die wärmste, denn sie hat 3o° Grade nach Reau-
mur, und war die einzige benützte, innerhalb der vormahligen
Ringmauern der Stadt befindliche Badequelle. Es bedienten
sich dieses Bades größten Therls nur adelige Personen und der
Allerhöchste Karserhos. So badete hier im Jahre 1466 die
Kaiserin Eleo no ra, Gemahlin Kaisers Friedrich IV.; im
Jahre 1697 Kaiser Leopold I. mit seiner Gemahlin Eleo«
nora und dem Kronprinzen Joseph l., und Friedrich Au-
gust, Churfürst von Sachsen. Im Jahre 1699 Kaiser Jo-
seph I. und seine Gemahlin. Im Jahre 1766 Josepha,
C 2
36
Gemahlin Kaiser Josephs 1t. Im Jahrs 4792 die Erzher-
zogin Maria Anna; und vom Jahre 179b angefangen, bey-
nahe alljährlich Se. Majestät, der väterlich regierende Kaiser
F r a n z.
Von der Entstehung und Erbauung dieses Frauenbades
weiß man nichts Gewisses. Im Jahre 1367 bestand dasselbe
schon,-und war ein Eigenthum der Landesfürsten, wie aus
einer damahls ausgefertigten Urkunde erhellet, in welcher der
Herzog Albert II. es »Unser Frauenbad« benennt. Wie
aber die Landesfürsten zu dessen Besitz gelanget, ist schwerlich
zu bestinnnen. Es ist wirklich sonderbar, daß in der Urkunde
vom Jahre *297, in welcher Heinrich von Pottendorf
die ihm gehörige Frauenkirche den Augustiner-Mönchen schenkte,
von der unter bem Hochaltars dieser Kirche aufsprudelnden Quelle
gar keine Erwähnung geschieht, und daß die Augustiner mit
der Besitznahme der Frauenkirche nicht auch zum Besitze des
Frauenbades gelangt sind.
Dieses Bad blieb dann immer im Besitze der Landesfür-
sten, bis auf den Kaiser Maximilian!., der es mit dem an-
stoßenden Neubade einem gewissen Valentin Polz schenkte;
dann schenkte es Kaiser Ferdinand I. der Stadt Baden
zu einer Entschädigung für den durch die Türken im Jahre
1629 erlittenen Schaden; und von jener Zeit an blieb das
städtische Kammeramt im Besitze dieses Bades. Im Jahre
i633 wurde es von den Türken so zerstöret, daß es mehrere
Jahre nicht bis zur gehörigen Höhe konnte gefüllet werden;
erst im Jahre 1688 brachte man dieses wieder zu Stande,
in welchem Jahre die Erzherzogin Maria Antonia dieses
Bad gebrauchte, und zum dankbaren Andenken wegen deck
wieder erlangten Gesundheit ein Vermächrniß von 3oo Gulden
zu einem ewigen Lampenlichte vor dem in diesem Badezimmer
aufgestellten Marienbilde stiftete«- Auch im Jahre 1693 nahm
man eine Verbesserung vor, durch Einsenkung großer Qua-
dersteine, die noch vorhanden sind, um die Verminderung der
Quelle zu verhindern. In den Jahren »792, 1796 und ,600
verminderte sich die Quelle des Frauenbades ohne sichtbare
Veranlassung so, daß der Behälter nicht gehörig konnte ge--
$7
füllt werden, wahrend sich das benachbarte Neubad höher und
schnellerfüllte; man half dieser Verminderung durch eine Ver-
bürstung und 10 Schuh tiefe Verriegelung ab. Durch das Frauen-
thor und einen daran angebrachten bedeckten Gang stand die-
ses Bad mit dem Augustrnerkloster in Verbindung, wo gewöhn-
lich derAllerhöchsteHofzu wohnen pflegte. JmJahre 1811 wurde
die Frauenkirche niedergerissen, und im Jahre 1812 brannte das
Frauenbad ab; die Quells aber und der Badebehälter blieben
unbeschädigt. Im Jahre i8i3 wurde auch das Frauenthor me-
dergeriffen, und endlich im Jahre 1831 erhielt das ganze Bade-
gebäude eine andere Gestalt. Früher war im Frauenbade ein
einziger viereckiger Badebehalter, der 1206 Kubikschuhe ent-
hielt, und bey 80 Personen fassen konnte. Nun faßte der Hie-
sige Magistrat im Jahre 1818 den Entschluß, mit landes-
fürstlicher Bewilligung ein ganz neues Badegebäude zu errich-
ten, das Frauenbad mit dem ehmahligen Neubade in ein Ge-
bäude zu vereinigen, mehrere Badebehalter anzulegen, und
dazu auch den Platz der ehemahligen Frauenkirche zu benützen.
Nachdem durch ein hohes k. k. Hofkanzley - Decret vom
28. May und 26. Julius 1818 hierzu die Erlaubniß ertheilt wor-
den war, ließ der Magistrat Hm Ankündigung bekannt ma-
chen , vom 16. April 1619, worin um ein Anlehen von
30000 Gulden M. M. vermittelst Actien angesucht wurde,
jede Actie zu 2Z0 Gulden M. M. und b pCt. jährlich ver-
zinslich; im Ganzen also 120 Actien. Zur Deckung und Si-
cherheit des Capitals unh der jährlichen Zinsen wurden alle
städtischkammerämtlichen Realitäten, und insbesondere der
Ertrag des neuen Badegebsiudes angewiesen. Es wurde be-
rechnet, daß nehst richtiger Bezahlung der Zinsen auch jähr-
lich zwölf Actien werden,M'ückbezahlet werden, folglich nach
zehn Jahren die gqnze Schuld getilgt seyn könnte. Der Preis
jedes einzelnen Bades im Vollbade wurde zu 24 Kreuzer M. M.
und in den Stundenbädern für jeden Einzelnen 1 Gulden M. M.
berechnet, und der GesamMtertrag dieses Badegebäudes in
einem Jahre zu 7200 Gulden M. M. »Nach'Abschlag des zur
Gründung des Tilgungsfonds jährlichen Bedarfs von 4800
Gulden M. M, bliebe noch jährlich ein Rest von 2400 Gul-
38
den M. M. auf Reparaturen und andere nöthige Ausgaben.
In wie weit dieser Berechnung der Erfolg entsprechen werde,
muß die Erfahrung lehren. Genug; die Zahl der erforderli-
chen Actien war bald gesammelt, und der Bau thätig begon-
nen; und nun steht an diesem Platze ein sehr schönes, großes
im römischen Style aufgeführtes Badegebäude, welches vier
Fronten darbiethet. In der nördlichen Fronte ist der Eingang
zum Badesaal des Frauenbades, und zu den Umkleidezimmern.
Der Badesaal ist 6 Klafter hoch, 6 Klafter lang, und
4 Klafter breit, und wird durch zwey große, halbrunde, von
beyden Seiten in der Fronte angebrachte Fenster beleuchtet.
In der Mitte des Gewölbes ist ein Dunstfang zur Ableitung
der Badedünste angebracht; der ein längliches Viereck bildende
Badebehälter ist mit einer Gallerie umgeben, und fasset gegen
90 Personen ; die Quelle sprudelt unter dem durchlöcherten
Breterboden des Behälters auf, und füllt denselben bis zur
erforderlichen Höhe in einer Stunde und fünfzehn Minuten.
An den Wänden des Badebehälters sind wie in den übrigen
Vollbädern, ringsherum Sitze mit Handgeländern angebracht,
und über diesen ein Bret befestigt, worauf man die Schnupf-
tücher u. dgl. legen kann. In einer Ecke des Behälters ist, wie
in den übrigen Vollbädern, eine hohle Spindel angebracht, die
mittelst einer Schraube eingelassen und aufgezogen werden
kann. Ist diese eingesetzt, so verschließt sie das Abflußloch des
Behälters, und derselbe füllt sich sodann. Die Spindel ist in
einer Höhe von 4 Schuh 6 Zoll mit einer länglichen Oeffnung
versehen, durch die das Badewasser abfließt, so bald es diese
^ Höhe erreicht hat. Diese Oeffnung ist mit einem Schu-
ber versehen, wodurch man das Wasser um einige Zolle höher
oder niedriger richten kann, und dient ebenfalls auch zum
Ausspucken. Anden Seitenwänden ist eine Thüre, durch die
man über eine Stiege, gewöhnlich die Schnecke genannt, in
die Umkleidezimmer gelangt. Bey diesem Bade sind drey Bade-
dienee, und eben so viele Dienerinnen. Aus diesem Theile
des Gebäudes führt eine Thüre aus dem Umkleidezimmer der
Männer in das anstoßende Kaiserbad, welches vorzugsweise
zum Gebrauche des Allerhöchsten Kc.iserhofes bestimmt ist. Zu
%
diesem Bade gelangt man auch von Außen durch eine, in Mitte
der östlichen Fronte mit einem, auf zwey Säulen ruhenden
Portale versehene Thür, die in einen Gang führt, wo rechts
der Eingang in das Kaiserbad, und links ein Ausruhezimmer
ist, von welchem man in das Umkleidezimmer, und von da
in den Badebehälter gelangt. Neben dem Ausruhezimmer ist
noch ein zweytes Stundenbad; diese Stundenbäder erhalten
ihr Wasser durch bleyerne Röhren von dem Vollbads. Die nach
Süden gekehrte Fronte des Gebäudes enthält das
7) Carolinenbad, an dem Platze des vormahligen Neu-
bades, oder äußeren Frauenbades. Dieses Bad hat seine ei-
gene Quellevonsgz Grad Reaumur Wärme, welche durch die
zweymahlige Verbesserung des Frauenbades und durch das Gra-
ben des in einer kleinen Entfernung laufenden sogenann-
ten Müller-Canals, im Jahre 1600 einige Verringerung erlitt,
welches aber durch eine Vertiegelung verbessert wurde. Das
Badegebäude hatte gleiche Entstehung und Schicksale mit dem
Frauenbade, und beyde zusammen wurden auch die Wildbäder
genannt. Vorher badeten hier die gemeinen Soldaten, die in
dem, zu einer Caserne gemachten Hellhammerhofe wohnten;
nachdem aber Se. Majestät der Kaiser Franz im Jahre
1796 das Petersbad für das k. k. Militär erkauft hatte,
pflegten hier vorzüglich Juden und minder vermögliche Leute
zu baden. Im Jahre r8og wurde dieses Badehaus einfach, be-
quem und niedlich erneuert, und durch eine angebrachte Kup-
pel demselben mehr Licht, und den Badedünsten mehr Aus-
gang verschafft. Es war an die Südseite der Frauenkirche an-
gebaut, und der Badebehälter konnte bey 5c» Menschen fassen.
Nach der Niederreißung der Frauenkirche wurde dieses Neu-
bad mit dem Frauenbade unter ein ganz neues Gebäude im
Jahre 1821 vereint, und schielt den Nahmen des Carolinen-
bades. Die südliche Fronte dieses schönen Badegebäudes hat
in ihrer Mitte eine Reihe von acht dorischen Säulen, hinter
denen ein 10 Schuh breiter und 10 Klafter langer bedeckter
Gang ist, zu welchem drey Stufen führen. Auf dieser Seite
ist rechts ein Fußbad, und links das Carolinen-Vollbad, dessen
Behälter etwas kleiner ist, als jener im Frauen-Vollbade, abex
4°
übrigens von der nähmlichen Beschaffenheit ist, wie jener. Der
mittlere Eingang führt in einen Gang, der in die Tiefe des
Gebäüdes geht, und wo sich noch drey Stundenbäder, zwey
Höfe, eine Wohnung für den Aufseher des Gebäudes, und
das Waschetrocknungszimmer befinden. Das Fußbad hat einen
Badebehälter, der aus dem Carolinenbade mittelst bleyerner
Röhren gefüllt wird; dabey ist, wie bey allen Bädern, ein
Umkleidezimmer. Die Behälter der Stundenbäder sind mehr
oder weniger rund, oval oder viereckig, und werden mittelst
bleyerner Röhren aus dem Frauen-Vollbade mit Badewaffer
versehen. Bey dem Carolinen-Vollbade sind zwey männliche und
zwey weibliche Diener, bey den übrigen drey angestellet.
Die vormahls auf diesem Platze zwischen dem Frauenbade und
dem Neubade in unmittelbarer Berührung gestandene Frauen-
kirche war, sowohl in Hinsicht ihres Alters als ihrer Bauart,
sehr merkwürdig. Schon im Jahre 1297 wurde dieselbe von
Heinrich voll Pottend orf als eine auf seinem Meier-
hofe stehende läutende Capelle, die folglich Glocken zur Be-
rufung der Leute zum Gottesdienste hatte, den hiesigen be-
nachbarten Augustiner-Mönchen geschenkt; sie muß also schon
viel früher, vielleicht sogar als eine öffentliche Pfarrkirche, vor-
handen gewesen seyn. Sie war zur Ehre Mariens geweiht,
daher sie ihren Nahmen erhielt, und am Feste Mariä'Geburt
-wurde das jährliche Kirchweihfest gehalten. Die Augustiner
hielten hier den Gottesdienst, bis dieselbe auf landesfürstlichen
Befehl im Jahre 1787 entweihet, dann im Jahre ,793 von den
Augustinern an das städtische Kammeramt verkauft und zu
einem Holz-Magazine verwendet, und endlich im Jahre 1811
gänzlich niedergerissen wurde.
Herr Bürgermeister Mayer hat in seinenMiseellen eine
Abbildung und Beschreibung derselben geliefert. Sie war ein
Pteisterstück der Baukunst des Mittelalters, und hatte das so-
genannte Wahrzeichen von Baden , nähmlich : daß ihr Thurm
auf einer Spitze stand; dieses ist von der sonderbaren Bauart
dieses Thurmes zu verstehen, denn er war durchaus von har-
ten jchweren Steinen erbaut, durch kein Fundament gestützt,
vertical über der großen Eingangsthüre, aus einer Spitze sich
4*
Allmählich in die Höhe erweiternd, und gleichsam dem Firste
des Daches entwachsend, von wo aus er ui der Figur eines
gleichseitigen Sechseckes conisch geformt und mit verschiedenen
gothischen Verzierungen geschmückt, noch 8 Klafter und
44 Schuh sich erhob, und mit einer Spitze endigte, worauf
ein eisernes Kreuz befestiget war. Vom Giebel des Daches und
von der obern größten Breite lief der Thurm in gleicher Höhe
von 8 Klafter 44 Schuh abwärts an der Mauer Ln eine
Spitze zusammen, doch nur von Außen in halb erhabener Ar-
beit, so daß es schien, als ob der Thurm wirklich auf ei-
ner Spitze stehe. Die ganze Last des Thurmes stützte bloß
eine fest verkittete Masse, indem der Baukünstter über die ge-
wölbte Decke der Kirche zwey steinerne Gurten spannte, web-
che durch starke, mit Bley vergossene Eisenstangen mit einan-
der, mir dem Vorder-Tracte, und mit der Hauptmauer so ver-
bunden waren, daß sie ein. unzertrennliches Ganze bildeten,
und kein Stück weichen konnte. — Dieser Thurm hatte noch
das Elgene, daß nebst den gothischen Verzierungen an den
sechs Ecken über dem ersten Absähe verschiedene Gestalten von
Thieren aus Stein hervorragten; nähmlich ein Bar, ein Reh-
bock, eine Gemse und drey Hunde.
Dieses gab Veranlassung zur Sage, daß die nahen Heil-
quellen durch wilde Thiere und Jagdhunde, die sich ihre Wun-
den heilten, zufällig wären entdeckt worden. —
Ein zweytes Meisterstück der Baukunst enthielt diese
Frauenkirche in ihrem Dachstuhle, welcher ganz von Lerch-
bamnhotz verfertigt und durchaus ohne Eisen war, so daß we-
der Nägel, noch Schrauben, Ktannnern u. dgl. angewendet
wurden; sondern afles ward nur durch zwey stehende Stühle
gestützt, durch ein Hängewerk verbunden, mit hölzernen Haf-
ten festgemacht, und mit grün glasirten Ziegeln bedeckt, die
vierfach übereinander in kittfesten Mörtel gelegt waren. Die
ganze Kirche war von Quadersteinen erbaut, und die Seiten-
mauern wurden von Außen im ganzen Umfange durch vierzehn
quadrirte Pfeiler unterstützt. Die obere Bogendecke war aus
Greinen fest gewölbt. Die Mauern waren 4 Fuß 3 Zoll dick,
und 6g Fuß io Zoll hoch; nähmlich bis zum Gesimse 38 Fuß
43
io Zoll/ und von da bis zum Gipfel des steilen Daches 3 t
Fuß. In der Länge hatte die Kirche sammt der Mauerdicke
108 Fuß 3b Zoll, und in der Breite 40 Fuß. Der Thurm
hatte in der Höhe 52 Fuß b Zoll, und maß eben so viel ab-
wärts bis zum Portale, welches 17 Fuß 4 Zoll hoch war.
Beym Abbrechen dieses meisterhaften altgothischen Gebäudes
zeigte sich, daß die Mauer eine, gleichsam in ein Ganzes ver-
kittete Steinmasse bildete, die äußerst schwer von einander zu
lösen war.
6) Das Josephbad liegt 4.0 Schritte südwestlich vom
Carolinenbade, nahe am Mühlbache; es hat eine eigene reine,
sehr ergiebige Quells, die auch unter die wärmsten allhier ge-
hört, denn st^chat einen Wärmegrad von 3oO Grad Reaumur.
Von der ursprüügllchen Entstehung dieses Badegebäudes ist
nichts bekannt. Es hieß ehedem das Rohrbadel am Anger, und
gehörte gemeinschaftlich der Stadt und den Augustinern, wurde
aber der ersteren im Jahre i65o durch Kauf gänzlich überlassen;
zugleich wurde dieses Bad von jener Zeit an, beynahe aus-
schließungsweise zum Gebrauche für die Geistlichen bestimmt.
Im Jahre ib83 zerstörten es die Türken, und im Jahre
1699 wurde es wieder hergestellt; aber den Frauen wurde der
Gebrauch dieses Bades versagt. Erst seit dem Jahre 1799
es ein, beyden Geschlechtern gemeinschaftliches Vollbad. Als
im Jahre 1800 in einer Entfernung von 10 Klaftern der so-
genannte Müller-Canal gegraben wurde, der zum Zwecke hatte,
das Wasser aller Bäder und Reinigungs Canäle in den Mühl-
bach zu leiten, geschah es, daß die Sohle dieses Canals tie-
fer gegraben wurde, als jene des Josephbadps war, wodurch
das Mineralwasser in diesem Canale selbst reichlich aufging,
und zugleich der Zufluß desselben im Josephbade so vermindert
wurde, daß der Badebehälter nicht gehörig konnte gefüllt
werden. Diesem Uebel half man im Jahre 1601 durch eine
tiefe, vor dem Badegebäude angebrachte Verdämmung wieder
ab, und es wurde jedermann untersagt, in der Nähe der Bä-
der tiefer in die Erde zu graben. Im Jahre 1804 wurde das
Badegebäude in seiner jetzigen Gestalt erbaut, nach dem Mu-
ster eines alten Hempels der Heffa: ein rundes, mit jonischen
Wandsäulen geziertes Badezimmer, mit einer gewölbten Kup-
pel. Der Badebehälter ist viereckig, und faßt beyläufig 60
Personen; er ist auch mit einer Gallerie umgeben.
Im Hintergründe dieses Badezunmers find die zweckmäßig
eingerichteten zwey Umkleidezimmer für beyde Geschlechter an-
gebracht, aus denen die Schnecken-Badeeingänge in den Badtz-
behälter führen. Es sind hier zwey männliche und zwey weib-^
liche Badediener. Der Preis für ein Mahl Baden ist 11 Kreu-
zer M. M.
9) Das Peregrinusbad befindet sich südwestwärts
von der Berggasse nahe beym Calvarienberge auf einer Wiese,
zwischen dem Leopolds- und Manazellerbade. Es har seine
eigene Quelle, die zwar rein, reichhaltig, und in Rücksicht der
Bestandtheile den übrigen Mineralquellen gleich ist; aber in
Hinsicht der Wärme hat es nur 23 Grad nach Reaumur; es
ist also eines der kühlesten Bäder allhier. Diese Quelle bestand
schon früher, jedoch unbenützt. Zm Jahre 1770 erkaufte die-
selbe von dem Eigenthümer Joseph Stark das städtische
Kammeramt, und ließ sie zu einem Fußbade einrichten, unter
dem Nahmen Peregrinibad, weil der heilige Peregri-
nus in der katholischen Kirche als ein Patron der mit Krank-
heiten der Füße Behafteten verehret wird. Im Jahre 1798
wurde dieses Badegebäude vergrößert, mit Umkleidezimmern
für beyde Geschlechter versehen, und so eingerichtet, daß es
auch als Voll - und Halbbad benützt werden kann. Das Voll-
und Halbbad gebraucht man hier nur Vormittags, und das
Fußbad Nachmittags. Der Preis für jedes Mahl Baden ist 7
Kreuzer M. M.
10) Die Leopoldbäder liegen südöstlich vom Peregri-
nusbade in dem Garten des ehemaligen Stifts-Heiligenkreu-
zer-Freyhofes. Dieses Bad wurde vormahls das Heiligenkreu-
zerbgd genannt, weil es zu jenem Freyhofe gehörte, welchen
schon im Jahre i3i3 Albert Pienkh dem Stifte Heiligen-
kreuz zu einem Krarrkenhause schenkte. Im Jahre 1544 ver-
kaufte der Abt Simon dieses Bad salnmt dem Hofe an den
G er 0 w ich Auer von Her re n kirch en ; im Jahre 1678
löste Abt Udalrich alles wieder ein. Im Jahre i665 er-
44
baute Abt Clemens ein neues Badegebäude, mit zwey Um-
kleidezimmern und einem Badebehätter für äo Personen; es
war aber nicht zum öffenlichen Gebrauche, sondern nur für
badedürftige Sriftsgerstliche. Der Inspector des FreyhofeS
hatte auch die Aufsicht über dieses Bad. Als im Jahre 1814
auf landesfürstliche Anordnung der Hof sammt bein Bade
verkauft werden mußte, kaufte beyde dieCommunität der hie-
sigen Bürgerschaft, indem jedes Haus einen verhaltnißmäsii-
gen Beytrag gab. Es wurde unrer dem Nahmen der Leo-
poldsbäder ein ganz neues Badegebäude in schönem Style
aufgeführt, zu welchem der Eingang durch den Heiligenkreu-
zerhof, oder von der Seite der Alleegaffe ist. Die Fronte zie-
ren vier dorische Säulen. Es besteht aus sechs Stundenbädern,
die mit bequemen Umkleidezimmern versehen sind, und mit
einem gemeinschaftlichen Ruhezimmer. Die Badebehälter sind
geräumig für eine oder zwey Personen, und haben den beson-
dern Vorzug, daß sie unmittelbar über zwey Badequellen er-
bauet sind; das Wasser ist klar und rein, und hat eine Wär-
me von «8 Grad Neaumur. Man bezahlt für eine Badestunde
24 Kreuzer M. M.
Die Oberaufsicht über diese Bäder führt der Jnspector des
bürgerlichen Gaminger- und Heiligenkreuzer-Freyhofes.
11) Das Mariazelterbad befindet sich in der Nähe
des Peregrinibades gegen Westen, zwischen demselben und dem
Mariazetterhofe, auf einer Wiese neben der Berggasse zunächst
dem Calvarienberge. Wann biefe Quelle entstanden sey, oder
ob sie schon vorhanden gewesen, als Peter von Marken-
ft ein dem Stifte Klein-Mariazell den benachbarten Hof
schenkte, ist unbekannt. Früher hatte diese Quelle nur einen
Wärmegrad von 22° Reaumur; als aber im Jahre 1796 die-
ses Bad für die Kranken der neu errichteten Wohlthärigkeits-
- anstatt bestimmt wurde, wurde dasselbe durch Graben bis zum
26^ Grad der Wärme nach Reaumur verbessert. Es ist mit
einem Ankleidezimmer versehen; der Behälter kann bey i5
Personen bequem fassen. Die Krankenwärter versehen die
stelle der Badediener.
Das Arlyenöad, gewöhnlich auch das Bettterbad
45
genannt, liegt in der Nahe des Johannesbades, an der Gränze
der Herrschaften Baden, Gutenbrunn und Weikerstorf, hart
am diesseitigen Ufer des Aubaches, dern Sauerhofe gegen
über. Die eigene ergiebige reine Schwefelquelle hat 28 Grad
der Wärme nach Reaumur, und ist in einer aus Bretern zu-
sammen geschlagenen Hütte in einem hölzernen Behälter ein-
gefangen, der mit einer hölzernen Scheidewand für das männ-
liche und weibliche Geschlecht abgesondert ist. Es ist dabey kein
Badediener angestellt, sondern die Armen baden hier unent-
geltich, und leisten sich selbst gegenseitige Hülfe.
Jeder Arme, der dieses Bad gebrauchen will , muß sich
über das Badebedürfniß beym Aufseher mit einem schriftlichen
Zeugnisse des Bade-Arztes ausweisen, welcher auch täglich von
zwölf bis ein Uhr unentgeldlich in seiner Wohnung für die
Armen ordinirt. Im Jahre 1672 war diese Quelle auf einer
Schuttinsel des Aubaches; um dieselbe gruben sich die Armen
eine Grube, und badeten in derselben unter freyem Himmel
die Füße. Im Jahre ,716 schenkte der damahlige Besitzer von
Weikerstorf, Herr von Quarienr, diese Quelle sammt
dem Johannesbade dem Wundarzte in Gutenbrunn, Hrn.D r e-
sch e r, mit der Verpflichtung, über die Armenquelle ein höl-
zernes Badegebäude zu errichten, und dabey die Aufsicht zu
führen. Dieses geschah auch; und auf dem jedesmahligen Be-
sitzer des Johannesbades haftet die Verbindlichkeit, über die
Armenquelle die Aufsicht zu führen, und die nöthigen Aus-
besserungen vorzunehmen. Vor diesem'Armenbadhause befindet
sich ein mit einem hölzernen Gitter umgebenes bedecktes Fuß-
bad für die Armen, welches sein Wasser von dem Armen-Voll-
bade erhält. Vormahls war dieses Armenfußbad zu Anfang
der Neugasse jenseits des Mühlbaches, wo das Frauen-, Neu-
und Josephbad den Auslauf ihres Wassers in einen Graben
hatten» Drefe Ablaufsröhren gingen durch den Mühlbach, und
gaben Veranlassung zu dem zweyten sogenannten Wahrzeichen
von Baden, daß nähmlich das warme Wasser unter dem kal-
ten laufe, ohne sich mir demselben zu vermischen.
Als im Jahre 1600 die Wasserabläufe der Bäder in den
Müller-Canal diesseits des Mühlbaches geleitet wurden, ist
46
das Armenfußbad auf Kosten der Müller an seine jetzige Stelle
versetzt worden. Seine Erhaltung liegt der Stadt Baden ob.
13) Das Petersbad, jetzt auch das Militärbad ge-
nannt, liegt in der Allandgasse in dem k. k. Militär-Badspitale
in der Nähe der Engelburgquelle, südlich am weitesten von
der Stadt entfernt. Es soll im Jahre 1626 entstanden und er-
bauet worden seyn. Als im Jahre 1796 Se. Majestät Kaiser
Franz I. dieses Bad mit der angränzenden Wohnung er-
kaufte, wurde es ansschließungsweise zum Gebrauche des k. k.
Militärs bestimmt. Im Jahre 182» wurde ein neues, zweck-
mäßig und im schönen Style erbautes Badegebäude errichtet,
worin nebst einem Gesellschasts - Vollbadebehälter, welcher
bey 5o Personen fassen kann, auch ein kleines Tusch- und
Tropfbad nebst den nöthigen Umkleidezimmern sich befindet.
Die Quelle hat 28 Grad Wärme nach Reaumur. Als im
Jahre 1822 über der benachbarten Engelburgquelle ein neues
Badegebäude errichtet wurde, verspürte man einige Vermin-
derung der Quelle des Petersbades, welchem aber bald wieder
abgeholfen wurde.
14) Die Engelburgbäder sind südlich von der Stadt
jenseits des Aubaches, östlich nahe bey der Sauerhof - Bade-
quelle. Diese Quelle entstand erst zur Zeit eines Erdbebens im
Jahre 1765. Der Grund, auf welchem sich dieselbe befindet,
gehörte vorher der Pfarrkirche zu Baden, von welcher ihn
Herr Carl von Doppelhof im Jahre 1768 erkaufte,
und dann die neu entstandene Quelle wie einen Brunnen aus-
mauern ließ, um sie zu einem Fußbade zu benutzen. Im Jahre
1794 wurde über der Quelle ern kleines Gebäude errichtet, um
dieselbe vor dem Einwirken der Witterung zu schützen, und
daneben wurde ein einfaches niedliches Badehaus aufgeführt,
welches vier Fußbäder enthielt, die durch ein Vorgemach
und zwey Ruhezimmer getrennt waren, so daß sich an jeder
Seite zwey Bäder, jedes im Umkleidezimmer selbst befanden.
Das Wasser wurde von der Quelle durch Röhren dahin gelei-
tet; da dieses aber wegen des geringen Abfalles nur langsam
fließen konnte, so verlor es viel an Wärme; denn an der
Quelle hatte es 28^ Grad und in den Bädern nur 26 bis 27z
4?
Grad Wärme nach Reaumur. Diesem abzuhelfen erbaute im
Jahre ,822 der jetzige Besitzer, Carl Freyherr von Dop-
pelhof, über der Quelle selbst statt des alten ein neues
niedliches Gebäude, welches nebst vier einzelnen, mit Vorrich-
tungen zum Lusche und zu Dunstbädern versehenen Stunden-
bädern, auch ein kleines Gesellschaftsbad enthält, in welchem
geschlossene Gesellschaften baden können. Es sind hier mehrere
Badedrener; die Aufsicht führt der Jnspector des Sauerhofes.
i5) Das Sauer hofbad gränzt westlich an die En-
gelburgbäder , und liegt gleichfalls südlich von der Stadt jen-
seits des Aubaches, dem Orte Gutenbrunn gegen über, im so-
genannten Sauerhofe. Von der Entstehung dieses Bades weiß
man nichts Gewisses; doch ist sehr wahrscheinlich, daß dasselbe
von dem Erbauer des Sauerhofes, Georg Sauer, um
das Jahr 1Z94 errichtet wurde, und dann kam es mit dem
Sauerhofe an die Besitzer der Herrschaft Weikerstorf, die es
noch bis jetzt besitzen.
Das Badezimmer war früher achteckig, und der Badebe-
hälter konnte bey vierzig Menschen fassen ; er hatte seine eige-
ne Quelle mit 2Ö| Grad Wärme nach Reaumur; das Was-
ser war hell und klar, und quillte aus dem durchlöcherten höl-
zernen Fußboden mit häufigen Luftbläschen herauf. Durch ei-
nen bedeckten Gang gelangte man aus dem Wohngebäude des
Sauerhofes in dieses Bad, wobey ein männlicher und ein
weiblicher Badediener angestellt waren. Als-im Jahre 182» der
Sauerhof ganz neu erbaut wurde, erhielt auch dieses Badege-
bäude eine ganz veränderte Gestalt. Von dem Wohngebäude
des Sauerhofes gelangt man durch geschlossene bedeckte Gänge
in eine auf viereckigen Säulen ruhende Vorhalle, die mit
GlaSthüren geschlossen ist. Drey vieler Thüren führen, und
zwar die mittlere große in eine zweyte Vorhalle, und die bey-
den andern in geschlossene Gänge, aus denen man in die
zweyte Vorhalle, und in die Umklerdezimmer gelangt. Diese
Gemächer sind geräumig, und mir den zum Erwärmen dev
Wäsche bestimmten Oefen versehen. H'.er kleidet man sich aus,
legt die Badewäsche an, und geht dann in ein zweytes kleines
Zimmer, und aus diesem auf einer bequemen seichten Treppe
48
in das Bad selbst. Alts dem Bade gelangt man durch einen,
neben dem Badeeingange befindlichen abgesonderten Badeaus-
gang in ein Gemach, welches mehr als das Umkleidezimmer er-
wärmt ist. Hier wird der Körper abgetrocknet, und die er-
wärmte trockene Wasche angezogen; von da tritt man in daS
Umkleidezimmer, zieht die übrigen Kleidungsstücke an, ruht
dann in der Vorhalle aus, wenn es nöthig ist, und durch-
streift also nach und nach mehrere Abstufungen von Tempera-
turen , bevor man in die freye Luft kommt. '
Der Badesaal, in den man auch aus der zweyten Vorhalle
Über einige Stufen gelangen kann, stellt einen auf acht Säu-
len ruhenden Tempel vor. Die Säulen bilden längs der Wand
des Saales einen Gang, von dem vier Stufen zu dem mitt-
leren viereckigen Raume führen, in dessen Mitte sich der Bade-
behälter befindet, der ein Achteck bildet, kein Geländer hat,
sondern bloß am Rande mit rothem Marmor eingefaßt ist. Das
Licht erhält der Badesaal durch eine viereckige mit einer Gal-
lerte umgebene Oeffnung, die sich über dem Badebehälter in
dem Zirkelgewölbe des Saales befindet. Ueber diesem wurde
ein Glasdach angebracht, daß zur Ableitung der Vadedünste
mit Luftlöchern versehen wurde; da aber die Dünste noch zu
wenig Ausgang fanden, mußte im Jahre 1823 hier einige
Abänderung vorgenommen werden. In diesem Badesaale ist
auch eine schöne Gruppe angebracht, die einen sitzenden Aescu-
lap, mit einer an ihn sich schmiegenden Hygieia in Lebens-
größe vorstellt. Herr Director Klieber hat dieselbe aus har-
tem Sandsteine verfertigt, und sie darf als ein Meisterstück
der Kunst betrachtet werden. Die Schwefelquelle geht unter
dem durchlöcherten Breterboden des hölzernen Badebehätters
auf, an dessen Wänden Sitze mit Handgeländern, und über
diesen tassenförmige Behälter zur Aufbewahrung der Schweiß-
tücher u. dgl. angebracht sind. Der Ueberfall des Badewas-
sers ist in der Wand des Badekastens in einer Höhe von vier
Schuh 6 Zoll, an dem ein Schuber, mit einer Muschel ver-
sehen, befestiget ist. In diese Muschel, die zugleich zum be-
quemen Ausspucken dient, fließt das Badewaffer ab. Die Spin-
del zum An- und Ablassen des Badewassers ist außerhalb des
4<i.
Badebehälters verborgen. Die Ein- und Ausgänge für Her-
ren und Frauen sind an zwey entgegen gesetzten Seiten, und
mit Thüren, die matte Fenster haben, versehen. Neben diesem
Gesellschaftsbade sind noch zwey kleine Bäder für einzelne
Personen; sie erhalten ihr Wasser von der Quelle des Vollba-
des. Man bezahlt für ein Mahl baden 18 Kreuzer M. M.
und in den Stundenbädern 3b Kreuzer M. M. Die Aufsicht
hat der Jnspector des SauerhofeS.
ib) Das Johannisbad, nahe.am Aubache dießseitS
desselben, neben der Armenquelle in Gutenbrunn befindlich,
war noch im Jahre 1672 auf einer Schuttinsel des Auba-
ches, auf einem der Herrschaft Weikerstorf zugehörigen Grunde.
Im Jahre 1716 wurde diese Quelle dem Wundarzte Dre-
scher geschenkt, der die hier befindlichen zwey hölzernen Hüt-
ten wegreißen, und statt derselben ein ordentliches mit einer
Wohnung versehenes Badegebäude errichten ließ. Im Jahre
1802 kaufte dasselbe Herr Zacharias Christ von der Fa-
milie Drescher, und erbaute das Wohn- und Badegebäude
in der jetzigen Gestalt. Jetzt ist es ein Eigenthum der Witwe
des Herrn Rittmeisters Franz Neuerer. Es ist ein Ge-
sellschafts-Vollbad, einfach, niedlich und rein; die Quelle
hat 26 Grad der Wärme nach Reaumur, und ist so ergiebig,
daß der Badebehälter in einer Stunde gefüllt wird, obschon
er bis zur Höhe von 5 Schuh, 1684 Kubikschuhe enthält.
Der Preis für ein Mahl baden ist >4 Kreuzer M. M.; die
Bedienung wird von zwey Badedienern besorgt.
In jedem Badegebäude ist eine Tax - und Badeordnung
angeheftet, so wie sie von der k. k. Nieder - OesterreichLschen
Landesregierung vorgeschrieben ist, damit sich jedermann den-
selben gemäß zu betragen wisse. Im Jahre 16,3 wurde von
dem Kaiser Mathias für das Frauen- oder Wildbad eine
Badeordnung festgesetzt, die zwey und zwanzig Gesetze enthielt;
es wurde darin ein eigenes Badegericht verordnet, welches aus
dem Bürgermeister, einem-Baderichrer, Beysitzer, Badeschrei-
ber, Schatzmeister, Fiscal und Thürhüther bestand, die von
den Badegästen ordenrlrch gewählt wurden. Es wurden auch ver-
schiedene Strafen für hie Uebertrerer dieser Badeordnung fest-
D
gesetzt. Herr Bade-Arzt Carl Schenk führt diese Badeord-
nung in seinem Werke: »Die Schwefelquellen von Badens
,817/ S. »20 — i32, wörtlich an. Das Geld, welches
durch die bestimmten Straffälle, oder beym Anmelden der Bade-
gäste durch die/ der Willkühr eines jeden überlassene Bade-Taxe
rn eine dazu bestimmte Büchse beym Badeschatzmeister einkaln,
wurde theils zur Unterstützung der badebedürftigen fremden Ar-
men, theils zu den nöthigen Ausbesserungen desBadegebäudes
verwendet. Diese Badeordnung wurde im Jahre 1621 von
dem Kaiser Ferdinand 11., und im Jahre 1679 von
Kaiser Leopold I. bestätiget. Herr Bürgermeister Mayer,
in seinen »Miscellen über den Curort Baden,« führt diese letz-
tere vom Jahre »679, so wie die folgenden von den Jahren
1797 und »611, welche letztere noch jetzt vorgeschrieben ist,
wörtlich, S. 14?—*62, an. Es ist auch eine eigene Bade-
Bau-Polizey-Ordnung vorn 1. Februar 1620 vorhanden, welche
Herr Doctor Beck in seinem Buche über Baden, S. 47 — 56,
wörtlich anführt.
Die städtischen Bäder stehen unter der Aufsicht des Bade-
Arztes und zweyer Bademeister; die Privat-Bäder unter den
Beamten der Eigenthümer, oder dem Eigenthümer selbst.
Die Badediener, gemeinhin auch Badwaschel genannt, wer-
den von den Badeeigenthümern aufgenommen, und haben
nebst ihren übrigen Pflichten auch ein genaues Verzeichniß der
Badenden zu führen, und das ihnen übergebene Badegeld dem
Aufseher einzuhändigen. Die gemeinschaftlichen Bäder sind
vom 1. May bis i5. October täglich von 4 Uhr bis 10 Uhr
Vormittags, und von 3 bis 5 Uhr Nachmittags zum öffentli-
chen Gebrauche offen, die Stunden von 10 bis 11 Uhr, und
von 6 bis 6 Uhr sind für solche bestimmt, deren körperliche
Gebrechen so beschaffen sind, daß sie ihnen nicht gestatten, ge-
meinschaftlich mit Andern zu baden. Nur solche, die längere
Zeit ordentlich die Bade-Cur gebrauchen, werden in das Verzeich-
niß der Badenden eingetragen. Eine Reihe von fünfzehn Bä-
dern nennt man hier eine Viertel-Cur, von dreyßig Bädern ei-
ne Halb-Cur, welche die gewöhnlichste ist; die Ganz-Cur beträgt
stchzig Bäder, die gewöhnlich nur Vormittags, selten aber
Nachmittags oder zwey Mahl des Tages genommen werden.
Man bleibt gewöhnlich eine Stunde im Bade, oder auch et-
was kürzer und länger, je nachdem es die körperlichen Ver-
hältnisse und Vorschriften des Arztes gestatten. Die einzelnen
Stundenbäder müssen jedoch pünctlich beobachtet, deren An-
zahl vorher bestimmt und in das Verzeichniß eingetragen wer-
den. Im Winter wird selten gebadet; es sind jedoch auch zu die-
sem Gebrauche zwey Behälter im Theresien-Badegebäude, dann
das Johannesbad und Sauerhofbad eingerichtet; es könnte
auch sehr leicht der Herzoghof dazu eingerichtet werden. Nebst
dem Bade-Arzte sind hier noch zwey Aerzte und zwey Wundärzte
sammt einem Wundarzte zu Gutenbrunn, bey denen sich die
Badebedürftigen Raths erhöhten können. Es sind hier auch zwey
Apotheken, nähmlich die Landschafts-Apotheke am Haupt-
platze, und zum heiligen Geiste im Melkerhofe in der Pfarr-
gaffe.
Die Nahmen, der Charakter und die Zahl der angekommenen
Badegäste werden durch gedruckte Tagzettel bekannt gemacht,
worauf jedoch nur das Familienhaupt, nicht aber auch dessen
Begleitung von Kindern und Domestiken angegeben ist. Herr
Bürgermeister Mayer hat in seinen Miscellen eine Ueber-
sicht der Anzahl der Curgäste von Baden vom Jahre i8o5 bis
1818 geliefert; nach derselben waren im Jahre 1809 wegen
der feindlichen Invasion die wenigsten, nähmlich nur 640; und
im Jahre 1810 die meisten, nähmlich 3o88; im Jahre 1818
waren 2886.
Die Curgäste nehmen ihre Wohnungen entweder im Her-
zoghofe, Johannesbade und Sauerhofe, wo die Wohnungen
an das Bad angebauet sind, und man nicht nöthig hat, zum
Gebrauche des Bades in die freye Luft zu gehen; oder in den
Privat-Häusern der Bürger, die von dem Miethzins-Ertrage
größten Theils ihren Lebensunterhalt beziehen, und sich dafür
möglichst bestreben, ihren Gästen eine niedliche, beguerne Woh-
nung und ordentliche Bedienung zu verschaffen, und zwar um
die billigsten Preise. An den Häusern ausgehängte Täfelchen
pflegen solche Miethzinswohnungen zu bezeichnen. Herr R 0 l-
let in seiner H vg ieia, S.49 bis 72, hat alle Wohnungen
D 2
L-.
nach den Nummern und Nahmer» der Eigenthümer auft genaue-
ste angegeben. Es werden aber noch jährlich mehrere Woh-
nungen neu erbauet oder die alten erweitert, so daß man we-
nigstens in Baden selbst bey 800 Miethwohnungen annehmen
darf, die im Sommer größten Theils bewohnt sind. Auch die
angränzenden Ortschaften haben viele solche Miethwohnungen;
die im Winter größten Theils unbewohnt sind; daher auch Ba-
den im Winter'eben so leer und öde, als im Sommer lebhaft
und angenehm ist. Gegenwärtig sind in der Stadt Baden 43»
Hausnummern (nach der neuesten Eonscriptions-Revision vom
Jahre 1824), die von 8120 Menschen bewohnet werden. Im
Sommer darf man annehmen, daß im Durchschnitte zu glei--
cher Zeit 700 der im Tagzettel angegebenen Curgäste hier woh-
nen, und nimmt man ihre Begleitung dazu, so sind jährlich
im Sommer bey 3ooö fremde Gäste zu gleicher Zeit hier.
Dazu kommen an Sonn- und Feyertagen die häufigen Be-
suche aus der nahen Hauptstadt; so daß man an solchen Tagen
die Volksmenge von Baden und der Umgebung leicht auf
»0000 bis 12000 Menschen berechnen kann.
Was die Geschichte des Ortes Baden anbelangt, so kommt
erst in den Urkunden des i2ten Jahrhunderts die erste Erwäh-
nung von demselben vor. Daß schon die alten Römer die hie-
sigen Heilquellen gekannt, sie zu Bädern benutzt, und sich
dabey Wohnungen erbauet haben, ist außer allen Zweifel ge-
setzt, sowohl durch die im Jahre 1796 bey den Ursprungsbä-
dern aufgefundenen Ueberreste eines großen römischen Dunst-
bades, als auch durch die hier gefundenen römischen Münzen
der Kaiser Octavianus Augustus bis zum Valerius
Maxim inus, welche in den Miscellen des Herrn Bürger-
meisters Mayer S. 98 und 99 aufgezählet werden. Der bey
den alten Schriftstellern vorkommende Nahme Thermae
Cetiae paßt vollkommen auf unser Baden, da es am Fuße
der cetischen Gebirge liegt. Unter dem Aquae Pannormiae,
welches bey Antoninus und andern Schriftstellern vor-
kommt, wollen zwar Einige Deutsch-Altenburg, oder einen an-
dern Badeort Oesterreichs verstehen; aber auch diese Benen-
nung scheint vielmehr unser Baden zu bezeichnen. Denn Anro-
53
ninus in seinem Reisekuche setzt die Lage von Aquae zwi-
schen Wien und Oedenburg; die Stationen der Römer hatten
eine Entfernung von 18000 bls 28000 Schritten, das ist von
viel' ein halb bis sieben Stunden (so wie z. 83. bey uns die
großen und kleineren Post-Stationen). Gerade eine solche Ent-
fernung hat Baden von Wien und Oedenburg, keineswegeS
aber Deutsch-Attenberg oder ein anderer Badeort.
Die zu Deutsch-Altenburg aufgefundenen römischen Alter-
thümer können nur beweisen, daß auch die Heilquellen dieses
Ortes von den Römern wegen der Nähe ihres Standlagers zu
Carnuntum seyen benutzt worden. Ferner entdeckte man bey
Erbauung der Wafferableitungs-Canäle, und bey der Gra-
bung der Grundfesten verschiedener Häuser, 3 Schuh tief un-
ter dem jetzigen Straßenpflaster, ein altes, aus zugerundeten
Steinen bestehendes, und dann unter demselben, in einer Tiefe
von 6 bis 7 Schuh, ein anderes noch älteres Straßenpflaster,
und auch Mauern von verschiedener Dicke und Richtung, in
denen man mehrere römische Münzen fand. Diese Thatsachen
beweisen hinlänglich, daß schon die Römer hier Wohnungen
hatten, und daß dieser Wohnort verschiedene große Verände-
rungen müsse erlitten haben, und öfters zerstört worden sey.
Als die Römer genöthiget waren, ihre Gränz-Provinzen
verschiedenen barbarischen Völkern preiszugeben, traf auch
diese Gegend der Gräuel der Verwüstung, und die hiesigen
Wohn- und Badegebäude der Römer wurden wahrscheinlich von
den Barbaren zerstöret. Erst als Kaiser Carl der Große um
das Jahr 800 die Avaren besiegte, und sein Reich bis an den
Raabfluß ausdehnte, erschien für diese Gegend wieder ein mil-
deres Licht. Neue Ansiedler kamen hierher, und insbesondere
machten sich die Tursonen und andere Adelige in der Gegend
der cetischen Heilquellen und Gebirgspässe ansäßig. Zwar
nahmen die Ungarn bald wieder Besitz von dieser Gegend, und
hinderten das Aufblühen derselben; als aber Kaiser Hein-
rich II. dem Markgrafen Heinrich I. das zwischen den
Flüssen Liesing, Triesting und Durra gelegene Land schenkte,
wurde man sehr bald auf die hiesigen Heilquellen, und auf
die zum Weinbaue geeignete Lage der Berge aufmerksam, und
64
Baden scheint sehr bald ein ziemlich großer .Ort geworden zu
seyn; denn schon im Jahre »246 kommt ein Leonhard vor.
der dem Stifte Heiligenkreuz einen Weingarten schenkte,
und sich Burger (eivis) von Baben nannte. Der Ort gehörte
von jeher, seit dem Markgrafen Heinrich I. im Jahre 1002,
den Landesfürsten, die hier einen eigenen Hof, den sogenann-
ten Herzoghof, und sehr viele Weingärten sammt den Bade-
quellen besaßen. Im Jahre m3 schenkte der Markgraf Leo-
pold IV. der Heilige, dem Stifte Klosterneuburg fünf Wein-
gärten zu Baden durch die Hände des Grafen Gebhard von
Rebegau. Herzog Heinrich Jasomirgott schenkte im
Jahre 1149 gleichfalls dem Stifte Klein-Mariazell zwey Wein-,
gärten zu Baden. Im Jahre i3o8 belehnte Herzog Frie d-
rich den Bernhard und Friedrich von Creußbach
mit einem Weingarten in Baden. Im Jahre »336 schenkte
Herzog Albert II. und sein Bruder Otto einen Hof sammt
den dazu gehörigen Besitzungen zu Baden an das Kloster der
Carthäuser zu Gaming. Im Jahre 1867 nennt Herzog Al-
bert II. das Frauenbad ausdrücklich als zu seinen Besitzun-
gen gehörig.
Obschon die-Landeöfürsten Herren des Ortes blieben, so
haben sie doch ihre einzelnen Besitzungen allhier allmählich ver-
äußert; daher war schon im Jahre 1819 ein Ulrich von
Pfaffstätten im Besitze des hiesigen Herzoghofes mir den
dazu gehörigen Weingärten, und nannte sich davon Herzog
(<3ux); er schenkte dem Stifte Lilienfeld einen seiner hiesigen
Weingärten, um für sich und seine Gemahlin Gisela eine
Grabstätte in jenem Stifte zu erlangen.
Daß der Weinbau von jeher die Bewohner Badens vorzüg-
lich beschäftigte , und nebst dem Ertrage von den Badequellen
und den Handwerksarbeiten, so wie es noch jetzt ist, ein Haupt-
nahrungszweig derselben war, beweiset nebst obigen Schen-
kungen von Weingärten insbesondere dieses, daß die meisten
Häuser allhier Keller und Weinpressen hatten, und im Jahre
1629 vierzehn Klöster, geistliche Zechen und Bruderschaften
hier Häuser besaßen, zu welchen 694 Weingärten gehörten.
Es hatten aber auch andere adelige Familien Besitzungen zu
55
Baden. Im Jahre 1259 schenkte Otto von Perth 0 lds-
dorf, Kämmerer von Oesterreich, mit Bewilligung seines
Bruders Wichard, dem Stifte Heiligenkreuz mehrere Lehen
(Huben, mansos) zu Kaltengang, wofür das Stift nebst an-
derem drey Höfe (areas) in Baden hergab. Im Jahre 1260
schenkte demselben Stifte Conrad Mazo mit Beystimmung
seiner Gemahlin Cunigund und seiner Söhne Rudolph
und Ulrich, einen Weingarten bey Baden. Im Jahre 1278
schenkte Peter von Merkenstein dem Stifte Klein-
Mariazell seinen Hof zu Baden. Im Jahre 1286 schenkten
Leopold von Chreusback), Jägermeister von Oesterreich,
mit seiner Ehegattin Euphemia und ihren Söhnen Bern-
hard, Heinrich, Friedrich und Engelbert, den
Eremiten des heiligen Augustin ein Haus zu Baden mit
einer Haus-Capelle. Im Jahre 1297 schenkte H e i nr i ch von
Pottendorf den Augustiner-Mönchen zu Baden die in
seinem Meierhofe gelegene Frauen-Capelle. Im Jahre i3i3
schenkte Albert Pienkh dem Stifte Heiligenkreuz sein
Haus zu Baden zu einem Krankenhause. Im Jahre i375
verkaufte Friedrich von Watlsee seine Besitzungen zu
Baden an den Abt Kolo mann I. von Heiligenkreuz.
Es gab sogar eine adelige Familie, die den Ortsnahmen
von Baden zu ihrem Familren-Nahmen machte; daraus folgt
aber nicht, daß dieselbe Eigenthümer des Ortes war, welcher
immer landesfürstlich blieb; denn es war gar nichts Unge-
wöhnliches , daß sich Familien von dem Orte, wo sie wohn-
ten, auch den Nahmen desselben beylegten, ohne daß sie aus-
schließend im Besitze des Ortes waren; ja bisweilen besaßen sie
an einem solchen Orte nur weniges Gut, vielleicht stur eine
kleine Veste, odereinen Wirthschaftshof mit einigen Grund»
stücken.
Im Jahre 1269 kommt ein Heinrich Ritter von Paden
(mil68) vor, dem das Stift Heiligenkreuz drey Höfe zu
Baden und ein Lehen zu Leubanstorf gab, für sechs Lehen
oder Huben zu Kaltengang, die derselbe früher von O t r 0 v 0 n
Pertholdsdorf zu Lehen empfangen hatte. Jrn Jahre 1261
kommt ein H a i d e n r e i ch von Paden vor, vielleicht der
56
nähmliche mit obigem Heinrich. Im Jahre 1266 kommt ein
Alb er 0 von Pad en vor/ als Zeuge, als Otto Turso
von Rauheneck dem Stifte Heiligenkreuz zwey Lehen zu
Kaltengang schenkte. Im Jahre 127S schenkte D ip 0 ld von
Paden dem Stifte Heiligenkreuz einen Hof (aulam) zu Ba-
den. Im Jahre 1294 lebte ein Otto von Paden. Ein
Al old von Paden und Wolfsberg starb im Hospitale
zu Heiligenkreuz, und schenkte diesem Stifte drey Weingarten
zu Wittingsdorf (Wienersdorf). Im Jahre i3oo erscheint
ein Engelbert von Paden, Bruder des Luipoldt von
Wittenstorf, der dem Hospitale zu Heitigenkreuz einen
Weingarten am Badnerberge schenkte. Im Jahre 1817 schenkte
Eä'cilia, Witwe des Albert v on Paden, dem Stifte
Heiligenkreuz vier Talente jährlicher Einkünfte mit einem Wein-
garten am Schwechatfluffe zu Baden.
Diese adeligen Herren von Baden hatten sehr wahrschein-
lich ihren Wohnsitz in jener Veste neben der heutigen Pfarr-
kirche, von welcher an dem Platze des heutigen Schulhauses
noch bis zum Jahre 1800 einige Ruinen unter dem Nahmen
der alten Burg vorhanden waren.. Nachdem diese Familien
ausgestorben, gelangten die Landesfürsten zum Besitze dieser
Veste. Im Jahre 1449 kommt ein Leopold Welser als
landesfürstlicher Pfleger dieser Burg zu Baden vor. (Hueber,
S. 121). Im Jahre 1468 bemächtigte sich dieser Burg uM
der benachbarten Veste Rauheneck ein Böhme, Franz Haag,
in Verbindung mit einer Räuberbande von 400 Böhmen un-
ter dem Anführer Sluha. Diese beunruhigten den Ort
Baden und alle umliegenden Ortschaften durch ihre Raube-
reyen; sie hatten ihren vorzüglichen Schlupfwinkel in einer
felsigen Bergschlucht zwischen dem Calvarien-und Mitterberge,
welche noch heut zu Tage den böhmischen Nahmen Pu t scha-
ll ei'lucke, d. i. Räuberhöhle, trägt. Im Jahre 1466wurde
diesem Unfuge ein Ende gemacht, indem Georg von Pot-
te n d 0 rf, auf Befehl des Kaisers F r i e d r i ch IV. diese Räu-
berrotte zernichtete, daß Schloß von Baden und Rauheneck
mit Gewalt eroberte, den Räuberhauptmann Sluha und
Franz Haag gefangen nahm, und beyde auf einem hohen
57
Bergs , der Hühnerberg genannt, aufhängen ließ, bannt man
sie als Warnungsbeyspiel von weitemim Lande sehen könne.
Sie genossen dabey, alten Nachrichten zu Folge/ die sonder-
bare Auszeichnung, daß sie durch sechs Schimmeln bis zum
Galgen auf diesen hohen Berg ausgeführet wurden; und zum
ewigen Andenken/ als im Jahre 1460 der Ort Baden eine
eigene Gerichtsbarkeit erhielt/ wurde dieser Platz zum bestän-
digen Hinrichtungsplatze bestimmt/ wodurch Baden sein drittes
sogenanntes Wahrzeichen erhielt/ nähmlich/ daß es den höchsten
Galgen im Lande besitze, der aus drey Säulen bestand, und
erst im Jahre 1768 niedergerissen wurde. Auch behielt Baden
das Vorrecht, seine Delinquenten mir sechs Schimmeln zum
Galgen ausführen zu lassen! —
Da dieses landesfürstliche Schloß zu Baden bey jener Ge-
legenheit mir Sturm eingenommen wurde, so scheint es dabey
viel gelitten, und vielleicht gar noch öfters ähnliche Verwüstung
erfahren zu haben; doch muß es wieder hergestellt worden seyn;
denn im Jahre 1627 erscheint Gerowich Auer von Her-
renkirch en als landesfürstlicher Schloßhauptmann zu Ba-
den. Im Jahre 1529 wurde es von den Türken zerstört.
Im Jahre 1687 hatte diese Burg mit dem Frauenbade Hans
Preusser als Pfleger inne; da er aber zur Wiederherstel-
lung der Gebäude, so wie es bedungen war, nichts unternahm,
schenkte beydes Kaiser Ferdinand!, dem Kammeramte der
Stadt Baden; so daß zur Erhohlung der Stadt, und Wieder-
erbauung der zerstörten Gebäude jeder Badende anfangs ei-
nen, dann zwey Pfennige bezahlen mußte. Die Mauern des
öden Schlosses wurden dann abgetragen, auch die Steine und
Ziegel aus dem Wassergraben, der das Schloß umgab, aus-
gehoben, und von demselben zur Befestigung der Stadt neue
Mauern um die Kirche und Stadt beym Wienerthore erbauet.
Herr Bürgermeister Mayer hat in seinen Miscellen eine
bildliche Darstellung der Stadt von dieser Seite zu jener Zeit
geliefert. Von dem alten Schlosse blieb nichts übrig, als ein
viereckiger Thurm, den man als Rüstkammer zur Aufbewah?
rung von Waffen und anderen Gera'rhschaften benützte, bis
er im Jahre ,800 abgetragen wurde. Der dazu gehörige
58
unter dem Nahmen der Burg bekannte Platz wurde zur
Aufbewahrung des städtischen Bau - und Brennholzes verwen-
det, bis auf einem Theile desselben das Redouten-Gebäude, auf
dem andern das Schulhaus erbauet wurde.
Daß der Ort Baden schon zur Zeit des österreichischen Zwi-
schenreiches vom letzten Regenten aus dem Hause Babenberg
bis zum ersten aus dem Hause Habs bürg, dann wahrend
des Bruderzwistes wegen der Vormundschaft über A l b e r t V.
und besonders in dem Streite Alb er ts VI. mit Kaiser F rie-
drich IV., wo jede Ortschaft Partey nehmen, und mehr oder-
weniger mitleiden mußte; besonders aber auch durch die Feh-
den und Raubgierde der Besitzer der benachbarten Schlösser zur
Zeit des Faustrechtes öfters empfindlich in die Mitleidenschaft
gezogen worden seyn müsse, läßt sich nicht bezweifeln, da
Baden zu jener Zeit schon ein beträchtlicher Ort war; es man-
geln aber hierüber urkundliche Nachrichten.
Im Jahre »469 nennt Kaiser Friedrich IV. Baden ei-
nen Markt, und begnadigte denselben mit der freyen Ein-
und Ausfuhr des Weines. Im Jahr 1466 brauchte hier die
Kaiserin E l eoilora die Bade-Cur. Damahls fing man an, den,
Ort mit Wassergräben zu umgeben, und mir Ringmauern zu
befestigen. Aber diese Arbeit war noch nicht beendigt, als der
König von Ungarn, Mathias Corvinus, mit einem
Kriegsheerein Oesterreich einfiel, das Land allenthalben ver-
heerte, und auch Baden am zwölften Junius 1477 überrum-
pelte, die Schutzwerße zerstörte, die Kirchen und Häuser ver-
brannte, die Aecker und Weingärten verwüstete. Viele sei-
ner Soldaten besetzten die benachbarten Schlösser und raub-
ten und plünderten in der ganzen Gegend. Nach dem Abzüge
dieser Gäste erbarmte sich der Kaiser Friedrich IV. des
jämmerlich verwüsteten Ortes Baden, und suchte demselben
dadurch aufzuhelfen, daß er zu Wien am Mittwoche nach
dem Sanet Ulrichstage im Jahre 1480 eine Urkunde ausfer-
tigte, durch welche er Baden zu einer Stadt erhob, mir der
genauen Bezeichnung des Burgfriedens und Verleihung aller
Rechte und Freyheiten, welche andere Städte des Landes ge-
nießeNf Dazugehört das Recht, alle Dienstage und Freytage
Si-
emen Warenmarkt zu halten (wovon aber nur der am Frey-
tage, der schon früher bestand, jetzt noch beobachtet wird);
dann des Jahres zwey Mahl, nähmlich am Sonntage vor
dem Tage Sanct Pancratius, und am Tage Mariä Geburt ei-
nen Jahrmarkt abzuhalten; dann von allen Verkäufern auf
dem Markte ein Zoll- oder sogenanntes Standgeld abzufor-
dern , freye Handelschaft zu treiben, eine eigene Viehweide
zu besitzen, eine Salzkammer zu errichten, die Panthaitung
und das Halsgericht auszuüben, einen Stadtrichter und Rath
zu erwählen, endlich ein eigenes Wappen zuführen, welches
in einem weißen Querbalken im rothen Felde besteht, in welchem
in einer Badewanne zwey badende Menschen sitzen. Herr
Bürgermeister Mayer hat in seinen Miscellen, S. '7-5—85,
diese Urkunde wörtlich angeführt.
Die Freude der Bewohner Badens über diese landesväter-
liche Gnade und Huld dauerte aber nicht lange; denn kaum
harren sie angefangen, ihre neue Stadt abermahls zu befesti-
gen, so überfiel sie Mathias Corvinus zum zweyten
Mahle, plünderte und verwüstete alles auf das Grausamste, und
verwandelte die ganze Stadt in eine Brandstätte und einen
Schutthaufen, nachdem die Bewohner theils getödtet, theils
in die Flucht gejagt worden. Johann Corvinus wollte
im Jahre 1484 sich der hiesigen Heilquellen bedienen; da er
aber die von seinem Vater hier verursachten Verwüstungen
sah, wurde er von seinem Vorhaben zurückgeschreckt, weil er
nicht ein einziges Haus hier vorfand, wo er ordentlich und
bequem hätte wohnen können. Kaum hatte Baden nach meh-
reren Jahren angefangen, sich wieder etwas zu erhöhten, so
traf es wieder ein ähnliches eben so großes Unglück. Im Jahre
i5s<) wurde Wien von den Türken belagert, das Land rings-
umher verwüstet, und auch Baden, welches jetzt ein offener
Orr ohne Stadtmauern war, gänzlich verbrannt; kaum
konnten sich die Bewohner durch die Flucht in die nahen Wäl-
der retten. Kaiser Ferdinand I. that für Baden, was
er in seiner bedrängten Lage nur immer thun konnte. Er
schenkte dem städtischen Kammeramte zur Erbauung der Stadt»
mauern das öde Schloß bey der Pfarrkirche, und die Gin»
fünfte des Frauen - und Neubades; er erlaubte auch mit bi-
schöflich- passauischer Bewilligung, zur Wiedererbauung der
Kirche, des Pfarrhofes, Spitales und Schulhauses, den
Verkauf der hiesigen Benesiciaten-Hauser und der dazu gehö-
rigen Wemgärten.
Baden konnte sich jedoch nur sehr langsam wieder erhohlen,
besonders da sememAufkommen die eingetretenen protestantischen
Religionsunruhen ein großes Hinderniß entgegen setzten;
denn der gewöhnliche Gefährte aller gewaltsamen Neuerungen,
ein gewisser Freyheitsschwindel, bemächtigte sich der Gemüther
auch hier, beförderte die Sittenlosigkeit, und hinderte das so
nöthige gemeinsame Zusammenwirken zur Erhaltung des ganzen
gemeinschaftlichen WohleS.
Dazu kam noch im Jahre i6i.3, dann 1644 nnb 1679
die verheerende Pestseuche, die einen großen Theil der Be-
wohner hinwegraffte. Als im Jahre *683 die Türken zum
zweyten Mahle bis vor Wien kamen, und das ganze Land
abermahls gräulich verwüsteten, erschien eine Abtheilung der-
selben auch am 12. Julius unvermuthet vor Baden, welches,
mit festen Mauern und Wassergräben umgeben, vor einem un-
vermutheten lleberfall gesichert und zu einigem Widerstände
geeignet war. Die Türken forderten die Bewohner Badens
auf Gnade und Ungnade zur Uebergabe auf; verfuhren aber
dann mit ihnen auf das Grausamste. Auf die zugestandene Be-
dingniß eines freyen Abzuges zogen sie insgesammt durch das
Rennthor über den Mitterberg, und wollten sich in die nahen
Wälder begeben; sie wurden aber alle, 848 an der Zahl,
sammt dem Besitzer von Gutenbrunn, De Veei, von den
Türken umzingelt, und theils getödtet, theils in die Gefan-
genschaft fortgeschleppt. Der Pfarrer, Georg Hamann,
sammt dem Caplane und dem Schullehrer wurden von der
Kirche gejagt, und konnten sich kaum noch retten; der Syn-
dicus Barth olomäus Schwarz, der eben auf dem Rath-
hause mit dem Zusammenpacken der Urkunden beschäftigt war,
wurde niedergesäbelt, und das Rathhaus angezündet , wobey
auch das Archiv und alle Urkunden verbrannten ; alle Häuser
sammt den Kirchen wurden ein Raub der Flammen , und die
6i
Raubsucht der Türken ging so weit/ daß sogar die Leichname
aus den Gräbern gerissen und der Kleidungsstücke beraubt
wurden.
Schauerlich und höchst betrübe war nach dem Abzüge der
Türken der Anblick der zerstörten Ortschaften, und es brauchte
lange Zeit, bis dieselben durch neue Ansiedler wieder erbaut und
bevölkert wurden. Baden hatte in seinen Heilquellen eine reich-
liche Hülfsquelle zu seinem Wiederaufleben. Schon im Jahre
1686 brauchte die Erzherzogin Maria Antonia die hiesi-
gen Bäder, dann im Jahr »697 der Kaiser Leopold I. mit
seiner Gemahlin Eleonora, mit dem Kronprinzen Joseph!,
und dem Churfürsten von Sachsen, Friedrich August H.,
der nachher König von Pohlen wurde, und in dem hiesigen Spi-
talgarten in die Hände seines Vetters, des Bischofs von Raab,
das römisch-katholische Glaubensbekenntniß ablegte. Die ur-
kundliche Nachricht hierüber hat Herr Carl v. Schenk in.
ftinem Werke »Ueber dieSchwefelquellen zu Baden,« S. 14—*6,
bekannt gemacht.
Im Jahre 1699 brauchte abermahls Kaiser Joseph I.
und seine Gemahlin die hiesigen Heilquellen. Durch den Besuch
dieser hohen Gäste und ihr zahlreiches Gefolge gelangte Baden
wieder zu einigem Wohlstände, so daß das städtische Kammeramt
im Jahre 1686 und 1693 beträchtliche Baulichkeiten zur Ver-
besserung des Frauenbades, und im Jahre ,699 die Vergröße-
rung des Josephbades unternehmen konnte.
Es wurde im Jahre 1696 zur Vermehrung der städtischen
Einkünfte ein nach Enzesfeld dienstbarer Wald von einem
Bauer zu Kottingbrunn erkauft; so wie zu dem nähmlichen
Zwecke schon im Jahre ,528 der dem Christoph von Rauc-
hen eck damahls gehörige Todtenkopfwald angekauft worden
war. Baden hatte zwar noch manche große Uebel auszustehen,
die dessen Emporkommen hinderten; so z. B. war im Jahre
1691 eine verheerende Pest. Im Jahre 1708 mußten der Kir-
chenschatz und die Schriften des städtischen Archives nach Wien
geflüchtet werden, aus Furcht vor den herannahenden ungari-'
schen Rebellen, die aberBaden glücklich mit ihrerAnkunft ver-
schonten. Um aber dw Stadt vor dern herumstreifenden Raubs
6'*
gesindel zu sichern, wurde dieselbe in Vertheidigungsstand ge-
setzt, und täglich mußten 60 Mann die ausgestellten Wach-
posten beziehen. Eine hierüber vorhandene Urkunde vom Jahre
1705 (im Leestorfer Gedenkbuche) sagt folgendes: »Die höchste
»Noth hat erfordert, daß bey diesen gewesenen und noch dauern-
den Auflaufs-/ Fluches- und Feuersbrunstzeiten die Stadt
»Baden sich wegen andringenden Feindespartheyen in allen
»möglichen Defensionsstand gestellet/ und die fortificirte Po-
»sten mit nöthigen Wachten besetzet hat/ damit man nicht
»allein vor den Rebellen/ sondern auch vor andern schlimmen
»Leuten/ Räuber-/ Mörder-und Brennergesind gesichert seye;
»welches wir seither neben der vielfältig gestellten Aufgeboth-
»Mannschaft, Recruten-Werbungen, und gehabten schweren
»Winterquartierung nach aller Möglichkeit treuherzig und red-
lich gethan/ und täglich mit 60 Mann auf die Wacht gezo-
gen ; welche nunmehro auf 3o restringiret sind. Diese allge-
»meine Defensionswacht geht nicht nur die Bürger und Jnn-
»leute/ sondern auch die Freyhöfe an; alldieweilen in derley
»Auflaufszeiten und vor Augen stehenden Feindes.gefahren auch
»täglich zu sehenden Feuersbrünsten viele Gesetze gänzlich
»schweigen, und die vorschützenden Privilegien nicht statt ha-
lben ; deroavegen dieses kein onus privatum sondern commune
»und universal ist« u. s. w.
Im Jahre 1713 raffte die Pest abermahls viele Bewohner
hinweg. Zum dankbaren Andenken an die Befreyung von die-
sem verheerenden Uebel ließen die Bewohner Badens am Platze
vor dem Rathhause/ durch den Bildhauer Stan etti, eine
Säule zu Ehren der heiligsten Dreyfaltigkeit, der seligsten
Jungfrau Maria und der heiligen Pest-Patronen errichten,
und gelobten, sich dabey alle Samstage und Sonntage Abends
zum gemeinschaftlichen Gebethe zu versammeln. Der Kaiser
selbst ließ am 3. Junius ,714 durch den Grafen Albert
von St. Julien den Grundstein zu dieser Säule legen, die
von dem Abte Gerhard von Heiligenkreuz geweihet wurde,
und mit mehreren Inschriften versehen, noch jetzt eine Zierde
dieses Platzes ist. — Noch im nähmlichen Jahre 17,4 traf
63
Baden das große Unglück einer Feuersbrunst, durch welche
hundert und ein Haus von den Flammen verzehret wurden.
Dieses alles hinderte jedoch den Wohlstand Badens nur
kurze Zeit. Schon im Jahre 1716 war das städtische Kam-
meramt im Stande, den Herzoghof mit den dazu gehörigen
Bädern zu erkaufen. Im Jahre 1786 wurde der Hellhammerhof
erweitert, und im Jahre 1768 das Therestenbad neu errich-
tet; im Jahre ,764 wurde auch die Ursprungsquelle erweitert,
und im Jahre ,770 das Peregrinusbad erkauft. Im Jahre
1783 erkaufte die Bürgerschaft um zwanzig tausend Gulden
auch den Gamingerhof, dessen Verwaltung aber vom städti-
schen Kammeramte abgesondert blieb. Im Jahre 1786 erhielt
der hiesige Magistrat eine andere Einrichtung. Da er bisher
aus einem Stadtrichter, einem Syndicus, und sechs inneren
dann sechs äußeren Räthen bestand, so wurde jetzt ein bestän-
diger Bürgermeister urw Syndicus mit drey Rarhsmä'nnern
und vier bürgerlichenAusschußmännern festgesetzet, welche letz-
tere jedoch alle sechs Jahre durch Wahlen von der Bürgerschaft,
erneuert werden. In Hinsicht der Sanitäts- und Badeanstal-
ten ist dem Magistrate seit dem Jahre 1799 ein Bade- Arzt
beygegeben; das ökonomische Fach, rn Hinsicht der Einnah-
men und Ausgaben, besorgen ein Ober- und Unter-Kämmerer,
gleichfalls von der Bürgerschaft erwählt; die polizeylichen An-
stalten leiten zwey bürgerliche Commiffärs, unter denen ein
Polizeywachtmeister und mehrere Polizey-Soldaten stehen. Im
Sommer führt die Oberleitung ein eigener von der k. k. ober-»
sien Polizey-Hofstelle hierher bestimmter Polizey-Jnspector.
Es ist auch ein Bürger als Steuereinnehmer angestellt.
Der erste -Bürgermeister war Johann Mainoli; nach
dessen Tode wurde JgnazStadler Bürgermeister, ein sehr
thätiger Mann, der schon früher Stadtrichter gewesen war,
und nach dessen Ableben wurde der jetzige Bürgermeister Mar-
tin Mayer zu diesem Amte ernannt. Er machte sich durch
Herausgabe des Buches: »Miscellen über den Cur-Ort Ba-
den,« so wie durch die vielen unter seiner Leitung veranstalt
teten Verschönerungen Badens rühmlichst bekannt. Bey ver-
mehrtem Wohlstände fing man an, auch auf die Bequemlich-
64
feit der Badegäste, auf die Vergrößerung und Verschönerung
Badens mehr bedacht zu seyn. Das/ was schon im 17**« Jahr-
hunderte ein Badegast von Baden schrieb: »Das StädtleiN hat
»für die Badegäste bequeme Gelegenheit und lustige Spatzier-
»gänge; wird von vielen aber auch nur für Lust gebraucht,
»und allhier manche Abentheuer getrieben;« kann auch in un-
serem Zeitalter mit vollem Rechte gesagt werden; denn nicht
nur Kranke besuchen Baden, um durch die hiesigen Heilquel-
len die verlorne Gesundheit wieder zu erlangen; auch Gesun-
de finden sich hier häufig ein, die Geselligkeit lieben, und Ver-
gnügen und Ergötzung suchen. Zur Erreichung beyder Zwecke
tragen die hiesigen Bewohner ihr Möglichstes bey, ohne daß
dabey die Sittlichkeit gefährdet würde. Im Jahre 1776 wurde
in einem Theile des Hellhammerhofes ein Schauspielhaus er-
bauet, und wo es thunlich war, um die Ringmauern Reihen
von Maulbeerbäumen gesetzt, und eben so an der Straße
nach Wien bis zur Gränze des städtischen Gebiethes eine Allee
von Kastanienbäumen. Im Jahre 1786 erbaute Philipp
Otto auf dem Rathhausplatze das Casino-Gebäude.
Im Jahre 1792 wurde vor dem ehemahligen Theresien-
thore und dem Herzoghofe, östlich vom Theresien- und Ur-
sprungsbade, ein neuer Garten angelegt, der Park oder Theresien-
garten genannt; in demselben wurde im Jahre 1798 vom Herrn
Grafen von Lamberti ein Tempel des Aesculap erbauet,
der auf sechs dorischen Säulen ruht; und im Jahre ,800 ein,
auf zwey und siebzig hölzernen Säulen ruhender Chiosk, oder
viereckiger offener orientalischer Saal, der auf Kosten einer
Gesellschaft adeliger Badegäste errichtet wurde, wie die an
den vier Seiten desselben in türkischer, französischer, italie-
nischer und deutscher Sprache befindliche'Aufschrift: »Von einer
»Gesellschaft zum Vergnügen des Publicums gewidmet,« lehrt.
Die Haupt-Allee besteht aus Kastanienbäumen, und wird auch
zur Nachtszeit im Sommer durch Laternen beleuchtet; hier ist
besonders zwischen 12 und 1 Uhr Mittags der Sammelplatz
der Badegäste in der buntesten Mischung. Eine Fortsetzung
dieses Parkes sind die vorn Freyherrn von Lang errichteten
Gartenanlagen über einen Theil des Calvarienberges, gleich-
65
falls dem öffentlichen Besuche und Vergnügen gewidmet. Im
Jahre 1796 und 1796 wurde das Theresien- und Ursprungs-
Badegebäude schöner in seiner gegenwärtigen Gestalt erbauet,
und der bisher zu einer Caserne verwendete Theil des Hett-
hammerhofes vor dem Schauspielhause, durch Herrn Baron
v. G 0 n t a r d angekauft, und zu einem Wohngebäude umgestal-
tet. Im Jahre »796 geruhten Se. Majestät der Kaiser Franz
zum ersten Mahle sich der hiesigen Bader zu bedienen, und
die Bade-Cur dann beynahe alljährlich zu wiederhohten. Aller-
hochstdieselben brauchten das Frauenbad und wohnten im Au-
gustinerkloster, bis Sie das, auf dem Hauptplatze neben dem
Casino-Gebäude, im Jahre 1792 durch Freyherr» von G o n-
tard erbaute, dann an den Fürsten Paul Esterhazy käuf-
lich überlassene Wohngebäude zum eigenen Gebrauche übernah-
men. Als im Jahre 1797 die Franzosen durch Steyermark gegen
Oesterreich vordrangen, gesellten sich von Baden drey hundert
waffenfähige Männer zu dem aufgebothenes allgemeinen Land-
stürme- und zogen am 12. April! gegen Neustadt, wo sie sich
mit Schanzarbeiten beschäftigten, bis sie- nachdem die Feindes-
gefahr vorüber war, wieder entlassen wurden. Im Jahre 1798
wurde das Theater-Gebäude vergrößert, so daß es jetzt bey
1200 Menschen fassen kann. An dasselbe wurde dasRedouten-
Gebäude angebaut, mit einem Gast - und Kaffehhause. Im
Jahre 1799 zogen bey 24000 Russen durch Oesterreich nach
Italien, und zu Baden waren auf diesem Durchmärsche ver-
schiedene Compagnien mit dem Generalstabe durch 12 Tage
im Quartiere. JA diesem Jahre waren nebst Sr. Majestät den:
Kaiser, auch der nun verstorbene Erzherzog Ferdinand,
Großherzog von Toscana, und Erzherzog Joseph, Palati-
nus von Ungarn, längere Zeit hier in Baden. Den 26. Au-
gust d. I. traf Baden das Unglück, daß ein Hagel großen
Schaden verursachte, und besonders in den Weinbergen bey-
nahe alles vernichtete.
Im Jahre 1600 wurde der hiesigen Müller-Innung er-
laubt, durch das städtische Gebieth einen Canal zu graben,
um das aus den Bädern und den Reinigungs-Canälen der
Stadt ablaufende Wasser in den Mühlbach abzuleiten. Zur
E ,
()6
^Beförderung der Reinlichkeit wurden die um die Stadtmauern
befindlichen Gräben ausgefüllt, die ohnehin entweder schon
ausgetrocknet waren, oder zum Theil ungesundes stehendes
Sumpfwaffer enthielten. In der Stadt wurden vom Jahre
,804 bis 1816 allenthalben unterirdische Wafferableitungs-
Canäle angelegt, und mit Ziegeln gepflastert, 3 Fuß hoch,
2i Fuß breit und 616 Klafter lang. Zu diesem Zwecke wurde
schon im Jahre >798 die Stadr neu gepflastert, die Nahmen
der Gassen an den Ecken angeschrieben, eine zweckmäßige
nächtliche Beleuchtung angeordnet, und die Fleischbänke
sammt dem Gemüsemarkt auf einen bequemen Play zwischen
dem Gamingerhof und dem Bürgerspital übertragen. Auch die
Ringmauern wurden größten Theils zu Gebäuden verwendet,
und die ehemahligen sechs Stadtthore nach und nach abgebro-
chen, so daß sich ihr ehemahliger Standpunct nur noch aus den
Nahmen der dahin führenden Gaffen schließen läßt, nähmlich
der Wienergaffe, der Theresiengaffe, der Renngasse, der
Spital- oder Heiligenkreuzergaffe, der Frauengaffe, und der
Fischer - oder Waffergaffe.
Mitten unter diesen Verschönerungsarbeiten hatte Baden
noch manche Drangsale auszustehen. Im Jahre i8o5 dran-
gen die Franzosen feindlich in Oesterreich ein, und am r3. No-
vember kam der französische General Caffarelli aus dem
Helenenthale über Heiligenkreuz mit 2000 Soldaten hier an,
die jedoch Ordnung und Mannszucht beobachteten. Am 26. De-
cember hielt Kaiser Napoleon bey Traiskirchen Heerschau,
und die von Baden wegziehenden Truppen nahmen gewalt-
thätig Wägen, Pferde und Proviant mir sich, so viel sie
auffinden konnten. Nach dem am 28. December publicirten
Friedensschlüsse kam der Generalstab des Feldmarschalls Soult
nach Baden, nähmlich General Legrand mit zwey Generä-
len,- einem Feldkriegs-Commissär, i£o Officieren und 900
gemeinen Soldaten 3 letztere wurden in den Bürgershäusern
einquartiert und verpflegt; die Stadt mußte die Generals-Ta--
sel aushalten, und nebstbey dem General L e g r a n d eine be-
trachtllche Summe Geldes geben. Das Augustinerkloster, das
Petersbad, der Mariazellerhof wurden zu Spitälern einge-
6?
richtet; der Heiligenkreuzerhof zu einem Magazin für Fonrage,
und der Mariazellerhofraum zum Magazin für das Schlachtvieh;
die nöthigen Backöfen wurden in der alten Frauenkirche errichtet.
Zur Erhaltung der Ordnung wurde eine Bürgerwache ange-
ordnet/ und Baden harte mit den umliegenden Ortschaften zur
Herbeyschaffung des nöthigen Viehes/ Mehles/ Hafer, Heu,
Stroh u. dgl./ sehr beträchtliche Auslagen.-
Nach dem Abzüge dieser Wintergäste fing die Stadt kaum
an nach einigen Jahren sich etwas zu erhöhten / als dieses
Uebel im Jahre i8o<j verstärkter Maßen nuederhohlt wurde.
Die Franzosen drangen abermahls mir größter Schnelligkeit
in Oesterreich ein, und besetzten die Hauptstadt Wien. Nach
Baden kam zuerst General K oll mann mit 6000 Mann,
zog aber von hier wieder weiter gegen Neustadt. Später kam
General Rapp mit seinem Stabe hierher/ und obschon die
Stadt von Brand und Plünderung verschont blieb, so hatte
sie doch an Brandschatzung, Contriburions - Lieferungen u. dgl.
sehr große Ausgaben.
So groß die Betrübniß über diese Kriegsdrangsate
war, eben so groß war die Freude der Bewohner Badens, als
sie am 16. Junius 1810 ihren geliebtesten Landesvater, Se.
Majestät Kaiser Franz, wieder in ihrer Mitte sahen, um
die Bade-Cur zu gebrauchen. Unter Freudenschüffen, Glocken-,
geläute, dem Schalle der Trompeten und Paucken, und
dem Jubelrufe der zuströmenden Volksmenge, empfingen den
allergnädigsten Landesvater weiß gekleidete, Blumen streuende
Mädchen, und der Bürgermeister sammt dem Magistrate mit
fröhlichen ehrfurchtsvollsten Glückwünschen; Abends war, die
Stadt beleuchtet.
Da die Anwesenheit des Allerhöchsten Kaiferhofes viele
Fremde und Adelige herbeyzuziehen pflegte, so* konnten Badens
Bewohner die gegründete Hoffnung hegen, daß durch häufigen
Besuch von Badegästen die Wunden des Krieges bald vernarbt,
und der verursachte Schaden bald ersetzt seyn würde. Freylich
wurde durch den gesetzlich herabgesetzten Werth deö Papier-
geldes im Jahre 1811 eine neue riefe Wunde geschlagen; noch
mehr aber, als am 26. Julius 1813 durch eine Feuersbrunst
E 3
68
hundert sieben und dreyßig Häuser in Schutt und Asche ver-
wandelt wurden. Dennoch wurden Badens Bewohner nicht
muthlos; mit willigen Herzen leisteten sie ihre Beyträge zu
dem Befreyungskriege im Jahre 1812 — 1816, und hatten
dann abermahls die Freude, ihren siegreichen Landesvater in
ihrer Mitte zu verehren. Se. Majestät erlaubten der Stadt,
im Orte Pfaffstatten bey der Wegmauth an der Straße nach
Wien, für jedes Pferd vier Kreuzer Wiener-Wahrung, als
Verschönerungsbeytrag abzufordern. Viele Reiche und Adelige
kauften oder bauten sich hier Häuser; die meisten Bürger ver-
mehrten, vergrößerten und verschönerten ihre Wohnungen,
durch großmüthige Gönner unterstützt; und in kurzer Zeit
ging Baden wie ein Phönix aus der Asche in verjüngter, ver-
schönerter Gestalt hervor, und glänzt in der Reihe der ersten
und vornehmsten Cur-Orte der Welt; so zwar, daß, wer Baden
vor dreyßig Jahren zum letzten Mahle sah, und jetzt wieder
hierher kömmt, das alte Baden kaum noch erkennen kann.
Unter die vorzüglichsten Gebäude Badens gehören, nebst
den schon genannten Badegebauden:
1) D a s W 0 h n g e b ä u d e S r. k. k. Majestät am
Hauptplatze, von zwey Stockwerken, mit einem Kupferdache
und einer Altane versehen. Neben demselben ist
2) das Casino-Gebäude, gleichfalls von zwey Stock-
werken, mit einem Kaffehhause, zwey großen Sälen, und
vielen Wohnzimmern. Diesem gegen über ist
3) das R ath hau s , welches im Jahre i8i5, nachdem
das alte auf dieser Stelle im Jahre 1812 abgebrannt war,
neu erbauet wurde, und eine vorzügliche Zierde der Stadt ist.
Se. kaiserl. Höh. der Erzherzog Anton legten am 27. Juniuö
1815 dazu feyerlich den Grundstein, und Abt Nikolaus
von Heiligenkreuz weihte ihn. Es ist zwey Stockwerke hoch, und
hat vier große dorische Säulen in der Facade, und eine
Schlaguhr im Frontispice. Es enthalt die Magistrats-Sitzungs-
säle und die Kanzleyen mit dem städtischen Archive und den
Gefängnissen; dann die Wohnungen des Syndicus, Kanzelli-
sten^ Grundbuchshändlers und RathSprotokollisten, des Ge-
richtsdieners; dann die Wachstube der Polizey-Soldaten, mit
j
Ot)
der Wohnung des Polizey-Wachtmeisters, und einige Gewölbe,
die vermiethet werden. Die hiesige Landgerichtsbarkeit erstreckt
sich, nebst dem städtischen Burgfrieden, auch über Leestorf,
Sooß und Gutenbrunn.
4) Der P a l l a st Sr. kaiserl. Hoheit des Erzherzogs
Anton, in der Wienergaffe, eine der ersten Zierden Badens;
so wie derselbe durchlauchtigste Gönner Badens durch Seine
lange Anwesenheit allhier wahrend der Sommer-Monathe, und
durch die großmüthigst geleiteten Verschönerungsanstalten der
Umgebung sich die dankbare Liebe aller Äewohner Badens hoch
verdiente. Dieser Pallast wurde nach dem Brande 1812 ver-
schönert wieder hergestellt. Er hat auch einen großen schönen
Garten.
5) Das Nedouten-Gebäude in der Parkstraße und
am Pfarrplatze, wurde im Jahre 1800 auf einem zum vori-
gen Hellhammerhofe und zur alten Burg gehörigen Platze,
den er von der Stadt kaufte, von Georg Wilhelm, da-
mahligen Theaterpächter, erbauet, und mit dem Theaterge-
baude vereinigt. Es besteht aus zwey Stockwerken, einem
großen Saale, und vielen Zimmern, die größten Theils ver-
miethet werden. Dabey ist ein Gast- und Kaffehhaus.
6) Das Th eat erg e bau de, der Stadt gehörig, am
Theaterplatze in der Pfarrgaffe, ist ein niedliches Gebäude mit
dem Redouten-Gebäude vereinigt, mit dem Motto: »Ernst ist
das Leben, heiter ist die Kunst.« Die hiesige Bühne wird ver-
pachtet, und unter die ersten der Provinzialsta'dte Oesterreichs
gerechnet. Vorstellungen werden vom May bis October gegeben.
Das Gebäude faßt gegen 1200 Menschen, und hat ein Par-
terre, zwey Gallerten, dreyßig Logen, und i5o gesperrte
. Sitze.
7) Die S chießsta'.tte, ein Eigenthum der Bürgerschaft
und der hiesigen Schützengesellschaft, unter der Oberaufsicht
" eines Oberschützenmeisters, war früher in der Grabengasse oder
im sogenannten Schießgraben; im Jahre 1802 wurde aber un-
weit der Pfarrkirche am Weingebirge rückwärts der Parkstraße
und Wienergasse, die jetzige geräumige Schießstätte erbauet,
die ein häufig besuchter Unterhaltungsort an Sonntagen ist.
7°
8) Der Herzog Hof hüt seinen Nahmen wahrscheinlich
daher, weil ihn schon die Herzoge von Oesterreich aus dem
Hause Babenberg erbauten. Spater gelangte er in andere
Hände; so z. B. besaß ihn im Jahre i3k) ein Heinrich
von P f a f f st ö 11 e n. Es kamen aber die Landesfürsten noch-
mahls zum Besitze desselben ; denn im Jahre 1676 schenkte ihn
mit dem darin befindlichen Bade, Kaiser Maximilian H.
den Nieder - Oesterreichischen Ständen, welche ihn ihrem Land-
marschall , dem Grafen Lamb erg S Prinzen stein, über-
ließen, dessen Nachkommen ihn lange besassen. Im Jahre 1627
war Besitzer des Herzogshofes und Bades Sebastian Egens,
N. Oest. Landschafts-Zahlmeister, dessen Gemahlin Constan-
tia in der Pfarrkirche zu Tribuswinkel begraben wurde, wie
ein an der Kirchenmauer befindlicher Grabstein ausweiset. Im
Jahre 1662 war Mitbesitzerin Clara Susanna Mana-
ge t t a , welche die noch bestehende Haus-Capelle zum heiligen
Anton erbauen ließ, zu welcher im Jahre 1704 mit 600 Gul-
den eine heil. Messe für kranke Hausgäste gestiftet wurde. Im
Jahre 1691) wurde in diesem Gebäude das Antonbad errichtet,
und der ganze Hof sammt den Bädern im Jahre »71b von
der Stadt angekauft, die denselben noch besitzt. Er enthält üb-
rigens mehrere Wohnzimmer, die vermiethet werden, und ist
sehr geräumig; er liegt an der Renn- und Theresiengasse und
Parkstraße, und ist noch mancher Verschönerung fähig.
<)) Der Mariazellerh0f liegt in der Berggaffe, und
wurde im Jahre 1278 von Peter von Merken st ein dem
Stifte Klein-Mariazell geschenkt, welches ihn bis zu seiner Auf-
hebung im Jahre 1783 besaß. Dann fiel er an den Religionsfond,
von welchem ihn im Jahre 1801 Se. Majestät Kaiser Franz
kaufte, und zu einem Hause der Wohlthätigkeit zur unentgeld-
lichen Aufnahme armer Badebedürfrigen bestimmte, und nebst
dem dazu gehörigen kleinen Grundbuche das von mehreren Wohl-
thätern zur ersten Fundirung gesammelte Stiftungs-Capital
aus dem Bruderschaftsfonde mit 20000 Gulden vermehrte.
Zur bessern Versorgung der hier untergebrachten armen Kran-
ken werden alljährlich von den Cur-G ästen milde Beyträge ge-
jammelc. Der Bade-Arzt und ein Wundarzt besorgen dieKran-
I
ken unentgeldlich. Es können bey bo bis 90 Individuen hier
aufgenommen werden, die von dem Bade-Arzte vorher ein
Spital - und Badezeugniß erhalten, um sich damit bey den
übrigen Behörden ausweisen zu können. Sie erhalten unent-
geltich Bad, Kost, Wohnung, Arzeney und Bedienung;
müssen aber genau die für dieses Wohlthätigkeitshaus vorge-
schriebene Tagesordnung beobachten, welche Herr Doctor Beck
in seinem Buche über Baden, S. 65 —68, bekannt gemacht
hat. Nebst dem Bade-Arzte haben noch die Aufsicht über diese
Anstalt der Herr Stadtpfarrer, der Herr Bürgermeister, ein
Verwalter, und ein Jnspector, der im Hause wohnt; die
Oberleitung hat die k. k. Landesregierung. Das Bad befindet
sich in dem zum Hause gehörigen Garten; das Haus hat auch
eine Capelle der heiligen Cacilia, welche aber jetzt nicht be^
nützt wird, sondern die hier Verpflegten müssen, der Tages-
ordnung gemäß, an Sonn- und Feyertagen dem Gottesdienste
in der Pfarrkirche beywohnen, wenn es anders ihre Gesund-
heitsumstände erlauben,
Unweit vom Mariazetterhofe auf dem Calvarienberge ist
die ehemahlige Einsieddley, jetzt in ein Wirthshaus umgestal-
tet; neben demselben stehen bis an die Spitze deö Berges meh-
rere sogenannte Kreuzweg-Stationen, die das Leiden und den
Tod des Heilandes vorstellen, und von Andächtigen besonders
zur Fastenzeit häufig besucht werden. Der Stadtrichter M i-
chae l Sch lach tner ließ dieselben im Jahre 1704 errichten.
,0) Das Bürgerspital in der Heiligenkreuzerstraße
neben dem Heiligenkreuzerhofe, war vorher ein Edelsitz der
Herren Auer v 0 n H e r r e n k i r ch e n, aus der N. Oesterr. E n-
gelschalk Aue r'schen Linie, von welcher besonders ein Con-
rad, Gerowich, Christoph, Wilhelm und Hein-
rich aus Urkunden bekannt sind. Heinrich, ein Sohn des
Wilhelm Auer von Herrenkkrchen, war der letzte
dieses Stammes, und im Jahre 1627 Besitzer der Veste
Arnstein, landesfürstlicher Schloßhauptmann zu Baden,
und Ritterschafts-Verordneter der-N. Oesterr.. Landstände.
Nach dem Tode seiner Kinder verkaufte er sein Haus in Wien
und die Veste Arnstein, und bestimmte im Jahre >542 seinen
7'2
Edelntz zu Baden zu einem Spitale, in welchem sechs alte
verarmte Männer und sechs Weiber aus den hiesigen Bürgern
bis zu ihrem Tode verpflegt werden sollen. Vermöge dieser
Stiftung erhalten dieselben eine Kleidung von rothem Tuche,
dann die nöthige Wäsche, ordentliche Wohnung und Krank-
heitspflege, und zu ihrem Unterhalte täglich sieben Kreuzer.
Ein Bürger, unter dem Nahmen Spitalverwalter, führt die
unmittelbare Aufsicht. Die Oberaufsicht hat der Bürgermeister
und die hohe Landesregierung. Zur Versorgung der Orts-Jnsti-
tuts-Armen sind zwey der Stadt gehörige Lazarethe bestimmt,
über die ein Bürger als Armenvater die Aufsicht führt.
Der Stifter des Bürgerspitals starb zu Baden im Jahre
i55i, und wurde in der Pfarrkirche begrgben. Im Jahre ,723
senkte Abt Gerhard von Heiligenkreuz diesem Spirale
einen Wald bey Gaden, welchen dasselbe noch jetzt besitzt. Bey
diesem Spitale befindet sich eine Capelle zum heiligen Kreuze,
welche im Jahre 1745 von d§m Suffragane des Wiener Erz-
bischofes, dem Bischöfe von Antigonia, Joseph Heinrich
Breiten büche r, eonsecrirt wurde. Im Jahre ,740 machte
Katharina W e tz st e i n, geb. A n k e r s k r 0 n, mit 400 Gul-
den eine Stiftung auf vier heilige Messen zu dieser Capelle.
Jetzt ist sie unter dem Nahmen Spitalkirche oder Anna-Capelle
bekannt, weil in derselben auch ein Bildniß der heiligen
Anna auf dem Altare aufgestellt ist; es wird im Sommer
von Geistlichen , die das Bad gebrauchen, fast täglich hier
Messe gelesen.
Rückwärts dieses Spitales, jenseits des Mühlbaches an der
Gränze von Gutenbrunn, ist das dem städtischen Kammeramte
gehörige Gasthaus zum schwarzen Bock, und neben demselben
die Bruck- oder Spitalmühle, welche früher dem Stifte Hei-
ligenkreuz gehörte, dann sammt-dem angränzenden Heiligen-
kreuzer-FreyhofeanGer0wich Auer von Herrenkirchen
verkauft wurde. Der Freyhof wurde vom Stifte zwar wieder
zurück erkauft; aber die Mühle blieb mit dem Spitale verei-
nigt, bis dieselbe sannnt dem dazu gehörigen Garten im Jahre
2763 verkauft wurde. Dieser Garten ist darum merkwürdig,
weil in demselben im Jahre 1697 der Churfürst von Sach-
73
sen und nachmahlige König von Pohlen, F r i e d r i ch A u g u st,
in die Hände des Bischofs von Raab das römisch-katholische
Elauberisbekenritzriß ablegte.
Li) Der Heiligenkreuzer.'F reyhof, an das Bür-
gerspitaL angränzend, hat seinen Nahrnen daher, weil derselbe
im Jahre t3i3 von Albert PLenkh dem Stifte Heili-
genkreuz sammt dem dazu gehörigen Ba:-e zu einem Kranken-
hause geschenkt wurde. Das Stift veräußerte denselben im
Jahre 1644 an das benachbarte Bürgerspital; aber im Jahre
1676 kaufte der Abt Udalrich II. denselben wieder zurück.
Im Jahre 1588 vermiethete ihn Abr Johann VI. auf
sechs Jahre für jährliche 20 Gulden an einen Johann
Fleische; doch wurde demselben von der Bürgerschaft die
Freyheit Wern auszuschenken untersagt. Im Jahre i665 ließ
Abt Clemens mit einer Auslage von 900 Gulden den Hof
mit einer Mauer umfangen, eine Stallung erbauen, das Bad-
und das Wohngebäude verbessern; aber es diente nur zum Ge-
brauche der Stiftsgeistlichen, und zur Abhaltung des jährlichen
Grundbuches.
Im Jahre i8n mußte dieser Freyhof auf Allerhöchste Ein-
ordnung zum Behufe der Staatsbedürfniffe licitationsweise
verkauft werden, und die hiesige Bürgerschaft erkaufte ihn
um 47000 Gulden. Es wurde dann das Bad unter dem Nah-
men der Leopoldsbäder zum öffentlichen Gebrauche neu erbauet,
das Wohngebäude im Sommer vermiethet, und tzie Verwal-
tung mit jener des Gamingerhofes vereinigt. Ein hier woh-
nender Jnspector hat die Aufsicht über das Gebäude. Es ist
hier auch eine Capelle der heiligen Magdalena, deren Alter
man nicht weiß, und wo im Sommer bisweilen Messe gelesen
wirb. Das Stift-Heiligenkreuzer-Grundbuch, zu welchem auch
ein beträchtlicher Theil der Stadt Baden gehört, war nicht
wesentlich mit diesem Freyhofe vereinigt; es verblieb daher
dem Stifte, und wird noch jährlich allhier in einem Privat-
hause abgehalten.
12) Der Gaming erhof, bekannt unter dem Nah-
men des Gasthauses zum schwarzen Adler, lregt zwischen der
Rathhausgasse und Heiligenkreuzerstraße oder Spitalgaffe. Er
74
wurde im Jahre »333 vom Herzoge Albert und dessen
Bruder Otto/ unter dem Nahmen Perkhof oder Zehendhof,
mit den dazu gehörigen Besitzungen dem Kloster der Carthäu-
ser zu Gaming geschenkt. Im Jahre »345 wurde dieser Hof
auch von aller Steuer, Wacht, Dienst, Forderung und Be-
schwerde frey erklärt. Er besitzt ein großes Grundbuch, meh-
rere Unterthanen, und ein sehr beträchtliches Bergrecht. Als
die Gaminger Carrhause aufgelöst wurde, fiel dieseb Hof dem
Religionsfonde zu, von dem ihn die hiesige Bürgerschaft im
Jahre »788 um 20000 Gulden kaufte, und das Gebäude, so
wie es noch jetzt ist, zu einem Gasthause umstalten ließ. In
demselben befindet sich auch die vereinte Kanzley des Heiligen-
kreuzer- und Gaminger-Freyhofes, unter der Aufsicht eines ei-
genen Beamten, der hier wohnt. Die Verwaltung und Ober-
aufsicht führt ein von der gesammten Bürgerschaft erwählter
Jnspeclov, welcher dermahlen der sehr thätige und einsichts-
volle bürgerliche Handelsmann Johann Laudinger ist.
Es sind ihm zur Controlle mehrere bürgerliche sogenannte Aus-
schußmänner beygegeben. Die Verwaltung ist von dem städti-
schen Kammeramte gänzlich abgesondert und unabhängig. Zum
Ankaufe deö Gaminger- und Heiligenkreuzerhofes, und zum
Baue der Leopoldsbäder leistete ieder Hausbesitzer einen ver-
hältnißmäßigen Beytrag, der in vier Classen von 60 bis 400
Gulden eingetheilt wurde. Die jährlichen Einkünfte werden
zu Steuern, Besoldungen, Reparaturen und andern nöthi-
gen Ausgaben, dann zur Bezahlung der jährlichen Interessen
und zu einem Tilgungsfond des Capitals verwendet. In der
Folge sollen dieselben auch zur Aushülfe dürftiger Bürger in
der Noth als Darlehen benützt werden, auch aus demselben
eine Summe von beyläufig 20000 Gulden einen Feuer-Affecu-
ranz-Fond für die gesammte Bürgerschaft, nach obigen vier
Classen berechnet, bilden.
In einen Theile des zum Gamingerhofe gehörigen Gartens
sind die Fleischbänke, und nahe bey denselben in der Alleegaffe
ist der Gemüsemarkt; der Körnermarkt ist auf dem Pfarr-
platze. Ein Bürger, unter dem Nahmen des Marktrichters, hat
über die Ordnung zu wachen, und den städtischen Zoll oder
75
ba*> sogenannte Standgelh von den Verkäufern einzufordern;
doch'sind vermöge uralten Vertragen die Bewohner von Sooß
und Pfaffstätten von diesem Standgelde befreyt. ^
Zwischen dem Gaminger- und Heiligenkreuzerhofe befindet
sich ein großes Brauhaus/ welches dermahlen einem Herrn
Schar ing er gehört. 2luch verdienen einiger Erwähnung die
schönen großen Gasthäuser zum Fuchsen in der Waffergasse,
zum goldenen Hirschen am Hauptplatze/ von welchem täglich
Wägen der hiesigen Landkutscher nach Wien fahren/ und das
Gasthaus zum goldenen Schwan in der Wienergasse. Am
Hauptplatze befindet sich auch eine Briefpost. Am Pfarrplatze
unweit der Kirche steht das ansehnliche Schulgebäude. Daß
schon im sechszehnten Jahrhunderte hier ein Schuthaus vorhan-
den war/ weiß man daraus/ weil Kaiser Ferdinand I.
der Stadt erlaubte/ die Beneficiaten-Häuser zu verkaufen/
um die im Jahre 1529 von den Türken verbrannte Pfarrkirche,
den Pfarrhof, das Spiral und Schulhaus wieder zu erbauen.
Auch rm Jahre i683 würde das Schulhaus von den Türken
verbrannt, aber bald wieder hergestellt. Es war jenes Haus,
welches noch jetzt das alte Schulhaus genannt wird, und wo
Anfangs in einem, dann in zwey Lehrzimmern der Unterricht
ertheilt wurde. Als die Zahl der Schulkinder bis 35o anwuchs,
wurde dieses Haus zu klein, und daher im Jahre 1801 auf
dem jetzigen'Platze ein neues erbauet, wozu die Stadt, die
Grundobrigkeiten und eingepfarrren Dominien die Beyträge
leisteten. Das Gebäude lst zwey Stockwerke hoch, und hat
vier geräumige Lehrzimmer, in welchem vier Gehülfen und
ein Lehrer in den vorgeschriebeneu Trivial - Lehrgegenstä'n-
den Unterricht ertheilen. Da die Anzahl der schulfähigen Kin-
der jetzt schon 58o beträgt, wird wohl auch dieses Schulge-
bäude bald zu klein werden! —
Die Häuser Nr. 77,82 und 83 in der Frauengasse, Bäcker,
gaffe und Wassergaffe sind insbesondere dadurch merkwürdig, weit
sie den Platz des ehemahligen Augustinerklosters und der
dazu gehörigen Kirche einnehmen. Im 1.1286 beriefen Thee-
wald von Kräusbach, Jägermeister in Oesterreich, und
seme Ehegattin Euphemia mir ihren Kindern, Bernhard-
76
Heinrich, Friedrich und Engelbert, die im Walde
zerstreut lebenden Eremiten des heiligen Augustin nach Baden,
und schenkten ihnen zur Wohnung ein Haus, mit einer dabey
befindlichen Capelle. Diese Augustiner -- Eremiten haben ihren
Nahmen und ihre Ordensregeln vom heiligen Augustin, der
im Jahre 388 in der Nahe von Tagaste in Afrika ein Klo-
ster errichtete; und als er dann Priester und endlich Bischof
von Hippo wurde, auf einem vom Bischöfe Valerius geschenk-
ten Grunde ein zweytes Kloster erbaute, deren Bewohnern er
Lebensregetn vorschrieb. Es entstanden bald mehrere solche Klö-
ster, die aber von den Vandalen um das Jahr 428 zerstöret
wurden. Die Mönche zerstreuten sich in mehrere Lander, und
errichteten bald mehrere Versammlungen, die, obschon sie von
den Schülern des heiligen Augustin abstammten, doch durch
die verschiedenen Ansichren der Mitglieder, und die verschie-
denen Gewohnheiten der Länder, an Geist und Form sehr von
einander unterschieden waren.
Der heilige Augustin nahm sich die Lebensweise der
ersten Christen zu den Zeiten der Apostel , und das xeben der
Einsiedler in Aegypten zur Richtschnur, und führte die Ge-
meinschaft der Güter, mit Verbannung alles Eigenthumes ein.
Der Gegenstand seines Strebens war die Ausübung der evan-
gelischen Regel. Seine Schüler nahmen in der Folge als ihre be-
sondere Regel sein hundert und neuntes Schreiben an, welches er
rm Jahre 428 an die Nonnen zu Hippo erließ. Jedoch nicht alle
hielten sich daran; einige lebten sogar ohne Gelübde; andere
nahmen nur das an, was sie selbst für ihre innere Einrichtung
für das Beste hielten; nur wenige verlangten und erhielten
vom Papste I n n 0 c e n z IV. als Vorschrift die Regel des heili-
gen Augustin. In Italien hatten sie sich in zwey Hauptver-
sammlungen getheilt, in bieder Boniten, von ihrem Stifter
Johann Bonn in Toscana sogenannt; und in Brittini-
-sten, von der Einöde Brittini in der Mark Ankona. Papst
Alex ander IV. beschloß diese zahlreichen Versammlungen, die
sich Eremiten des heiligen Augustin nannten, zu einem einzi-
gen, in allem übereinstimmenden, Körper zu vereinigen. Die
Ausführung dieses Vorhabens trug er rm Jahre 1264 dem Car-
77
dinal Richard auf/ der schon vom Papste Innozenz IV.
zum Protector der Eremiten von Toscana war ernannt wor-
den. Dieser bericf^aHe Ordensobem nach Rom, wo im Jahre
is56 L anfrank Septala, ein Mailänder, zum Ordens-
General erwählt wurde; dann wurden die Ordensgememden
in vier Provinzen eingetheilt, in die von Frankreich, Spa-
nien, Deutschland und Italien. Papst Alexander IV. bestä-
tigte die Beschlüsse dieses General-Capitels, oder allgemeinen
Ordens-Versammlung, und Cardinal Richard wurde mit
ausgedehnter Vollmacht zum Protector des ganzen Ordens er-
nannt. Schon Papst Gregor IX» hatte den Eremiten eine
einförmige Ordenskleidung vorgeschrieben, um sie von den
Schülern des heiligen Franciscus, denen sie sich gleich
trugen, zu unterscheiden. Er befahl ihnen ein weißes, oder-
äußer dem Hause ein schwarzes Oberkleid (Kutte) und Scapu-
lie'r zu tragen, mrt einer schwarzen bis zum Gürtel hinabrei-
chenden Capuze; auch sollten sie sich mit einer ledernen noch
herabhängenden Binde umgürten; das Oberkleid sollte aber
nicht zu weit hinabreichen, damit man durch die Ansicht der
Schuhe sie von denjemgen unterscheiden könne, welche unbe-
schuhet gingen; auch sollten sie mit einem oben hakenförmig
gekrümmten Stocke auf den Straßen erscheinen. Dieses letz-
tere wurde ihnen zwar vom Papste Jnnocenz IV. nach-
gesehen, und diese Nachsicht vom Papste Alexander IV.
bestätiget, dafür aber das Tragen der schwarzen Kleidung aus
Wottenzeug eingeschärft. Im Jahre 1287 wurden in einem, zu
Florenz unter dem Ordens-General Clemens von Auxi-
m a s abgehaltenen allgemeinen Ordens-Capitel alle Vorschrif-
ten noch einmahl geprüft, und allgemein gutgeheißen, und
dann in allen Klöstern des Ord-ns eingeführet. Der Orden
verbreitete sich auch so schnell, daß im Jahre 1620 bey einxr
allgemeinen Ordens-Versammlung bey fünfhundert Ordens-
obere und Klostervorsteher zusammentraten; ja es war eine
Zeit, da, nach der Angabe einiger Schriftsteller, der Or-
den bey 3oo Mannsklöster mit 3oooo Ordensgliedern, und
mehr als 3oo Nonnenklöster zählte. Bey dieser so großen Ver-
breitung war nicht zu hoffen, daß Einförmigkeit und genaue
Befolgung der Ordenssatzungen lange und überall würden bey--
beybehalten werden. Es entstanden bald neue mehr oder weni-
ger umgestaltete Versammlungen, wie z. P. im Jahre »588
unter dem Papste Sixtus V. die unbeschuhten Eremiten in
Castilien, deren Stifter Thomas von Jesu war, und
dre eine strengere Lebensart zum Zwecke hatten.
Nachdem sich die Eremiten des h. Augustin zu Baden in
dem ihnen geschenkten Hause ansaßig gemacht hatten, wurden
ihnen mehrere Güter und Weingarten geschenkt, welche vorn
Papste Honorius IV. sammt der Stiftung des Klosters be-
stätiget wurden. Herzog Albert begünstigte im Jahre i338
dieselben in einer eigenen am Montage nach St. Mertentage aus-
gefertigten Urkunde. Bernhard von Kreusbach (Krebsbach)
schenkte demselben im Jahre 1840 einen Weingarten, den er
im Jahre i3o8 vom Herzoge Friedrich erhalten hatte. Im
Jahre i33b schenkte ihnen Hedwig, Witwe des Engel-
hart von Kreusbach, einen Weingarten für einen ewi-
gen Jahrestag. Im Jahre 1297 schenkte ihnen Heinrich
von Pottendorf die Cupelle zu unserer lieben Frau auf
seinem Meierhofe, sammt allen dazu gehörigen Gütern, so
wie selbe die Pottendorfische Familie laut eines Gabbriefes
vom Jahre 1227 besessen hat. In dieser Schenkungsurkunde
werden ein Otto von Baden, Volfger von Rohr,
Albrecht von Aleet, Liopold von Krebsbach und
seine Söhne, Heinrich, Friedrich, Engel dick und
Liodolt; dann Liopold von Sachsengang, Vater
und Sohn, Cunrad und Sey bot von Bodendorf,
K a l h 0 ch von E b e r st 0 r f, und mehrere Andere, als Zeugen
angeführt. Im Jahre »338 wurde das Kloster sammt der
Capelle vergrößert, welche dadurch zu einer Kirche erhoben
wurde, und im Jahre 1893 linker Hand beym Hochaltäre mit
einer Capelle des heiligen Sakramentes vergrößert, welche
Wilhelm von Kreusbach zu seiner Grabstätte bestimmte,
und hierzu auch vom Herzoge Albert III. die Bewilligung
erhielt.
Im Jahre »357 hatten die Augustiner eine Streitigkeit
wegen einer Wasserwehre am Mühlbache mit dem Stifte Hei-
7()
ligenkreuz, welche aber von Ab e r t H. zur Zufriedenheit beyder
Theile entschieden wurde. Das Stift hatte an die Augustiner
auch eine jährliche Abgabe von 66 Wiener Pfennigen zu leisten/
deren Ursprung unbekannt ist; von dieser wurde es unter den;
Abte Leopold im Z. i344 durch einen Vertrag auf ewige Zei-
ten befreyet. — Mit dem Orden der Eremiten des h. Augustin
errichtete der Abt Georg III. im 1.1474 eine geistliche Ver-
brüderung. In der hierüber ausgefertigten Urkunde heißt der
OrdenSobere Andreas von Prunner, der h. Theot.Bac-
calaur, Prior und Provinzial des Ordens in Bayern/ Steyer-
mark/ Kärnthen, Oesterreichs), Mähren, Pohlen, Böh-
men, Schlesien und Masovien. Die Augustiner besaßen auch'
das Rohrbadel am Anger, das nachmahlige Josephbad, mit
der Stadt, und verkauften es an dieselbe im I. i65o. Von dem
Frauenbade hatte die Stadt an das Kloster jährlich 7 Pfund Pf.
abzureichen; in dem Visitations-Berichte vom J. i544 beklagt
sich der Prior Quirin, daß die Bürger diese Verpflichtung
einige Zeit her nicht erfüllet haben. Bey dem Ueberfalle des
K. Mathias Corvinus, und bey dem Einfalle der Tür-
ken im I. 1529, hatte das Kloster mit der Stadt ein gleiches
Schicksal der Zerstörung; die Türken zerschnitten sogar die Origi-
nal-Urkunden, daher diese im I. i53o von K. Ferdinand I.
neuerdings bestätiget wurden. Das Kloster konnte nicht so bald
wieder hergestellt werden, daher die Bürger den Kaiser bathen,
die Einkünfte des Klosters einziehen, und mit dem neuerrich-
teten Bürgerspitale vereinigen zu dürfen, was aber der Kaiser
O Die ersten Eremiten des heil. Augustin mit weiten Ermeln (de
larga manica) in Oesterreich waren die in Baden, im I. »285. 2n
Wien lebten einige in der Vorstadt vor dem Rothenthurme (in subv
uvbio ante portam Yerderianam). Friedrich der Schöne ver-
> einigte sie im 2. »327 mit einigen Brüdern aus München, die er
mjt demPrior Conrad kommen liest, und übergab ihnen einen ge-
räumigen Platz an der Hofburg (aveas aulac eonfmes), Auf Befehl.
Ferdinands II. räumten sie im 2. »63o Kloster und Kirche den
Un b esch u h t e n ein, die im 2. >635 zu M. Brunn ein Kloster
erhielten. 2m 2. »3»6 kamen sie nach Bruck an der Leytha; »333
nach Korneuburg, und »642 bezogen jene, die das Kloster an der
Burg verlassen hatten, das für sie neuerrichtete «ruf der Land-
straße. (Marian, a S. Clara),
8o
nicht zugab. Im I. 1044, im Visitations-Berichte, zeigte der
Prior Quirin an, »daß vor dem Jahre 1629, 6 bis 7 Con-
»ventbrüder da gewesen, deren Unterhalt auf die mildthätigen
» Beyträge der Stadt und der Landleute angewiesen war. Jetzt,
»im Jahre 1644, sey er selbst mit zwey Priestern und einem
»Laienbruder gegenwärtig, und erwarte noch einen Priester;
» und bey dem Mangel an Beyträgen sey er gezwungen, sich
» mit seinen Brüdern durch Selbstbou der Aecker und Wein-
» gärten zu unterhalten und durchzubringen.«
Die Kirche und Capelle wurden im I. 1689 wieder herge-
stellt, und letztere erhielt den Nahmen Kreuz-Capelle. Als die
Anhänger Luthers auch zu Baden zahlreich wurden, wurde
das Kloster aus Mangel an Geistlichen und Unterhalt verlassen,
und die Einkünfte indessen zum Besten des Bürgerspitales
von der Bürgerschaft verwendet. Erst nachdem sich die Reli-
gions - Unruhen etwas verminderten , kehrten sie wieder in
den Besitz ihres Eigenthums, im 1.1684, zurück. Allein im
I. i683 wurde das Kloster, gleich der Stadt, von den Tür-
ken abermahls zerstört. Es wurde im 1.1892 mit der Kirche
und der Capelle wieder erbauet, und letztere die Loretto-Ca-
pelle genannt, weil eine Statue von der h. Maria von Lo-
re tt.o aufgestellt wurde. Im I. 1700 vergrößerte der Prior
Eg idius Ort die Kirche, indem er von der Kirche nur das
Presbyterium, wo die ursprüngliche Capelle war, beybehielt,
und dieselbe rückwärts erweiterte. Bey der Feuersbrunst im
I. 1714 brannten Kloster und Kirche abermahls ab, und wurden
wieder hergestellt. Im I. 1740 wurde vom Prior G ottfr ied
Claan an der rechten Seite, der Loretto-Capelle gegen über,
die Kreuz-Capelle erbauet. Es befanden sich in der Kirche nebst
dem Hochaltare der Verkündigung Mariens, und den 2 Capellen,
noch b Seitenaltäre, mit den Grabmählern des Stifters Theo-
wald v. Chreusbach ch 1299; dann des Friedrich
v. Chreusbach, Oberstjägermeisters in Oesterreich f i36o;
dann des Wilhelm Chrtusbach f i3i5, und des Franz
Edlen v. Quarient-Rääl f 1718.
Das Klostergebäude war ziemlich geräumig, und enthielt
nebst den Wirthschaftsgebäuden viele Wohnzimmer, in wel-
chen theils die Geistlichen waren, theils der Allerhöchste Kai-
ferhof wohnte, wann derselbe die Bade-Cur gebrauchte.
Da die Klosterkirche sehr bequem beynahe mitten in dem
städtischen Bezirke liegt, so bathen die Bürger den Kaiser Jo-
seph II., bey der neuen Pfarreintheilung auch sie zu begnadi-
gen, und die Klosterkirche zu einer Pfarrkirche zu erheben.
Dieses wurde ihnen abgeschlagen, und dem Kloster aufgetra-
getragen, zwey Geistliche als Cooperatoren bey der Stadtpfarr-
kirche zu stellen, die im Pfarrhofe wohnen und schlafen, aber
im Kloster speisen sollten^ Im Jahre »806 kam zwar die Fra-
ge Ln Anregung , ob man nicht die Stadtpfarre ganz den Au-
gustinern übergeben sollte, da dieselben bisher in derAushülfs-
seelsorge die wesentlichsten Dienste geleistet hatten; aber ihre
verminderte Anzahl, und die wenige Aussicht zu einer Vermeh-
rung, indem der Orden keine Candidaten erhielt, und die
meisten noch vorhandenen Individuen Altershalber schon gebrech-
lich waren, zogen dem Kloster endlichem Jahre 1811 die gänzliche
Auflösung zu, da nebst den zwey Pfarr - Cooperatoren, nur
noch der Prior Joseph, der Subprior und Sacristan Sal-
di an, und drey Laienbrüder vorhandeii waren. Bald darauf,
im Jahre 1812, brannte das Kloster und die Kirche ab, welche
dann entweihet, und von dem Baumeister Brunner in Be-
sitz genommen wurde. Die Besitzungen des Klosters und daS
Gebäude fielen dem Religionsfonde zu, von welchem der Be-
sitzer von Tribuswinkel, Freyherr von Bartenstein den
größernWald, und der Besitzer vonVöslau, Graf Fries, den
kleineren Wald erkaufte. Die Loretto-Capelle sammt einem
Theile des Hofes gegen die Waffergasse erkaufte der angren-
zende-bürgerliche Handelsmann Bosch; das eigentliche Wohn-
gebäude erkaufte zuerst eine geborne Jüdin, Francisca
Turn au aus Lemberg/ von welcher es ihre Tochter Aloy-
si a K re b erhielt; von dieser bekam es ein Grieche, Nahmens
Selling er aus Brünn, und von diesem erkaufte es der
jetzige Besitzer, Freyherr H ahn von Hahnenthal. Dieser
ließ das ganze Gebäude zu schönen bequemen Mietwohnungen
ilmstatten, und in drey Häuser abtheilen; das an die Kirche
anstoßende für Badegäste neu zugerichtete Klostergebäude Nr. 8s
F
wird wegen des nahen Frauenbades der Fra uenhof genannt.
Es befindet sich allda durch die Benützung einer kalten Quelle
eine Badeanstalt, die nach der Art des Dianenbades in
Wien.eingerichtet ist, und den nähmlichen Nahmen führt. Er
erkaufte vom Religionsfonde das vorher dazu gehörige Grund-
buch/ und vom Baumeister Brunner das Kirchengebäude,
von welchem er die Sacristey und das Presbyterium zu Woh-
nungen verwendete, dem übrigen noch ziemlich lichten und ge-
räumigen Theil aber wieder neuerdings die Form einer Kirche,
mir einer geschmackvollen Außenseite, gegeben hat; so daß sie,
was gewiß wünschenswerth ist, wieder zur Abhaltung des Got-
tesdienstes geeignet ist.
Baden hat nur eine Pfarrkirche, die zwischen der Wiener-
und Pfarrgaffe am Pfarrplatze steht, deren Alter man aber
nicht genau anzugeben weiß; vielleicht hat sie gleiches Alter
mit der vormahls daneben gestandenen Burg der Herren von
Baden. Gewiß ist, daß schon zu Ende des i2ten Jahrhunderts
auf diesem Platze eine Capelle oder Kirche gestanden hat, bey
welcher ein eigener Priester angestellet war.
In einer im Jahre 1220 von Hei nrich, Herzog von
Mödling, ausgestellten Urkunde erscheint ein Ulrich, Priester
von Badem als Zeuge. Ob derselbe ein bloßer Meffeleser, oder
Vicar, Caplan, Burgpfaff war, oder ob er auch pfarrliche
Geschäfte und Rechte hatte, kann man jetzt nicht bestimmen;
denn es ist gewiß, daß Baden ursprünglich zur Pfarre Trais-
kirchen gehörte. Im Jahre 1268 nennt der Abt O rtolph von
Melk den Priester zu Baden schon ausdrücklich einen pleba-
nu8 (Pfarrer). Im Jahre 1297 erscheint ein Bernhard als
Pfarrer von Baden, und bestätigte die Schenkung der Frauen-
kirche an die Augustiner. Das Stift Melk hatte von jeher das
Patronat der Pfarre Baden, weil dieselbe eine Filiale der dem
Stifte gehörigen Pfarre Traiskirchen war.
Im Jahre 1812 machte Bernard, Bischof von Passau,
einen Vertrag, der im Jahre ib35 von Leopold, Bi-
schöfe zu Passau, und Reiner, Abten zu Melk, erneuert
wurde, vermöge welchem das Stift Melk die Pfarre Trais-
kirchen, mit den Filialen Baden, Mosbrunn, Gainfahrn,
63
LeoberSdorf undOberwaltersdorf mit eigenen Seelsorgern besetzen
sollte/ die entweder Weltpriester oder Stiftsgeistliche wären;
doch mußten dieselben nach der Verordnung des Papstes Cle-
ine ns VIII. v.om Jahre 1696 vom Diöcesan-Bischofe gewei-
het und bestätiget seyn. Durch obigen Vertrag erhielt das Stift
Melk auch das Recht der Verwaltung der zeitlichen Einkünfte
der obbenannxen Filialkirchen. Im Jahre 1820 schenkte als
Seelengerathe ein gewisser Radler von Sitzenberg der Pfarre
ftu Baden eine Hofstätte. Bald darauf erscheint ein Martin,
Pfarrer zu Baden, der ein eigenes Siegel führte, auf wel-
chem er knieend und bethend unter dem Bilde des h. Erz-Mär-
tyrers Stephan vorgestellet wird. Aus diesem Siegel erfahren
wir zugleich, daß schon zu jener Zeit der h° Stephan als
Patron der Pfarrkirche verehret wurde. Im Jahre 1867 liest
man einen Leopold, Pfarrer zu Baden, in einer Urkunde
des Stiftes Klein-Mariazell. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es
auch nicht an Wohlthätern gemangelt habe, die durch Schen-
kungen und Vermächtnisse die Einkünfte der Pfarre verbesser-
ten, besonders da mehrere adelige Familien in der hiesigen
Pfarrkirche ihre Grabstätte wählten ; so z. B. sagt A d a m
Freyherr von Hoheneck, in seiner österreichisch - ständischen
Genealogie, HI. Th. S.L6», und nach ihm Herr Carl von
Schenk in dem Buche von den Schwefelquellen Badens 1617
S. 6, daß in der Pfarrkirche ein Leichenstein befindlich gewe-
sen, mit der Inschrift»Hier liegt begraben Herr Heinrich
»von R or, und Herr Leitfritz, sein Bruder, und alle
»feine Vorfahren, so gestorben Anno i323.«
Durch die Verwüstung des ungarischen Königs Mathias
Corvinus wurde mit den übrigen Gebäuden von Baden auch
die Pfarrkirche verbrannt; und kaum war sie wieder hergestellt,
als sie tm Jahre 1629 neuerdings durch die Türken verwüstet
wurde. Der Pfarrer Sigmund Steinhäuser rettete sich
durch die Flucht, und mußte bey seiner Rückkehr das Elend der
durch den Brand zerstörten Gebäude mit ansehen. Die Kirche
konnte längere Zeit nicht hergestellt werden, weil der Patron
derselben, der Abt von Melk, selbst äußerst bedrängt war. Im
Jahre j54>3 starb hier als Pfarrer ein Stiftspriester von Melk,
§P2
84
wie die Inschrift seines Grabsteines, im linken Seitengange
der Pfarrkirche vor dem Ecce homo Altare noch befindlich,
zeigt. Dieß ist zugleich ein Beweis/ daß damahls die Kirche
schon wieder hergestellt war. Vermuthlich geschah dieses nach
der vom Kaiser den Bürgern im Jahre 1687 gemachten Schen-
kung der nahen Burg, deren Mauersteine nebst andern zur Auf-
führung einer neuen Mauer um die Kirche verwendet wurden,
wovon das noch jetzt mitten am Pfarrplatze ifolirt stehende Haus,
die ehemahlige Wohnung des Turners und Meßners, einUeber-
bleibsel ist.
Auch die Lehre Luthers fand in Baden frühzeitig Ein-
gang ; denn es war zu jener Zeit nebst dem katholischen Pfar-
rer auch schon ein lutherischer Prädicant oder Pastor hier; wie
man aus dem Visitations-Berichte ersieht, welchen die im Jahre
.,644 von dem Landesfürst-en zur Untersuchung des Zustandes
aller Pfarren angeordnete Commission, auch über die Pfarre
Baden erstattete. Dieser Bericht lautet wörtlich also:
Pfarr Baden: S. 876. Abt von Melk Lehenherr. Die
Pfarre wird dieser Zeit mit einem Conventual versehen. Der
Stiftbrief soll bey dem Lehenherrn seyn. Vor Jahren, ist ein
Pfarrer sammt drey Cooperatoren und einem Frühmesser da
gewesen ; auch ein Caplan, der das Filiale Sooß versehen,
welcher die ganze Woche nur einen Vacanten gehabt. Den
Cooperatoren und Priestern sammt dem Schulmeister hat der
Pfarrer die Unterhaltung geben müssen, und haben keine an-
dern Gefälle der Kirche und Besoldung gehabt.«
»Es haben auch die von Sooß dem Pfarrer für den Tisch,
den er ihrem Caplan gereicht, jährlich 18 Pfund Pfennige
gegeben. Dieser Zeit ist ein Pfarrer sammt einem Prädicanten
da. Der Gottesdienst ist vor Jahren mit Feyer und täglichem
Amt- und Vefpersingen, auch Predigen, versehen worden.
Dieser Zeit wird er täglich mit einem Amte, auch alle Sams-
tage und Feyerabende mit Vespersingen und Predigt, und an
der zwölf'Apostel-Tag Abend mit gesungener Metten verrichtet.«
»Den Getreid- und Weinzehent fechset der Abt von Melk.«
»Der Kutt e nfe l d e r, als Inhaber der Herrschaft Rau-
chenstein, entzieht der Pfarre allen Getreidzehent im Rorfeld,
55
und auf 2b Joch Aeckern, die auf daS Schloß gehören. Mehr
nimmt er allen Getreidezehent / der einem Pfarrer zu Löhstorf
gehört.«
»Durch einen königlichen Befehl (Wien den 9. Junius i53o)
wurde dem Prälaten zu Melk (als obersten Pfarrer) aufgetra-
gen, den Pfarrer zu Baden mit seinen Kirchendienern zu un-
terhalten, und die Kirche einzudecken. Weil aber die Befol-
gung jenes Befehls immer verschoben, und alles Erforderliche
mit Hülfe der Güter der Zechen und Beneficien geleistet wurde,
und weil man die Pfarrer, die Priester, und Kirchendiener
nicht mehr gehörig erhalten konnte, ist der Getreidezehent von
Sooß, sammt dem Getreidezehent von Baden, die vorher
Melk gefechset hatte, mit der Pfarre incorporirt worden.«
»Der Rath von Baden machte die Vorstellung, daß viele
Brandstätten noch unberührt, und vieleAeckerund Weingärten
(zur Pfarre gehörten 17 Weingärten und 3s Aecker und Wie-
sen) öde und verlassen stünden; wie auch, daß manche unbe-
baute Gründe von den Guthsherren eingezogen worden, und
verlangte, daß erstbenannte Stücke verkauft werden möchten.
Bischof G eorg Rei ch art, Official des Passauer Bisthums
unter der Enns, ertheilte dem Rathe als Lehenherr die Bewil-
ligung, die Brandstätten, Aecker, und Weingärten zur Er-
bauung der Kirche, und zur Wiedererhebung der verbrannten
Gebäude der zwey Beneficien, Corporis Christi und St.
Udatriei, wie auch zur Erhaltung der Schute und des Schul-
meisters zu verwenden. Der Willbrief ist vom 4. Junius i53^.
Es wurde verkauft das Beneficium St. Barbara außer der
Stadt; es war ein Manual der Burg Baden, und sie war
dessen Lehenherr. Das Beneficium St. Katharina, auch
ein Manual von Baden. Das Beneficium St. Birginis,
der Priester-Bruderschaft. Das Beneficium des heil. An-
dreas, und das Beneficium St. Stephan. Nur die bey-
den Beneficien Corporis Christi und St. Udalrici blie-
ben«. So viel hie Worte des Visitationsbuches. Von der Ent-
stehung, Lage und Beschaffenheit dieser genannten Beneficien
weiß man gar nichts Näheres, indem alle früheren Urkunden
des pfarrlrchen und städtischen Archives, die vielleicht hierüber
86
einigen Aufschluß geben könnten, gänzlich verbrannt, oder in
den protestantischen Religions-Unruhen vertilgt worden sind.
Wie schnell auch zu Baden die Anhänglichkeit an die pro-
testantische Lehre zugenommen habe, kann man schon daraus
schließen, weil im Jahre i5Z() sogar ein verheiratheter Prie-
ster, PeterRottmann, mit mehreren gleich gesinnten Ca-
planen, in der hiesigen Pfarre erscheint. Später kommt ein
Melchior Schrecks mell (den einige auch Schrecksem-
mel, oder Schreckshimmel schreiben) mit feiner Ehefrau Ur-
sula vor, der sich Pastor der Badner Pfarre nannte, und
den 27. Mai i5j3 für sich ein Haus zu Leestorf erkaufte.
Eben dieser scheint aber das Beyspiel einer öffentlichen Bekeh-
rung und des Rücktrittes zur katholischen Religion gegeben zu
haben, wahrscheinlich nach dem Tode seiner Ehefrau; denn es
ist noch ein Schreiben von ihm vorhanden, von Leestorf den
26. Junius 1674, worin er der Gemeinde zu Gaden be-
kannt macht, daß er ihnen am 1. Julius auf kaiserlichen Be-
fehl den Caspar Schrötl als Pfarrer installiren werde.
Einem lutherischen Pastor würde der Kaiser gewiß den Auf-
trag nicht gegeben haben, einen katholischen Pfarrer zu in-
stalliren. Seit jener Zeit hatte Baden wieder einen katholi-
schen Pfarrer, aber zugleich auch neben ihm, so wie früher,
einen lutherischen Prädicanten oder Pastor, obschon wir aus
Mangel an urkundlichen Nachrichten deren Nahmen und Schick-
sale nicht kennen. Daß aber die Anhänglichkeit an die Lehren
Luthers um diese Zeit zu Baden wieder abgenommen, und
vielleicht eben das Bekehrungsbeyspiel des Pfarrers Mel-
chior Schrecks mell auf die Pfarrkinder mächtig gewirkt
habe, kann man schon aus dem schließen, weil im Jahre 1684
die Augustiner Mönche es wagten, ihr seit mehreren Jahren
verlassenes Kloster wieder zu besetzen. Es läßt sich leicht den-
ken, daß während diesen Religions-Neuerungen, besonders da
Baden durch mehrere Jahre gar keinen katholischen Seelsorger
hatte, auch die pfarrlichen Einkünfte sehr geschmälert wor-
den sind; denn diese Neuerungen hatten auch das Eigene, daß
sie damahls bey Vielen, nebst der Beförderung einer unbändi-
gen Freyheitsliebe undUnsittlichkeit, auch eine ganz besondere
\i
07
Sucht nach den Kirchengütern, die sie verächtlicher Weise nur
Pfaffengut nannten/ hervorbrachte. Besonders suchten die
protestantischen Besitzer von Weikerstorf der Stadtpfarre den
Zehent und andere Besitzungen und Einkünfte zu entziehen.
Erst der Beharrlichkeit des Kaisers Ferdinand II. gelang
es/ die protestantischen Pastoren zu verdrängen/ und den Ka-
tholischen wieder ihre alten'Kirchenrechte zu verschaffen/ und
die noch geretteten pfarrlichen Einkünfte nach Möglichkeit zu
sichern. So blieb der Zustand der Pfarre Baden/ bis im Jahre
,683 bie Türken zum zweyten Mahle hierher kamen/ und alles
gräulich verwüsteten/ und auch die Pfarrkirche verbrannten/
aus der sich der Pfarrer Georg Hamann, mit dem Ca-
plane und Schulmeister kaum noch durch eine schnelle Flucht
retten konnten. DerPfarr-Patron/ Gregor Müller/ Abt
zu Melk/ beeilte sich die verwüstete Kirche und die Dachung
derselben wieder herzustellen. Im Jahre 1687 wurde auch der
Pfarrthurm in seiner jetzigen Gestalt erbauet/ und statt des
an seiner Gesundheit geschwächten Georg Hamann, kam
Johann Andreas Bürgler als Pfarrer hierher. Unter
diesem nahmen im Jahre 1690 die bis jetzt ununterbrochen
fortgehenden Pfarr-Prolokolle ihren Anfang. Er wurde auch
von Johann Philipp/ Bischöfe von Paffau/ zum Consi-
ftorial-Rath und Dechante des Vadner Districts ernannt. Er
errichtete im Jahre ,688 mit der Gemeinde zu Pfaffstätten
einen Vertrag/ vermöge welchem der jeweilige Stadtpfarrer von
Baden in der Pfarre Pfaffstätten provisorisch die Seelsorge
versehen/ Taufen, Leichenbegängnisse und Trauungen im
Orte selbst vornehmen, und in das dasige Pfarr-Protokoll ein-
schreiben, auch alle Sonn - und Feyertage einen Geistlichen
zur Abhaltung des Gottesdienstes in die dasige Pfarrkirche sen-
den sollte; dafür erhielt er von der Gemeinde nebst der Stol-
gebühr jährlich 104 Gulden und 6 Eimer Most. Dieser wür-
dige Seelsorger vermachte zum Pfarrhofe einen großen Gar-
ten rückwärts der Kirche, der noch jetzt dazu gehört, und für
welche Schenkung zu seinem Seelenheile jährlich vom Pfarrer
vier Messen zu lesen sind, Er starb den 24. März ,707, und
86
liegt in der Mitte der Pfarrkirche unter der Kanzel/ unter hi-
nein Grabsteine mit einer Inschrift begraben.
Unter dem Stadtpfarrer Johann Andreas Bürgler
geschah auch eine Veränderung des Patronates der Pfarre.
Den li. Junius ib()3 machte das Stift Melk mit dem Jo-
hann Philipp, Bischöfe von Passau/ einen Vertrag/ ver-
mög welchem das Stift dem bisherigen Ernennungsrechte über
die Pfarren Baden mit Sooß und Pfaffstätten/ dann
Moosbrunn mit Felling und Grammetneusiedel, und dann
auch über Oberwaltersd orf entsagte, und dasselbe sammt
den dazu gehörigen Verbindlichkeiten,» Rechten und Einkünf-
ten gänzlich dem Bischöfe von Passau abtrat; dafür erhielt
das Stift pon dem Bischöfe die völlige Jncorporation der
Pfarren Trgiskirchen, Gainfahren, Loibersdorf
und Melk, mit den dazu gehörigen Filialen, Rechten und
Einkünften; das Stift mußte jedoch laut des roten Artikels
dieses Vertrages an den Bischof von Paffau jährlich nebst den
gewöhnlichen Gebühren noch 60 Gulden Rheinisch bezahlen.
Dieser Vertrag, der aus r5 Artikeln besteht, hat in Hinsicht
der Stadtpfarre Baden das Sonderbare, daß darin von
Leestorf und Si. Helena gar keine Erwähnung geschieht, da
doch diese beyden Ortschaften, eben so wie Sooß, eine eigene
Capelle hatten, und zur Pfarre Baden gehörten; auch wird
darin Pfaffstätten mit Unrecht eine Filiale von Baden ge-
nannt; denn seit dem Jahre *538 war Pfaffstätten eine eigene
Pfarre, unter dem Patronate des Stiftes Heiligenkreuz, wel-
ches seine Rechte nie vergab; und selbst jener Vertrag der
Gemeinde zu Pfaffstätten mit dem Stadtpfarrer von Baden
im Jahre 1688, in Hinsicht einer provisorischen Seelsorge zu
Pfaffstätten, geschah nur mit Bewilligung des Pfarr-Patrons,
des Abtes ElemenS von Heiligenkreuz. Nach dem Tode des
Pfarrers Bürgler folgten schnell aufeinander als Pfarrer
Ignaz v. Schevern, und Franz Bernhard Fischer,
Domherr von Laybach und Baccalaur der Theologie. Im Jahre
1710 erhielt die Pfarre Jo h an n Georg Mößner, Bacca-
laur der Theologie; er starb imJahrei^o. Unter ihm entstand
zu Baden imJ. 1714 eine großeFeuersbrunst, von welcher aber
3q
die Pfarrkirche glücklich verschont blieb; auch wüthete im Jahre
1718 die Pest; es wurde auch der neben dem Pfarrhofe im
Stadtgraben liegende kleine Garten, so wie er noch jetzt ist,
dem Pfarrer der Stadt zur Nutznießung gegeben. Nach
Mößners Tod wurde Johann Michael Frank Stadt-
pfarrer und passauischer Consistorial-Rath; er starb im Jahre
»742. Unter ihm wurden im Jahre 1725 von dem Blschofe
von Passats in der Pfarrkirche einige Altäre geweiht, und im
Jahre 1729 wurden alle Pfarren des Badner Decanats, folg-
lich auch das Patronat der Stadtpfarre Baden, von dem Bis-
thume Passau an das neue Erzbisthum von Wien abgetreten.
Nach Franks Tode wurde Pfarrer Adam Mathias N u-
schitz; er starb im Jahre 1760. Unter ihm wurde im Jahre
1746 die Pfarrkirche neu mit Kehlhammerplatten gepflastert,
und im Jahre 1760 das noch jetzt auf dem Hochaltare befind-
liche Bild der Steinigung des h. Stephan, von Troger
gemahlen. Sein Nachfolger in der Pfarre hieß Ludwig von
Barquenfeld. Auf ihn folgte im Jahre 1768 Ludwig
Madruzzi, und nach dessen Tode kam IgnazD 0 minik
Fröhlich v. F rö h ti chsbu rg hierher; dieser wurde im Jahre
1788 zur Dominikanerpfarre nach Wien übersetzt, und wurde
zugleich Dechant des Klosterneuburger Bezirks. Später kam
er als Probst nach Wiener Neustadt, wo er den 26. Februar
1814 sein Lebey beschloß. Im Jahre 1783 wurde Dominik
Scheibs v. Gaubikolheim hier (Stadtpfarrer, und zugleich
Dechant und Confistorial-Nath. Unter ihm wurde der Pfarrhof
vergrößert, und der um die Kirche gelegene Leichenhof an ei-
nen etwas entfernteren Platz rückwärts der Wiener- und
Spiegelgaffe versetzt. Die Ortschaften Sooß und St. Helena
erhalten Local-Capläne, und Pfaffstätten wieder einen eige-
nen Pfarrer aus dem Stifte Heiligenkreuz. Zur Stadtpfarre
kamen zwey Cooperatoren aus dem Augustinerkloster. Auch
mit dem Patronate der Pfarre Baden ereignete sich eine Ver-
änderung, denn im Jahre 1767 wurden alle ehemahligen bi-
schöflich passauischen Collations - Pfarren zu landesfürstlichen
Pfarren erklärt. Dazu gehört auch Baden, so wie es noch bis
jetzt ist, Nachdem der Pfarrer Scheibs im Jahre ijqq
9°
\uvi) Röschitz übersetzt worden war, erhielt die Stadtpfarre ein
gewesener Capuziner und k.k. Feld-Caplan, Abdon Vogel,
welcher noch im Jahre 1800 nach Pottenstein übersetzt wurde.
Im Jahre 1801 wurde Pfarrer Euseb Glabogger
ein Piarist, der vorher Director der Hauptschule bey Sr. T h e-
c la zu Wien war. Er wurde jedoch nicht Dechant, sondern
der Stifts-Capitular von Melk und Pfarrer zu Lraiskirchen,
Colomann Härtner. Er starb im Jahre 1811. Unter
ihm wurden die Mauern um die Kirche weggerissen, so daß
jetzt dieselbe von allen Seiten freysteht; auch wurde das neue
Schulhaus erbauet, und das alte Schulhaus zur Wohnung des
Turners und Meßners bestimmt. Im Jahre 1812 erhielt die
Stadtpfarre Maximilian K ol lw eg, Doctor der Theolo-
gie, und vorheriger Pfarrer zu St. Margarethen an der
Wien, auch Verfasser mehrerer gelehrter Werke, und besonde-
rer Freund des Bibel-Studiums und der hebräischen Sprache.
Bey der großen Feuersbrunst im Jahre 1812 brannte der
Pfarrhof ab, wurde aber bald wiedex hergestellt; das nähm-
liche Schicksal hatte das alte Schulhaus; aber die Kirche und
das neue Schulhaus blieben verschont. Es wurde die Kloster-
kirche entweiht, nachdem sie abgebrannt war; und da kurz
vorher das Augustiner * Convent aufgelöst worden, wurden
zwey Weltpriester Cooperatoren bey der Stadtpfarre, die im
Pfarrhofe wohnen, und vom Religionsfonde ihre Besoldung
erhalten. Im Jahre 1813 wurde der bisherige Leichenhof cas-
sirt, und eine Viertelstunde ausserhalb Baden, rückwärts des
Ortes Breiten bey dem Eichwalde, ein der Herrschaft Weiker-
storf unterthäniger Grund für den jetzigen Leichenhof ange-
kauft, der einige schöne Grabmähler enthält, z. B. des
Staatsrathes von Hudelist; des Rittmeisters Franz
Neuerer, Besitzers des Johannesbades f 1818; des Frey-
herr» v 0n der Mark, k. k. geheimen Raths f i8i3; des
Franz Rudolph, Freyherrn v 0 n S a l a f 1820 ; der Ca-
ro l i n a H ensler j- 182,; der Maria Anna Rücker,
Magistratrathsgattin f 1818, u. m. a.
Den 12. August 1814 schlug der Blitz in den Pfarrthurm
jedoch ohne zu zünden; der Strahl fuhr neben dem Zügenglöck-
9i
chen herab, und schlug mitten auf dem Pfarrplatze eine Oeff-
nung in die Erde; da man diese erweiterte/ fand man zwey
mit einer eisernen Thüre verbundene Gewölbe/ worin Todten-
gebeine lagen; man hielt sie für ehemahlige Familiengrüfte/
und ließ sie verschütten.
Im Jahre 1620 resignirte Maximilian Kollweg/
und begab sich in den Ruhestand. Sein Nachfolger wurde
Herr'Johann Schäkel/ der vorher Pfarrer zu Hohenwart
war, und noch jetzt allhier Pfarrer ist. Er wurde/ wie sein
Vorfahrer, mit der Würde eines Dechants/ Schul-Districts-
Aufsehers und Consistorial-Rathes beehret. Im Jahre 1822 und
1823 wurde die Kirchendachung sammt dem Thurme und der
Thurmuhr neu verbessert/ auch die zersprungene große Glocke
umgegossen. Die unmittelbare Aufsicht, so wie die Kirchen-
Caffe und die Verrechnung der laufenden jährlichen Einnahmen
und Ausgaben bey der Kirche führt ein Zechprobst, oder soge-
nannter Kirchenvater, unter der Controlle des Stadtpfar-
rers und des Magistrates. Die Einkünfte des Pfarrers beste-
hen nebst den Stol-Gebühren, Meß-Stipendien und Inte-
ressen von den zahlreichen Messen-Stiftungen, noch in einigen
Grundstücken, dem Getreide-Zehent von Baden und Sooß,
einem kleinen Grundbuche, und überhaupt, nach der Fassion
vom Jahre 1781 in 70 Gulden an Realitäten. Es besteht
bey der hiesigen Pfarrkirche eine Stiftung auf eine tägliche
heilige Segenmeffe, die um 10 Uhr, und auf eine tägliche
Litaney mit Segen, die Abends um 6 Uhr abgehalten wird.
Die Pfarrkirche ist 26 Klafter lang, licht und hoch, im gothi-
schen Geschmacke erbaut; das Gewölbe ruht auf zehn freyste-
henden Säulen, die das Schiff in drey Gänge abtheilen. Der
Chor oder vordere Theil der Kirche, der um zwey Stufen
höher' ist, hat nur die Breite des mittleren Ganges, und
scheint, so wie der breite, hohe, bauchigte, mit rothen Schin-
delngedeckte, und aus Quadersteinen erbaute Thurm, erst später
an das Schiff angebauet worden zu seyn.
Die Kirche ist zu Ehren des heiligen Erz-Märtyrers und Pa-
trons S te p h an geweiht; sie hat linker Hand zwey Capel-
len, nämlich die Joseph-Capelle und die Kreuz-Capelle, wo auch
ein Oratorium ist; die Saeristey ist vorne rechter Hand der
Kreuz-Capelle gegen über, und hat auch einen Altar. In der
Kirche selbst sind nebst dem Hochaltere noch 9 Seitenaltäre,
von welchen die zwey vorderen nebst dem auf dem Hochaltare be-
findlichen Manenbilde aus der entweihten Augustinerklosterkirche
hierher versetzet wurden. Die Kirche hat auch viele Grabmähler.
Die Inschriften an den Grabsteinen/ mit denen die Kirche zum
Theil gepflastert ist/ sind größten Theils schon verwischt und
unleserlich geworden; nur der Familiengrabstein der Herren
Auer von Herrenkirchen, Stifter des hiesigen Bür-
gerspitals/ ist in dem Mittelgange unter dem Musik-Chore
noch kennbar an den sechs Ringen im Wappen; und weiter
vorwärts der Grabstein der im Jahre \5l\\ verstorbenen Ur-
sula/ gebornen G e r t i ng i n n, Wittwe des Erasmus von
der Haid/ Besitzers von Merkenstein, mit dem Familien-
Wappen und noch ganz lesbarer Inschrift; dann eben so un-
ter der Kanzel des im Jahre 1707 verstorbenen Stadtpfarrers
Johann Andreas Bürgler. Auch an den Säulen und
Seitenwä'nden sind sehr wohl erhaltene Grabmähler ange-
bracht; z. B. eines Paulus Rubigallusck 1676, mit
einer lateinischen Inschrift; dann eines Hanns Dorr zu
Wildungsmauer und Deutschaltenburg f 1672; ferner des
Hieronymus Saulus von Hiersperg, Waltpurgers
auf der Schemnitz in Ungarn/ f 1555/ mit einer deutschen und
alt-griechischen Inschrift; dann des Hans Winkler,
Bürgers und Rathsfreundes zu Baden/ f 1671; dann der M a-
ria Elisabeth, Gattin des Carl Festa, Doctors der
Arzeney/ ch 1602; des Grafen von Spork f 1711; dann
des Michael Schlachtner/ Stadtrichters zu Baden/ und
Stifters der Kreuzweg-Stationen am Calvarienberge/ wel-
chen/ nach dem sonderbaren Ausdrucke der Inschrift, im
Jahre 1704 der Tod geschlachtet hat zum himmlischen Abend-
mahle, nachdem er seine Seel durch vielfältiges Tugendwerk in
Baden gewaschen hat. Eben so schön als einfach ist das neueste
Grabmahl von weißem und grauem Marmor des im Jahre
*808 allhier verstorbenen Johann Nepomuk Corvi-
nus Kossakovski, Bischofes von Wilna, Ritters des Ale-
93
xander Newski-Ordens, Mitgliedes mehrerer gelehrten Gesell-
schaften, Stifters des Taubstummen-Jnstitutes von Lithauen,
Vorstehers des Armen-, Waisen- und Kranken-Institutes zu
Wilna u. s. w. Auch außerhalb der Kirche sind noch mehrere
Grabsteine erhalten; z. B. neben der Sacristey auf rothem
Marmor des Zacharias Merz von Ebenthal, ersten
Ober-Secretärs der N. Oest. Landschaft; dann unter dem
Haupteingange rückwärts ein Grabstein, worauf die Jahres-
zahl 1767 noch lesbar ist, und vorzüglich zwischen beyden
Eingängen das mit einem Gitter eingeschlossene schöne Grab-
mahl des Q u 0 dvultdeus Rollet, geboren zu Baden den
12. September 1767, dann Augustiner-Mönch allhier, und
durch 18 Jahre Curat an der hiesigen Stadtpfarre, gestorben
den 26, August 1811, mit der merkwürdigen wohlverdienten
Inschrift i »Dem rastlos thätigen Priester, dem unvergeßli-
chen Freunde, weihen dankbar Bürger und Brüder dieses
Denkmahl.« Neben demselben ist das Grabmahl seines Bru-
ders , L 0 re n z R 0 ll e t, ^ den 6. October 1811, und deft
sen Sohnes Jose pH Rollet, i den 2. Julius 1812; beyde
Müllermeister zu Leestorf. Unter der Kirche ist eine Gruft,
in welcher seit der Zeit Kaiser Josephs II. niemand be-
graben wurde. Da sich aber häufige Fälle ereigneten, daß
Personen durch Uebelbefinden genöthiget waren, die Kirche
zu verlassen, und man die Schuld auf die Ausdünstungen die-
ser Gruft schob, so wurde dieselbe im Jahre 1824 geöffnet;
man fand nur trockene Todtengerippe, und die Luft ziemlich
rein; die wahre Ursache jenes häufigen Uebelbefindens liegt
also mehr in der gedrängten Volksmenge während des Gottes-
dienstes, so daß viele demselben gar nicht beywohnen, oder
außerhalb der Kirche am Pfarrplatze bleiben müssen. Eine
zweyte Kirche zum öffentlichen Gottesdienste wäre also für
Baden sehr wünschenswerth.
Nach dem geistlichen Schematismus vom Jahre »828 be-
trägt die gesammte Seelenzahl der Pfarre Baden 8612; doch
vermehrt sich dieselbe noch immer. Nebst Baden gehören dazu
die Ortschaften: Leestorf, Rohr, Braiten, Alleegasse, Alland»
gaffe, Sauerh^, Dörfl und Gutenbrunn.
i. L e e st v r f.
Jil den alfccn Urkunden auch Lewisdorf/ Leusdorf, Leu-
desdorf, Löhstorf und Lebstorf genannt/ in den neuern auch
^eeödorf geschrieben/ ist ein Dorf mit einem Schlöffe/ eine
Viertelstunde östlich von Baden/ zwischen bem Au dache und
Mühlbache/ an welchem letzteren sich drey hierher gehörige Mahl-
mühlen , und eine Papierfabrik befinden. Der Orr ist alt;
denn schon im Jahre 1114 kommt ein Hugo von Levis-
dorf vor als Zeuge in einer Schenkungs-Urkunde des Er«
chenbert- Burggrafen zu Gars/ an das Stift Klosterneu-
burg. (siehe Max» Fischer Urkundenbuch / S. 12, Nr. 6.)
Im Jahre 1136 ist ein Otto von Leusdorf Zeuge im
Sriftbriefe von Heiligenkreuz (Bernhard Petz cocl. diph
hist.- epist. P. I.tcoI. 319)* In einer Urkunde des Herzogs
Heinrich Jasomirgott an das Stift St. Peter in
Salzburg vom Jahre n56 kommt ein Otto von Lewis^
dorf vor/ (i. c. col. 382). Im Jahre 1160, bey der Erhe-
bung der Kirche vor Zisterstorf zur Pfarre, erscheint Otto von
Leuvesdorf mit seinem Sohne Chunrad als Zeugen
nnk annal. ^ustr. (ülelr avAil. P. I. p. 178). In einer Ur-
kunde des Stiftes Heiligenkreuz zu Anfang des dreyzehnren
Jahrhunderts erscheint auch ein I 0 r d a n n v r>n Leu stör ff.
Dieses Geschlecht scheint aber bald ausgestorben zu seyn/ da
von demselben keine weitere Meldung vorkommt.
' Im Jahre 1826 schenkte Albert von Baden dem
Sciftö Heiligenkreuz ein Talent jährlicher Einkünfte zu Lee-
storf; er scheint also hier mehrere Besitzungen gehabt zu ha-
ben. Im Jahre 1812 war Besitzer von Leestorf Sigmund
Kästner/ der in diesem Jahre am Donnerstag nach Johann
Baptist, den Ort mit der Veste und der dabey befindlichen
Nikolaus-Capelle/ sammt aller Zugehörung, an seinen Bet'rer>
den Edlen Er Hardt Le n t f a r i n g e r verkaufte (Hueber/
Jnstv. ex avehivis Mellic. illastr. p. 46). Der noch vor-
handene Kauf-Contracr ist eine sehr schätzbare Urkunde in Hin-'
sicht der Granzmarkung der benachbarten Ortschaften. Int
Jahrs 1394 übergab C a t hari n a von Hanau/ geborne
9*
von Sachsengang- ihrem Vetter, dem Edlen Hanns
S un b erg er, einen Theil ihres Leibgedings, so da ihres Hau-
ses ist zu Leestorf (Wis grill Schauplatz 4» £3- S. 83).
Im Jahre 1449 kommt Christoph Koss, als Pfleger zu
Leestorf vor > in einer Urkunde des Pflegers zu Baden, Leo-
pold Welser (Hueber, p, 121)» Im Jahre 1476 er^
hielt Friedrich Zeuger oder Z e n n g e r zu Lebstorf einige
Weingärten vom Stifte Melk auf neun Jahre m Pacht, wo-
für er jährlich am St. Martinstage 5 Pfund 3o Pfen^
nige guter Landeswährung dem Melkerischen Zehentner od'er
Hofmeister zu Baden bezahlen sollte (1. c. p. i3y u. 140).
Den io. Januar 1671 verkaufte der Edle und Ehrenfeste
Hanns Le onhard K i ttenfe lder, die Veste Leestorf
dem Hanns Hart mann, und seiner Gemahlinn Mar-
garetha, verwittwetgewesenenPittichinn, geborne Füeß-'
lin, um 8000 Gulden (1. c. p. 179). Den 8. März 1587
befahl eine Landmarschalls-Verordnung, daß die Unterthanen
zu Leestorf, und der ganze Markt Pfaffstärren in Feindesnoth
ihre Zuflucht im Schlöffe Leestorf suchen, und dafür jährlich
drey Tage zur Befestigung desselben mit Roboth helfen sollten.
Um das Jahr 1691 hat M ar ia E u p h r 0 fi n a Harr-
mannin, eine Tochter des-Hanns Erasmus Hart-?
mann von und zu Leesdorf und der Eva Stöcklinn,
^vermuthlich die letzte ihrer Familie), sich mir Georg Sig-
mund Geyer von Oster bürg verehelicht, und ihm das
ererbte väterliche Gut Leesdorf zugebracht (W isg rill, 4. B.
S. 191). Allein schon den i3. Januar 1696 hat sie dasselbe
ihrem Schwiegervater Christoph Geyer v 0 n O st e r b u r g
zu Inzerstorf verkauft (Archiv des Stiftes Melk). Im Jahre
1610 besaß noch die Geyerische Familie Leestorf, von welcher
es den 27. November i(no durch Kauf an Hanns Kiel-
mann von Kielmannsegg zu Winnerstorf, und von die-
sem gleichfalls durch Kauf um eine Summe von 20000 Gul-
den, den 28. Januar 1617 unter dem Abte Caspar Hof-
mann an das Stift Melk gelangte, welches noch bis jetzt
im Besitze von Leestorf ist. Dieser eben genannte Abt ließ im
Jahre 1620 das Schloß gegen die herumstreifenden ungüri-
yb
schen Rebellen befestigen. Der Schloßverwalter- UH gewese-'
ner Wachtmeister, vertheidigte die Veste tapfer, und als er
im November »620 starb, schenkte das Stift seiner Witwe
eine Hofstatt zu SchraLtenbruck bey Melk. Im Jahre i683
wurde das Schloß sammt dem Orte von den Türken verbrannt;
aber der Abt Gregor Müller stellte es bald wieder her,
(S ch r a m b, Chron. Mellic.). Sein Nachfolger, Berth 0 ld
D ie tm ayer, erneuerte das ganze Schloß zwischen denJah-
ren 1719 bis 1721; er ließ einen alten Thurm abbrechen,
und mehrere neue, bequeme, regelmäßige Wohnungen einrich-
ten. Auch Berth 0 lds dritter Nachfolger, Urban Hauer,
that viel zur Verschönerung des Schlosses; er gab der Capelle
die heutige Gestalt. — Der Ort Leestorf hat öfters durch
Ueberschwemmungen bedeutenden Schaden gelitten. Ein hiesi-
ger geistlicher Wirthschaftsverwalter, Robert Wohlfahrt,
erzählt in seinem Gedenkbuche, daß den 24^ Februar 1782
durch den ausgetretenen Schwechatfluß alle Drücken und
Dämme in der ganzen Gegend zerstöret worden; und daß den
üi.Junius 1734 nach dreytägigem Regen die Schwechat aber-
mahls alle Drücken und Dämme zerstörte, mitten durch Lee-
storf durchbrach, und drey Häuser neben dem Schlosse gänz-
lich verheerte. Das ganze Erdgeschoß des Schlosses war mit
Wasser angefüllt, und die Fische des Schloßteiches waren im
ganzen Orte zerstreut u. s. w. Eine ähnliche Verwüstung ge-
schah in den Jahren 1796, 1813, und 1822.
Wie sehr sich der Ort Leestorf vergrößere, kann man dar-
aus ersehen, daß im Jahre 1617, als das Stift Melk zum
Besitze desselben gelangte, nur 46 Häuser und 26 Jnleute
im Orte waren; davon waren sechs der Pfarre Tribuswin-
kel, vier dem Augustinerkloster zu Baden, drey der Herr-
schaft Weikerstorf, und eins der Pfarre Baden unterthänig.
Dieses letztere ist wahrscheinlich das Haus Nr. 28, welches im
Jahre 1678 der Stadtpfarrer Melchior Schrecksmell
erkaufte, und im Jahre 1698 bey der Uebergabe des Patrona-
tes der Stadtpfarre, gänzlich an das Stift Melk überlassen
wurde. Im Jahre 1614 waren zu Leestorf 82 Häuser und
490 Bewohner, nach der neuesten Zählung vom Jahre 1624
97
sind jetzt 107 Häuser und 635 Einwohner, die sich vom Wein-
bau , Viehzucht, Taglohne, und von dem Verkaufe der Milch
und der Gemüsewaaren ernähren.
Im Dorfe Leestorf sind auch zwey alte Freyhöfe; der
Streiterhof (Nr. 29) und der Alt Hof. Ersteren erkaufte
der Äbt von Melk, Caspar Ho,fm an n, den i6.December
1617, von Wilhelm Reichart- Handelsmanne in Wien.
Von den früheren Schicksalen dieses Freyhofes weiß man nichts.
Er ist jetzt zur Wohnung des herrschaftlichen Jägers und Ober-
amtmannes eingerichtet. Den Althof mit 14 Unterthanen,
Gründen und Zugehörungen kaufte Abt Valentin den 28.
November 1670 um 4800 Gulden von Elisabeth Menne-
rin von Greifenfeld, gebornen Sp ringetl ack in.
Auch von den früheren Schicksalen dieses Freyhofes weiß man
nichts; jetzt ist er zu einem herrschaftlichen Wirthshause ein-
gerichtet. Merkwürdig ist auch das Haus Nr. 64, als eine aus
zwey Bütten bestehende Papierfabrik; dieselbe kommt schon im
Jahre »356 unter dem Nahmen einer Papiermühle vor, und
ist daher vielleicht die älteste in Oesterreich. Turso von
Rauheneck schenkte sie im obigen Jahre dem Stifte Heili-
genkreuz mit 80 Denar jährlichen Einkünften.
Das Stift Heiligenkreuz blieb im Besitze dieser Papier-
mühle bis zum Jahre 1679, wo dasselbe sie an das Stift Melk
gegen ein Haus zu Alland, und die Zehentfreysprechung von
vier Pfund Weingärten zu Enzersdorf, austauschte. Die
Grundherrlichkeit dieser Mühle erkaufte das Stlft Melk von
Heiligenkreuz um 200 Gulden im Jahre 1686. Im Jahre 1714
verkaufte das Stift Melk diese Papiermühle an Thomas
Wurz; gegen Ende des achtzehnten Jahrhundertes besaß sie
Christian Purtscher; endlich erhielt sie der jetzige Besitzer,
Edler von P achner, der diese Papierfabrik in der jetzigen
Gestalt einrichten/ und mit einem parkähnlichen Garten verse-
hen ließ; sie wurde aber im Jahre »822 geschloffen.
Das herrschaftliche Schloß zu Leestorf ist ein regelmäßiges,
zwey Stockwerke hohes, mit einem breiten Wassergraben um-
gebenes Gebäude. Es hat dicke, mit runden Eckthürmen und mit
Schießlöchern versehene Ringmauern, und einen großen vier-
G
f)0
eckigen Wanrhmm. Dem Schlosse gegen über ist die ansehnliche
herrschaftliche Meierey und Schäferey, und neben denselben
sind die in Hinsicht der Obst-Cultur sehenswürdigen Garten.
Gegenwärtig verwaltet die.Herrschaft der ehrwürdige Stists-
geistliche von Melk, Herr Rupert Helm, durch Humanität,
Thätigkeit und Kenntnisse als Oekonom und Pomolog rühm-
lichst bekannt, Mitglied der k. k. Landwirthschafts-Gesellschaft
zu Wien, und Assessor am theoretisch - practischen Georgikon
zu Keßthely in Ungarn. In seiner Baumschule zieht er bey
700 der besten Obstarten, zum Theil auch zum Verkaufe; er
besitzt auch.eine ansehnliche Bibliothek der vornehmsten ökono-
mischen Werke, und eine Samen - und Früchteaufstellung von
in - und ausländischen Obstgattungen, Getreidearten, Hülsen-
früchtett, Futterkräutern und Kartoffeln.
In dem Schlosse ist auch eine Capelle, deren Patron der
heilige Niko laus ist. DasjetzigTÄltarblattstellt die h.Jung-
frau Maria mit dem Kinde Jesus vor; oberhalb dem-
selben ist der heilige Nikolaus. Es war mit dieser Capelle
ein eigenes Beneficium verbunden, dessen Entstehung unbe-
kannt ist. Im Leestorfer Kaufbriefe vom Jahre 1812 geschieht
Meldung von einem Caplane des St. Nikolaus-Stiftes,
der von dem Besitzer der Veste Leestorf jährlich zehn Eimer Wein,
und fünf Metzen schweres Getreide als Zehent zu fordern hatte,
aber denselben selbst einbringen helfen sollte. In dem Visita-
notts-Buche vom Jahre 1640 wird geklagt, daß der Inhaber
der Herrschaft Rauchenstein allen Getreide-Zehent wegnehme,
der einem Pfarrer zu Löhstorf gehört. Es scheint also, daß
das Benesicium St. Nikolaus zu Leestorf in eine eigene Pfarre
sey verwandelt worden, besonders da von Leestorf, als einer Fi-
liale irgend einer andern Pfarre in früheren Zeiten nirgends eine
Erwähnung geschieht. Es mangeln jedoch hierüber urkundliche
Nachrichten; auch weiß man die Nahmen der hier angestellten
Priester nicht. Diese Capelle ging wahrscheinlich ein, da die pro-
testantische Familie der Herren von Geyer im Besitze von Lee-
storf war, und Leestorf wurde erst mit der Pfarre Baden verei-
nigt, da das Stift Melk zum Besitze von Leestorf kam, da es
ohnehin das Patronat der Pfarre Baden besaß. Die Schloß-
99
Capelle blieb dem heiligen N ikolaus geweiht, diente aber
bloß zürn Privat-Meffelesen, nicht aber zum öffentlichen pfarr-
lichen Gottesdienste, so wie es auch Noch jetzt ist. Es war
auch im hiesigen Althofe, bis zur Zeit der Kaiserin Maria
Theresia, eine eigene Schule vorhanden.
Merkwürdig ist auch ein Volksfest, welches hier alljähr-
lich am Dienstage nach dem Pfingstsonntage als eine Art von
Kirchweihe gehalten wurde, und welches in dem Leestorfer Ge-
denkbuche vom Jahre 1698 und 1694 genau beschrieben wird.
Es bestand in einem feyerlichen Wettlaufe von zwölf ledigen
jungen Purschen und Mädchen der Melkerischen Unterthanen
zu Leestorf und Teestorf, bis zu einem weiten aufgesteckten
Ziele, unter dem Schalle der Musik; dazu wurden von dem
Herrn Stifts-Abte Belohnungspreise bestimmt; nähmlich für
die Purschen ein weißer Hut mit einer Schnur, dann ein
Paar rothe Strümpfe, und ein Halstuch; oder auch Geldge-
winnstein Silbermünzen zu L Gulden, 42 Kreuzer und 29 Kreu-
zer; für die Mädchen aber ein Miederzeug, ein Paar Strümpfe
und ein Brustfleck; oder auch gleiche Geldgewinnste» Nach ge-
endigtem Wettlaufe begann die Tanzmusik im herrschaftlichen
Wirrhshause, wozu die Herrschaft zwey Eimer Wezn schenkte.
Dieses geschah unter zahlreichen Zuschauern aus der Umge-
bung ; denll die jungen Purschen und Mädchen der benachbar-
ten Ortschaften Braiten und Weikerstorf wurden jedes Mahl ei-
gens dazu eingeladen; so wie diese ein Gleiches thaten, so oft
in ihrer Gemeinde ein ähnliches Volksfest gehalten wurde, Den
Ursprung dieser Volksfeste weiß man nicht genau anzugeben;
doch dienten dieselben, ohne der Sittlichkeit zu schaden, zur
wechselseitigen Annäherung und Beförderung freundschaftli-
cher Verhältnisse zwischen den benachbarten Ortschaften, und
vermehrten zugleich die Anhänglichkeit der Unterthanen an ihre
Ortsobrigkeit.
2. R 0 h t.
Ein Dorf, eine Viertelstunde südöstlich von Baden, am
rechten Ufer des Aubaches, Leestorf beynahe gegen über, mit
»st Häusern und beyläufig in» Einwohnern, die sich vom
G 2
löo
Ackerbaue, Weinbaus, Taglohne, und von der Viehzucht er-
nähren.
Der Ort gehörte ursprünglich den Herren von Rohr, die
hier eine eigene Veste hatten. Schon im Jahre 1076 kommt
ein Popo von Ror in einer Urkunde des Stiftes Melk
vor. Eine Bertha von Rohr ist im Stifte Heiligenkreuz
begrabell. Eben so hatte ein Heinrich und Leitfritz von
Rohr mit ihren Vorfahren ihre Grabstätte in der Pfarrkirche
zu Baden. Im Jahre 1266 vermachte Margaretha von
Rohr dem Stifte Heiligenkreuz ein Lehen zu Kaltengang.
Im Jahre 1276 vermachte Ulrich v 0 n R 0 h r, mit Bewilli-
gung seiner Söhne, Wolfger, Otto und Dietmar,
und seiner Töchter Margaretha von Rauhen eck und
Cunigunde von Gaden, dann der Diemudis und
Wildpurgis,dem Stifte Heiligenkreuz für die Grabstätte
seiner Gemahlin Bertha, einen Hof zu Pfaffstätten, mit
3p Denar jährlicher Einkünfte, dann ein halbes Lehen zu Al-
reichsdorf. Im Jahre 1297, bey der Schenkung der Frauenkirche
an die Augustiner zu Baden, erscheint ein Wolfger von
Rohr als Zeuge. Im Jahre 1376 erkaufte der Abt von Hei-
ligeltkreuz, K 0lm ann I., v on Marqu ar d v 0n Rohr
den OrtNieder-Gaden. Wann diese Familie ausgestorben, weiß
man nicht. Dieselbe scheint schon früher nicht mehr im Besitze
dieser Veste gewesen zu seyn, denn B e r t h 0 l d v 0 n T r e u n,
Marschall von Oesterreich, der im Jahre 1319 zu Heiligenkreuz
begraben wurde, und dem Stifte seine Besitzungen in Weiken-
dorf vermachte, sagt in der Schenkungsurkunde ausdrücklich,
daß er einige Zeit bey seinem Anverwandten Conrad Mazo
in der Veste Rohr verteilet habe. Dieser Conrad Mazo
liegt gleichfalls zu Heiligenkreuz begraben, und machte an das
Stift mehrere Schenkungen. Im Jahre 1488 verkauften Wi-
ll b a l d vonPolhaim und W a r t e n b u r g und sein Bruder
Weikard, an den Herzog Wilhelm von Oesterreich
den Sitz und das Haus Rohr bey Baden mit aller Zugehö-
rung, 'das zur Hälfte ein österreichisches Lehen ist, um i3op
Pfund Pfennige schwarzer Münze; (Hoheneck's Genealo-
gie, II. Theil, S. 127).
101
Die Veste Rohr wurde wahrscheinlich durch den ungarischen
König Mathias Corvinus zerstöret, und kam dann
als öde Veste an die Besitzer von Rauhenstein und Weiker-
storf, denen der Ort noch jetzt gehört. Das Urbarium über
die Veste Rohr ist bey der N. Oe. Kammer-Registratur im Ori-
ginale vorhanden, wovon das Stift Melk in Hinsicht einiger
Gränzberichtigungen der Herrschaft Leestorf im Jahre 1670
eine Abschrift erhielt. Von der ehemahligen Veste ist keine
Spur mehr vorhanden. Nur bey einen: verfallenen Brunnen
steht noch ein runder steinerner Tisch, der vom Alterthume
zeugt, und in dessen Gegend der Garten des ehemahligen
Schlosses gewesen seyn soll. In pfarrlicher Hmsicht war der
Ort von jeher mit Baden vereinigt.
3. B r a i t e tu
Ein Dorf, gegen Osten sehr nahe an den Ort Rohr gran-
zend, und gegen Westen an die Alland-Alleegasse, mit beyden
gleichsam vereinigt, südlich von Baden, jenseits des Aubaches,
nüt 26 Häusern und beyläufig 160 Einwohnern, die gleichen
Nahrungszweig mit den Bewohnern von Rohr haben. Es ist
hier auch ein häufig besuchtes herrschaftliches Wirthshaus.
Die Gründer und früheren Besitzer dieses Ortes sind un-
bekannt. Im Jahre i3i2 im Leestorfer Kaufbriefe kommt von
diesem Orte schon eine Erwähnung vor; wahrscheinlich ka!N
- derselbe bald in den Besitz der benachbarten Herren von Rohr,
' und harte dann mit dieser Veste gleiche Schicksale. —
Hier waren einst ähnliche Volksspiele wie zu Leestorf und
Weikerstorf, nähmlich alljährlich am Tage des h. Johann des
Täufers ein feyerlickes Wettrennen, wobey aber auch die so-
genannten Johannis- oder Sonnenwendfeuer angezündet wur-
den; die Wettläufer mußten nähmlich im vollsten Laufe über
angezündete Holzhaufen springen. Auch am Feste der heiligen
drey Könige hielt man hier einen künstlichen Schwerttanz, in
welchen: sich die jungen Putschen öffentlich üben, und ihre Ge-
schicklichkeit zeigen mußten. Dieser Gebrauch hat schon seit lan-
gen Zeiten aufgehört, und nur noch in einigen Gebirgsge-
genden haben sich Ueberreste davon erhalten,'
102
4- Alland- Alleegasse.
Liegt zwischen der Braiten und Allsndgaffe, mit beyden
vereinigt, und gleichsam einen ununterbrochenen Ort bildend,
der Neugasse von Baden gegen über, von welcher sie nur durch
den Aubach getrennt wird. Sie hat ihren Nahmen von einer
vierfachen Allee oder Reihe von Maulbeerbäumen, die der
Grundbesitzer, Freyherr von Doppelhof, im Jahre 1745
hier zur Beförderung der Seidenzucht pflanzte; sie wurden erst
im Jahre 1822 umgehauen. Zu jener Zeit entstand auch erst
dieser Ort, der Anfangs nur einige kleine Häuser hatte, bis
sich ihre Anzahl bis auf die gegenwärtige von 16 Häusern
vermehrte, in welchen bey 90 Menschen wohnen. Am Ende
dieses Ortes gegen den Ort Braitett ist das große Gebäude des
Grafen Oso li ns k i, mit einem parkähnlichen Garten, der
besonders wegen seinen seltenen ausländischen Anpflanzungen
sehenswerth ist»
s. Allandgasse und Ziegelöfen.
Ein mit derAlland-Alleegasse durch das Gasthaus zum gol?
denen Löwen verbundener Ort, und mehreren Grundherren un--
terthänig, durch welchen die Straße von Baden nach Vöslau
geht. Von Baden führt hierher über den Aubach eine breite
schöne Bogenbrücke von Holz mit einem eisernen Geländer, im
Jahre 1816 erbauet. Im Jahre 1816 ward an diesem Platze
eine ähnliche Bogenbrücke von gegoßenem Eisen erbauet; da sie
aber eben am is.Junius feyerlich eröffnet werden sollte, hatte
sich eine Menge von mehr als 800 Menschen auf dieselbe ge-
drängt; die Brücke konnte diese Last nicht ertragen, und stürzte
ein, wobey viele Menschen verwundet, und ein Opfer ihrer
Neugierde wurden a).
1) Da bey dem Gespräche über Brücken neuerer Art, auch immer die verun-
glückte gußeiserne Bogenbrücke zur Sprache kömmt, wird es dem Leser
nicht unangenehm seyn, Bemerkungen hierzu finden, die ein aufmerk-
samer Beobachter und Augenzeuge gemacht hat. Nachdem die Brücke
feyerlich eröffnet, und nur den zur Feyerlichkeit Geladenen der Ein-
tritt zum Uebergange frey gelassen wyrde, harrte die neugierige Menge
der Zuschauer links am Eingänge derselben — von der Seite der
Stadt, — da.der Zutritt zur Rechten von dem aufgespannten hervor-
io3
Wer der Gründer dieses Ortes sey, und woher derselbe
seinen Namen habe, ist nicht bekannt. Vielleicht hatten vor-
ragenden Gezelte, und der vor demselben gestellten Wache gesperrt war.
Mit einem Mahle, auf die gegebene Erlaubnist, strömten Alle von
^der Linken gegen die Rechte, also gegen den Lauf des Baches, hastig
^auf die Brücke; den Vorausgegangenen folgten die Nacheilenden mit
der Besorgnis; des wieder zu sperrenden Zutrittes. In diesem Zeitpuncte
erscholl ganz unvermuthet ein heftiger Knall aus dem nächst am linken
Ufer aufgestellten und nicht bemerkten Poller.
Wenn selbst mit Narben bedeckte Krieger bey einem gähen, ganz
unvermutheten Knalle ihren Körper erschüttert fühlen ; so ist es keinem
Zweifel unterworfen, daß nicht auch Alle auf die Brücke Vordringen-
den im nähmlichen Augenblicke heftig erschüttert wurden. Der Körper
hatte schon eine Bestimmung sich vorwärts zu bewegen, wie sie jeder
Fahrende auch hat, und sich von ihr überzeugt, wenn der Wagen plötz-
lich stillsteht, oder der Kahn an das Ufer stöstt; der Fust hatte auch
im Fortschreiten die Bewegung in der Richtung auf dem Boden, und so
entstand eine zusammengesetzteBewegung in schiefer Richtung (der Dia-
gonale) gegen eine Seite des Bodens der Brücke; sie brach an zwey Stel-
len, die den Ufern näher waren, und lag in dieser Förm X______/♦
Der erwähnte Beobachter liest in einem ruhigen'Zeitpuncte ein Senk-
blei) hinab, und fand den Boden einen Fust weit vorwärts liegend.
Bey diesem Einsinken traten die an die Endpfeiler eingelassenen Enden
der Brücke aus den Fugen, die hölzernen Würfel, mit denen die Brücke
belegt war, stürzten über einander über die schiefen Flächen, von den
Enden gegen die Mitte der Brücke vorwärts hinab, und waren eine
vorzügliche Ursache der Beschädigung der Füste der Unglücklichen. Jene,
die sich im Gleichgewicht zu erhalten wußten, standen unversehrt auf
dem größeren, wagerecht liegenden Boden der eingesunkenen Brücke.
Wenn auch die Meisten der Sachverständigen der inneren, verborgenen,
vielfältig untersuchten Beschaffenheit des gegossenen Eisens das Ganze
zur Last legen; so ist man doch die Bemerkung zu machen veranlaßt,
daß auch gutes Gußeisen, das einem senkrecht abwärts wirkenden, äußerst
starken Schlage oder Stoße zu widerstehen im Stande ist, dann un-
terliegen must, wenn der Druck auf selbes von der Sette hinwirkt,
besonders dann, wenn verborgene schadhafte Stellen getroffen werden,
und das Eisen nicht sehr weich ist.
Man kann sich die ganze. Brücke als einen doppelten einarmigen
Hebel vorstellen; die Kraft, die stoßenden Körper in der Mitte der
Brücke, wo die meisten Menschen waren ; die Ruhepuncte an den stei-
nernen Endepfeilern; die Last, oder der zu überwindende Gegenstand,
Zusammenhang des Eisens zwischen der Kraft und dem Ruhepuncte; und
sich überzeugen, dast sie da brechen mußte, wo sie wirklich gebrochen ist.
Nimmt man einen mäßig dicken Holzspann, und hält ihn mit der linken
Hand über dem Rande eines Tisches fest, ergreift das andere- Ende
desselben mit der rechten, drückt mit ihr abwärts, so bricht er an d*
ner dem Tische nahen Stelle. Der Unterschied zwischen der Wirkung
io4
mahls die Herren von Al land oder Alee-t hier einen
Edelsitz; denn in der Schenkung der Frauenkirche an die Augu-
stiner zu Baden kommt auch ein Albrecht von Aleet
als Zeuge vor. Der Ort enthält gegenwärtig io Häuser , in
welchen im Winter bey 60 Personen wohnen.
Am Anfange der Allandgaffe ist ein häufig besuchtes Kaf-
fehhaus, jetzt einem Herrn Scheinet' gehörig. Am Ende der-
selben ist das k. k. Militär-Badehaus, vormahls ein unter dem
Nahmen Petersbad bekannter Freyhof, der erst im Jahre 1628
entstanden seyn soll» Im Jahre 1796 erkauften dieses Gebäude
von dem Besitzer, Herrn Walter, Se. Majestät Kaiser Franz,
und bestimmten es ganz zum Gebrauche für das k. k. Militär.
Es bestand damahls aus zwey Stockwerken, und vielen Zim-
mern, in welchen dreyßig Officiere und bey 200 Gemeine
Soldaten wohnen konnten. Ferner hatte es eine Haus-Capelle
eines senkrecht angebrachten Druckes oder Stoßes wird dann noch be-
deutender, wenn zwey Bogen unter einander gespannt, und mit klei-
neren Stützen mit einander verbunden sind: dem senkrechten Drucke
oder Stoße widerstehen sie alle gemeinschaftlich und zn gleich; dem
schiefen soll jeder Theil für sich einzeln Widerstand leisten. Oeffentliche
nach dem Unfälle erschienene Nachrichten gaben die Zahl der Personen,
die sich auf der Brücke befanden auf 3oo an, und bemerkten , zu
einiger Milderung des Mitgefühles, dqß keine dabey das Leben ver-
loren. Hat die Gesammtkraft so vieler Menschen, auf die oben be-
schriebene Art, die Brücke an den beyden dem Ufer nächsten Stellen
gebrochen, so kann man aus den einzelnen gesammelten Stücken noch
nicht unbedingt entscheiden, daß die mehr spröden, verborgene Raume
einschließenden, und vielleicht durch Schraubengewinde geschwächten
Theile, allein an dem Einsturze Schuld waren.
Man kann mit allem Grunde zwey Zeitpunkte dabey unterscheiden.
Den ersten, in welchem die Brücke, aus der zuerst angeführten Ur-
sache, brach; den zweyten, in welchem die ganze. Last auf das ungleiche
Flußbette auffiel, und alle unter dem obersten Bogen nach unten zu
mit ihm verbundenen Stücke den Gegenstoß des Bodens erlitten, und
an ihren schwächeren Theilen zertrümmert wurden; welches Aufprellen
durch den Gegenstoß auch auf alle Personen zurückwirken mußte, die
nach dem ersten Bruche noch ayfrecht standen. Das nähmliche Blatt,
das der Beschaffenheit des Eisens, den Höhlungen, den Schrauben,
und der Erschütterung der durch die zur Befestigung der hölzernen Boh-
len eingeschlagenen Nägeln die Schuld beymißt, merkt auch an, daß sich
die Brüche an der <Geite gegen den Strom vorzüglich gezeigt haben,
was die, am Eingänge der gegenwärtigen Bemerkungen gemachten
vom Falle gegen den Strom zu bestätigen' dient.
bet heiligen Petrus, dann eine Traiteurs-Wohnung, einen
großen Saal, zwey große Höfe, einen Garten, und ein eige-
nes Bad. Ein k. k. Oberstlieutenant führte die Hauptaufsicht,
ein Oberlieutenant besorgt? die Rechnungen des Hauswesens;
dann war noch ein Feld-Laplan, ein Feld-Arzt und ein Gast-
geber hier. Im Jahre 1618 ließen Se. Majestät dieses alte
schon baufällige Gebäude abtragen, und ein neues von drey
Stockwerken aufführen, welches mit allen Vorzügen reichlich
ausgestattet, eine Zierde der Gegend und des Landes, und
ein ewiges Denkmahl der Größe seines milden Stifters ist.
Es enthalt Wohnungen für 60 Officiere und 3oo Gemeine,
die hier im Sommer das Bad gebrauchen. Es wurde im Jahre
1821 ganz vollendet. Am 24. September geruhten Se. kaiser-
liche Majestät in Gegenwart der Glieder des Allerhöchsten Ho-
fes, und einer glänzenden militärischen und Civil-Versammlung,
die Grundsteinlegung dieses Gebäudes zu feyern, und der,
auf der bleyernen Platte, die dem Grundsteine beygelegt
wurde, befindlichen Inschrift Atterhöchstihren Nahmen ei-
genhändig beyzusetzen.
Die Inschrift auf jener Platte ist folgende:
»Als Denkmahl Meiner Sorgfalt für die Pflege und Hei-?
»lung verwundeter und kranker Soldaten Meiner braven und
»tapfern Armee, habe Ich diesen Grundstein im Jahre 182 z
»den 24. September eigenhändig gelegt und eingemauert.«
Der thätige Baumeister, Johann Handl von Baden,
prhielt zur Belohnung von Sr. Majestät die goldene Ehren-
Medaille. - .
Eine Viertelstunde außerhalb der Allandgaffe, an der
Straße nachVöslau, sind drey Ziegetöfen, der Herrschaft Gu-
tenbrunn, Weikersdorf und der Stadt Baden gehörig, mit
einem Wirthshause, und einer der Herrschaft Weikersdorf ge-
hörigen Schaferey. Sie werden beyläufig von 40 Menschen be§
wohnet, und gehören zur Pfarre Baden.
6. Sauerhof und Thurmgasse.
Der Sauerhof ist ein großes Gebäude jenseits desAubaches,
bcm Orte Gutenbrunn gegen über, und erhielt seinen Nahmen
von dem k. k. Kammerherrn Georg von Sauer/ der ihn
im Jahre 1694 erbaute, und mit dem Besitze der Herrschaft
Rauhenstein vereinigte, seit welcher Zeit er auch mit jener
Herrschaft vereinigt blieb. Fischer hat denselben, so wie er frü-
her war, in seinen topographischen Abbildungen im Jahre 1676
dargestellt. Er bestand aus einem großen mit einer Haus-Ca-
pelle und einem Bade verbundenen Wohngebäude von einigen
zwanzig Zimmern, und darneben einem Wirthshause mit ei-
nem dazu gehörigen Garten. Im Jahre 1621 ließ der gegen-
wärtige Besitzer, Carl Freyherr von Doppelhof, anstatt
des alten, ein neues, sehr großes, schönes und bequemes Gebäu-
de aufführen, welches die Fronte gegen Gutenbrunn hat, und
mit Gartenanlagen umgeben ist. Es hat ein Stockwerk in
die Höhe, 90 Wohnzimmer, mit Stallungen, Wagenstellen,
einer Haus-Capelle, einem Bade, einer Traiteurie und einem
Wirthshause. Westlich neben den Gartenanlagen des Sauer-
hofes ist die Thurmgasse, eine gegen Süden gereihte An-
zahl von 7 Häusern, mit beyläufig 40 Bewohnern, meistens
Weinbauern und Taglöhnern. Dieser Ort hat seinen Nahmen
von einem ehemahls hier befindlichen Freyhofe, der Thurmhof
genannt , von welchem in dem Leestorfer Kaufbriefe vom
Jahre i312 Meldung geschieht. Vielleicht-stand derselbe am
Platze des jetzigen Sauerhofes, der mit zur Thurmgasse ge-
zählt wird,
7. Dörfel, und Marienspital.
Nordwestlich an die Thurmgasse schließt sich der OrtDörfel
an, von welchem der obere größere Theil zur Localie St. He-
lena, der kleinere aber sammt dem Marienspitale zur Pfarre
Baden gehört. Dieser Ort enthält 5o Hausnummern, und vier
vormahls abgesonderte Ortschaften, nähmlich: i)Dörfel; es
fängt vom Marienspitale (welches aber von der Pfarre Baden
aus versehen wird) an, und hat 25 Häuser, wovon das letzte,
das vormahls grast. Rzew uskische Haus, nun dem Herrn
von Düponet gehöret, und gränzt unmittelbar 2) an
Pdint; dieser Orr besteht aus 12 Häusern. In einer klei-
i c>7
ncn Entfernung davon ist 3) der im Jahre 1822 —1828
von Sr. k. k. Höh. dem Erzherzoge Carl erbaute Pallast
Weilburg, nebst 3 kleinen Hausern, die mit 12 andern,
vorher unter der Benennung: die Leithen, da- standen. Auf
dem Berge, an dessen Fuße Weilburg erbauet ist, steht d»e
Ruine Nauheneck. An Weilburg gränzt westlich 4) der ehe?
mahlige Ort Wolfsthal, wo derrnahlen das k.k. Forsthaus
und das Wohngebäude des k. k. Herrn Controllors erbauet
ist. In einiger Entfernung ist die Königshöhle, und die Ruine
von Scharfeneck. Rauhenstein, St. Helena und Weiker-
storf haben ein vereinigtes Dorfgericht; so wie die OrteDör-
fel, und die, zur Pfarre Baden gehörigen, der Herrschaft
Weikerstorf unterthänigen Thurm- und Allandgaffen.
Das Marienspital wurde von dem Vereine der wohl-
thätigen adeligen Damen durch milde Beyträge erbauet. Im
Jahre 1812 legten Se. kaiserl. Hoheit der Erzherzog Anton,
mit der Frau Fürstin C a r 0 li n e v 0 n Lob ko wi tz, als Vor-
steherin des Vereins, den Grundstein zum Gebäude, welches
der Herr Abt Nico laus von Heiligenkreuz einweihte. In»
Jahre i8i3 war schon das Ganze vollendet, und wurde mit
der chronographischenInschrift geziert: CqnCorDes feMInae
saCraVerVnt aegrqtls (Vom Frauen-Vereine den Kran-
ken geweiht.) Es besteht aus vjer großen Krankensälen und
zwey kleineren Zimmern für Schwerkranke, und kann 60 bis
60 Kranke faßen; dann aus den Wohnungen für den Spital-
verwalter und die Diener. Die Oberaufsicht führt eine Dame
vom adeligen Vereine. Es sind gegenwärtig schon sechs Betten
fundirt, und es werden jährlich mehr als hundert Kranke hier
versorgt. Vom 1. May bis letzten September werden zugleich
immer zwölf arme Kranke unentgeldlich aufgenommen; die
übrigen müssen.für die Aufnahme täglich einen Gulden bezah-
len ; es werden zur besseren Verpflegung auch »nilde Beyträge
gesammelt. Die Kranken besorgen der Bade-Arzt und ein Wund-
arzt, von welchen, oder vom adeligen Vereine, ein jeder eine»;
Aufnahmszettel erhalten muß,, der in diese Krankenanstqft
aufgenommen werden will.
8. Gttteub r u tt tt. -
IN«
Ein Dorf zwischen dem Aubache und Mühlbache/ und bem
Schlosse Weikerstorf und der Stadt Baden/ mit letzterer gleich-
sam vereinigt/ hat 46 Häuser und Z00 Einwohner/ mit ei-
nem herrschaftlichen Schlosse/ einer Mühle/ einem Gasthause,
zur Traube genannt/ einem Kaffehhause und einem Bade.
Im Jahre i5o6 kommt dieser Ort als ein bey Baden gelege-
ner Edelsitz vor. Kaiser Ferdinand III. hat denselben durch
einen Freybrief vom i3. August 1H42 zu einem freyen Gute
erhoben. Er wurde vorher auch der Traubenhof genannt/ viel-
leicht vom Gasthofe zur Traube. Noch heut zrr Tage wird er
gewöhnlich Posthof genannt/ entweder weil hier an der Straße
nach Heiligenkreuz eine Post-Station war/ oder, welches das
Wahrscheinlichste ist/ weil ihn im Jahre 1609 der k. k. Post-
meister Christoph von V 0 tz 0 g e n zu Neuhaus besaß.
In dem N» Oe^ ständischen Gültenbuche ist er unter dern Nah-
men Gutenbrunn eingetragen/ welcher Nahme von einer vor-
mahls bey einem Kreuze rückwärts im Schloßhofe vorfindlichen
Quelle herrühren soll. Im Jahre i63i besaß Gutenbrunn
Barbara/ geborne B eckh in von L eo p oldödorf/ als Edel-
sitz, Gemahlin des Georg Andreas von Oberhaim.
Im Jahre 1672 war Besitzer Carl Ferdinand Graf von
Althann, verehlicht mit Cacilia Anna, gebornen Freyin
von Schwarzenhorn. Diese bewohnte als Witwe das
Schloß noch im Jahre 1681. (Visgrill, I. B. S. 104.) Im
Jahre 1647 waren hier nur drey Häuser; da wo jetzt die
Straße ist, floß derAubach. Im Jahre i663 verbrannten die
Türken den Ort, und ermordeten den Besitzer De Vecci.
Im Jahre 1696 war Besitzerin Eleonora Gräfin v. Bron-
dorst, Pronsfeld und Eberstein, geb. Gräfin v. Für-
st enb erg. Sie verkaufte den Ort im Jahre 1700 an Herrn
B a l t h a s a r. v 0 n F r e u n s b e r g, k. k. Hofkammerrath, der
fünf neue Häuser an den Schloßgarten zu bauen erlaubte,
und eine Capelle zu Ehren der heiligen Anna erbaute, die
mit den zwey Seitenaltären zu Ehren des heit. Anton und
Johann Nepomuk im Jahre 1708 vom Cardmale Kollo-
109
nitsch, mit Bewilligung des Bischofes von Passau, Johann
Philipp, geweiht wurde. Papst Clemens H. gab im Jahre
1701 zwey Butten für diese Capelle, und der Gutsherr stiftete
8000 Gulden für einen Beneficiat-Geistlichen. Im Jahre 1724
erhielt die Capelle auch einen Thurm mit Glocken. Im Jahre
1786 kaufte das Gut Joseph Franz von Reichmanm
Im Jahre 1778 kam es unter dem Ortsrichter Franz Rol-
let unter Sequester. Jrn Jahre 1776 kaufte es Dominik
Pallavicini, Patricier von Genua, um 26000 Gulden. Jni
Jahre 1779 erhielt es durch Kauf der Feldmarschall-Lieutenant
v. Sulkovs ky. Im Jahre 1761 kaufte diese Herrschaft der
Freyherr Wetzlar von Planke nstern; nach ihm besaß sie
dessen Wittwe Eleon ora, eine geborne Jüdin; von ihr
erhielt sie ihr Sohn Franz Wetzlar, von welchem sie der
gegenwärtige Besitzer, Io han n Sch iemer, den 6. Juchus
1812 erkaufte. Indessen vergrößerte und verschönerte sich der
Ort. Die Capelle wurde von Kaiser Joseph dem II. mit der
Sperre verschont. Ein Geistlicher aus dem Augustinerkloster
las gewöhnlich hier die Stiftmesse. In früheren Zeiten wurde
das Annenfest hier feyerlich mit Hochamt, Predigt, Vesper
und Litaney begangen, und im Vorhofe waren Lebzelter,
Krämer und Marketänder; die Herrschaft verleutgebte im
Schlosse Wein und Bier, aber derBestandwirth mußte an die-
sem Tage sein Gasthaus schließen. Im Jahre i8o3 wurde
die Capelle kurze Zeit geschloffen, dann aber bald wieder eröff-
net, mit dem Aufträge, an Sonn- und Feyertagen auch daS
Evangelium auszulegen. Jetzt ist wieder ein eigener Beneficiat-
Geistlicher hier. Der schöne Schloßgarten steht jedem offen.
Der hiesige thätige Wundarzt Rollet besitzt auch ein sehens-
werthes Naturalien-Cabinett.
110
IV. Pfarre Gainfahrn').
Cm Dorf mit einem herrschaftlichen S ch lo sse, am Fuße
des Lindkugelberges, anderthalb Stunden südlich von Baden, eine
halbe Stunde östlich von Merkenstein, und westlich von Ko4-
tmgbrunn, und eine Viertelstunde von Vöslau entfernt. Der
Ort zahlt in ibi Hausern über 85o Einwohner, deren vor-
züglichster Nahrungszweig im Weinbaue besteht. Der
größte Theil der hierher gehörigen Grundstücke ist sandig, und
zum Ackerbaue wenig geeignet; daher gedeihen die Burgunder-
Reben in dieser Gegend sehr gut, und liefern den berühmten
rothen Böslau er Wein. Auch mit der Viehzucht, beson-
ders mit dem Handel von Kühen, beschäftigen sich die Bewoh-
ner stark. Es wird hier auch viel Brunnenkresse zum Verkaufe
erzeugt, wozu die etwas tiefete und feuchte Lage des größeren
Theiles vom Dorfe besonders geeignet ist. Sehenswerth ist
der beträchtlich große P farr- G a rten, welchen der um die
Wein- und Obst-Cultur sehr verdiente jetzige Herr Pfarrer,
Aloys Stupfel vom Stifte Melk, ganz neu angelegt hat.
Eben so auch der herrschaftliche S ch l oß- © art e tu Das
Schloß ist von neuerer, regelmäßiger Bauart, und wurde im
Jahre r8»6 vergrößert und verschönert, wobey die Schloß-
Capelle zum heiligen Joseph eassirt und verbaut wurde.
Der gegenwärtige Eigenthümer des Schlosses und der Herr-
schaft ist der Niederösterreichische Landmarschall, HertJoseph
Graf von Dietrich stein.
Von der Zelt und Art der Entstehung des Ortes Gains
fahrn weiß man nichts. Wenn man aus der Aehnlichkeit des
Rahmens schließen will, dürften vielleicht die H erren von
K hu fahrn die Gründer seyn. Gewiß ist, daß der Ort
sehr alt ist, und zuerst in den Urkunden des i2ten Jahrhun-
dertes unter dem Nahmen G uvarn, Go mv aren, Gun-
fare, und Gu i nfa rn vorkommt. Als im Jahre 11Z4Her-
zog Heinrich der Aeltere von Mödling von seinem
-) Eingesendet von Ignaz Keiblinger, Capitulaeen des Stiftes
Melk,
111
Hofdiericr (ministeiiali) Ulrich v o n Schö nerkirche n das
Gur Siegenfeld erkaufte, welches er hernach dem Stifte Hei-
ligenkreuz schenkte, gab er ihm dafür nebst andern auch vier
Lehen (mansos) in Guvarn. Um das Jahr 1178 hat den Ort
Eainfahrn, oder wenigstens einen Theil davon, Hartung
von Schönau besessen, welcher nach Angabe der Hand-
schrift : Mausolaeum Sanctae Crucis, ein Wohlthäter des
Stiftes Heiligenkreuz war, und daselbst begraben liegt. Bey-
läufig im obigen Jahre hat derselbe mit seinen Söhnen Hein-
rich und Conrad dem Stifte Klosterneuburg zwey Lehen
(mansos) von seinem Gute (praedii) Gumvarn vermacht»
Auch die Herren von Arnstein hatten hier eine Besitzung.-
Berthold von Arnstein schenkte um das Jahr 1290 dem
Stifte Heiligenkreuz zwey Lehen mit Talenten und lÄ De^
nar jährlichen Einkünften im Dörflein bey Gahnfahrn, und
einen Hof (aream), die Hofstadt genannt, in Gahnfahrn
mit zwey Weingärten. Es kommt aber auch eine adelige Fa-
milie vor, die sich von diesem Orte schrieb, und vermuthlich
das hiesige Schloß entweder erbauet, oder einige Zeit besessen
hat. In einer Urkunde des Stiftes Zwettl (L i n k B. I. S. 247)
kommt im Jahre 1206 ein Rudwin von Gun v arn, und
im Jahre 1826 in einer Urkunde des Stiftes Melk (Hueber,
S. 64) kommt ein Wolf hart von G nein fahrn , und
Eberhard mit Elbel, seinem Stiefsohne, als Zeugen vor.
ImJahre 1446 war Gainfahrn schon mit der Herrschaft Mer-
kenstein vereinigt. Im Jahre 1644 kaufte Ger wich Auer
v 0 n H e r r e n k i r ch e n die Besitzungen des Stiftes Heiligen-?
kreuz im Orte Gginfahrn. Der Ort soll früher ein ansehnlicher
Markt gewesen seyn. Im Jahre 1Z29 und i683 wurde der-
selbe von den Türken gänzlich verwüstet. Auch die Jahre
1718 und 1812 machen eine traurige Epoche in der Ortsge-
fchichte; denn in ersterem raffte die Pest, im zweyten eine
Epidemie einen großen Theil der Bewohner hinweg.
Zlebst der Ortsobrigkeit und Grundherrschaft Merkenstein
zu Eainfahrn, sind jetzt auch das Stift Heiligenkreuz, die
Herrschaft Klein-Mariazell, der Markt Medling, die Herr-
schaften Weikerödorf, Leesdorf, Äöslau, Kottingbrunn, und
die Pfarren Gainfahrn und Leoberstorf mit Grundhvlden hier
begütert. Der hiesige Freyhof, gewöhnlich der Eisenzeller-
hof, oder das alte Schloßt genannt, ist zu Ende des vo-
rigen Jahchunderts durch Kauf vom Grafen von Hoyos an
die Gem ei nd.e'gekommen- und wird daher jetzt der Gemein-
dehof (Gmainhof) genannt. Nebst dem waren vormahls
noch zwey andere Freyhöfe hier, nähmlich die Lackenauer-
mühle oder Lackenmühle, vonWeiskern in seiner Topogra-
phie derS rein Hof genannt, welcher einem Herrn v. Lacke n-
o u gehörte, für den in der hiesigen Pfarrkirche seit dem
Jahre 1766 ein Zahrtag gestiftet ist; und der Pflanzen-
hof, von dem aber nichts Geschichtliches bekannt ist.
In kirchlicher Hinsicht war Gainfahrn ursprünglich eine
Filiale der Pfarre Traiskirchen. Durch einen im Jahre
3311 und 1812 zwischen dem Bischöfe B ernhard VON Pasi
sau und dem Stifte Melk errichteten Vertrag wurde festge-
setzt, daß zu Gainfahrn ein eigener- beständig daselbst woh-
nender Seelsorger (vmaiüüL perpetuüs) angestellet wer-
den sötte. Diesem wurden alle gewöhnlichen pfarrlichen
Einkünfte und Rechte, dem Stifte aber das Patronars-Recht-
und jährlich Ein Pfund gewöhnlicher Münze als ein, vom
Pfarr-Viear zu entrichtender Zins zugesprochen^ Der älteste
bisher nahmentlich bekannte Pfarrer kommt erst im Jahre 1614
vor, und hieß Paul T rueb.
Die wenigen Nachrichten über die ferneren Schicksale
dieser Pfarre biethen fast nichts als eine fortlaufende Reihe
widriger Ereignisse dar. Noch im Jahre 1448 bis 1460' nennt
ein altes Zehent-Register die Dörfer Gainfahrn, Grossau,
Haniftand und Hofstetten, unterhalb des Weges, als einges
pfarrte Ortschaften. Beyde letzteren, hinter dem jetzigen Hai-
delhofe, in der Richtung gegen Pottenstein gelegen, sind bald
nachher, wahrscheinlich durch die traurigen Folgen der Unru-
hen während der Regierung des Kaisers F riedrich IV. ganz
zu Grunde gegangen. Von Hanifland lagen die Grundstücke
schon im Jahre 16,4 öde und unbebauet. Nur der Nahme der
Gegend; »im Hanifland« und ein einschichtiges Haus, Hof-
113
statten genannt, und nach Pottenstein eingepfarrt, bewahren
noch das Andenken dieser beyden Dörfer.
Auch die Verbreitung der Lehre Luthers in dieser Ge-
gend wirkte sehr nachtheilig auf den Zustand! dieser Pfarre,
indem die Besitzer der benachbarten Schlösser Vöslau und Mer-
kenstein jener Lehre zugethan, die Rechte und Besitzungen der
Pfarre Gainfahrn auf alle Art beeinträchtigten. Im Jahre
i58a entstanden zwischen dem Stifte Melk, und Franz Fk-
cin, Pfandinhaber der Herrschaft Merkenstein, Streitigkeiten
wegen der Vogtherrlichkeit über die Pfarre. Diese wurden von
einem nachfolgenden Pfandbesitzer, Ionas vonHeyßber.g,
erneuert, indem er mit dem Kirchenvermögen und den Zech-
leuten nach Belieben schaltete, ja sogar den Pfarrer von Gain-
fahrn in Ketten nach Merkenstein führte. Aehnliche Klagen
wurden viele Jahre lang fortgesetzt; z. B. daß der protestan-
tische Prediger zu Vöslau, auf Antreiben des Herrn von
Heyßberg, Taufen, Trauungen und Leichenbegängnisse zu ,
Gainfahrn vornehme; daß der Besitzer von Vöslau, Paul-
Bayer, sich weigere, einen, dem Pfarrer zu Gainfahrn schul-
digen Zehent zu entrichten; daß die Zechleute gewissenlos han-
deln, und die Kirchengründe veröden. Dadurch gerieth die
Pfarre in einen solchen Mangel, an Einkünften sowohl als an
Kirchengerä'the, daß die Gemeinde ein ganzes Jahr keinen
Pfarrer bekommen konnte; daher an jedem zweyten Sonntage
der Pfarrer von Vöslau hier den Gottesdienst hielt. Obwohl
sich diese traurigen Umstände verbesserten, sobald die katholische
Religion in Oesterreich wieder zur allgemein herrschenden ge-
worden war, so mag doch Manches unwiderbringlich verloren
gegangen seyn.
Die bisherigen Pfarrer von Gainfahrn waren Weltprie-
st e r, die beym Antritte der Pfründe sich gegen daS Stift re-
versirey mußten, dieselbe in gutem Stande, und bey allen
ihren Rechten und Besitzungen zu erhalten. Mancherley gegrün-
dete Klagen der Gemeinde gegen mehrere dieser Pfarrer, und
das sehnliche Verlangen und Bitten, daß hier, so wie zu Ober-
walterstorf und Leoberstorf, ein Stistsgeistlicher als
Seelsorger angestellt werden möchte, bewogen im Jahre 1698
H
den Pfarr-Patron, Gregor Müller/ Abt zu Melk/ die
Verwechslung der Pfarre Oberwalterstorf mit der Pfarre Gain-
fahrn beym Fürstbischöfe und Consistorium von Passau anzu-
suchen / welche auch tm Jahre 1695 bewilliget wurde. Dem
zu Folge wurde im Jahre 1696 der Weltpriester Greg 0 rW 0-
r ia nt von hier nach Oberwalterstorf versetzt / und der Stifts-
priester Willibald Haiders r ei tter als Pfarrer zu Gain-
fahrn angestellt. Seit dieser Zeit ist diese Pfarre immer von
Priestern aus dem Stifte Melk versehen worden. Die ver-
mehrte Bevölkerung machte in der Folge einen Cooperator
nothwendig / der seit dem Jahre 1788 vom Stifte hier erhal-
ten wird. Die Einkünfte der Pfarre bestehen nebst der Stoll-
gebühr in einem kleinen Grundbuche / einigen Grundstücken
und Zehenten.
Die Pfarrkirche, zum heiligen Johann dem
Täufer/ lregt auf.einer kleinen Anhöhe; es ist aber unbe-
kannt/ wann und von wem sie erbauet wurde. Im Jahre
1690 bath die Gemeinde den Herrn Akten von Melk als'
Pfarr-Patron , das von einem heftigen Sturmwinde unlängst
verwüstete Gotteshaus ausbessern zu lassen. Eben so wurde im
Jahre 1731 eine Verbesserung des Kirchengebäudes vorgenom-
men , welches im Jahre 17/j.o unter dem Abte von Melk,
Adrian Plieml/ durch Erweiterung und Erbauung eines
neuen Thurmes die heurige Gestalt erhielt. Sie ist ggnz von
neuerer Bauart/'und das weite Gewölbe des Schiffes wird
von vier Pfeilern getragen. Der Hochaltar wurde im Jahre
1767 neu erbauet/ und im Jahre i8i3, durch die edle Freyge-
bigkeit des Grafen Moritz von Fries, Besitzers von Vös-
lau, ganz erneuert, und mit einem neuen Altarblatte, von
der Meisterhand des berühmten Joseph Abel, die Taufe
Christi vorstellend, geziert. Die drey Seitenaltäre sind dem
sterbenden Heilande am Kreuze, der seligsten Jungfrau
Maria, und dem heiligen Anton von Padua geweiht.
Unter denGrab m ählern in dieser Kirche verdient der Denk-
stein besondere Erwähnung, welchen Sigismund, Freyherr
von Herb er stein seiner Schwester H e l e n a, verehelichten
Ficin (ck 1.548), setzen ließ.
Die Kirche war vormahls von dem L eichen Hofe umge-
ben, welcher aber im Jahre 1812 cassirt wurde. Der jetzige
Leichenhof ist außerhalb des Dorfes an der Straße nach Mer-
kenstein. Ein breiter von einer Pappel-Allee beschatteter Weg
führt zu demselben. Die darin im Jahre 1822 erbaute Ca-,
pelle, die durch die unermüdete Verwendung des jetzigen
Herrn Pfarrers, Aloys Scupfel, und durch ansehnliche
Beyträge ihr Daseyn erhielt, verdient wegen der geschmack-
vollen Gestalt des Ganzen, so wie der einzelnen Theile, und
wegen ihres einfachen edlen Schmuckes einen Ehrenplatz unter
den Merkwürdigkeiten dieser Gegend.
Der Pfarrh of wurde in seiner gegenwärtigen Gestalt
von dem Abte von Melk, Berthold Dietmayr, im
Jahre 1701, das Schulhaus aber erst im Jahre 1819 von
Grund aus neu, geräumig und zweckmäßig erbaut. Schon im
Jahre 1686 befand sich hier eine Schule.
Zur Pfarre Gainfahrn gehört jetzt, nebst dem Orte Gain-
fahrn, auch das Schteusenhaus Nr. 28 am k. k. Neustädter-
Canale; dann die Filialen Vöstau, Großau, Haidlhof und
Merkenstein. Der Haidlhof lst beyläufig eine Viertelstunde
westlich von Gainfahrn entfernt, unweit dem Schlosse Mer-
kenstein, ein Meierhof, der im Jahre 1812 abbrannte, aber
wieder erbauet wurde, um welchen sich mehrere Familien ange-
siedelt haben, die eine kleine zu Gainfahrn nummerirte Ort-
schaft von acht Häusern bilden. Die gesammte Bevölkerung
der Pfarre Gainfahrn beträgt nach der Angabe des geistlichen
Schematismus vom Jahre 1828 bey »604 Seelen, die größte
Entfernung eine halbe Stunde.
Erste Filiale: Vöslau.
Ein Do rf mit 74 Häusern und 488 Bewohnern, die sich
vom Taglohne und größten Theils vom Weinbaue ernähren,
da hier von Burgunderreben der bekannte rothe Vöslauer Wein
erzeugt wird. Der Ort liegt eine Viertelstunde von Gainfahrn
und Sooß, eine halbe Stunde von Kottingbrunn, und eine
Stunde von Baden entfernt, von welchem letzteren, an mehre-
ren Ziegelöfen vorüber , eine eigene Straße hierher führt. Es
H 2
ist hier ein schönes herrschaftliches Schloß, welches der .ge-
genwärtige Besitzer, Moritz, Graf von Fries, besonders
durch Ausfüllung des Wassergrabens verschönern ließ. Dabey
ist ein großer reitzender Garten, der im Sommer häufig
besucht wird, und auch durch die darin befindliche Familien-
gruft der jetzigen Gutsbesitzer, Grafen von Fries, merk-
würdig ist. Es ist im Orte auch ein Gebäude für die herr-
schaftlichen Beamten, ein 'Gasthaus, und ein ziemlich großer
Meierhof, dann eine Mahl-und Sagemühle, besonders aber
ein auf einer ergiebigen Mineralquelle von dem jetzigen Herrn
Gutsbesitzer neu erbautes, zweckmäßig eingerichtetes Bade-
haus mit geschmackvollen Garrenanlagen; auch ist der große
herrschaftliche Keller sehenswerth.
Von der Entstehung dieses Ortes weiß man
nichts Näheres; doch ist derselbe schon alt, und eine adelige
Familie führte den Nahmen desselben. Gegen das Ende
des zwölften Jahrhundertes lebten die Brüder Ulrich und
Bernhard von Veselsowe. Ein Albert und dessen
Bruder Berthold von Vöslo sind im Kreuzgange des
Stiftes Heiligenkreuz begraben. Auf ihrem Grabsteine daselbst
liefet man nur die Worte:
-j- IV. Idus Augusti obiit Albertus Vöslo.
folglich, da hier die Jahreszahl nicht beygesetzt ist, weiß man
nicht, wann sie gelebt haben; doch war dieses wahrscheinlich im
iZten Jahrhunderte. Aus alten Handschriften ist bekannt,
daß diese beyden Brüder große Gönner und Wohlthäter des
StiftesHeiligenkreuz waren; und daß ihreAnverwandten, W L l l-
burgis von Vöslo oder Vöselowe, mit ihrer Schwe-
ster Margareth Stederohe, dem Stifte Heiligenkreuz
ein Lehen (Man8U8)llnd einen Hof (curia) in Scheblingswerth
schenkten. — Im Jahre i3i9 war Seyfried Haylpeckh
Besitzer von Vöslau, und kaufte von Heinrich Greifen-
steiner und dessen Hausfrau Margareth zwey Weingär/
len bey Guinfarn, und setzte als Bürgen den Burchart
Hauser, Hauptmann auf der Burg zu Medling. Im Jahre
1/402 verkauften Stephan Hailpeckh und seine Schwä-
gerdas Schloß Vöslau dem I od okus Hauser zum Karl-
117
stein (Wi sgrill, 4. B. S. 64 und 219). Dieser Familie
gehörte es noch im Jahre 1476; aber im Jahre ,498 besaß
es schon die Familie The schütz. Helena, die einzige Erb-
tochter des Georg Theschütz brachte es an ihren Gemahl
Hanns vonSinzendorf zu Goggitsch, der es schon im
Jahre 164kr und noch mi Jahre 1694 besaß. Im Jahre 1624
hatte Helnrhard Bayer zu Rauhenstein auch Vöslau
inne, welches sammt Rauhenstein später an den Grafen von
H 0 ch k i r ch e n gelangte. Von diesem kaufte es im Jahre 1679
Leopold Joseph Graf von L amberg, dann der Frey-
herr von Weber, welcher das Schloß in der heutigen Gestalt
irn Jahre 1740 neu erbaute. Im Jahre4768 kaufte es Flo-
rian Hieronymus Fürst von Radiziwill, und von
ihm im Jahre 1761 I 0 h a n-n Georg, Freyherr v 0 nGrecht-
ler. JmJahre 1764 kaufte es I oha n n Freyherr vonFries,
dessen Nachkommen es noch gegenwärtig besitzen.
In kirchlicher Hinsicht war Vöslau im Jahre i3is
als eine Filiale der neu errichteten Pfarre Gainfahrn zuge-
geben worden; allein bald darauf wurde es davon getrennt,
und eine eigene Pfarre, da schon im Jahre ein
Pfarrer zu Vöslau, Nahmens Conrad, vorkommt (Hue-
ber, S. 64). Im Jahre 1476 hatte die Familie Hauser
das Verleihungsrecht über diese Pfarre (Hormayr's Ge-
schichte von Wien, 1. Band, 3. Heft, S. 63). Im Jahre >644
erscheint unter dem Patronate des Herrschaftsbesitzers Hanns
von Sinzendorf ein Hanns Marguet hier als Pfar-
rer. Später wurden protestantische Prediger ange-
stellt. Im Jahre 1660 war hier schon eine protestanti-
sche Pfarre (Raupach evangelisches Oesterreich), und un-
ter dem Schutze des Hanns Paul Bayer von Rauhen-
stein, von dem das Gut Vöslau sein Sohn Helm Hardt
Bayer geerbt hat, und des Besitzers von Merkenstein und
Gainfahren, Jonas von Heyßberg, maßte sich der
Prediger zu Vöslau sogar an, pfarrliche Verrichtungen zu
Gainfahrn vorzunehmen, wogegen sich der katholische Pfarr-
Vicar daselbst, Michael Weiß, bitter beschwerte. Da die
Pfarre Gainfahrn ein Jahr lang ohne Pfarrer war, wurde
i iZ
dieselbe von dem katholischen Pfarrer zu Vöslau versehen;
doch ist das Jahr unbekannt, da es in der Handschrift, wor-
aus diese Nachricht genommen ist/ nicht angegeben wird. Zwi-
schen den Jahren ,653 und 1680 hörte Vöslau auf/ eine eigene
Pfarre zu seyn/und wurde wieder eine Filiale von Gain-
fah rn. Die Einziehung der ohnehin geringen Pfarreinkünfte
von der Ortsherrschaft scheint die llrsache davon zu sey«/ daß
kein eigener Seelsorger mehr hierher kam. Jetzt ist zwar die
Ortsherrschaft/ die gräfliche Familie von Fries/ der refor-
mirten Religion zugethan/ aber die Ortsbewohner sind alle
katholischer Religion. Die ehemahlige Pfarrkirche
und Schloß-Capelle zum heiligen Apostel Jacob dem
AeltereN/ ist unter der Regierung Kaiser Jo se p h s H. ent-
weiht, und in einen Speisesaal umgestaltet worden.
Westlich hinter dem Dorfe liegt auf einer Anhöhe der
Leichen Hof/ worin das schöne Grabmahl des am 23. Ja-
nuar 1819 verstorbenen Freyherrn Johann Jacob von
G ontard merkwürdig ist.
Zweyte Filiale: Grossau.
- Ein Dorf von 32 Häusern, und beyläufig i85 Einwoh-
nern/ welche der Herrschaft Merkenstein unterthänig sind/ und
theils aus dem Handel mit Holz, Kohlen, Pech und Terpen-
tin/ theils aus dem Feldbaue ihren Erwerb ziehen. Es liegt eine
halbe Stunde südlich von Gainfahrn und Merkenstein, am Fuße
eines watdigten Hügels an der Straße nach Merkenstein. Es
war in kirchlicher Hinsicht schon im Jahre 1812 bey
Errichtung der Pfarre Gainfahren derselben zugetheilt,
und blieb es auch stets. Ueber die Entstehung der hiesigen klei-
nen baufälligen Kirche zur heiligen Katharina, in
welcher noch jetzt bisweilen Messe gelesen wird, und wobey der
Leichen Hof des Ortes ist, hat man keine Nachrichten. Pa-
tron dieser Kirche ist die Herrschaft Merkenstein. Schon im
Jahre 1869 wurde zu derselben ein ewiges Licht gestiftet. Ihr
Vermögen besteht bloß in einem kleinen Capitale. Der Ort
rst als ein besonderes Gut mit der Herrschaft Merkenstein ver-
einiget.
Es war vormahls hier ein kleines Schlößchen, wo jetzt
das Jägerhaus und der Meierhof sind. Die frühesten bekann-
ten Nachrichten von diesem Schlößchen sind vom Jahre i5u,
in welchem der Kaiser Maximilian I. dem Hanns Jn-
pruckerdem Jüngern- zu Neuhaus und Arnstein, für
dargeliehene tausend Thaler Rheinisch ein Drittel der landesfürst-
lichen Einkünfte zu Brunn am Gebirge, Bertholdsdorf, Kalk-
spurgundGroffau zur Schadloshaltung zusicherte (Wis grill,
4. Band, S. 492). Die Angabe einiger Schriftsteller, daß
dieses Groffau schon im Jahre 1204 ein Rittersitz gewesen
sey, gründet sich auf die Verwechslung dieses Grossau mit
einem andern im V. O.M. B., von welchem wirklich im Jahre
»204, und noch spater, Ritter von Grossawe, besonders in Ur-
kunden der Stlfte Zwettl und Lilienfeld, vorkommen. Nach
dem Zeugmffe verschiedener Urkunden besaß unser Groffau im
Jahre i36o ein Georg Weist racher; im Jahre 1874
Friedrich Graf von Hohenberg; im Jahre »896 Lud-
wig von Eck a r t s a u, als Lehen vom Herzoge A l b e r t IV;
im Jahre 1446 Friedrich V. von Hohenberg; im
Jahre 1469 Johann von Hohenberg; im Jahre i4<)3
Mainradvon der Haid, pfandweise vom Kaiser Fried-
rich IV.; im Jahre 1496 Paul von der Haid, eben so
vom Kaiser Maximilian I.; im Jahre 1642 Franz y on
Fizin, pflegweise vom Kaiser Ferdinand I.; und noch
in demselben Jahre erhielten es die Erben des Benedict
Veit Ornburger. ImJahre 1601 besaß es Jonas von
Heißberg, und auch nach ihm bis jetzt waren stets die Be-
sitzer der Herrschaften Merkenstein zugleich Herren von Groffau.
Dritte Filiale: Merkensteiu.
Eine 'halbe Stunde westlich hinter Gainfahrn ist daS
Schloß Merken stein, wohin eine bequeme Straße von
Gainfahrn führt. Die Ruinen des alten Schlosses,
auf schroffen Felsen gebauet, sind, als ehrwürdige Reste derVor-
zeit, sehenswerth. Die 8 bis 10 Schuh dicken, der Vergäng-
lichkeit trotzenden Hauptmauern, die 4 Thore mit ihren Bö-
gen und Höfen, die unterirdischen Gänge, die Capelle, die
vielen Gemächer, die mit ihren Fenstern in drey Stockwerken
noch jetzt die Spuren ihres einstigen Daseyns deutlich zeigen,
sind sichtbare Beweise, daß diese Ritterveste einst eine der größ-
ten und ansehnlichsten im Lande müsse gewesen seyn. Durch
die Fürsorge des jetzigen Herrn Besitzers ist der Zugang zu
diesen sehenswürdigen Ruinen bequemer gemacht, und man
kann auf Stiegen leicht bis zum dritten Stockwerke gelangen,
von dessen Fenstern man eine'überraschend schöne Aussicht ge-
nießt. Außerhalb der Ruine links ist die Capelle im
Thiergarten, welche gleich dem alten Schlosse seit dem
Jahre 1683 in Ruinen lag, und vermuthlich die alte Pfarr-
kirche von Merkenstein ist. Im Jahr 1820 ließ die Frau
Gräfinn Elise von Dietrichstein dieselbe wieder herstel-
len und zum Gottesdienste einrichten; sie hat ein schönes At-
tarblatt, von Ruß gemahlt, Maria mit dem Kinde
vorstellend. Der Capelle gegenüber sind die Reste des 'alten
Turnierplatzes.
An der Ruine vorüber geht der Weg zu dem neuen S 0 m-
merschlosse, welches im Jahre i8o3 in dem ehemahligen
Thiergarten in gefälliger Form erbauet wurde. Vor dem
Schlosse stehen zwey merkwürdige türkische Haselnußbä'ume,
die von solcher Größe und Dicke sind, daß deren Hauptstamm
kaum vier Männer mit ausgebreiteten Armen umfassen kön-
nen. Mit de?Erbauung des neuen Schlosses wurde auch der
Thiergarten in einen Park umgeschaffen, der eine Stunde im
Umfange hat, und mit einer Mauer umgeben ist. Das
Wasser wird aus dem sogenannten Türkenbrunnen in diesen
Park abgeleitet, welcher ein gewölbter i36 Schritte langer
Gang ist, an dessen Ende sich sieben Quellen öffnen. An meh-
reren Standpuncten dieses Parkes genießt man herrliche Aus-
sichten über das Gebirge und die Ebene. Ueber die Zeit der
Erbauung des Schlosses Merkenstein, und dessen Er-
bauer weiß man nichts zu sagen. Vielleicht hieß der Erbauer
Marquard; denn aus der Analogie des Wortes zu schlie-
ßen, bedeutet das in alten Urkunden sogenannte Merchenstein
so viel als Marquardstein, oder Schloß des Marquard. Von
diesem Schlosse hatte ein altes adeliges Geschlecht,
12 i
als dessen Besitzer, auch seinen Familien-Nahmen. Jrn Jahre
1141, in der Urkunde, worin Herzog Leopold V. dem
Stifte Heiligenkreuz das Gut Tallern schenkt, ist ein Hugo
von Merken st ein als Zeuge unterschrieben.
Ein Ortwin von Merken stein, und seine Brüder,
Hugo, Ulrich rmd Wichard, kommen in einer Urkunde
als Zeugen vor, worin Herzog Heinrich von Mödling
dem Srifte Heilrgenkreuz das Bergrecht von sieben Weingar-
ten in Wartberg beym Orte Urtheil schenkte. Eben dieser Ort-
win und sein Bruder Hugo erscheinen als Zeugen, im
Ktosterneuburger - Saalbuche, als Herzog Heinrich von
Mödling bey der Begräbniß seiner Gemahlin Richz>a,
Mohrenwiesen nach Klosterneuburg vergabte. Eine Fride-
run a und Maria Crescentia von Merken stein
sind im Stifte Heiligenkreuz begraben; erstere schenkte demsel-
ben einen Weingarten in Baden; und die zweyte ein Talent
jährlicher Einkünfte von den Aeckern ihres Meierhofes Hip p-
lens. Im Jahre 1209 ist Albero von M er chen stein
Zeuge, als der Stiftbrief für Lilienfeld zu Klosterneuburg ge-
fertiget wurde. Im Jahre »2^1 erscheinen Ulr ich undPoto^
von Merken st ein in einer Urkunde des Stiftes Lilienfeld
als Zeugen. Im Jahre »280 verkaufte Ulrich seinen Hof zu
Brand demselben Stifte. In einer Urkunde vom Jahre 1289
sagt derselbe Ulrich, daß er des Weichard von Töpel
Mutterbruder sey. Das folgende Jahr erscheint Ulrich im
Gefolge seiner Familie; diese bestand aus seiner Ehewirthin
G e r tr a u d, seinem Sohne Ulrich, seinen Töchtern, M a r-
gar eth und Gertrud, und seinen Schwagern, Arnold
Püber, und Otto vom Walde, der ein Verwandter des
Weichard von Töpel ist. Ulrichs Sohn, Ulrich der
Jüngere, gab für die Beerdigung seiner Gemahlin Gisela
und ihr beyderseitiges Seelenheil mit Vorwissen seiner min-
derjährigen Kinder, U brich, Margaretha und 7i g n e s,
dem Stifte Lilienfeld Renten zu Pernthal, im Jahre 1822.
Eben derselbe bedachte in seinem Testamente im Jahre 1842
das Stift Lilienfeld (siehe Ha nthaler). Dieser Ulrich
von Merken stein und sein Sohn Ulrich verpfändeten
im Jahre 1824, mit lehensherrlicher Bewilligung des Abtes
von Melk, dle Zehenten zu Ober-Siebenbrun (Hueber,
Seite 64).
Unter diesem Ulrich scheint die Veste Merkenstein in an-
dere Hände gekommen zu seyn. Im Jahre ,817 soll sie E k arts-
a u von Siebenbrünnen besessen haben. Dann muß sie auf eine
unbekannte Art seyn zerstöret worden; denn im Jahre 1824
gab die Gemahlin des Kaisers Friedrich des Schönen,
Elisabeth, dem Pfarrer Ulrich zu Pottenstein die Er-
laubniß, die in ihrer Grafschaft Pottenstein gelegene Veste Mer-
kenstein wieder zu erbauen. Dann erhielt die Familie W a l l se e
die Herrschaft und das. Patronat der Pfarre Merkenstein. Im
Jahre 1874 kam es an die Grafen von Hohenberg. Im
Jahre 1482 war Johann vonHohenberg ein Anhänger
des ungarischen Königs Mathias Corvinus, und ließ
sich von den Soldaten des Kaisers Friedrich IV. so lange in
seiner Veste Merkenstein belagern, bis Mathias Corvi-
nus zum Entsätze kam. Im Jahre 1492 öffnete derselbe
seine Schlösser dem Kaiser M arim ilian I., und führte
ihm Kriegsvolk und Proviant nach Neustadt. Mit Erasmus
von Hohenberg endigte dieses berühmte adelige Geschlecht
im Jahre 1629. Im Besitze der Veste Merkenstein folgte
Meinrad von der Haid; und diesem Erasmus von
der Haid, der sein Geschlecht im Jahre 1640 mit dem Tode
beschloß. Im Jahre 1542 erhielt Franz Fizin die Er-
laubniß, das Gut von der Witwe abzulösen, und pflegeweise
inne zu haben, bis er von Kaiser Rudolph II., gegen
Abrechnung schuldiger 12604 Gulden, auch die Nutzung für
lebenslänglich erhielt. Er starb im Jahre i583 ohne Erben.
Im Jahre 1698 versetzte Herzog Ernst von Oesterreich
die Veste Merkenstein an seinen Kammerdiener Jonas von
Heyßberg, der sie dann im Jahre 1601 um 28000 Gulden
gänzlich kaufte, und im Jahre 1604 um 8000 Gulden auch
die Wildbahn erhielt. Er vererbte es an seinen Sohn I 0-
nas, der im Jahre 1686 auch Pottenstein, Gainfahrn und
Groffau dazu kaufte. Sein Sohn Raimund, der letzte.die-
ses Geschlechtes, hinterließ das Gut seinen Töchtern , die es
im Jahre 1669 an Herrn Gundacker Grafen von Die-
trichstein Und dessen Gemahlin Elisabeth, geborne
Freyin von Questenberg, um 96000 Gulden verkauften,
deren Nachkommen das Gut noch bis jetzt besitzen. Zur Herr-
schaft Merkendem gehören jetzt nebst dem Schlosse Merkenstein
und dem H a i d l h 0 f e, auch der Markt Pottenstein, dann
die Dörfer Gainfahrn, Grossau, St. Veit an der Triesting,
Unter-Erberndorf, und die Waldämter, Muckendorf und Fuhrt.
Das Schloß Merkenstein wurde erst im Jahre i683 zur heutigen
Ruine. Als nähmlich die Türken das ganze Land verheerten,
kamen sie auch hierher; sie konnten aber die Veste nicht einneh-
men, und schon wollten sie wieder hinwegziehen, als die vor
einem Fenster des Schlosses zum Hohn genommene Stellung
eines Frauenzimmers den Anführer der Türken sosehr erboßte,
daß er augenblicklich Feuerbrandein das Schloß werfen, und
dasselbe mit Sturm einnehmen ließ. Das schöne große Schloß,
mit 178 darin befindlichen Personen, wurde also ein trauriges
Opfer frecher Unbesonnenheit. Die dabey Umgekommenen lie-
gen alle in einer Gruft unter der Capelle des Thiergartens
begraben.
In pfarrlicher Hinsicht war Merkenstein ursprüng-
lich der Pfarre Al land untergeordnet, und wurde gegen eine
jährliche Abgabe von 4 Pfund Wiener-Pfennige durch die
Familie Wallsee zu einer e ig e n e n Pf a rr e gemacht. Noch
im Jahre 1476 hatte diese Familie das Patronars-Recht; und
im Jahre 1684 kommt in einem alten Lehenbriefe ein unge-
nannter Pfarrer von Merkenstein vor. Sonst weiß man von
dieser Pfarre nichts. Sie hörte gänzlich auf, entweder
durch die Reformations-Unruhen , oder durch die Zerstörungen
der Feinde. —
124
V. Localie Gmselsdorf.
Ein Dorf an der Hauptstraße von Wien nach W. Neustadt,
zwischen Oyenhausen und Salenau, mit 62 Hausern, einem
k. k. Wegmauthhause, einem schonen Posthause, und einer
Mühle am Triestingflusse. Von der Entstehung und den frühe-
ren Schicksalen dieses Ortes ist nichts bekannt. Vielleicht ist
es das ehemahls zur Pfarre Traiskirchen gehörige Rohinis-
dorf, und das in den Urkunden des Stiftes Heiligenkreuz
vorkommende Gohensunsdorf, welches schon im drey-
zehnten Jahrhunderte stand, und dessen Lage man jetzt nicht
weiß; doch scheint es in dieser Gegend gestanden zu haben, so
wie der dem Stifte Heiligenkreuz geschenkte Ort H u r b e n 0 w e,
an dessen Lage nur noch der Nahme eines Baches in dieser
Gegend, dieHirbend genannt, erinnert. Durch Versetzung der
Buchstaben und Abkürzung des Wortes konnte leicht der heutige
Nahme Ginselsdorf entstehen. In dem Visitations-Buche
vom Jahre 1640 wird der Ort Guntz er st0 rf genannt, und
hatte schon eine eigene Capelle, die mit Schönau incorporirt
war. Es.wird in jenem Berichte auch gesagt, daß diese Capelle
jederzeit auf Bitten derer von Guntzerstorf durch den Pfarrer
von Leoberstorf mit allen vfarrlichen Rechten sey versehen
worden. Diese Capelle stand außerhalb des Ortes zwi-
schen Ginselsdorf und Teestorf; da sie schon baufällig gewor-
den war, wurde sie im Jahre 1764 abgebrochen, und im Orte
Ginselsdorf eine ganz neue Kirche erbauet. Sie hat nebst einem,
dem heiligen Georg geweihten Hoch-Altare noch zwey Seiten-
Altare, und ist schön, licht und geräumig. Da im Jahre 1783
hier eine eigene Localie mit der Filiale Teestorf errichtet wurde
(denn vorher war es eine Filiale von Salenau), so wurde hier
auch neben der Pfarrkirche ein neuer geräumiger Pfarrhof er-
bauet. Im Jahre 1821 kam ^azu auch ein ganz neues Schul-
haus. Die Ortsherrschaft ist Schönau. Die Kirche hat ein
Capital von 1200 Gulden, und an Realitäten zehn Tagwerke
Wiesen, und vier Joche Aecker. Das Patronat der Localie
besitzt der Religionsfond. Zu dieser Localie gehört die
i s5
Filiale Teestorf.
Ein Dorf mit 33 Hänsern, eine Viertelstunde abwärts,
östlich von Ginselsdorf. Die Entstehung dieses Ortes ist nicht
bekannt. Im Jahrei 385 verkaufte Bernhard von Hauß-
b a ch mitBewilligung seiner Lehensherren, der Grafen von Mag-
deburg und Hardeck, die Veste Teestorf seinem Schwager Ha nn S
von Tyerna, Hubmeister in Oesterreich, um 5oo Pfund
Wiener Pfennige (Wisgrill, 4. Band, S. 2,4). Dieses
gräflich Hardeckische Lehen besaß im Jahre i63b Wenzel
Freyherr von Hegemüller von Dubenweiler, der
es im Jahre 1640bem von Melk, Valentin Embal-
ner käuflich überließ. Im Jahre 1672 und 169k wurde der
Burgfrieden zwischen den Ortschaften Schönau, Ginselsdorf
und Teestorf berichtigt. Im Jahre »708 wurde ein Vergleich
geschlossen zwischen den Herrschaften Schönau und Teestorf,
in Hinsicht der Teestorfer-Mühlwehre. Es war hier auch all-
jährlich am Tage des heiligen Georg, als des Kirchen-
Patrons, ein in einem feyerlichen Wettrennen bestehendes
Volksfest, zu welchem die Gemeinden Leestorf, Schönau,
und Ginselsdorf jedes Mahl eingeladen wurden. Nahe an
diesem Orte, östlich abwärts, erbaute der Freyherr von Pu-
thon eine Baumwollen-Spinnfabrik, die noch jetzt eine der
größten in Oesterreich ist; für die Fabrikskinder ist hier eine
eigene Schule; hie Pfarrschule ist zu Ginselstorf.
Im Jahre 1811 mußte das Stift Melk diesen Ort auf
allerhöchste Anordnung zum Behufe der Staats-Bedürfnisse
verkaufen.
Der pfarrliche Leichenhof ist zwischen Teestorf und Gin-
selsdorf an dem Platze, wo vormahls die Capelle stand;'er
enthält keine merkwürdigen Grabmähler. Dre Seelenzahl
der ganzen Localie Ginselsdorf wird im geistlichen Schematis-
mus vom Jahre 1628 bey i5o3 angegeben. Der Nahrungs?
zweig der Bewohner besteht im Acker-und Weinbaue, Taglohne
und Fabriksarbeiten.
VI. Pfarre Guttlpoldskirchen.
Ein landesfürstlicher Markt mit iby Häusern und beyläufig
looo Seelen, am südöstlichen Abhange des Äningerberges,
eine Stunde von Baden, eine halbe Stunde von Pfaffstätten
und Traiskirchen, eine Viertelstunde von Gundramstorf und
.Tallern, eine Stunde von Mödling und Neudorf entfernt.
Er gehört unter die ältesten Pfarrorte in Oesterreich. Die
Kirche zum heiligen M i ch a e l soll schon Bischof G u m p o l d
von Passau, als er hier zwischen den Jahren yi5 und y3i.
eine Colonie zur Bevölkerung des öden Landes anlegte, er-
bauet, und von ihm der Ort den Nahmen erhalten haben.
Nach der Meinung Anderer soll G u m p o l d, ein Bruder L e o-
pold, des Erlauchten, diesem Orte Entstehung und Nah-
men gegeben haben. Gewiß ist, daß schon Markgraf Leo-
pold IV. der Heilige, den Ort Gumpoldskirchen, mit
Gundramstorf, Walterstorf und Reisenberg im Jahre i »33
seiner Tochter Bertha zum Brautschatze schenkte; der Ort
war also damahls schon landesfürstlich. Unter dem Herzoge
Leopold, dem Gl orreichen, war derselbe'schon in bedeu-
tender Blüthe, und gehörte damahls wahrscheinlich zur Appa-
nage der Seitenlinie der Babenberger, welche zu Mödling resi-
dirten; denn der Sohn LeopolddesGlor reichen, Hein-
rich V., der Grausame genannt, Herzog zu Mödling,
unterfertigte zu Gumpoldskirchen im Jahre 1220 jene Urkunde,
durch welche er dem Stifte Melk die Lehenrechte über die
Pfarre Traiskirchen zusicherte. Doch mögen auch andere Her-
ren ansehnliche Besitzungen in und um Gumpoldskirchen ge-
habt haben. So z.B. schenkte Hi rzo von Aich owe (Achau)
im Jahre ,201 dem Stifte Heiligenkreuz einen Weingarten
an dem Orte Aichberg (Eichkobl) bey Gumpoldskirchen. Eben
diesem Stifte schenkte im Jahre 1266 Hadmar von Arn-
stein einen Weingarten bey Gumpoldskirchen. Im Jahre 133<)
war ein Premreick der Heßler Besitzer von Gumpolds-
kirchen. Im Jahre »38o verpfändete Herzog Albrecht III.
diesen Markt und die Veste Pitren um 2000 Pfund an Hein-
rich von Rappach in Klam; und im Jahre 1882 wur-
127
den ihm noch 3oo Pfunde darauf versichert. Im Jahre i3<)5
vertauschten die Brüder I o h a n n und Albrecht von
E b e r st o r f diesen Markt an den Herzog A lbrechr IV. für
Prinzendorf. Im Jahre i 536 verschrieb Kaiser Ferdinand I.
seinem Rathe und Kämmerer, Felician von Petschach
zu Land preis, für geleistetes Darlehen das jährliche Einkom-
men dieses Marktes vom Grunddienste, Strafgelds, Buße,
Fällen und Wandel, auch den Berghof, und die dazu gehöri-
gen 18 Weingärten, sammt dem Grundbuche und der Grund-
obrigkeit, mit der Bedingniß, daß alle Jahre 200 Gulden in
den Berghof verbauet werden sollten. Nach Petschachs
und seines gleichnahmigen Sohnes Tode fiel Gumpoldskirchen
an das kaiserliche Vice-Domamt in Wien; die Weingärten
wurden von dem k. Verwalter des Berghofes bebauet, und die
Weine sammt dem Bergrechte für die kaiserliche Hofhaltung
abgeführet. Von dieser Zeit an blieb der Markt landesfürst-
lich ; der Berghof aber sammt den Weingärten wurde im Jahre
1760 an das Stift Melk verkauft.
Daß der Ort Gumpoldskirchen schon in diesen Tagen ei-
nen eigenen Seelsorger gehabt, ist nicht zu zweifeln; doch man-
geln hierüber die nöthigen Nachrichten.
Als im Jahre 1227 die Ritter des deutschen Ordens aus
Palästina nach dem Lande der heidnischen Preußen zogen, nah-
men sie ihren Weg längs der Donau, und kamen so nach
Oesterreich, wo sie mit ausnehmenden Ehrenbezeigungen auf-
genommen wurden. Herzog Leopold VII., und sein Sohn
Friederich II., der Streitbare, beschenkten die Ritter
mit mehreren Gütern, unter welchen sich auch die Pfarre Gum-
poldskirchen befand. Herzog Friedrich II. bestätigte im
Jahre 1240 alle Privilegien, welche der Orden von seinem
Vater erhalten hatte; und Papst Alexander IV. bekräf-
tigte dem Orden den Besitz der Balley Nieder-Oesterreich, mit
allen dleselbe betreffenden Privilegien. Derselbe Papst fertigte
im Jahre ia(n eine Bulle aus, in welcher er dem Orden das
Patronats-Recht über die Pfarre Gumpoldskirchen zusicherte,
welches ihm Herzog Friedrich II. geschenkt hatte. Diesen
Besitz bestätigten auch der Herzog Albrecht I. im Jahre
128
i2y8; tmb Herzog Friedrich der Schöne im Jahre i3o8«
Der jeweilige Land-Comthur ist also Patron der Pfarre, und
besetzt dieselbe jederzeit mit einem Ordenspriester, der seinen
Lebensunterhalt von den Ordensgütern bezieht.
Bey dieser Gelegenheit wird es dem Leser nicht unange-
nehm seyn, auch etwas in Kürze über den Ursprung und die
Verbreitung des deutschen Ordens hier zu finden*)
Die Kreuzfahrer erlitten auf ihren Zügen alle Arten des
Elendes; ein großer Theil kam krank, ermüdet, und nothlei-
dend in Palästina an. Durch die Fürsorge des damahligen
Königs von Jerusalem, Herzogs von Bouillon, und den
Beytritt verschiedener anderer Fürsten, die als Anführer der
Truppen mit waren, wurde es endlich veranstaltet, daß an
verschiedene Ortpn des Weges, den die Pilger nehmen mußten,
Herbergen errichtet wurden, um ankommende Hungrige, Müde,
und Kranke unentgeldlich nach ihren Bedürfnissen zu verpflegen.
Diese Herbergen, vorzüglich die auf dem flachen Lande, wur-
den von den Barbaren oft geplündert; sie zu schützen, mach-
ten sich die Johanniter-Ritter und die Tempelherren zu
ihrem vorzüglichen Zwecke. Allein bey dem Zudringen der
in den Herbergen Hülfesuchenden, wurden die Deutschen an-
dern Nationen nachgesetzt, da die Vorsteher meistens Franzo-
sen , Italiener und Spanier, und also der deutschen Spra-
che unkundig waren. Ein frommer Deutscher in Jerusa-
lem, innigst gerührt von dem Schicksale seiner Landsleute,
errichtete zuerst in Jerusalem, in der Stadt selbst, eine Her-
berge, worin alle kranke und arme Deutsche liebreichst aufge-
nommen, und nnb Lebensmitteln und Arzeneyen von ihm un-
terstützt wurden. Mit diesem edlen Deutschen vereinigten sich
bald einige Bürger aus Bremen und Lübeck, die besonders
beyder durch 3 Jahre unter vielem Blutvergießen fortgesetzten
Belagerung von Accon (Ptolemais), bey welcher die Zahl der
Belagerer auf 3ov,000 angegeben wird, und die Saladin zu
entsetzen mit einem großen Heere gekommen war, die größten
*) AuS Schwans historischen Nachrichten und Heliot's Geschichte der
deutschen geistlichen, und militärischen Orden.
139
Liebeswerke ausübten, und nach eroberter Stadt , im Jahre
i i c)0 eine Herberge in derselben anlegten. Durch das erhabene
Beyspiel gereiht, traten, verschiedene deutsche Fürsten zusam-
men, und unterstützten diese wohlthätige Gesellschaft nicht
nur mit ansehnlichen Beytagen, sondern ste machten auch den
Vorschlag, einen deutschen Ritterorden zu stiften, der
nach dem Beyspiele der Johanniter und der Tempelherren ge-
gen die Widersacher der christlichen Religion kämpfen, und
zugleich die Werke der christlichen Religion ausüben soll. Der
Vorschlag wurde mit allgemeinem Beyfall aufgenommen. Der
Patriarch von Jerusalem gab dem Unternehmen seine Gut-
heißung, wirkte selbstthätig mit, und gab zur Abhaltung des
Gottesdienstes eine kleine Capelle, die unter dem Nahmen
zur lieben Frau bekannt war. Unter den Fürsten zeichnete
sich Herzog Friedrich von Schwaben besonders aus; er
bewirkte durch die Vermittlung seines Bruders, Kaisers Hein-
rich VI. die päpstliche Bewilligung und Bestätigung. Sie er-
folgte im Jahre ii()i von Cölestin !H., der ihnen von ih-
rer ersten Capelle den Nahmen Ritter der heil. Jungfrau
beylegte, sie der Regel des h. Augustin unterwarf, und ih-
nen alle, den beyden obenbenannten Ritterorden verliehenen
Privilegien ertheilte. Vierzig deutsche Edelleute legten zugleich
die drey gewöhnlichen Gelübde ab, und machten sich verbind-
lich, die Pilger zu pflegen, und den christlichen Glauben zu
vertheidigen. Der Orden verband sich bloß dazu, ihnen Was-
ser und Brod zu geben, was auch anfangs -ihr? meiste Nah-
rung war, und sie zu kleiden. Sie schliefen meistens auf Stroh-
betten. Der Orden bestand aus drey Unterabtheilungen: aus Prie-
stern oder Capla'nen, die den Gottesdienst besorgen, und die Ritter
durch Reden stets an ihre Pflichten erinnern mußten; aus eigent-
lichen Rittern und aus Angehörigen, die weder Ritter noch
Priester , sondern nur dienende Brüder waren- Das Recht,
Ritter aufzunehmen wurde zuerst dem Herzoge Friedrich
von seinem Bruder dem Kaiser, und von Friedrich dem je-
desmahligen Vorsteher des Ordens überlassen. Die erste ihrer
nachher, so ausgedehnten Besitzungen war ein kleines Stück
Landes, das der erste Großmeister Malvott außer derSradt
Accori ankaufte , wo er eine Kirche, ein Spital, das an-
fangs der vornehmste Sitz der Ritter war, und verschiedene
Wohnungen erbauen ließ. Ihre auszeichnende Bekleidung war
ein weißer Mantel, und auf selbem ein schwarzes Kreuz, mit
einer weißen Einfassung. In jedem Convente sollten in der
Zukunft nach der Zahl der Jünger des Herrn zwölf Brüder
unter der Aufsicht eines Aeltesten, oder Comthur, stehen;
sie sollten die Gelübde strenge halten, und vor ihrer Aufnahme
beweisen, daß sie aus einem deutschen adeligen und unbe-
scholtenen Geschlechte abstammen. Die Einkünfte des Ordens
vermehrten sich in kurzer Zeit bedeutend. Die im Lager ge-
genwärtigen Fürsten und Ritter trugen reichlich bey, weil sie
Augenzeugen von der guten Verwendung ihrer Gaben waren;
die Entfernten aber, weil sie aller Orten aus dem Munde der
Zurückkehrenden, die der Hülfe des Ordens theilhaft geworden,
dessen Thaten vernahmen. Der Papst ermahnte die Gläubigen
durch rhre Oberhirten zu milden Beyträgen für die Ritter zum
Besten der Christen in den Morgenländern, und die Kreuz-
fahrer von Bremen und Lübeck übertrugen dem Orden ihr
Recht auf das Hospital, und unterstützten sie durch Beyträge
nach ihrer Rückkehr aus Jerusalem.
Jene vierzig deutschen Edelleute, welche zugleich die drey
gewöhnlichen Gelübde ablegten, wurden auf eine sehr feyer-
tiche Art in den Orden aufgenommen. Dem Ersten überreichte
der König von Jerusalem, dem Zweyten der Herzog von
Schwaben das Ordenskleid; die übrigen 38 empfingen es von
andern bey der Belagerung von Accon gegenwärtigen Fürsten
und Grafen» Nach dieser Zunahme an der Zahl der Ritter
wurde zur Wahl eines Großmeisters geschritten, dieaufHein-
rieh von Walpott aus dem Geschlechte Passen heim fiel;
"der sich bey der Belagerung von Ptolemais besonders ausge-
zeichnet hatte. .Er gab dem Orden noch besondere Vorschriften,
damit sie sich als Brüder des deutschen Hauses zu Jerusalem
auszeichnen möchten. Unter andern erlaubteer den Rittern außer
der Ordenskleidung nur die unentbehrlichsten Dinge, untersagte
ihnen die Verzierungen mit Gold oder Silber an ihren Waffen,
und befahl die Spendung des zehnten Theiles an die Armen,
r4r
so oft Brot gebacken wurde, u. s. w. Papst Cölestin III*
ertheilte dem Orden im Jahre ii<)3 die Erlaubrnß, das an
den Enden gabelförmige Kreuz in dem Wappen zu führen.
Walvott, und seine beyden Nachfolger, Otto von Sar-
p e n, und H e r m a n n v o n B a r t, der zu Jerusalem an sei-
nen Wunden starb, zeichneten sich mit ihren Rittern durch
Heldenthaten aus. Allein eben dieser Heldenmuth und die da-
durch entflammte .Wuth der Barbaren brachten den Orden dem
Untergänge nahe, als im Jahre.12,0 Her m an n v o n Sal-
za, als der vierte Großmeister, erwählet wurde. Die Gefahr
des Unterganges veranlaßte die Verordnung: Es sollten nickt
mehr als zehn Ritter zum Streite ziehen. Die Weisheit und
der Wandel Hermanns wirkten aber so vortheilbaft zur
Wiederaufnahme des Ordens, daß am Ende seiner Regierung,
die 3<> Jahre gedauert hatte, die Zahl der wirklich streitenden
Ritter bis auf 2000 anwuchs. Unter diesen zeichnete sich vor-
züglich der Landgraf von Thüringen aus, der sich mit 24 Ed-
len zugleich einkleiden ließ^ Der Orden besaß nicht nur in
Deutschland, sondern auch in Italien, Sicilien und Spa-
nien, ja sogar m Griechenland und Armenien, ansehnliche Gü-
ter, so daß er aus sieben verschiedenen Provinzen und Meister-
thümern bestand. Was dem Orden auch äußere Würde und
Ansehen verschaffte, war das kluge Benehmen deö Groß-
meisters Hermann von Salza, (aus dem Geschlechte
von Langensalza), das er in einem höchst wichtigen Geschäfte
an den Tag legte. Als man kein Mittel vor sich sah, die Strei-
tigkeiten, welche sich zwischen dem Papste H ö n or i u s Hl. und
Kaiser Friedrich II. erhoben hatten, beyzulegen, wurde
Hermann zum Schiedsrichter erwählt. Nach der unerwarte-
ten glücklichen Beendigung seines Auftrages würd? er von
Beyden besonders ausgezeichnet. Sie verliehen ihm einstim-
mig für sich und seine Nachfolger die Würde eines Reichs-
fürsten , der Papst schenkte ihm überdieß einen Ring von
großem Werthe, mit dem Aufträge denselben fortwährend zu tra-
gen, den man nachher immer dem neuerwahlten Großmeister,
als ein Andenken dieser rühmlichen Handlung, übergab. Der
Kaiser erlaubte chm, unter andern großen Privilegien, den
Adler in der Mitte des goldenen Kreuzes in dem Wappen zu
führen, dem an den Enden die französischen Lilien angefügt
wurden, die ihm König Ludwig wegen des Sieges zu Da-
miette beyzusetzen gestattete. Doch erlitt der Orden große Unfälle,
und wäre er nicht schon so weit in den Abendländern verbreitet ger
wesen, so wäre wahrscheinlich sein Ansehen ganz gesunken. Denn
in vielen Schlachten mit den Barbaren, und vorzüglich durch
die große Schlacht im Jahre 1244 ward er so geschwächt, daß
er nur noch aus drey Brüdern bestand. Allein bald wurde eine
neue Siegesbahn ihm eröffnet. Papst I n n 0 c e n z LH. schickte
zehn Mönche nach Preußen, um die heidnischen Völker zu be-
kehren; sie wurden von ihnen mißhandelt und getödtet. Oft
wiederhohlten die Preußen seit dieser Zeit ihre Einfalle in Poh-
len und in die benachbarten Länder, wo sie alles mit Feuer
und Schwert verheerten. Man rief die Schwertritter, die spä-
terhin mir dem deutschen Orden vereiniget wurden, zur Bey-
hülfe ohne erwünschten Erfolg. Endlich nahm man zu dem
deutschen Orden seine Zuflucht. Es wurde auf Anrathen
Papst Gregors IX., Friedrichs II., und vieler anderer
deutschen Fürsten, eine Gesandtschaft an den Großmeister
Her m a n n abgeschickt. Zur Belohnung wurde dem Orden
das zum Eigenthume zugesagt, was er erobern würde, und
ihm das Culmrsche und Dobrinische Land von dem Herzoge von
. Masovlen und Cujavien, Conrad, abgetreten. Der Papst
schrieb einen Kreuzzug aus, und unzählige deutsche Haufen
zogen mit den Rittern. Die Waffen des Ordens waren met*
stens siegreich, und er brachte nach und nach ganz Preußen,
Sengallen und Liefland unter H ermann von Balkan sich,
der als Hochmeister oder Verweser, unter dem Titel Land-
meister, die Streitenden anführte. Hermann von Salza
blieb im Orient zurück, und starb nach der Rückkehr von einer
Bereisung der Convente in Syrien.
Zur leichteren Uebersicht der Schicksale der Pfarre Gum-
poldskirchen , ist es zweckdienlich, hier noch Einiges über den
deutschen Orden und die Land-Comthuren derBalley Oesterreich
hinzuzufügen *).
') Aus dem Archive des deutschen Ordens in Wien-
»33
Als der Hochmeister des deutschen Ordens, Hermann von
Galza^ durch seine Ritker die Eroberung des heidnischen
Preußens unternommen und vollführt harre, wurde der Orden in
zwey Gebiethe, das preußische und deutsche abgetheilt. Her-
ma n n als Hochmeister des Ordens von Kaiser F r i e d r i ch II.
mir der Fürstenwürde beehrt, führte dre Aufsicht über den ganzen
Orden; das deutsche Gebieth wurde dem Deutschmeister unter-
geordnet , der seinen Sitz zu Mergencherm nahm. Die Besi-
tzungen des Ordens in den verschiedenen Landern wurden in
Balleyen eingetheilt, und jede unter die Aufsicht eines Land-
Comthurs gestellt, von denen eine Anzahl dem deutschen, die
andere (wozu auch Oesterreich gehörte), dem preußischen Ge§
biethe einverleibt wurde.
Nach den Urkunden des im deutschen Hause zu Wien be-
findlichen Balley - Archives, II. Kasten, 2. Fase., Nr. 68,
6. Stelle, sulr miscell., folgt hier die Reihe der Herren Land-
Commenthuren der ritterlichen deutschen Ordens Balley Oester-
reich , wie deren Wappenschilder in der landcommendischen
Pfarrkirche rrn deutschen Hause zu Wien, nach Anordnung
des sel, Herrn Land-Commenthurs G u i d 0 b a l d Grafen von
Starhemberg geordnet und aufgestellet worden sind:
Nr. Nah m e n Jahr
1 Conrad von ,247
Osterna. und
1249
■M ..
A n m e r k u n g.
Nr. »4. Fase. Großsonntag.
Nr. 3. Fase. Wien.
Zugleich findet sich ein Ortolph von
Dreßkirchen, N. 3. Fase. Wien.
Auch is()3 Nr. 86. Fase. Neu-
stadt, Da dieser Ortolph von
Dreßkirchen als Commendator
des deutschen Hauses in Oester-
reich und Steyermark erscheint,
mag er wohl nur Stellvertreter
des jeweiligen Land-Commen-
thiiiö gewesen seyn.
Nahmen 3«h'' Anmerkung.
Otto von
Haölau. 1260 Nr. 53. Fase. Neustadt. (Dieser üegt im Kreuz.qan.qe des Stif-
tes Heürgenkreuz begraben).
Conrad von
Tetelpach. I2b8 Nr. 7. Fase. Friesa.
Heinrich von
Manstoch. 12<)1 Nr. 267. Fase. Wien.
Heinrich von
Gleina. 12C)9 Kaufbrief an den Augustiner Prior zu Baden/ wegen ernes Wein- gartens zu Gumpoldskirchen (das Gereuth genannt), so zum deutschen Hause zu Wien ver- kauftworden. Nr. L2—52U.74 Fase. Wchn.
Hermann
von Lesche. i3o6 Nr. 10. Fasc. Grä'tz.
Heinrich von
Gueldichen. i3i6 und Nr. 46.
i3i8 Nr. 20b. Fase. Wien.
Hermann von
Khuendorffer. i335 Stiftsbrief der Kirche zu Baldern- dorf/ 8 Pfund Gilt, cum Ob- ligatione eines ewigen Jahrta- ges. Nr. 7 u. 76. Fasc. Wien.
Hanns von
Rinkenburg. i34i Neversalbrief zur Dotirung des Prediger-Ordens zu Leoben,
und wegen eines ewigen Seelenge- räths.
1342 bann Nr. 2t. Fasc. Grä'tz.
i358 /Fasc, Wien,
i35
Nr. Nahmen Jahr A nmerkung.
ro. Hanns vonNumpers- haimb. i36i Nr. 2i 5.
ii« Friedrich von und i368 Nr. s35. Fase. Wien.
Wobarth. i378 Nr. 220. Fase. Wien.
K2. Bernhard von Jbeshaimb. i383 Nr. 209. Fase. Wien»
»3. Ulrich von
Grawenberg. i386 Nr. 22 und 75. Fase. Wien.
r.'l. Stephan von
Ströbein. i38<) Nr. 122. Fasc. Laibach.
,5. Walrab von Scharfenberg 1898 Privilegium des Patriarchen von
,b. Jobst von Aquileja, wegen Ertheilung des Patronats-und Präsentations- Rechtes als Direct, der Pfarrkir- che zum h. Peter zu Tschernembl. Nr. io3.Fasc. päbstlicher und an- derer Bullen.
Sachsenhau- sen. 1402 Nr. i5. Fase. Wien.
*7« Johann Sternberg. und 14 o5 l4»2 Nr. 19 und 2i. Fasc. Laibach. detto Wien. Dominica ante Fest.
j8. Johann Lenz. Uttd 1414 1414 St. Barthol. Nr. 188. Wien. Datum Neostadii die lunae
post Fest. S. Ursulae. Nr. 74* Fasc. Neustadt. Anme rkn ng in der Urkunde. Diese ! zwey werden als Land-Commenthu- ren im nähmlichen Jahre, aber nicht zur nähmt. Zeit des Jahres gefunden.
i36
Nr. Nahmen Jahr
19. Sigismund
Raming. l420
20. Johann von
Ameweil. 1424
21. Peter
Linzer. >447
22. Johann
Pomers-
haimb.
s3. Orto von
Königsfeld. 1461
24. • Conrad
Holzet. 1466
25. Johann, Herr von
Hardegg. 1477
26. Conrad
Stauchwitz. 1467
27. ' Andreas -
Moßheimer. i5oi
i5o3
und
5o6
Anmerkung.
Nr. 3. Fasc. Friesach.
Nr. 249. Fasc. Wien.
Approbation des Patriarchen An-
tonio von Aquileja, worin der
Priester Johann als Pfarrer
zum h. Peter zu Tschernembl
vorgestellt wird. Nr. 91. unter
den pa'bftlichen und anderen
Bullen.
Nr. 2i und 28. Fasc. Neustadt-
Nr. 35-. Fasc. Neustadt.
Nr. 9 und 10. Fasc. Tschernembl.
titulus mensae dem Paul Reiß
von Feldsperg ertheilte damit
er Priester werden könne. Nr. 8.
Fasc. Tschernembl.
Statthalter derBalley Oesterreich.
Commenthur zu Wien.
Landcommenthur. Nr. 286 u. 2^4.
Fasc. Wien.
37
?r.
iO.
t9.
>o.
Nah men Jahr Anmerkung.
Conrad
Kolwitz. L606 und in den Orden eingekleidet.
l5l2 Landcommenthur. Nr. Fase. Laibach.
Christoph Auer von
Herrenkirchen i5i6 UNd Nr. 7b.
i5h) Nr. 5i und 5s. Fase. Neustadt.
Jobst,
Truchseß von
Wetzhausen. 15a5 Zum Groß-Capitel nach Mergent- heim, und dasselbe Jahr zum Provinzral-Capitel nach Wien beschieden. Liegt begraben in der landcommenthurlichen Pfarr- kirche im deutschen Hause zu Wien. Nota. Im obigen Jahre aposta- sirte der Hochmeister in Preus- sen, Albrecht von Brandenburg.
Erasmus,
Freyherr von
Thurn. i532 Kaufbrief an Jacob Schreitz und
und seine Erben, über eine halbe
i53<) Huebe ober Marburg zur
dann Pfarre Friedau.
i5/f0 Bestätigungsbrief, als der geist- liche Herr Matthäus Monhard, zu einem ewigen Gesellen be- stätigten Pnester auf dem Ge- sellenstand, in dem Ordenshause zum h. Sonntag angenommen.
Nr. Nahmen Jahr Anmerkung.
3s. Gabriel Kreuzer. i54s Datum Horneck den 4* Februar,
als hoch-, und deutschmeisteri- scheö Nescript. Die Confirma-
und tion des Herrn Gabriel Kreu- zer als Statthalter der Balley Oesterreich.
1549 Acten eines Provinzial-Capitels,
gehalten zu Laibach. Er starb den 1. December 1L68, und liegt in der landcommemhurli- chen Pfarrkirche im deutschen Hanse zu Wien begraben.
33* Leonhard Formentin. i56s in den Orden eingekleidet.
dann
1067 Coadjutor.
i568 Statthalter der Balley Oesterreich,
1569 und Land-Commenthur beym Ge-
neral Groß-Capitel zu Mergent- heim.
i5jo Unter ihm erscheint ein Provin-
zial-Capitel zu Großsonntag,
34« Marquard Freyherr von Egg zu Hungersbach. 1Z92 in den Orden eingekleidet.
l597 Statthalter der Balley Oesterreich,
i5.)9 als Land-Commenthur bestätigt.
l606 den 2. Marz wurde er in dem Ge-
> ' - neral-Capitel zu Mergentheim als beständiger hoch- u. deutsch- meisterischerStatthalter daselbst bestätiget; hingegen im Ver- l laufe eines Prozesses van vie-
>3$
Nr. Nahmen Jahr Anmerkun g.
len und verschiedenen Anklags- puncten, dreser Würde entse- tzet. Wahrend seiner Abwesen- heit von der Valley Oesterreich war allda als dessen Amtsver- weser und Statthalter, Herr Gottfried von Schrartenbach,
welcher noch als Commenthur zu Großsonnrag den 4. August
16,4 als Administrator allda
35. Maximilian Capitel hielt»
Ernest, Erzherzog
von
36. Oesterreich. Johann i6»5 auf Vollmacht installirt^
* Rudolph von
Gemingen. ,6.8 Statthalter.
>628 Lund-Commenthur; starb imJahv
ib38.
37. Gottfried
von
Schratlen-
bach. it>38 Prasentationsbrief zur Pfarre
und Gumpoldskirchen.
1640 *
Er starb den 18. Junius i64n
38. Hanns Jacob
von und zu
Daun. 1649 Urkunde als Aufkündigung an die
und Gemeinde zu Gumpoldskirchen
j 65o wegen der Bearbertung der com» mendschen Weinga ten.
' Er resignirke im Jahre »höo.
Nr
39-
40.
4u
42.
A3.
Nahmen
Johann
Caspar von
Ampringen.
Georg
Gottfried von
Lamberg.
Christoph
von Kunike.
Seyfried,
Graf von
Saurau.
Heinrich
Theobald,
Grgf von
Goldstein.
Jahr
1660
1666
i6^3
1687
1700
Z nm er kung.
Wurde den 20. Marz »664 zum
Hoch- und Deutschmeister er-
wählt.
Pfarrliche Präsentations-Ürkunde
vom Jahre 1689.
Pfarrliche Präsentations-Urkunde
vom Jahre 1668.
Starb den 28. Marz 1700; und
ist in der landcommendischen
Pfarrkirche im deutschen Hause
zu Wien begraben.
Guidobald,
Graf von
Stahremberg
1720
Jener berühmte Feldherr ynter
Leopold I. und Carl VI. Nach
seiner berühmten Vertheidi-
gung von Barcelona wurde
er in das Ministerium nach
Wien berufen, bey welcher Gele-
genheit er die landcommenthur-
liche Residenz von Großsonnrag
als permanent nach Wien über-
4o+
46.
Joseph
Philipp,Graf
y. Harrach.
^787
47-
Carl Zlnton,
Graf von
Colloredo.
Aloys, Graf
v. Harrach I
1764
1786
1787
setzte; da seine Vorfahren bald
zu Grätz, bald zu Laibach, bald
zu Großsonntag residirren. Er
starb im März 1787, und wur-
de in der landcommenthurlichen
Pfarrkirche im deutschen Hause
zu Wien begraben.
Starb zu Wien als Feldmarschall
und Hoskriegsraths--Präsident
den 8. August 1764, und lregt
in der landcommenthurlichen
Pfarrkirche nn deutschen Hause
zu Wien begraben.
Nach einigen Jahren begab ek
sich Gesundheitshalber nach Ve-
nedig, all wo er den 26. Ocro-
ber 1786 gestorben ist, und zu
Santo Benedito begraben wur-
de. Coadjutor war Graf Aloys
von Harrach.
Wurde nach Ableben seines Vor-
fahrersStatchalter, dann Land-
Commenthur. Er starb zu Ba-
den^in Oesterreich den 19. Ju-
niu& 1800, und wurde zu Gum-
powskirchen an der Kirchen-
mauer an der Epistelseite be-
graben.
:
Nr.
48.
49*
Nahmen
Carl, Herr
und Gras von
Zinzendorf.
und
Potrendorf.
Carl, Graf
von
Sinzendorf.
Jahr
Anmerkung.
1800 Statthalter.
1801 Land-Commenthur, den 12. April.
Er starb zu Wien den 6. Januar
i8»3, und wurde auf seiner
Majorats-Herrschaft zu Carl-
stätten in Oesterreich begraben.
Mit ihm erlosch das uralte ade-
lige Geschlecht derZinzendorfer.
i8i3 Statthalter und Land-Commen-
thur. Er starb zu Wien den
17. Januar ,818, und wurde
in der Familiengruft zu Ernst-
brunn in Oesterreich begraben.
Aloys Graf
v. Harrach II.
wurde
1804
1817
1818
1819
im September in den Orden ein-
gekleidet;
zum Coarutor gewählt,
den »7. Januar, nach dem Tode
seines Vorfahrers Statthalter;
dann
im Aprill Land-Commenthur.
Die Pfarrkirche zum Erzengel Michael zu Gumpoldskirchen
ist sammt dem daran stoßenden Commendehause mir einer Ring-
mauer umschlossen, die an der Ost- und Südseite ein Wasser-
graden umgibt, der von einer Quelle durchflossen wird. Seit
3 4 3
der Uebergabe an den Orden gehörte das Ganze zur Commende
Neustadt, welche ehedem einem eigenen Comthur anvertrauet
war, nun aber der Land-Commende der Balley Oesterreich ein-
verleibt ist.
Die Kirche ist, gemäß den Ordens-Satzungen, in Kreuzes-
form gebaut, und scheint von hohem Alterthume zu seyn. Die
Mauern, so wie der an der Westseite stehende Thurm, sind
größten Theils aus Quadersteinen erbauet. Der Thurm hat in
seiner oberen Hälfte eine achteckige Form, und ist iin Jahre
1820 mit einer neuen blechernen geschweiften Kuppel gezieret
worden. Die Kirche hat die Gestalt eines länglichen Viereckes
mit einer Abrundung hinter dem Hochaltare, und erhält durch
die beyderseits angebauten Capellen die besagte Kreuzesform.
Die Sacristey und das auf derselben stehende Oratorium ist
von neuerer Bauart. Nebst dem, dem Erzengel Michael ge-
weihten Hochaltare befinden sich in der Kirche noch vier Altäre,
nähmlich: des heiligen Kreuzes, der heiligen B ar ba r a, der
heiligen Elisabeth, und der heiligen Fämilie. Das nächst
dem Hochaltars in der Mauer angebrachte Sacramentarium
ist ein sicheres Zeichen des hohen Alterthumes der Kirche, die
aber auch durch Feindeswuth vieles mag gelitten haben, wie
die sichtlichen oftmahligen Erneuerungen hinlänglich zeigen.
Die Kirche sammt dem Commendehause konnte vermöge ihrer
Lage an der äußersten Nordseite des Marktes leicht in Ver-
theidigungsstand gesetzt werden; sie waren durch das sogenannte
Burgthor von dem Markte abgesondert und gesperret; der da-
zwischen gelegene Platz diente zur Viehweide. Gegenwärtig ist
von jenem Thore keine Spur mehr vorhanden, und die Kirche
ist durch den Melkerhof und einige Bürgershäuser sammt dem
Schulhause mit dem Markte in Verbindung gesetzt. Urkunden
vom Jahre 1642 und 3678 reden von einem Schlosse, und
' von einigen zur Vertheidigung gemachten Arbeiten.
In den Jahren 3616 bis 352» walteten Mißhelligkeiten
mit dem deutschen Ordenspriester und Pfarrer, Stephan
Ulrich. Es wurde gegen ihn geklagt, daß er das Zimmer auf
dem Schloßthore, wo sonst Schule gehalten wurde, und wo
zu Kriegszeiten die Munition aufbewahret lag, gewaltthätig
*44
erbrochen, und daß er den Wassergräben, den die Voraltern
wegen Feindesnoth gegraben, mtt Schutt habe ausfüllen, und
in einen Garten umstalten lassen. ^
Auch die' Reformations-Lehren Luthers beunruhigten
den Ort Gumpoldskirchen. Ein hiesiger Flelschhauer warf sich
sogar zum Prediger auf, und maßte sich die Seelsorge an. Es
gingen dadurch auch manche Kirchengüter verloren, worüber
sich noch im Jahre 1664 Johann von T sch er ne m bl,
Comthur zu Wien und Neustadt, bitter beklagte.
Aus dem Visitations-Buche vom Jahre 1644 erfahren wir,
daß damahls Georg Primez, ein Ordensmann hier Pfar-
rer war. »Ehevor, heißt es«, war neben dem Pfarrer ein Prä-
dicant; gegenwärtig aber nicht. Der Pfarrer Hatzum Genusse
sechs Weingärten, sechs Joche Aecker, fünfzehn Tagwerke
Wiesen. Von der Sanct Pangraz-Caplaney bekommt er
zwanzig^ Schillinge Geld und acht Eimer Wein. Zu Allerhei-
ligen erhält er einen ganzen Ochsen und neun Semmelwecken,
deren jeder 24 Pfennige werth seyn soll. Zu Andreas geben
ihm die Zechleute um zwey Schillinge Kuhfleisch, drey Wecken
und ein Kalb. Zugleich zeigt der Pfarrer an, daß die Bürger,
trotz der Ermahnung, zu Ostern nicht zur Communion gegan-
gen.« Der Pfarrverweser Matthäus Ehrinis mußte sich
in Hinsicht der Lehre einer strengen Untersuchung unterziehen,
und wurde abgesetzt ; er erhielt aber später sein Amt wieder.
Der Schulmeister Gabriel Lauterbach lehrte im Jahre
1678 nebst den Humanioren auch den Catechismus Luthers.
Der Pfarrverweser Stephan Ulrich begünstigte die Pro-
testanten, die sich hier bis zu den Zeiten Kaiser Ferdi-
nands III. erhielten.
Der deutsche Orden berücksichtigte die Pfarre Gumpolds-
kirchen besonders als eine der ältesten Ordens-Besitzungen
in den österreichischen Staaten. Guido bald, Graf von
S t a h r e m b e r g berichtete mit dem Passauer - Offieiate
zu Wien die Verhältnisse dieser Pfarre bey kanonischen
Visitationen. Joseph Philipp Graf Harra ch errich-
tete in der Kirche die Altäre des heiligen Kreuzes und' der
heiligen Barbara , ließ dre große. Glocke gießen , und dotirte
i45
die Pfarre mit einem Weinzehente im Bründelbache^ Graf
Aloys Harr ach I. ließ sich in der hiesigen Pfarrkirche be-
graben. Graf Sinzendorf begann die Verbesserung der
Weingärten/ die er aber, durch den Tod übereilt, zur Vollen-
dung seinem Nachfolger, dem jetzigen hochverehrlichen Land-
Comthur Aloys Grafen von H a r ra ch H. überlassen mußte,
der auch bisher aufs thätigste an Grundstücken und Gebäuden
wesentliche Verbesserungen anordnete
Bey der Pfarrkirche befindet sich nebst verschiedenen Messen-
Stiftungen die Barbar a-S tiftung, die im Jahre 142c) ein
Bürger von Gumpoldskirchen, Conrad Schaffer, gegründet
hat. Er hatte dazu in seinem Testamente die Erbauung einer
Capelle, und den Unterhalt eines Veneficiaten, der ein eige-
nes Haus bewohnen sollte, angeordnet, und die Lehensherr-
lichkeit darüber dem Landesfürsten übergebem Diese Stif-
tung erhielt sich in voller Kraft bis zum Jahre i52y, wurde
aber hernach zur Zeit des überhand nehmenden Protestantis-
mus so geschwächt, daß die Gemeinde im Jahre 1642 den
Kaiser Ferdinand I. bath, ihr das Vermögen derselben
gegen Verrechnung zu überlassen, mit der Verpflichtung, daß
sie künftig die Stiftung zu besorgen habe. Die hierzu ange-
führten Beweggründe sind wörtlich folgende: »Nachdem durch
Krieg und Sterben die Schulen fast allenthalben verwüstet,
und wenige gefunden werden, welche die Jugend unterrichten,
auch unser Pfarrer gestorben, und es schwer ist, einen andern
frommen Prediger zu bekommen; und wir nicht im Stande
sind, die Bezahlung zu leisten, da wir auf die Befestigung
der Kirche viel verbauet, u. s. w.« Kaiser Ferdinand
bewilligte dem Markte die Administration dieser Stiftung;
allein die Güter derselben mögen nicht mehr hingereicht haben,
um die Verbindlichkeiten zu erfüllen. Es wurde daher im Jahre
»678 eine Commission zur Untersuchung angeordnet, aus de-
pen Acten man ersieht, daß damahls die Barbara-Capelle zu
Grunde gegangen, und die Stiftung auf die Schloß-Capelle
übertragen worden. Erst unter dem Land-Comthure Joseph
Philipp Grafen v. Har rach wurde die Stiftung sammt dem
Altare von dem Commendehause in die Pfarrkirche übertragen,
K
1
und im Jahre 1779 die Besorgung der wöchentlichen Messe
auf dem Barbara-Altare dem jeweiligen Pfarrer übergeben.
Der Markt hat seift eigenes Landgericht, das sich auch
über das benachbarte und hierher eingepfarrreTallern erstreckt
Es wird hier jährlich am Tage des heiligen Georg ein Jahr-
markt gehalten. Vormahls war hier auch ein öffentliches Bade-
haus, welches im Jahre 1447 dem Stifte Heiligenkreuz ge-
hörte. Es ist hier auch ein Spital für verarmte Bürger, dessen
Entstehung aber unbekannt ist. Es befindet sich hier auch eine
Knopf-und leonische Draht-Fabrik, auch eine Fabrik von
weißen und schwarzen Krausfloren, gedrucktem Perkale und
Kammertuche; dann am t. k. Neustadrer-Canale eine Oehlfa-
bnk. Das Rathhaus-Gebaude ist ansehnlich, und vor demsel-
ben ein Springbrunnen. Die Bewohner nähren sich vom Tag-
lohne, von der Viehzucht, größten Theils aber vorn Wein-
baue, da die Umgebung einen der edelsten und berühmtesten
Gebirgsweine liefert. Zum Pfarr-Bezirke gehöret nebst der
Oehlfabrik und einigen Mühlen am k. k. Canale, und einem,
an einem Abhänge des Aningerberges gelegenen Mererhofe,
der Eichkogelhof genannt, noch als Filiale der Ort
T a l l e r n.
In den Urkunden auch Dalhern, gewöhnlich aber Dal-
ling genannt, am Fuße des Eichkogelberges, ein zwischen
Gumpoldskirchen und Gundramstorf gelegenes, von beyden
eine Viertelstunde entferntes, rings mit einer Mauer urnfan-
genes Schloß, mit einem Wirrhshause, sammt den Wirkh-
schaftsqebauden und Wohnungen für die Winzer und den herr-
schaftlichen Waldaufseher und Nevrerjager. Der Herzog Leo-
pold V., der Sohn und Nachfolger des heiligen Markgrafen
Leopold, schenkte diesen Ort im Jahre 1141 dem Stifte
Heiligen kreuz, welches bis jetzt im ununterbrochenen Besitze
desselben blieb. Nach der zu Alcahne in Bayern ausgefertigten
Schenkungs-Urkunde gehörten' damahls zu Tallern 6 Huben
(mansi), 8 Weingarten, 4 Häuser (curtes) und 15 Bauern
(colormi). Diese Schenkung wurde vom Herzoge Heinrich
Iasomirgott, und den Päpsten Inn oeenz I!. und Lu
I *4?
Liu6 m. bestätigt. Im Jahre 1178 erhielt Abt Heinrich L.
durch Vertrag von Conrad, Abte zu Melk, den Zehent von
den hiesigen Weingärten. Line hierüber später entstandene
Streitigkeit wurde im Jahre 1226 von Conrad, Cardinal
von Portua , zu Gunsten des Stiftes Heiligenkreuz entschie-
den. Im Jahre 1262 erhielt das Stifc von der römischen
Königin und Ottokars Gemahlin, Margareth, das
Bergrecht zu Tallern, welches in 3 Karathen und 10 Eimern
Wein bestand. Diese Schenkung bestätigte König Ottokar
im Jahre 1263, und der Kaiser Friedrich der Schöne
im Jahre 1327. Im Jahre i5i6 wurde die hiesige Capelle zu
Ehren des heiligen Johann des Täufers von Bern-
hard, Weihbischofe von Passau, eingeweiht, mit Ertheilung
eines 4otägigen Ablasses für die andächtigen Besucher der-
selben. Abt Clemens ließ dieselbe in der jetzigen Gestalt
im Jahre 1678 vergrößern; sie hat am Hochaltare die Statue
des gekreuzigten Heilandes mit Weinreben und Trauben umge-
ben, und der Aufschrift: »Ich bin der wahre Weinstock.« Hier
pflegte vormahls jährlich zu Ende der Weinlese von dem Stifts-
Abte ein feyerliches Dankamt abgehalten zu werden. Im
Jahre 1&78 ließ Abt Udalrich II. hier einen großen Keller
mit einer sehr großen Weinpreffe erbauen; daher der Ort Tal-
lern noch heut zu Tage den Ruf hat, die größte Weinpresse
in Oesterreich zu besitzen. Im Jahre 173b ließ Abt Robert
über diese Weinpresse das so genannte NeugebärOe aufführen,
wo man eine schöne Ansicht der Umgebung hat. Die das Schloß
umgebenden Weingärten gehören größten Theils zum Schlosse;
der hiesige Wein wird dem Gumpoldskirchner gleich geschätzt.
Vormahls war hier gewöhnltch ein Stifrsgeistlicher als Wirth-
schafts-Verwalter, jetzt ist ein weltlicher Meier hier.
VH. Pfarre Gundramsdorf.
Ein Markt von i3c> Hausern mit beyläufig 1070 Bewoh-
nern , drey Viertelstunden von Laxenburg, Neudorf und
Mödling, eine halbe Stunde von Lraiskirchen, und eine
Vierrelstunde von Lallern und Gumpoldskirchen entfernt, un-
K 3
i/[8
mit der von Wien nach Steyermark führenden Poststraße,
und dem k. k. Neustädter-Canale. Der Ort hat an dem Schwe-
chat- oder Badnsr-Mühlbache vier Mahlmühlen, und eine
Papierfabrik, nebst Baumwollen- und Leinwaaren-Druckereyen,
und mehreren großen ansehnlichen Gebäuden, worunter der
dem Ortsbesitzer, Freyherrn von Moser, gehörige sogenannte
Traunhof, dann der Wodeckische, vormahls dem Stifte
Reichersberg gehörige Hof, unter die vorzüglicheren gehören.
Das Gebäude der Papierfabrik wär der, vormahls den Herren
von Liechtenstein gehörige, so genannte Fürsten Hof.
Die Bewohner ernähren sich vom Taglohne, von Fabriks- oder
Handwerksarbeit, von der Viehzucht und dem Mrlchverkause,
vom Acker- und Weinbaue. In dieser Gegend war vormahls
ein großer Teich, welchen aber Kaiser Carl VI., als er die
Poststraße nach Italien anlegte, austrocknen ließ. Es blie-
ben zwar noch manche sumpfige Plätze übrig; aber auch diesem
' wurde bisher möglichst abgeholfen, .und seit der 'Anlegung der
Badnerstraße unter der Kaiserin Maria Theresia und
Kaiser Joseph II., und des k. k. Neustädter -Canales un-
ter Kaiser Franz I., wurde das stehende Wasser durch zweck-
mäßig angebrachte Abzugsgräben abgeleitet, der Boden
zu Wiesen und Aeck'ern tauglich gemacht, und zugleich die
Luft von den ungesunden faulen Ausdünstungen dadurch
gereiniget.
Der Ort G undramstorf wird in einigen alten Urkun-
den auch G u n d e r st o r s und G u n d e r m a n st o r f, und im
gewöhnlichen Gebrauche Gunerftof oder Gunastors ge-
nannt. Er soll seinen Nahmen von seinem Erbauer Gun-
rram erhalten haben, der ein Bruder des ersten babenbergi-
schen Markgrafen in Oesterreich, Leopolds des Erlauch-
ten war., Urkundlich gewiß ist, daß dieser Ort schon in:
zwölften Jahrhunderte vorhanden war. Markgraf L eopoldIV.
der Heilige, schenkte im Jahre ii3o, nebst anderen Ort-
schaften, auch Guntramstorfseiner TochterBert ha zum Braut-
schatze. Später kam der Ort an die babenbergischen Herzoge
von Mödling. Im Jahre 1282 fertigte Herzog Heinrich
der Jüngere von Mödnng eine Urkunde zu Gun-
*49
drambsto rff aus, in welcher er dem Stifte Heiligenkreuz
den Besitz eines um 8 Talente angekauften Waldes Peitstein
am Aningerberge, welcher noch jetzt zu Tallern gehöst, bestä-
tigte. Doch, hatten auch andere Herren' Besitzungen zu Gun-
rramstorf; so z. B. schenkte im Jahre -.261 Rapato von
S ch ö n e n k i r ch e n dem Stifte Heiligenkreuz ein Haus (our-
u!e) und eine Wiese zu Gundrambstorff. Dernselben Stifte
schenkte im Jahr 1276 Ulrich von Rohr und Rapato
von Schwabenberg eine große Wiesedaselbst. Im Jahre
1287 erkaufte Abt Sieghardt von Heiligenkreuz
ein Haus zu Gundrambstorff von Leopold von Sachsen-
gang dem Aelteren. Im Jahre i359 vermiethete Abt
Conrad II. den hiesigen Stifts-Heiligenkreuzerhof, auch
Strahhof genannt, an die Ortsgemeinde.
Es gab auch ein adeliges Geschlecht, das von dem
Orte seinen Familien- Nahmen führte, und denselben wahr-
scheinlich von dem Landesfürsten zu Lehen erhalten hatte, und
längere Zeit im Besitze desselben blieb. Im Jahre n5b er-
scheint ein Heinrich von Gundramstorf in einer Ur-
kunde des Stiftes Zwettl; und im Jahre 1168 derselbe Hein-
rich in einer Urkunde des Stiftes Klosterneuburg. Im Jahre
1220 kommt im Stifts-Mölker-Archive ein Rudeger, und
tm Jahre i23o in einer Ktosterneuburger- Urkunde, da Her-
zog Heinrich von Mödling dem Stifte das Dorf Ko-
gelbrunn verkaufte, ein Chall) och von Gundramstorf
vor. Im Jahre 128b liefet man einen Dietrich und Ul-
rich, und im Jahre 1290 einen Meinhard von Gun-
dram st or f. Im Jahre 1824 erscheint ein Dietrich von
Guntramstorff, der des Herzogs Albrecht II. Hof-
meister war, und nach dem Zeugnisse der Handschrift: Mau-
solaeum se*u Cryptarium Sanctae Crucis , in der alten
ehemahligen Pfarrkirche zu Heiligenkreuz begraben wurde,
und dessen Grabstein daselbst die einfache Aufschrift: Ma-
gister Distrietus hatte. Seine Gemahlin Agnes war mit
ihren Söhnen im Jahre i33o noch im Besitze von Gun-
dramstorf, und verkaufte es an Heinrich von Hausgra-
,So
b e n. Der folgende Besitzer war H er z og Albr ech t III.
der es im Jahre i38i an den Grafen Hermamn von
Eil ly verkaufte. Nach dessen Tode kam es an die Brüder
Hanns und 'Albrecht von Ebersdorf, von denen
es Herzog Albrecht IV. für den Ort Prinzendorf ein--
tauschte. Dann kam Gundramstorf in die Hände der H e r-
ren von Rapp ach, die den Ort im Jahre 1447 an Hein-
rich von Harden und dessen Gemahlin Anna, geborne
Edelparz, verkauften. Diese beyden wählten sich ihre Grab-
stätte Ln der Pfarrkirche des Ortes, Ln welcher auch ihr
Sohn, Lorenz Haiden, Bürgermeister von Wien, der
sich Herr von Gundramstorf und A ch a u schrieb, im
Jahre i486 beerdiget wurde (siehe Wis g ri l l.) Dieser Lo-
renz Haiden machte einen Vermittler bey dem Familien-
zwiste zwischen Kaiser Friedrich IV., dessen Brude'r Al-
brecht VI. und ihrem Vetter Sigismund von Tyrol.
Er selbst machte die Theilung der Burg zu Wien unter diese
drey Herren, und beherbergte wahrend des Streites Sig-
munden in seinem eigenen Hause rückwärts des Rathhauses,
damahls der Propsthof genannt. Er erklärte sich endlich für
Albrecht VI., bewaffnete seine Unterthanen zu Gundram-
storf, ließ die Kirche und den'Freydhof daselbst mit einer
Mauer und einem Walle umgeben, zog 60 Schritte von die-
sem entfernt noch einen zweyten Graben, wovon die Ueber-
reste noch heut zu Tage zu sehen sind, und stellte sich so dem
Kaiser zur Wehre entgegen. Dre Kaiserlichen versuchten alle
Mittel, um sich der verschanzten Kirche bemächtigen zu kön-
nen. Da die Kriegs-Maschinen nicht hinreichten, so wollten sie
des Nachts den Graben mit Erde und Mist (Dung) anfüllen,
um leichter über denselben kommen zu können. Die Belagerten
nahmen aber zur List ihre Zuflucht; sie übergössen. Erde und
Mist mit Wasser, und da dieses der damahligen Kälte wegen
schnell und stark fror, so konnten sich die stürmenden Solda-
ten auf dem Eise nicht erhalten, und ihr Vorhaben wurde ver-
eitelt. Dessen ungeachtet eroberte Kaiser Friedrich den
Ort, und zwang die Bewohner, Albrechten abzusagen.
Die Familie Haiden blieb im Besitze des Ones Gun-
dramstorf zum Jahre 1599, in welchem sie denselben an
Hanns Christoph von Wollzogen zu Neuhaus ver-
kaufte. Im Jahre 1608 erhielt den Ort W 0 lfgang F u r t h
von F u r t h e n b e r g vom Kaiser M'a L h i a s zu Lehen, dem
nach zwey Jahren sein Sohn Johann Baptist im Besitze
folgte. Im Jahre i(>35 wurde der Ort Gundramstorf k. vice-
domisch. Im Jahre \^55 gelangte das Stift Zwettl
durch Kauf zum Besitze des Ortes/ aber schon im folgenden
Jahre wurde gleichfalls durch Kauf Herr von Gundram-
storf/ Carl Leopold Freyherr von Moser/ dessen
Nachkommen noch jetzt diesen Markt besitzen/ der für die Fa-
milie eine eigene Herrschaft macht. In den Jahren 1629 und
1683 wurde der Ort von den Türken gänzlich verbrannt;
daher man noch hier und da Ruinen von alten Gebäuden und
Mauern in und um den Ort sieht. In letzterem obigen Jahre
wurden auch alle Bewohner/ die im Orte zurück geblieben wa-
ren/ von den Türken niedergesäbelt/ bis auf einen Mann/ der
sich in der Todtenkammer versteckt hatte. Dev.Ort konnte nur
langsam wieder erbauet und bevölkert werden. Im Jahre 1718
wurden viele Bewohner von der Pest dahingerafft. Im Jahre
1760 verheerte eine Feuer'sbrunst den ganzen Orr. In
den beyden französischen Invasionen im Jahre i8o5 und
1809 blieb zwar Gundramstorf von Mord und Brand ver-
schont, hatte aber wegen der Nahe der Poststraße vieles
auszustehen. Durch Fleiß und Thätigkeit der Bewohner erhohlt
sich der Ort wieder/ und gelangt zu einigem Wohlstände.
In kirchlicher Hinsicht ist Gundramstorf eine der älte-
sten Pfarren; doch weiß man von ihrer Gründung nichts
Näheres. Im Jahre r 282 kommt eilt Albertus Junior
von Sa \\c t Petronell a, als Pfarrer in Gundramstorf
vor/ welcher mit Bewilligung seines Vaters, Albertus Se-
nior von S anet Petronell a und seiner Brüder Pe-
ter und Hugo, die von seinem Anverwandten (die Urkunde
sagt: patrui mei filiis) Hertnid von Lichten stein dem
Stifte Heiligenkreuz gemachte Schenkung eines Bauplatzes im
Bezirke des Freydhofes der Kirche zu Gundramstorf bestätigt,
damit sich dasselbe, Stift eine Veste zur Zuflucht und zum
1Z2
Schutze seines Eigenthums Ln Kriegszeiten daselbst erbauen
könne. (^rea, in coemeterfo ecclesiae, ad fundenclum
et construendum super eam aedisieium, pro munimine
et conservatione rerum tempore belli). Diese Urkunde
fangt mit den Worten an' »Cum curam regendae eccle-
siae in Gundranibstorff rite ac legitime suscepissem.«
(Da ich auf eine rechte und gesetzmäßige Art die Obsorge und
Leitung der Kirche zuGundramstorf übernommen habe, u. s. w.)
Im Jahre 1842 war hier Pfarrer Leopold von Sach-
sen gang, der im nähmlichen Jahre in die Pfarre Traiskir-
chen übersetzt wurde, laut eines von ihm an das Stift Melk
ausgefertigten Reverses. Zur Zeit, da die befestigte Pfarr-
kirche von Kaiser Friedrich IV. belagert wurde, war
dieselbe ein gothisches Steingebäude auf zwey Säulenreihen
gestützt, mit einem spitzigen Steinthurme. Unter der Kirche
war auf der Ostseite ein 3o Schritt langer Gattg bis in das
nahegelegene Schlößchen, welches wahrscheinlich das nähm-
liche war, von welchem obige Urkunde des Pfarrers Albert
spricht, und zu welchem schon im Jahre 1279 Kaiser Rudolph
dem Stifte Heiligenkreuz ein Privilegium in Hinsicht der nöthi-
genArbeiter ertheilte. (Privilegium de conducendis operariis
in Gundrambstorö). Jetzt steht auf diesem Platze ein Bür-
gershaus Nr. 4b.
Zur Zeit der Reformations-Unruhen wurde der
katholische Pfarrer von hier verdrängt, und das Kirchengut
vergeudet. Im Jahre 1644 befand sich aber doch ein katholi-
scher Pfarrer hier, C 0 n r a d S ch w a b, der aber keinen Stif-
tungsbrief mehr aufweisen konnte, wie das Visitations-Buch be-
richtet. Seine Einkünfte bezog er von einigen dienstbaren
Häusern, dem Ertrage von 19 Joch Aeckern, 3 Weingärten,
und bo theils öden, theils am Teiche liegenden nassen Wiesen.
Neben der Kirche gegen das Gebirge zu stand ein altes Schul-
haus. Am 28. März 1678 berichtete der zur Untersuchung der
kirchlichen Verhältnisse des Landes angeordnete Klosterrath an
den Landesfürsten, daß der Vicedoms-Verwalter'zu Gundramstorf
einen akatholischen Pfarrer, Nahmens Caspar Ruedolph,
eingesetzet habe, und bittet, daß dieser abgeschaffet und bestra-
i53
fet werde. Noch im nähmlichen Jahre schmiedete sich Seba-
stian von Sanct Benedict, ein junger Priester, ein
Decret, und drang sich damit in die . Pfarre ein; aber er
wurde bald dieser Verfälschung überwiesen, und in den Kerker
gesetzt. Zu seinem Nachfolger wurde Caspar Fauner, bis-
her Cooperator zu Tuln bestimmt. Wie dessen Nachfolger ge-
heißen, sagt der Bericht nicht; sondern nur, daß der Pfarrer
im Jahre 1598 durchgegangen, und nun die Pfarre schon
über Jahr und Tag der schmalen Einkünfte wegen unbesetzt
sey. Bald darauf, im Jahre 1599 erscheint Petrus Fricius
als Pfarrer allhier. Dieser brachte die größten Theils abgefal-
lene Gemeinde wieder zum alten katholischen Glauben'zurück;
aber sein Nachfolger Georg Witt mann ärgerte durch
seinen unsittlichen Wandel die Gemeinde so sehr, daß er am
19. May 1618 entsetzt werden mußte. Nun stand die Pfarre
mehrere Jahre leer; endlich versprach im Jahre 1628 Abt
Valentin v 0 n K.l e i n - M a r i a z e l l, die Pfarre mit ei-
. nem tauglichen Priester zu versehen-, wenn man ihm dieselbe
auf roJahre übergeben wollte. Er versprach nebst dem, daß
er den abgebrannten Pfarrhof bauen, die verödeten Gründe
erheben wolle, nichts von der Pfarre zu veräußern oder zu sei-
nemStiftshofe zu ziehen, sondern Alles nach Verlauf desJahr-
zehentes zurückzustellen. Dieser Antrag wurde angenommen;
aber es scheint, daß nicht alles Versprochene erfüllet wurde;
denn im Jahre 164.3 wird gesagt, daß seit Menschengedenken
an dem Pfarrhofe nichts sey ausgebessert worden. Im Jahre
1668 mußte der Marktschreiber das pfarrliche Grundbuch dem
Klosterrathe ausliefern; und dieser Rath schlug zugleich vor,
die Pfarre dem gewesenen Chorherrn zu Spital am Pyhrn,
Wilhelm Peer von S ch l a t, zu verleihen, der auch die-
selbe übernahrn. Im Jahre i683 wurde die Kirche sammt
dem ganzen Orte von den Türken verbrannt. Um der verlas-
senen Pfarre aufzuhelfen, verlieh Kaiser Leopold I. dieselbe
im Jahre 1690 dem Pr obsten v 0 n R e i ch e r s be rg, der
hier einen Wirthschaftshof hatte, auf 16 Jahre, unter den
nähmlichen Bedingniffen, wie sie früher Abt V ale nt in über-
nommen hatte. Diese Frist wurde dann noch auf 10.Jahre
verlängert, nach deren Ablauf im Jahre 1716 ein Weltprie-
ster, I 0 hannGe 0 rg, zum hiesigen Seelsorger ernannt wur-
de, mtt welchem die ununterbrochene Reihe der hiesigen Pfar-
rer- anfängt.
Da die alte Kirche ganz baufällig war, wurde im Jahre
1797 eine neue von Ziegeln erbauet; aber so wenig fest, daß
sie seitdem bedeutend gesunken ist, und hier und da Risse in
den Mauern erhielt, obschon sie übrigens licht, geräumig und
schön ist; der Thurm ist niedrig und unansehnlich. Der heilige
Apostel Jakob der Aeltere wird als Patron verehrt.
Das Patronat der Pfarre ist landesfürstlich. Das Kirchenver-
mögen, welches im Jahre 1781 noch ein Capital von 6b5cr
Gulden betrug, ist größten Theils zum Kirchenbaue verwendet
worden;-an Messen-Stiftungen ist jetzt noch ein Capital von
beyläufig 1000 Gulden vorhanden. Im Jahre 1797 wurde
auch das Schul Haus neu erbauet. Beym Abbrechen des al-
ten fand man an einer Wand einen Grabstein, auf dem ein
geharnischter Ritter war; vermuthlich ein Andenken der Fa-
milie Harden. Man kam auch auf alte Mauerstücke, und
eine alte Küche, in der sich noch Asche und todte Kohlen vor-
fanden; man gerieth sogar auf Menscheygerippe, unter de-
nen sich eines durch Größe auszeichnete, bey welchem ein lan-
ges Schwert lag. — Auf dem Freydhofe ist bemerkenswerth
das Grabmahl des Feldmarschall-Lieutenants Heinrich
Grafen v 0 n R ot t e r m u n d, der hier das Haus Nr. 46 be-
saß, und seiner Schwiegermutter, Carolina von Bell-
rug s. Außerhalb des Ortes gehört zur hiesigen Pfarre in der
weitesten Entfernung von einer halben Stunde, ein Jäger-
haus, dann ein Ziegelofen, ein Dammhaus, und eine Mühle
gm k. k. Neufta'dter-Canale.
vm. ©anet Helena.
SÖtere unter dem Patronate und der Herrschaft Weikersdorf
stehende Lokalte enthält, nach der Conscnption vom Jahre
L824, 119 Hausnummern; nähmlich dießseitö des Schwechat-
i55
flusses die Ortschaften: i) Nauhenstein, mitc)Hausnummern ;
2) Sancr Helena, mit26 Hausnummern; 3)Weikerstorf,
mit 26 Hausnummern; dann jenseits des Schwechatflusses 4) die
Ortscbaft D ö rfel, wovon aber der kleinere unterhalb desMa-
riensprtals gelegene Theil zur Pfarre Baden gehört.
Der zur Localie Sanct Helena gehörige Theil dieses Or-
tes hatte früher 28 Hausnummern, und erstreckte sich vom
Marienspitale bis zu dem von der Frau Gräfinn Rzewuska
erbauten, jetzt dem Herrn von D upou rt gehörigen Gebäude,
an welches der Ort B o int gränzt. Nach der Conscnptron vom
Jahre 1824 werden unter der Benennung Dö rfel 69 Haus-
nummern begriffen, weil damit auch die Ortschaften Bornt,
mit 12 Hausnummern, dann Leithen, mit i5 Hausnum-
mern (wovon 9 zum Pallaste Weilburg gezählet werden), und
W 0 l f s t h a l, mit 4 Hausnummern vereiniget wurden. Von
jedem derselben wird nun einzeln eine ausführliche Schilderung
hier folgen.
1) Der Ort Sancr Helena hat seinen Nahmen von
der hier befindlichen und der heiligen Helena geweihten Pfarr-
kirche. Wer der erste Erbauer dieses kleinen Gotteshauses ge-
wesen, weiß man jetzt nicht. In einer Urkunde des Stiftes
Melk vom Jahre i5i8 kömmt schon ein h^er angestellter Be-
neficiat vor, mit den Worten: »Herr Peter, Benefiziat
zu fand Helen unther dem Rauchenstain.«
Zur Zeit der Reformations-Unruhen drang sich bey diesem
Kirchlein ein protestantischer Pastor ein, wahrscheinlich
durch die der protestantischen Religion zugethane Ortsherrschaft
unterstützt; es ist aber jetzt unbekannt, wann eigentlich, und
wie lange derselbe hier gehauftt habe. G^wiß ist, daß, als
Ka serRudolph ?!. die Herrschaft Rauhenstein an den Herrn
von Säu r verkaufte, ec zugleich demselben den Auftrag
gab, die öde Kirche wieder zu bauen, und den katholischen
Gottesdienst herzustellen. Der Kirchenbau wurde auch wirklich
im Jahre *584 vollendet; aber es kam kein eigener Geistlicher
hierher, sondern, wie aus einem Attestate vom Jahre 1647
erhellet, das Beneficium von Sanct Helena wurde jedes Mahl
dem Pfarrer zu Baden von der Ortschaft zugestanden;
die Bewohner der Umgegend aber blieben nach Baden einge-
pfarrt, bis im Jahre 1794 die Gutsbesitzerin, Frau Anna
M agd alena v. D ob b el h of, geborne v. Quarient und
R ä'a l, hier neuerdings einen Beneficiaten stiftete, der aber
die Seelsorge nicht versehen durfte, weil sich die Pfarrer von
Baden weigerten, dieselbe zu übergeben.
Schon früher, nähmlich im Jahre 1787, hatte Herr Sa-
lomon von PLazzoni, der erste Gemahl der letztgenann-
ten Frau, die kleine Kirche auf eigene Kosten erweitert, und
ihr die heutige Gestalt gegeben 1). Im Jahre 1783 wurde
endlich SanctHelena zu einer Localie erhoben, und dem neben
der Kirche, in dem im Jahre 1765 erbauten Beneficiat-Hau-
se wohnenden Seelsorger, die obbenannten Ortschaften zuge-
theilt. In der Kirche ist der Hochaltar mit dem Blldnisse der
heiligen Patroninn Helena gezrert; auf den zwey Seiten-
altären ist rechter Hand ein Bild Mariens; und auf dem lin-
ker Hand sind die Statuen der heiligsten Dreyfaltigkeit von
Töpferarbeit, welche schon über 600 Jahre alt seyn sollen,
und vormahls in der Sanct Stephanskirche zu Wien gestan-
den haben. Anden Wänden der Kirche sind vier Grabmäh-
ler angebracht. Das erste aus hartem Steine ist dem Anden-
ken Georg S auer's und seiner Gemahlin Katharina;
das zweyte dem des Abraham Maß, eines k. Feldmessers,
gewidmet; das dritte aus Marmor erinnert an den Erweiterer
der Kirche, Salom on von Piazzo ni (-j-24. May 1741),
der aber zu Wien begraben wurde; das vierte Grabmahl ist
sehr schön, und stand vormahls in der Augustinerkrrche nächst
der Burg zu Wien; es wurde im Jahre 1787 hierher versetzt,
und ist dem Gedächtnisse des Herrn Carl von Dobbelhof-
D ier geweiht, der am 1. Januar 1766 verstorben ist.
Das Thal, in welchem diese Kirche steht, wird wegen
derselben das Helenenthal genannt, und ist durch Natur
und Kunst eines der reitzendsten Thäler Oesterreichs. Es ist eine
kleine halbe Stunde westlich von Baden entfernt, und man
1) Archiv der Herrschaft Weikerstorf; herrschaftl. Urbarium, Seite 4. Ti-
tel: Vogtey Sanct Helena.
gelangt in dasselbe von Baden aus dießseits des Schwechat-
fluffes, entweder auf einem angenehmen Wege am so genann-
ten Mitterberge zwischen Weingärten durch die gräflich Ale-
xandrowitzische Anlage daselbst, und durch eigens hierzu ge-
bahnte Wege am Gebirge, durch schroffe Felsen und harzduf-
tende Bäume bis zur Ruine Rauhenstein, und von da abwärts
bis zur Kirche; oder am Gebirge weiter vorwärts bis zum
Mauthhause an der Straße nach Heiligenkreuz, und zu der
schonen, zwischen zwey Felsen bogenartig über den Schwechat-
fluß gespannten Antons-Brücke^); oder auch durch das Dörfel
bis zur Weilburg jenseits des Aubaches, oder aber auf dem ei-
gentlichen geraden Wege von Baden durch Gutenbrunn und
Weikerstorf/ die Wohnung und die schonen Anlagen des Rit-
ters von Schönfeld vorüber. Dieser Weg ist für Wagen
und Fußgänger sehr bequem, und durch die Großmuth des all-
gemein verehrten Gönners von Baden und dessen Umgebung,
Sr. k. k. Hoheit Erzherzog Anton, durchaus, von dem Gast-
*) Sie ist eine Bogenbrücke aus Bohlen, die von dem gründlichen Ma-
thematiker und Baukünftler, Anton Egger, entworfen und
gebauet wurde. Der schon vor mehreren Jahren Verstorbene ver-
fertigte verschiedene Modelte für Bohlendächer, und führte solche
Dachstühle im Großen aus. Eine kurze Anzeige der Vortheile, die
sie gewähren, sammt der Ausmaß jedes Theiles, gab Hr. Director
Stelzhammer (der Hrn. Egger zur Aufzeichnung undWieder-
'einführnng der ganz in Vergessenheit gerathenen Bohlenvächer an-
eiferte), im Jahre i8n im Druck, wovon noch in der An ton Doll'-
fchen Buchhandlung Exemplare vorhanden sind. Da sich auch bey
dieser Wiedereinführung, aus Nebenabsichten, Gegner fanden, ob-
fchon viele Gutsbesitzer die Bohlendachstühle nach den Modellen zu
ihrer Zufriedenheit benützten, so wie sich über der Kuppel der Earls-
kirche ein doppeltes Bohlendach befindet, das, im Jahre,787 erbauet,
heute noch im besten Zustande ist; so nahmen Se. k. k. Hoheit, der
Erzherzog Ant-o n, diese Bauart in Ihren besonderen gnädigsten
Schutz, und ließen nicht nur zur allgemeinen Ansicht jene Brücke
erbauen , sondern auch auf das eigene Wohngebäude einen DachstuLl
setzen, der, nach Art der Bohlendachstühle, von dem Baumeister Eg-
ger entworfen, dann aus Gußeisen dargestellt, und mit Platten
aus Eisenblech gedeckt wurde. Er besteht aus 16 Bögen, ist iS Klafter
lang, 3 breit, 2 hoch. — Schon mehrere Jahre ist der erste von Hrn.
Anton Egger unterrichtete Gehülfe, Hr. I 0 h a n n S t i x, an der
k k. Militär-Gränze zur Erbauung der Bohlendächer für k. k. Aerarial-
Gebäude angestellt'
i58
Hause am Anger zu Weikerstorf angefangen, bis zur Kirche zu
Sanct Helena, mit Reihen von Pappelbaumen besetzt. Dreses
Thal wird daher an schönen Sommerabenben von Baden aus
häufig besucht; und es ist wirklich ein sehr schöner Anblick, die
am Platze vor der Kirche versammelten Wägen, die besonders
auf der sogenannten HauswLese jenseits des Schwechatflufles
hin- und herwogende Menge von Menschen aus jedem Stande,
Geschlechte und Alter, die verschiedenen Gruppen der beym
Mauthhause, oder im Gasthause neben der Kirche, oder in den
zerstreuten Hütten der Thatbewohner sich Erquickenden, so wie
die auf den beyderseitigen Berganlagen und Ruinen der drey
Rlttervesten Umherwandelnden mit anzusehen.
Man wandelt auf die angenehmste Art in diesem Thäte
vorwärts an beyden Ufern des Schwechatflusses bis zur so«
genanntenKrainerhütte, und von da bis zum Stifte Hecklgen-
kreuz; oder hinter der Antons-Brücke an dem Ufer des rau-
schenden Puebaches bis zu dessen Wasserfall; oder über den
schwarzen Berg bis nach Siegenfeld. Am Eingänge des Tha-
les, zwischen dem Pallaste Weilburg und den gegenüber unter
schroffen Felsen befindlichen Ritter von Schönfeldischen Ge-
bäuden und Anlagen, ist im Schwechatfluße eine große Was-
serwehre, oder ein künstlicher Wasserfall angebracht, bey welchem
sich der Schwecharfluß in zwey Arme theilt; in den Aubach,
der ln den Urkunden auch Schüttbach genennr wird, und bey
angeschwollnem Wasser oft große Verwüstung der Umgebung
verursacht, welcher jedoch jetzt durch zweckmäßige Eindämmung
des Ufers mittelst Weidenbäume ziemlich vorgebeugt wird; und
den Mühlbach, der immer gleichen Rrnnsal behält, und
jährlich zu btefem Zwecke, nachdem bey obiger Wehre der Ein-
stuß des Wassers verhindert worden, vom Schlamme und Un-
rarh gereiniger wird. Er treibt auf seinem Laufe 28 Werke,
Und bey 90 Mahlgänge, und vereinigt sich bey Achau wieder
mit dem 'Airbache, von wo an der Fluß wieder Schwechat
genannt wird. Vormahls war im Helenenthale, da wo jetzt
dre Anrons-Brücke ist, eine Klause, welche Herr Bürger-
meister Mayer in seinen Miscellen von Baden sehr gut
abgezeichnet hat. Diese Klause wurde im Jahre 1767 erbauet.
LÄH
um da6 von KlausemLeopoldsdorf hierher geschwemmte Brenn-
holz aufzuhalten; von hier wurde es bann bis zum k. k. Holz-
rechen bey Möllerstorf geschwemmt. Beyde wurden im Jahre
1807- weggebrochen, und dafür von dem k. k. Baumeister
Philipp Schlucker der große Holzrechen erbauet, der sich
im Helenenrhale von der Gegend der Kirche bis zur Wasser-
wehre und der Wohnung des k. k. Holzversilberers aus-
dehnt. Es werden jährlich bey 20000 Klafter Holz hierher ge-
schwemmt, welches entweder hier verkauft, oder auf Wagen
nach Wien, oder nach Leestorf zum k. k. Canale geführet, und
von da zu. Schiffe weiter bis Wien gebracht wird.'
An der Gränze von Sanct Helena, nahe bey Weikerstorf
ist das Schulhaus, dessen Entstehung und Schicksale mcht
bekannt sind. Die Zahl der schulfähigen Kinder betragt jetzt
bey ibo.
2) Rauhen stein, faßt 9 Hauser in sich; und gränzt un-
mittelbar an den Ort Sanct Helena gegen Westen. Nahe bey
der Kirche ist das von Herrn Otto, Inhaber des Cassino
zu Baden, erbauete, jetzt dem Herrn Baron von Leykham
zugehörige Gebäude Nr. 1 bemerkenswerth; so wie etwas
weiter westlich das k. k. Waldamts'Maürhhaus, bey welchem
die Spatzierga'nger sich mit Milch und Kaffeh zu erquicken pfle-
gen. Im Bezirke dieses Ortes befinden sich auf der Nordwest-
seite des Helenen-Thales nahe bey der Kirche, auf schauerli-
chen grotesken Vorsprüngen von Kalkfelsen und Klippen die
Ruinen der Veste Rauhen stein. Man kann zu densel-
ben vom Thäte aus auf mehreren durch die menschenfreundliche
Güte Sr. k. k. Hoheit des Erzherzogs Anton angelegten zier-
lichen Wegen gelangen, ja sogar auf bequemen Stiegen den
Thurm der Veste bis zur Zinne besteigen, wo ein Geländer
mit Ruhesitzen angebracht ist, und die Mühe des Aufsteigens
durch die herrlichste Aussicht reichlich belohnet wird. Dieses
'Schloß war vormahls ziemlich groß, wie man noch deutlich
aus den Ueberresten ersehen kann. Es war zwey Stockwerke
hoch, deren Fenster noch größten Theils vorhanden sind; die
Ringmauern sind hoch und fest, und der Waämhurm ist von
Quadersteinen gebauet; man kann nebst dem Wartthurme noch
i6o
alle Abtheilungen des Schlosses und der damahls zur Verthei-
digung gehörenden Außenwerke genau unterscheiden. DieMau-
ern dieser Ruinen sind größten Theils noch vom zerstörenden
Brande schwarz; oder auch darum, weil vormahls innerhalb
derselben eine Kienruß- und Terpenthin-Brennerey betrieben
wurde. Das Thor zu dem Innern des Schlosses kann gesperrt
werden, und der Meßner der Sanct Helenen-Kirche, der
hier gleichsam eine Art von Burgvogt ist, hat die Schlüssel
dazu ; doch ist der Eingang gewöhnlich offen, und ein Mann
führt daselbst die Aufsicht über ein Gedenkbuch, welches Se.
k. k. Hoheit der Erzherzog Anton in dieser Burg -zum Ein-
schreiben für die Besuchenden gestiftet hat.
Die Geschichte dieser Burg verliert sich in das
graue Dunkel der Vorzeit. Nach der Meinung einiger soll diese
Veste schon im Jahre 919 Ernst Turso erbauet haben; sie
scheint aber neueren Ursprunges zu seyn; denn in dem Stift-
briefe von Heiligenkreuz, in welchem ein Hartung von
Rauheneck, und die meisten benachbarten Gutsbesitzer als
Zeugen erscheinen, geschieht von Rauhenstein keine Erwäh-
nung. Im Jahre 1160 kommt in Urkunden des Stiftes Hei-
ligenkreuz zuerst ein S e y f r ie d Tu r so v 0 n R au h e n st e i n,
und im Jahre 1178 ein Heinrich von R a u h e n st e i n als
Zeuge vor; den ersteren kann man also mit vieler Wahrschein-
lichkeit für den eigentlichen Erbauer dieser Veste halten. Eine
bekannte V olkssag e erzählt, daß Hulda, eine Tochter
Heinrichs von Rauh enstein, denjenigen Ritter zu
ehelichen versprochen habe, der ihr das Nützlichste und 'Ange-
nehmste aus dem heiligen Lande Palästina bringen würde.
Dieses erfüllte ein Walther von Merken stein (der
aber indessen Tempelritter geworden), indem er den Safran mir
sich brachte, und der Erste dessen Anbau in Oesterreich beför-
derte. Im Jahre 1208 erbaute Otto Turso von Rau-
hensteinein Haus in Wien, zum Rauhenstein genannt;
(heut zu Tage zur ungarischen Krone). Dieser liegt zu Heili-
genkreuz begraben. Seine Tochter Elisabeth wurde im
Jahre 1224 an Ulrich von Cappel verehliget; und seine
Heyden Söhne Otto von Rauhenstein, und Hugo
i6i
von Weyerbu r g, kommen im Jahre 1233 in einer Sehen»
kungs-llrkunde von Heiligenkreuz vor. Im Jahre i3*3 kommt
ein Albert von Rauhen stein vor, mit seinem Bruder,
Jacob von Pillichsdorf; setnc Gemahlin hieß Clara;
er vertrieb die Secte der Adamiten, welche im untern Dorfe
des Thales ihren Wohnsitz aufschlagen, und dort ihr Unwesen
treiben wollten. Im Jahre i344 verkaufte Hartnid von
Rauhenstein seinen Antheil an dem Markte Oed an die
Famiüe Wallsee. Im Jahre i36s war Heinrich von
R au hen stein Zeuge, als Herzog Rudolph IV. mit
Mainhard von Tirol einen Vergleich schloß. Dieser
Heinrich, oder dessen Sohn, hielt, nach einer Urkunde des
ehemahligen Augustlnerklosters zu Baden, im Jahre i38o
den Hartn id von Poystorf im Burgverließe zu Rau-
henstein gefangen, und entließ ihn nur gegen dem, daß er
eidlich und schriftlich versprach, "in ein Kloster zu gehen, und
lebenslang darin zu verbleiben, wofür seine Familie haften
mußte. Was dazu Veranlassung gegeben, ist unbekannt. Die
Urkunde hat Herr Carl von Schenk in seinem Handbuche
über die Schwefel - Ouellen Badens, im Jahre 181-7 S. 67,
durch den Druck bekannt gemacht Im Jahre 1882 vermachte
K u n i g u n d e v 0 n R a u h e n st e i n, Hofmeistern der Herzo-
gin von Oesterreich, dem Kloster Heiligenkreuz auf einen Jah-
restag für sich und ihren Hauswirt!) und alle ihre Vorfahren
und Nachkommen, »3 Pfund und 4 Denar jährlicher Ein-
künfte. . Nach alten Handschriften ist ein Rüdiger von
Nauhenstein und Eberstorf in Heiligenkreuz begra-
ben. Im Jahre 146b besaß dieses Schloß Wilhelm von
Puchhaim. Als die Gemahlin des Kaisers Friedrich IV.,
E l e 0 n 0 r a, nach vollendeter Bade-Cur das Stift Heiligen-
kreuz besuchte, und von da durch das Helenenthal nach Neu-
stadt zurück fuhr, fielen die Reisigen dieser Burg über die Pack-
wagen der Kaiserin her, und plünderten sie aus. Dieses
Frevels wegen wurde die Veste Nauhenstein von den Solda-
ten des Kaisers, die er von Wien und Neustadt hierher sandte,
belagert, und mit Sturm erobert.
Aus Rache schlug sich P u ch h a i m zu dem Raubet
2
■1Ö2
Georg ® t mi / und plünderte die umherliegenden Ort-
schäften. Da er in Linz zu dem vorgeschlagenen Vergleiche
nicht erschien, und auch von dem päpstlichen Legaten mildem
Banne belegt worden war, so verfiel das Schloß an den Lan-
de Sfürsten. Kaiser Maximilia n I. übergab dasselbe im
Jahre i5oo erbeigenrhümlich an Heinrich Grafen zu Har-
degg. Nach ihm besaß es Christoph Küthenfelder,
der im Jahre 1664 starb. Ihm folgte Wolfgang,,Freyherr
von Hohenfeld, welcher zugleich die öde Veste Rohr be-
saß. Dann erhielt dieses Schloß pfandweise von der k. Hof-
kammer im Jahre -6g2 Aegi dius Gattermayer, Kriegs-
zahtmeister in Wien, und Vorfahrer der Grafen von G at-
terburg. Nach ihm besaß es im Jahre r5g3 Andreas
D 0 z i, Freyherr vonTschernowih, commandirender Ge-
neral in Ober-Ungarn. Den 12. Februar i6g5 wurde diese
Veste, mit aller Zugehörung, Unterthanen, Landgericht,
Wäldern u. s. w., von Kaiser Rudolph II. an Georg
Sauer von Sauerberg, und seine Gemahlin Katha-
rina käuflich überlassen. Sie wählten ihr Erbbegräbniß in
der Helenen-Capelle. Die folgende Besitzerin war Maria,
Gräfin von Sinzendorf, geborne Hohenfeld, und
von ihr erbten das Gut Ludwig, Christoph, Maxi-
milian und Otto, die Hohenfelder. Von Rosina
und Ursula Hohenfelder erkaufte es im Jahre 16-7
Hanns Paul Bayer von und zu Weikerstorf.
Sein Sohn, Helm h ard Bayer, wurde im Jahre i635 in
den Grafenstand erhoben, und schrieb sich dann Graf v 0 n un d
zu Rauhen stein. Er besaß nebst den Gütern Rauhenstein,
Scharfeneck, Rauheneck, Weikerstorf und Rohr, auch die
Herrschaft Vöslau. Durch sein Testament vom3o. Aprill i655
kam seine Mutter , Clara Benigna, geborne von
Pu ech h ai m, zum Besitze von Rauhenstein. Im Jahre -658
besaß es Andreas, Graf zu Rauhenstein und Wein-
zierl, der nach der Aussage des Leestorfer Gedenkbuches der
Frau Elisabeth Mennerinn von Greifenfeld vier-
zehn Leestorfer Unterthanen verkaufte, wovon zwölf nach Rau-
henstein und zwey nach Weikerstorf gehörten. Nach seinem
i63
bald erfogten Tode brachte dessen Schwester Susanna Ma-
ri a das Gut erblich an ihren Gernaht Carl Ludwig Grafen
vonHofkirchen. Da aber dieser ein eifriger Anhänger und
Beförderer der protestantischen Religions-Unruhen war, mußte
er auf Befehl des Kaisers Ferdinand III. aus dem Lande
wandern. Im Jahre 1661 kaufte das Gut Johann Chri-
stian Meiner von (Zreifenfel d. Im Jahre 1696 be-
kam es Bernardin Pgselli, und den 31. März 170.)
erhielt es Herr Franz Anton, Edler von Quarient
und Raal, welcher k. r. Hofrath, geheimer Referent und
kaiserlicher Gesandter in der Türkey war. Im Jahre 17*3
kamen diese Besitzungen an dessen Sohn, OttoJoseph von
Quarient und Raal, k. k. Rarh und Regenten der Nieder-
Oesterr. Länder. Dieser ließ die Veste Rauhenstein des Ver-
falles wegen abdachen, nachdem die Herrschaftsbesi'tzer schon
früher im Schlosse zu Weikerstorf zu wohnen pflegten. Seit-
dem blieb Rauhenstein eine Ruine. Nach seinem im Jahre
1718 erfolgten Tode gelangten dessen Besitzungen so, wie sie
noch jetzt vereiniget sind, durch seine Schwester Anna Mag-
dalena an ihren Gemahl Salomon Edlen vonPiaz-
zo ni; und nach dessen Absterben im Jahre 1741 t an ihren
zweyten Gemahl, Herrn C a r l H i e r 0 n y m u s Holler,
Edlen von Doppel hos, k. k. Hofrarh. Nach seinem Tode
übernahm den Besitz sein Sohn, Ant0 n Freyherr von Dop-
pethof-Dier, k. k. Hofrath. Dieser starb im Jahre 1810;
und seine vier hinterlassenen Söhne besitzen noch gegenwärtig
das Gut«
3) Weikersdorf, ein Dorf, größten Theils dießseits
des Schwechatflusses zwischen den Dörfern Gutenbrunn und St.
Helena-Rauhenstein, mit beyden beynahe ununterbrochen zu-
sammen hängend. Das Gasthaus zum Anger genannt, ge-
wöhnlich unter dem Nahmen des Helfer-Wirthshauses bekannt,
dann einige kleine Häuser, nebst dem von der Regina Freyin
von Archelbürg erbauten schönen, jetzt dem Freyherrn
von Fahnenberg gehörigen, Wohngebäude und dazu ge-
hörigen Garten, und das herrschaftliche Schloß mit der
Meierey und dem großen Garten, befinden sich auf einer In-
L $
i64
sel des Schwechatflußes, zwischen dem Mühlbache und An-
bache. Obiges Gasthaus/ vor dem sich eine Säule der heiligsten
Dreyfaltigkeir befindet, ist darum merkwürdig, weil hier vor-
mahls alljährlich am Ostermontage ein besonderes V o lksf est
geseyert wurde, nähmlich ein Wettrennen, welches von
uralten Zeiten herrührte, und erst gegen die Mitte des achtzehn-
ten Jahrhundertes aufhörte. Vor einer Menge von Zuschauern
mussten an jenem Tage sechs junge ledige Burschen, und sechs
Mädchen des Dorfes, vom Dorfe Gutenbrunn angefangen bis
zu diesem Gasthause Wettlaufen, und zwar im angestrengtesten
Laufe. Vor dem Gasthause waren Sitze für die gnädige Herr-
schaft bereitet, und jeder ankommende Läufer mußte, die Bur-
schen dem ^gnädigen Herrn, und die Mädchen der gnädigen
Frau, zu Füßen fallen, und ihnen die Hände küßen, um gleich-
sam eine Art Huldigung zu bezeigen. — Die Wettlaufen er-
hielten dann, unter dem Schalle von Trommeln' und Pfeifen,
eine Belohnung, die in einem neuen Kleidungsstücke und ei-
nem Stücke Geldes bestand; hierauf war im Easthause Tanz-
musik,, wozu die Ortöherpschaft gewöhnlich einen Eimer Wein
schenkte.
Ein anderes Volksfest harte auch hier jährlich am
Pfingstmontage Statt, welches vormahls auch in den meisten
Ortschaften an den so genannten Kirchtagen oder Kirchweihfe-
sten gebräuchlich war. Es wurde nähmlich vou dem Gasthause
ein so genannter Maybaum, ein hoher geradestämmiger Tannen-
baum in der Erde befestigt, und an dessen obersten Ende ein
grüner Strauß mit verschiedenfarbigen Bändern, einem Halstu-
che mit einigen Stücken Geldes, und ein paar Flaschen (Angster
genannt) voll Meth und Wein, angebunden. Die jungen Bur-
schen zeigten hier ihre Geschicklichkeit im Klettern, und ihre Lei-
besstärke; denn da der Baum von unten bis oben von der äu-
ßern Rinde entblößt, folglich durchaus glatt und von beträchtli-
cher Höhe war, und noch dazu mit Seife bestrichen wurde, so
gehörte gewiß eine große Kraftanstrengung dazu, um sich daran
fest zu halten, und an ihm in die Höhe zu steigen. Derjenige,
dem es gelang, das oberste Ende zu erreichen, durfte sich die
daran'befestigten Sachen zur Belohnung zueignen? jene aber,
i6 5
denen der versuch nußlang, dienten den Zuschauern zum Ge-
lächter und zur Belustigung. Dabey verkaufte ein Lebzelter
Meth und Lebkuchen, und im Gasthause war Tanzmusik;
welch letzterer Gebrauch noch in unseren Zeiten an den so ge-
nannten Kirchtagen beybehalten ist.
Diese aus den alten-Ritterzeiren herstammenden Volksspiete
hatten das Gute an sich, daß die jungen Leure sich zum 'Vor-
aus darauf freuten/ und um an einem solchen Tage mit Ehren
auftretenzu können, auf sich aufmerksam blieben, einen ge-
sunden, starken Körperbau zu erhalten, und sich in Uebung der
Leibeskräfte eine Fertigkeit zu erwerben suchten. Da gewöhn-
lich tue Ortsherrschaft mehr oder weniger an solchen Volks-
festen Antheil nahm, so dienten dieselben auch dazu, die An
hänglich'eit und Liebe der Unterthanen zu ihrer Ortsobrigkeit
zu vermehren, und zu befestigen.
In diesem Orte sind an dem Muhlbache zwey Mahl- und
eine Sagemuhle, durch welche letztere man von dem Mitter-
berge und Calvarienberge aus zum herrschaftlichen Schlosse,
und von da weiter, dießsets des Baches, nach Sanct Helena
gelangt.
Dre herrschaftliche Meierey, bey welcher sich auch die Woh-
nung des herrschaftlichen Verwalters und die Kanzley befindet,
ist besonders Nachmittags im Sommer der Sammelplatz vieler
Badegäste zum Genusse von guter Schmette, Milch und Kaffeh.
Der anstoßende große Zier-, Obst- und Küchengarten steht
täglich für Spaziergänger offen, und wird auch häufig besucht.
Dte Südostseire desselben ist mit einer Mauer umfangen, und
außerhalb derselben ist eine Allee von hohen Lindenbäumen,
durch welche die Fahrstraße von Gutenbrunn nach Sanct Helena
führt.
Die Bauart des herrschaftlichen Schlosses ist aus
den neueren Zeiten. Dasselbe ist mit einem Wassergraben um-
geben, der aber jetzt ausgetrocknet ist, und zu Gartenanlagen
benützt wird. Der erste Erbauer dieses Schlosses und Grün-
der dieser Herrschaft ist nicht bekannt; doch scheint es derselbe
Hugo von Wey er bürg gewesen zu seyn, der ein Bruder
des Otto von Rauhenstein war, und im Jahre »233
i66
dem Stifte Heiligenkreuz den Berg und Wald Burgstatt schenkte,
über welchen noch jetzt die Straße von Sanct Helena nach Hei-
ligenkreuz führt. Dieser Hugo hatte wahrscheinlich bte väter-
liche Besitzung mit seinem Bruder getheilt, und diese Herrschaft
zu seinem Antheile erhalten. Da der altere Bruder im väterli-
chen Schlöffe Rauhenftein blieb, bauete sich Hugo in seiner
benachbarten chm zugetheilten Besitzung eine Burg , die er von
dem nahe gelegenen Teiche oder Weiher die Weyerburg nannte,
und sich zugleich diesen Familiennahmen beylegte. Wirklich ist
noch heut zu Tage im herrschaftlichen Garten unweit des Schlos-
ses ein ziemlich großer Fischteich, der zu obiger Benennung
konnte Veranlassung gegeben haben. Denn schon vor vielen
Jahrhunderten vorhanden, kommt er in der Urkunde Kaiser
Friedrichs IY. v. I. 1480, worin die Gränzen des Burg-
friedens der neuen Stadt Baden bezeichnet werden, unter dem
Nahmen Häckleinsteicht vor; vermuthlich, weil der damah-
lige Besitzer dieser Herrschaft Hacklein hieß. In späteren Zei-
ten konnte der Nahme Weyer leicht in Weiker, und Burg in
Dorf verändert werden; und so entstand der heutige Nahme
W e L k e r s d 0 r f.
Der erste geschichtlich bekannte Besitzer von Weikersdorf ist
HannsPaul Bayer, der sich Herr von und zu Weikers-
dorf schrieb, und im Jahre 1617 auch die Herrschaft Rauhen-
stein sammt den damit vereinigten Besitzungen erkaufte, seit
welcher Zeit dieselben auch immer (Vöslau undWeinzerl aus-,
genommen) unter einem Herrn vereiniget blieben, und das
Schloß Weikersdorf der beständige Wohnsitz der Gutsbesitzer
wurde. Ob bey .diesem Schlosse auch eine Capelle mit eiyem
Geistlichen war, ist nicht bekannt; jetzt besitzt dasselbe eine
kleine Haus-Capelle, die aber nicht benützt wird.
4) Dörfel. Jenseits des Aubaches gelegen, zählt dieser Ort,
in so weit er zur Localie St. Helena gehört, mit 64 Hausnum-
mern bey 38o Einwohner, die sich größten Theils vom Taglohne,
von der Viehzucht, dem Milchverkaufe und x>om Wein-
baue ernähren. DaS hier befindliche Marienspital gehört noch
sammt den unterhalb desselben gelegenen Häusern zur Pfarre
Baden. Die zwischen den Häusern'von Dörfel und dem
if>7
Aubache gelegene Ebene war vormahls öde und unfruchtbar;
es wußten aber die gegenwärtigen Ortsbesitzer dieselbe in gras--
reiche Gartenanlagen umzustalten. Se. kaiserliche Hoheit der
Erzherzog- C arl ließen hier eine bequeme Straße von Baden
nachdem Pallaste Weil b urg anlegen/ und mir einer Allee von
Pappelbaumen besetzen. Im Sommer wird dieselbe auch des
Nachts zweckmäßig beleuchtet/ so daß dadurch diese Gegend ei-
niger Maßen Aehnlichkeit mit dem Glacis in Wien erhält. *
Zu Dorsel werden noch folgende Ortschaften gerechnet:
a) B ornt. Ein Dörfchen/ welches gleichsam eine Fortse-
tzung und Nebengasse des Ortes Dörsel bildet/ am Fuße des
Kaltenberges zwischen Aeckern und Weingärten / mit »2 Haus-
nummern und beyläufig 80 Einwohnern» Als die Grafen von
Wallsee das Schloß Rauheneck inne hatten/ legten sie dieses
Dorf in dessen Nähe an/ welches Franz Haag um das
Jahr 1463 vergrößerte. Es gehört noch jetzt zur Herrschaft
Rauheneck.
b) Leithen. Ein kleines Dörfchen aus einigen Häusern be-
stehend/ auf einer kleinen Anhöhe oberhalb des k. k. Holzrechens
jenseits des Schwechatflusses/ am Fuße jenes Berges^ auf dessen
Spitze die Ruinen des Schlosses Rauheneck sich befinden. Die-
ses Dörfchen ist schon sehr alt; denn schon zu Anfang des
*4"« Jahrhundertes schenkte Bert hold von Arnstein dem
Stifte Heiligenkreuz einen Hof (curiain, aream) auf der
Leithen unterhalb des Schlosses Rauheneck. Im Jahre 1414
ließ der Besitzer der Veste Rauheneck/ Re-inprecht Gras
von Wallsee/bey diesem Dörfchen zwey Warthäuser und
eine Waffenschmiede erbauen. An diesem Platze war vor eini-
gen Jahren eine Flammenruß- und Terpenthinfabrrk befindlich.
Diesen Platz kauften von dessen Besitzer Se. kaiserliche Hoheit
der Erzherzog Carl/ und machten ihn mit der nächsten
Umgebung im Jahre 1821 von der Unterthänigkeit gegen die
Herrschaft Weikersdorf frey; erbauten dann auf demselben den
Pallast Weil bürg, der eine wahre Zierde des Helenentha-
les und der ganzen Umgebung ist/ und Form und Lahmen
von dem Stammschlosse seiner erhabenen Gemahlin/ He n-
i68
viette/ Prinzessin von Nassau-Weilburg hat. Zm Sommer
des Jahres 1623 wurde Weilburg zum ersten Mahl bewohnt.
Auf der Spitze des rückwärts dieses Pallastes befindlichen
Berges, sind die Ruinen der Veste Rau he neck. Herr Graf
Franz Palfy, und Se. kaiserliche Hoheit der Erzherzog
Carl ließen bequeme Wege anlegen, auf welchen man auf
eine leichtere Art durch den Tannen- und Fa'hrenwald dieses
Berges zu den Ruinen emporkommen kann. Die äußeren
Ringmauern dieses Schlosses sowohl als'die inneren Gebäude
sind größten Theils zerstöret, und kaum kann man noch unter
den auf dem Schutte erwachsenen Bäumen und Gesträuchen
den Platz der ehemahligen Capelle und einiger Wohnungen
erkennen. Nur der massive aus Quadersteinen erbaute Thurm
ist noch ganz erhalten; er bildet ein Dreyeck, und seine Mau-
ern sind unten 10 Fuß dick; diese Dicke nimmt höher verhält-
nißmäßig ab, und oben beträgt die Dicke 8 Fuß. Die einzige
enge Oeffnung in diesem Thurme stand mit dem zweyten Stock-
werke Ln Verbindung. Zu dieser Oeffnung kann man durch ei-
nige von Außen angebrachte hölzerne Stufen, und von da
auf 80, im Innern des Thurmes erbauten Stufen von Holz
bequem bis auf die oberste Mauer gelangen, wo ein dicker
Fährenbaum seine Aeste ausbreitet, von welchem unter dem
gemeinen Volke der Urngebung die bereits uralte Sage
herrscht, daß aus dessen Holze dereinst eine Wiege gemacht
werden müsse. Würde der erste in dieselbe gelegte Knabe in
den geistlichen Stand treten, so hätte er nachdem er seine
ersten drey heiligen Messen gelesen, den Burggeist von
seinen nächtlichen Wanderungen erlöset, der einen hier
im Schlosse vergrabenen Schatz bewacht, um denselben dann
seinem Erlöser zu übergeben. Diese Sage könnte manchem Ro-
manendichter hinreichenden Stoff zu einem artigen Mährchen
darbiethen. Die Ruine wird von Baden und vom Helenen-
thale aus im Sommer häufig besucht. Auf der obersten Mauer
des Thurmes sind Geländer mit Sitzen angebracht, damit man
mit Sicherheit imb Bequemlichkeit der herrlichen Aussicht ge-
nießen könne, die hier dem Auge nebst dem Helenenthale und
Baden mehr als 60 Ortschaften zeiget. — Diese Veste ge-
16c)
hört bestimmt "unter die ältesten in Oesterreich. Doch ist ihre
Entstehung in das Dunkel der Sagen gehüllt. Ihr Erbauer
war ein Turso. Schon unter den tongobardischen Königen
Arstul pl) und Desider war das Geschlecht der Tursonen
als tapfer und heldenmüthig bekannt; als nun Kaiser Carl
der Große sein Reich bis an den Raadfluß ausdehnte, gab
er einem Turso den Auftrag, einen Theil desZipserlandes und
die Gegend an der Donau von den Feinden und Räubern zu
reinigen; er erlaubte ihm zugleich, sich einen beliebigen Wohn-
platz zu wählen. Dieser wählte sich nun den Eingang des Ge-
birges bey Baden, um freye Aussicht in die Ebene zu haben,
und den Paß der Berge zu beherrschen. Er bauete hier die
Neste Rauhe neck, nannte sich davon, und wurde der
Stammvater feines Geschlechtes in Oesterreich. Gewiß ist,
daß im Jahre n36 im Sttftöriefe von Heiligenkreuz, ein
Hartung Turso von Rauhe neck als Zeuge vorkommt,
und derselbe auch im Jahre 1160 Ln einer Urkunde von Kloster-
neuburg erscheinet. Im Jahre i23i. kommt ein Heinrich
von R a u h e n e ck vor; er wird in einem Schreiben des Pap-
stes Gregor IX. als ein Verfolger des Pfarrers von Med-
ling angegeben, den er im Besitze emes Waldes beeinträch-
tigte. Im Jahre 1232 kommt in einer Urkunde des Stiftes
Heiligenkreuz, worin Herzog Heinrich von Medling die-
sem Kloster den Ort Sulz schenkte, ein Otto Turso von
Rauheneck als Zeuge vor. In einer Urkunde des Hugo
von Weyerburg vom Jahre ,233 kommt ein Dietrich
und sein Bruder Ulrich von Rauhen eck als Zeuge vor.
Im Jahre 1246 schenkte Otto Turso voll Rauhen eck
dem Kloster Heiligenkreuz drey Lehen in Nadendorf, und ein
Lehen zu Niederleiß, mit Bewilligung seiner Gemahlin A g-
nes und seines Bruders Hartung. Dieser nähmliche Otto
Tur so v 0 n Rauheneck schenkte im Jahre 2266 dem Stifte
Heiligenkreuz aüch zwey Lehen in Kaltengang, und im Jahre
»283 gleichfalls zwey Lehen eben daftlbst. In einer Urkunde
vom Jahre »278 kommt Margareth von Rauheneck,
Gemahlin des Otto Turso, als eine Tochter des Ulrich
von R 0 h r vor. Im Jahre i33i wurde ein Otto Turso von
i7°
Rauhen eck im Stifte Heiligenkreuz begraben; er ruht in
der Stiftskirche daselbst. Von ihm liesst man: Er war ein
Ehrenmann, demKaiser getreu und zugethan. Im Jahre i‘3<X)
har derselbe dem Stifte Heiligenkreuz einen vor der Pfarrkirche
Zu Baden gelegenen Weingarten, Chrumb genannt, dann
drey Lehen in Nadendorf, zwey Lehen in Kaltengang, ein
Lehen in Neusiedel, 40 Eigner Bergrecht in Pöstorf, und
51 Talente jährlicher Einkünfte in Guntramsdorf geschenkt.
Sein Sohn Benzel verehlichte sich im Jahre i334 mit Be-
eid , der ältesten Tochter Philipps von Oed. Im Jahre
i333 küufteAbtWulfing von Heiligenkreuz, von Johann
Turso von Rauhen eck die jährlichen Einkünfte von drey
Talenten und 80 Denar inGersthalm. Im Jahre i35b machte
Abt Conrad II. einen Vertrag (concambium) über 80 De-
nar Einkünfte von der Papiermühle bey Leestorf mit Turso
von Rauheneck. Im Jahre i358 verkaufte Johann
Turso von R a u h e n e ck und seine Hausfrau Katharina
ihr halbes Dorf und das Gericht zu Gözendorf an das Stift
Klosterneuburg. Im Jahre »876 erhielt das Stift Heiligen-
kreuz unter dem Abte Kolmann I. von Johann Turso
von Rauhen eck das Bergrecht zu Pöstorf an dem Orte
Kholgrueb, dann Talente Einkünfte zu Guntramsdorf.
Mit diesem scheint das Geschlecht der Tursonen von Rauheneck
ausgestorben zu seyn. Nach ihm erscheint als Besitzer von
Rauheneck, He i n ri ch v 0 n P i I l i ch s d orf, wahrscheinlich
ein Bruderssohn Alberts von Rauhenstein; denn
im Jahrei 313 erscheint ein Albert von Rauhen st ein und
sein Bruder Jakob vonPillichsdorf. Ein Ulrich von
Pillichsdorf liegt im Stifte Heiligenkreuz begraben, und
schenkte demselben einen Hof (curiam) in Eberhardtsdorf,
sammt Vieh und aller Zugehörung. Das Geschlecht der Pil-
lichsdorfer war also auf eine ähnliche Art wie das der Weyer-
burger mit dem der Tursonen verwandt; oder wie das der
Arnstein mit dem von Gaden. Heinrich von Pillichsdorf
hatte aber das Schloß Rauheneck nicht durch Erbschaft oder
Kauf, sondern durch List und Gewalt erworben. Er war ein
böser Raubritter, der die ganze Gegend beunruhigte, besyn-
17i
ders that er den Wienern viel Böses. Um sich also Ruhe zu
verschaffen, zogen die Wiener mit Erlaubniß Herzogs Ru-
dolph IV. gegen die Veste Rauheneck/ eroberten sie mit
Sturm, mld schleiften sie bis auf den Grund. Heinrich
von Piltichsdorf wußte die Schuld der begangenen Räu-
bereyen auf seinen Burgvogt zu schieben, und erhielt vom
Landesfürsten die Erlaubniß, die Veste Rauheneck wieder
zu erbauen. Am Montage nach St. Pantaleon 1400 besah
Herzog Albrecht IV. den neuen Bau; und der Thurm mit
den heutigen Ruinen scheint dem Baugeiste dieser Zeit anzu-
gehören. Im Jahre 1408 erstiegen diese Veste durch Ver-
rätherey die Soldaten Herzogs Leopold IV. Bald darauf er-
scheint als Besitzer Rauhenecks, Reinprecht von Wall-
see, der am Fuße des Berges das Dörfchen Boint anlegte,
und nahe dabey im Dörfchen Leithen zwey Warthauser erbaute,
und sich den geschickten italienischen Waffenschmid Eusebi
hielt. Bald aber wurde Rauheneck wieder mit Scurm ero-
bert, und zwar von dem Medlinger Burggrafen Stückel-
berger, auf Veranlassung Kaiser Friedrichs, weilWall-
fee in geheimer Verbindung mit den Feinden des Kaisers be-
troffen wurde. Auch durch die sogenannten ungarischen Brü-
der erlitt Rauheneck einen Ueberfall, die in dieser Veste, so
übel hausten, daß sie sogar das Gold von den Wanden der
Capelle kratzten, und das alabasterne Cruzifix zerschlüget,
welches W a ll se e mit großen Kosten von Rom hatte bringen
lassen. Hernach scheint diese Burg im Besitze der Landes-
fürsten gewesen zu seyn. Im Jahre 1468 bemächtigte sich
derselben mit List, Franz Haag, ein am Hofe Kaiser
Frredrichs IV. erzogener Böhme, und behielt sie unter dem
Vorwände, er habe vom Kaiser seinen rückständigen Sold
nicht erhalten. Er vergrößerte das Dörfchen Boint, und be-
unruhigte die Gegend durch Räubereyen, bis er im Jahre
»465 gefangen und gehangen wurde. JmJahrer528 erscheint
als Besitzer dieser Burg ein Christoph von Rauhen-
eck, der seinen Wald, Todtenkopf genannt, an die Stadt
Baden verkaufte. Derselbe verkaufte auch im Jahre i536 seine
Besitzungen in Gaden mit der Ortsherrlichkeit und dem Pfarr-
17®
Patronate daselbst an den Abt Johann V. von Heillgen-
kreuz. Die weiteren Besitzer der Veste Rauheneck kennt man
nicht, bis zum Jahre 1617, in welchem Hanns Paul
Bayer, Herr von und zu Weikersdorf, zugleich als Besitzer
der Veste Rauheneck erscheint, seit welcher Zeit dieselbe auch
immer mir der Herrschaft Weikersdorfi vereinigt blieb. Sie
war damahls noch nicht Ruine, und scheint erst durch die're-
bellischen Ungarn, die um das Jahr 1621 diese Gegend ver-
wüsteten, zerstört worden zu seyn. In Vischer's topo-
graphischen Abbildungen vom Jahre 1672 sieht man diese Veste
schon ohne Dach, und zum Theil verfallen.
c) W 0 lfsthal. Westlich vom Pallaste Weilburg ab-
wärts gegen das Thal standen hier vormahls einige Bauern-
häuser, wo sich jetzt das k k. Forsthaus mit der Wohnung des
k. k. Holz-Controtors befindet.
Diese Gegend ist merkwürdig wegen der hier gegen Süden
befindlichen K ö n i g s h ö h l e, einer großen von Natur bogen-
artig gespannten Felsenhöhle, zu welcher Herr Franz Graf
Palfy von den Ruinen Rauhenecks und von dem Forsthause
aus, einen bequemen Weg anlegen ließ. Sie hat ihren Nah-
men daher, weil sich ein König von Ungarn hier einige Zeit
soll-verborgen aufgehalten haben. Dieser König ist wahrschein-
lich Bela IV., der im Jahre 124.1 von den Tataren aus sei-
nem Reiche vertrieben, zu dem Herzoge von Oesterreich, Frie-
drich dem Streitbaren, seine Zuflucht nahm; dieser be-
handelte ihn aber feindselig, und nahm ihm sogar seine Schatze
ab; worauf er sich mit Weib und Kindern nach Dalmatien
flüchtete. Auf dieser Flucht konnte er hierher gekommen seyn.
Diese Vermuthung erhalt badurch einige Wahrscheinlichkeit,
weil einer glaubwürdigen beständigen Tradition zu Folge, y
zu eben jener Zeit, Salo mon oder Em erich, der Sohn
eines Könrgs von Ungarn, im benachbarten Kloster Heiligen-
kreuz unter dem Abte Egilolf in den Cisterzienser-Orden ge-
treten, und als Converse oder Laienbruder allda sein Leben
beschlossen haben soll.
Westlich von der Ruine Rauheneck, zwischen dem k. k. Forst-
hause und der Antonsbrüche, dem Mauthhause gegen über,
»73
finden sich die Ruinen der Veste Scharfe neck/ auf einem
mit Baumen und Gesträuchen bedeckte»! felsigen Berge, über
welchen Herr Großhändler Iäger, dann Fürst Podstazky-
Lichtenstbin, bequeme Wege mit Ruheplätzen anlegen
ließen. Es sind jetzt nur noch einzelne Mauerstücke vorhanden
als Spuren, daß einst auf diesem Platze eine Ritterveste ge-
standen habe. Schon im Jahre 1672 fand es Bischer nicht
mehr der Mühe werth, in seinen topographischen Abbildungen
eine Ansicht von dieser Ruine zu liefern. Die Zeit der Erbau-
ung dieses Schlosses verlrert sich gleichfalls in dunkle Sagen
aus der Vorzeit Oesterreichs. Schon im Jahre 8i5 soll R a-
deivold, ein Sohn des ersten Turso von Rauhen eck,
Stammvaters der österreichischen Tursonen, diese Veste er-
bauet, und ihr den Nahmen gegeben haben, der noch heut
zu Tage die Ruinen derselben bezeichnet. Es ist wirklich son-
derbar, daß in den alteren Urkunden von dieser Veste und ih-
ren Besitzern gar keine Erwähnung geschieht, da wir von allen
benachbarten Schlössern wenigstens etwas Gewisses aus ihrer
früheren Geschichte wissen, und dieses Schloß, der Nahe we-
gen , mit den Schlössern Nauheneck und Rauhenstein in man-
nigfacher Verbindung gekommen seyn muß. Im Jahre 1456
besaß Scharfeneck ein Graf von Sanct Georgen
und Pösing oder B azrn. Im Jahre »468 schenkte Eleo-
nora, die Gemahlin Kaiser Friedrichs IV., die Veste
Scharfeneck mit dem dazu gehörigen Markte Raisenmarkt dem
Grafen Friedrich Cavriani. In beyden Fällen scheint
aber ein Irrthum obzuwalten, und nicht dieses Scharfenegg,
sondern jenes am Leithaberge, in der Pfarre Mannersdorf,
(Decanat Weigelsdorf) darunter verstanden zu seyn, welches
heut zu Tage eine k. k. Avitikal-Herrschaft ist. Denn Pösing
ist sehr wahrscheinlich das heutige Pötsching in Ungarn, unweit
vom Leithaflusse; und Sanct Georgen das noch heut zu Tage
so genannte Sanct Georgen am Neusiedler-See, wegen sei-
nes guten Weines berühmt. Der damahlige Besitzer dieser
Ortschaften nannte sich comcs, Graf, und konnte leicht auch
das' benachbarte Schloß Scharfenegg am Leithaberge im Be-
sitze haben. Er ist in den Urkunden jener Zeit auch als ein
174
Mann bekannt , der insbesondere dem Stifte Heiligenkreuz an
seinen Besitzungen Ln Ungarn viel Schaden zufügte. Der von
der Kaiserin Eleonora dem Grafen Cavriani mitSchar-
fenegg geschenkte Ort Raisenmarkt, scheint vielmehr der bey-
läufig eine Stunde von Scharfenegg am Leithaberg entfernte
Markt Reisenberg zu seyn, der noch bis jetzt der gräflich Ca-
vrianischen Familie zugehört. Der zwey Stunden vom Hele-
nenthale tiefer im Gebirge entfernte Ort Raisenmarkt gehörte
immer zum Schlosse Arnstein, bey welchem er liegt, und des-
sen Schicksale er gemeinschaftlich theilte. Von diesem unserm
Schlosse Scharfeneck im Helenenthale ist nur dieses ur-
kundlich gewiß, daß im Jahre ,470 Kaiser Friedrich IV.
dasselbe dem Großmeister des von ihm errichteten S anet
G e 0 r g e n - O r d e n s schenkte, und daß hier sodann vom
Großmeister das Ordensfest gefeyert wurde, wobey der Probst
Theodorich von Herzogburg das Hochamt sang, und
eine treffliche Rede über die Pflichten des Ordens und die An-
hänglichkeit an Kaiser und Vaterland hielt. Die dabey an-
wesenden Ritter waren: Christian der Achter, Jörig Püch-
ler, Bernhard Peyertagen, Jörig Allanzböck, Randokt
Brandis, Cyprian von Leonburg, alle aus Oesterreich; dann
Mainhard von Neuhaus und Heinrich Ptatzeck aus Böhmen;
und Michael von Rosenberg, Georg von Freyberg, Hanns
Atauffer voll Sunich, Philipp von Scharf, aus Bayern.
Neu aufgenommen wurden: Georg von Pottendorf, Toppel
von Ptankenstein, Conrad von 'Aarberg, und Bernhard von
Dachenstein. Die Brüder Jdunsbeugen wurden als des Hoch-
verrathes schuldig verurtheilet und ausgeschlossen. Gaste wa-
ren : Friedrich von Hohenberg und seine Hausfrau, Wilhelm
von Lichtenstein, Ulrich von Fitzin und feine Schwestern
Gutta und Jetha; dann Haras der Lange, und Michael von
Hardegg, Burggraf zu Maidburg.
Nach dieser Feyerlichkeit ist nichts mehr urkundlich geschicht-
liches von dieser Burg aufzufinden. Sie scheint bckd zerstö-
ret worden zu seyn. Vielleicht gehört sie in die Reihe derje-
nigen, deren Zerstörung Kaiser Maximilian I. für noth-
wendig hielt, zur Aufrechthalrung des Landfriedens, als er
r?5
das furchtbare willkührliche Vehmgericht aufhob, die Wider-
spanstigen streng bestrafte, und dem rohen Zeitgeiste des Rit-
terthums eine andere Richtung gab. Der Sage nach soll
der Sitz des geheimen Vehmgerichtes in den letzteren Zeiten
besonders in der Burg Scharfeneck gewesen seyn, und diese
durch unterirdische Gange mit den Schlössern Rauhenstein und
Rauheneck, und sogar mit der Veste Rohr beym Eichenwalde
in geheimer Verbindung gestanden haben. Im Jahre 1617
nahm Hanns Paul Bayer von Weikersdorf mit dem
Schlosse Rauheneck auch das öde Schloß Scharfeneck in Be-
sitz, und der Bezirk dieser Ruinen blieb bis jetzt mit jener Herr-
schaft vereinigt.
Nebst den zur Localie Sanct Helena gehörigen Ortschaf-
ten stehen unter dieser Ortsherrschaft noch folgende zur
Pfarre Baden gehörige: Dörfel, Thurmgaffe, Sauerhof, Al-
land- und Alland-Alleegaffe, Braiten und Röhr, welche mit
Dörfel ein gemeinschaftliches Ortsgericht haben. Das Land-
gericht erstreckt sich auch über das Stift Heiligenkreuz und des-
sen Umgebung.
Nach dem geistlichen Schematismus vom Jahre 1628 be-
tragt die ganze Seelenzahl der Localie Sanct Helena bey 8y5
Seelen. Nach den Tabellen der Collscription vom Jahre
1824 betragt die Seetenzahl 1120. Im Jahre 1783 war die-
selbe 628.
IX. Stift und Pfarre Heiligenkreuz ')*
A. Geschichtliche Darstellung.
^ eilig enkreuz, die älteste Abtey des Cisterzienser-Ordens
in Oesterreich, ist vom heiligen Markgrafen Leopold IV. ge-
0 Nach den Urkunden im Archive des Stiftes Heiligenkreuz; dann den
Handschriften : a) G e 0 r g S t r 0 b r, Abbatia Sanctae Crucis Austria-
ca 1679: b) Eben desselben Castrosolium Sanctae Crucis Cenotapbi-
cum ; c) p. Ambros Seywi tz Mausolaeum, seu Cryptarium
Sanctae Crucis; d) P. Alberik Hoffn er, Corona ftatrum Sanc-
tae Crucis Professorumj e) Eben desselben Corona officialium Sanc-
tae Crucis ; t) Abt Clemens SA)äffe r, lXotitia San Crucensis
176
stiftet worden, in einer waldigen Gebirgsgegend, die von dem
gleichnahmigen Flüßchen Satteldach genannt wurde, und ein
Eigenthum der Landesfürsten war; vermuthlich mit enthalten
in der vom Kaiser H e i n r i ch II. im Jahre 1002 an den Mark-
grafen Heinrich!, gemachten Schenkung des Landes zwi-
schen den Flüssen Liesing (Liecnichä), 3:rieflüt$*(Chriczini-
cha) und Dürra (Durra), welcher letztere unter dem Nahmen
Dornbach bey Heiligenkreuz in den Satteldach fließt.
Da diese Waldgegend zum Behufe der Jagd sehr geeignet
war, so ist sie wahrscheinlich von den Landesfürsten öfters be-
sucht worden; daher scheint auch die noch heut zu Tage den
Landesfürsten in dieser Gegend zugehörige Jagdgerechtsamkeit
schon zu jener Zeit ihren Ursprung genommen zu haben. Es
kommen auch schon im i2ten Jahrhunderte in den Urkunden
des Stiftes Heiligenkreuz ein Ulrich von G a d m e n und
ein Wi ch-ar d von Arnstein als tandesfürstliche Oberstja-
ger- oder Forstmeister vor, welche die Oberaufsicht über die Wäl-
der dieser Gegend hatten. Die Gegend von Satrelbach war
daher auch dem heiligen Markgrafen Leopold IV. durch öf-
tere Jagden bekannt; und einer alten Tradition zu Folge, soll
auf dem heutigen so genannten Rhadschin vormahls ein lan-
desfürstliches Jagdschloß gestanden haben, welches zum Theil
auch-der slavische Nahme Rhadschin (Schloß) anzuzeigen scheint.
An dem Platze, wo jetzt das Klostergebäude steht, soll neben
einer kleinen Capelle ein Einsiedler gehauset haben, welchen der
fromme Markgraf öfters zu besuchen, und in dieser Capelle
andächtig zu bethen pflegte. Als nun Leopolds Sohn Otto
im Jahre 1126 ,zu Morimund in Frankreich in den Cisterzien-
ser-Orden trat , und im Jahre 113 a daselbst Abt wurde, schil-
derte er seinem frommen Vater die strengen Satzungen dieses
Ordens, und die ausgezeichnete Frömmigkeit seiner Glieder so
eindringlich, daß sich dieser, durch seines Sohnes Bitten be-
wogen, entschloß, eine Colonie dieses Ordens, nähmlich zwölf
unrversalis ; g) P. Hieronymus Reßler, Annales Sanctae Cru-
cis-, h) Mecrologium Sanctae Grncis ; bearbeitet und eingesendet von
t>. Malach i a s Ko l l, Capitularen des Stiftes Heiligenkreuz, und
der Zeit Pfarrer zu Pfaffftatten. *824.
*77
Mönche unter dem Abte G o d e sch a l k und dem Prior W i U
Helm, aus dem Kloster Morimund nach Oesterreich zu berufen/
und ihnen mit Beystimmung des R e g i n m a r, Bischofes von
Passau/ den Ort Sattelbach zum Wohnorte anzuweisen. Die
Bischöfe vonPaffau hatten die geistliche Oberaufsicht über diese
Gegend und einen großen Theil Oesterreichs schon seit Kai-
ser Carl dem Großen/ der dem Bischöfe Urotph diese
Oberaufsicht anbefahl; daher die Bischöfe von Paffau ihre
Rechte selbst damahls auszuüben suchten/ als die heidnischen
Ungarn diese Gegend besetzt hielten; sie sandten von Zeit zu.
Zeit Missionars hierher, wie z. B. der Bischof Pilgrim im
Jahre 971 den heiligen Wolfgang. Im Jahre 974 wurde
durch eine Bulle des Papstes Benedict VI. ganz Panno-
nien und Avarien, und somit auch diese Gegend dem Bischöfe
untergeordnet. (H a n si tz, Germania sacra. — Gra y, anna-
les Huimorum. — M. I m h 0 f f e r / aimal65 eccles. H\mg.
T. 1. p. 207).
Zur Zeit, als der heilige Leopold sein Cisterzienser-Kto-
ster gründete, war in dieser Waldgegend eine einzige Pfarre
zu Aleth, von welcher die Seelsorge in diesem weitläufigen
^3e^ir6e 1111^011^1x^1^ versehen wurde, oder auch in den Schlös-
sern und angrä'nzenden Meierhöfen und Dörfern durch die so
genannten Burgpfaffen, die gleichsam Local-Captäne waren.
In den Klöstern waren anfangs meistens Laienbrüder, und
nur einer oder einige aus ihrer Mitte wurden zu Priestern ge-
weiht, um den Gottesdienst und die Seelsorge für die Mön-
che auszuüben. Die um das Kloster wohnenden Laien oder
Weltlichen waren einer bestimmten Pfarre untergeordnet ; da-
her auch Heitigenkreuz anfangs zur Pfarre Aleth oder A stand
gehörte. Erst nachdem das Concilium zu Wien im Jahre i3n
den Aebten und Klostervorstehern die Erlaubniß ertheilt hatte,
mehreren Mönchen, als zum Gottesdienste des Klosters nöthig
wären, die Priesterweihe ertheilen zu lassen, übernahmen die
Mönche auch häufiger die Seelsorge außerhalb des Klosters als
Nebenberuf; die Klöster besetzten manche Pfarren mit ihren
Mönchen, und ließen dieselben sogar dem Kloster incorporiren,
das ist, die Einkünfte der Pfarre mit jenen des Klosters ver-
178-'
einigen, mit der Verpflichtung unb bem Rechte , für die Er§
Haltung der Kirche und des Seelsorgers Sorge zu tragen.
Die Klöster selbst und die geistlichen Stiftungen überhaupt
haben ihre Entstehung nicht dem bigottischen Fanatismus ei-
nes rohen abergläubischen Zeitalters zu verdanken, sondern ei-
ner herrschenden religiösen Denkungsart, wodurch man Klöster
und geistliche Stiftungen zur Beförderung des Seelenheiles
als ein gottgefälliges Werk, als einen kräftigen Damm gegen
den Andrang der Unwissenheit und Sittenlosi'gkeit ansah. Die-
ses bezeugt der ausdrückliche Inhalt der meisten Stiftungs-
und Schenkungs-Urkunden; und unter andern auch in dem
Sriftbriefe von Heiligenkreuz die merkwürdigen Worte des hei-
ligen Stifters Leopold^):
»Wir wünschen, daß diese unsere Schenkung und die Stif-
tung dieses Klosters nicht nur zu unserem Heile, Frieden und
»Ruhe, sondern auch zum Heile unserer in Christo ruhenden
»Aeltern dienlich sey, und hoffen, daß es bey der göttlichen
»Güte für unsere Gebrechlichkeit einiger Maßen nützlich seyn
»werde, wenn wir, da wir selbst keine Frucht eines guten
»Werkesbringen, wenigstens diejenigen, die wahrhaft für Gott
»Früchte bringen, wie die Ulme die Weinrebe, von unserem
»Vermögen unterstützen.«
Der ursprüngliche Zweck des Klosterlebens war, durch stille
Zurückgezogenheit, durch eifriges gemeinschaftliches Gebeth,
durch Beobachtung der Gelübde einer ewigen Keuschheit,
sreywilligen Armuth und des Gehorsames, Gott zu dienen,
und den Nebenmenschen erbauliche Beyspiele der Selbstbe-
herrschung und eines frommen Lebenswandels zu geben, und
so das Seelenheil zu befördern. Darum wurden die Klöster
so gebauet, daß das Innere derselben durch eine Pforte ver-
sperrt wurde, um niemanden, am wenigsten Personen des an-
*) »Hane donationem nostram, atque ejusdem monasterii eonstitutio-
nem non solum nosttae incolumitati, paei et tranquillitati, sed et
parentum nostrorum in Christo dormientium saluti proficere opta-
mus et quieti ; sperantes t apud divinam clementiam nostrae fragi-
litati aliquatenus pro futurum, si, cum ipsi fructum boni öperis non
facimus , eos stillem, qui vere deo srucüficant, ut Yit$m nimm», de
wostra lacültate $u«teiltaians.«
dern Geschlechtes, den Zutritt in dasselbe zu gestatten ; selbst
die Wirthschaftsgebäude, die Lehrzimmer, die Krankenhäuser,
die Werkstätten zu Handarbeiten, waren mit den verschiede-
nen Vorhöfen mit einer gemeinschaftlichen Mauer umschlossen,
damit, wie der heilige Benedrct in seiner Regel sagr, die
Mönche nicht nöthig hätten außen herumzuschweifen; darum
mußten die Mönche strenge Clausur beobachten, und durften
die Klostermauern nur mit Vorwissen ihrer Obern auf eine be-
stimmte Zeit verlassen. Eben darum hatten die Mönche auch
eine eigene Tonsur oder Haarschur, und eine eigene Kleidung
von jeher, um sie von den Laien genau zu unterscheiden.
Im Innern des Klosters mußte ursprünglich immerwähren-
des Stillschweigen herrschen, ausgenommen die Zeit der öf-
fentlichen geistlichen Lesung, der geistlichen Gespräche, und
des gemeinschaftlichen Ehorgebethes, in welche die Stunden
des Tages und der Nacht in bestimmter Ordnung eingetheilet
waren. Nur wenige Zeit war der sparsamen Mahlzeit im ge-
meinschaftlichen Speisesaale (refectorium) und dem Schlafe
im gemeinschaftlichen Schlafsaale (dormitoriurn) gewidmet.
Die übrige Zeit durfte nicht in unthätigem Müffiggange zuge-
bracht werden, sondern theils mit frommen Betrachtungen in
einsamer Zelle, theils mit Studieren, mit Lesen und Schrei-
ben nützlicher und erbaulicher Bücher, mit dem Jugendunter-
richte, mit der Krankenpflege, oder auch mit Handarbeiten
zur Errichtung von Gebäuden, zur Verfertigung von Kleidern,
zur Urbarmachung von Feldern und Gärten. Der ursprüng-
lichen Verfassung gemäß durfte kein Mönch etwas Eigenthüm-
liches ohne Vorwissen der Obern besitzen, sondern nur das,^ was
ihm von demselben zur Nutznießung gegeben oder erlaubt wurde;
daher mußte vin jeder alles durch Arbeit, Erbschaft, Schen-
kung, oder wie immer Erworbene, der Verfügung des Obern
anheimstellen, und seinem Kloster als Gemeingut überlassen;
dafür erhielt ein jeder seine Kleidung, Nahrung und alles Nö-
thige gemeinschaftlich auf gemeinsame Kosten des Klosters; es
mußte aber auch ein jeder alljährlich seinem Obern einen Sub-
stanzial-Zettel einreichen , das ist , ein Verzeichniß alles dessen,
was er zur Nutznießung besaß ; der Obere hatte das Recht,
M 2
ft 60
denjenigen nahmhaft zu strafen, der sich hierin einer vorsetzli-
chen Uebertretung oder Unredlichkeit schuldig machte. Um sich
in der Enthaltsamkeit noch mehr zu üben, genoß man in den
meisten Klöstern das ganze Jahr hindurch nur Fastenspeisen;
welches insbesondere in den österreichischen Klöstern des Cister-
zienser Ordens bis zu Ende des lätenIahvhunderLes genau beob-
achtet wurde. Die meisten Kloster erlangten zwar durch viele
fromme Schenkungen und durch eigene Betriebsamkeit ein nicht
unbeträchtliches Vermögen ; doch gerade dieser scheinbare, oft
beneidete und angefeindete Reichthum ist keineswegs gegen das
Gelübde der freywilligen Armuth ; er ist vielmehr eine sichere,
immerwährende Hülfsquelle des Staates, und wird zu den be-
sten Zwecken verwendet , wie die Erfahrung und häusliche Ge-
schichte der Klöster hinlänglich lehrt. Nach den Ordens-Satzun-
gen darf kein Oberer mit dem Vermögen seines Klosters, nach
Wittkühr schalten, sondern er ist für seine Verwaltung dem
Convente oder Capitel, das ist, der ganzen Ktostergemeinde
verantwortlich, und darf nichts Wichtiges, bas größere Aus-
gaben erfordert, unternehmen, ohne vorher wenigstens die
Aelteren und Verständigeren um Rath gefragt, und ihren Bey-
fall erhalten zu haben. (Regula 8. Benedieli cap. L. 3.64.
65). Der Staat hat über das Ganze die Oberaufsicht.
Einzelne Zweige der Vermögensverwaltung werden ge-
wöhnlich einzelnen Mitgliedern des Klosters oder Stiftes von
dem Oberen zur Obsorge , unter genauer Controlle und Re-
chenschaft , anvertraut; daher kommen in den Urkunden ver-
schiedene Benennungen derselben vor; z: B. Bursarius, Schatz-
oder Säckelmeister, der die Geld-Casse des Klosters in Hän-
den hatte, und die allgemeinen Einnahmen und Ausgaben zu
besorgen hatte; Pitantiarius, Speisemeister, der die Kleidung
und Nahrung dev Mönche, und die Spende an die Armen
besorgte; Hospitalarius, Infirmarius, Exeeptor hospitum,
dessen Pflicht die Krankenpflege und Aufsicht über dieselbe, dann
die Bewirthung der Gäste und Reisenden war; Cellerarms,
Earnerarius , Schaffer, Kämmerer, der die Haus- und Feld-
wirthschaft des Klosters leitete; Grangiarius, Praefectus,
Administrator, Magister curiae , Verwalter außerhalb des
Klosters, aus einer bemselben gehörigen Besitzung.
Das Gesammt-Vermögen jedes Klosters wird zur Bestreitung
der häuslichen Bedürfnisse/ zur Beförderung der Haus - und
Laudwirthschuft , zu öffentlichen Lehranstalten., zur Kranken-
pflege, zur Unterstützung der Armen, zur Ausübung der Gast-
freyheit, zur Erbauung und Erhaltung von Kirchen,'Spitä-
lern, Lehr- und Wirthschaftsgebäuden, dann zur Bezahlung
der Steuern, 'und anderer Staatsbedürfniffe, und zu andern
nützlichen Zwecken verwendet; es ist also keineswegs ein tod-
tes Capltat. Jedes Kloster hat zur Aufrechthaltung der Ordnung
einen Obern oder Vorgesetzten, den die Klostergemeinde aus
ihrer Mitte erwählt , entweder auf eine bestimmte Zeit, oder
lebenslänglich; dieser nimmt, mit Beystimmung der Gemeinde,
neue Mitglieder an, die ein oder mehrere Jahre das Noviziat
oder Probejahr bestehen, um die Klostergebräuche und Ordens-
verfaffung zu erlernen; dann aber bey der feyerlichen Profession
oder Ablegung der Ordensgelübde, insbesondere dem Ordens-
oberen Gehorsam schwören, und Stabilität versprechen müssen,
das ist, sich verpflichten, für immer im Orden, und dem Klo-
ster getreu zu verharren. In den Klöstern, die der Regel des
heil. Benedict folgen, wird jedoch bisweilen erlaubt zu hospi-
tiren, das ist, aus wichtigen Ursachen einige Zeit gleichsam
als Gast in einem anderen Kloster zu verweilen.
In dem Cisterzienser-Orchen, welcher im Jahre 1098 vom
heil. Robert von Molislne zu Zisterz in Frankreich gegründet
wurde, und durch den heiligen Bernhard, ersten Abt zu Clair-
veaux, seine Berühnttheit und schnelle Verbreitung erhielt,
wurde die Regel des heit. Benedict zur Grundlage der OrdenS-
verfaffung angenommen, die dann zu verschiedenen Zeiten durch,
die Ordens-Statuten ihre Vervollkommnung erlangte. Die
ersten Ordens - Statuten vom Jahre iao8 heißen Charta
charitatis, oder Liebessatzung; welche Benennung man in der
Folge für jede Erneuerung der klösterlichen Statuten beybehielt.
Die unterscheidende Ordenskleidung besteht in einem Habite
oder Oberkleide von weißem Tuche oder Zeuge, dann einem
d'e Brust und den Rücken bedeckenden Scapuliere von schwar-
zem Zeuge, und von gleicher Länge mit dem Habite; dann ei->
nem schwarzen Gürtel oder Cingulum über dasselbe ; dann im
103
Kloster auch in einer Kapuze von schwarzem Zeuge; außerhalb
des Klosters wird statt der Kapuze bey feyerlichen Veranlas-
sungen ein langer weiter Mantel ohne Aermel von schwarzem
Zeuge umgehangen. Die Halsbinde oder das Ordens-Collar ist
ursprünglich von weißem Zeuge, mit einem Streifen von
weißer Leinwand. Das Chorkleid, das auch im Kloster bey
feyerlichen Gelegenheiten gebraucht wirds gewöhnlich Flocke
genannt, besteht in einem weiten Oberkteide mit weiten Aer-
metn von weißem Zeuge, und'einer gleichen Kapuze. Vor-
mahls war das Ordenskleid ganz von grauer Farbe; daher die
Cisterzienser öfters in den Urkunden auch Grusei, die grauen
Mönche, genennet werden.
Den Ordens-Statuten gemäß, wird der unmittelbare Vor-
steher eines Cisterzienserklosters Abt genannt, und von der
Klostergemeinde aus ihrer Mitte für lebenslänglich erwählet,
und feyerlich in sein 'Amt eingesetzt; er bestimmt dann zur
geistlichen Aufsicht im Kloster einen Prior auf unbestimmte
Zeit, und hat das Recht, jedem Stiftsgliede nach eigenem
Gutdünken sein Amtsgeschäft anzuweisen. Der Abt kann je-
doch auch aus den Gliedern eines anderen Stiftes berufen oder
postulirt werden; er kann auch aus wichtigen Ursachen seiner
Würde wieder freywillig entsagen, oder resigniren; ja aus
den wichtigsten Ursachen, und nach gehöriger Untersuchung
kann er auch dazu genöthigt werden, und entweder auf einige
Zeit suspendirt, oder seiner Amtsausübung enthoben, oder
für immer derselben entsetzt werden; welche Fälle jedoch in
der Ordensgeschichte selten vorkommen. In diesen Fällen, so
wie nach dem Tode des Abtes, oder wenn der Abt zu einer
höheren geistlichen Würde befördert würde, ist es der Klo-
stergemeinde wieder erlaubt, mit Genehmigung der Behör-
den,, einen neuen Abr zu wählen. Das Stift, aus dessen
Mitte die ersten Bewohner anderer Stifte des Ordens (die
man daher Filialklöster nennt) genommen wurden, heißt das
Stamm- oder Mutterstift, und der Abt desselben (deren Pa-
ter immediatus , oder unmittelbarer Vgter genannt) hatte
das Recht, bey jeder Wahl eines neuen Abtes in ernem solchen
Filialklaster den Vorsitz zu führen, und den neuen Abt gleich-
ä83
fam in fern Amt einzusetzen und zu bestätigen. 'Alle Abteyen
waren dem General-Capitel zu Zisterz , als dem ersten Mut-
rerstifte, untergeordnet, in so fern dasselbe unter dem Vor-
sitze des dasigen Abtes, oder des Ordens-Generals für das Beste
des ganzen Ordens, für die Beobachtung der Ordens-Satzungen,
für die Aufrechthaltung und Einheit der Disciplin zu wachen
hatte, und zwar in dieser Hinsicht unabhängig von den
Diöcesan-Bischöfen, worin eigentlich die Exemtion des Ordens
bestand. Zur leichteren Uebersicht wurde für ein oder mehrere
Lander vom General-Capitel ein eigener General-Vicar de§
Ordens, oder Provinzial-Visitator, ernannt, der die Voll-
macht hatte, die ihm untergeordneten Klöster zu visitiren, und
zu reformiren; auch nöthigen Falls ein Provinzial - Capitel
anzuordnen, oder eine berathschlagende Versammlung der Aebte
seiner Provinz, auf welcher er den Vorsitz führte, und das die
nothwendig befundenen Reformationen vortrug und bestätigte,
und hierübev-dem General-Capitel Bericht erstattete. Dadurch
geschah es, daß genaue Ordnung und Einheit der Disciplin
in allen Klöstern erhalten wurde, und daß sich der Orden
schnell verbreitete, und bis jetzt aufrecht erhielt, mancher un-
günstiger Schicksale ungeachtet»
Obschon der Drang des fortschreitenden Zeitgeistes manche
Milderung der Satzungen nothwendig machte, so daß die heu-
tige Ordensverfassung sehr von der ursprünglichen Strenge
abweicht; so blieb doch die Grundlage der Verfassung in
den noch bestehenden Klöstern unverändert die nähmliche, als
eine feste Stütze des Gebäudes; wodurch dem Zwecke des
Daseyns der Klöster noch immer vollkommen entsprochen wird.
Bald nach ihrer Entstehung vermehrten sich die Ansiedlun-
gen um die Klöster, und die um dieselben liegenden Strek-
ken Landes wurden aus Wüsteneyen zu den fruchtbarsten Ge-
filden durch den Fleiß der Mönche umgeschaffen ; sehr bald
lernte man die Klöster als Frsystätten kennen, wo der Pilger,
der Kranke, der Unglückliche, der Arme eine sichere Zuflucht,
Pflege, Schutz und Hülfe fand ; als eine Werkstätte der Künste
und Wissenschaften , wo dieselben in den Zeiten der Rohheit
Und allgemeinen Barbarey beynahe allein noch gepflegt und
,84
erhalten wurden , und daraus später im verjüngten Glanze in
die Welt hervorgingen; endlich als Pflanzschulen und Wohn-
sitze der Tugend und Frömmigkeit; daher man ihnen beynahe
ausschließend den Unterricht der Jugend anvertraute, und ih-
nen in vielen Pfarren die Seelsorge überließ. Viele Mönche
wurden zur Priester - und Bischofs-Würde befördert; viele
Reiche, und Adelige, selbst Regenten und Mitglieder von Herr-
scher-Familien suchten durch wohlthätige Schenkungen den Le-
bensunterhalt der Klostergemeinden zu erleichtern, oder als
Schirmvögte dieselben in ihren Rechten und Besitzungen zu be-
schützen ; oder wohl gar leiblicher, oder wenigstens geistlicher
Weise (als familiäres zum Andenken im Gebethe) sich densel-
ben einverleiben zu lassen; ja viele wählten innerhalb der Klo-
stermauern eine Ruhestätte für ihre LeichnaM, um des Ge-
bethes der frommen Klosterbrüder theilhaftig zu werden.
Alles dieses bedachte und berücksichtigte auch der heilige
Markgraf Leopold, als er die in Oesterreich schon bestehen-
den Klöster mit vielen Schenkungen begünstigte, und neue
Klöster stiftete, und sich daher im Jahre u3i entschloß, auch
ein neues Kloster des Cisterzienser-Ordens tm Orte Sattelbach
zu stiften» Die Mönche kamen wirklich aus Morimund in
Frankreich im Jahre 1184 allda an, und fingen alsogleich den
Bau des Klosters und der Kirche an; sie erhielten aber An-
fangs ihren Lebensunterhalt von der täglichen Präbende des
heiligen Markgrafen, bis derselbe im Jahre 1136 den Stift-
brief ausfertigte, in welchem die meisten benachbarten Adeligen
als Zeugen vorkommen ; z. B. ein Otto von Leustorf, Ul-
rich von Gadmen, Ulrich von Sigenvetde, Rudger und Ru-
bert von Sichendorf, Anselm von Sparbarsbach, Eberger von
Aleute, Hartung von Ruchenecke, Jubort von Tribanswink-
hel, Otto und Ottfried von Murlingen u. s. w. In dieser
Urkunde sicherte der heilige Stifter den Lebensunterhalt der
neuen Klostergemeinde , und schenkte derselben eine beträchtliche
um das Kloster liegende Strecke Landes, zu deren Arrondirung
er von einem Anselm von Lachsendorf den angränzenden Ort
Brunwichsvelde, oder Brunsvelde- (Preinsfeld) erkaufte. Der
Bischof Reginmar von Paffau schenkte dazu den ihm we-
i8 5
gen der Pfarre Aleth gebührenden Zehent dieses Bezirkes,
wofür er vom heiligen Stifter zwey Lehen zu Aleth und Mur--
. llttgen als Ersatz erhielt. Der heilige Stifter wollte auch, daß
der Orcsnahme Satteldach in jenen zürn heiligen Kreuze
verändere werde, wie er sich in der Urkunde ausdrücke: »We-
gen des siegreichsten Zeichens unserer Erlösung, ob ^ictorio*
sissiinuni nöstrae salvationis signura.« Es ist ungewiß, ob
er dieses bloß aus besonderer Verehrung des heiligen Kreuzes
that, oder weil er zugleich dem Kloster jenen kleinen Partikel des
heiligen Kreuzes geschenkt, welchen er von seinem Sohne Otto
erhalten, und der bis zum 17*«» Jahrhunderte im Kloster vor-
handen war, und welchen der erste Abt Godeschalk mit sich
nach Tuln nahm, wo der Sohn und Nachfolger des heiligen
Stifters, LeopoldderV., auf demselben einen Eid zur Erhal-
tung des Klosters ablegte, als er demselben das GutTrumau
schenkte. Dieß ist auch der Ursprung des Stiftswappen, nähm-
lich in einem Kreuze eine Hand mit aufgehobenen Fingern,
nach Art eines Schwörenden. Gewiß ist es, daß der Nahme
des Stiftes zum heiligen Kreuz erst dann allgemein gebräuch-
lich wurde, als der Herzog Leopold VI. im Jahre 1187 dem
Kloster jenen beträchtlichen Partikel des heil. Kreuzes schenkte,
den dasselbe noch heute zu Tage besitzt.
Der heilige Markgraf kennte den Fortgang seiner neuen
Stiftung nicht lange sehen; denn er starb noch im nähm-
lichen. Jahre 1136, in welchem er den Stiftbrief ausgefer-
tiget hatte ; er wurde in seinem früher gestifteten Kloster
Neuburg begraben. Im Kloster Heiligenkreuz erhielten neun
seiner Nachkommen, und drey ihrer Gemahlinen, sammt zwey
aus dem Hause Habsburg, nebst vielen adeligen Familienglie-
dern ihre Grabstätte. Sogar ein Sohn des heiligen Stifters,
Conrad, trat bald nach dem Tode seines Vaters im Jahre
1187 im Kloster Heiligenkreuz in den Cisterzienser-Orden, und
wurde später der zweyte Abt dieses Stiftes. —•
Die Anzahl dieser Klostergemeinde vermehrte sich so schnell,
daß schon im Jahre u38 von Heiligenkreuz zwölf Mönche mit
dein Abte H e r m a nn, in die von Hadmar von C h u e f-
farn gestiftet Abtey Zwettel (Clara ValHs Austriae) konn-
O>
ten gesendet werden; und eben so imJahre 114* mit dem Abte
Friedrich zwölf Mönche in das von Otto von Mach-
land gestiftete Kloster Baumgartenberg (Mons Pomae-
rius), beym Städtchen Grein in Oesterreich ob der Enns. Ja
der König von Ungarn, B e lg II., durch den ausgebreiteten Ruf
dieses Ordens bewogen, machte sogar dem Abte Godeschalk
den Antrag, er möchte mit seinen Mönchen von Sattelbach
hinweg nach Ungarn in eine beliebige bequemere Gegend zie-
hen. Wirklich war diese geistliche Gemeinde bald so vermehrt,
daß der Abt Godeschalk kaum noch den nöthigen Lebensun-
terhalt für dieselben besorgen konnte. Er zeigte daher dieses
mit dem Antrage des ungarischen Königs dem Landesfürsten
Leopold V. an, welcher hierauf eidlich versprach, das Klo-
ster zu beschützen, und demselben d.as Gut Trumau, und
kurz vor seinem Tode auch das Gut Dalhern (Tallern) schenkte.
Er wurde auch nach seinem zu Altahee in Bayern im Jahre
114.1 den i8.Oetober erfolgten Tode, im Kloster Heiligenkreuz
begraben. Durch das Beyspiel der frommen Landesfürsten auf-
gemuntert, fanden sich bald mehrere Wohlthäter des Stiftes.
Rudger von S i cke n dorf schenkte demselben seine benach-
barte Besitzung Vulchenberg (Füllenberg), welche vom Papste
Lucius III. in der Bestätigungs-Urkunde vom Jahre utty
Volkenvelde genannt wird. O p er tus, Pfarrer zu Mödling,
schenkte einen Weingarten bey Tallern. Ulrich von Gad-
m e n, herzoglicher Forstmeister (ciueig Yorstarius) gab eine
Wiese zu Trumau. Diese und andere Schenkungen wurden
der damahligen hierarchischen und politischen Verfassung gemäß,
im Jahre 1189 vom Papste Inn 0 cenzII. bestätiget, und
von aller Zehentpstichti.gkeit freygesprochen.
Ueber das Jahr, in welchem der erste Abt von Heiligen-
kreuz, Godeschalk, gestorben, sind die Stifts-Cataloge nicht
einstimmig. Einige wollen den 5. December 1141 als seinen
Todestag bezeichnen, und stützen sich auf die Angabe des Ne-
crologium Sanctae Crucis und der Notulae Ortilonis; An-
dere wollen erst das Jahr 1148; doch ist die erstere Angabe
glaubwürdiger. Der zweyte Abt von Heitigenkreuz war Con-
rad, ein Sohn des heiligen Stifters. Es ist zwar auffüllend,
.. , »«7
daß sowohl In dein Stiftkriefe von Heiligenkrenz, als in'der
Schenkungs-Urkunde des Bischofes R eg i nm a r, wo die Söhne
des heiligen Leopold nahmentlich aufgezahlet werden, von
diesem Conrad keine Erwähnung geschieht; aber dieses ge-
schah wahrscheinlich deßwegen, weil Conrad eben damahls,
nach dem Beyspiele seines alteren Bruders Otto, der Stu-
dien wegen in Frankreich abwesend war, und sich zum geistli-
chen Stande vorbereitete, den er bald nach seines Vaters Tode,
im Kloster Heiligenkreuz wirklich antrat, wo er auch nach dem
Tode des,Abtes Godeschalk zum Abte erwählet wurde. Er
stand aber dieser Würde nicht lange vor; denn im Jahr nlß
wurde er Bischof von Paffau, und im Jahre 1164 Erzbischof
von Salzburg; er starb den 28. September 1168 im Stifte
Admont, wo er auch begraben liegt. (Wigoleus Hundius
res ecclesiae Salisburg.)
Als Abt von Heiligenkreuz sendete Conrad im Jahre 1 »42
eine Cotonie von zwölf Mönchen und einem Abte in das neuge-
strftere Kloster Cicador in Ungarn, in der Fünfkirchner Diöcese z
er betrieb auch eifrig den Bau des Klosters und der Kirche.
Auch als Bischof sorgte er wohlthätig für das Stift; indem er
unter dessen dritten Abte Heinrich I. durch seinen Bruder
Heinrich I a s 0 m i r g 0 t t, der auch Leopolds V. Schen-
kung von Tallern bestätigte, dem Stifte das Gut Minchendorf
schenkte.
Unter dem Abte Heinrich I. wurden die Besitzungen des
Stiftes ansehnlich vermehret. Heinrich der Aeltere,
Herzog zu Mödling, schenkte dem Stifte das Gut Siegen-
feld , welches er von einem seiner Hofdiener (inini^eriali),
Ulrich von Schön enkirchen, erkauft hatte. Im Jahre
u5i erkaufte Abt Heinrich von dem Abte Sighard von
Melk das Zehentrecht zu Trumau und Minchendorf; und im
Jahre 1178 erhielt er durch Vertrag vom Abte Conrad von
.Melk den Zehent von den Weingärten zu Tallern und auf den
übrigen Stiftsb§sitzungen. Im Jahre 1179 wurde das neue
Kloster Marienberg (Non3 Sanctus B. Y.M.) in Ungarn, mit
zwölf Mönchen und einem Abte von Heiligenkreuz aus besetzt.
Abt Heinrich I, hatte aber in Hinsicht der kirchlichen und
i88
politischen Zeitverhättnisse allerdings eine schwierige Lage; weil
nach dem Tode des Papstes Hadrian IV. durch die uneinige
Wahl zwischen Alexander III. und Victor 111, eine trau-
rige Kirchenspaltung entstand, die vom Jahre 1159 n’77
dauerte. Der Kaiser Friedrich 1. verfolgte die Anhänger deS
Papstes Alexander, und vertrieb daher sogar den Erzbi-
schof von Salzburg, Conrad. Der ganze Cisterzienser-Or-
den, folglich auch Abt Heinrich, erkannten und vertheidigten
unerschrocken den A lex ander 111. als das rechtmäßige Ober-
haupt der Kirche, ungeachtet die Bischöfe von Paffau, zu de-
ren Diöcese das Stift Heiligenkreuz gehörte, eifrige Verthei-
diger des Gegenpapstes Victor HI. waren. Abt Heinrich
scheint aber in diesen Verhältnissen sich sehr klug betragen, und
seinem Stifte die Ruhe so viel möglich gesichert zu haben;
obschon dabey der Bau des Klosters und der Kirche nur lang-
sam betrieben werden konnte.
Abt Heinrich 1. starb im Jahre 1186. Sein Nachfol-
ger Marquard erhielt vom Herzoge Leopold VI. das Gut
Baumgarten und Niedersulz, dann den Ort Rohreck, und
mehrere Wälder beym Orte Grub. Eben dieser schenkte dem
Stifte im Jahre 1187 jenen ansehnlichen Theil des heiligen
Kreuzes, den er aus Palästina mit sich gebracht hatte, und den
das Stift noch bis jetzt besitzt. Er wurde zu Heiligenkreuz be-
graben, so wie auch sein Sohn, Friedrich der Katho-
lische, welcher die Schenkung von Niedersulz und Baumgar-
ten bestätigte, obschon das Stift erst durch die Bestätigung
Friedrichs des Streitb ar en in den vollkommenen un-
gestörten Besitz dieser beyden Güter trat. Im Jahre 1187
wurde das Klostergebäude und das Schiff oder Langhaus der
Kirche vollendet, und vom Cardinale The 0 bald, Bischöfe
von Veltri und Ostia, feyerlich eingeweihet , welcher
Feyerlichkeit der Herzog Friedrich mit sehr vielen Adeligen
beywohnte, die durch Schenkungen Wohlthäter des Stiftes
wurden; z. B. Dietrich von Lichtenstein, Hugo von Lanzen-?
darf , Hugo von Molanftorf, Wichard und Ulrich von Gad-
men, u. m. A.
2lbt Marquard starb im Jahre 1202: Sein Nachfolger
Werner sendete imZahre 120Ü zehn Mönche, unter denen
auch der Geschichtschreiber O rtil o war, mit dem Abte Oker,
und dem Prior Gebhard in das vom Herzoge Leopold VII.
gestiftete Kloster Lilienfeld. Im Jahre 120c.) wurde vom Her-
zoge Leopold VH. und Wolfker, Bischöfe von Passau,
und zugleich Patriarchen von Aquileja, die Pfarre Niedersulz
dem Stifte incorporirt. Die Päpste J nn oc enz III. im Jahre
1209, und Honorius III. im Jahre 1222, ertheilten dem
Stifte verschiedene Privilegien und Bestätigungs-Urkunden.
Eberhard, Erzbischof von Salzburg, schenkte dem Stifte all-
jährlich drey Zentner Kochsalz (tria-talenta salium) von seinen
Salinen zu Mühlbach. Mit dem Abte von Melk wurde sowohl
im Jahre 1216, durch die Verwendung des Herzogs Leo-
pold VH., wegen der Befreyuttg vom Weinzehente, als auch
im Jahre 1226, durch die thätige Mitwirkung Conrads, des
Cardinals von Portua, wegen des gesammten Zehentes ein
gütlicher Vergleich getroffen. Der Herzog Leopold VH. be-
stätigte dem Stifte auch den Besitz des Gutes Wetzleinstorf,
welches der Abt Werner im Jahre 1222 von Otto von
Tr ab erg erkauft hatte. Kaiser Friedrich II. bestätigte im
Jahre 1227 die Privilegien des Stiftes, und befreyte es vom
Zolle und anderen Abgaben. Der König von Ungarn, E m e-
r ich II., schenkte dem Stifte im Jahre 1202 das Gut Königs-
hofen; welche Schenkung von den Königen A ndreas II. und
Beta IV. bestätigt, und mit neuen vermehret wurde. So
z. B. schenkte König Andreas II. im Jahre 1217 das Gut
Minchhofen, vorher Neu-Aigen genannt; und bestätigte im
Jahre 1233 die Schenkung seiner Vorfahren, Emerik H. und
B ela III., daß nähmlich das Stift alljährlich 3ooo Zwanos
Steinsalz vom königlichen Salzamte zu Oedenburg erhalten
sollte (tria millia Zuanorum salis e regiis salinariis inSu-
prun). Wie viel an Gewicht der Ausdruck Zuani bedeute,
ist unbestimmt. In dieser Schenkungsurkunde wird der Werth
von 100 Zuani für eine Mark Silber angerechnet. Daß Su-
prun hier Oedenburg sey, läßt sich nicht bezweifeln, da die-
ses noch heut zu Tage d«r ungarische Nahme Supruu oder
ijjo
Soprdny dieses Ortes , und noch bis jetzt daselbst eine be-
trächtliche Salzlegstätre ist; auch dort von jeher, der Nahe
wegen, ein Haupt-Niederlagsort für den Salzverschleiß Un-
garns mit Oesterreich war. Unter dem Worte regiae salina-
riae ist also kein Salzbergwerk, sondern eine Salzlegstätte zu
verstehen; denn in Ungarn waren, außer den Rhonaßecker Salz-
werken im Marmaroscher Comitate, und einigen andern in der
Umgebung dieses Grubenortes, nirgends Salzgruben vorhan-
den. Daher wurde Ungarn von jeher nur aus den Marmaro-
scher und stebenbürgischen' Gruben mit Salz versehen; erst spä-
ter, nach der Theilung Pohlens, wurde ein Theil Ungarns an
der gallizischen Gränze mit- Salz von Wiliczka und Pochinew
versorgt
Wann, diese Schenkung des ungarischen Salzes aufgehört
habe, von Heiügenkreuz benützt zu werden, ist nicht bekannt;
doch wahrscheinlich erst, als die Gegend der Salzbergwerke von
den Türken feindlich besetzt wurde; denn eine alte Handschrift
der Stifts-Bibliothek sagt: »Cum salinae iilaead barbarain
devenissent crudeiitatem, simul piissimi regis munifi-
centia in eflectu defecit.« (Da diese Sabinen unter die
grausamen Feinde kamen, so hörte zugleich in der That die
Freygebigkeit des frömmsten Königes auf.)
Auch an Kochsalz erhielt das Stift verschiedene Schen-
kungen, sowohl von den Erzbischöfen von Salzburg, als von
verschiedenen Landesfürsten; so z. B. ertheilte späterhin
selbst der Kaiser Ferdinand I. die Erlaubniß, alljährlich 24
Fuder oder Säcke Salzes von größeren Gebünden (majoris
ligaminis) von Gmundten abzuführen. (Ueber das Gewicht
des Kochsalzes sehe man Hormayr's Archiv. Jahrgang 1816,
Nr. 149, 160. S.63i. 'Anmerk. 19). Wann derGebrauch die
ser Schenkung für das Stift aufgehört habe, ist gleichfalls
Unbekannt. Noch eine andere Schenkung, der ungarischen Kö-
nige ist merkwürdig; nähmlich alljährlich 200 husones*
welches Wort man gewöhnlich mit Hausenfische übersetzt.
Sonderbar wäre eine solche Schenkung wirklich; denn wozu
eine solche Menge so großer Fische? Der Hausen ist bekannt-
lich ein Meerftsch, der aus dem schwarzen Meere die Donau
M)1
heraufschwimmt, bis zur Insel Schütt in Ungarn, wo er
häufig gefangen wird. Man brauchte freylich im Stifte auch
, viele Fische, da ursprünglich nur Fastenspeisen genossen wur-
den; aber dazu hatte das Stift ohnehin das Recht zu fischen
auf einem Theile des Neusiedlersees, auf der March, Leitha
und anderen Flüssen, nebst vielen Teichen, sowohl um das
Stiftsgebaude als auf den Stiftsgütern. In der Schenkungs-
urkunde des Königs Bela IV. kommen folgende Worte vor:
»Dedimus ducentos husones, qui yocantijr Wizahal,
singulis annis de Camera nostra persolyendos.«
(Wir geben 200 Hausen, welche Wizahal heißen, jede^s Jahr
aus unser Kammer zu bezahlen.)
Aus spateren Urkunden im Archive des Stiftes erhellet,
daß von der bestimmten Anzahl Hausen dem Stifte auf kö-
nigliche Kosten so viele abgeliefert wurden, als dasselbe be-
durfte , der Werth der übrigen aber am Gelde erstattet
wurde; so wie es. auch mit dem, dem Stifte geschenkten
Steinsalze von Oedenburg der Fall war. Die jährliche Ab-
lieferung der oben benannten Fische von Seite der k. Kammer
hörte gänzlich auf, als den Stiftsgeistlichen unter dem Abte
Georg IV. der Genuß der Fleischspeisen erlaubet wurde.
Das Stift wurde von den ungarischen Königen auch zu ver-
schiedenen Zeiten mit der zollfreyen Ein - und Ausfuhr der Er-
zeugnisse seiner Besitzungen begnadigt.
Der Abt Werner starb irr^ Jahre »227. Unter seinem
Nachfolger Egilo lf bestätigte der Herzog Friedrich der
Streitbare dem Stifte den Besitz von Baumgarten und
Niedersulz, mit der Schenkung von Sulz im Walde, mit dem
Beysatze in letzterer Urkunde: »Propter merita et servitia
Egilolfi Abbatis.« (Wegen der Verdienste und Dienst-
leistungen des Abtes Egilvlf.) Diese Verdienste bestanden
wahrscheinlich zum Theil auch darin, daß, als Herzog Frie-
drich in Wien eine öffentliche Lehranstalt gründete, dieselbe
nach der Angabe alter Stiftshandschriften, von Gliedern des
Stiftes Heiligenkreuz besetzt wurde, deren Vorsteher oder
Director der Abt Egilolf war. Diese Lehranstalt war also
eure der ersten und ältesten in Wien, und wahrscheinlich bey
I()2
St. Nicolaus/ wo sich ein Nonnenkloster befand; für welche
Nonnen im Jahre 1246 ein Heiligenkreuzer Mönch, Gu tolf,
der allda als Lehrer angestellt war, eine sehr ausführliche la-
teinische Sprachlehre schrieb. Später wurde daselbst auch eine
theologische Lehranstalt für die.Zöglinge des Cisterzienser-Or-
dens, unter der Aufsicht der Aebte von Heiligenkreuz errichtet.
Von dem Abte Egilolf erzählen die Stiftshandschriften
als eine besondere Merkwürdigkeit, daß unter ihm Sal 0-
mon, oder wie ihn andere nennen, Em erik, ein Sohn ei-
nes Königs von Ungarn, zu Heiligenkreuz in den Clsterzien-
ser-Orden getreten, und als Laienbruder gelebt habe. Da die-
ses auf einer bloßen, obschon unveränderten Tradition beruht,
so kann man schwerlich historische Gewißheit erlangen, und
muß sich daher auch nur mit einen! Grade von Wahrscheinlich-
keit begnügen, ohne der Sache alle Glaubwürdigkeit abzu-
sprechen ; da den meisten Sagen einige historische Wahrheit
zum Grunde liegt. Es ist wirklich nicht unwahrscheinlich, daß zu
jener Zeit ein Königssohn von Ungarn zu Heiligenkreuz als
Laienbruder gelebt habe. Daß ihn einige Salo m on, andere
Emerik nennen, kommt vielleicht daher, weil man beym
Eintritt ru einen Mönchsorden den bisherigen Vornahmen mit
einem andern zu vertauschen pflegt; der eine dieser Nahmen
war also vielleicht dessen Taufnahme, und der andere der Klo-
sternahme. Wenn man die Zeitverhaltnisse in Erwägung zieht,
so konnte dieser leicht ein Sohn des Königs Bela IV. seyn.
(Gebhardt Geschichte des Reiches Ungarn, S. 288, 820.)
Als nähmlich im Jahre 1241 die Tartaren in Ungarn ein-
fielen, mußte König Bela IV., nach einer am Flusse Sajo
verlornen Schlacht, im Jahre ,242 nach Oesterreich fliehen;
da ihn aber der Herzog Friedrich feindselig behandelte, und
ihni sogar seinen Schatz und die Kostbarkeiten abnahm, floh
er mit seiner Gemahlin und seinen Kindern, von allern Noch-
dürftigen entblößt, ilach Dalmatien. Auf dieser Flucht ver-
barg er sich, der Sage nach, einige Zeit in einer Berghöhle
zwischen den Schlössern Rauheneck und Scharfeneck im Hete-
nenthale bey BWen, die daher, Noch heut zu Tage die Königs-
Höhle genannt wird. Es ist sehr wahrscheinlich, daß eben dü"
iyZ
Mahls einet der Söhne des Königs Bela, des unsicher»
Herumwänderns müde, Ln der stillen Zibgeschiedenheit des be-
nachbarten Klosters Heiligenkreuz seine Ruhe und sein Heil
für immer gesucht habe. Es konnte auch König BelaIV. nebst
seinem Thronfolger Stephan und einem jüngeren Bela-
(Gebhardi, Seite 33q, 34i, 344) leicht noch mehrere
Söhne gehabt haben, von denen die Geschichte schweigt- und
deren einer Mönch zu Heiligenkreuz wurde.
Unter dem Abte Egilolf wurde auch im Jahre 128c, zu
Heiligenkreuz von Wicharv vonZebingen ein Hospital
gegründet, und zwar bloß für fremde Kranke. In der hier-
über ausgefertigten Urkunde sagt der Stifter ausdrücklich:
»Duxi, neminem fsatrum degentium $ nullumque fami-
liärem huic eleemosynae substitui; sed quemcunquei
alienum debilem sive länguidum divina dispensatiö
illuc perduxerit, illum öperibus misericordiae ibi tolo
refocillari.« (Ich will, daß kein hier lebender Bruder, und
kein Familiär dieses Almosen genieße; sondern ich will, daß-
was immer für einen fremden Schwachen oder Kranken die
göttliche Fügung dahin führen wird, dieser durch die Werke
der Barmherzigkeit dort erquickt werde.) Diese Stiftung
wurde ansehnlich vermehrt durch die Schenkungen von Hein-
rich von Zebingen, Hugo von Aigen, Rapato von Schönen-
kirchen, Luipold von Wittenstorf u. m. A. Der Herzog Al-
bert I. ließ im Jahre r3oo zu diesem Hospitale eine dem
heiligen Erasmus geweihte Capelle erbauen; zu welcher
im Jahre i33o unter dem Abte Jakob ein Herbord von
Salzburg eine tägliche heilige Messe stiftete.
Der Abt Egilolf hatte auch in Hinsicht des Zehentes
einen Streit mit Leopold, Pfarrer zu Alland; welcher
Streit aber durch die Vermittlung Rüdigers, Bischofs von
Passau, bald gütlich beygelegt wurde; es wurde auch die erste
Zehentschenkung des Bischofes Reg in mar bestätigt. Zu eben
jener Zeit schenkte Heinrich von Prunne dem Stifte sei-
nen dritten Antheil des Zehentes zu Trumau. Die Gräfin
O s a n n a schenkte ihm das Gut Winden in Ungarn. Papst G r e-
N
194
gor IX. ertheilte dem Abte Egilolf die Vollmacht, dir'
Seinigen von der Ercommunication zu absolviren.
)lbt Egilolf starb im Jahre >242. Seine Nachfolger
hatten mit traurigen Zeirumständen zu kämpfen. Die Tarraren
hatten ganz Ungarn bis an die Gränze Oesterreichs verheert;
und nach ihrem Rückzüge fiel König B ela IV., um sich wegen
der feindseligen Behandlung an Herzog Friedrich zu rächen,
mit einem Kriegsheere, das meistens aus Cumanen bestand,
feindlich in Oesterreich ein. Er'wurde zwar im Jahre ,246 in
einer Schlacht, nahe am Leithaflusse vomHerzoge Friedrich
besiegt, aber dieser verlor dabey sein Leben, und wurde, als
der letzte männliche Sprosse des Hauses Babenberg, im Stifte
Heiligenkreuz begraben. Friedrich hinterließ keine Kinder,
aber zwey Schwestern; Margaretha, damahls Witwe
des römischen Königs Heinrich VH., und Constanzia,
Gattin des Markgrafen von Meissen, Heinrich des Er-
lauchten. Auch harte Friedrichs im Jahre 1227 verstor-
bener Bruder, Heinrich der Grausame, Herzog zu Med-
ling, eineTochter, Gertrud, hinterlassen, die früher an ei?
nen böhmischen Prinzen verehelicht, nach dessen im Jahre 1247
erfolgten Tode,, sich mit H ermann V., Markgrafen von Ba-
den, vermählte, der alsogleich auf den Besitz Oesterreichs An-
spruch machte. Indessen erklärte Kaiser Friedrich II. das
Land Oesterreich als ein anheimgefallenes. Reichslehen, und
ließ es durch Reichshauptleute verwalten. Hermann von
Baden starb schon im Jahre i25o, und hinterließ eine Toch-
ter, A g n e s, die später an Ulrich III., Herzog von Kärnthen,
vermahlt wurde, und einen Sohn, Friedrich, welcher kurz
vor seines Vaters Tode zu Alland unweittHeiligenkreuz gebo-
ren wurde; wie aus einer vom Könige Ottokar im Jahre
s264 bestätigten Schenkungs-Urkunde erhellet, worin Ger-
trud dem Stifte Heiligenkrenz das bisher ihr gehörige Pa-
tronat der Pfarre Alland ertheilt, »eo, quod ibl feliciter
enixa sit pueriim;« (deßwegen, weil sie dort glücklich einen
Knaben geboren hat.) Auf diesen Friedrich konnten aber die
Oesterreicher bey der Wahl eines Herrschers'jetzt keine Rück-
sicht nehmen, weil sie eines erfahrnen und kriegerischen Her-
iq5
zvges bedurften. Dieser Friedrich war der letzte männliche
Sprößling des Hauses Babenberg weiblicher Seite; er
zog mit seinemVetcer/ dem schwäbischen Herzoge Conradin,
nach Italien, wurde daselbstgefangeugenommen, und aufBefehL
Carls von Anjou, sammt Conradin, den 2g. October
i2d8, im neunzehnten Jahre seines Alters zu Neapel enthauptet.
Nach Hermanns Tode theilten Gertrud und Mar-
garetha den Besitz der Allodial-Herrschaften in Oesterreich;
bte eine hatte ihren Sitz zu Medlmg, die andere zu Haim-
bürg. Nachdem Kaiser Friedrich II. im Jahre i25o ge-
storben war, sandten die Oesterreichischen Stände Abgeordnete
nach Meissen, um der Schwester Friedrichs des Streitbaren,
Constanzia, und ihrem Sohne Dietrich, die Regierung
Oesterreichs anzutragen.
Als die Gesandten durch Böhmen mfetert, wußte der böh-
mische König Wenzeslaus die Sache so einzuleiten, daß die-
selben ihre Reise nach Meissen nicht fortsetzten, sondern seinem
Sohne Ottokar das Land Oesterreich antrugen. Dieser wurde
auch zu diesem Endzwecke im Jahre 1253 mit Margaretha
vermählt, und die Öesterreichischen Stände huldigten ihm.
(Lambacher Oesterreichisches Jnterregnum. S.31.)
Damit war aber Gertrud nicht zufrieden; sie begab sich in
den Schutz des ungarischen Königs B el a IV., der sie mit sei-
nem Enkel, dem russischen Herzoge R o m a n u s , vermählte,
welcher sie aber bald wieder verließ. Bela. führte gegen Otto-
kar einen verheerenden Krieg; endlich söhnten sie sich wieder
aus; Gertrud entsagte ihren Ansprüchen auf Oesterreich,
erhielt einen standesmäßigen Lebensunterhalt, und starb zu
Judenburg in Steyermark. Ottokar verstieß im Jahre 1261
Margaretha, die zu Krems im Jahre 1266 starb; er
ehelichte dann Kunigunde, eine Enkelin des Königs
Bella. Dem ungeachtet blieb Oesterreich ein beständiger Kampf-
platz streitender Parteyen; bis endlich Ottokar den 26. Au-
gust 1278 von Kaiser Rudolph I. besiegt und getödtet, und
Oesterreich im Jahre 1282 Albert!., einem Sohne des Kai-
sers Rudolph I. von Habsburq, erblich übergeben wurde.
Es läßt sich leicht denken, daß während dieser unruhigen
N 2
u)(y
Zeitumstä'nde auch die kirchlichen Verhältnisse Oesterreichs in
einer mißüchen Lage waren. Insbesondere erlitt das Stift
Heiligenkreuz durch die feindliche Verheerung seiner Besitzun-
gen einen großen Schaden.
Die auf Egilolf folgenden Aebte, vom Jahre 1242 bis
*263, lebten jeder nur eine kurze Zeit; es fanden sich aber
während dieser Zeit mehrere Wohlthäter, die durch Schenkun-
gen dem Stifte zu helfen suchten. König Ottokar bestätigte
alle Privilegien des Stiftes, und insbesondere die Schenkung
Gertruds in Hinsicht des Patronates der Pfarre Attand;
so wie später die Schenkung Margarethens in Hinsicht deS
Bergrechtes zu Enzerstorf und Tallern. Gertrud schenkte
dem Stifte auch 16 Huben oder Lehen (vnansos) zu Wulzen-
dorf. Kaiser Rudolph I. bestätigte gleichfalls alle Privilegien
des Stiftes.
Zu jener Zeit erhielt das Stift auch einen Dorn der Krone
Christi, für dessen Verehrung im Jahre ,246 Papst Jnno-
cenz IV- dem Stifte einen vierzigtägigen Ablaß verlieh. Ein
Theil dieses Dornes scheint in das vom Könige Ottokar im
Jahre *263 gestiftete und mit Mönchen von Heitigenkreuz un-
ter dem Abte Heinrich besetzte Kloster Guldenkron in Böhmen
übertragen worden zu seyn; woher dasselbe auch wahrscheinlich
den lateinischen Nahmen: Spineae Coronae erhalten hat.
Dieser Abt H e i n r i ch II. war schon früher Abt zu Baumgar-
tenberg , wurde dann im Jahre 1262 zum Abte von Heiligen-
kreuz erwählt, und resignirte diese Würde im Jahre 1269;
nahm aber doch wieder später die Abtey von Guldenkron an.
Er war übrigens in so großem Rufe der Frömmigkeit, daß er,
der Sage nach, zum Behufe der Kranken sogar wunderthätig
Wasser in Wein soll verwandelt haben. Unter die besonderen
Wohlthäter des Stiftes zu dieser Zeit gehört auch Bernhard,
Herzog von Kärnthen, welcher dem Stifte alljährlich sechs Fässer
(80ina8) Oehl schenkte. König B el a von Ungarn bestätigte den
Besitz von Königehofen, Minchhofen und Winden. In Oester-
reich waren Agnes von Wilfleinstorf und Seven-
ftein; Otto Turso von Rauheneck; Heinrich von
Seeveldt; Margaretha von Rohr; Hermann von
19?
W ol kerstorf; Albero von Trautmanstorf; Otto
von Bertholdsd orf; Dietmar von Potrenstein
u. m. A. Wohlthäter des Stiftes durch verschiedene Schenkun-
gen, die auch unter dem Abte H e i n r i ch III , vom Jahre i263
bis 1284, ansehnlich vermehret wurden.
Unter dem Abte Heinrich III., im Jahre 1278, wurde
von Otto, Pfarrer zu Rustbach, an dem äußeren nordwest-
lichen Thore und Vorhofe des Stiftes eine Kirche zu Ehren
Mariens der seligsten Jungfrau erbauet, zum Behufe des Got-
tesdienstes für die herumwohnenden Laien, damit bie Mönche
durch dieselben in der Stiftskirche nicht im Chorgebethe gestöret
würden. Der Stifter dieser Kirche wurde im Jahre i3i4 in
derselben begraben. Auch die Klosterkirche wurde um diese Zeit
erweitert, und der vordere Theil, oder der Chor, angebauet,
und mit Fenstern von geschmolzenem vielfarbigen Glase ver-
schönert, so wie sie noch bis jetzt zu sehen ist. Dieser Chor
wurde im Jahre 1286 vom Bernhard, Bischof von Passau,
am Neujahrstage eingeweiht, zu welcher Feyerlichkeit eine sol-
che Menge Menschen aus den entferntesten Gegenden zuströmte,
daß, nach dem Zeugnisse der Stiftshandschriften, viele Men-
schen vor Kalte ihr Leben verloren. Zum Andenken wurde eine
jährliche Spende am Neujahrstage eingeführet, von welcher
zwar keine eigentliche Stiftung vorhanden ist, mit welcher
aber wahrscheinlich die Almosenstiftungen verschiedener Wohl-
thäter vereiniget wurden; z.B. jene des Herzogs Friedrich
des Katholischen, vom Jahre 1196 , vermöge welcher, nebst
den Ueberbleibseln des Convent- Tisches, den Armen an der
Klosterpforte 800 Portionen Brot sollten ausgetheilet werden.
Diese jährliche Spende am Neujahrstage bestand darin, daß
nach dem vormittägigen Gottesdienste das Hauptthor des Klo-
step-Vorhofes geschlossen,und jedem innerhalb Befindlichen (die
der Ordnung wegen durch zwey Nebenthüren einzeln hinaus-
gelassen wurden) ein Seite! Wein, eine Portion oder Strihel
Bror, und ein halbes Pfund Fleisch, oder statt des letzteren,
zwey Batzen oder vier Kreuzer Geldes von den dazu bestimm-
ten Stiftsgeistlichen und ihren Gehülfen abgereichet wurden.
Haß diese jährliche Ausgabe bey der Spende nicht unbeträchtlich
198
gewesen sey, kann man aus einer noch vorhandenen Rechnung
des Abtes Marian I. schließen, vermöge welcher auf solche
Art im Jahre 1708 bey 2226 Stritzel Brot, 2042 Portio-
nen Fleisch, und i3 Eimer Wein ausgespendet wurden. Diese
Spende wurde nur in den ungünstigsten Zeitumständen auf
kurze Zeit unterbrochen; dann aber wieder fortgesetzt, bis zu
den Zeiten Kaisers Joseph II., von welchem sie in einen ver-
hältnißmäßigen Beyrrag zum Wohlthätigkeits - Fonde verän-
dert wurde. #
Bald nach Einführung der Spende entstand auch der schone
Gebrauch, der noch heur zu Tage beobachtet wird, daß nähm-
lich alljährlich am grünen Donnersrage so vielen Armen, als
die Anzahl der gesammtenStifrsglieder beträgt, in dem Stifts-
kreuzgange von dem Abte und den anwesenden Stiftsgliedern
die Füße gewaschen werden, und dieselben dann mct Geld be-
theitet, und öffentlich im Refeetorium gesperset, und von dem
Abte und den Geistlichen bedienet werden. <Es wird auch nach
dem Lode eines jeden Stiftsgliedes, so wie jährlich nach dem
Tage des heiligen Lambert, durch einen ganzen Monath,
täglich eine Portion Speise und Trank von dem Obern im
Refeetorium gesegnet, und dann unter die Armen vertheilt.
Es ist auch bey demSriftsgebäuden ein eigenes Armenhaus,
wo alte gebrechliche Leute versorget werden. Nebst der gewöhn-
lichen Almosenspende durch den Klosterpförtner und an der
Küche, werden also die Armen immerfort hinreichend bedacht.
Im vierzehnten Jahrhunderte, vom Jahre 1290, in wel-
chem Abt Sighard starb, angefangen, hatte das Stift fünf-
zehn Aebte, deren die meisten nur kurze Zeit dieser Würde
vorstanden, aber dennoch Manches zum Besten des Stiftes
wirkten, und demselben Wohlthäter verschafften; unter denen
ein Wülfing und eine Adelheid von Wildeck, Her-
m a n n v 0 n K r a n i ch b e r g, D i e p 0 l d und Albert von
Baden, D i e t m a r von E n g e l s ch a l k s d 0 r f, H e rt-
n i d von L i ch t e n st e i n, H a d m a r, W i ch a r i d und R a-
p a t 0 v 0 n A r n st ei n, Nic 0 laus und Friedrich von
Sanct Veit in Kärnthen, eine vorzügliche Erwäh-
nung verdienen. Manche dieser Schenkungen sind merkwürdig
»99
wegen der besondern beygefügten Bedingungen ; z. B. jene des
MarchardtMetsieder, Bürgers zuWien, im Jahre i33a
sammt seiner Hausfrau Agnes: »Geben in das Pitanzamt
zu Heiligenkreuz fünf Schillinge Wienerpfenninge Geldes,
die da liegen zu Gundramstorf auf behausten H olden gestiftes
Gutes ; damit der Piranzmeister allda von derselben Gülte
alle Jahre geben solle dem Knechte, der da pflegt der warmen
Lauge und des warmen Wassers, womit die Herren ihre Häup-
ter zwagen, drey Schilling Pfenninge; und dem Knechte, der
der Laugen täglich pflegen thuet, damit die Herren die Hände
waschen, vierzig Pfenninge; die übrigen zwanzig Pfenninge
sollen angewendet werden, damit man ihnen das Ayj auch
jährlich bessere.« Im Jahre i3ai vermachte Haug, Pfarrer
zu Traiskirchen, dem Kloster einen Weingarten zu Enzerstorf;
»daß der Pitanzmeister soll durch das Jahr, wann die Brüder
nur zwey Eyer habent noch das dritte dazu geben.« Marga-
retha, Tochter des Hafners Leopold zu Traiskirchen, ver-
machte im Jahre i356 dem Kloster einen Weingarten, »auf
daß man einem jeden Bruder jährlich zwischen Ostern und
Pfingsten ein neues Paar Sommerschuhe gebe, und auch die
alren flicken lasse.« Kunigunde R a u h e n st e i n e r i n, der
Herzogin in Oesterreich Hofmeisterin, vermachte dem Kloster
im Jahre i382 dreyzehn Pfund und vier Denar jährlichen Ein-
kommens auf gestifteten Häusern, zu Gerlaß bey Stillfried ge-
legen, zu emem Jahrestage am Feste des heit. Bartholo-
mäus; für sie, ihre Vorfahren und Nachkommen. »An die-
sem Tage sollen die Herren wohl tractiret werden; jeder mit
drey Stücken guter Flsche, weißem Brode, und dem besten
Weine, so im Keller zu finden; welches Mahl drey Pfund
Pfenninge kosten soll. Was aber von obbenannten dreyzehn
Pfund vier Denar übrig bleibt, davon soll der Prior grobes
Gewand kaufen, und gleich unter die Herren austheilen. Da-
gegen soll das Kloster, wann die Erben und Nachkommen zum
' Jahrestage kommen, ihnen jährlich zwey Paar gefilzte Schuhe
reichen und geben u. s. w.«
Uebrigens erwarb das Stift im Jahre i3io die Kathari-
nen -- Capelle zu Preßburg in Ungarn, sammt den dazu gehö-
SOS
rigen Gütern/ unter dem Abte Jo Hann I., der auch im Jahre
»3»5 das Stift Lilienfeld visitirte; so wie dleses schon früher
in den Jahren i3o» und i3o2 auch der Abt Udal rik I. auf
Anordnung des General-Capitels gethan hatte. JmJahre»3»8
schenkte Carl, König von Ungarn, dem Stifte die Ortschaften
Poderstorf und Vogeldorf. Kaiser Friedrich HI. bestätigte
die Privilegien des Stiftes; dieses that auch Herzog Albert!.,
besonders in Hinsicht der Stiftsfreyhöfe zu Wien, Wiener-
Neustadt, Bruck und Marcheck; er ertheilte auch im Jahre
,32§ das Landgericht über Niedersulz und Baumgarten. Im
Jahre -327 wurde von Otto, Herzoge in Bayern, das Kloster
Neuberg in Steyermark gestiftet, und mit Mönchen von Hei-
ligenkreuz besetzt. Der Abt Wülfing, der vom Jahre »333
bis »342 dem Stifte vorstand, machte von der vom General-
Capitel zu Cisterz im Jahre »280 ertheilten Erlaubniß Ge-
brauch , in Hinsicht der Einfachheit der Kirchenzierden von der
ursprünglichen Gewohnheit des Ordens eine Ausnahme zu
machen, und ließ den vom Herzoge Leopold V!. dem
Stifte geschenkten Partikel des heiligen Kreuzes in Silber faf*
sen, und mit Edelsteinen besetzen, um dessen Verehrung zu
befördern. Unter seinem Nachfolger Leopold, der im Jahre
»347 starb, betrug nach alten Stifts-Catalogen die Zahl der
Stiftgsteder 65; nähmlich 40 Priester und 26 Laienbrüder.
Der Abt Colomann II. erhielt vom General-Capitel
den Auftrag, die Klöster Neuberg in Steyermark, und Cica-
dor mit Marienberg in Ungarn, zu visitiren, er wurde aber bey
der ungarischen Königin Elisabeth verklagt, und mußte
sich sogar öffentlich durch einen Eid reinigen. Dem unge-
achtet wurde er im Jahre »3<)2 seines indiscreten Eifers we-
gen (nach dem Ausdrucke der Stiftshandschriften: quia indis-
creto religionis fervore abreptus excessit) seiner Würd?
gänzlich entsetzt. Sein Nachfolger N i c 0 la u s I. erwarb sich
das Zutrauen und das Wohlwollen des Landesfürsten so sehr,
daß ihn der Herzog A l b e r t IV.* sogar zum geheimen Rathe
ernannte, und alle Privilegien des Stiftes bestätigte. Aber
im Jahre »402 resignirte er seine äbtliche Würde, damit er
hssto ungestörter Gott dienen, und von der seligsten Jungfrau
ÜOS
Maria schreiben könne. Sein sehr mühsam künstlich und schön
auf Pergament in Folio geschriebenes Werk: »De Laudibus
beatae Vi.' ginis,« wird noch sorgfältig in der Stifts-Biblio-
thek aufbewahret.
Im Z5ten Jahrhunderte hatte das Stift eilfAebte, die mit
verschiedenen Schicksalen zu kämpfen hatten. Abt Albert er-
baute lm Jahre ,412 die Capelle zum heiligen Lorenz in
Mayrling, und im Jahre i4>4 die Capelle zum heiligenUdal-
rrch rn Siegenfeld; er visitirte die Stifte Lilienfeld, Zwet-
tel und Cicador, und erhielt mehrere Belobungsschreiben von
den Landesfürsten in Oesterreich und Ungarn. Georg, Bischof
von Passau bestätigte die Jncorporation der Pfarre Alland.
Aber zugleich wurden die Stiftsgüter, besonders durch einen
Grafen von SanctGeorg, verheeret; und als sich die Brü-
der Alb er tsIV. in Oesterreich wegen der Vormundschaft über
A l b e r t V. einander bekriegten, beschwerten sie auch das Stift
mit unerschwinglichen Steuern und andern Abgaben.
Dazu kam noch ein mehrjähriger Mißwachs, welcher die
Noth und Armuth so vergrößerte, daß, nach einem Schreiben
des Abtes Albert an Nie las von Pottenbrunn, die
Srifrsgeistlichen nicht hinreichende Nahrung und Kleidung er-
halten konnten; der Abt Albert selbst starb im Jahre 1414
vor Hunger oder Kummer; nach dem Ausdrucke alter Stists-
Catalogen: »Vel farne yel moerore obiit.« — Sein Nach-
folger Peter machte sich schon früher als Hofprediger in
Wien, und dann als Lehrer der Theologie und als Stifts-
prior rühmlichst bekannt; aber als Abt lebte er nur kurze Zeit.
Sein Nachfolger Johann 1J. hatte zwar in Hinsicht noth-
wendig gemachter Schulden viele Sorgen; er erhielt aber vom
Kaiser Sigismund im Jahre »480 verschiedene Privilegien^
Er soll, nach alten Stiftshandschriften/ im Jahre i43i , in
Beyseyn des Herzogs A l b e r t V., den Grundstein zum zweyten
großen, bis jetzt noch unausgebauten Thurm der Sanct Ste-
phanskirche in Wien gelegt, und dann mit einem Stifts-Pro-
feffen, H e i n rich B a s l e r, im Jahre 14^4 dem Concilium zu
Basel beygewohnt haben. Nach einer in der Stifts-Biblio-
thek befindlichen Handschrift dieses Heinrich Basler: »Hb
202
storiae Cassiodori betitelt«/ sollen daselbst 9 Card male, der
Kaiser Si.gism und, »00 Bischöfe und über 400 Doctoren
der Theologie, unter welchen mehrere Cisterzienser, anwesend
gewesen seyn. Der Nachfolger des Abtes Johann, Hein-
rich IV., wurde zum Beweise des großen Zutrauens von Kai-
ser Friedrich IV., als derselbe nach Palästina reifere, im
Jahre 1442, nebst einigen Andern sogar zum Landes-Gouver-
neur während seiner Abwesenheit ernannt. Ein aUer Stifts-
Catalog sagt hierüber: »Ulla cum aliis quibusdam locum-
tenens in Austria declaratus est, antepositus Omnibus tum
ecclesiasticae tum politicae dignitatis proceribus, excep-
to unico Frisingensi episcopo Nicodemo.«
Der Abt H einr i ch genoß seine Würde nicht lange, denn
er starb schon im Jahre 1442. Sein Nachfolger, G eorgll.,
war ein durch Frömmigkeit und 'Andachtsübungen ausgezeich-
neter Mann; er hatte aber das Unglück, daß unter ihm das
Stift von Räubern geplündert wurde; wahrscheinlich durch
die herumstreifenden ungarischen Truppen des Johann Hu-
nyades, der den Kaiser mit Gewalt zur Herausgabe des
Thronerbens von Ungarn, Ladislaus Posthumus, nöthi-
gen wollte. Später verübten auch die Soldaten des Ulrich
v 0 n C i l l i, und des U l r i ch E u tz i n g e r, die heftige Geg-
ner des Kaisers waren, vielen Unfug in dieser Gegend , und
verschonten daher auch das Kloster Heiligenkreuz und dessen
Besitzungen nicht.
Der Abt Johann III. resignirte seine Würde bald, sei-
nes hohen Alters wegen. Abt Johann IV., mit dem Zunah-
men Poley, erhielt im Jahre \/\5\ und 1455 vom Herzoge
in Bayern, Ludwig, und von B ern h ard Grafen v 0n
Schaumberg, die Bestätigung der früheren Privilegien in
Hinsicht der freyen Salzeinfuhr. Der König Ladislaus
schenkte dem Stifte den Zehent von Poderstorf und Winden in
Ungarn. Das Consistorium von Paffau bestätigte im Jahre
1466 die Inkorporation der Pfarre Minchendorf, und das
Zehentrecht des Stiftes, welches der dasige Pfarrer Martin,
ein Weltpriester, dem Stifte wollte streitig machen. Dieser
Abt Johann war auchDoctor der Theologie und wurde vom
Lo3
General-Capitel zum Visitator der Ordensklöster Ln Oesterreich,
Sceyermark und Ungarn ernannt, mit dem besonderen Auf-
träge, über dre für die Cisterzienser zu Sanct Nrcolaus in
Wien errichtete theologische Lehranstalt besondere Obsorge zu
tragen, zu welchem Zwecke rhm auch im Jahre 1462 von Ei-
ste rz besondere Regeln für dieselbe zugesendet wurden. Die-
ser Abt Jo Hann gerieth mit dem Abte Peter von Lilien^
feld in eine sehr unangenehme Streitigkeit, die in ein erbit-
tertes Gezänk ausartete. Abt Peter wollte nähmlich im dem
Stifts - Lüienfelder-Freyhofe zu Pfaffstätten auch die Gerecht-
same, ein Wirthshaus zu errichten, nebst anderen obrigkeitli-
chen Rechten ausüben, wozu er in der Thar nicht berechtigt schien,
und wogegen der Abt Johann als Ortsobrigkeit protestiere.
Da gütliche Vorstellungen bey dem unternehmenden Abte Pe-
ter nicht fruchten wollten, nahm Abt Johann als unmit-
telbarer Vater und Visitator einen gebietherischen Ton an,
der die Erbitterung nur vermehrte , bis derKaiser sich selbst der
Sache annahm, wodurch endlich alles wieder in den vorigen
Stand gesetzt wurde. Es blieb aber dennoch zwischen beyden
Stiften ein Keim des gegenseitigen Mißvergnügens, der bald
zu einer offenbaren Trennung Veranlassung gab. — Der Abt
Georg III. war em sehr thätiger Mann, und erhielt viele
Unterstützung vom General-Capitel; aber dem ungeachtet ver-
armte das Stift immer mehr, weit verschiedene Unglücköfälle
es niederbeugten. Im Jahre -462 verbrannte durch Unvor-
sichtigkeit eines Arbeiters mir dem Glockenthurme ein großer
Theil der Stiftsgebäude. Zwischen den Jähren >462 und
1466 waren theils an den Kaiser Fr i edrich IV. theils an den
Herzog Albert VI., die gegen einander Krieg führten, theils
an verschiedene adelige Gegner des Kaisers, so viele Zahlun-
gen und Contributionen zu leisten, daß es das Stift kaum er-
schwingen konnte, daher auch der'AbtGeorg genöthigetwar,
beym General-Capitel zur Erleichterung des Lebensunterhal-
tes, um Dispens von der ursprünglichen Strenge des Fastens
anzuhalten, und um die Erlaubniß, 3 Tage m der Woche,
die Advent- und 4otägige Fastenzeit ausgenommen, Fleischspei-
sen genießen zu dürfen; welches auch ihm und allen Ordens
204
klöstern für immer bewilligt wurde: Der Abt Georglll. er-
rrchtete auch im Jahre 1468 eme geistliche Verbrüderung mit
den Stiften Klosterneuburg und Klein-Mariazell, in Hinsicht
des gegenseitigen Andenkens im Gebethe. Im Jahre ,470 wurde
der Abc Georg IV, durch Wilhelm/ Abt des Murterstif-
tes Morimund, der zugleich das Amt eines Visitators aus-
übte, in seme Würde feyerlich eingesetzt.
Nach dem aufgenommenen Verzeichnisse waren damahls
im Stlfte 3? Mönche, 2 Laienbrüder und r Noviz; auch war
die vorhandene Substanz an Silbergeräth nicht unbeträchtlich;
aber die jährlichen Ausgaben überstiegen die Einnahmen, so
zwar, daß eben dieser Abt Georg IV. genöthigt war, daS
General Capitel für seine Mönche um bte Erlaubniß zu bitten,
eine wohlfeilere Kleidung von schwarzer Farbe tragen zu dür-
fen ; welches ihtn, jedoch nur für die Zeit der wirklich vorhan-
denen Dürftigkeit, erlaubt wurde. Diesem Abte wurde vom
General-Capitel auch die Visitation der Ordensklöster in Oester-
reich aufgetragen, welche er besonders zu Lilienfeld in Vollzie-
hung brachte, aber mit einem sehr unglücklichen Erfolge.
Dem Vorrechte eines unmittelbaren Vaters gemäß, führte
Abt Georg bey der Wahl eines neuen Abtes in demFilial-
kloster Lilienfeld im Jahre 1472 den Vorsitz. Es wurde das
Stiftsglied Jakob zum Abte erwählt; aber diese Wahl gab
zum Mißvergnügen über den Abt von Heiligenkreuz, und end-
lich zu einer gänzlichen Trennung Veranlassung, Das Gene-
yeral-Capitel gab dem Abte von Rhein, Christian, den Auf-
trag , die Sache näher zu untersuchen; und dieser erklärte sich
gegen den Abt von Heiligenkreuz, und fachte eben dadurch die
gegenseitige Erbitterung, die seit dem Abte Peter unter der
Asche glimmte, zu hellen Flammen an. Die Sache kam end-
lich so weit, daß der Kaiser selbst durch sein Vorwort beym
Papste Sixtus IV. es dahin brachte, daß im Jahre 14.7Z
das Kloster Lilienfeld von der Kindschaft gegen Heiligenkreuz
losgezähler, und unmittelbar dem Erzstlfte Cisterz unterwor-
fen wurde. Da aber wegen der weiten Entfernung die Com-
munication sehr schwer war, so bewirkte der Kaiser abermahls
yom Papste eine Bulle, durch welche für die Zukunft der Abt
de- Stifte- Rhein in Steyermark, als der unmittelbare Vater
des Klosters Lilienfeld erklärt wurde; welche Vereinigung schon
der Abt Peter beabsichtigt hatte. 'Aller dieser so verdrießli-
chen und ärgerlichen Händel ungeachtet, gebrauchte der Abt
Georg das ihm vom General-Capitel übertragene Amt eines
General-Vicars des Ordens, und hielt im Jahre 14*74 zu Hei-
ligenkreuz ein Provinzial-Capitel, in welchem nebst andern
Aebten des Ordens auch jene von Seissenstein, Baumgarten-
berg , Wilhering, Engelszell, Fürstenzell, Aldersbach und
Raitenhaslach, zugegen waren. In eben diesem Jahre 1474
errichtete der Abt Georg auch eine geistliche Verbrüderung
mit dem Benedictinerstifte Götrweih, und mit dem Orden dek
Augustiner-Eremiten.
Im Jahre 1478 wurde nach dem Tode des Abtes Georg,
einstimmig Matthäus Kronberger, von Aspern an der
Donau gebürtig, zum Abte von Heiligenkreuz erwählet. Er
erhielt im Jahre 1479 von Kaiser Friedrich IV., und im
Jahre 1469 vom Könige M a t t h i a s C 0 r v i n u s, die Be-
stätigung der Privilegien des Stiftes. Aber die feindlichen
Einfälle und Verwüstungen der Ungarn verursachten dem Stifte
einen großen Schaden. Dieser Abt visitirte als General-Vi-
ear, und reformirte mehrere Klöster des Ordens, insbesondere
die Nonnenklöster zu Jps, und zum heiligen Bernhard bey
Altenburg.
Im i6ten Jahrhunderte, während welchem das Stift zehn
Aebte hatte, war dasselbe in einer so ungünstigen Lage, daß
es öfters dem gänzlichen Untergange nahe schien. Im Jahre
»4yZ wurde Michael I., mit dem Zunahmen Aigner, von
Medling gebürtig, zum Abte erwählet. Das General-Ca-
pitel schenkte ihm so großes Zutrauen, daß 20 Mannsklöster
und 3 Nonnenklöster des Ordens seiner Visitation und Aufsicht
unterworfen wurden, in welchen er auch die Ordnung und
Disciplin vollkommen erchielt; besonders im Nonnenkloster St.
Nico laus in Wien, und im Kloster Pili s in Ungarn, zu
dessen Visitation ihn im Jahr 1609 der König Ladislaus
eigens eingeladen hatte. Er sorgte auch eifrig für die Wie-
derherstellung des Gebäudes zu^Sanct N i c ö l a u s in Wien,
2o6
zum Behufe der theologischen Studien für die Ordens-Zög-
linge. Er war aber auch genöthigt, beträchtliche Schulden zu
hinterlassen, die auch sein Nachfolger Be r n h ar d M ed ri-
ze r nicht vermindern konnte, obschon sich bey seiner Erwäh-
lung im Jahre i5i6, nach dem, von dem damahligen Visitator
Johann, Abre zu Rhein, aufgenommenen Verzeichnisse, ein
beträchtliches Silbergerärh ir der Substanz des Klosters vor-
fand. Abt Bernhard lftß im Jahre i5u) alle Privilegien
des Stiftes vidimiren, und nebst mehreren andern auch die
verfallene ehemahlige Capelle des heiligen Erasmus wie-
der Herstellen, und zu Ehren des heiligen Bernhard, durch
denGeneral-Vicar des Bisthumes Passau, Bernhard, ein-
weihen. Abt Bernhard wurde durch eine schwere Krankheit
genöthigt, seine Wurde zu resigniren, und erhielt im Jahre
i5i<) zum Nachfolger Wilhelm, von Augsburg gebürtig, der
schon im Jahre i5o5 zum Abte von Baumgartenberg erwählt
worden war. Als Abt von Heiligenkreuz erhielt er sowohl
sott Ludwig, dem Könige von Ungarn, als vom Kaiser Fer-
dinand I. die Bestätigung der Privilegien des Stiftes; er
mußte aber wegen der großen Kriegsbeysteuern gegen die Tür-
ken den Ort Weinarm und den Stiftshof zu Preßburg an die
dasigen Bürger verkaufen. Im Jahre i52Ö resignirte er feine
Würde wegen Altersschwäche. Sein Nachfolger, Abt I o-
hann V. Hartmann, von Ueberlingen in Schwaben ge-
bürtig, hatte eine sehr betrübte Lage; denn im Jahre 162t)
kajn der türkische Kaiser Soli mann mit einem sehr zahl-
reichen Kriegsheere nach Oesterreich, belagerte Wien, und ver-
heerte die ganze Gegend. Der Abt Johann flüchtete sich
nach der Stadt Sreyer, und die Stiftsgeistlichen zerstreuten
sich in verschiedene Länder. Nur ein Laienbruder blieb im
Stifte zurück; man fand ihn aber nach dem Rückzüge der
Türken, getödtet und verstümmelt im Kreuzgange des Klo-
sters liegen. Das Dach der Kirche und das Klostergebäude'war
von den Türken verbrannt worden. Um daher dem Stifte nur
einiger Maßen zu Hülfe zu kommen, und zugleich die Kriegs-
beysteuer bestreiten zu können, mußte Abt Johann viele
Güter verkaufen , und alles Sllbergeräthe - nur eine Mon-
207
stranze und einen Kelch ausgenommen/ einschmelzen lassen.
Kurz vor seinem Tode im Jahre i536, erwarb er den Ort und
die Pfarre Gaden/ welche Chr ist oph von Rauhen eck an
ihn verpfändet hatte. Sein Nachfolger Hieronymus Veigl
fand das Stift in einer sehr traurigen Lage ; er war sogar
genöthigt/ dessen Schuldenlast zu vermehren. Er erwarb dem
Stifte im Jahre ,538 durch den päpstlichen Legaten Paul
Vergerius die Pfarre Pfaffstätten, welche von der Pfarre
Traiskirchen getrennt und dotirt wurde. Im Jahre 1642 er-
hielt der Abt Hieronymus für sich und seine Nachfolger
vom Papste die Erlaubniß/ die bischöflichen Insignien zu ge-
brauchen. Er wurde auch vom General-Capitel zum Visitator
in Oesterreich ernannt/ und erhielt insbesondere vom Kaiser
Ferdinand!, den Auftrag/ das Stift Lilienfeld zu refor-
miren. Aber plötzlich artete er selbst so sehr aus/ wahrschein-
lich vom überhandnehmenden Geiste des Protestantismus da-
hingeriffen/ daß er Mönchthum und Religion verließ; (nach
dem Ausdrucke alter Stiftskatalogen: »monachum cum re-
ligione exuit*«) Eben darum wurde er genöthigt/ seine Würde
zu resigniren. Er bekehrte sich aber bald wieder / ging dann in
das Kloster Wilhering, und starb daselbst bußfertig. Seine
Nachfolger Sigismund und Simon D e m n i u s lebten
beyde nur kurze Zeit/ und waren genöthiget die meisten Stifts-
güter zu veräußern/ um die große Schuldenlast wenigstens
etwas zu verringern. Der Visitations-Bericht vom Jahre 1644
liefert ein langes Verzeichnis; der damahls verkauften Güter.
Selbst das Personale des Stiftes war in dieser Unglücks-Pe-
riode so herabgekommen/ daß der Abt Conrad HI. Fab er/
aus Ueberlingen in Schwaben gebürtig, der schon früher Abt
zu Wiener Neustadt war, und im Jahre ,548 hierher postu-
me wurde, beym Antritte seiner Würde nur zwey Priester,
nähmlich den Prior Euchar, und den Kämmerer I0 hann,
dann noch einen Laienbruder und zwey Novizen vorfand. Er
nahm daher sieben seiner Landsleute zu Stiftsgliedern an, und
suchte theils die veräußerten Güter wieder einzulösen, theils
die verfallenen Gebäude wieder herzustellen, und besonders die
Wirthschaft auf den Stifts-Meierhöfen zu verbessern. Sein
3oB
Nachfolger und Landsmann Udälrich II. Molitor trat
genau in seine Fußstapfen. Obwohl er öfters großen Geld-
Mangel hatte, so ließ er doch mehrere Stiftsgebäude wieder
herstellen, und die noch bestehende Wasserleitung anlegen; er
erwarb neuerdings die Mühle bey Wilfleinstorf, die Freyhöfe
zu Baden und Pfaffstätten, so wie den Ort Gaden, wo er
ein neues Schloß mit einem Keller erbaute; eben so auch große
Keller im Stifte, im Stiftshofe zu Wien, und besonders zu
Tallern, mit einer sehr großen Weinpreffe daselbst. Er betrieb
den Weinbau so eifrig, daß er nach seinem im Jahre 1684
erfolgten Tode, 18000 Eimer Wein hmterließ, und alle Schul-
den bezahlt hatte. Aber die Zahl der Stiftsglieder war unter
ihm sehr gering; nähmlich nur drey Priester, wovon bey dem
Tode des Abtes einer die Seelsorge und den Gottesdienst zu
Heiligenkreuz, einer zu Alland, und einer zu Gaden versah;
Und vier Laienbrüder, die zur Besorgung der Oekonomie ver-
wendet wurden. Im Visitations-Buche vom Jahre 1566 wer-
den die damahligen Stiftsgüeder nahmentlich angeführet;
nähmlich: Lorenz,- von Baden gebürtig, der durch 16 Jahre
Prior war, und endlich resigNirte; dann Matthias, 26 Jahre
alt, 2 Jahre Priester und 6 Jahre im Orden; und Valentin
von Ueberlingen, 28 Jahre alt, seit »4 Jahren im Stifte,
und seit 4 Jahren Priester. Ferner Johann von Ueberlingen,
Subdiacon, 21 Jahre alt; Jakob, Subdiacon, 24 Jahre alt,
verrichtet das Kelleramt; Caspar und Christian, 20 Jahre alt,
Noch in minoribus; dann noch ein Bruder Joachim, und
zwey Novizen, Paul und Johann, 12 Jahre alt. Aus diesem Be-
richte ersieht man zugleich, daß man damahls selbst Knaben
schon das Ordenskleid zu geben pflegte.
Der Abt Johann VI. Ru eff, war Capitular des Be-
nedictiner-Stiftes Melk, wurde dann mit päpstlicher Dispen-
sation Abt zu Zwettl, und von da als Abt nach Heiligenkreuj
postulirt, nachdem das Stift nach dem Tode des Abtes Udal-
rich ein Jahr lang durch Mathias, einen Capimlüreri deS
Stiftes Seissenstem, war ädministrirt worden. JmJahre i583
erhielt er das Patronat der Pfarre Trumau, die bisher zu
Traiskirchen gehörte; er vollendete zu TrumaU den Bau der
2VY
Pfarrkirche, des Pfarrhofes, des Schlosses und der Mühle.
Im Jahre 1690 erhielt er vom Kaiser Rudolph II. die
Jagdgerechtsamkeit in den Wäldern des Stiftes in der Umge-
bung des Ortes Grub. Er ergab sich aber einer allzu großen
Prachtliebe, und machte einen großen Aufwand zum Schaden
des Stiftes, welchen Schaden noch ein beträchtlicher, durch
seine Sorglosigkeit veranlaßter Diebstahl vermehrte. Er wurde
endlich durch verläumderische Anklagen drey Jahre lang im
Brschofhofe zu Wen in Verhaft gehalten, bis nach einer vom
Ordens-Generale Ed mund gepflogenen genauen Untersuchung,
seine falsche Anklägerin a,n hohen Markte zu Wien öffentlich
hingerichtet, Abt Johann aber für vollkommen unschuldig
erklärt und frey gesprochen wurde. Hierauf wurde er als land-
ständischer Verordneter zum Kaiser Rudolph nach Prag gesen-
det; aber er starb während der Reise dahin im Kloster Bruck,
bey Znaym, im Jahre »699, und erhielt Grabstätte und Grab-
mahl zu Heiligenkreuz.
Im i^ken Jahrhunderte hatte das Stift nur sieben Aebte,
durch welche aber das Glück desselben wieder zu blühen anfing.
Der Abt P a u l S ch ö n e b n e r, von Zwettl gebürtig, war
Prior, dann Administrator des Stiftes, und wurde im Jahre
1601 zum Abte erwählt. Er fand eine große Schuldenlast,
und mußte im Jahre i6o5 als Kriegsbeysteuer gegen die Tür-
ken 5i Mark und i5 Unzen an Silbergeräth abliefern. Dem
ungeachtet baute er Verschiedenes im Stifte, zu Trumau, Pfaff-
stätten und Königshofen, vergrößerte aber die Schuldenlast;
und da theils wegen der Unruhen der Protestanten, theils
wegen der Empörung der Ungarn, die Einkünfte des Stiftes
sehr geschmälert wurden, hatten die Geistlichen oft kaum ge-
nug schwarzes Gerstenbrod zu essen. Daher wurde der Abt
Paul sogar drey Jahre lang von seiner Würde suspendirt, und
indessen die Verwaltung einem Stiftsgliede, Johann Da-
mian, übergeben. Dem ungeachtet legteAbt P au l den Grund
zum künftigen dauerhaften Wohlstände des Stiftes dadurch,
daß er acht Männer zu Stiftsgliedern aufnahm, die von Ci-
sterz und Clairveaux hierher kamen, und von denen zwar
mehrere, so wie selbst der Abt Paul, im Jahre rbi3 an der
O
210
Pest starben; aber vier derselben wurden zu höheren geistlichen
Würden befördert; nähmlich: Anton Wolfrath, von
Köln gebürtig, wurde Abt zu Wilhering, dann Abt zu Krems-
münster, endlich Bischof zu Wien, und Reichsfürst. Johann
Seyfried wurde Abt zu Zwettl; Georg Stephani des
Abt zu Baumgartenberg; und Christoph Schaffer, von
Ollmütz in Mahren gebürtig, war nach dem Tode des Abtes
Paul Administrator des Stiftes Heiligenkreuz, und wurde
im Jahre 1616 zum Abte erwählt. Er erhielt im Jahre i6i5
vom Kaiser Mathias 11. die Bestätigung der Privilegien
des Stiftes, und brachte mehrere veräußerte Güter wieder an
das Stift zurück. Er erlitt aber verschiedene Ungtücksfälle; so
z. B. verbrannten die feindlichen Mährer und Pohlen im Jahre
162.0 den dem Stifte gehörigen Ort Niedersulz. Im Jahre
1621 verbrannten die rebellischen Ungarn die Oerter Wilflein-
storf, Trumau, Tallern und Pfaffstätten. Im Jahre 1623
verbrannte der Meierhof beym Stifte. Im Jahre 1627 ver-
brannte durch einen Blitzstrahl der Glockenthurm und das Dach
der Stiftskirche und des Schtafsaales; so wie mehrere Ge-
bäude am sogenannten Rhadschin. Dem ungeachtet erbaute Abt
Christoph die jetzige Convent-Wohnung mit dem Winter-
Refectorium, gerieth aber in große Schulden, ja sogar in
eine offenbare Uneinigkeit mit dem Convente der Stifrsglie-
der, so zwar,, daß er selbst über zwey Jahre lang von seiner
Würde suspendirt war; selbst der Prior, Mathias Palfy,
lind mehrere Stiftsglieder hospitirten Ln andern Klöstern, bis
die ganze Sache auf Befehl Kaisers Ferdinand 11. durch
das General-Capitel und dessen Bevollmächtigten, Ignaz,
Abtes von Lilienfeld, zum Wohle des Stiftes entschieden, und die
Eintracht und Disciplin wieder hergestellet wurde. Der Abt
Christoph war übrigens ein sehr thätiger Mann, der alle
Hindernisse standhaft zu besiegen wußte. Er widerstand eifrig
dem einreißenden Protestantismus; er wurde zwey Mahl zum
landständischen Verordneten erwählt, und von der Universität'
zu Wien im Jahre 1623 jum Rector magnificus; vorn Ge-
neral-Capitel zum General-Vicar des Ordens, und vorn Kaiser
Li 1
Ferdinand II. zum Kriegs-Commissär ernannt. Erstarb
im Jahre 1687.
Christophs Nachfolger, Michael II. Schnabel, der
Sohn eines Stiftsünterthanes zu Pfaffstätten, und als Sän-
gerknabe im Stifte erzogen, machte sich als Abt durch einen
discreten Eifer für die Disciplin- durch seine Sorgfalt für
einen erbaulichen Gottesdienst, und hauptsächlich durch Ver-
besserung der Oekonomie so verdient, daß er mir Recht als der
vorzüglichste Wiederhersteller des Stiftes angesehen wird. Er
hatte zwar auch manche widrige Schicksale zu erdulden. Die
Bewohner des Ortes Steinbruch bey Königshofen in Ungarn
hatten schon seitdem Jahre 1608 dem Stifte den Gehorsam
und die Unterthänigkeit verweigert, und verübten mancherley
Unfug, bis es endlich dem Abte Michael gelang, sie im
Jahre i653 ernstlich zu ihrer Pflicht zurück zu führen. Die
Stiftsünterthanen jenseits der Donau wurden im Kriege mit
den Schweden durch Einquartirüng und feindliche Contribu-
tionen hart geplagt. Es mußte eine außerordentliche Kriegs-
beysteuer, Leibsteuer genannt, geleistet werden, zu deren Be-
huf man im Jahre 1.646 sogar des Kirchensilbers bedurfte. Im
Jahre 1644 wurde das Land durch die Pest verheert, so zwar,
daß monathlich in einem Orte bey 40 Menschen starben, und
der einzrge Ort Winden in Ungarn binnen 4 Monathen 3oo
Menschen verlor. Auch Mißwachs und Ungewitter vergrößer-
ten die Noth. Aber der Abt Michael blieb unermüdet für
das Wohl der Seinigen thätig. Er ließ im Jahre 1643 Heili-
genkreuz zu einer eigenen Pfarre erheben, und die Besorgung
der Oekonomie in und außer dem Kloster, die vorher von
weltlichen Beamten geschah, vertraute er seinen Stiftsgeistli-
»chen an. Er vollendete die Baulichkeiten seines Vorfahrers im
Stifte, baute den Stifts-Meierhof, den Schüttkasten und
die Sägemühle, verschönerte den Convent-Garten, baute an
dem Schlosse zu Trumau, ließ durch kaiserliche Commiffäre
die Stiftswälder genau ausmessen, und gab eine große Summe
Geldes zur Verbesserung der Oekonomie. Er ordnete eigen-
händig das Stifts-Archiv, und hinterließ schätzbare handschrift-
liche Notizen. Auch für einen schönen Kirchen-Ornat trug er
O 3
L12
Sorge. Im Jahre rb5i kaufte er das Gut Niederleiß, und
im Jahre 1662 das Gut Sparbach oder Neu-Johannstein.
Er besuchte auch das General-Capitel zu Cisterz, und wurde
zum Doctor der Sorbonne zu Paris/ und vom General-Ca-
pitel zum General-Vicar des Ordens ernannt. Er visitirte viele
Klöster Ln Oesterreich/ Steyermark, Körnchen und Krain,
und starb im Jahre i658, das Stift ohne Schulden/ und an
Gebäuden und Einrichtung im besten Zustande hinterlassend.
Abt Clemens Schaffer/ von Wien gebürtig, wurde,
obgleich der jüngste Priester des Stiftes, Prior, und dann im
Lyften Jahre seines Alters, Abt zu Heiligenkreuz. Er war
gleich seinem Vorfahren ein unermüdet thätiger Mann. Er
hatte zwar beträchtliche Kriegsbeysteuern gegen die Türken zu
leisten, doch verwendete er auch bedeutende Summen zu Bau-
lichkeiten und zur Verbesserung der Oekonomre. Er erbaure im
Stifte den Glockenthurm, dre Sacristey, das Oratorium,
und ließ die Stiftskirche neu pflastern, besorgte auch meh-
rere neue Kelche und Ornate, und ließ den großen Küchengar-
ten beym Stifte anlegen, baute Keller und unterirdische Was-
serabläufe im Stifte, dann das Herrschaftshaus zu Maierling,
den Pfarrhof zu Alland, die Capelle zu Königshofen, die Ca-
pelle, dann Keller, Stallung und Brunnen im Stiftshofe zu
Wien; das Bad sammt der Capelle, Stallung und Wohnge-
bäuden im Stiftshofe zu Baden; die Gasthäuser zu Tallern,
Minchendorf, Niederleiß; er vergrößerte den Stiftshof zu
Enzerstorf und die Pfarrkirche zu Niedersulz; er vollendete
das Schloßgebäude zu Niederleiß, und den Pfarrhof zu Win-
den. Er erhielt das Gut Minchhofen wieder zurück, welches
dem Stifte seit dem Jahre i553 unter dem Kaiser Maxi-
milian II. war vorenthalten worden. Er wurde im Jahre
1661 zum Kriegö-Commiffär, und im Jahre i665 zum land-
ständischen Verordneten ernannt, administrirte einige Zeit
das Stift Seiffenstein, und half demselben mit einer beträcht-
lichen vorgestreckten Summe Geldes. Im Jahre 1671 bewir-
thete er den Weihbischof von Paffau, Jodokus Höpfner;
er hatte auch mehrmahlen die Ehre, selbst den Kaiser Leo-
pold I. im Stifte, zu Trumau, zu Sparbach und zu Gaden
5518
zu bewirthen. Die Früchte seiner bisherigen Bemühungen
schienen größten Theils verloren zu gehen, als im Jahre i683
die Türken in Oesterreich einfielen, Wien belagerten, und das
ganze Land gräulich verheerten. Alle Ortschaften wurden von
ihnen verbrannt, und daher auch die Kirche und das Stiftö-
gebäude zu Heiligenkreuz, wo sogar, aus Begierde nach ver-
grabenen Schätzen, die Grabsteine aufgerissen und zertrüm-
mert wurden. Die Stiftsgeistlichen hatten sich zerstreuetj der
Stifrsschatz wurde vom Abte Clemens selbst nach Bayern
abgeführt, und die vorzüglicheren Bücher der Bibliothek und
die Schriften des Archives wurden theils vergraben, theils nach
Wien in Sicherheit gebracht. Höchst traurig war nach dem
Rückzüge der Türken der Anblick des zerstörten Landes; höchst
betrübt der Blick in die Zukunft, da alle Bewohner zerstreuet,
vermindert und verarmt waren. Aber der Abt Clemens
wußte mit einer unglaublichen Thätigkeit in einem Zeitraume
von 8 Jahren in seinem Wirkungskreise alles wieder in so gu-
ten Stand zu setzen, daß man ihn mit Recht den zweyten
Stifter nennt. Im Jahre 1686 kaufte er das Gut Wildeck.
Er sammelte auch verschiedene historische Notizen, die sein
Stift und sein Zeitalter betreffen, und munterte auch seine
Sriftsgeistlichen zu ähnlichen Arbeiten auf. Er starb im
Jahre i6g3. —
Sein Nachfolger, Marian I. Schirmer, von Brunn
in Oesterreich gebürtig, der im Jahre ijo5 starb, und Ge?
rard Weichselberger, von Mauer in Oesterreich, der im
Jahre 1728 starb, traten in seine Fußstapfen, und suchten
durch ihre Thätigkeit den Wohlstand des Stiftes zu beför
dern, obschon es auch nicht an Unglücksfällen mangelte. Zwi-
schen den Jahren 1701 und 1704 plünderten und perheerten
die ungarischen Malcontenten die meisten Ortschaften in Oester-
reich V. U. W. W.; daher sich auch die meisten Geistlichen
von Heitigenkreuz in entferntere Gegenden flüchteten, obschon
das Stift verschont blieb. Der Abt Marian baute die Stifts-
Bibliothek, die Bernhardi-Capelle, die große Orgel sammt
dem Glockenchurme der Kirche, und das sogenannte Neuge-
bäude zum Behufe der Kranken. Der Abt Gerhard hatte
si4
Baulichkeiten, die durch eine Feuersbrunst verursacht wurden,
wodurch der Stifts-Meierhof, die Pfarrkirche und die äußeren
Stiftsgebäude waren eingeäschert worden. Im Jahre 1713
raffte die Pest viele Menschen dahin; aber im Stifte starb an
derselben nur Ein Geistlicher, Alexander Standhart-
ner; nach der Angabe der Handschrift: Corona fratrum
Sanctae Crucis Professorinn. Der Abt Gerhard machte
übrigens auch verschiedene Verschönerungen in der Stifts-
kirche, und den übrigen Gebäuden; unter andern erbaute er
auch das Hornwerk oder die Orgel über dem Hauptthore des
Stiftes; er renovirte das Capitelhaus, und erbaute die Ca-
pelle der heiligen Anna im S.üftskreuzgange, wo er auch
begraben liegt, und sein Grabmahl hat.
Unrer ihm wurde das Wiener Bisthum im Jahre 1723,
unter dem Kaiser Carl VI. und dem Papste In no cen zHII.
zu einen Erzbisthume erhoben, und zu den ursprünglichen 26
Pfarren wurden demselben noch 69 Pfarren untergeordnet,
welche das Bisthum Paffau im V. U. W. W. den 12. März
1729 förmlich abtrat, und zu welchem das ganze Decanat
Baden, folglich auch die Pfarre und das Stift Heilrgenkreuz
gehörten. Der Abt Gerhard erlaubte auch dem von Wien
gebürtigten Stiftsgliede, und damahligen Kellermeister im
Wiener-Stiftshofe, Rob e rt Leeb, den 17. May 1719 mit
der österreichischen Gesandtschaft nach Constantinopel, und
von da zum heiligen Grabe nach Jerusalem zu reisen. Derselbe
kam den 3. September 1720 wieder nach Wien zurück, und
brachre viele orientalische Seltenheiten mit sich, die noch-jetzt
das Naturalien-Labinett des Stiftes zieren. Dieser wurde
auch, nach dem Tode des Abtes Gerhard, den i3. Sep-
tember 1728 zum Äbte von Heiligenkreuz erwählt. Der Fürst-
Erzbischof von Wien, Cardinal Sigmund, Grafvon Kol-
lo nitsch, weihte im Jahre 1780 den Hochaltar der Stifts-
kirche. Abt Robert errichtete im Stifte eine Rüstkammer,
eine Bilder-Gallerie, ein Kunst - und Naturalien-Cabinett; er
ließ durch den Bildhauer Giulliani, und den Mahler Al-
tem on t e das Stift und die Kirche mit Gemählden und Sta-
tuen verschönern; er erbaute im Stiftsvorhofe, dem Gasthauss
ti5
gegen über, eine geräumige Wohnung für die weltlichen Stifts-
Beamten, und un Hofe, der Krrchen Fronre gegen über, erne
Säule der heiligsten Dreyfalügkeit, und einen Springbrun-
nen. Im Jahre 1781 erbaute er den Kreuzweg; bey welcher
Gelegenheit zu Heüigenkreuz ein feyerlicheö General-Capitel
deS Ordens der Einsiedler vom heiligen Anton gehalten
wurde. Im Jahre 1733 erwarb Abt R 0 b e r t durch die Gnade
des Kaisers Carl VI. für eine Summe von ein Mahl hundert
tausend Gülden die Abtey Sanct Gotthard in Ungarn, mit
einer arrondirten Herrschaft von 28 Dörfern und 7 Pfarren
im Eisenburger Comitate, der Raaber Diöcese, aber seit dem
Jahre 1770 der neuen Diöcese von Steinamanger zugetheilt.
Der Abt Robert vereinigte diese Abtey mit dem Stifte Hei-
ligenkreuz, welche Vereinigung vom General-Capitel zu Ci-
sterz, wo Abt Robert im Jahre 1781.) gegenwärtig, und
zum Ordens-General-Vicar ernannt worden war, bestätigt
wurde. Die dadurch verursachten großen Auslagen und Bau-
lichkeiten nöthigten den Abt Robert, das Gut Baumgarten
und Sparbach zu verkaufen, und bey seinem im Jahre ,766
erfolgten Tode hinterließ er eine große Schuldenlast, die aber
sein im Jahre 1766 glücklich erwählter Nachfolger Alberik
Fritz, .von Oberhallabrunn gebürtig, durch Sparsamkeit und
musterhafte Oekonomie gänzlich zu tilgen wußte, obschon er in
den durch Kaiser I ose pH II. im Jahre 1788 neu errichteten
und dem Stifte zugetheilten Pfarren und Local-Caplaneyen
beträchtliche Baulichkeiten an Kirchen-, Schul- und Pfarr-
wohnungen hatte. Er vollendete auch den Bau zu Sancr
Gotthard, und baute den Stiftshof zu Dien in der gegen-
wärtigen Gestalt; zu welchem Zwecke er das Gut Oberwal-
terstorf verkaufte, welches sein Vorfahrer Abt Robert im
Jahre 1786 erkauft hatte. Unter diesem Abte Alberik ge-
schah es, daß Kaiser Joseph II. der kirchlichen Einrich-
tung in seinen Staaten eine ganz veränderte Gestalt gab. Es
wurden mehrere Bisthümer errichtet, die Diöcesen in
gleichere Districte eingetheilet, und die größeren Pfarren in
mehrere kleinere abgetheilet. So wurde auch die Local-Capla-
ney Sulz von Heiligenkreuz, und Raisenmarkt von Allandt ah
gesondert. Sittendorf, welches vorher nüssionsweise vom
Stifte aus versehen wurde, erhielt einen eigenen Seelsorger/
der im Orte selbst wohnen sollte. Pfaffstätten, welches seit dem
Jahre 168& von Baden aus war versehen worden/ erhielt
einen Stiftsgeistlichen zum eigenen Seelsorger. Zu Heiligen-
kreuz wurde die alte Pfarrkirche außer Gebrauch gesetzt, und
die Stiftskirche zur Pfarrkirche erklärt. Die Exemtionen der
Orden wurden aufgehoben / und alle Verbindung mit den Klö-
stern anderer Staaten untersagt/ und in geistlicher Hinsicht
alle Klöster der Aufsicht ihrer Bischöfe untergeordnet; in welt-
licher Hinsicht wurden die schon seit Kaiser Carl V. bestan-
denen Amortisations-Gesetze/ wegen Erbschaften und geistli-
cher Vermächtnisse und Stiftungen/ erneuert und verschärft.
Viele Klöster wurden ganz aufgehoben, und in den noch übri-
gen wurde die Disciplin / besonders in Hinsicht des Chor-
Gebethes/ gemildert. Die geistlichen Zöglinge der Klöster
mußten im General-Seminar zu Wien, gleich den Weltprie-
stern/ erzogen werden/ und an der dasigen Universität die Theo-
logie hören; Novizen aufzunehmen/ und neue Aebte zu wäh-
len/ wurde gänzlich verbothen.
Der Abt Alberik erlebte die Freude/ das Fest seiner
fünfzigjährigen Priesterswürde in Wien mit großer Feyer-
lichkeit begehen zu können. Er starb den 20. Aprill »787/ im
drey und achtzigsten Jahre seines Alters / im ein und sechzigsten
seiner geistlichen Profession, im acht und fünfzigsten seiner
Priesterwürde/ und im ein und dreyßigsten Jahre seiner Ab-
Lenswürde. Er wurde/ der Erste unter den AebteN/ im Lei-
chenhofe der Priester zu Heiligenkreuz begraben, wo ihm die
dankbaren Stiftsglieder ein schönes Grabmahl errichten ließen.
Nach seinem Tode wurde/ im Jahre 1787/ die Stifts- Admini-
stration dem,Stiftsgliede/ Maximilian Mayla/ als'Abbe-
Commandateur/ dann dem Michael Zacke/ als Amtsver-
walter/ und dem Marian Reutter/ als Prior / anver-
traut. Dieser letztere, zu Wien geboren / wurde mit Bewilli-
gung des Kaisers Leopold II./ im Jahre 1790 zum Abte
von Heiligenkreuz erwählt. Er zeichnete sich durch Frömmigkeit
aus, und suchte die Ueberreste der klösterlichen Disciplin auf-
ai.7
recht zu erhalten; er war ein Vater der Armen, und sorgte
.besonders für die Erziehung und das Fortkommen fähiger Kin-
der armer Aeltern. Im Jahre 1799 ließ er die seit dem Jahre
1786 außer Gebrauch gesetzte alte Pfarrkirche abbrechen, und
die Rüstkammer sammt einem Theile des Kunst- und Natu-
ralien - Cabinettes in das neue Ritterschlofi nach Laxenburg
überbringen; er wurde dafür mit einer goldenen Medaille
sammt gleicher Kette belohnt. Im Jahre 1802 ließ er die
Stiftskirche verschönern, indem er die alten Chorstühle hin-
wegräumen, und an deren Stelle neue Kirchenstühle setzen
ließ, wodurch die Kirche lichter und geräumiger wurde; er ließ
auch neue, mit Holz-Mosaik verzierte Kasten für die Sacristey
verfertigen, und eine neue Orgel von vier und sechzig Registern
erbauen, die unter die größten in Oesterreich gehört; zugleich
wurde auch der Musik-Chor neu erbauet und erweitert. Seit dem
Jahre 1792 nahm er jährlich Novizen an, und sandte sie dann
zu den theologischen Studien an die Universität zu Wien; diese
wohnten, da das General-Seminar schon aufgehoben war, an-
fangs bey den Dominikanern, dann aber im Stiftshofe, un-
ter der Aufsicht eines geistlichen Präfeeten vom Stifte. Im
Jahre 1802 bewilligten Seine Majestät Kaiser Franz den
vier Stiften des Cisterzienser-Ordens in Oesterreich unter der
Enns, Heiligenkreuz, Zwettel, Lilienfeld und Wiener-Neu^
stadt, eine eigene theologische Hauslehranstalt mit geprüften
Professoren unter einem Präfecten des Ordens und einem Lo-
cal -Director in dem jeweiligen Abte des Stiftes versehen, die
unter der Oberaufsicht des Studien - Directorates der Wiener
Universität stehen. Zum Behufe dieser geistlichen Lehr - und
Erziehungsanstalt widmete Abt Marian das so genannte
Reugebaüde des Stiftes. Der Zweck derselben war, nebst ei-
ner gegenseitigen Annäherung der genannten Stifte, und so-
mit Beförderung der Kloster-Disciplin und Religiosität, auch
die Vorliebe zu den, Wissenschaften zu erwecken und zu erhal-
ten ; daher wurde auch eben diesen vier Stiften die Besetzung
des Lehramtes an dem im Jahre 1604 zu Wiener Neustadt
errichteten Gymnasium anbefohlen. Schon im Jahre 1793
hatte Abt Man an aus eigenem Antriebe, mit Bewilligung
deö dasigen thätigen Bischofes, Johannes Szity, und
der Behörden zu Steinamanger in Ungarn, em philosophi-
sches Studium gegründet, wo die gegenwärtig aus Weltprie-
stern bestehenden Professoren vom Stsste Heiligenkreuz, rück-
sichtlich Sanct Gotthard, besoldet werden, da das Stift auS
Mangel an Individuen seit der Entstehung dieser Lehranstalt
nur drey seiner Glieder als Professoren dahin senden konnte,
von welchen der letzte, T h e o p h i l u s S ch u h m a n n, der zu-
gleich Local-Director war, im Jahre »8o3 zum Abte des wieder
errichteten Stiftes Pilis und Paßto erwählt wurde, und die
Besorgung des Gymnasiums zu Erlau übernahm. — Das letzte
Jahr seines Lebens hatte der Abt Marian den Gebrauch seines
Augenlichtes verloren; er starb den rri.October i8o5.
Bald nach seinem Tode fielen die Franzosen feindlich in
Oesterreich ein; daher wurde der Stiftsschatz mit den wichtige^
ren Schriften des Archives nach Ungarn gerettet, und die jun-
gen studierenden Geistlichen wurden nach Sanct Gotthard ge-
sendet. Am n. November kam der General Davoust mit
3oooo Mann Franzosen auf der Straße von Groß - Mariazell
nach Heiligenkreuz, und der Durchmarsch dieser Truppen dauerte
mehrere Tage. Da durch die thätige Fürsorge des Srists-PriorS,
Engelbert Schwan, und des der französischen Sprache
kundigen Johann Krusche, Stistsglredes von Liltenfeld,
und allhier Professors der Moral und Pastoral, für ihre Ver-
pflegung hinlänglich war gesorgt worden, so blieb das Stift
von feindlichen Ausschweifungen verschont, und es wurde ge-
naue Mannszucht und Ordnung beobachtet; aber das Stift
hatte bis zum Abzüge der Feinde aus dem Lande sehr beträcht-
liche Ausgaben. Das durch die weise Wirthschaftlichkert des
Abtes Maxi an ersparte beträchtliche Vermögen hatte nicht
nur diese Auslagen erleichtert, sondern es auch möglich ge-
macht, daß man bald darauf von Seite des Stiftes Heiligen-
kreuz, ohne irgend ein Stiftsgut aufopfern zu müssen, nach
der allergna'digsten Bewilligung Sr. Majestät Kaiser Franz,
und der hohen Behörden, den Bedürfnissen des Cisterzienser-
Stiftes zu Wiener-Neustadt, mit einer geschenkten Summe
yon achtzigtausend Gulden zu Hülfe kommen konnte.
2 U)
Den b. August 1806 wurde der Stiftsamtsverwalter Ni-
co l a u s H., Kasche, von Groß-Glogau in Schlesien ge-
bürtig, einstimmig zum Abte erwählet, und den 7. August vom
Fürst-Erzbischöfe von Wien, Sigismund Grafen von
Hohenwarth, in der Stiftskirche infulirt. Seme Stand-
haftigkeit wurde von der göttlichen Vorsehung auf eine harte
Probe gesetzt; denn, kaum hatte er angefangen, durch eine
Gemahldesammlung und andere Verschönerungen des Prälatur-
Gebäudes bas Stift noch mehr sehenswerth zu machen; kaum
war er im Jahre 1808 zum landständischen Verordneten er?
nannt worden: so erlebte er schon das Unglück, daß im Jahre
1809 die feindlichen Französischen Kriegsheere ganz Oesterreich
mit der Hauptstadt Wien, und einen Theil von Ungarn, wor-
unter auch alle Besitzungen des Stiftes waren, besetzten. Das
Stift erlitt einen großen Schaden besonders an Weln und Vieh
durch häufige Contributwnen, und war sogar öfters der Ge-
fahr einer Plünderung ausgesetzt.
Wahrend der Abt Nico laus als landsta'ndischer Verord-
neter zu Wien für das Wohl des Landes nach Möglichkeit
thätigst arbeitete, vertraute er die nächste Aufsicht über das
Stift dem Amtsverwalter Theodor Kraft, und dem Prior
Engelbert Schwan an; durch deren thätige Fürsorge und
Verwendung erhielt daö Stift eine Sicherheitöwache, und ein
Theil des Stiftsgebäudes wurde zu einem Militärspital ver-
wendet, wodurch es vor feindlichen Ausschweifungen gesichert
wurde. Die Nachwehen des Krieges waren zwar auch allge-
mein empfindlich, besonders bey der im Jahre *8»* durch lan-
desfürstliche Verordnung erfolgten Veränderung des Geldum-
laufes; aber das Stift Heiligenkreuz traf noch das besondere
Unglück, daß im Jahre 7812 der Meierhof, das Brauhaus,
die Mühte und das Schloß zu Trury.au abbrannten, deren
Wiederherstellung eine große Summe Geldes kostete; beson-
ders da anstatt des Brauhauses und der alten Mühte, an ei-
nem vorn Schlosse etwas entfernteren Orte eine neue sehens-
werthe Mühle von zehn Mahlgängen erbauet wurde. Nebst-
dem hatten öftere Überschwemmungen großen Schaden ver-
ursachet, und die Erbauung neuer großer Mühlen zu Sanctz
220
Gotthard und Schritling am Raabflusse, und zu Königshofen
am Leithafluffe nothwendig gemacht. Auch mehrjähriger Miß-
wachs, besonders an Wein, so wie Hagelschaden auf mehreren
Stiftsgütern, verminderten die Einnahmen, indeß sich die
Ausgaben für verschiedene Bedürfnisse vermehrten. Im Jahre
1809 mußte das Kirchensilber für die Staatsbedürfnisse abge-
liefert werden; und zu dem nähmlichen Zwecke wurde im Jahre
1811 der Stiftshof zu Baden an die dasigen Bürger verkauft;
der Geldbetrag dieses letzter» wurde jedoch später dem Stifte
vom Staate wieder erstattet.
Den »8. May i8»7 hatte Heiligenkreuz das Glück und die
Ehre, Se. Majestät den Kaiser Franz, dann Ihre Maje-
stät die neue Kaiserin und Landesmutter Caroline- mit ih-
rem Durchlauchtigsten Herrn Bruder, dem Kronprinzen von
Bayern, zur Besichtigung seiner Merkwürdigkeiten in seinen
Mauern zu sehen. Der Abt Nieolaus wurde auch zum
landständischen Ausschüsse, und zum Mitglieds der ökonomi-
chen Gesellschaft zu Wien ernannt. Er ließ sich Kirchen und
Schulen vorzüglich angelegen seyn; er sorgte unermüdet für
die Fortdauer der theologischen Hauslehranstalt; ließ auf
eigene Kosten junge fähige Leute studieren, und mehrere
Stiftsglieder verehren ihn auf diese Art als ihren zweyten
Vater; er erbaute die Schulgebäude zu Minchendorf und Tru-
mau, und verbesserte die baufällige Kirche zu Pfaffstätten ; er
betrieb auch eifrig den Weinbau, besonders zu Tallern und
Pfaffstätten, und überzeugte sich sehr oft persönlich von dem
Fortgange der Oekonomie auf den Stiftsgütern. Auch für
die Erhaltung der Kloster-Diseiplin war er jederzeit auf eine
humane und discrere Art besorgt.
Da zur Beförderung der Religiösität Se. Majestät Kai-
ser Franz, durch eine Verordnung vom Jahre »822, dem
Regular-Cterus eine genaue Befolgung der Ordenssatzungen
einschärften, so wurde zu Heiligenkreuz der seit dem Jahre
i8o5 unterlassene tägliche, bisher nur an Sonn- und Feyertagen
gewöhnliche Frühchor wieder eingeführt. Der Abt Nico laus
war auch auf dem im October 1822 zu Preßburg in Ungarn
gehaltenenProvinzial-Concilium gegenwärtig, unv wurde zum
22L
Beweise des Wohlwollens von dem Fürst Primas und Erzbi-
schöfe von Gran, Alexander von Rudnay, zum Bey-
sitzer des Graner-Comitates ernannt. E<ne im Jahr 1823 ihm
zugestoßene Krankheit schwächte seine Kräfte, und nachdem er
auf kurze Zeit wieder genesen, wurde er nach einem kurzen
abermahligen Krankenlager, am 4. Februar 1824 zu Wien den
Seinigen durch den Tod entrissen. Er wurde den 7. Februar
zu Heiligenkreuz begraben, wobey der Hochwürdigste Herr Abt
zu den Schotten, Andreas, unter dem Beyseyn einer gro-
ßen Volksmenge, die feyerliche Einsegnung und das Seelen-
amt hielt.
Bey seinem Tode zählte das Stift Heiligenkreuz die Ge-
sammtzahl von 54 Mitgliedern; davon sind 48 Priester, 2
Laienbrüder und 4Nichtprofeß-Cleriker; von diesen Stiftsglie-
dern sind 4 mit einem Prior und Administrator zu Sanct Gott-
hard; 6 als Pfarrer, und 2 als Wirthschaftsverwalter in Un-
garn ; dann 3 als Wirthschaftsverwalter in Oesterreich; 11
in der Seelsorge auf Stiftspfarren und Local-Caplaneyen in
Oesterreich; 1 Professor am k. k. Gymnasium zu Wiener-Neu-
stadt ; die übrigen sind im Stifte, und zwar 3 als geprüfte
Professoren an der theologischen Lehranstalt. Das Stift hat
das Patronat von 21 Pfarren; nähmlich : 10 Pfarren und
Local-Caplaneyen der Wiener Erz-Diöcese; davon gehören 9,
das Stift selbst mit inbegriffen, zum Decanate Baden V. U.
W. W., und 1, nähmlich Niedersulz, zum Decanate außer der
Hochleuthen V. U. M. B. Alle diese werden durch Präsentation
des jeweiligen Herrn Abtes mit Stiftsgerstlichen besetzt. Fer-
ner 4 Pfarren in der Raaber-Diöcese, Wieselburger Comita-
tes in Ungarn, nähmlich: Steinbruch, Winden, Minchhofm
und Poderstorf; und 7 Pfarren in der Steinamanger-Diöcese,
Eisenburger-Comitates, nähmlich: Sanct Gotthard, Moger-
storf und Bildt am Weichselbaume, welche deutsche Pfarren
von Stifrsgeistlichen besetzt sind; dann Hennerstorf, gleich-
falls eine deutsche Pfarre; dann die 3 ungarischen Pfarren
Sanct Ruprecht und Markts, und die wendische Pfarre Ste-
phansdorf, welche 4 letztere gegenwärtig vonWettpriestern be-
setzt sind. Heiligenkreuz hat auch einen oder mehrere Lehrer
an das Gymnasium nach Neustadt zu senden, und das Recht,
an der philosophischen Lehranstalt zu Sreinamanger, die Pro-
fessoren, die es besolden muß, zu ernennen.
Nach dem Tode des Abtes Nicolaus wurde die Admini-
stration des Stiftes dem Stiftsprior, P. Caspar Sterz,
dem Amtsverwalter, P. Theodor Kraft, und dem Stifts-
kämmerer, P. Ladislaus Horwath, anvertrauet. Nach
erhaltener Allerhöchster Bewilligung wurde am 28. Julius
1824 unter dem Vorsitze und der Leitung des Hochwürdigsten
Herrn Weihbischofes von Wien, und Bischofes von Antinopel,
Matth. Paulus S t e i n d l, im Beyseyn der Herren Regie-
rungsrathe von Scholz und Puchmayer, als k.k. bevoll-
mächtigten Commiffarien, von 48 Mitgliedern die Abrwahl
vorgenommen. Es wurde der bisherige Wirthschaftsverwalrer zu
Niederleiß , FranzX ave r Seide m a n n, erwählt, und den
2<)ftendaraufvonSr.fürstl. Gnaden dem Fürst-Erzbischofe von
Wien, Leopold Maximilian, Grafen von Fi r m i a n,
feyerlich in der Stiftskirche infulirt. Der jetzige Herr Stiftsabt
ward den 16.May 1781 zu Rcuba in dem WieselburgerComitate
in Ungarn geboren, und studierte die Gymnasial-Classen und
die Philosophie zu Preßburg» Er trat in den Orden am 4. Oc-
tober 1801, und lag den theologischen Studien an der theolo-
gischen Hauslehr - und Erziehungsanstalt im Stifte ob. Am
21. October 1804 legte er die feyerlichen Ordensgelübde ab,
und verrichtete das heilige Meßopfer den7.Apnll 180Ö. Nach-
dem er sich bis zum Jahr 18*2 der Seelsorge als Cooporator
an der Stziftspfarre, und als Pfarrer zu Trumau geweihet hatte,
wurden ihm das Amt des Küchen-, Kasten- uno Kellermeisters,
dann das des Kämmerers im Stifte, und endlich im Jahre 1817
die Wirthschaftsverwaltung in Niederleiß aufgetragen. *
Aus dieser gedrängten Geschichte ersieht man hinreichend,
daß das Stift Heiligenkreuz für die katholische Kirche und den
Staat nicht unbeträchtliche Dienste leistete, und in dieser Hin-
sicht mit Ungarn, Böhmen, Mähren, Steyermark, Kärn-
then, Salzburg, Bayern, und andern Landern in mannig-
fache Verbindung kam, und daß daher dem Zwecke der Stif-
tung vollkommen entsprochen wurde. Ein Beweis des guten
223
Rufes und Zutrauens auf den innern Werth der klösterlichen
Dlsciplin in Heiligenkreuz sind die 7 Filialklöster dieses Stif-
tes, nähmlich: Zwettel, Baumgartenberg, und Lilienfeld in
Oesterreich; Cicador und Marienberg in Ungarn; Guldenkron
in Böhmen ; und Neuberg in Steyermark; die ihre ersten Be-
wohner von Heiligenkreuz erhielten. Ferner die vielen von
Päpsten, Erz- und Bischöfen, vom Ordens-General-Cavitel,
und von verschiedenen Landesfürsten dem Stifte ertheilten Privi-
legien, und die anbefohlene Aufsicht über andere Klöster des
Ordens; so wie die vielen bis zum »8ten Jahrhunderte fort-
dauernden Schenkungen von adeligen und vermöglichen Priva-
ten, von denen viele im Stifte ihre Grabstätte wählten. Ob-
schon klösterliche Einsamkeit und Demuth, und daher stilles
Wirken des Guten ohne Rücksicht auf Menschenlob stets das
vflichtmäßige Streben deb Stiftsglieder von Heiligenkreuz war;
so gab es doch auch hier Männer, deren Licht vor der Welt
leuchtete, die sich durch besondere Thätigkeit, Kenntnisse und
Beförderung zu höheren Würden auszeichneten. Im L2ten
Jahrhunderte wurde der Abt Conrad I., Bischof von Pas-
sau , und dann Erzbischof von Salzburg. Im 17*™ Jahrhun-
derte wurde das Stiftsglied Anton Wolfrath Abt zu
Wilhering, dann Abt zu Kremsmünster, und endlich Bischof
in Wien und Reichsfürst. Der Stifts-Capitular Matthias
Palfy, aus dem noch blühenden gräflich Palfyschen Hause
in Ungarn, wurde im Jahre i638 Erzabt zu Martinsberg in
Ungarn. Johann Theodor ich Benzius wurde Prior
im Stifte Wellehrad in Mähren, dann Abt zu Guldenkron Ln
Böhmen. Nebst obbenannten 7 Filialklöstern zählen auch die
Stifte Rhein in Steyermark, dann Wiener-Neustadt, Wit-
hering, und Seiffenstein, mehrere Stiftsglieder von Heiligen-
kreuz unter ihre verdienstvollen Aebte. Der Abt N icolaus l.
war geheimer Rath des Herzogs Albert IV. Der Abt Hein-
rich IV. wurde zum Landes-Gouverneur ernennet. Der Abt
Christoph wurde vom Kaiser Ferdinand II., und Abt
Clemens vom Kaiser Leopold I. zum Kriegs-Commiffar
bestimmt, und mehrere andere A bte wirkten als landständische
Verordnete, und ungarische Comitats-Beysitzer thätig zum
224
Wohls des Landes. — Auch in literarischer Hinsicht war man
in Heiligenkreuz nicht unthätig; dieses beweisen die vielen Hand-
schriften von Stiftsgeistlichen aus jedem Jahrhunderte seit der
Stiftung, die noch in der Stifts-Bibliothek vorhanden sind;
z. B. die Werke eines Abtes Werner und Siegfried aus
dem I2ten iZten Jahrhunderte; des Abtes Nico lau s I.
aus dem i6ten, derAebteMichaelII. undC lem en s aus dem
L^ten Jahrhunderte; ferner des Mönchs Gutolf aus demiZten
und des Nicolaus Vischel aus dem 14^» Jahrhunderte;
welches letzteren Chronik HieronymusPetz durch den Druck
bekannt machte; ferner im 17*™ Jahrhunderte des Georg
Strobel, Alberik Höffner, Ambros Seywitz; so
wie die gedruckten Werke des Th e 0 p h il u s Heimb; nähm-
lich: Bernardus Gutolfi, monächi San Crucensis.
Nürnberg 1742, urtbNotitia historica Abbatia^ SanctiGott-
hardi. Wien bey Kirchberger 1764. Endlich die Werke des
Stifts-Seniors H i e r 0 n y m u s R e ß l e r, der im <)3^en Jahre
seines Alters im October 1628 starb und beynahe bis an das
Ende seines Lebens eine seltene Fertigkeit im lateinischen Vers-
bau besaß ; mehrere Werke desselben, z. B. Historia juris
naturae et gentium, sind schon durch den Druck bekannt ge-
macht; und mehrere, z. B. die im zierlichen Latein verfaßten
Annales San Crueen8e8 , liegen zum Drucke in Bereitschaft.
—-Nach dem Zeugnisse der Stiftshandschriften wurde schon im
iZten Jahrhunderte unter dem Abte Egilolf eine zu Wien
errichtete Lehranstalt mit Geistlichen aus dem Stifte Heiligen-
kreuz besetzt, unter denen sich der Mönch Gutolf durch seine
im Jahre 1245 verfaßte lateinische Sprachlehre: Defloratio-
nes granimaticae , betitelt, die noch in der Stifts-Bibliothek
aufbewahret wird, auszeichnete. Im Jahre ,388 war ein
Stiftsglied von Heiligenkreuz, Andreas von Langen-
stein, der Erste , der an der Universität zu Wien die theologi-
sche Doctorswürde erhielt. (L a m b e c c i u s Caesar, biblioth.
1.2. c. 5. Fob 160— 162), Derselbe wurde daselbst im
Jahre,892 Rector Magnificus. Die Aebte Peter und Jo-
hann IV. waren Doctoren der Theologie. Der Abt Chri-
stoph wurde im Jahre ,628 zum Rector Magnificus der
{
22Z
Universität zu Wien, und der Abt Michael LI. zum Doctor
der Sorbonne zu Paris ernannt. Die Zöglinge des Ordens
widmeten sich durch mehrere Jahrhunderte dem theologischen
Studium zu Wren unter der 'Aufsicht der Aebte von Heili-
genkreuz. Noch jetzt wird die Theologie im Stifte so thätig
gelehret, wie die Gymnasialstudien bey den Stiftssängerkna-
ben, und am k. k. Gymnasium des Ordens zu Wiener-Neu-
stadt. — Auch den Künsten fehlte es nicht an Aufmunterung
in Heiligenkreuz. Im Jahre 1662 sandte der Abt Clemens
den Laienbruder Stephan Molitor, als Zögling der ve-
nerianischen Mahlerschule nach Venedig , und nebst andern
sind die Gemählde im Stiftskreuzgange, welche die Lebensge-
schichte des heiligen Bernhard nach der Legende vorstellen,
dessen Werk.
Der Abt Robert begünstigte den Mahler Altomonte
und den Bildhauer Giulliani, die durch ihre Kunstwerke das
Stiftögebäude und die Kirche verschönerten. Ein Zögling des letz-
teren war der berühmte Rap ha e l Donner, von Preinsfeld
bey Heiligenkreuz gebürtig, der sich durch die Statuen beym Brun-
nen am Neuenmarkte in Wien, und durch andere Kunstarbei-
ten auszeichnete. Was die Laienbrüder Lucas Barth und
Caspar Wille r leisteten, zeigen nebst andern ihre im
Jahre 1802 mit Holz-Mosaik künstlich verzierten Sacristey-
Ka'sten. Auch in ökonomischer Hinsicht leistet das Stift Vieles,
vorzüglich zur Beförderung der Wald-Cultur und des Wein-
baues; besonders da die Verwaltung der meisten Wirthschafts-
zweige von dem jeweiligen Herrn Abte den Stiftsgeistlichen
selbst, unter gehöriger Controlle, anvertrauet ist. — In Hin-
sicht auf die Seelsorge erfüllten die Stiftsglieder jederzeit ge-
treu ihre Hirtenpflichten; und diesem Hirteneiser ist es auch
zuzuschreiben, daß der Protestantismus auf den Stiftspfarren
nie festen Fuß fassen konnte, und daß sich die alte ReligiösitaL
und Einfachheit der Sitten unter ihren Pfarrkindern noch
ziemlich erhält.
In pfarrlicher Hinsicht war Heiligenkreuz bis zum Jahre
1643 der Pfarre Alland untergeordnet. Der Abt Michaeli!,
ließ es zu einer eigenen Pfarre erklären, in welcher, nach der
P
226
Handschrift : Corona oslicialium Sanctae Crucis, tin
i7tett Jahrhunderte 49 Stiftsglieder, und dann bis zum Jahre
1721, so weit das Verzeichnis; reicht, 9 Stiftsglieder die Seel-
sorge versahen. Im Jahre 1788 wurde die Local-Caplaney
Sulz errichtet , und von der Pfarre Heiligenkreuz abgeson-
dert. Gegenwärtig besteht die Pfarre Heiligenkreuz aus den
Gemeinden: Heiligenkreuz, Sattlbach, Schwechatbach, Preins-
fetd, -Grub mit Ameisbichl, Gruberau, Füllenberg und
Siegenfeld. Nach einer Zählung des Jahres 1794 betrug da-
mahls die Zahl der Communicanten 768, und der Unmündi-
gen 201; folglich die Gesammtzahl 969. Nach dem geistlichen
Schematismus vom Jahre »828 enthält die ganze Pfarre die
Seelenzahl von io83. Sie wird von einem Pfarrer der ge-
genwärtig zugleich Stiftsprior ist, und von zwey Cooperato-
ren versehen; sie hat im Umkreise bey 6 Stunden , und die '
weiteste Entfernung i| Stunde. Die Gemeinde Gruberau
ist der Nähe wegen nach Sulz eingeschult. Siegenfeld,
eine Stunde östlich von Heiligenkreuz, hat eine im Jahre
1414 vom Abte Albert erbaute Capelle zum heiligen Udal-
rich, wo noch bisweilen Messe gelesen wird. Der Entfernung
wegen hat dieser Ort eine Filial-Schule , die von einem Ge-
hülfen der Schule zu Heiligenkreuz versehen wird. Im Stifts-
briefe von Heiligenkreuz kommt ein Ulrich von S ig eu-
re lde als Zeuge vor; dieses adelige Geschlecht scheint aber
bald ausgestorben zu seyn; denn der Herzog Heinrich von
Medling kaufte diesen Ort von einem Heinrich von
Schönenkirchen, und schenkte ihn dann dem Stifte Hei-
ligenkreuz, das ihn noch bis jetzt besitzt.
Den Ort Füllenberg, zwischen Heiligenkreuz und
Sittendorf, aus einigen Häusern bestehend, schenkte schon im
Jahre n38 Rubertv 0 n Sickendorf dem Stifte Hei-
ligenkreuz.
Den Ort Preinsfeld, eine Viertelstunde südlich von
Heiligenkreuz, kaufte schon der heilige Leopold von einem
Anselm von Lachsend orf, und schenkte ihn dem Stifte.
Es ist hier eine kleine hölzerne Capelle zu Ehren des heili-
gen Leonhard mit einem Glöckchen.
227
Der Ort Grub mit Ameisbüchl, eine halbe Stunde
nordwestlich von Heiligenkreuz am Sattlbache, hat gleichfalls
eine Capelle zu Ehren des heiligen Leonhard mir ei-
nem Glöckchen zum Gebethläuten; es wird aber hier nicht
Messe gelesen. Grub wurde von U l r i ch A s m u s v o n G a-
den im Jahre 1254, sammt einem Walde, an das Stift Hei-
ligenkreuz um i5 Talente verkauft. (Corona Abbatum 8.
Crucis.)
Der Ort Schwechatbach besteht aus der sogenannten
Kranerhütre beym Berge Burgstall, jenseits des Schwechat-
flusses, der Herrschaft Fahrafeld unterthänig, und mehreren
ähnlichen Häusern bis zur Mündung des Satteldaches; von
welcher angefangen bis nach Heiligenkreuz die dahin unterthä-
bigen zerstreuten Häuser Sattelbach genannt werden.
Den Ort Heiligenkreuz bilden nebst den Stiftsgebäu-
den bey 3o um dieselben herumliegende zerstreute Häuser. Die
Bewohner nähren sich vom Taglohne und der Viehzucht, und
sind alle der katholischen Religion zugethan. Die Pfarrschule
hat wahrscheinlich gleiche Entstehung mit der Pfarre. DaS
Institut der Sängerknaben entstand wahrscheinlich dadurch,
daß man in früheren Zeiten Knaben in die Klöster aufnahm,
die oblati genannt, von ihren Aeltern zum geistlichen Stande
bestimmet waren. Jetzt werden zu Heiligenkreuz zum Behufe
der Kirchenmusik Sängerknaben ernähret, die meistens Kinder
armer Stiftsunterthanen sind; ihre Anzahl hängt von der
Gnade des Herrn Abtes ab; sie erhalten Wohnung, Nah-
rung und Kleidung unentgeldlich, und werden auch unentgeld-
lich unter Aufsicht eines geistlichen Herrn Präfecten in der
Musik, in den deutschen Normal- Und lateinischen Grammati-
cal-Claffen unterrichtet.
Hier liefern wir noch ein chronologisches Verzeichniß der
Aebte des Stiftes von Heiligenkreuz.
1. Godeschalk, von n3k>bis 4. Marquard, ch »202-
114,. 5. Werner, ch 1227.
2. Conrad I. bis »,46; wo er b. Egilolf, ch >242.
Bischof von Passau wurde. 7- Pilgrin I. ch 124g.
3. Heinrich l. ch n85. 8. Bertholt, I. ch 1262.
P 2
228
9. Heinrich II. resign. >269.
ro. Siegfried, f 1261*
11. Pilgrin II* f 1263.
12. Heinrich III. f 1284.
13. Sieg Hardt, f 1289.
14* Berthold II. f 1290.
i5* Benzo, f 1298.
16. Berthold III. f 1297.
17. Udalrich I. f i3o5.
a 8. Georg I. f i3o8.
19. Johann I. f 1317.
20. Otto, f 1828.
21. Pilgrrn III. f 1829.
22. Jakob, f 1882.
28* Wülfing, f 1842.
24. Leopold, f 1847.
26. Conrad II. f i3Sy.
26. Colmann I. i 1877*
27. Colmann II. refign* 1892.
28. Nicolaus I. resign. 1402.
29. Albert, f 1414*
80. Peter, -j- 14^7.
31. JohannII. resign. »486.
32. Heinnch IV. f 1442.
33. Georg II. f 1447*
34. Johann III. resign. 1461.
35. Johann IV. f 1469.
36. Lorenz, f 1461.
87. Georg III. f 1470.
38. Georg IV. f 1476.
89. Matthäus Kronberger, -j-
1492.
40. Michael I., Aigner, j-1516.
4*. Bernhard Medrijzer, re^
signirt 1619.
42. Wilhelm, resignirt,628.
43. Johann V., Hartmann,
f i536.
44. Hieronymus, Veigl, re-
signirt 1642.
46. Sigismund, f 1.544.
46. Simon, Demnius,j-i548.
47. Conrad III., Faber,-j'i558.
48. Udalrich II., Molitor, f
i584.
49. JohannVI., Rueff, -£-1699.
50. Paul,Schönebner,-j-i6,3.
51. Christoph, Schaffer, f»687.
52. Michael II.> Schnabl, f
i658.
53. Clemens, Schaffer, -j- > 698.
54. Marian I., Schirmer, f
1705.
55. Gerhard, Weichselberger, f
1728.
56. Robert, Leeb, seit dem
Jahre 1788 zugleich I. Abt
zu St. Gotthardt, f 1755.
57. Alberik, Fritz, II. Abt zu
St. Gotthardt, -j- 1787,
dann Adminrsttation durch
Maximilian Mayla, bis
1790.
66. Marian II., Reuter, III.
Abc zu St. Gotthardt,
f i8o5.
69. Nicolaus II., Kasche, IV.
Abt zu St. Gotthardt,
f 1824.
60. Franz Taver, Seidemann,
erwählt den 26. Julius
1824.
S2()
B. Topographische Darstellung.
Heiligenkreuz liegt zum Theil eingeengt in einem Thale zwi-
schen dem kleinen Bodenberge, dem Franz- und Waldberge,
am Einflüsse des Dornbaches in den Sattelbach, zwischen Ga-
den und Alland an einer von Wien nach Groß-Mariazell füh-
renden Straße, vier Stunden südlich von Wien, zwey Stun-
den südwestlich von Mödling, und zwey Stunden nordwestlich
von Baden. Das Stiftsgebäude ist ganz ausgebaut, und be-
steht aus einem Stockwerke und acht geschlossenen Höfen, den
Gast-und Meierhof sammt einigen Gärtchen mit gerechnet.
Wenn man von der Nordwestseite auf die Straße von Gaden
kommt, erblickt man ein schönes, von Wäldern umgebenes,
jedoch unregelmäßiges Thal, welches sich in mehrere Neben-
thäler zerrheilt. An der Nordwestseite des Franzberges befin-
det sich der Kreuzweg, wo in vierzehn Stationen oder capel-
lenähnlichen Abbildungen die Scenen des letzten Leidens Chri-
sti dargestellt werden. Die zwölfte größere Stations-Capelle,
Christum am Kreuze darstellend, ist mit einem Thürmchen
und Glocken versehen, und zum Meffelesen geeignet. Zwischen
jeder Stations-Capelle sind zwey einander gegenüber gestellte
Statuen verschiedener Heiligen, die vom Bildhauer Giul-
liani aus Stein verfertiget wurden. Der ganze Kreuzweg ist
mit Spalieren, und einer Allee von wilden Kastanienbäumen
geziert, sammt einer unter den Stufen bey der zwölften Sta-
tions-Capelle aus der Brust des Heilandes geleiteten Quelle,
mit der Aufschrift: »Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen
aus dem Brunnen des Heilandes.« Jsaias Cap. 12. Das Ganze
ist einer Gartenanlage ähnlich, und gewährt daher einen
angenehmen Spatziergang, und zugleich eine herrliche Ansicht
dieses schönen Waldthales. Diesen Kreuzweg ließ im Jahre
173*1 der Abt Robert errichten, vorzüglich auf Betrieb des
Altvaters der Einsiedler, Sebastian Zettl. Das neben der
zwölften Stations-Capelle befindliche Häuschen, jetzt von ei-
nem Glasermeister bewohnt, war vormahls die Wohnung von
Eremiten, die früher im Dornbacher Thale beym sogenannten
Kinsiedlerkreuze wohnten, nach Errichtung des Kreuzweges
rfw - '
1 %
über hierher zogen, und bis zur Aufhebung deS Eremiten-Or-
dens unter Kaiser Joseph 1!. die Aufsicht über den Kreuz-
weg führten: Hinter dem Kreuzwege an der Spitze des Franz-
berges erblickt man einen alten kegelförmigen Thurm, der im
Jahre i65o von dem Stifts-Kämmerer und Küchenmeister,
Franz Eiferer, erbauet, und mit Erlaubniß des Abtes
Michael II. zu einem Unterhaltungsorte für die Geistlichen
bestimmt wurde. Von diesem Erbauer hat der Thurm und Berg
seinen jetzigen Nahmen erhalten. Vom Kreuzwege kommt man
zu den Stiftsgebäuden, und zwar hat man zuerst zwey Thore
vor sich. Durch das zur rechten Hand befindliche Thor, neben
welchem die Straße vorübergeht, gelangt man in den Hof
des Gasthauses. An dem nordwestlichen Thore dieses Hofes,
durch welches man zum Schulhause, Armenhause, unb den
übrigen Gebäuden am Rhadschin gelangt, stand die ehmahlige
von Otto Pfarrer zu Rußbach im Jahre 1278 erbaute, und
der seligsten Jungfrau geweihte Pfarrkirche. Diese Kirche
hatte mehrere Wohlthäter, z, B. einen Justus Preil,
Ortsrichter zu Pfaffstätten, einen Martin Hof mann,
gleichfalls Ortsrichter zu Pfaffstätten; Meister Dietrich
von Gundramstorf, Paul Wiedemann, Bürgermeister
von Wien, und seine Gemahlin Rosina, geborne Mose?
rinn, -j-iLsZ; dann S eb ästian Ze t tl, Allvater der
Eremiten, 1-1742, Heinrich, Pfarrer zu Spannberg, Otto,
Pfarrer zu Alland, und den Stifter Otto, Pfarrer von Ruß-
bach,, fi3i4, welche auch in dieser Kirche begraben wurden.
Diese Kirche brannte öfters ab, und wurde wieder hergestellt;
aber im Jahre 178b wurde sie auf landesfürstliche Anordnung
entweiht, und im Jahre 1799 gar abgetragen; an ihrer Stelle
ist jetzt ein Gewölbe zur Aufbewahrung der Wägen und Feuer-
löschgeräthschaften. Diesem gegen über ist der pfarrliche Lei-
chenhof, der aber keine merkwürdigen Grabmähler enthält.
Geht man vom Kreuzwege das Thor zur linken Hand
hinein, hat man durch eine Castanien-Allee gerade die Fronte
des Stiftsgebäudes vor sich, welche eine Reihe Pappelbäume
zieret; linker Hand sind die Wohnungen von weltlichen
Stifts-Beamten, und rechts das Gasthaus, und weiter ab-
23i
wärts der Meierhöf, und außerhalb desselben an der Straße
nach Baden die Mühle; von da sieht man das Waschhaus,
den Schüttkasten, die Sagemühle, das waldämtliche Mauth-
haus, und den großen Küchengarten. Ueber dem Thore der
Fronte des Stiftsgebäudes ist eine kolossalische Orgel ange-
bracht, das sogenannte Hornwerk, eine ganz eigene Maschine,
welche der Abt Gerhard erbauen ließ, und womit durch
einen vielstimmigen C -Accord, den man über eine Stunde
weit hört, .im Sommer an Sonn - und Feyertagen Früh um
fünf Uhr die entfernteren Pfarrkinder zum Gottesdienste her-
bey gerufen werden. Ueber diesem Hornwerke war früher etn
Thurm, der aber im Jahre i8i5 abgetragen, und an dessen
Stelle eine Gallerie angebracht wurde, die eine schöne Aus-
sicht in das Thal gewährt. Durch das Thor unter diesem
Hornwerke kommt man in den zweyten Stiftshof, der ein
längliches unregelmäßiges Viereck bildet, und von drey Seiten
bedeckte Gänge hat, die theils zu den Gastzimmern, Kanzleyen
und Wohnungen geistlicher Stifts-Beamten, theils zu den
Zimmern der Sängerknaben und verschiedener Handwerker,
dann zu Küche und Keller führen. An der Ostseite dieses Ho-
fes sieht man das Portal der Kirche; an dasselbe stoßt das
Prälatur-Gebäude, welches durch ein Kunst - und Naturalien-
Cabinett, durch eine Gemählde-Sammlung, eine auserlesene
Bibliothek, geschmackvolle Einrichtung der Wohnzimmer des
Herrn Stifts-Abtes, und einen schönen Speisesaal sehens-
werth ist. Von den drey hier neben einander befindlichen
Thüren von grauem Marmor führt die erste in die Präla-
tur , die zweyte in den Kreuzgang und das Innere des Con-
vent-Gebäudes, die dritte in die Sommerküche.
In diesem Hofe, dem Einlange in die Kirche gegen über,
ist eine schöne Säule, die allerheiligste Dreyfaltigkeit und die
Krönung Mariens vorstellend, mit den Statuen des heiligen
Leopold, Benediet und Bernhard, und der heiligen
Pest-Patronen, Rochus, Sebastian und Carl Boro-
mäus. Der Abt Robert ließ sie im Jahre 1736 erbauen,
wie die daran befindlichen Inschriften lehren, zum Andenken
an die Pest, welche im Jahre 171‘i gewüthet hatte. Von die-
232
ser Säule weiter abwärts ist ein gleichfalls vom Abte Robert
erbauter Springbrunnen mit einer Sratue des heiligen I o-
sephs. Da dem Stifte nähere ergiebige Quellen mangeln, so
wird alles zum Kochen und Trinken erforderliche Wasser aus
einer unweit dem Dorfe Preinsfeld befindlichen ergiebigen aber
sehr gypshättigen Quelle, eine Viertelstunde weit, durch hök
zerne Röhren in das Stift abgeleitet. Neben dem Eingänge
in die Kirche ist eine Nische mit einem Cruzifip merkwürdig,
weil sie ein so genanntes Wahrzeichen des Stiftes enthalt;
nähmlich in halb erhabener Arbeit die Buchstaben m *vy4 Die
Auslegung derselben hat schon Viele beschäftigt. Einige halten
sie für die Zahl des Jahres n3i ober n 34, in welchem der
Bau der Kirche angefangen wurde. Der fleißige und gelehrte
Marquard Herrgott hielt sie für Anfangsbuchstaben ei-
niger Wörter; und der scharfsinnige Stifts - ?lrchivar und
Amtsverwalter, The odor Kraft, will daraus die Worte:
Mihi Vindictam entziffern; nach dem heiligen Apostel Pau-
lus : Mihi Vindictam, et ego retribuam; welche Worte
der Abt Conrad III. (f i558) zu seinem Wahlspruche soll
genommen haben, und hier wahrscheinüch einige Baulichkeiten
vornahm. Allein auch diese Meinung ist nicht über alle Zwei-
fel erhaben; denn wie behuthsam man in solchen Fällen zu
Werke gehen soll, lehrt die Erfahrung oft hinlänglich , da oft
ein Zufall das Gegentheil von dem lehret, was man schon mit
Gewißheit glauben wollte. Z. B. auf dem Wege vom Helenen-
thäte über Siegenfekd nach Heiligenkreuz befindet sich an einem
Baume ein neu gemahltes Bild, welches die heilige Magda-
lena kniend, und den Stamm des Kreuzes, an dem der Hei-
land starb, umfassend, abgebildet ist. Die Buchstaben M. L.
B. 8., die unten geschrieben sind, konnten vorübergehende
Forscher — in Mangel einer Deutung, die selbst der Mahler
nicht geben konnte — nicht besser erklären, als für eine Hin-
weisung auf das Dankgefühl und den Schmerz der Büsserin,
die den Stamm des Kreuzes mid Thränen benetzt. Durch Nach-
forschen erhielten sie den Aufschluß, daß es die Anfangsbuch-
staben der Taufnahmen einer frommen Familie sind, die die-
sen Weg öfters betrat: Maria; I^eo; Bosatia; 8ta-
nislau 6. Etwas Aehnliches liefert auch noch in Heiligenkreuz
ein zweytes so genanntes Wahrzeichen; nähmlich an der äu-
ßern linken Kirchenmauer, unter dem ersten vorder» Fenster
des Chores / sind viele altgothische Buchstaben in einer langen
Reihe neben einander gestellet, über deren Bedeutung sich Vrele
in Muthmaßungen erschöpft haben; ja Manche wollten hier
sogar einen verborgenen Schatz suchen, der, einer alten Sage
nach, nicht innerhalb und nicht außerhalb des Klosters (folglich
in der Kirchenmauer) vergraben wäre. Aber der gelehrte Theo-
dor Kraft scheint auch dieses Räthsel mit Gewißheit gelöset
zu haben, indem er jene Buchstaben für die Grabschrift des
ChalhokvonBruck erklärt, der im Jahre 1276 dem Stifte
sein Haus zu Bruck vermachte, und während dieser Theil der
Kirche gebauet wurde, hier seine Grabstätte erhielt. Diese
entzifferte Grabschrift lautet also: In hac tumba Challiob,
corde columba, quem merito xnatris salvet sapientia pa-
tris. Amen! —
Auf drey breiten Stufen besteigt man den Eingang zur
Kirche, welche 120 Schritte lang ist, und aus zwey Haupt-
theilen besteht. Der hintere Theil, das Schiff oder Langhaus
genannt, ist im Jahre 1187 eingeweihet worden, und ist fünf
und sechzig Schritte lang, und fünf und zwanzig Schritte breite
Er besteht aus zwey Seitengängen und dem mittleren Haupt-
gange, der beyläufig noch ein Mahl so hoch ist als jene, und
durch vier' oben an jeder Seite der Kirche angebrachte Fenster
Licht ertheilt; er wird von den Seitengängen durch zehn auf
jeder Seite befindliche Pfeiler abgesondert; sechs im linken
Gange angebrachte Fenster vermehren das Licht. In diesem
Theile der Kirche ist rückwärts der Musik-Chor mit der im
Jahre 1802 erbauten großen Orgel mit vier und sechzig Regi-
stern; rückwärts derselben sind die Chorstühle zum Chorge-
bethe. In dem Mittelgange sind auf jeder Seite zwanzig Kir-
chenstühle , und die Grabmähler des Mahlers Alto monte
(f 1746); des Bildhauers G iu lli an i (f ,744); dann ei-
nes Wilhelm Master 1721); des Abtes Michael II.,
und der Aebte Marian I. und Cleme ns. Der vordere
Haupttheil der Kirche, oder der Chor, wurde im Jahre 1288
284
eingeweihet; er ist fünf und fünfzig Schritte lang, und vier-
zig Schritte breit, an Höhe aber ganz dem Mittelgange des
Schiffes gleich, und wird durch sechs Säulen der Länge nach
in vier, und der Breite nach in drey gleiche Theile abgetheilt.
Das Presbyterium ist um zwey Stufen höher, und rings mit
einem Geländer von grauen: Marmor umfangen. Nebst der
Kanzel, einer Orgel, mehreren Kirchenstühlen, und dem
Taufsteine, sind hier der. Hochaltar der Himmelfahrt Mariens,
und zehn Seitenältäre. Linker Hand, neben dem Aufgange zum
Thurme, ist eine alte gewirkte Tapete, die Familie des heili-
gen Leopold vorstellend, merkwürdig; sie rührt, nach der
Aufschrift, von einem Doctor Fuchsmagen her. Daneben
ist ein Grabstein des Abtes Conrad III., den Bischof Con-
rad von Constanz mit einer Spinne im Kelche, als An-
spielung auf das Lebensende dieses Bischofes, darstellend. Hier
sind auch die Grabmähler der Aebte Clemens, Udalrich II.,
Johann VI. und Christoph; dann des Abtes von Schlier-
bach , Johann F r a n z (f 1644); ferner des Ritters I 0-
hann Griffo (f i353); des Ritters Stephan von
Ziziling (f i33i); des Ulrich von Pergau (-j- i343) ;
des Ulrich von Eber storf, und des Otto T u r s 0 von
Rauhenek (f i33i). Die Fenster an der linken und vorde-
ren Seite sind voll vielfarbig geschmolzenem Glase, und in
Hinsicht der Zeichnung und künstlichen Zusammensetzung merk-
würdig ; sie sind mit dem Chore von gleichem Alter. Am An-
fange des Chores rechter Hand gelangt man abwärts in den
Kreuzgang, und bey einer zweyten Thüre aufwärts in den
Schlafsaal. Vorne ist der Eingang in die Sacristey, die im
Jahre 1802 mit künstlichen Kästen verschönert wurde; rück-
wärts derselben ist der Leichenhvf der Geistlichen, wo die
Grabmähler derAebte Alberik und Marian II. zu sehen
sind. Daneben ist die Capelle des heiligen Bernhard, und das
anstoßende ehemahlige Hospital, später Noviziat-Gebäude,
und rückwärts desselben der Convent-Garten, der Bibliothek-
Saal mit beyläufig 6000 Bänden und 800 Handschriften;
dann das Neu- oder Studiengebäude, wo die Cleriker wohnen
und unterrichtet werden. Neben dem großen Schlafsaale oder
135
Dormitorium), der von ao Säulen gestützt wird , ,ist die
Schatzkammer, die mehrere schöne Kirchen-Ornate, kostbare
Kelche und Monstranzen enthält; dann einen Dorn der Krone
Christi, welchem der Abt Marian II. im Jahre 1799 die
gegenwärtige Einfassung geben ließ ; endlich den berühmten
Kreuz-Partikel, dessen Authenticität keinem Zweifel unterliegt;
er hat die Form eines Kreuzes mit zwey Querstücken, der Stamm
enthält in der Länge 9 Zoll; das ganze Holz ist durchaus H Zoll
breit, und ZZoll tief, einfach und glatt. Herzog Leopold VI.
nahm ihn im Jahre 1182 aus Palästina mit sich, und schenkte
ihn dem Stifte im Jahre 1187. Den ununterbrochenen Be-
sitz dieser Reliquie beweisen die in den Jahren ia85,1290, i3a8
von den Päpsten für die Feste Kreuzerhöhung und Erfindung
dem Stifte ertheiltenAblässe. Im Jahre i336 ließ Abt Wül-
fing eine silberne Einfassung mit einer Inschrift verfertigen,
welche letztere auf der neuen vom Abte Robert im Jahre
1733 besorgten Verschönerung beybehalten wurde. Bey Fein-
desgefahr rettete man dieselbe immer zuerst.
Zu ebener Erde ist das Sommer-Refectorium, besonders
das Gemählde von Altomonte, die 5ooo Gespeisten, sehens-
werth, Abt Marian II. ließ es im Jahre 1792 in der jetzi-
gen freundlichen Gestalt verschönern.
Daneben in einem capellartigen gothischen Gebäude ist der
bleyerne Springbrunnen, dessen dreyfaches Becken von Bley
ist; die Fenster sind von vielfärbigem Glase, und enthalten
insbesondere dieAbbildungen der ursprünglichen Kirchen zu Klo-
sterneuburg und Heiligenkreuz, sammt der Familie des heiligen
Leopold.
Der Kreuzgang bildet in gothischen Wölbungen ein ziem-
lich reguläres Viereck; an der oberen Wand sind ringsuni Ge-
mählde des Lebens des heiligen Bernhard. Im ersten Gange
von der Pforte sind die Grabsteine von 19 Stiftsgeistlichen aus
dem 17t«* und i8te» Jahrhunderte. Der zweyte Gang wird
zur Fußwaschung am Gründonnerstag benützt, und enthält die
Grabsteine von3> Stiftsgcistlichen, und des Bischofes Nico-
laus, von Tribau in Slavonien, f 1402; bann der Gräfin
Eusalis v.Vogel, 4i333; des Johann v.Neudeck,
f 1426; des Sifrid Leub toz desOtto, Bürgers zu Wien;
der Bertha v. Rohr; der A l h a l d v. Ulrichskirchen;
der O f f n i a v. S e e v e l d t; des O t t 0 v. H a s l a u; deö
Wichard und Heinrich v. Zebingen; des Conrad
Mazo. Im dritten Gange ist in der Anna-Capelle das
Grabmahl des Abtes Gerhard; und in der Todten-Capelle
wo die verstorbenen Stiftsgeistlichen bis zur Begräbnis; bey-
gesetzet werden, das Grabmahl des Abtes Robert. Diese
Capelle ließ zu Ehren des heiligen Alerius, der Abt Mar-
ti n v. E g r i s im Jahre, 349 erbauen, und liegt ebenfalls dar-
in begraben. In diesem Gange sind noch folgende Grabmähler:
1) des Abtes Johann I. und seiner Mutter G i s l a, f 132,;
2) des Dietrich und Gertrud v. Lich tenstein; 3) deS
Hugo v. A i g e n f 4) des Otto und der B e r t h t1 b v. Ha-
ckenberg ; 5) des Conrad v. Hi mp erg; 6) des Conrad
und Wülfing v. W il deck; 7) der Ag n e s v. Pfa nberg;
8) des Berthold v. Treun, f 1319; 9) des Wülfing
v.Harsend o.rf, f i334 ; 10) des Di etmar v. Engel-
schalksvelde, f 1271; 11) des Berthold v.Arnstein
sammt Familie; 12) des Meisters Godefried, Kanzlers
von Oesterreich; 13) des Albert Vöslo; und ,4) der Off-
nia v. Schaumberg.
Das hier befindliche Capetthaus hat feine jetzige Gestalt
vom Abte Gerhard. Die hier ruhenden Glieder des Herr-
scherhauses, wie deren Grabmähler zeigen, sind folgende:
1) Albert, erstgeborner Sohn des heil. Leop old, f n36t
2) Ernest der Schöne,. ein Sohn des heiligen Leo-
pold, f 1137.
3) Le 0 p 0 ldV., ein Sohn des heil. Leopold, f 1 »4^
4) Leopold VI., ein Sohn des Herzogs Heinrich Ja-
so m i rg ott, 1* h94t
6) Friedrich der Katholische, ein Sohn Leo-
polds VI., t 1198.
6) Heinrich derAeltere, Herzog von Medling, ein
Bruder Leopolds VI., f 1223.
7) Heinrich, ein Sohn Heinrichs des Aeltern, He^
zogs von Medling»
287
8) Heinrich der G r a u s a m e, ein Sohn L e o-
polds VII-, -j- 1227.
9) Friedrichll., der Streitbare, ein Bruder Hein-
richs des Grausamen, f 1246.
10) Rudolph, und 11) Heinrich, Söhne desOtto
von Bayern und Enkel Kaiser Rnd 0lphs von Habs-
burg von seiner Tochter Katharina, f i3oo.
12) Raiza, eine Tochter des böhmischen Königs So-
bieslav, und Gemahlin Herzogs Heinrich des Aelteren.
13) Richardis, Gemahlin Heinrichs des Grausamen,
und Schwester Ludwigs, des Landgrafen in Thüringen.
14) Gertrud, erste Gemahlin Friedrichs des Strettba-
ren, und Tochter eines Herzogs zu Braunschweig.
X. Pfarre Kottingbrumr
Ein Dorf, aus 77 Häusern bestehend, in welchem bey460
Menschen wohnen, an dem k.k. Neustädter-Canale, eine Vier-
telstunde südöstlich von Gainfahrn und Vöslau, eine Viertel-
stunde nordwestlich von Leoberstorf und Schönau, und eine
halbe Stunde westlich von Ginselstorf, in einer Ebene, mit-
ten in kleinen Auen und Brunnenquellen, von welchen der Ort
den Nahmen mag erhalten haben, der eine sumpfige Gegend
zu bedeuten scheint. Dem ungeachtet hat der Ort'Mangel an
gutem Trinkwasser, und das Erdreich der Umgebung ist stei-
nig, und dem Gedeihen der Feldfrüchte ungünstig; daher sich
die Bewohner großen Theils vom Taglohne und der Viehzucht
ernähren. Das herrschaftliche Schloß ist mit einem Was-
sergraben umgeben, mir mehreren Thürmen versehen, und
schön gebaut; doch mag es im Laufe der Zeit auch manche
Veränderung erlitten haben; im Innern desselben findet man
das Wappen der Familie K h ü n b u r g angebracht. Der da-
bey befindliche Garten ist von ansehnlicher Größe, in gutem
Geschmacke zugerichtet, und wird im Sommer von Baden aus
häufig besucht.
Die ältesten Besitzer von Kottingbrunn mögen die Lan-
de sfürsten aus dem Hause Babenberg gewesen seyn; ob-
236
schon man nichts Näheres hierüber weiß. Vermuthlich schenk-
ten es diese dem Stifte M e l k, welches durch mehrere Jahr-
hunderte auch das Patronats-Recht über Kottingbrunn ausübte,
und dieses Gut verschiedenen Familien zu Lehen gab,
bis im Jahre ,469 Ruprech t vonKreuzern dasselbe als
Eigenthum erhielt. Diesem folgte im Jahre 1463 sein Sohn
Leopold, und im Jahre i5o3 dessen Sohn Sigmund.
Dann kam es durch Heirath im Jahre i5o5 an die Familie
Khünburg. Eine Inschrift auf einem Steine oberhalb des
Brunnens im Schloßhofe sagt, daßGandolph von Khün-
burg, welcher die Cordula Kreutzern zur Gemahlin gehabt,
im I. i5o8 gestorben sey. Im Jahre 1667 gelangte es durch
Ehelichung der Maria Magdalena/ Tochter des Jo-
hann von Khünburg, anAndreas W ilhe l m, Freyherrn v.
Brandis, welcher zugleich den Steinhof, Siebenhirten und
Rödaun besaß. Seine Nachkommen behielten diese Güter bis
zur Mitte des 17*?« Jahrhundertes. Im Jahre 1664 kaufte
Kottingbrunn von den Erben des Johann Jakob, Grafen
von B r a n d i s, die Gräfin C 0 n st a n z i a von L a m b e r g,
geborneFreyin von Questenberg, die es im I. 1687 an ih-
ren Sohn Leopold Joseph Franz, Grafen v0n Lam-
berg-Sp rin zenstein vererbte» Dessen Sohn, Carl Jo-
se p HF ranz, verkaufte es im Jahre 1732 anLeopoldMa-
ria Grafen von Dietrichstein. Hernach wurden Besitzer
dieses Gutes: Im Jahre 1746 Graf von Colloredo; im
Jahre 1787 Graf v 0 n B a t t h i a n y; im Jahre 1784 Fürst.
vonSulkovsky; im Jahre 1787 Joseph Ritter von
Straffer; im Jahre 1807Freyherr vonBartenstein; im
Jahre 1812 Ritter von Petro witsch d'Armi; im Jahre
i8i3 durch Rückkauf, Freyherr vonBartenstein; im Jahre
rZ^Freyherr vonFingerlin ; imJahre 1820 PeterRit-
ter von Bohr, der es noch jetzt besitzt.
In pfarrlicher Hinsicht war Kottingbrunn ursprünglich
eine Filiale von T r a i s k i r ch e n, wurde aber später der Pfarre
Leoberstorf als Filiale zugewiesen. Schon im i3*ei1 Jahr-
hunderte war hier eine dem heiligen Märtyrer Ach a z geweihte
C ap ekle, welche zu ihren Einkünften i5 Weingärten, 6 Joch
s3g
Htdex, tinb eine Wiese besaß. Abt Ludwig von Melk er-
hob diese Capelle im Jahre i355 zur Pfarrkirche, und be-
stellte bey derselben den Caplan Johann alS Pfarrer. Zu-
gleich wurde festgesetzt, daß die neue Pfarre jährlich eine kleine
Abgabe dem Pfarrer zu Leoberstorf entrichten sollte. In frü-
heren Zeiten mußte der Pfarrer von Kottingbrunn mit Röchet
und Stole bekleidet in Prozession mit seiner Gemeinde diesen
Kirchendienst auf den Altar zu Leoberstorf legen. Diese Feyer-
lichkeit har zwar schon längst aufgehört, aber der stipulirtc Kir-
chendienst wird noch immer bezahlt. Um das Jahr 1470 über-
gab Abt I 0 hannIV. vom Stifte Melk das Patr 0 nats»
R e ch>t der Pfarre dem damahligen Ortsbesitzer Leopold von
Kreuzern, der zugleich Kleinneusiedl, Enzersfeld, Leobers-
dorf und Bielahag, mit dem Wein - und Getreidezehent, von
dem Stifte Melk zu Lehen hatte. Diese Lehen kamen im Jahre
,5o5 anGand 0 lph v 0 nKhünburgII., Haüptmanne zu
Vorchtenstein,,als er die Ursula vonKreuzern ehelichte.
DieKhünbürge, ein frommes und edles Geschlecht ausKärn-
then, aus dem viele Bischöfe und Erzbischöfe hervorgingen,
scheinen sich um die hiesige Kirche besonders verdient gemacht
zu haben, da ihr Familien-Wappen, im silbernen Felde eine
halb rothe halb weiße Kugel, mit der Jahrzahl i5n , an der
inneren Kirchenmauer linker Hand oberhalb des Fensters ange-
bracht ist. Im Jahre ,52g scheint diese Kirche von den Tür-
ken verbrannt, aber nicht gänzlich zerstört worden zu seyn,
wovon obiges alte Wappen ein Beweis ist.
In dem Visitations-Buche vom Jahre >544 wird gesagt:
» Khattingbrunn, eine Filiale von Leobersstorf. Die Frau
» Wentula S tirin soll sie gestiftet haben. Diese Capelle
» hatte einen gestifteten Priester ; aber seit >629 ist sie ohne
» Priester. Das Einkommen der Kirche wird durch den Pfle-
»ger zuKhatingbrunn, der durch Kh ü n b erg er s Erben Ger-
» haben auf das Schloß gesetzt worden, eingenommen, und gibt
»einem Priester, der alle Dienstage zur Messe von Leoberstorf
»dahin geht, das Jahr 10 Pfund Pfennige.« Ob und wie
lange nun Kottingbrunn ohne eigenen Pfarrer geblieben, ob
die Reformation auch diese Gemeinde ergriffen, oder ob
240
der Mangel an katholischen Priestern Ursache war, daß die Pfar-
rer von Leoberstorf auch über Kottingbrunn längere Zeit ihr
Hirtenamt ausdehnen mußten, läßt sich aus Mangel an Nach-
richten hierüber mcht bestimmen. Im Jahre »683 haben die
Türken wahrscheinlich diese Kirche wieder verbrannt, da sie
die ganze Umgegend verheerten; sie wurde aber bald wieder
hergestellt; und im Jahre 1690 fängt mit Johann Jakob
Mayer die ununterbrochene Reihe der hiesigen Pfarrer an.
Im Jahre 1706 schenkte Graf vonLamberg dieser Kirche den
Leib des heiligen Märtyrers Prosper, ein sogenanntes Cor-
pus baptizatum aus dem coemeterio Calixti; derselbe wird
noch jetzt in einem schönen Sarge mit der Blurschale allhier
aufbewahrt. Im Jahre »742 schenkte Graf Co ll or ed 0 ei-
nen silbernen vergoldeten Kelch, und eine solche Monstranze hier-
her. Die Kirche ist von alter einfacher Bauart, lang und
schmal; auf dem Hochaltare ist das Bildnis; des heiligen Pa-
trons Achaz, und die Settenaltäre stellen Mari ah ülf, und
den heiligen Franz Xaver dar. In der Mitte der Kirche
ist der Grabstein des Hanns Jakob Grafen von Bran-
dts, ^ den 24. Junius 1667. Än der Außenwand sind die
Grabmähler des Fürsten Alexander Sulkowsky, Her-
zogs vonBielitz, -j-den 21.September,786; und des Joseph
von Str ass er, Besitzers von Kotringbrunn,-j-den »2. Aprill
1807. Die im Schlosse befindliche Nicolai-Capelle ist
uralt; sie wurde im Jahre 1478 von Marcus, Patriarchen
zu Aquileja, mit einem lootägigen Ablasse beschenkt; ihre je-
tzige Gestalt erhielt sie im Jahre 1690 durch Leopold Jo-
seph Grafen von Lamberg und dessen Gemahlin Katha-
rina Eleonora, geborne Gräfin von Sprinzenstein.
Zur Pfarre Kottingbrunn ist eingepfarrt das eben dieser
Herrschaft gehörige kleine Dörfchen
W a g r a m ;
eine Viertelstunde von Kottingbrunn entfernt; die Bevölke-
rung desselben beträgt beyläufig 100 (HoeeUn. Es ist auch eine
Steingutgeschirr-Fabrik hier. Nahe bey Kottingbrunn steht süd-
westlich eine kleine Capelle, die Schutzmantel-Capelle
genannt, weil auf dem dort befindlichen Marienbilde die se-
24»
kigste Jungfrau einen weiten Mantel über ihre Verehrer aus-
breitet. Hier wurde früher bisweilen Messe gelesen ; es ist
aber über ihre Entstehung gar nichts bekannt. Im Jahre 1748
machte Maria Francis ca Gr-sin von C ol l ore d 0, ge-
borne Gräfin von W 0 l f ö t h a l, zu dieser Capelle eine Stiftung
auf ein Licht für alle Samstage und Marienfeste. — Eine
Schule besteht zu Kottingbrunn wahrscheinlich schon, seit
hier eine ununterbrochene Reihe von Pfarrern ist.
XI. Pfarre Klausen-Leopoldsdorf.
Ein Dorf, eine halbe Stunde nordwestlich hinter Alland
am Schwecharflusse , welches seine Entstehung und seinen Nah-
men dem Kaiser Le opold I. verdankt. Es waren schon
früher einige zerstreute Hauser in dieser waldigen Gegend, de-
ren Bewohner sich größten Theils vom Tagelohne für Holz-
fällen ernährten. Damit das hier gefällte Brennholz auf eine
leichtere Art bis zur Hauptstadt könne befördert werden, ließ
Kaiser Leopold I. um das Jahr 1670 an den verschiedenen
kleineren Bächen dieser Gegend mehrere Klausen anlegen, wo
das Wasser geschwellt, und dann auf demselben das herbey-
geschaffte Holz weiter geschwemmt würde, bis zur großen
Klause, die er an dem Orte, wo sie sich jetzt befindet, aus
großen Quadersteinen erbauen ließ. Von da wurde das Holz
bis zur Klause bey Sanct Helena, und dann weiter bis zum
Holzrechen bey Mötlerstorf geschwemmt, und von dort auf
Wägen weiter geführt. Damit aber auch an den nöthigen 'Ar-
beitern kein Mangel sey, berief Kaiser Leopold!. Leute aus
Ober-Oesterreich, Steyermark, Tyrol und Salzburg hierher,
und ließ von ihnen unfern der großen Klause dieses Dorf an-
legen, welches, von ihm den Nahmen Klausen-Leopoldsdorf
erhielt, und im Jahre 1682 aus 32 Häusern bestand. Die
Bewohner sollten um billigen Lohn das zur Holzschwemme be-
stimmte Holz in den landesfürstlichen Wäldern fällen, und dem
k. k. Waldamte unterthänig seyn; dafür erhielten sie einige
Nachlassung in Hinsicht der Steuern und Gaben, auch nebstbey
die Erlaubniß, das zu ihrer Norhdurft benöthigte Holz unent-
geldlich zu fällen; es wurden ihnen auch Plätze zur Viehweide
angewiesen. Im Jahre 1679 raffte die Pest viele Einwohner
hinweg, auch die Türken ermordeten im Jahre,683 Viele,
die sich auf eine Wiese geflüchtet hatten, die davon noch heut -
zu Tage die Schlachtwiese genennet wird. Der Ort und die
Gegend konnte erst nach und nach durch neue Ankömmlinge
wieder bevölkert werden. Seit dem Jahre i63o wurde die
Seelsorge in den zerstreuten Häusern dieser Gegend gegen Ent-
richtung der Stolgebühren vom Stifte Klein-Mariazell
aus versehen; zum Gottesdienste an Sonn - und Feyertagen
gingen die Bewohner in die zunächst gelegene Kirche nach
Alland, oder Sr. C or on a, oder Klein-Mariazelt.
Im Jahre 1680, als das Dorf Klausen-Leopoldsdorf erbaut
wurde, war in dieser Gegend noch keine Capelle oder Kirche.
Es wurde daher mit dem Abte R 0 m a n von Klein-Ma-
riazell ein Vertrag geschlossen, vermöge welchem er einen
seiner Stiftsgeistlichen mit der Seelsorge über Klausen-Leo-
poldsdorf beauftragen sollte, dafür aber, nebst den gewöhnli-
chen Stolgebühren, sollte das k. k. Waldamt jährlich für den
Priester 76 Gulden abreichen. Dieser Vertrag wurde auf
drey Jahre abgeschlossen, und in demselben zugleich bedungen,
daß dem Stifte kein Recht auf das Patronat zustehen sollte,
wenn in dieser Gemeinde eine Capelle oder Kirche erbauet wer-
den würde. Nach dem'Abzüge der Türken im Jahre ,683 schlos-
sen sich die Bewohner an die näher gelegene, dem Stifte Hei-
ligenkreuz gehörige Pfarre Alland an ; sie gingen zum Got^
tesdienste in die dortige Pfarrkirche, trugen ihre Leichen da-
hin, und wurden von da aus mit den heiligen Sacramenten
versehen; dafür wurden von der Gemeinde dem Pfarrer zu At-
land die Stolgebühren, und vom k.k. Waldamte 70 Gulden
jährlich bezahlt. Es wurde auch zu Klausen-Leopoldsdorf eine
Schule erbauet, und ein Schulmeister von dem k. k. Wald-
amte, mit dem jährlichen Gehalte von 100 Gulden, bestellet,
welcher die Kinder unentgeldlich unterrichten mußte. Aber die
Ausübung der Seelsorge war in dieser Gegend bey schlechtem
Wege und Wetter sehr beschwerlich, ja sogar oft, bey an-
geschwollenem Wasser des Schwechatflusses und der übrigen
243
Bäche, unmöglich gemacht; daher sagen auch die Berichte, daß
hier zu jener Zeit oft Menschen ohne Empfang der heiUgen
Sacramente sterben mußten, und daß oft 20 Personen erfor-
dert wurden, um eine Leiche nach Alland zu bringen. Dieses
vermehrte die Sehnsucht der Bewohner nach einer in ihrer Ge-
gend zu erbauenden Capelle oder Kirche. Als Herr Graf Gund-
acker v 0 nS t a h r e mb erg sich rm zweyten Grade der Bluts-
verwandtschaft verehelichen, und wegen Erhaltung der Dispen-
sation von Rom nebst andern guten Werken auch drey Kir-
chen bauen wollte, war auch der Ort Klausen-Leopolds-
dorf zu einer derselben bestimmt. Das dazu benöthigteHolz
war schon gefallt, und alles bereitet, als dieses fromme Vor-
haben aus unbekannten Ursachen wieder vereitelt wurde. Die
Gemeinde erbaute sich daher einstweilen im Jahre 1754 eine
hölzerne Capelle, um wenigstens das gemeinschaftliche
Gebeth darin verrichten, und bisweilen einer heiligen Messe
beyzuwohnen zu können. Es wurde auch wirklich am 16. De-
cember 1754/ als am dritten Adventsonntage, zum ersten Mahl,
und zwar durch einen Priester des Stiftes Heiligenkreuz, hier
Messe gelesen, welchen der Abt Robert von Heiligenkreuz
mit den dazu nöthigen Kixchen-Erforderniffen^ahin absendete,
und der Priester erhielt für jede Messe einen Gulden.
Als bald darauf der Jesuit?. Dolfing auf seinen Mis-
sions-Reisen in diese Gegend kam, und das Bedürfniß der
Gemeinde sah, übersendete er von einem Gutthater 3oo
Gulden, welche, nebst andern gesammelten Beytragen, zu dem
Baue einer neuen Capelle von Stein mit einem hölzernen
Thurme und zwey Glocken verwendet wurden. Von der Bene-
ficiaten-Kirche zu Kaltenleutgeben wurde ein Kelch und einige
Meßkleider hierher geschenkt, und der k. k. Klaus - und Bau-
meister, Martin Hollergschwandner, erkaufte um 40
Gulden eine kleine Orgel. Es mußte der Eingang statt der
Thüre nur mit einem Gitter verwahret werden, und die Ge-
meinde erhielt nicht die Erlaubniß, darin Gottesdienst halten
zu dürfen, bis der Cardinal und Fürst-Erzbischof Graf von
Trautson, und nach ihm der Cardinal und Fürst-Erzbischof
Graf v 0 n M i g a z z i, bey ihren bischöflichen Visitationen auch
Q 2 V
244
hierher kamen, und sich selbst überzeugten, daß für die Alten,
Schwachen und Kinder, der Ort Alland viel zu weit entfernt
sey. Auf ihren Betrieb, und das Bitten der Gemeinde, er-
hielt das Waldamt von der k. k.Ministerial-Banco-Hof-Deputa-
Lion im Jahre 1755 auf Allerhöchsten Befehl den Auftrag, im
Orte Klausen- Leopoldsdorf eine Kirche als Filiale der
Pfarre Alland zu erbauen, und einen besonderen Capellan
daselbst anzustellen, demselben eine Wohnung zubauen, und
die nöthigen Kirchengerathe beyzuschaffen. Auf die hierüber
vom k. k. Waldamte gemachte Gegenvorstellung kam aber-
mahls eine Verordnung, vermöge welcher die Erbauung einer
Sacristey, die Beyschaffung eines Altarblattes, und die Ein-
* schließung der Capelle mit einer Mauer- bewilligt, und im
Jahre 1767 vollendet wurde. Es wurde auch mit dem Abte
Alberik von Heiligenkreuz am 1. Julius 1767 ein Ver-
trag geschloffen, vermög welchem der Pfarrer von Alland
vom k. k. Waldamte 226 Gulden jährlich erhalten, und die
Stosgebühren beziehen sollte; dafür aber an Sonn- und Feyer-
tagen einen Caplan nach Klausen- Leopoldsdorf zu senden hatte,
um daselbst Messe zu lesen, und Predigt und Christenlehre zu
hatten. Da aber dem ungeachtet der Gottesdienst oft unterblei-
ben mußte, kam endlich im Jahre 1765 ein Weltpriester, Jo-
seph Gruber, als beständiger Seelsorger hierher; die-
ser erhielt eine anständige Wohnung, und jene 225 Gulden,
die bisher der Pfarrer von Alland bezogen hatte; doch mußte
er die Stole nach Alland verrechnen, bis durch landesfürstliche
und Consistorial-Verordnung vom 6. Hornung 1767, Klausen-
Leopoldsdorf zu einer eigenen Pfarre erhoben wurde. Schott
im Jahre »763 wurde das alte Schulhaus zur Wohnung des
Seelsorgers eingerichtet, und dafür ein neues SchulhauS
erbaut. Die Seelenzahl ist bey 1000.
Im Jahre 1766 gab das k. k. Waldamt einen Grund hei?
zur Errichtung eines Leichenhofes, und die Gemeinde über-
nahm die Einfriedung desselben auf ewige Zeiten. Im Jahrs
»771 wurde vom k. k. Waldamte, als Patron dieser Pfarre, dis
Unterhaltung des ewigen Lichtes vor dem Hochwürdigsten, und"
die Anschaffung mehrerer Paramente bewilligt, auch der Kirche
*45
zur Bestreitung der Bedürfnisse jährlich 42 Gulden angewie-
sen/ und wegen der großen Ausdehnung des Pfarr-Bezirkes,
auf einen zweyten Geistlichen oder Co operator eine Stif-
tung von i5o Gulden gemacht. Im Jahre 1773 machte Ma-
ri a Theresia Kornreiter eine Stiftung von 4000 Gul-
den auf wöchentlich drey heilige Messen in dieser Kirche. Im
Jahre 1780 wurde die Kirche auf allerhöchste Anordnung ver-
größert mit einem Kostenbetrag von 1069 Gulden 331 Kreu-
zer/ auch wurde mit einem Kostenbetrag von 1443 Gulden
s3£ Kreuzer ein neuer Pfarrhof gebaut; die ehemalige
Wohnung des Seelsorgers wurde wieder zum Schulhause
erngenchret/ und das bisherige für-die vermehrte Zahl der
Schulkinder zu klein gewordene Schulhaus wurde verkauft»
Die Kirche ist dem heiligen Leopold als Patron geweiht,
und hat kemr besondere Merkwürdigkeiten. Die Reihe der hie-
sigen Seelsorger seit demJahrei766 istfolgende: r)Joseph
G ruber; 2) Franz Anton Keßler; 3) Carl Ray-
mundSullakj 4) F ra nz Anton Sta her; 5) Jo-
hann Baptist Heigl; 6) Ignaz Vi ncenz Sßman-
c^ik, der noch jetzt hier ist.
xu. Pfarre Münchendorf.
Ein Dorf, an der voy Wien nach Oedenburg in Ungar,)
führenden Straße, am Triestingflufse, eine halbe Stunde
südlich von Laxenburg, eine Stunde nördlich von Kaiser-Eb-
reichstorf, und drey Viertelstunden nordöstlich von Trumau
entfernt, und dem Stifte Heiligenkreuz unterthänig,
welchem es im Jahre »»5» von Herzog Heinrich Jaso-
mirgokt und dessen Bruder, Conrad, Bischof von Pas-
sau, und vormahligen Abte des Stiftes von Heiligenkreuz, ge-
schenkt wurde. Damahls war Münchendorf nur ein Meierhof
und eine Werkstätte verschiedener Handwerker, nach dem Aus-
drucke der Schenkungsurkunde: grangia, ad construendas
ibidem officinas inonasterio donata. Es siedelten sich aber
bald inehrere Bewohner an, so daß sehr bald ein ganzes Dorf
246
entstand (nachdem Ausdrucke der Urkunde: grangia in vil-
lam commutata 68t), dessen Besitz der Herzog Leopold der
Tugendhafte dem Stifte Heiligenkreuz bestätigte. Dieses
blieb im ununterbrochenen Besitze dieses Ortes, selbst dann,
als es durch widrige Zeitverhältniffe genöthigt war, die meisten
seiner Besitzungen zu veräußern. Im Jahre n5i kaufte der
Abt Heinrich I. von Heiligenkreuz, vom Abte zu Mölk,
Sighard, das hiesige Zehent-Recht. Von den ferneren
Schicksalen dieses Ortes ist wenig bekannt. Auch die Zeit
der Errichtung einer Pfarre allhier läßt sich nicht näher
bestimmen. Wahrscheinlich gehörte dieser Ort, .wie die meisten
benachbarten Ortschaften, Anfangs zur Pfarre Medling,
wurde aber vielleicht bald, nachdem das Stift Heiligenkreuz
zu dessen Besitz gelangte, und sich der Ort vergrößerte, zu ei-
ner eigenen unabhängigen Pfarre, mit dem Patronats-Rechte
des Stiftes Heiligenkreuz, erhoben, und zuerst mit Welt-
priestern besetzt, welchen zum Lebensunterhalte mehrere
Grundstücke angewiesen wurden, die vielleicht größten Theils
jetzt noch zur Pfarre gehören, und wovon der jeweilige Pfar-
rer die Nutznießung hat. Im Jahre 1466 weigerte sich Mar-
tin, ein Weltpriester und Pfarrer allhier, dem Stifte Hei-
ligenkreuz den Zehent von den Pfarr-Grundstücken abzurei-
- chen; er wurde aber von dem Consistorium zu Passau zur
schuldigen Abreichung des Zehentes genöthigt, und zugleich
wurde dem Stifte Heiligenkreuz die Jncorporation dieser
Pfarre bestätigt. Wann diese Pfarre zuerst mit Stifts.geist-
lichen von Heiligenkreuz besetzt wurde, weiß man nicht be-
stimmt. Dre Handschrift: Corona officialium Sanctae Cru-
cis fängt die ununterbrochene Reihe der hiesigen Pfarrer aus
hem Stifte He ligenkreuz mit dem Jahre 1613 an, und nennt
>!)en ersten Pfarrer Georg Gerckhsickh. Im i^ten Jahr-
hunderte waren allhier 3i Pfarrer. Vom Monathe Julius bis
October des Jahres i683 war die Pfarre wegen den Verwü-
stungen der Türken verlassen. Die Pfarr-Matrikeln dieses
Ortes waren am Ende des i^ten Jahrhundertes noch bey dem
bischöflichen Consistorium zu Passau aufbewahret, welche der
Abt Clemens selbst gesehen zu haben bezeugte. Im Jahre
«4.7
wurde diese Pfarre, mit den übrigen Pfarren des Badner
Decanates, von dem Bisthume Passau an das Wiener Erz-
bisthum übergeben. Die Kirche wurde von den Türken im
Jahre i683 verbrannt/ und dann später von den Aebten des
Stiftes Heillgenkreuz in der gegenwärtigen Gestalt wieder
hergestellt; sie ist geräumig/ und hat nebst dem zu Ehren des
heiligen Leonhard geweihten Hochaltare/ auch zwey Sei-
tenaltäre, aber/ so wie der die Kirche umgebende Leichenhof/
keine merkwürdigen Grabmähler/ auch keine sonstigen Denk-
würdigkeiten oder besondere Stiftungen und Capitalien. Der
Pfarrer erhalt nebst den Stolgebühren und der Bewirthschaf-
tung der Pfarr-Grundstücke/ auch einen jährlichen Geldbey-
trag von der Ortsherrschaft zu seinem Lebensunterhalte. Das
hiesige Schulhaus ist im Jahre »822 ganz neu, und sehr
geräumig erbauet worden-
Die Ortsbewohner sind alle der katholischen Religion zu-
gethan, und ernähren sich vom Ackerbaus, vom Taglohne,
von der Viehzucht, und von einigen Handwerken. Es ist hier
eine vorn Herrn T h 0 r n t 0 n errichtete Baumwol-
len- Spinn-Fabrik, dann, nebst dem herrschaftlichen
'Gasthause, ein geräumiger herrschaftlicher Zehent- und Wrrth-
schaftshof, und zwey große Mühlen am Triestingflusse. Im
Jahre 1788 war die Seelenzahl dieses Ortes 626; im geistli-
chen Schematismus vom Jahre 1828 wird sie auf 768 ange-
geben. Außerhalb des Ortes östlich befindet sich ein großes
k. k. Fourage-Magazin; und eine Viertelstunde davon,
in der sogenannten Weitau, die sich bis gegen Laxenburg aus-
dehnt, ist eine große k. k. F asa neri e. Die Wohnung des
k. k. Fasanen-Jägers gehört noch zur hiesigen Pfarre. Auf
der zu militärischen Uebungen ganz geeigneten weit ausgedehn-
ten Ebene, wurden in ruhigen Zeiten unter der Kaiserin Ma-
ria Theresia und Joseph II. große Lustlager gehalten,
die von Münchendorf den Nahmen erhielten. Im December
des Jahres 1600 cantonirten hier die Truppen der k. ungari-
schen Jnsurrection von den Gespannschaften dieß- und jenseits
der Donau, wovon das Hauptquartier in Laxenburg sich be-
fand. Im Jahre.1800 war hier eines der größten Uebungs-
*40
Lager. Es waren acht Regimenter Infanterie, nebst drey Gre-
nadier-Bataillons, drey Cürassier - und zwey Husaren Regi-
menter, mit mehreren Artillerie-Compagnien untör dem Oberbe-
fehle des Commandirenden ob- und unter der Ens, des Feldmar-
schalls Herzogs Ferdinand von Würremberg, und der Ge-
genwart Sr. Majestät des Kaisers und des Erzherzogs Carl,
als Generalissimus. Die Uebungen wurden den 3. Ocrober be-
endiget , den 4. October. wurde das Nahmensfest Sr. Maje-
stät durch Paradirung aller anwesenden Truppen gefeyert,
welcher der ganze k. k. Hof, und viele Große des In - und
Auslandes beywohnten, und nach gehaltenem öffentlichen
Gottesdienste mit dem »Herr G v t t w i r loben dich!« die
Feyer geschlossen.
XM. Pfarre Oberwalterstorf.
Ein Dorf am Triestingflusse, eine halbe Stunde westlich
oberhalb Trumau, und eine halbe Stunde östlich unterhalb
Tatrendorf, mit einer im Jahre 1822 neu gebauten Papier-
Fabrik einem herrschaftlichen Schlosse, sammt einem
sehenswerrhen Meierhofe, und einem ziemlich großen schönen
Ziergarten, der auch im Sommer von Baden aus häufig be-
sucht nnrd. Der Weg von der eine halbe Stunde entfernten
italienischen Poststraße bis hierher ist mit einer Allee von Pap-
pelbäumen geziert. Die an dem Triestingflusse sich fortziehen-
den Auen machen die Gegend angenehm. Das Dorf liegt
an beyden Ufern des Triestingfluffes; es hat 100 Häuser,
und bey 6L0 Einwohner, welche sich größten Theils vom Feld-
baue, zum Theil auch vom Weinbaue ernähren.
Ueber den Ursprung, das Alter, und den Nahmen des
Ortes läßt sich aus, Mangel an Quellen nichts Bestimmtes sa-
gen. Gewiß ist aber, daß der Ort schon im 12^» Jahrhun-
derte vorhanden war. Im Todtenbuche des Stiftes Klosterneu-
burg steht -am 24. Februar geschrieben: VI. Kal, Martii. Ri*
chardis comitissa de Walterstorf. Diese Richardis
war eine Tochter des Markgrafen Leopold des Schönen,
und eine Schwester des heiligen Markgrafen Leopold; sie
s49
verehelichte sich mit Heinrich, Grafen vonStephaning,
und erhielt zum Heirathsgute Jps und Persenbeug. Ihr Ge-
mahl starb auf einer Kreuzfahrt zu Jerusalem im Jahre 1101.
Das Jahr, wann, und den On, wo sie gestorben, wissen
wir nicht, da in den alten Todtenbüchern und Grabsteinen
gewöhnlich nur der Tag, aber weder das Jahr noch der Ort
des Todes angemerkt wurde. Daraus, daß diese Richardis
hier eine Gräfin (comitissa) genannt wird, folgt noch nicht,
daß Walterstorf als Gut den Nahmen einer Grafschaft
geführt habe. Der Nahme einer Gräfin kam ihr, als eine
Tochter des Markgrafen Leopold des Schonen, allerdings
zu. Eme Gräfin von Walterstorf nannte sie sich in ihrem Wit-
wenstande, da ihr Heirathsgut an den Landesfürsten zurück-
gefallen war, und sie auf einem andern landesfürstlkchen Gute,
nähmlich zu Watterstorf, entweder ihre übrigen Tage zu ver-
leben, oder von daher ihren Lebensunterhalt zu beziehen hatte.
Markgraf Leopold IV. der Heilige gab Walterstorf
mit Gundramstorf, Gumpoldskirchen und Reisenberg im Jahre
ii33 seiner Tochter B e r th a zum Braurschatze. Als diese
im Jahre »141 gestorben war, kamen diese Besitzungen an
Heinrich I a s 0 m i r g 0 t t, der sie mit der Burg und Herr-
schaft Medling vereinigte, wohin sie vielleicht schon früher ge-
hört hatten. Im Capitelhause des Stiftes Heiligenkreuz befin-
det sich ein Grabstein mit der Aufschrift: Richards, Lancia
gravia de Walterstorf. Diese Richardis war die Gemah-
lin Heinrichs des Grausamen, Herzogs von Mödling.
Sie wird hier Landgräfin genannt, weil sie aus dem Ge-
schlechte der Landgrafen von Thüringen abstammte, denn sie
war eine Schwester Ludwigs, Landgrafen von Thüringen;
von Walterstorf wird hier beygesetzt, weil sie als verehelichte
Herzogin von Medling zugleich das Gut Walterstorf besaß.
Im Jahre 1234 erscheint als Besitzer von Walterstorf ein
Berthold, und im I. i319 Chad0ld von Eckartsau.
Dann kam das Gut abermahls an den Landesfürsten,
und Herzog Albrecht UI. verkaufte es im Jahre i38i an
den Grafen Hermann von Cilly. Im Jahre »414 ver-
lieh Herzog Albrecht V. das Gut Walterstorf dem Hanns
25 o
von Eberstorf zu Lehen, und Kaiser Friedrich IV. .gab
es Pfandweise den Brüdern Johann und S i g m u n d,
Grafen v on Sanct Görgen und Pösing. Im Jahre
1624 hatte es Sigmund Hofer, und im Jahre ,53^
Albert Hofer besessen. Im Jahre 1642 war Besitzer Jo-
hann von B ach leb; im Jahre i6i5 Johann Bal-
thasar, Graf von Hoyos; im Jahre i63o App 0 ll0-
n i a von Hoyos, geborne Teufel. Vom Jahre 163-7
bis 1689 besassen es Carl von Carlshofen und dessen
Erben; dann aber Ott0 Felizian, Graf von Heissen-
stamm; im Jahre 1698 dessen Sohn, Christoph Carl,
und im Jahre 1781 Franz Graf von Heissen stamm.
Im Jahre 1732 kaufte Oberwalterstorf der Abt Robert
von Heiligenkreuz, der eigene Gastliche vom Stifte als Wirth-
schafrsverwalter hierher setzte. Im Jahre 1768 verkaufte der
Abt Alber ik dieses Gut ^wieder an Maria Anna, Grä-
fin von Schulten bürg, geborne Kotolynski. Im
Jahre 1714. erhielt dasselbe durch Abtretung Maria Anna,
Gräfin von Daun, geborne Gräfin von Schulten-
burg. Späterhin wechselten die Besitzer schnell. Im Jahre
*799 war Besitzer von Oberwalterstorf Franz von Both.
Im Jahre 1602 Anton Joseph von Both, Edler von
Both endo rf; im Jahre r8o3 Leopold von Gutmann 6-
that; im Jahre 1804 Joseph von Gürtler; endlich im
Jahre 1806 kaufte es Ferdinand F ü r st v 0 n Tr a u tt-
mannsdorff, der es noch bis jetzt besitzt, und mit beträcht-
lichem Kostenaufwands das westwärts vom Dorfe gelegene, vor
100 Jahren von einem Grafen von Heissenstamm erbaute,
und um das Jahr 1770 von der Gräfin von S ch u l l enb urg
vergrößerte herrschaftliche Schloß verschönerte, und auch den
dabey liegenden Garten vergrößete, und so geschmackvoll her-
richten ließ, daß derselbe mit Recht in die Reihe der schönsten
Gärten und Zierden des Landes gezählt werden kann.
Die Pfarrkirche zum heiligen Apostel Jakob dem
Aelteren, deren Patron, so wie der Pfarre, jetzt der Lan-
desfürst ist, steht außerhalb des Ortes, an der Westseite des-
selben, nahe an hem herrschaftlichen Schlosse. Sie ist nach
z5i
neuerer Form eingerichtet, und darf unter die schöneren Dorf-
kirchen gezählt werden. Sie wurde im Jahre 1777 durch die
Verwendung und Thätigkeit des Pfarrers Joseph Pa rack
gewölbt, und erhielt ein neues Steinpflaster; es wurde auch
ein gemauerter GLockenthurm aufgeführt, durch welchen der
Eingang in die Kirche angebracht ist. Zu dieser Verbesserung
trug der Cardinal und Fürstbischof zu Paffau, Graf Ern est
von Firmian, als Patron, 2000 Gulden bey. Diesem
Beyspiele folgte die Gräfin und Gutsbesitzerin, Maria Anna
v on Schulten bürg, mit einem Beytrage von 400 Gul-
den; ihre Kammerjungfer, Antonia Prinzinge rin, gab
zu diesem Zwecke 200 Gulden ; und der Curat bey Sanct Ste-
phan in Wien, Joseph Schnell, schaffte die innere Ver-
zierung der Kirche theils-aus eigenem Vermögen, theils er-
warb er dazu verschiedene Wohlthäter.
Als der Markgraf Leopold IV. der Heilige im Jahre
in3 die Seelsorge über dieseGegend den Benedictiner-Mön-
chen von Melk anvertraute, gehörte Oberwalterstorf in die
geistliche Pflege des Pfarrers von T r a i s k i r ch e n. Ob
damahls zu Oberwalterstorf schon eine Capelle oder
Kirche gestanden habe, ist nicht bekannt; aber gewiß ist es,
daß um das Jahr 1800 schon eine hier erbauet war; denn
im Jahre i3o5 war bey dieser Krrche schon em eigener Prie-
ster, plebanus, angestellt; doch war dieselbe damahls nicht
mehr eine Filiale von Traiskirchen, sondern von Baden.
Im Jahre 1812 wurde zwischen dem Bischöfe von Passau,
Bernhard, und dem Stifte Melk der Vertrag geschlossen,
daß auf allen nach Traiskirchen gehörigen Filialen eigene Geist-
liche gestellet werden sollten. Was Walterstorf betraf, so war
von Seite des Stiftes Melk der Anstand, wovon der hier an-
zustellende Geistliche leben, und wo er wohnen sollte. Diesen
Anstand zu heben, wurde demselben ein zur hiesigen Herrschaft
unterthäniges Halblehenhaus mit seinen Grundstücken, die
Wieden genannt , angewiesen, welches entweder von einem
Bauer erkauft, oder geschenkt worden ist. Das Stift Melk
erließ den zwey Drittelzehent von diesen Hausgründen, und
so war die Stiftung für den Unterhalt des Pfarrers geschehen»
B
252
Im Jahre 13s4 machte Chadold von Eckartsau eine
Stiftung zur hiesigen Kirche. Im Jahre »826 setzte das Stift
Melk einen gewissen Conrad hier als Pfarrer ein, und her-
nach immer einen Stiftsgeistlichen, der sich aber jederzeit über
die geringen Einkünfte beschwerte. Das Stift gab daher dem
hiesigen Pfarrer zuin besseren Lebensunterhalte den Genuß des
dem Stifte gehörigen zwey Drittelzehents, doch so, daß det
Pfarrer alljährlich seinen.Stifts - Abt darum bitten mußte.
Auf diese Art war also hier zwar ein eigener Pfarrer, aber
sein Lebensunterhalt nichts weniger als gesichert, weit er im-
mer von der jährlichen Zusicherung des Stiftes abhing.
Als spater zwischen den Bischöfen von Passau und dem Stifte
Melk über die Exemtion Streitigkeiten entstanden, wurde auch
der dem Pfarrer zugetheilte Zehent zur Sprache gebracht, wel-
chen aber das Stift als sein Eigenthum sicherte. Im Jahre
*529 traf auch den Ort Oberwalterstorf, wie alle benach-
barten Ortschaften das harte Loos der Zerstörung durch die
Türken; doch erhohlte sich derselbe wieder, und wurde sammt
der Pfarrkirche bald wieder erbauet. Da jedoch bald darauf
der Protestantismus in dieser Gegend überhand nahm,
und die Anzahl der katholischen Priester sich so sehr vermin-
derte, daß viele Pfarren unbesetzt bleiben mußten; so mußte
wahrscheinlich auch Oberwalterstorf längere Zeit einen eige-
nen Seelsorger entbehren, besonders da die hiesigen Pfarrein-
künfte ohnehin gering waren, und niemand vorhanden war,
der die geschmälerten Rechte der Pfarre gehandhabt hatte. Zu
Anfange des 1.7*0« Jahrhundertes drangen endlich die Bischöfe
von Passau auf die Wiederbesetzung dieser Pfarre, und das
Stift Melk präsentirte den Stiftsgeistlichen Hieronymus
Suiner, welchen der Erzherzog Leopold im Jahre 1613
bestätigte. Im Jahre 1682 gelangte zu dieser Pfarre der Mel-
ker Stiftsgeistliche, Valentin Aichwaller. Im Jahre
31683 wurde das Dorf und die Kirche von den Türken zer-
störet. Im Jahre 1686 wurde die Pfarre dem Melker Stifts-
geistlichen, Lorenz Hackel, übergeben. Die öde Kirche war
in dem elendesten Zustande, die pfarrlichen Bücher waren zu
Grunde gegangen , und da das Stift Melk dM Pfarrer den
253
nöthigen Lebensunterhalt nicht zusichern konnte, so konnte sich
dieser Pfarrer nicht lange hier erhalten. Nun nahmen sich die
Bischöfe von Passau, Franz Anto n Graf von L o sen stein,
und Philipp Graf von Lamberg, der verlassenen Pfarre
thätig an, und letzterer bewog den Abt zu Melk zur freywilli-
gen Abtretung der Pfarre. Es wurde im Jahre 1693 ein Ver-
gleich geschlossen, vermöge welchem das Stift Melk die Pfarre
Oberwalterstorf an den Bischof von Passau sammt dem zwey
Drittelzehent, welcher bisher dem Pfarrer zum jährlichen
Genusse überlassen war, abtrat; dagegen sollten aber die
künftigen Pfarrer keine Anforderung mehr an das Stift zu
machen haben. Als Folge dieses Vergleiches wurde im Jahre
1696 von dem damahligen Ortsbesitzer, Carl Grafen von
Heissen stamm, ein Weltpriester, Anton Nieder-
mayer, dem Bischöfe von Paffau als Pfarrer vorgeschlagen,
und von demselben bestätigt. Von dieser Zeit an hatte der je-
weilige Ortsbesitzer das Präsentations-Recht, und der Bischof
von Passau die Bestätigung , bis dieses unter Kaiser I 0-
seph ll. verändert wurde. Als im Jahre 1729 bey Errich-
tung des Erzbisthums in Wien das ganze Decanat Baden zu
diesem Sprengel von Paffau abgetreten wurde, behielten sich
die Bischöfe von Paffau das Patronats-Recht über die Pfar-
ren Oberwalterstorf, Baden und Moosbrunn bevor, und
übten dasselbe auch aus, bis unter Kaiser Joseph II. durch
eine Hofentschließung vom 7. August 1784, alle ehemahligen
bischöflich Paffauischen Cottations-Pfarren, worüber dem Hoch-
stifte Passau das Präsentations-Recht nicht jure laicali zu-
stand, zu landesfürstlichen Patronats-Pfarren erhoben wur-
den, in welche Classe auch Oberwalterstorf gerechnet wurde.
Im Jahre 1791 suchte zwar Passau sein voriges Recht wieder
zu erlangen, aber die Sache blieb bey dem angenommenen
Systeme; und da ohnehin im Jahre i8o3 alle in Oesterreich
liegenden , auswärtigen geistlichen Stiften gehörige Realitäten
und Rechte an den Landesfürsten sielen, so ist Oberwalter-
storf heut zu Tage eine la nd esfürsttiche Patronats-
Pfarre.
Der Pfarrhof liegt am westlichen Ende des Dorfes,
m
beyläufig 600 Schritte von der Kirche. Er wurde im Jahre
1768 von dem Pfarrer Joseph Deibler in seiner gegen-
wärtigen Gestalt wieder hergestellt. Die Einkünfte des Pfar-
rers find, nebst der Stolgebühr, und dem oben genannten
Zehente, auch von der Bewirtschaftung mehrerer Grundstücke.
Das Sch ul hau 6 ist neben der Kirche, gut und geräumig
erbaut. Es sollen einst auch viele Juden hier gewöhnet ha-
ben, und m dem heutigen Gemeinde-Gasthause eine Syna-
goge oder Schule und Bethhaus gehabt haben. —
An der Hauptbrücke über den Triestingfluß steht eine Ca-
pelle des heiligen Johann von N e p 0 m u ck, deren Alter
und Erbauer unbekannt rst. Am Ende des Schloßgartens, ge-
gen das Dorf zu, steht eine vom Grafen Carl von Heis-
sen stamm erbaute Kreuz-Capelle, die zur Fastenzeit
von Andächtigen fleißig besucht wird. Im Schlosse befindet
sich eine Capelle, welche im I. *786 zur Ehre M äriens,
der Königin der Enget, von dem Abte Robert von Heili-
genkreuz eingeweiht wurde. Im Jahre 1769 stiftete bte Grä-
fin von Schu llenbu rg eine tägliche herlige Messe in dw-
ser Cavelle; nachdem sie um jene Zelt auch vier Joch der Kirche
dienstbare Aecker gegen fünf herrschaftllche Krautäcker einge-
tauscht, und von der Krrche gegen eine jährliche Abgabe von
zwey und dreyßig Gulden, zwey und dreyßig Tagwerke Wie-
sen zur Vergrößerung des Gartens und Schlosses angekauft
hatte. Die Schloß-Capelle wurde späterhin vergrößert und
verschönert, und als eine öffentliche erkläret, und im Jahre
1776 durch den Domherrn, Bern h a r d M u n e r e t ti von
Rottenfeld, am zweyten Sonntage nach Pfingsten neuer-
dings zur Ehre der Königin der Engel geweiht.
Nach Oberwalterstorf ist eingepfarrt:
Oe n Hausen; ein Dorf an der Poststraße zwischen
Traiskirchen und Ginselstorf, aus 26 Häusern und beyläufig
L00 Menschen bestehend, die sich des mageren Bodens wegm
mühsam vom Taglohne und Feldbaue ernähren. Unter Begün-
stigung der Gräfin A n n a M a r i a von S ch u l l e n b u r g
wurde dieses Dorf im Jahre 1769 angelegt, und war bis zum
Jahre 1780 der Pfarre TribusWinkel zugetheilt.
XIV. Pfarre Pfaffstätten.
Ei» Dorf, mit einer Marktgerechtsamkeit, unweit dem Anin-
gerberge und dem k. k. Neustädter-Canale, an der von Wien nach
Baden führenden Straße; eine halbe Stunde nordöstlich von
Baden und Leestorf, eine Viertelstunde nördlich von Tribus-
winkel, eine halbe Stunde westlich von Traiskirchen, und eine
halbe Stunde südlich von Guntramsdoif und Gumpoldskir-
chen. Schon im Jahre i i3gf in einer Urkunde L e o p o l d s V.,
kommt ein Gerung von Pfaffstätten als Zeuge vor.
Im Jahre 1160 unter dem Herzoge Heinrich erscheint ein
Gerung von Pfaffstätten, mit seinen Brüdern Hein-
rich und Adalbert. Im Jahre 1167 kommt Adalbert
von Pfaffstätten als Zeuge vor, bey der Bestimmung
der Gränzen der Pfarre Mäusling. Eben derselbe wird in dem
Klosterneuburger Saalbuche, und in den Urkunden der Stifte
zu den Schotten in Wien und von Heiligenkreuz, in den Jahren
L171 und 1181 dann 1 r 83 als Zeuge angeführt. Einige glauben,
jedoch ohne hinreichenden Grund, daß diese Herren vonPfaffstäc-
ten nicht die Besitzer von diesem Orte, sondern von Pfaffstät-
ten in der Pfarre Ravelsbach V.U. M. B. gewesen seyn. Im
Jahre 1319 komme ein Ulrich vor, der sich sogar Herzog
(äux) von Pfaffstätten nennt; wahrscheinlich darum, weil er
nebst seinen Besitzungen in Pfaffstätten auch den Herzog Hof
zu Baden besaß, welcher vorher ein Eigenthum der Landeö-
fürsten war. Er schenkte dem Stifte Lilienfeld einen neben dem
Herzoghofe zu Baden liegenden Weingarten, um für sich und
seine Gemahlin Gisela (Elisabeth) in jenem Stifte einen Be-
gräbnißplatz zu erhalten. Daß der Nahme Dur hier ein blo-
ßer Familien-Nahme sey, wie z. B. jener der S tüchse
von Trautmansdorf, ist gar nicht wahrscheinlich, weil
er als solcher gänzlich unbekannt ist, und in keinen Urkunden
vorkommt. Im Jahre 1170 in einer Urkunde, worin der Papst
Alexander III. dem Stifte Heiligenkreuz alle seine Besi-
tzungen bestätigt, wird dieser Ort Pfaffen stein genannt;
welches zugleich ein Beweis ist, dasi das Stift Heiligenkreuz
schon damahls atthier einige Besitzungen gehabt habe. Es kam
256
spater theitweise zum vollständigen Besitze dieses Ortes. Im
Jahre 1200 schenkte H ug o von M o lan st orf diesem Stifte
ein Haus (eui'wrn) in Pfaffstätten. Im Jahre 1246 schenkte
Heinrich von Seveldt demselben Stlfte seine Besitzun-
gen in Pfaffstätten (sua praedia in yilla Pfaffstetten), wel-
che vorher, laut der Schenkungs-Urkunde, die Herren von
Veld tsp erg im Besitze hatten. Im Jahre 1249 schenkte
Margaretb von Rohr dem Stifte Heiligenkreuz jenes
Haus zu Pfaffstätten, welches noch jetzt das herrschaftliche Haus
und zugleich der Pfarrh o f ist. In den Jahren 1275 und
i3io schenkte ein Ulrich Mazo, Besitzer der Veste Rohr,
dem Stifte mehrere seiner Besitzungen in Pfaffstätten. Im
Jahre 1847 machte der Abt Leopold von Heiligenkreuz ei-
nen Tauschvertrag nüt dem Probste von Klosterneuburg, Rud-
win von Knappen, in Hinsicht einiger beträchtlicher Ein-
künfte zu Pfaffstätten. Später, besonders unter den Aebten
Simon, Sigismund und Johann V. war das Stift
Heiligenkreuz nothgedrungen, auch seine Besitzungen in
Pfaffstätten zu veräußern; es gelangte aber unter den Aebten
Udalrich ll. und Christoph wieder zum vorigen Besitze.
Es ist noch jetzt Orts Herrschaft von Pfaffstätten, und.
besitzt nebstbey in dem Pfaffstätter Weingebirge eine beträcht-
liche Strecke von 600 Pfund Weingärten eigenthümlich. Die
Verwaltung des Ortes ist mit jener der Stiftsherrschaft Tru-
mau vereinigt. Das Seift Lilienfeld hat hier fünf Untertha-
nen ; und die Herrschaft Leestorf einen Unterthan oder Grund-
holden; das aufgelöste Augustinerkloster in Baden hatte zwey.
Das Stift Melk besitzt den Zehent, und hat daher hier einen
eigenen Zehenthof. Das Bergrecht gehörte größten Theils den
aufgelösten Klöstern Mauerbach und Gaming. Das Stift
Lilienfeld besitzt hier viele Weingärten , Aecker und Wiesen,
und zwey Häuser als herrschaftliche Freyhöfe; das eine derselben
ist das eigentliche herrschaftliche Wirthschaftsgebäude, mit einer
geräumigen Cap ellezum heil.I 0 h ann d em Täufer, die
aber nicht zum öffentlichen gottesdienstlichen Gebrauche ist; das
andere ist der nebenangebaute sogenannte Weinzierlhof, in wel-
chem sich bey 14 Wohnparteyen, meistens Hauer und Taglöhner
267
befinden, die gegen Entrichtung eines geringen Wohnzinsgel-
des verpflichtet sind, die herrschaftlichen Weingärten um eine
angemessene Bezahlung zu bearbeiten. Dieser Stiftsfreyhof
wurde un Jahrei2i6 erbaut, und Leopold vonSachsen-
gang schenkte im Jahre 1261 mehrere Grundstücke dazu. Im
Jahre 1288 kaufte das Stift Ltlienfeld von Otto von Ka-
stenberg den jetzt dazu gehörigen Wald am Hühnerberge.
Früher pflegten Sttftsgeistliche von Lilienfeld die Aufsicht über
diesen Stiftshof zu führen, und wohnten hier; drey derselben
starben auch hier. Gegenwärtig ist derselbe einem weltlichen
Hofmeister anvertraut, und die dazu gehörigen Grundstücke
sind größten Theils verpachtet. Das hiesige Gasthaus wurde,
laut einer Aufschrift an demselben im Jahre 1601 vom Abte
Paul Schönedner erbaut, dann später der Gemeinde ei-
genthümlich überlassen, die es zu verpachten pflegt, und einen
Theil davon zur Wohnung der Orts-Armen bestimmt hat.
Der Ort Pfaffstätten war vormahls viel größer, und ein
ansehnlicher Markt, daher derselbe in einer Landmarschalls-
Verordnung vom 8. Marz »687 ausdrücklich der Markt Pfaff-
stätten genennet wird. Daher wird auch jetzt noch alljährlich
am 2. Julius allhier ein Jahrmarkt gehalten, welche Ge-
rechtsame von Sr. Majestät Kaiser Franz im I. 1821 eigen-
händig bestätigt wurde. Die Urkunde hierüber wird im Gemeinde-
Saal des Gasthauses sorgfältig aufbewahret. Die sogenannte
Pranger-oder Markt sä ule, die vor dem Gasthause in
der Nähe des sogenannten Steinbrunnens stand, wurde zur
Zeit, da die Türken den Ort zerstörten, hinweggenommen,
und nicht wieder errichtet. Zum Andenken sieht man noch jetzt
an einer Ecke des Gasthauses eine große steinerne Kugel an
einem eisernen Nmge befestigt. Es wurde früher hier auch an
Dienstagen Wochen m a r k t gehalten , welcher aber auf-
hörte, als die Gemeinde Pfaffstätten mit der Stadt Baden
einen Vertrag machte, vermöge welchem noch bis jetzt für die
von Pfaffstätten nach Baden zum öffentlichen Verkaufe auf den
Marktplatz gebrachten Gemüse und Eßwaaren kein sogenanntes
Standgeld bezahlt werden darf.
Der Ort Pfaffstätten wurde iüi Jahre 1/477 von den Sol-
N
s58
daten des ungarischen Königs Mathias Corvinus, jm
Jahre »52y von den Türken , imJahre 1621 von den rebellischen
Ungarn, und im Jahre 1663 abermahls von den Türken gänz-
lich verbrannt. Er erhob sich jedoch bald wieder von seinem
Schutte. Aber nach dem Jahre »683 brauchte der Ort längere
Zeit zu seiner Erhohlung, da die Bewohner von den Türken
theils getödtet, theils in die Selaverey fortgeschleppt wurden,
und derselbe, so wie die b-enachbarten Ortschaften, größten Theils
durch neue Ansiedler aus Bayern und Schwaben wieder bevöl-
kert werden mußte» Jm Jahre 1713 starben hier an der Pest
bey 3o Menschen binnen einem Monathe. Im Jahre 1783
hatte der Ort 118 Hauser und 716 Seelen; nach der neuesten
Zählung im Jahre *828 (in welchem Jahre hier auch die Num-
mern der Häuser neu und besser geordnet wurden), sind 184
Häuser, und e-ro Seelen. Dazu gehören 4 Mühlen am k.k.
Canale, und die Rohrmühte am Schwechat oder Badner Mühl-
bache. Eö befindet sich hier auch eine k.k. ÄZegmauth, bey
welcher, nebst der gewöhnlichen Mauthgebühr, auch für jedes
Pfero 4 Kreuzer Wiener Währung abgefordert werden, und
zwar seit dem Jahre 1812 mit landesfürstlicher Bewilligung
als Verschönerungsbeytrag für die benachbarte Stadt Baden.
In p f a r r l i ch e r Hinsicht gehörte vormahls der Ort Pfaff-
stätten/zurPfarreTraiskirchen, er hatte aber schon eine ei-
gene Capelle oder Kirche zu den» heiligen Aposteln P et er und
Paul; jedoch weiß man die Zeit ihrer Erbauung, und die Nah-
men ihrer Erbauer nicht. Jm I. »538 wurde dieselbe durch den
päpstlichen Legaten, Peter Paul Vergerius, unter dem
Kaiser Ferdinand!, und Papst Paul II!., und unter dem
Abte H i e r 0 n y m u s von Heiligenkreuz und Abt W 0 l fg a n g
von Melk, von der Psarre Traiskirchen getrennt, und zu &U
ner eigenen Pfarrkirche gemacht; auch mit beträchtlichen
Einkünften dotirt; nähmlich 78 Tagwerke Weingärten , und
8 Tagwerke Wiesen, mit einem eigenen Hause zur Wohnung
des Pfarrers. Diese Einkünfte wurden von der Pfarre Trais-
kirchen losgerissen, und dafür sollte der jeweilige Pfarrer zu
Traiskirchen von der Pfarre Pfaffstätten alljährlich 10 Gulden
erhalten. Das Patronats-Recht und die Verwaltung der Pfarre
Pfaffstätten wurde dem Stifte Heiligenkreuz überleben , wel-
ches dieselbe sogleich mit einem Stiftsgeistlichen besetzen ließ.
Aie Uebergabe: dieser Pfarre wurde von Gregor, Bischof
von Neustadt und Probst zu Brixen, dann von Christoph Pö-
ting er, Dechant der Wiener Kathedral-Kirche, in Gegen-
wart Conrads, Abtes zu den Schotten in Wien, den 5. Sep-
tember i533 schriftlich bestätigt. Wegen Mangel an Geistli-
chen blieb diese Pfarre nicht lange von einem Priester des Stif-
tes Heiligenkreuz besetzt. Im Visitations-Buche vom Jahre
i544 liest man Folgendes: Pfarre Pfaffstätten. S.386. »Die
»Zechleute zeigen an : sie haben keinen Pfarrer; er sey zu
»Pfingsten abgezogen: die Pfarre wird wieder von Traiskir-
»chen aus versehen: darum müßten sie ihm immer, auch wenn
»sie einen eigenen Pfarrer haben, nichts desto weniger ioPfd.
» Pfennige geben.« — Im Jahre 1614 war Iak 0 bPauer,
ein Priester aus dem Stifte Melk allhier Pfarrer. Der Ge-
nuß der pfarrlichen Einkünfte wurde von den Aebten des Stif-
tes Heiligenkreuz, als Lehen - und Vogtherren dieser Pfarre,
der hiesigen Gemeinde überlassen / mit der Bedin.gniß: daß
dieselbe für die Erhaltung der Pfarrgrundstücke, der Kirche
und des Seelsorgers selbst Sorge tragen sollte, bis die Zeit-
umstände erlauben würden, in dieser Hinsicht wieder bessere
Anstalten zu treffen»
Abt Michael suchte im Jahre 1641 und 1644 mit dem
Stifte Melk einen Vertrag zu schließen, daß die Verwaltung
der Pfarre wieder dem Stifte Heitigenkreuz übergeben würde,
der aber nicht zu Stande kam. Im Jahre 1666 unterhandelte
er mit der Gemeinde, daß sie einen eigenen Pfarrer erhalte,
dem er ein Haus zur freyen Wohnung, dann jährlich einen
Muth Korn, eine Wiese von 8 Tagwerken, und einen Kraut-
garten geben wolle; sie sott dem Pfarrer jährlich in vier Fri-
sten 104 Gulden darreichen, und, nebst der Stolgebühr,
so Eimer Wein liefern, wofür sie den Genuß der zur Kirche
gestifteten Weingärten haben soll.
Von dem Stifte Melk suchte er das Patronats-Recht wie-
der zu erlangen, und both dafür die Papiermühle zu Leestorf
zum Tausche an. 'Allein auch dieser Vertrag kam erst später
R 2
2ho
zu Stande, und die Corona Officialium S. Crucis enthalt
zwar die Nahmen von mehreren geistlichen Wirthschaftsverwal-
tern (Praefectas curiae) aus jener Zeit; aber keines Pfar-
rers zu Pfaffstätten aus dem Stifte Heiligenkreuz. Es scheint
also, daß die Pfarrer von Traiskirchen oder Baden, Pfaff-
stätten bis zum Jahre 1688 administriret haben.
Die Lehre der protestantischen Religion, die in der
Umgebung viele Anhänger erhielt, fand hier wenig und nur
kurze Zeit Eingang; die Bewohner von Pfaffstätten blieben
größten Theils der Religion ihrer Vorä'ltern getreu. Ein Be-
weis des hier herrschenden Frömmigkeitssinnes und der An-
hänglichkeit an die wahre Religion der Väter, und jeder Ent-
fernung von gefährlichen Neuerungen in Religionssachen,
sind die frommen Stiftungen und Vermä chtnisse-
welche zu jener Zeit die hiesigen Ortsrichter, Justus Preil
und Martin H 0 f m a n n, an die alte Pfarrkirche zu Heili-
genkreuz machten; letzterer wurde im Jahre 1620 alldort be-
graben.
Ein Beweis der damahls allhier getreulich befolgten christ-
katholischen Erziehung der Kinder ist auch dieses, daß zu
eben jener Zeit zwey nachmahlige Aebte des Cisterzrenser-Or-
dens, nähmlich Michael Schnabel, Abt von Heiligen-
kreuz, f i658, und Bernhard Preil, ein Sohn des obi-
gen Justus Preil, Abt zu Wiener Neustadt, dann Abt zu
Baumgartenberg, f &683, allhier geboren, und zum Theil er-
zogen worden sind. Seit dem Jahre 1687 sind allhier die
Pfarr-Matrikeln und Protokolle vollständig vorhanden. Im
Jahre 1688 machte die hiesige Gemeinde mit dem Stadkpfar-
rer von Baden, Johann B irgler, einen Vertrag, ver-
möge welchem der Herr Stadtpfarrer alljährlich 104 Gulden,
und 6 Eimer Most von Pfaffstätten erhalten, dafür aber die
Seelsorge von Pfaffstätten übernehmen, die Taufen und^Lei-
chenbegängnisse im Orte selbst verrichten, und an Sonn-
und Feyertagen in der hiesigen Pfarrkirche durch einen Aus-
hülfspriester den gewöhnlichen Gottesdienst verrichten lassen
sollte. Seit dem Jahre 1766 war hier ein Weltpriester, Jo-
hann Georg Hasenöhrl, als beständiger 2tuöhütfs-'Secl-
2kri
sorger; er wohnte in seinem eigenthümlichen Hause Nr. 26,
versah die Geschäfte der Peelsorge unentgeldlrch, und ver-
rechnete die Stolgebühren nach Baden; er starb den 16. Fe-
bruar 1786. Bey der neuen Pfarr-Einth^ilung im Jahre 1788
erhielt Pfaffstätten wieder einen eigenen Pfarrer vom Sttfte
Heillgenkreuz, und der hiesige Herrschaftshof wurde zur Woh-
nung des Pfarrers eingerichtet, nachdem die Brandstätte des
neben liegenden vormahligen Pfarrhofes verkauft worden war.
Der jeweilige Pfarrer bezieht seine Besoldung an Geld und
Naturalien von der Stiftsherrschaft und Ortsobrigkeit Tru-
mau. Die Stol-Einkünfte mußten bis zum Jahre 1798 der
Pfarre Baden verrechnet werden, bis endlich erwiesen wurde,
daß Pfaffstätten keine eigentliche Filiale von Baden sey, son-
dern eine eigene alte Pfarre, die nur des Mangels an Geist-
lichen wegen, von der Pfarre Baden provisorisch versehen
wurde. Daher von nun an die ganzen Stol-Einkünfte, so wie
der Genuß der Kirchenstiftungen, bey der Pfarre Pfaffstätten
gelassen wurden. Da aber in der Zwischenzeit mit Bewilli-
gung der Aebte von Heiligenkreuz, als Lehen- und Vogtherren
dieser Pfarre, die zur Pfarre dotirten Grundstücke von der
Gemeinde zum Behufe verschiedener Kirchen-Reparationen wa-
ren veräußert worden, so daß davon nur noch acht Tagwerke
Wiesen übrig geblieben waren; so machte sich die Gemeinde
im Jahre 1798 in einem Vertrage anheischig, ein Capital von
000 Äulden in den öffentlichen Fonds zu erlegen, wovon der
Pfarrer zu Traiskirchen die jährlichen Interessen zu 10 Gulden
zu beziehen hat; für den Ortspfarrer aber alljährlich 3o Gulden
an dieOrtsherrschaft zu erlegen; dafür wurde der Gemeinde das
Eigenthumsrecht jener acht Tagwerke Wiesen überlassen. Die
Pfarrkirche hat jetzt ein Capital von 4515 Gulden in den öffentli-
chen Fonds angelegt, und 1768 Guld. freyes Kirchengeld, welches
Capital theils durch Sammlungen und Schenkungen, und Be-
zahlung des an den Staat im 1.1794 und ,809 abgelieferten
Kirchensilbers entstand; und 2762 Gulden sind Stiftungsgeld
von verschiedenen Stiftungen auf jährliche heilige Messen,
Die älteste Stiftung ist die des Melchior und der
Anna Bauer, ehemaliger Besitzer der Rohrmühle beyPfqfft
262
statten/ vom Jahre 1724, für einen Prediger und mehrere
Beichtvater zur jährlichen Feyer des Festes der heiligen drey
Könige und der heiligen Anna. Zu diesem Stiftungsgelde
gehört auch eine Schulstlfrung des bürgrnltchen Zucker-
bäckers in Wien F r a n z T0 g n e t t 0, mit 3oo Gulden; und
eines hiesigen Bewohners Simon Mayrhofer, mit 100
Gulden, deren jährliche Interessen der hiesige Schullehrer zu
beziehen hat/ um dafür mehrere arme Kinder unenrgeldtrch zu
unterrichten. Dieser Simon Mayrhofer stiftete auch400
Gulden zu einem ewigen pichte vor dem Hochwürdigsten in der
Pfarrkirche. Die Kirche hat auch mehrere schöne Ornate und
silberne Kelche, welche theils von Franz Kälbermatter/
Beneficiaten in Wien hierher vermacht, theils von der Ge-
meinde tuib verschiedenen Gutthätern für die Kirche angekauft
wurden.
£ In der Kirche sind nebst dem Hochaltare mit dem Bilde
Mariens und den Statuen der heiligen Aposteln Peter
und Pa u l, noch zwey Seitenaltäre, und die Grabst eine
zweyer- Stiftsgeistlichen von Lilienfeld, die hier Hofmeister
waren, nähmlich des Wilhelm He sseliu s t 1691, und
des Lambert Kril litz f 1770, dann des Franz Tog-
netto, welcher ein Wohlthäter der hiesigen Schule und Kir-
che war, und im 76^11 Jahre feines Alters, den 4« Decem-
ber 1741 allhier starb; endlich der Maria Katharina
Wetzstein in, gebornen Hofmannrn vonAnkerskron,
welche eine Wohlthäterin der hiesigen Kirche und des Bürger-
Spitals zu Baden war, und im 77^ Jahre ihres Alters den
23. November 1740 allhier starb. Zwey hiesige Seelsorger,
Johann Georg Hasenöhrl f den i5. Februar 178 6, ein
Weltpriester, und Paul Köckchden 10. Februar 1800, Ci-
sterzienser-Ordenspriester und seit dem 1. November 1768 all-
hier der erste Pfarrer aus dem Stifte Heiligenkreuz, liegen
außerhalb der Kirche neben dem Eingänge bey einer Nische mit
einem Cruzifft begraben. Rückwärts der Kirche ist an der Wand
ein Grabstein eingemauert, der die Grabstätte eines Ste-
phan Schäffler, f 15jo, und des Georg Prödt,
f 1584, mit ihrer Hausfrau Walpurga bezeichne^. Der
263
Leichenhof, der vorher die Kirche umgab, ist im November
1812 cassirt worden, und außerhalb des Ortes zwischen der
Nohrmühle und der Badner Straße ein neuer errichtet, worin
das Grabmahl des den 12. Junius i8i5 allhier als Hofmei-
ster verstorbenen B e r n a r d M e s se r e r, Priester des Stiftes
Lilienfeld, am merkwürdigsten ist. Das hiesige Schul haus
wurde neben der Kirche im Jahre 1779 von der Gemeinde er-
bauet. Unter dem Pfarrer Godefrie d Sk oll ließ der da-
mahlige Ortsrichter, Mathias Schlaf, im Jahre ,810 bie
Kirche ausmahlen, die Altäre und Kanzel renoviren, und
eine neue Orgel bauen. Unter dem gegenwärtigen Pfarrer,
Malachias Koll, wurde die Orgel renovirt, und ein neues
Krrchendach und ein neuer Glockenstuhl gemacht; auch von dem-
selben, mit Bewilligung des Herrn Abtes N rc o la u s ll., eine
bleibende Schul- und Pfarr-Bibliothek errichtet.
Die Bewohner des Ortes sind alle der katholischen Reli-
gion zugethan, und ernähren sich vom Ackerbaue, von der
Vlehzucht, von einigen Handwerken, vom Taglohne, und
vorzüglich vom Weinbaue; denn das Weingebirge der Umge-
hung liefert einen der besten Gebirgsweine Oesterreichs»
XV. Localie Raisenmarkt.
Ein Äorf aus zerstreuten Häusern bestehend, in einem
schönen Thale, eine halbe Stunde südlich von Alland, und
eine halbe Stunde westlich von Mayerling und dem Schwe-
chatflusse entfernt. Dieser Ort soll vormahls viel größer, und
ein Marktflecken gewesen seyn, welchen die Kaiserin
Ele onor a, Gemahlin desKaisersFriedrichlV., im Jahre
,466, sammt der Veste Scharfeneck dem Grafen Friedrich
Ca v r ian i geschenkt haben soll *). Durch die Verwüstungen
der Türken in den Jahren »52y und »683 kam der Ort auf
bie gegenwärtige geringe Anzahl zerstreuter Häuser. DerPfarr-
hof und das Schulhaus wurden im Jahre »788 neu erbauet,
und stehen, so wie die Pfarrkirche zu den heiligen Aposteln
*) Giehe Localis Sanct Helena, Artikel Scharfeneck«
2 64
Philipp und Jakob, am Fuße eines waldigten Berges,
auf dessen Spitze die Ruinen des Schlaffes Arnstein her-
vorragen.
Den Freunden interessanter Gebirgsgegenden sind diese
Ruinen von Arnstein vorzüglich zu empfehlen. Man gelangt
zu denselben auf einem Wege zwischen dem Schulhause und
dem Pfarrhofe, über eine freundliche, mit Lerchenbaumen und
hier und da mit herabgestürzten Felsenstücken besetzte Wiese,
neben einem rauschenden' Bächlein, wo man die Nordseite ei-
nes schroffen Felsens mit den Trümmern der Burg Arnstein
erblickt. Auf einem durch .den Wald bergan gebahnten Fuß-
steige nähert man sich den Ruinen. Herr Benedict Geb-
ier, Stiftsgüed von Heiligenkreuz, und Local-Caplan zu Rai-
senmarkt, ließ, mit Erlaubniß des Herrn Verwalters und des
Oberförsters, die steilen Absätze mit Stufen und Geländern ver-
sehen, auch hier und da, wo sich schönere Aussichten öffnen,
zum hö.heren Genusse für den Naturfreund, Ruheplätzchen mit
Bänken und Tischen anlegen. Es wäre zu bedauern, wenn
diese durch Muthwrllen zerstöret, oder nicht immer im brauch-
baren Stande erhalten würden. Die Aussicht über Berge und
reihende Thäter ist hier ungemein schön. Aus den Ruinen er-
sieht man, daß diese Burg ernst von großem Umfange müsse
gewesen seyn, und schwer zugänglich, und sehr fest gebauet.
Merkwürdig ist in diesen Ruinen eine Höhle , durch ein halb
eingestürztes Bogengewölbe gebildet. An deren südlichem Ende
erblickt man den Eingang in einen unterirdischen Gang, der
aber sehr eng und niedrig ist, welchen daher naher zu unter-
suchen bisher noch niemand gewagt hat. Nach emer m dieser
Gegend herrschenden unverbürgten Sage, soll dieser unterir-
dische Gang zu einem weiten Gewölbe führen, das einst als
Keller gebraucht, und noch jetzt mehrere große Weinfässer ent-
halten soll; dessen Ausgang soll im Thäte bey der ersten Mühte
gewesen seyn. — Es haben sich auch schon öfters sogenannte
Schatzgräber fruchtlos hler eingefunden. — Am westlichen
Ende der Ruine ragt eine Felsensaule thurmähnlich in die Luft
empor; dieselbe war früher durch eine nun verwitterte Mauer
Mit dem Burggebäude verbunden, und hat das Sonderbare,
365
daß sie von Ferne, und*vom Thale aus angesehen, der Gestalt
nach beynahe einer colossalen Statue des heiligen Johann
von Nepomuk gleicht.
Von der Entstehung der Kirche zu Nassenmarkt,
herrscht unter den Bewohnern dieser Gegend eine sonderbare
Volks sage, deren Grund zwar keineswegs verbürgt wer-
den kann, da weder die Zeit noch die Nahmen naher angege-
ben werden, die aber doch, als ein Beytrug zur Schilderung
der Zeiten des Faustrechtes im Mittelalter hier einige Er-
wähnung zu verdienen scheint. Ein Ritter und Herr von A rn-
stein soll emst eine weite Reise unternommen, während sei-
ner Abwesenheit aber seine Gemahlin ein Knäblein zur Wett
geboren haben, welches von häßlicher Hund es ähnlich er
Gestalt war. Sie befahl daher ihrer vertrauten Kammerzofe,
das Kind in dem am Fuße des Schloßberges befindlichen Tei-
che zu ersäufen. Ihr Gemahl erfuhr bey seiner Zurückkunft
diese gräuliche That, und bey einem Gastgelage stellte er an
sie öffentlich die Frage: welche Strafe eine Mutter verdiene,
die bte Mörderin ihres eigenen Kindes würde? Diese, wahr-
scheinlich um jeden Verdacht von sich zu entfernen, antwor-
tete: Solch eine Mutter verdiene, in ein Faß voll spitziger
Nägel eingeschlossen, und über einen hohen Berg herabgewälzt
zu werden. Worauf ihr Gemahl antwortete: sie habe sich
selbst das Todesurtheil gesprochen; welches er auch wirklich an
ihr. vollziehen ließ. An der Stelle im Thale, wo das Faß, m
welchem sie eingeschlossen war, stehen blieb, ließ ihr Gemahl,
der diese That später bereute, eine Capelle erbauen, aus wel-
cher spater die heutige Pfarrkirche von Raisenmarkt entstand.
Der Ort Raisenmarkt hat wahrscheinlich seine Entstehung und
sein Emporkommen dem Schlosse Arnstein zu verdanken, dem
er unterthä'nig war, und auch gleiches Schicksal der Zerstörung
mit demselben theilte. Der Nahme des Schlosses Arnstein
bedeutet so viel als Adler stein, oder Bergschtoß und Fel-
senburg der Adler; denn das altdeutsche Wort Arn, Aar, be-
deutet einen Adler; und das Wort Stein auch einen Berg
oder FAsenschloß; daher sich die meisten Nahmen der Burgen
und Schlösser mit diesem Worte endigen; wie B. Johann-
266
stein, Lichtenstein, Rauhenstem u. s. w. Die erste Erwäh-
nung dieses Schlosses geschieht im Klosterneuburger Saal-
buche, in einem Schenkungsbriefe vom Jahre 1170, worin
Wichard von Aarnstain, und sein Bruder, Ulrich von
Gaden, als Zeugen vorkommen. Dieses scheint zu beweisen,
daß die Herren von Arnstein aus dem Geschlechte der Her-
ren von Gaden abstammen, und dieses Schloß erst spater
erbauet, demselben diesen Nahmengegeben, und selbst ihren
Familien-Nahmen nach der Benennung dieses Schlosses um-
geändert haben; dieses schemt sich auch dadurch zu bestätigen,
daß im Stiftbriefe von Heiligenkreuz, der im Jahre 113b aus-
gefertiget wurde, und worin die meisten Ritter und Edlen
Oesterreichs, vorzüglich die in der Nachbarschaft Ansäßigen, als
Zeugen vorkommen, von den Herren von Arnstein noch
keine Erwähnung geschieht. In den Urkunden des Klosters
Heiligenkreuz erscheint im Jahre 1188 ein Wichard von
Aarenstain, als herzoglicher, Waldmeister zu Sattelbach
oder Heiligenkreuz (ministerialis, ad quem custodia ejus-
dem saltus attinebat)* Der Herzog Leopold der Tugend-
hafte schenkte damahls dem Kloster einen Wald, und da
durch diese Schenkung diesem Wichard von Aarenstain
etwas von seinen Einkünften entzogen wurde, so erhielt er
zum Ersätze einen Weingarten und einige Aecker zu Vösendorf,
«welche er aber bald wieder dem Kloster übergab. In dem Klo-
sterneuburger Saalbuche liest man unter dem Herzoge Le 0-
p old VI., einen Berthold, und seinen Bruder Wichard
von Arnstein, und etwas spater einen Albert von Arn-
stein. Im Jahre i23o schenkte ein- Wichard von Arn-
stein dem Kloster'Heiligenkreuz zwey Huben oder Lehen,
(mansos) zu Aichowe (Achau). Eben dieser Wichard, und
sein Bruder, Wülfing von Arnstein, kommen, nebst Ot-
to von Rauhenstein, Dietrich von Lichtenstein,
und Dietrich und Ulrich von Rauheneck, im Jahre
r233 als Zeugen vor in einer Urkunde, worin Hugo von
Weyerberg, wegen der Begrabnißstatte seines Vaters Ot-
to von Rauhen stein im Kloster Heiligenkreuz, demselben
dm Berg und den Wald Burgstall schenkte.
5267
Unter dem Könige Ottokar lebte ein Otto von Arn-
stein. und ein gnvlster Rettelberger, welche Eidame
Conrads vonZelkingen waren. (Siehe Fischers Ur-
kundenbuch H. 245,). Im Jahre 1276 schenkte Otto von
Arnstein, mit Bewilligung selner Söhne, Conrad, S i*
h 0 t 0 und Heinrich, und ferner Töchter Agnes und H e-
lena, dem Kloster Heiltgenkreuz eine Mühle bey Steinhof,
mit einem Talente an Denaren jährlicher Einkünfte. Im
Jahre ,280 verglich sich Conrad von Arnstein mit dem
Stifte Klosterneuburg über den Vogt-Hadern zu Tartendorf,
und ferne Ehewirthin Elisabeth hatte zu dieser Zelt von die-
sem Stifte den Zehent zu Salmanstorf inne. (Fischers Ur-
kundenbuch 11 276.) Im Jahre 1284 schenkte ein Wulsrng
von A r n st e i n deM Stifte Heiligenkreuz seinen Hof (curiam)
in Prunne. Im Jahre 1286 schenkte ein H a d m a r v 0 n A r n-
stein dem Kloster Heiligenkreuz einen Weingarten in Gum-
poldskirchen, und im Jahre 1244 die jährlichen Einkünfte eines
Talentes in Gutenthal. Wülfing, ein Sohn des W ich ard
von Arnstein, schenkte demselben Stifte durch seinen Bru-
der, B e r t h 0 l d v 0 n A r n st e i n , einen Hof (xraediurn)
zu Hurbenowe.
Dieser Berthold von Arnstein ist wahrscheinlich der
nähmliche, der im Kreuzgange des Klosters Heiligenkreuz be-
graben, liegt, unter einem Steine mit der Aufschrift: Ber-
tholdus de Arnstein cum sua familia. Dieser Grabstein be-
zeichnet also die Familien - Gruft der Herren von A r n st e i n;
die genannten Wohlthäter des Klosters sind wahrscheinlich alle,
oder doch die meisten, eben daselbst begraben. Ob diese alle auch
wirkliche Besitzer des Schlosses Arnstein waren, kann nicht
mit Gewißheit gesagt werden; es scheint vielmehr, daß meh-
rere derselben, die zu gleicher Zeit lebten, Brüder oder nahe
Anverwandte der Besitzer des Schlosses Arnstein waren, und
ihre Besitzungen und Wohnorte in anderen Ortschaften hatten,
obschon sie den Familien-Nahmen beybehielten, und ihn nicht
auch nach dem Nahmen ihrer Besitzung umänderten. Daher
sind auch die frommen Vermächtnisse und Schenkungen der
Herren von Arnstein in verschiedenen Ortschaften gemgchtz
$68
worden; welches zugleich von ihrem Reichthume und ihren
ausgedehnten Besitzungen zeigt. Berthold von Arnstein
schenkte dem Kloster Heitigenkreuz einen Hof (curiam, aream)
auf der Leutha, unterhalb des Schlusses Rauheneck, mit vier-
und vierzig Denar jährlicher Einkünfte; auch das Herrschafts-
und Standrecht auf eine Mühle an dem Schwechatfluffe. Im
Jahre 1297 schenkte Wichard von Arnstein dem Kloster
Heiligenkreuz eine Mühle zu Mödling, die Mittermühle ge-
nannt. Im Jahre 1802 hatte Udalrich I., Abt zu Heili-
genkreuz, von Rapato von Arnstein einen Hof (curiam)
in Windhag beym Schwechatflusse gekauft. Im Jahre 1806
verkaufte Ehunat oder Conrad Arnstein an -den Pfar-
rer zu Grillenberg den Spatzenwald zwischen Pottenstein und
Hornstein. Im Jahre 1819 schenkte Wichard von Arn-
stein dem Kloster Heiligenkreuz seinen Hof, Atemannshof ge-
nannt, der bey dem Schlosse Arnstein lag. Im Jahre 1828
schenkte Conrad von Arnstein dein Kloster Heiligenkreuz
64 Talente und 18 Denare jährlicher Einkünfte in Dörflein
bey Gainfahrn. Im Jahre r38o belehnte Kaiser Albrecht
einen Wikard von Arnstein mit dem Oberförsteramte.
Der letzte aus diesem Stamme Bekannte starb im Jahre 1465
als Probst des Stiftes St. Andrä an der Traisen, nähm-
lich Conrad von Arnstein. Doch war das Schloß Arn-
stein schon früher in andere Hände gekommen. Schon im Jahre
z 829 verkaufte dieses Schloß ein Wikard von Arnstein
an Carl von Eckartsau, von welchem es im Jahre i334
an Chadolt von Eckartsau kam. Im Jahre 1892 besas-
sen die Brüder Jnbrucker die Herrschaft Arnstein mit Neu-
haus. Im Jahre 1486 war Besitzer Wilhelm Jnbrucker;
und im Jahre 1480 Johann I nbrucker. Im Jahre i5i 1
besaß es Hanns Jnbrucker der jüngere, Herr zu Neu-
haus. (Siehe Visgrill 4. B. S. 492.) Im Jahre »627
besaß unb bewohnte dieses Schloß Gerowich Auer von
Herren kir chen, Wahrscheinlich ist dasselbe zur Zeit der im
Jahre 1629 geschehenen Belagerung der Stadt Wien voll
den Türken zerstöret worden, und seit dem Ruine geblieben.
Kaiser Maximilian ertheilte das Lehen über die Herrschaft
2()H
Arnstein dem Wenzestarrs vonWinden, welchem seine
Schwestern, Barbara von Winden, und A p o l l o n i a,
verehelichte Freyin von Iwan, im Besitze folgten. Von
ihnen erhielt Gabriel von Salamanka, Graf von
Ortendurg, dieses Lehen allein, und überließ selbes im
Jahre »698 an die Brüder Wolf und Urban Stube n-
voll. Vom Michael Stubenvoll erkaufte die Herr-
schaft Arnstein im Jahre 1619 Johann Paul Wohlzo--
g en, der dieselbe sammt dem Hofe von Fahrafeld und Neu-
haus im Jahre i63» an den Kaiser Ferdinand um 60,000
Gulden käuflich überließ. Seit jener Zeit blieb die Herrschaft
Arnstein mit Neuhaus und Fahrafeld vereinigt, und hatte mit
jenen die nähmlichen Besitzer.
In pfarrlicher Hinsicht war diese Gegend früher der
Pfarre Allan d untergeordnet. Im Jahre »788 wurde zu
Raisenmarkt eine L 0 cal-Caplaney errichtet, und mit
einem Geistlichen vom Stifte Heiligenkreuz, das denselben
auch besoldete, besetzt. Das Patronat wurde dem Stifte Hei-
ligenkreuz übergeben. Die Pfarrkirche zu den heiligen Aposteln
Philipp und Jakob hat keine besondern Capitalien, Stif-
tungen oder sonstige Einkünfte; auch, so wie der anliegende
Lerchenhof, keine merkwürdigen Grabmähler oder sonstige
Denkwürdigkeiten. Zu dem Bezirke dieser Local-Caplaneyen
gehören meistentheils zerstreute Häuser; der größte Ort ist
Schwarzensee, eine halbe Stunde südlich von Raisen-
markt auf einem Berge, der eine herrliche Aussicht über die
Gebirge gewährt; mit 7 Häusern und 72 Seelen , und einer
kleinen Kirche zum heil. Aegydius, deren Erbauungs-
zeit man nicht anzugeben weiß. Es wird hier bisweilen Messe
gelesen. Dieser Ort war vormahls viel größer, und eine Filiale
der Pfarre Alland. Die Bewohner waren einige Zeit lang ganz
der protestantischen Religion ergeben ; es war sogar ein
eigener Pastor hier. Jetzt sind die Bewohner dieser Localie
alle der katholischen Religion zugethan, unb ernähren sich von
Viehzucht, Ackerbau, Taglohn, Holz- und Kalkhandel. Im
geistlichen Schematismus wird die Seelenzahl 662, die größte
Entfernung drey Viertelstunden, angegeben.
M
&fö
Xvi. Pfarre Sittendorf.
Ein Dorf in einem angenehmen Thüle, welches der Mod^
linqerbach durchfließt, eine halbe Stunde nördlich von Heili-
genkreuz, eine halbe Stunde östlich von Dörnbach, eine Vier-
telstunde südlich von Wildeck, und eine halbe Stunde westlich
von Gaden und Sparbach. Zn den alten Urkunden wird die-
ser Ort S i ck e nd o rf - Sickindorf, und Sighendorf
genannt, und war der Sitz eines glelchnahmigen adeligen
Geschlechts. Im Klosterneuburger Saalbuche liest man im.
Jahre 1114 einen Rudig er , und im Jahrein^ einen
A n s h a l m v o n S i ck e n d 0 r f. Um das Jahr 1124 gaben
Rupert und R ub i g e r von Sickendorf einen Umer-
terrhan dem Stifte Klosterneuburg. Im Jahre 1136 waren
R u d g e r und sein Bruder Ru«dpert von Sighendorf
unrer den Zeugen im Stiftsbriefe des Klosters Heitigenkreuz.
Im Jahre 1137 schenkte Rudger von Sighendorf dem-
selben Kloster Heiligenkreuz (welches er auch in der Schenkungs-
urkunde ausdrücklich zu seiner Grabesstatte wählte) sein nahe
gelegenes Landgut Vulchenberg, jetzt Füllenberg genannt. Im
Jahre 1 r63 machte Walther von Sickendorf mit dem
Stifte Klosterneuburg einen Tausch in Hinsicht eines Unter-
thanes, wobey sein Bruder R u d b e r t als Zeuge erscheint.
Auch im Jahre 1171 kommen einWalther tut6 sein Bruder
Rupert von Sickendorf vor. Dieses adelige Geschlecht
scheint schon im i2ten Jahrhunderte ausgestorben zu seyn;
wahrscheinlich eben so wie jene der benachbarten Herren von
Siegenfeld und Murlingen, auf Veranlassung der Kreuzzüge.
Es wurde in den damahligen Zeiten überhaupt für schinroflich
gehalten- wenn ein Ritter oder 'Adeliger nicht wenigstens ei-
nen Kreuzzug in das gelobte Land Palästina mitgemacht hatte,
besonders da sich öfters die Landesfürsten selbst an die Spitze
dieser Unternehmungen stellten, wobey aber sehr viele für sich
und ihr Geschlecht den Untergang fanden. Der Ort Sitten-
dorf scheint nach seinen ersten Besibern sehr bald in die Hände
der Herren von Wild eck gekommen zu seyn, und blieb
bis jetzt mit dieser Herrschaft vereinigt.
Zur Ausübung des Gottesdienstes haben sich die Herren
von Sickendorf wahrscheinlich sehr bald eine Capelle er-
baut/ die dann, bey vermehrter Anzahl der Unterthanen/ zu
einer eigenen Pfarrkirche gemacht wurde; man weiß jedoch die
Zeit der Gründung von beyden nicht anzugeben/ auch ist die
Zahl mit den Nahmen der hiesigen Seelsorger früherer Zeiten
gänzlich unbekannt. Nur so viel ist gewiß/ daß im Jahre »38»
allhier ein Pfarrer war/ welchem Johann / Bischof von Pas-
sau/ den Auftrag gab, einen Priester vom StifteHeiligenkreuz/
Nico laus/ einen gebornen Herrn v on We itra/ in die
Pfarre Alland zu installiren. —• Als später die Besitzer dieser
Herrschaft, die Herren v o n N e u d e ck/ zur p r o t e st a n t i sch e n
Religion übergetreten waren / ließen sie die hiesige Kirche dem
protestantischen Gottesdienste widmen/ und erhielten einen ei-
genen Pastor; sie wählten sich auch seit dem Jahre »694.
diese Kirche zu ihrer Familiengruft/ welche sich in einem
Gewölbe unter der Kirche befindet. P. Paul Ulseß, der im
Jahre »733 Subprior im Stifte Heiligenkreuz/ und zugleich
Seelsorger allhier war/ ließ diese Gruft eröffnen/ und man
fand (nach dem Zeugnisse des P. Ambros Sey'witz/ in Mau-
solaeo, seu Cryptario Sanctae Crucis) an der Wand auf
hölzernen Sitzen/ in aufrechter Stellung die Körper von fünf
Männern Ln einem schwarzen spanischen Mantelkleide. Die
Körper waren aber Skelette/ und die Kleidung vermorscht.
Man fand nebstbey mehrere Särge von verschiedener Größe/
theils von Kupfer und Erz/ theils von Holz, und an den
Wänden waren die Nahmen und die Jahreszahl von zehn all-
hier beygesetzten Herren vonNeudeck angemerket. Diese
Gruft wurde sodann wieder verschlossen/ und der Eingang ver-
mauert/ so wie es noch jetzt ist.
Im Jahre i65i erhielt Abt Michael II. die Pfarre Sik-
tendorf wieder für das Stift durch einen Vertrag/ und durch
landesfürstliche Verwendung, deren Einkünfte dre protestanti-
schen Herren von Neu deck, als Besitzer der Herrschaft Wil-
deck, für sich eingezogen hatten. Von jener Zeit an blieb das
Stift immer im Besitze dieser Pfarre. (Archiv. 8. Crucis).
Nachdem das Stift Heiligenkreuj im Jahre das
272
Schloß und die Herrschaft Witdeck mit Sittendorf angekauft
hatte, wurde die Pfarre von einem Stiftsgeistlichen von Hei-
lige^kreuz versehen, der im Kloster wohnte, und zur Ausübung
des Gorcesdrenstes und der Seelsorge jedesmahl hierher ging.
In der Handschrift : Oorona officiaiium Sanctae Crucis,
werden vom Jahre 1712 bis 1780 sechs eigene Seelsorger von
Sircendorf aufgezahlt; dann wurde dieses Amt dem jeweiligen
Sudprior des Stiftes übertragen , bis im Jahre 1788 auf lan-
desfürstliche Anordnung zur beständigen Wohnung des Seel-
sorgers aflhier ein Pfarrhof erbaut wurde. Dieser steht ne-
ben der Kirche auf einer kleinen Anhöhe, von welcher man
eine schöne Ansicht der Oerter Gaden und Sparbach und die-
ses ganzen Thales genießt. Auch der anliegende Berg, zur
schwarzen Lacke genannt, gewährt eine der schönsten Aus-
sichten über die Gebirge und das flache Land. Das Schul-
haus, unweit der Kirche, wurde gleichfalls neu erbaut; der
Ort Sparbach ist hierher eingeschult. Die Kirche zum heili-
gen Johann de^n Täufer hat kerne Stiftungen, besondere
Einkünfte oder Capitalien, und außer' der Familiengruft der
Herren von Neu deck, eben so wie der anliegende Leichen-
hof, keine merkwürdigen Grabmähler. Der Hochaltar wurde
nach Aufhebung der Jesuiten von den Ober-Jesuiten zu Wien
angekauft, und war, laut der Inschrift der Aurhentik im Por-
tatil von Johann Abt zu den Schotten und Bischof zu Ger-
manopoliS, Weihbischof zu Wien, im Jahre »635 geweihet wor-
den. Als Zeuge ist darin Christian Wilhelm, Markgraf
von Brandenburg und Herzog von Preußen, eigenhändig un-
terschrieben und besiegelt.
Der Pfarrer wird vom Stifte Heiligenkreuz, dessen Glied,
er ist, besoldet; dasselbe Stift hat auch das PatronatS-Recht
dieser Pfarre. Bey der neuen Pfarr-Emtheitung im Jahre »782
wurde der Lindenhof mit 4° Seelen von Sittendorf ausgebro-
chen , und nach Sulz eingepfarrt; dagegen erhielt Sittendorf
von der Pfarre Heitigenkreuz 24 Seelen in Dorn dach.
Die Seelenzahl der hierher eingepfarrteu Ortschaften betrug
im Jahre »788 bey 437 Seelen in 64 Häusern- Im geistli-
chen Schematismus vom Jahre »823 wird die Seelenzahl 404,
*7$
und die größte Entfernung eine halbe Stunde angegeben. Die
hierher eingepfarrten Ortschaften sind folgende:
1) Sirtendorf, mir 260 Seelen und 34 Häusern,
worunter die Kirche, der Pfarrhof und das Schulhaus, im
Thale am Medlingerbache.
2) Dornbach, am Bache gleiches Nahmens, welcher bey
Heiligenkreuz in den Sattelbach fällt, und in der vom Kaiser
Heinrichll. dem Markgrafen H er nri ch I. im Jahre 1002
gemachten Schenkung, als Gränze derselben angegeben wird.
Dieses Dorf liegt in einem Lhale zwischen den Bergen Hocheck
und Gaisruck, eine halbe Stunde südlich von Sulz, und eine
halbe Stunde westlich von Sirtendorf. Es gehörte zur Herr-
schaft Wildeck, und kam durch den Ankauf dieser Herrschaft an
das Seist Heiligenkreuz. Im Jahre 1783 waren hier u) Häu-
ser mit 1Seelen. Es ist hier eine kleine hölzerne Capelle
zu Ehren des heiligen Leonhard, mit einem Glöckchen zum
Geberhläuten.
3) Rohrberg, mit 4 Häusern und 26 Seelen, eine
Viertelstunde und beynahe gleich weit von den Oertern Dorn-
bach , Sulz, Wildeck und Sittendorf entfernt, auf einem
Berge. Der Herzog Leopold VI. schenkte im Jahre 1188
diesen Ort, unter dem Nahmen Roh reck, dem Stifte Hei-
ligenkreuz. In der Urkunde wird der Umfang des dazu gehöri-
gen Gebiethes genau beschrieben.
4) Neu weg, mit 4 Häusern und 23 Seelen, eine Vier-
telstunde nördlich hinter Wildeck, in einem sehr engen Thale,
welches den Häusern kaum hinreichenden Raum gewährt. Da-
selbst entspringt der kleine Sparbach, von welchem der Ort
Sparbach den Nahmen hat. Auf der oberhalb dieses Ortes
befindlichen Brandwiese ist der Standpunct einer der herrlich-
sten Aussichten über das Gebirge. Dieser Ort war von jeher
der Herrschaft Wildeck unterthänig.
5) Wild eck, mit beyläufig 20 Bewohnern, eine Vier-
telstunde rrördllch von Sittendorf, ein zwey Stockwerke hohes
Schloß mit einer kleinen Ca pelle. Es gewährt mit seiner ro-
mantischen Lage auf einem Felsen von rothem Marmor einen über-
raschenden Anblick, und zugleich eine reltzende Aussicht über die
S
LY4
Gebirge. Das Gebäude ist in gutem bewohnbaren Zustande.
Neben demselben ist die Wohnung des herrschaftlichen Försters,
und unterhalb des Schlosses der Meierhof.
Des Schlosses Wildeck geschieht zuerst Erwähnung
in der Urkunde, in welcher im Zähre 1188 der Herzog Leo-
p ol d VI. dem Stifte Heiligenkreuz den Ort Rohreck schenkt;
worin er von einem Wege Meldung macht, der vonWUdeck
ausgeht (semitam exeuntem de Wildecke). In dem Stifts-
brrefe von Heiligenkreuz im Iahte »»36 sind jedoch die Herren
von Wild eck nicht unter den Zeugen angeführt, welches ein
Beweis scheint, daß das Schloß Wildeck eben so, wie das
Schloß Arnstein , später, und wahrscheinlich zwischen den Jah-
ren 1140 bis 1180, erbauet worden sey. Der Erbauer dessel-
ben ist unbekannt. Die Herren von Wild eck scheinen Anver-
wandte oder Abkömmlinge der Herren von Altenburg gewe-
sen zu seyn, die ihren Wohnsitz in dem Orte gleiches Nahmens
zwischen Lilienfeld und Wilhelmsburg hatten; denn in einer
Urkunde vom Jahre »288 kommen zwey Brüder, Rapoto
und Otto von Wildecke als Söhne Rapotens von
Alten bürg vor. In einem im I. »261 an das Kloster Hsi-
ligenkreuz ausgefertigten Schenkungsbriefe finden sich Rapoto
und Wülfing von Wildeck mit ihrer Schwester Ger-
trau d. Im Jahre»288 schenkte Wülfing v 0 nWildeck
dem Stifte Heiligenkreuz ein halbes Talent und 3o Denar
jährlicher Einkünfte in Bietzen und Machau, um im Stifte
für sich und seine Gemahlin Gertrud eine Grabstätte zu er-
halten. Er ist wahrscheinlich im Kreuzgange des Stiftes unter
jenem Steine begraben, der die Aufschrift hat: f i4Calendas
May obiit C huiir a du s de W il d ecke. Dieß ist nähm-
lich die Familien-Gruft, in welcher mehrere aus dem Geschlechte
der Wild ecke begraben liegen. Dieser Conrad von
Wildeck, den die Grabschrift nennt, war der Vater des Leut-
hold von Wildeck, und schenkte dem Kloster Heiligenkreuz
im Jahre »848 zwey Mühlen bey Medling, die Stampfmühte
und die sogenannte Schullermühle. Ein Rapoto v. Wild-
ecke schenkte dem Stifte den Wald Gaisruck. Im Jahre 1299
kommt ein Dietrich, urrd^im Jahre »824 ein H e r t n e i d
27Z
von Wildecke vor. In eben diesem Jahre schenkte Adelheid
von Wild eck dem Kloster ein halbes Talent Einkünfte zu
Maustrank. Im Jahre * 376 kaufte der Abt zu Heülgenkreuz,
ColomannI., von Michael von Wildeck ein Haus in
Traiskirchen. Im I. >3<)0 schenkte Michael von Wildeck
dem Kloster Heiligenkreuz unter dem Abte Colomann II.
6 Talente und 3o Denar jährlicher Einkünfte in Traiskirchen.
Im Jahre 1393 kommen zwey Brüder, Peter undGeorg,
und noch im Jahre i43i einPet er von Wildeck vor, der
dem Kloster Lilienfeld gewisse Gilten bey der Ramsau stiftete.
Dieses Geschlecht scheint nachher erloschen zu seyn. Doch scheint
auch das Stammschloß W i ldeck schon früher andere Be-
sitzer auf eine unbekannte Art erhalten zu haben. Im Jahre
1891 kommt schon Achaz von Neudeck als Besitzer des
SchlossesWildeck vor; der Abt N ic olatt s I. erkaufte von
ihm die Meierhöfe Anglhof und Herbsthof in der Hainfelder
Pfarre. Ein Johann von Neu deck ist im Kreuzgange
zu Heiligenkreuz begraben, laut der Aufschrift des Grabstei-
nes: j-^nno dornmi 1/426, 6ta Calendas Novembris Do-
minus D. Joannes L. Baro de Neudeck pro se et familia
sua faciebat f. Dieser Johann von Neudeck und Mel-
chior von Neu deck, Bischof von Trident, waren große
Gönner und Wohlthäter des Klosters Heiligenkreuz.
Das Geschlecht der Barone von Neudeck verlor den Be-
sitz des Schlosses Wildeck wieder aus unbekannten Ursachen.
Im Jahre 1497 hatWil helm Ahamb und seine Hausfrau
M a r u s ch oder M a r g a r e t h die Veste Wtldeck vom römi-
schen Könige M a r i m i l i a n zu Lehen empfangen. Indessen
hat G e 0 rg v 0 n N e u d e ck den benachbarten Ort Gaden vom
Jahre 1499 bis ,5,2 besessen. Im Jahre 1524 kaufte der Abt
Wilhelm vom Stifte Heiliaenkreuz den Ort Ebersdorf von
Wolf gang vonNeudeck. Wahrscheinlich kam dieses ade-
lige Geschlecht bald wieder in den Besitz von Wildeck, obschon %
die Zeit und Art unbekannt ist. Ein Ruland von Neu-
deck trat zur protestantischen Religion über, und beschützte die-
selbe in dem Gebiethe seiner Herrschaft. Ob und wann seine
Nachfolger zur katholischen Religwn zurückgekehret, ist unbe-
S 2
276
kannt. Folgende sind in der Familien-Gr uft zu Sit-
tend orf begraben: 1) Maximilian f 1.594; 2) Erich
t i6o5 ; 3) Z 0 hann Adam -j- 1822; 4) Erich Ferdi-
nan d f .1648 ; 6)FranzReichard -j-1661 ; 6) Erich
Ferdinand f 16t>3; 7) Carl Achilles f 1664; 8) M a-
ria Salome f 1673; 9) Franz ErichIulins -j-1679;
ro) JohannLudwig-j- 1682. — Im Jahre 1686 kaufte
das Gut das Stift Heiligenkreuz, und läßt es bis jetzt
durch Stiftsgeistliche verwalten.
XVII. Localie Sooß.
Ein Dorf, mit 5o Häusern und 410Bewohnern, der Herr-
schaft Klein-Mariazell unterthänig, eine halbe Stunde
südlich von Baden und Sanct Helena, und eine halbe Stunde
nördlich von Vöslau und Gainfahrn, am Fuße des sogenann-
ten kalten Berges und Lindkogels. Wann und wie das nun
aufgelöste Benedictinerstift Klein-Mariazell zum Besitze dieses
Orres kam, ist unbekannt; vielleicht besaßen ihn die benach-
barten Herren von Merkenstein, und schenkten ihn später
diesem Stifte eben so, wie ihren Hof zu Baden. Dieser Ort
ist schon alt, und war früher viel größer; ja er soll sogar unter
dem Nahmen: 8aa83a ad tres fontes: Saafsa bey den drey
Brunnen, eine Stadt gewesen seyn. Es sind Brunnen vor-
handen; der eine am Fuße des Gebirges, der andere mitten im
Orte, und der dritte auf der Viehweide neben der Badner-
straße gegen Vöslau, bey deren jedem man bey Ausgrabung
der Erde auf Spuren von ehemahligen Gebäuden stieß; dieß
wäre ein Beweis, daß sich der Ort über eine Viertelstunde in
die Länge müsse ausgedehnt haben. Man sieht auch noch aus
den Ueberbleibseln zweyer Thore und verfallener Ringmauern,
dann der alten Bauart mehrerer Häuser, besonders des Gast-
hauses, welches früher das Rathhaus gewesen seyn soll , und
des Kirchthurmes, daß dieser Ort wirklich früher zu den an-
sehnlicheren Ortschaften dieser Gegend müsse seyn gezählt wor-
den. Vermöge einer bey der Ortsgemeinde noch vorfindigen
Urkunde harte der Ort früher auch das Recht, einen Wochen-
2?7
markt zu halten; dieser hörte aber auf, nachdem die Ge-
meinde SooH eben so, wie jene vonPfaffstätten, mit der Stadt
Baden einen Vertrag machte, daß die Bewohner von Sooß
ihre Gemüse und Eßwaaren zum Verkaufe auf den Marktplatz
nach Baden, bringen, und dafür kein Standgeld bezahlen dür-
fen , welches noch bis jetzt beobachtet wird. Der Chronolog
Hueber macht vom Orte Sooß unter dem Nahmen Saassa
schon im Jahre 1216 Erwähnung. In den Urkunden des
Stlftes Heiligenkreuz kommt der Ort zwey Mahl vor. Im
Jahre 1280 schenkte Wichard von Zebingen dem Stifte
Heiligenkreuz für das von ihm daselbst gestiftete Hospital ei-
'nen Weingarten in Saasse. Im Jahre 1419 kaufte Jo-
hann II., Abt von Heiligenkreuz, für bte Capelle zum heiligen
Udalrich zu Siegenfeld von einem dasigen Bewohner Paul,
einen Weingarten, Rhinne genannt, bey Saasse am Kalten-
berge. Der Geschichtsforscher Ha nt hat er führt (Rec. dipl.
T. II.) einige Glieder einer Familie vonSooß, Sozze
oder Sazze an, und meint, sie haben den Nahmen von
diesem Dorfe Sooß bey Baden. Es ist aber gewiß, daß sie
den Nahmen von ihrem Stammschlosse Sooß bey Melk
geführet haben. Im Jahre 1629 wurde Sooß von den Tür-
ken so zerstöret, daß nur der Thurm, zwey Thore und vier
Häuser mit neun Bewohnern übrig blieben. Während andere
benachbarte Ortschaften, die gleiches Schicksal hatten, sich bis
jetzt vergrößerten, und ihren Wohlstand vermehrten, kann sich
Sooß kaum mehrerhohlen, woran freylich auch das magere Er-
tragniß ihrer Grundstücke, und der geringe Werth des hier er-
zeugten Weines mit Ursache seyn mag. Die Bewohner er-
nähren sich vom Verkaufe des Gemüses, von der Viehzucht,
vom Taglohne, von einigem Ackerbaue, und meisten Theils
vom Weinbaue. Mit Recht scheint vom Orte Sooß dasje-
nige anwendbar, was Schuttes in seinen Ausflügen nach
dem Schneeberge, I. Theil, S. 69 sagt: »Wenn ein unglück-
licher Geist der Duldung des harten Mangels sich ein Mahl
eines Dorfes bemächtigt hat, dann braucht es oft Jahrhun-
derte, bis ein kluger Gutsbesitzer, ein weiser Pfarrer, ein
thätiger Schulmeister in der Gemeinde das Gespenst ver--
£78
scheuchen, und glücklichere Zeiten auf sein Dörfchen und die
Gegend umher zurückführen kann.« — Ob Sooß, da es eine
Stadt soll gewesen seyn/ auch eine eigene Pfarre war, kann
nicht erwiesen werden. Daß aber schon vor einigen Jahrhun-
derten eine Kirche im Orte gestanden habe, ist gewiß; denn
in einer Urkunde des Stiftes Melk wird gesagt: daß am Tage
nach Johann Baptist i3u) der Abt Hermod und das
ganze Stift Klein-Mariazell als Grundherrschaft des Dorfes
Sooß bey Baden, auf Ansuchen des Abtes Ulrich vomMelk,
des Patrons der Pfarrkirche in Baden, wohin Sooß damahls
schon eingepfarrt war, auf alles Recht, welches das Stift
Klein-Mariazell auf den Grund hatte, worauf die Gemeinde
von Sooß zur Ehre Gottes, und der seligsten Jungfrau
Maria, und zu ihrem Seelenheile eine Capelle bauen wollte,
Verzicht leisteten; so wie auch auf das Recht über den Grund
der zum Freydhofe, und zum Genusse der Kirche (cimiterium
et dos ecclesiae) gewidmet werden sollte; und auch eben so
auf das Patronat über diese Capelle.
Damahls erwählte sich die Gemeinde, wie jene Urkunde
ausdrücklich sagt, die seligste Jungfrau zur Schulzpa-
tronin. Gegenwärtig ist die Kirche der heillgen Anna geweiht,
und auf dem Hochaltare befindet sich derselben Bildniß, aber
auch zugleich ein Marienbild; und ein Seitenaltar ist dem
leidenden Heilande geweiht. Seit undenklichen Zeiten war hier
ein B enef i c r u m der heiligen A n n a , dessen Stifter man
nicht kennt; es gehörten einige geringe Realitäten dazu, und
es wurde unter die alten landesfürstlichen Lehen gezählet. Aus
einer Urkunde des aufgelassenen Stiftes Klein-Mariazell er-
hellt, daß die Gemeinde zu Sooß- im Jahre 1871 sechs wöchent-
liche Messen, die der Pfarrer von Baden oder sein Caplan
lesen sollte, gestiftet, und der Bischof von Paffau diese Stif-
tung bestätiget habe. — Aus dem Visitations-Berichte über
Baden vom Jahre 1644 weiß man, daß der Pfarrer zu Ba-
den einen eigenen Caplan für Sooß zu erhalten hatte. Die-
ser Bericht lautet wörtlich: »Vor Jahren hat man ernen eige-
nen Caplan von Baden gehalten ; seither aber aus Mangel an
Priestern gehen sie nach Baden, und nehmen daselbst ihre
279
pfarrlichen Rechte.« Sooß war also eine Filiale von Baden,
und nur bisweilen kam ein Caplan hierher von Baden, urn hier
den Gottesdienst zu halten, und den Religionsunterricht in
der Kirche und Schule zu ertheilen. Im Jahre 1768 wurde
hier eine eigene Localie errichtet, und ein Bauernhaus zur
Wohnung des Pfarrers eingerichtet, der seine Besoldung vom
Reügionsfond, welcher das Patronats-Rechr hat, erhält. Die
Kirche ist mit einem ausgetrockneten Graben, und einer alten
Mauer umgeben, innerhalb welcher rings um die Kirche der
Lelchenhof ist; hier befindet sich das Grabmahl des Andreas
Klein, bürgerlichen Stück- und Glockengießers von Wien,
f 28. Junius 1786, der ein Wohlthäter dieser Kirche war,
welche keine besonderen Stiftungen oder Einkünfte hat. Der
Kirchthurm scheint der Bauart nach von höherem Alter zu seyn,
als die Kirche.
Unweit von Sooß ist im Gebirge das Schelm e nl och,
eine geräumige Berghöhle, "worin Bergmilch fließt; dahin
flüchteten sich die Bewohner von Sooß, als die Türken ihren
Ort zerstörten; sie wurden aber entdeckt, und mit Rauch er-
stickt. Den Nahmen erhielt die Höhle, weil sie öfters ein
Schlupfwinkel von Schelmen und Räubern war.
XVlll. Localie Sulz.
Ein Dorf, eine Stunde nördlich von Heiligenkreuz, eine
halbe Stunde südlich von Kaltenleutgeben, und eine halbe
Stunde westlich von Wildeck und Sittendorf. Die umherlie-
gende Waldung wurde schon im Jahre «188 dem Stifte Hei»
ligenkreuz vom Herzoge Leopold VI. dem Tugendhaften
geschenkt; welche Schenkung der Herzog F r i e d r i ch d e r Ka-
tholische, und Heinrich der Grausanie bestätigten.
Im Jahre 1233 wurde auch die ganze Oberherrschaft über
Sulz (villam) von Heinrich von Medling dem Stifte
geschenkt. Diese Schenkung wurde im Jahre ia36 vom Her-
zoge Friedrich II. bestätiget, welcher sich, laut der Urkunde,
der Worte bediente: Wegen den Verdiensten und Dienstlei-
stungen desAbtesEgilolf merita et servitia Ab-
s8o
batis Egilolfi). Seit jener Zeit blieb das Stift Heiligen-
kreuz Ortsherrschaft und Grundobrigkeit von Sulz. In pfarr-
l icher Hinsicht war dieser Ort mit seiner Umgebung anfangs
der Pfarre Al land, dann später der Pfarre Heiligen-
kreuz untergeordnet. Im Jahre 1788 wurde Sulz zu einer
Local-Caplaney gemacht/ und mit einemStiftsgeistlichen
von Heiligenkreuz, P. Engelbert Schwan, besetzt. Das
Stift Heillgenkreuz hat die Lehenvogtey und das Patronat;
daher ließ der Abt AtKerik den Pfarrhof sammt dem
Schulhause, und der Kirche zur seligstenJu ng fra u M ari a,
erbauen. Das Kirchfest allhier wird jährlich am Mariä Nah-
mensfeste gefeyert. Die Kirche hat aber weder Capitalien, noch
Stiftungen oder sonst besondere Einkünfte und Merkwürdig-
keiten. Der jeweilige Local-Caplan wird vom Stifte Heiligen-
kreuz, dessen Mitglied er ist, besoldet. Der Bezirk dieser Lo-
cal-Caplaney enthält in sich mehrere zerstreute Gemeinden, die
früher theils nach Heiligenkreuz, theils nach Sittendorf ein-
gepfarret waren, Im Jahre »788 waren folgende Gemeinden;
Von Heiligenkreuz:
1. Sulz, mit i3o Seelen.
2. Festleuthen, mit 33 Seelen.
8. Weglerjnn, mit 60 Seelen.
4. Stangau, mit 46 Seelen.
5. Vöglgraben, mit 33 Seelen.
Von Sittendorf wurden getrennt:
Franzenberg, mit 4 Seelen.
2. GstettnHäusl, mit 8 Seelen.
3, Lindenhof, mit 31 Seelen.
Folglich die Summe von 363 Seelen.
Im geistlichen Schematismus vom Jahre 1828 wird die
gesammte Seelenzahl 466 angegeben, und die größte Entfer-
nung eine Stunde. Die Bewohner ernähren sich vom Acker-
bau , Viehzucht, Taglohn, Holz - und Kalkhandel, und sind
alle der katholischen Religion zugethan. Die nach Heiligen-
kreuz eingepfarrte Gemeinde Gruberau ist wegen der ge-
ringeren Entfernung hierher eingeschult.
s8r
xix. Pfarre Tattendorf. '
6in Dorf, am Triestingflusse, welcher auch der kalte Gang
genannt wird, eine halbe Stunde westlich oberhalb Oberwal-
terstorf, und eine halbe Stunde östlich unterhalb Ginselstorf
und Teestorf.
Dieser Ort war vermuthlich ein Eigenthum der Lan-
desfürsten Oesterreichs aus dem Hause Babenberg; denn
er liegt in dem Bezirke, welchen Kaiser Heinrich II. dem
Markgrafen Heinrich I. schenkte. Im i2ten Jahrhunderte
kommt schon eine Familie vor, die sich von Tattendorf
benennt. Vielleicht gaben die Landesfürsten den Ort dieser an-
sehnlichen Familie zu Lehen, die hier wohnte, und sich den
Nahmen von dem Orte beylegte. In dem Klosterneuburger
Saalbuche erscheint schon im Jahrei»14 ein Alold vonTa-
tindorf, und um das Jahr n5o kommt ein Wichard
von Tatendorf vor. Doch konnte dieser nicht mehr im Be-
sitze deS Dorfes seyn; denn in der Bestätigungs-Urkunde, welche
Papst Eugen III. im Jahre 1146 dem Stifte Kloster-
neuburg über dessen Besitzungen ertheilte, wird Tattendorf
ausdrücklich unter denselben aufgezählet. Vermuthlich schenkte
der Stifter, Markgraf Leopold der Heilige, schon dieses
Dorf nach Klosterneuburg, da von einem späteren Erwerbe
keine Spur zu finden ist. Nebst dem Stifte Klosterneuburg
mögen auch noch andere Herren einige Rechte zu Tatten-
dorf besessen haben; im Jahre 1280 hatte Otto von Arn-
stein einen Streit mit dem Probste P abo von Klosterneu-
burg über den Voithaber zu Tattendorf; beyde Theile machten
einen Vergleich, vermöge welchem der Probst dem Arnsteiner
zwölf Schilling Wiener Pfennige zahlte; dieser aber dem
Stifte jenen Zehent zu Salmanstorf zurücksagte, den seine
Ehewirthin Elisabeth als ein Personal-Beneficium inne
hatte. Zu Anfang des i5ten Jahrhundertes erregten Stephan
von Hohenberg, und sein Bruder abermahls einen Streit
über den Vogrhaber, der nicht weniger als acht Metzen von
’ jedem Ganzlehen betrug- Herzog Albrechts, lud sie mehr-
262
mahlen vor sich; der Entscheidungstag wurde oft verschoben,
und endlich der Streit zum Vortheile des Stiftes entschieden.
In pfarrlicher Hinsicht gehörte Tattendorf zuerst in
den Pfarrbezirk Traiskirchen; es mag aber schon sehr früh
im Orte eine Capelle oder Kirche bestanden haben. Vielleicht
wurde auch beydem im Jahre ,3,2 zwischen Bischof Bern-
hard und dem Stifte Melk gemachten Vertrage, daß auf
jene Filialen der Pfarre.Traiskirchen, wo sich schon Kirchen
befanden , eigene Seelsorger gestellet werden sollten, auch
Tattendorf mit einem Priester versehen, da im folgenden
Jahrhunderte das Stift Melk das Patronat über Hattendorf
besaß.
Als der Weltpriester Mathias Schick die PfarreTrais-
küchen von dem Stifte Melk erhalten hatte, entstand zwischen
ihm und dem Stifte über das Patronat der Kirche zu Tatten-
dorf ein Streit, indem besagter Pfarrer vorgab, daß dieses
Patronat nicht dem Stifte, sondern dem Pfarrer zu Trais-
kirchen zustehe. Nachdem der Streit längere Zert vor dem Pas-
sauer Officiale zu Wien war geführt worden, unterwarfen
sich beyde Theile dem Ausspruche zweyer Schiedsrichter, die
dem Stifte sein alresRecht zuerkannten, und Brschof Georg
von Passau bekräftigte im Jahre 1412 diesen Ausspruch, Im
Visitations-Berichte vom Jahre ,644 kommt von Tattendorf
folgendes vor: »Thattendorf, eine Filiale von Traiskirchen.
Die Zechleute zeigen an, sie hätten seit 1529 keinen Pfarrer,
und hätten aus Unvermögen keinen sich verschaffen können.
Der Priester, der vormahls dagewesen, habe sich von der Kir-
che und derselben Gefälle erhalten müssen; ein anderes Ein-
kommen habe er nicht gehabt.« Worin aber dieses Einkom-
men bestanden, ist nicht bekannt. Später entstanden zwischey
den Stiften Melk und Klosterneuburg Streitigkeiten über die
Vogtey und Lehenschaft der Pfarre Tattendorf, und über ei-
nen kleinen in dieser Gegend liegenden Zehent; diese endigten
sich damit, daß Probst Balthasar Polzmann von Klo-
sterneuburg von dem Melker Abte Urban im Jahre ,585
das streitige Recht gegen eine billige Geldsumme einlösete.
Nun blieb Klosterneuburg lange Zeit im ruhigen Besitze
283
dieser Pfarre, und besetzte dieselbe bald mit Stiftsqeistlichen
bald Mit Weltpriestern. Dieses scheint Ursache gegeben zu ha-
ben, daß zu Anfang des vorigen Jahrhundertes zwischen dem
Stifte und dem Paffauer Officral ein Streit entstand; indem
letzterer behauptete, Larrendorf sey eine Secutar-Pfründe, und
muffe mit einem Weltvnester besetzt werden. Der Streit wurde
endlich dahin entschieden, daß das Srift diese Secular-Pfarre,
. welche als solche den gehörigen Lebensunterhalt ohnehin nicht
gewahre, mit Stiftsgeistlichen besetzen solle. Es ist übrigens
nicht zu zweifeln, obschon hierüber nichts aufgezeichnet ist,
daß der Ort Tattendorf mit den benachbarten Ortschaften glei-
ches trauriges Schicksal durch die Verwüstungen der Ungarn
und Türken erlitten habe. Die Pfarrkirche zu Maria im
Elende genannt, scheint durch die Türken zerstört, und
dann von Grund aus neu erbaut worden zu seyn; sie ist für
die Gemeinde, die nur 35o Seelen betragt, geräumig genug.
Auf dem Hochaltare steht das Bild der heiligsten Dreyei-
nigkeit; nebst dem hat die Kirche noch zwey Seitenaltäre,
aber keine Grabmähler oder sonstige Denkwürdigkeiten.
Unweit Tattendorf lag vormahls der Ort
Hadmanstorf,
welchen schon beyläufig im Jahre 1120 einer der weltlichen
Chorherren zu Klosterneuburg, derDlacon A dalb ert, von ei-
nein gewissen Adelbero, seiner Ehewirthin Rikgard und
ihrer Tochter, um i3 Mark erkaufte. Als dieser Adalbert
um das Jahr n33 eine Wallfahrt nach Jerusalem machte,
schenkte er dieses Gut der Stiftskirche zu Klosterneuburg, und
Papst Eugen HI. in seiner Bestätigungsbulle über die Be-
sitzungen des Stiftes im Jahre 1146, führt dieses Gut gleich
nach Tattendorf unter dem Nahmen Haäuart68 dorf an.
Von diesem Orte führte auch eine Familie den Nahmen. Im
Jahre »276 lebte ein Ritter Perchtold von Hadmar-
storf. Duellius nennt im Jahre i3oy und i3n einen
Dietmar, eben so nennt Hueber im Jahre 1812 einen
Conrad, undHanrhaler im Jahre 1469 einen Jörig
H a d m a n st 0 rfe r, welcher Vogt zu Hertenstein war. Im
Jahre 1282 stifte der Stiftsoberkellerer, Otto vonDiepold,
284
von Baden, feinet* Ehewirthitt Kunigunde und seiner
Tochter Reichkard und ihren Erben jene Wiesen zu Had-
warstorf, welche an dem Orte liegen, der zwischen den Gan-
gen heißt, um sechs Pfund Wienerpfennige; der Verkäufer
bedung sich dafür noch jährlich 18 Heufuhren. Im Jahre *447
stand der Ort noch; er rst aber wahrscheinlich in den Kriegen
unter Kaiser Friedrich IV. zu Grunde gegangen.
Es war hier auch eine Capelle, von der man nichts weiß,
als daß im Jahre 1446 ein sicherer Urban hier Capellan war,
und Probst Simon von Klosterneuburg bestätigte als
Grundherr die Stiftung der Messe daselbst.
Auf der Haide zwischen dem Triesting- und Leythafluffe,
unweit Tattendorf, stand auch der Ort
G e b e n d 0 r f.
Dieses Dorf schenkte schon im zwölften Jahrhunderte
Adalbert Struchse von Trauttmanstorff dem Stifte
Klosterneuburg. In den stistlichen Rentkammerbüchern wird
dieser Ort im fünfzehnten Jahrhunderte noch als bestehend an-
geführt; er ist entweder unter dem Kaiser Friedrich IV.,
oder durch die Türken im Jahre lösn aus der Zahl der Dörfer
vertilgt worden. Sonst ist von demselben nichts bekannt.
XX. Pfarre Traiskirchen.
Ein Markt, und dem Stifte Melk jetzt zugehöriges
Gut, eure Stunde östlich von Baden, mitten zwtfchen den Post--
Stationen Neudorf und Ginselstorf, mit i38 Häusern, und
beyläufig 1180 Bewohnern, die sich yon Handwerken, pom Tag-
lohne, und hauptsächlich vom Wein- und Feldbaue ernähren.
Den Nahmen erhielt der Ort wahrscheinlich von den dreyzehn,
oder, wie Andere wollen, dreyßig vormahls zur hiesigen Pfarre
gehörigen Filial-Kirchen. Derselbe entstand wahrscheinlich
bald nach dem Jahre 1002, in welchem der Markgraf Hein-
rich I. vom Kaiser Heinrich II. eine Strecke Landes zwi-
schen den Flüssen Liesig, Dürra und Triesting als Eigenthum
zum Geschenke erhielt. Gewiß ist, daß Traiskirchen dem L a m
285
desfürsten zugehörte, und schon vor der Mitte des zwölften
Zahrhunderres einen Theil der Apanage ausmachte, welche
der Nebenlinie des Babenbergischen Stammes in Oesterreich,
den Herzogen von Medling, angewiesen war. (Siehe
En n ek e ls Fürstenbuch.) In den Urkunden wird der Ort auch
Draiß-, Tr ah es-, Drehs-, Dreßkirchen und
Dreiskirchen geschrieben, und gewöhnlich auch Traust
kirchen genannt. Es gab auch eine adelige Familie, die
von diesem Orte ihren eigenen Nahtnen führte, und entweder
das ganze Gut als landesfürstliches Lehen besaß, oder wenig-
stens einen Freyhof hier inne hatte. Sie stammte von der Fa-
milie von Burchartsdorf (Burkerstorf) ab, wie man aus einem
Kaufbriefe vom Jahre 1217 weiß, worin Heinrich und
Otto von Purchartsdorf, und Heinrichs Söhne,
Chunrad und Berchtold von Dreß kirchen, vor-
kommen. (Siehe W iß grill, I. B. S. 26.) Schon früher,
nähmlich im Jahre n65, liefet man im Saalbuche des bayeri-
schen Stiftes Varnbach einen Oudelrich von Trahes-
chirchen, der diesem Stifte einen Weingarten im Orte Wie-
nenvourte (vermuthlich im heutigen Wienerstorf) übergab, wo-
ben Ulrich, der Sohn, und Wernhard, der Bruder des
obigen Ulrich, mit Routbert von Radune (Radaun),
und Heinrich von Modelanesdorf (Möllerstorf) als
Zeugen vorkommen. (Vide Cod. tradit. Formbac. in mo-
num. boic. Vol. IV. p. 78.) Im Jahre 1220 ist ein W i p-
poto vonDreskirchen Zeuge in einer Urkunde Herzogs
Heinrich von Medling an das Stift Melk. (Hueber,
S. i5.) Ein Ort0lph von Drehskirchen, deutscher
Ordens-Ritter, kommt als Zeuge vor in einer zu Haimburg
im Jahre 124c) ausgefertigten Urkunde, da die verwitwete
römische Königinn Margaretha ihre Erbgüter in Ertpurch
(Erdberg) dem deutschen Orden schenkte. Im Jahre 1260 fer-
tigte derselbe in Wiener - Neustadt, als Comthur des deutschen
Hauses zu Freysach, eine Urkunde aus, worin Herbord
von Dreschirchen, der Sohn des reichen angesehenen
Bürgers, Heinrich Vischel, zu Neustadt als Zeuge ge-
nannt wird- (D u'e 11 i u * bist. ord, Teuton, P. III. p. 54—
£86
78») Derselbe Ort 0 lph v 0 n D rehs ki r ch e n war tm
Jahre 1268 Land -Comthur von Oesterreich und Steyermark,
und trat als solcher die Capelle und ernen Hof zu Hietzing
gegen andere Besitzungen dem Stifte Klosterneuburg ab. (M a-
rrmil. Fische r, Urkundenbuch, S. 226—22g.) Er scheint
aber nur kurze Zeit Land-Comthur gewesen zu seyn, und wird
in dem Verzeichnisse der Land Comthuren des deutschen Ordens
in Oesterreich gar nicht« angeführt. Im Jahre 1269 erscheint
er bloß als Ortolph v 0 n D r e s ch ir che n. (Duetlius,
S. 80.) Er führte rm Siegel eine Taube, die einen Oehlzweig
im Schnabel tragt. (Duellius, S. »28. Nr. 4.). Im Jahre
1265 war er wieder Commendator des deutschen Hauses zu
Wien, und verkaufte um 70 Mark Silber, mit Erlaubniß
des General-Commendators in Oesterreich, dem Pfarrer von
Sanct Stephan in Wien einen Weingarten am Fuße des Ber-
ges Albrechtsreüt, oder gewöhnlich Peunt in Minerloch ge-
nannt, welchen der Pfarrer hernach dem Himmelpfortenkloster
schenkte. (Og esse r, Beschreibung der St. Stephanskirche,
Nachträge S. 38; undDuellius B. Hl. S. 4r*) Dieser
Orrolph ist noch merkwürdig durch die Standhaftigkeit, wo-
mit er die Burg Starhemberg, die der Herzog Friedrich
der Streitbare sammt seinen Schätzen und seinem Archive
den deutschen Rittern zur Bewachung anvertraut hatte, nach
des Herzogs Tode zwey Jahre lang gegen die noch zweifelhaf-
ten Erben schützte, und erst nach langem Widerstande im Jahre
1248 mit dem Schatze und dem kostbaren Hausgeräthe auslie-
ferte. (Chr011. Pernoldi. Hanthaler fasci Campil. j
und Rauch Österreich. Gesch. 3. B. S. 21.).
Die noch bekannten Glieder dieser Familie von Dreskir-
chen sind ferner im Jahre 1266: ein Heinrich (Non. boic.
Vol. IV. p. i56); int Jahre 1268 ein Urleug und Rim-
bert; und im Jahre 1294 Wern h a r d. (Link Annab
Austr, Claravall. T. I. p. 385 — 497*) Jahre 1280
erscheint auch ein Liuberius von Draiskirchen, wel-
cher auf den Besitz des Gutes Hurvenowe Anspruch machte,
welches Wülfing von Arnstein dem Stifte Heiligenkreuz
geschenkt hatte» Er erhielt zur Entschädigung vom Stifte zehn
287
Talente, ein Pferd und eine Kuh. Im Jahre 1298 ver-
glich sich Bernhard von Dreskirchen mieden Gebrü-
dern Conrad und M a r ch a r d von H y n d t b e r g we-
gen eines streitigen Gehölzes an dem Schwechatfluffe. (281 ß-
grill/ 1.23. 0.290.) Weil derselbe dem Stifte Lilienfeld
einen Weingarten zu Pfaffstätten, der Pottendorfer genannt,
um einen viel zu geringen Preis, und ohne Wissen seiner Kin-
der und Erben, verkauft hatte, so sprachen diese, nähmlich
seine Söhne, Heinrich der Priester, Dietwin und
Wernhard, und seine Tochter Margaretha mit ihrem
Gemahle, Pilgrin Urb et sch, nach längerer Zeit, als sie
zu reifen Jahren gelanget waren, aber noch bey Lebzeiten des
Vgters, ihr Recht auf diesen 2Veingarten an. Der Streit
wurde durch einen schiedsrichterlichen Ausspruch des Conrad
von Praitenfeld zu Wien im Jahre 1299 beygelegt, wo-
bey der Vater Wernhard von Dreschirchen mit seinem
Siegel als Zeuge erscheint. (H anthaler rec. <lipl. T. I.
S. 290, und T. II. 0. 296.). Bald darauf scheint diese Fa-
milie erloschen zu seyn.
Es waren aber auch andere adelige Familien zu Traiskir-
chen begütert. So gab im Jahre 118, Chunrad von G a-
dem dem Stifte Heiltgenkreuz ein Pfund Einkünfte in Dres-
chirchen. (Wißgrill, III. B. S. 202.)- Heinrich von
P r u n n e r schenkte demselben Stifte für seine Begräbnißstätte
daselbst einen Hof (praedium) in Drsiskirchen. Im Jahre
1826 kaufte der Abt Otto für das Stift Heiligenkreuz einen
Hof zu Draisklrchen, Waidthoff genannt. Im Jahre 1876
erhielt der Abr von Heiligenkreuz, Colmanl., von Mi«
chael von Wild eck einige Besitzungen allhier, und von
eben demselben der Abt Colomann II. im Jahre 1890 sechs
Talente und dreyßig Denar jährllcher Einkünfte. Im Jahre
»401 erlangte durch Tauschvertrag der Abt Nicolausl.
für das Stift Heiligenkreuz von P i l g r i n v 0 n P u e ch-
har mb einige Einkünfte, insbesondere ein öffentliches Bade-
hans allhier; derselbe machte auch mit der hiesigen Gemeinde
einen Vertrag wegen eines Hauses, das Tuchhaus genannt.
Im Jahre vertuschten die Brüder Johann und W-r
288
brecht von Eberftorf, an den Herzog A l b r e ch t von
Oesterreich einige ihrer väterlichen Güter und Gülten zu
Dreßkirchen, Gundramstorf, Gumpoldskirchen, Lachsendorf
'u.s. w., wofür ihnen der Herzog die Veste Prinzendorf im
V. U. M. B. und einige andere Besitzungen verlieh. (Wiß-
grill, II. B. S. 3oy.). Zu Anfange des sechzehnten Jahr-
hunderts hatte auch das Stift Sanct Dorothea in Wien emen
Geneidezehent zu Dreiskirchen, Möllerstorf und Triebwin-
kel. (Hueber, S. i52.)
In einer Urkunde des Stiftes Melk wird von Bernhard,
dem Richter zu Dreiskirchen, im Jahre i319 der Ort schon ein
Markt genannt, und scheint bey zunehmender Bevölkerung in
einem ziemlichen Wohlstände gewesen zu seyn. DieserWohlstand
wurde aber öfters durch traurige Ereignisse erschüttert. Wäh-
rend der unruhigen Regierung Friedrichs IV., und beson-
ders während des unseligen Bruderzwistes, hat das an der
Hauptstraße zwischen Wien und Neustadt gelegene Dreiskir-
chen gewiß nicht wenig gelitten. Im Jahre 146, wurde es von
Johann von R 0 h r b a ch zwar dem Kaiser unterworfen,
aber schon im folgenden Jahre von Albrechts unbezahlten
Soldaten, den so genannten ungarischen Brüdern, aus-
geplündert. (Hase lb ach, Chron. Aust. ap. Hier. Petz,
T. II. p. 946, und Fuggers Ehrenspiegel, S. 689 ad an-
num 14629 Eben so ward es im Jahre 1621 von den auf-
rührerischen Ungarn, und in den Jahren 1629und i683 von
den Türken geplündert und verwüstet. Im Jahre 1718 wü-
thete die Pest; von achtzig hier befindlichen Häusern wurden
achtzehn davon ergriffen, und vom 25. Julius bis 29. Otto-
her wurden sechs und vierzig Menschen weggerafft. Einen be-
deutenden Schaden erlitt der Ort auch durch die französi-
schen Invasionen in den Jahren i8o5 und 1809, obschon
derselbe von Mord, Brand und Plünderung verschont blieb-
Dadurch, daß im Jahre 1819 das k. k. Kreis amt 53. U.
W W., welches seit Kaiser Josephs II. Zelt hier war,
wieder nach Wien versetzt wurde, hat der Ort viel an Lebhaf-
tigkeit verloren, besonders da auch der bisher gewöhnliche
W 0 ch e n m a x 1t aufhörte. Gegenwärtig gehört der Markt
2Öt)
Traiskirchen dem Stifte Melk/ welches denselben am
18. December 17L2 von Nicolaus Grafen v 0 nStella
(welcher gleichfalls durch Kauf den 23. Julius 1749 zum Be-
sitze dieses Gutes kam) erkauft hatte. Es ist also irrig, wie
Einige behaupten wollen, daß das Stift Melk schon seit dem
Jahre i3n Traiskirchen als völliges Eigenthum besessen habe.
Wann, und von wem die hiesige Pfarrkirche zur
heiligen Margareth a erbaut wurde, ist nicht bekannt.
Noch vor dem Jahre 1080 hat sie der Bischof Sigilbert
consecrirt, welcher der Stellvertreter oder Weihbischof des von
seinem Sitze zu Passau vertriebenen Bischofs Alt mann ge-
wesen zu seyn scheint (H a n si tz Germania Sacra T. I. p. 267
und 294.). In der zweyten Dedieations-Urkunde dieser Kirche
vom Jahre 1120 wird von ihrer, schon vor mehr als 40 Jahren
von dem genannten Bischöfe erhaltenen Einweihung Meldung
gemacht. JmJahreiiiZ schenkte der Markgraf L eop old IV.
der Heilige diese Pfarre mit zwey Dritteln der Zehenten
dem Stifte Melk (Hueher, Sr 3o8.). Dieses berechtigt
zu der Vermuthung, daß dieselbe eine Stiftung der Markgra-
fen sey, weil sie das Patronat darüber besaßen, welches Leo-
pold IV. an das Stift Melk überließ. Sie hatte damahls
einen großen Umfang, und es sollen dreyzehn oder gar drey-
ßig Ortschaften Filiale der Pfarre Traiskirchen gewesen seyn.
Wirklich kennen wir die Ortschaften: Baden, Tribuswinkel,
Pfaffstätten, Trumau, Oberwalrerstorf/ Gainfahrn, Leober-
storf, Kottingbrunn, Salenau, Tattendorf, Moosbrunn und
Ebreichstorf, welche längere oder kürzere Zeit Traiskirchen als
ihre Mutterpfarre erkannten, und rechnet man hierzu jene ein-
gepfarrten Ortschaften, die keine Filial-Kirchen besassen, so
kann leicht die obige Anzahl herauskommen.
Die Pfarrkirche zu Traiskirchen mußte wegen vermehrter
Anzahl der Pfarrkinder bald vergrößert werden, und auf An-
suchen des Abtes Engelschalk von Melk wurde sie den
7. Januar 1120 von dem Diöcesan-Bischöfe, kk'lrich von
P a ss a u, mit drey Altären zur Ehre der heiligen Jungfrau
und Märtyrin Margaretha aufs Neue eingeweiht, und
zugleich wurden die Gränzen der Pfarre, wie dieselben vorn
2()0
Ursprünge an waren, angegeben und bestätiget; nähmlich r
Vom Steimntische (das heutige Steinabrückl) bis Piesinicke
(Piesting); von da abwärts nach Hadwartistorff (das bey TaL-
tendorf gelegene verödete Hadmanstorf), und Scranwat (Schra-
nkwand), Brunnen (Kottingbrunn), Gehen-Nuisidelen (Gram-
metneusiedl bey Moosbrunn (nicht aber/wie Hueber S. 245
meint, das Neusiedel an der Piesting, unweit Gutenstein), und
Velwen (Velm bey Myosbrunn). Aus dieser merkwürdigen Ur-
kunde wissen wir auch, daß damahls der dritte Theil der Pfarr-
zehenten dem Bischöfe von Paffau gehörte, mit Ausnahme des
Drittel-Weinzehents, den der Abt Engelschalk vom Bi-
schöfe um andere zerstreute Besitzungen eingetauscht hatte. (H ue-
ber, S. 6.)
Daß auch das aufgelöste Chorherren-Stift Sanct Pölten
einen Theil der Zehenten hier besaß, erfahren wir aus einer
Urkunde, wodurch Bischof Theobald v on Passau, auf
Vermittlung des Pfarr-Patrons, des Abtes von Melk, einen
Zehent-'Antheil dem Probste H e i m 0 zugesprochen hat. (Dnel-
iius excerpt. gen. hist, lib. I. p. 3o; et Maderna hist.
Canoniae Sanhyppoi. T. II. p. 62 u. 63.) Da dieser Heimo
vom Jahre 1188 bis 1197 Probst von Sanct Pölten war, und
der Bischof Theobald im May 1189 nach Palästina zog, wo
er auch seinen Tod fand (Han sitz, German. Sac. 1'. 1. p. 335),
so ist diese Urkunde entweder im Jahre 1186, oder zu 'Anfange
des Jahres 1189 ausgefertigt worden, da Conrad 1. Abt zu
Melk war.
Der erste bekannte Pfarrer von Traiskirchen, Her and,
kommt in den Stiftungsbriefen des Herzogs Heinrich Jaso-
mirgo tt für die Abtey zu den Schotten in Wien, im Jahre
n58 und 1161, unter den Zeugen gleich nach den Pröbsten
von Klosterneuburg und Münster, mit'dem Titel eines herzog-
lichen Cäpellans vor. (Bernard Petz Cod. dipl. hist,
epist. T I. p. 437; und H 0 r m a y r Geschichte von Wien,
1. B. 3. Heft, S. 20 u. 26.)
Im dreyzehnten Jahrhunderte entstanden öfters Streitigkeit
ten zwischen dem Stifte Melk und den hiesigen Pfarrern, die sich
weigerten, dem Stifte die jährlichen Gaben zu leisten, und die
291
Zehentrechte des Pfarr-Patrons beeinträchtigten. Als ein sol-
cher Pfarrer erscheint schon im Jahre 1216 allhier ein Ulrich.
^Hueber, S. i3). Die Sache kam sogar vor den römischen
Stuhl, und der Papst H on orius IH. trug im Jahre 1219
dem Abte von Kremsmünster und den Aebten von Sanct Flo-
rian und von A r d a k e r die Beylegung des Streites auf. Aber
ungeachtet dieses päpstlichen Befehles und der Schutzbullen,
wodurch der römische Stuhl dem Stifte alle Rechte und Besi-
tzungen , und insbesondere das Patronat der Pfarre Traiskir-
chen bestätigte, in den Jahren 1226 und 1282; ungeachtet
Papst Gregor IX. im Jahre 1288 dem Abte von Admont
aufs Neue die Untersuchung dieser Angelegenheit auftrug, so
wurde dieselbe doch erst im Jahre 1297 durch zwey Bullen des
Papstes B 0 nifaz VIII. zu Gunsten des Stiftes zu Ende ge-
bracht. 'Auch der Herzog Heinrich von Medling hatte
dem Stifte einen Theil der Einkünfte von der Pfarre Traiskir-
chen entzogen; aber er erkannte bald sein Unrecht, schob die
Schuld davon auf seine Dienstleute, und in einer zu Gumpolds-
kirchen im I. 1220 hierüber ausgefertigten Urkunde bezeugte
er feyerlich, daß der Zehent von einigen Weingärten auf dem
Berge bey Salenau unbezweifelt der Pfarre Dreiskirchen zu-
stehe. (Hueber, S. i5.)
In der Zwischenzeit scheint das Stift Melk einige Zeit die
Pfarre nur Pfarrverwesern zur Verwaltung übergeben zu ha-
ben ; denn im Jahre 1268 erscheint in einer Urkunde ein
Plebanus von Paden, und einVicarius vonDrais-
k i r ch e n. (H u e b e r, S. 24.).
Einen frommen, allgemein geachteten, sehr thätigen Pfar-
rer hatte Traiskirchen an Gerlach, der im Jahre 1267 den
beynahe achtzigjährigen Prozeß seiner Vorfahren mit demStifte
Melk beendigte. (Hueber, S. 3i.).
Als der Bischof von Passau, Bernhard, den 22. April
i3oi zu Sanct Pölten auf einer Diöcesansynode eine Visita-
tion aller Ordenshäuser der Benedictiner und Augustiner in
Oesterreich unter der Enns beschlossen hatte, ernannte er zu
Visitatoren die 'Aebte von Engelhardszell, Sanct Florian und
Sanct Pölten, und Gerlach, den Pfarrer von Dreiskirchen,
2g2
der auch Capellan der römischen Königin E l isabeth, der
Gemahlin Albrechts I., und Töchter Meinhards, Gra-
fen vonTyrol, geworden war. (laderna hist. can. San-
hipp. T. I. p. 2o5. — Fischers Urkundenbuch, S. 3i8.).
Ein treuer Verweser der ihm anvertrauten Pfarre, ver-
mehrte Gerl ach ihre Grundstücke im Jahre i3o4 durch An-
kauf des so genannten Pfaffenwaldes bey Pfaffstä'tten, und
der Tratwiese bey Möllerstorf im I. i3o5 (Hueber, S. 35).
Gegen Ende seines Lebens nahmen aber auch andere Sorgen
und Geschäfte seine Thätigkeit in Anspruch. Im Jahre i3i3
hatte Herzog Friedrich v o n O e st e r r e i ch angefangen, die
Carthause Mauerbach zu stiften; er wurde aber den it). Octo-
ber i3»4 von einem Theile der Churfürsten zum deutschen Kai-
ser erwählet. Da nun die Reichsgeschäfte Friedrichen an
der nöthigen Sorge für diese seine Stiftung hinderten, so
übergab er dieselbe der besondern Aufsicht seirres geistlichen Ra-
thes, Gerlach, des Pfarrers zu Traiskirchen, der auch das
fromme Werk mit solchem Elfer betrieb, daß die Carrhause
schon den 17. März 1817 konnte geweiht werden. Gerlach
fügte aus eigenen Mitteln ein kleines, von dem größeren ge-
trenntes Convent von sieben Religiösen hinzu, welches mit
der Kirche zu unserer lieben Frau am Fischteiche den 1. Ju-
nius i317 die feierliche Einweihung, und dann zugleich mit
dem größeren Convente vom Kaiser Friedrich, so wie vom
Paffauer Dom - Capitel, und im Jahre i3i8 vom Papste die
Bestätigung erhielt, aber später vom Herzoge Albrecht IL
mit dem größeren Convente vereinigt wurde. Nachdem G e r-
lach die Freude genossen hatte, sein frommes Werk vollendet
zu sehen, starb er den 17. May i3i8, und wurde im Chore
zu Mauerbach begraben, wo bis zur Aufhebung des Stiftes
sein Andenken jährlich mit Gebethen und einer Spende an die
Armen gefeyert wurde. (6 r e lyi e r hist. Maurbac. apüct
Hier. Petz, T. II.; und kirchl. Topogr. 1. B. 2. Abthl.
S. 49.).
Indessen gaben die durch den Drang der Zeitumstände im-
mer größer gewordenen Bedürfnisse und Auslagen Veranlas-
sung, daß schon in den Jahren *998 und i3o8 Bern ha rd,
21)3
Bischof von Paffau, dem Stifte Melk den ganzen Fruchtge-
nuß von allen stiftlichen Patronats-Pfarren gestattete; um
aber für immer eine ergiebige Quelle zu öffnen, überließ er im
Jahre i3n auch jenes Drittel von den Zehenten der Pfarre
Dreiskirchen, das bisher dem Bischöfe, oder eigentlich dem
Pfarrer gehört hatte, nach dem Abtreten oder Ableben des
Pfarrers G e r l a ch ad mensarn et praebendam abba-
tis, Zugleich wurde genau bestimmt, welche Einkünfte die
Pfarrgeistlichkeit künftig zu genießen, und avas die Rectoren
der Filialkirchen Baden, Gainfahrn, Leobersdorf, Salenau,
Ebreichsdorf und Oberwalterstorf dem Stifte jährlich zu bezah-
len haben. Davon sind vier Urkunden vom Jahre i3n und
1312, theils beyHueber S. 42 u.44/ theils noch ungedruckt
vorhanden. Hierzu hat sehr vieles die Verwendung des Landes-
fürsten, Friedrichs des Schönen, beygetragen. Diese
vollkommene Einverleibung der Pfarre wurde auf Ansuchen
des Paffauer Dom-Capitels im Jahre i3i6 vom Papste I 0-
hannXXII. bestätigt, und im Jahre i3i^ vom Dom-Capi-
tel zu Passau ratificirt. (Hueber, S. 64.)
Gerlachs Nachfolger in der Pfarre Traiskirchen hieß
H a u g oder Hugo, und ist aus mehreren Urkunden bekannt;
z. B. aus einer Jahrtagsstiftung vom Jahre i3iy (H ueber
S°56), und einer im Jahre i3si an das Stift Heiligen-
kreuz gemachten Schenkung eines Weingartens zu Enzerstorf,
Plinte genannt. Im August 1327 war er noch hier Pfarrer
(D ue llius hist. ord. Teut. T. III. p. (34), aber im
nähmlichen Jahre kommt schon ein Pfarrer Wernhard
vor, der einige Güter seiner Kirche an das Stift Lilienfeld
vertauschte, weil sich aber sein Nachfolger, Gerlochus,
beklagte, daß die Kirche dadurch Schaden leide, so wurde im
Jahre 1329 der vorige Contract aufgehoben, und vom Stifte
ein größerer Ersatz geleistet. (Hanthaler, ree. dipl. T. I.
p. 73 , und fast. Cainpil. T. II. P. I. p. 243.)
Im Jahre i334 brachen neue Streitigkeiten aus, indem
die an den Patronats-Pfarren des Stiftes Melk befindlichen
Weltpriester, darunter auch der Pfarrer von Traiskirchen war,
die Entrichtung der gewöhnlichen jährlichen Leistlingen verwes?
2Y4
gerten. Im Jahre >338 wurde dieser Streit zum Vortheile
des Stiftes entschieden. Um ähnlichen Vorfällen für die Zu-
kunft vorzubeugen, forderte nun das Stift von jedem neuen
Pfarrer einen Revers, daß er die Gerechtsamen desselben nicht
beeinträchtigen, und keine Streitigkeiten anfangen, sondern
mit den ihm angewiesenen Einkünften jederzeit zufrieden sey»
wolle. Die ältesten solcher Reverse sind vom Jahre »342, des
Leopold von Sachsengang, welcher vorher Pfarrer zu
Guntramstorf wgr; und vom Jahre >35«), von des obigen
Nachfolger, »dem ehrbaren Priester, Meister Ni kla, Purkh-
arzt (Burgaxzt) des Herzogs Rudolph TV., und vorher
Pfarrer zu Hedrenstorf (Haderstorf am Kamp). (Huber,
S. 78. 85.)
Aller dieser Vorsorge ungeachtet wurden die friedlichen
Verhältnisse zwischen dem Stifte und den hiesigen Pfarrern
wieder gestört, als der Pfarrer Mathias Schick sich das
Patronats-Recht über die Kirche zu Tattendorf anmaßte.
Nachdem der Streit einige Zeit vor dem Passauer-Officialen zu
Wien war geführet worden; so unterwarfen sich beyde Theile
dem Ausspruche von zwey Schiedsmännern, durch welchen
dem Stifte sein altes Recht zuerkannt, und vom Bischöfe
Georg von Paffau im Jahre >4>2 bestätiget wurde. (Hue-
b e r S. 98.)
Diese Pfründe muß noch immer ansehnlich und einträglich
gewesen seyn, da angesehene Geistliche sich um dieselbe bewar-
ben. So z. B. finden wir im Jahre >3>)3 einen Johann
von Melk, der auch Pfarrer zu Neustadt war, daselbst zwey
Jahrtage stiftete, und verordnete, daß die heilige Wegzehrung
zu den Kranken von vier Knaben in Chorröcken und mit La-
ternen begleitet werden sollte. (Gleich, Gesch. von W. Neu-
stadt S. 194.) Im Jahre >482 und >484 war hier Pfarrer
Meister Peter von Pirchenwart, Lehrer der heiligen
Schrift. (H u e b e r S. > 08.)
Daß zur hiesigen Pfarrkirche der heiligen Margareth
auch mehrere einfache Beneficien gestiftet waren, ist aus
Urkunden erwiesen. In einem handschriftlichen Verzeichnisse
aller Beneficien des Passauer BisthumS in Oesterreich vom
2 HZ
Jahre 1476 kommt folgende Stelle vor: »Nova missä in
Dreskirchen. Altare. S. M artini ibidem* Altare (ohne
Nahmen) I>rirni88ariu8 ibidem.« (Das ist der Frühmeßleser).
Zugleich wird das Patronat über alle diese Beneficien dem
Pfarrer (plebanus) daselbst zugeschrieben. (H or m ay er Gesch.
von Wien, I. Bd. 3. Heft, S. 66). Im Jahre 1466 resig-
nirte Nic 0 laus, Rector des Sanct Martins-Altares seine
Pfründe, welche Georg Fabri erhielt. (Hueber, S. *36
und 85).
Allein die Drangsale des Vaterlandes, besonders der
feindliche Einfall der Türken im Jahre 1629, welche die
Kirchen Verwüsteten, und die Priester zur Flucht nöthigten,
spater aber der durch die Verbreitung der Reformation ent-
standene Mangel an tauglichen katholischen Priestern, hatten
nicht nur den Untergang dieser ohnehin gering dotirten Pfrün-
den herbeygeführet, sondern auch die Pfarre selbst in die trau-
rigsten Umstände versetzt. Das Stift Melk mußte dieselbe
bald mit Weltpriestern, bald mit Ordensgeistlichen besetzen;
auch wurde der große Pfarrbezirk in mehrere Pfarren auf?
gelöset. So z. 83. wurde im Jahre i538 Pfaffstätten,
und im Jahre i588 Trumau von der Mutterkirche Trais-
kirchen getrennt, und zur eigenen Pfarre gemacht.
Ein zwischen dem Bisthume Passau, und dem Abte Rai-
ner von Melk durch Vermittlung des Cardinals Caraffa
im Jahre i635 geschlossener Vertrag verfügte zwar wieder die
Besetzung der Stiftspfarren durch Weltpriester, und bestimmte
das Verhältniß der letzteren zum Bischöfe sowohl als zmy
Stifte; allein ein neues Unglück drohte, die besten Absichten,
die weisesten Maßregeln zu vereiteln. Im Jahre i683 ver-
brannten die Türken die Kirche und den Pfarrhof, und nur
mit Mühe konnten die Geistlichen sich, Und die erst im Jahre
»662 von dem Pfarrer Johann Holscher errichtetenPfarr-
Protokolle retten. Die Pfarreinkünfte litten aufs neue großen
Schaden, und der Pfarrer Andreas Bügler versah üy
Jahre i665 zugleich die Pfarren Traiskirchen und Baden.
Der Abt von Melk, Gregor Müller, stellte die Kirche
und das Pfarrhaus gleich nach dem Abzüge der Türken wie-
21)6
der her. Im Jahre *6y3 schloß das Stift Melk mit dem Bis-
thume Passau einen Vertrag, wodurch ersteres nebst anderen
wichtigen Vortheilen, zum ungestörten und unbeschrankten
Genusse aller aus der vollkommenen Einverleibung hervorge-
henden Rechte bey dieser Pfarre gelangte. Bey dieser Gele-
genheit wurde aber das Patronat über die Pfarre Baden, und
die Kirchen zu Pfaffstätten (die in der Urkunde unrichtig eine Fi-
liale von Baden genannt wird, da das Stift Heiligenkreuz
noch immer das Patronats-Recht derselben seit dem Jahre
i538 hatte) und Sooß, mit den dazu gehörigen Getreidze-
henten in Baden und Sooß, die bisher dem Stifte einver-
leibt waren, aber aus besonderer Vergünstigung dem Pfarrer
von Baden zu seinem besseren Lebensunterhalte überlassen wur-
den, dem Bisthume Passau abgetreten. — Nach dem Tode
des Pfarrers Ferdinand Leeb, im Jahre 1718, übte das
Stift Melk, das ihm durch jenen Vertrag zuerkannte Recht
aus, indem es einen aus seinen Mitgliedern, Dam i a n Za-
cherl, hier als Pfarrer anstellte. Mit ihm beginnt die unun-
terbrochene Reihe der hiesigen Pfarrer, die bis jetzt alle Be-
nedictiner-Ordenspriester vom Stifte Melk gewesen sind. Aus
ihnen verdienen vorzügliche Erwähnung: Thomas Pauer
und Isidor Payrhueber, welche beyde zuletzt die äbt-
liche Würde in ihrem Stifte mitRuhme bekleidet haben; und
Colomann Harfner, der als fürsterzbischöslicher Consi-
storial-Rath, Dechant und Schuldistricts-Aufseher des Bad-
ner Decanates im Jahre 1812 gestorben ist.
Die durch ihr 'Alter baufällig gewordene Kirche hatte zwar
schon durch den Abt Thomas Pauer einen neuen Thurm
und manche Verschönerungen erhalten; aber die heutige schöne
Gestalt gab ihr der Abt Urban Hauer, der Nachfolger des
eben genannten; er ließ sie durch den Baumeister in Wien,
Mathias Gerl, vom Grunde aus neu erbauen, und nur
die beybehaltenen starken Pfeiler an den Seitenwänden erin-
nern von Außen daran, daß manche Stürme der Zeit und der
Elemente an diesem Gotteshause vorübergegangen sind. Der
Bau begann schon im Jahre 1764; aber erst den 12. Junius
*774 wurde dieft^neue Kirche mit allen Altären durch bey
2 97
Cardinal Fürsterzbischof von Wien, Christoph Grafen von
Migazzi, auf Ansuchen des Abtes von Melk feyerlich <on-
secrirt.
Diese Kirche liegt an dem nordöstlichen Ende des Marktes
neben der Landstraße, und ist, so wie der Pfarrhof und das
Schulhaus, mit einer Mauer und einem breiten Wassergraben
um'geben, der aber jetzt größten Theils ausgetrocknet, und in
einen Garten umgestaltet worden ist. Man gelangt über eine
steinerne Brücke durch ein gemeinschaftliches Thor in den in-
neren Hofraum, der die genannten drey Gebäude in sich ent-
halt. Dre Kirche ist schön, licht und geräumig, und hat fünf
Altäre, wovon der Hochaltar der heiligen Margareth, und
die vier Seitenaltäre der heil. Jungfrau Maria, dem heil.
Sebastian, der heiligen Anna, und dem heiligen Evan-
gelisten Johann geweihet sind. Der Thurm hat im Jahre
1812 eine neue Dachung von Kupfer erhalten. In der Kirche
und auf dem ehemahligen sie umgebenden Leichenhofe sind ei-
nige merkwürdige Grab mähler, z. B. des im Jahre 1809
verstorbenen Abtes I sid 0r P ayr hub e r, und des berühm-
ten im Jahre 1766 verstorbenen Arztes Störk.
Das S ch u l h a u s steht rechter Hand, dem Eingänge zum
Pfarrhofe gegenüber, so daß im Hofe, beynahe mitten zwi-
schen beyden die Fronte der Kirche ist. Ueber die Entstehung
der hiesigen Schule ist nichts bekannt.
Der Pfarrhof, der durch seine ansehnliche Bauart dem
Orte zur Zierde gereicht, stand schon im Jahre i3n auf die-
sem Platze, und wurde damahls »novra clomus in coemete-
rio« (das neue Haus auf dem Freydhofe) genannt. Er bekam
durch die Aebte Bert hold Dietmayr, zu Anfange des
vorigen Jahrhundertes, und Urban Hauer die jetzige Ge-
stalt. Die Pfarre ist auf ein Grundbuch, auf Grundstücke und
.Zehenten fundirt, wovon größten Theils das Stift Melk den
Fruchtgenuß hat. Der Pfarrer bezieht einen fixen Gehalt und
Deputate. Es wird vom Stifte auch ein Cooperator hier er-
halten.
Auf dem Hauptplatze des Marktes steht die kleine B e n e-
f ic i a te n - K i r ch e zürn heiligen Nicola u s,, über deren
sy6
Entstehung und Schicksale nichts bekannt ist. Gegenwärtig ge-
nießt dieses einfache Beneficium ein Weltpriester, der eine
freye Wohnung genießt, die an die Kirche angebaut ist; sonst
aber wenige Einkünfte hat. Er hat die Verpflichtung, an
Sonn - und Feyertagen in dieser Kirche Messe zu lesen.
Auf diesem Platze steht auch eine schöne Dreyfaltig-
keits-Säule, die das Andenken der Pest vom Jahre 1713
der Nachwelt erhalten soll. Sie wurde im Jahre 1822 reno-
virt, und zur Feyer ihrer hundertjährigen Bestehung ein feyer-
liches Dankamt gehalten.
Zur Versorgung der Ortsarmen ist hier ein eigenes Ar-
menhaus der Gemeinde gehörig, worauf jedoch keine Stif-
tung besteht.
Zur Pfarre Traiskirchen gehören jetzt noch die Filialen
Möllerstorf und Wienerstorf.
Erste Filiale: Möllerstorf.
Ein Dorf, eine halbe Stunde östlich von Traiskirchen,
der Herrschaft Neud orf gehörig, mit einem Schloss e, das jetzt
zu einem Militärspital und einer Caserne verwendet wird. Schon
im Jahre 1164, als Herzog Heinrich v on Medling das
Gut Siegenfeld erkaufte, gab er dafür ein Lehen (mansus)
zu Modelanstorf. Eine alte adelige Familie hatte von
diesem Orte ihren Nahmen. Im Jahre wird ein Arbo
von Modelansdorf, im Jahre 1174 ein Meinhard
von Mali nsd 0 rf, im Klosterneuburger Saalbuche, und
im Jahre 1168 ein Liupolt von Molenstorf in »einer
Urkunde des Stiftes Klosterneuburg als Zeuge gelesen. (Max.
Fischer Urkundenbuch, S. 55. 74. ,52.).
Im Jahre i170 schenkte Ge rb i rg h i s, eine Tochter der
Chunigunde von Modelanstorf, dem Stifte Kloster-
neuburg drey Lehen in Rezbach. (Cod. trad. Claustroneo
bürg., bey Wißg rill, I. Bd. S. i54). In einer Urkunde
des Stiftes Zwettl vom Jahre 1171 kommt ein Boto von
Malenstorf vor (Link Axmal. Aust. Claraval. T. I.
p. rt)2.); imVarmbacherSaalbuche LmJahrerr65 ein Hein-
2Yl)
v iel; von Mvdelanesdorf; und im Jahre n()6 ein Hu-
go von M o l a n st o r f. (lonum. boie. T. IV. p. 78. 67.).
Im Jahre 1200 schenkte dieser Hugo von Molanstorf
dem Stifte Heiligenkreuz ein Haus (curtem) zuPfaffstätteri.
Zwischen den Jahren 1194 und 1196 vertauschte ein H e i n-
rich von Maleistors zwey Lehen in Maustränk gegen
zwey andere Lehen daselbst an das Stift Klosterneuburg (Max.
Fischer, S. 90). Adaukta, die Mutter dieses Heinrich
von Molaistorf, liegt im Stifte Heiligenkreuz begraben,
und schenkte demselben ein Haus (praedium) in Allolthstey.
Zm Jahre 1208 ist Liupold von Moulanstorf Zeuge
in einer Urkunde, worin Herzog Leopold VH. (der Glor-
reiche) dem Stifte Heiligenkreuz einen Wald schenkte. Dieser
Leopold von Molan storf bekleidete die Schenkenwürde
bey den Herzogen von Oesterreich, und kommt daher häufig
zwischen den Jahren n83 und 1216 in den Urkunden der
österreichischen Herzoge an die Stifte Heiligenkreuz, Zwettl,
Lilienfeld, Garsten, Melk, theils allein, manchmahl bloß
unter dem Nahmen: Liupoldus Pincerna noster; theils mit
seinem Bruder Hugo vor. (Link, Bernard Petz, Han-
thaler, Wendtenrhal). Ein Hugo von M oll an stör f
tauschte im Jahre 1286 einige bey seinem Schlosse gelegene
Wiesen ein, wofür er dem Stifte Klosterneuburg andere Be-
sitzungen zu Pfaffstätten gab. (Mar Fischer, S. 194).
Im Jahre 1260 sind Hugo yonMollanstorf und sein
Sohn Rüger, Zeugen bey einer Schenkung Heinrichs
von Seeveld und Albero's von Feldsberg an das
Stift Lilienfeld. (H ant Haler ree. äipl. T. II. p. 117.)
Noch im Jahre 1298 wurde der Ort M o llans d orf geschrie-
ben. (Hueber, S. 262). Weitere Nachrichten über obige
Familie, und ihre Nachfolger im Besitze dieses Ortes, man-
geln gänzlich. H anthaler (ree. äipl. T. I. p. 316) macht
Meldung von einem Kaufbriefe, gegeben: zu »Molesdorff
am Sunnetag ze mitte Vasten 1882« worin O et klein
Furgel, und seine Hausfrau Margret, dem Stifte
Lilienfeld einen Hof, eine Mühle und mehrere Zugehörungen
in Mölsdorf verkauften. Im Jahre 1628 hat Markus
« 3oo
Beckh von Leopoldsdorf verschiedene Gülten und öde Güter
zu Ober- und Niederlaa, Neusiedel und Möllersdorf zu sei-
nem Sitze Leopoldsdorf gekauft. (Wisgrill I. Bd. S.26.)
Im Jahre 1607 vertauschten Helena, die Witwe des Georg
Federte von Triebeswinkel, und ihr Sohn G e 0 rg
Federt einige Unterthanen zu Möllerstorf an H an n s Chri-
stoph von Woltzogen zu Gutenbrunn und Neuhaus.
(Wisgrill ILI. B. S.'sb.)
Gegen Ende des 17*™ Jahrhundertes besaß das Schloß
Herzog Carl v 0 n L othri ng e n, der Großvater des römisch
deutschen Kaisers Franz L, dem Wien im Jahre i683 seine
Befreyung von der türkischen Belagerung, und die Berge der
hiesigen Nachbarschaft ihre Burgunderreben verdanken.
Aegyd Anton,^ Freyherr von Königsacker auf
Neuhaus, und Herr zu Friedau in Steyermark, hat Neudorf
und Möllerstorf vom Obersten R u m e l gekauft, und ist im Jah-
re 1686 unter die Nieder-Oesterreichischen neuen Herrenstands-
Geschlechrer aufgenommen worden. Im Jahre 1706 wurde er
kaiserlicher Kämmerer, und der ver»virtweten Kaiserin Eleo-
nora oberster Silberkämmerer. Seine Gemahlin war Ro-
sa munda Francisca, geborne Freyin von Schlezer.
Diese hat noch im Jahre 1722 als Wittwe den Ort Möllerstorf
besessen. (H ueber S. 262.) Kurz vor dem Jahre 1722 hat
der Graf Ph i l ipp i hier einen Sommer-Pallast (das heutige
Schloß) erbaut, und dabey einen ziemlich großen Garten an-
gelegt (Hueber 1. c.), den er noch im Jahre 1740 besaß.
Der Ort hat jetzt bey 264 Einwohner, die sich vom Taglohne
und 'Ackerbaue ernähren. Im Jahre 1718 hatte der Ort 28
Häuser, und in 4 derselben starben 16 Menschen an der Pest.
Der Ort war von jeher nach Traiskirchen eingepfarrt, und
hat keine Capelle, wohl aber eine eigene Schule, deren Ent-
stehung nicht bekannt ist. Der hier gewesene k. k. Holzrechen
am Schwechatfluffe oder Aubache, wurde im Jahre 1806 in
das Helenenthal bey Baden versetzt.
Zweyte Filiale: Wienerödorf.
Ein mit der Herrschaft Tribuswinkel vereinigtes Gut/ wnb
a\\'$ 42 Hausern mit beyläufig 200 Einwohnern bestehendes
Dorf/ mit einem großen Brauhause und einer Mühte am
Badner Mühlbache, zwischen Tribuswinkel und Traiskirchen
gelegen, von jedem eine Viertelstunde entfernt. Hierher ge-
hört auch ein zwischen Wienerstorf und Traiskirchen gelegener
Frey Hof, gewöhnlich die Grümnühle genannt, und eine be-
deutende Fabrik, nähmlich die vormahls dem Fürsten A d am
Auersperg, später dem Herrn von Po körn y gehörige
Seidenflor-Fabrik, die aber seit dem Jahre 1816 durch
die Besitzer, Neu ff er und W reden aus Wien, in eine
Seidenband-Fabrik verwandelt worden rst, welche alle Gat-
tungen von Seidenbändern auf Stühlen, die durch Wasserkraft
getneben werden, erzeugt.
Der Ort Wienersdorf ist schon alt, und kommt in den
Urkunden uUter verschiedenen Nahmen vor. Im Jahre 128-/
erhielt Sighard, Abt zu Heiligenkreuz, von Wichard
von Tribanswinkhel eine Mühle zu Windisdorf. Im
Jahre i3oo wurde Liup 0 ld von Witten storff auf der
Jagd mit einem Pfeile verwundet, und dann zur Heilung in
das Hospital nach Heiligenkreuz gebracht. Er schenkte diesem
Stifte durch seinen Söhn Heinrich, und seinen Bruder,
Engelbert von Paden, einen Weingarten bey Baden.
In den Jahren 1826 und 1,846 kommt bey Han that er
(uee. dipl. T. II. p. 35c)) und Hueber und D u e l l i u s,
ein Heinrich von Win dorf vor, der vermuthlich der
Sohn des obigen Liupold ist, und im Jahre i36o als schon
verstorben erwähnt wird. Im Jahre 1472 kommt noch ein
edler Herr, Wolfgang Windorfer, als Zeuge vor; es
ist aber ungewiß, ob er aus obiger Familie abstammte, oder
Besitzer dieses Ortes war. In den Sterbe-Registern von Lilien-
feld und Sanct Pölten (H anth ale r, 1. c. und Duellius
excerpt. gen. hist. lib. I.) liefet man am i3. Junius
»Joannes de Wi 11 sdorf, sacerdos et raonacbus in
Campo liliorivm.« Der Ort Wittdissend 0 rf, in welchem
302
die Markgräfin Agnes schon im Jahre 1117 dem Stifte Klo-
sterneuburg zwey Besitzungen schenkte (Mar'. Fischers Ur-
kundenbuch/ S. 20), ist wahrscheinlich dieses unser heutiges
Wienersdorf oder Wienerstorf. Eben so scheint das im Jahre
1872 vorkommende Winzdorf kein anderer Ort zu seyn;
obschon einige das Windorf oder Winddorf im V. U. M. B.,
in der Gegend von Meissau, jedoch ohne hinreichenden Grund/
dafür halten. Im Jahre 1644 verkaufte der Abt Sigis-
mund zu Heiligenkreuz an Ger wich Auer von Herren-
kirchen die Besitzungen dieses Stiftes zu Windischdorf.
Im Jahre 1.S97 besaß Hanns Tschauitl das Gut Wirr-
te r sd orf, oder wenigstens einen Theil davon, und der Ort
gehörte damahls zum Landgerichte Rauhenstein (VVUrberi
eonsuetud. Austr. p. 384). Den 4. Januar 1607
Hanns Friedrich S, i es mann von Kiel mannsegg
bey den Nieder-Oesterreichisch-- ständisch Verordneten um einen
Steuernachlaß wegen seiner bey dem letzthinigen Einfalle durch
die ungarischen Rebellen ruinirten Unterthanen zu Wiener-
storf im V. U. W. W. Im Jahre 1628 kaufte Abt Chri-
stoph v 0 n Heiligenkreuz um 6848 Gulden das Herr-
schaftshaus (domum nobilem) mit acht Unterthanen zuWin-
d ischd o r ff, und setzte vom Jahre »628 bis 1684 Stiftsgeist-
liche als Wirthschaftsverwalter hierher, die in der Handschrift
Corona officialium Sanctae Crucis nahmentlich angegeben
werden. Im Jahre 1676 verkaufte Abt Clemens die hiesigen
Besitzungen des Stiftes Heiligenkreuz an den Besitzer der Herr-
schaft Tribuswinkl, Franz Wa'gele, und vertauschte die
Pantaithung (Oberherrlichkeit, Grundobrigkeit) von Windisch-
dorf für die Landgerichtsbarkeit (jus sanguinis) in Trum au,
Minchendorf und Pfaffstatten, welche dieses Stift noch bis
jetzt besitzt. Seit dem blieb auch das Gut Wienersdorf gänzlich
mit der Herrschaft TribusWinkel vereinigt. Der Ort war
von jeher nach Traiskirchen eingepfarrt, und hat weder eine
eigene Capelle noch Schule.
3o3
XXI. Pfarre Lribuswinkel.
Ein Dorf/ in den alten Urkunden Triebams winkh ele,
und Triebes winckhl genannt, mit einem hübschen herr-
schaftlichen Schlosse, sammt einem dazu gehörigen ansehn-
lichen Meierhofe, und großen Zier-, Frucht- und Obstgarten^
An dem Schwechatfluffe, oder so genannten Badner Mühlbache,
liegen drey Mühlen, und eine Viertelstunde südöstlich, außer-
halb des Ortes gegen Oeyenhaüsen, liegt eine große Herrschaft
liche Schä'ferey, die nebst einigen entfernteren dießseitö des
k. k. Neustädter- Canales gelegenen Hausern noch hierher ge-
zählet werden. Das hiesige Landgericht erstreckt sich auch über
die Ortschaften Wienerstorf, Tattendorf und Ginselstorf. Der
Ort Tribuswinket zahlt 77 Häuser, in welchen bey 660 Men-
schen wohnen, die sich theils vom Feldbaue, theils vom Wein-
baue nähren. Dieser Ort war einst der Sitz einer alten ade-
ligen Familie, die Mit dein Orte gleichen Nahmen führte.
So kommt schon um das Jahr n3o im Klosterneuburger
Saalbuche ein Ulrich von Tribanswinchele vor, der
als Zeuge auftritt, da Kunigunde von Asparn und ihr
Sohn Conrad, für das Seelenheil Po tos von Asparn,
dem Gotteshause zu Klosterneuburg eine Spende machten. Im
Jahre n36 ist ein Jubort von Tribanswinckel im
Stiftbriefe von Heiligenkreuz unter den Zeugen angeführt.
Auch ln dem Stiftöbriefe Herzogs-Hein rich Jasomir-
gott, für bas Kloster der Schotten zu Wien, erscheint ein
Ulrich von Tribanswinchel als Zeuge. In dem Kloster-
neuburger Saalbuche findet sich Juburt von Tribans-
w i n ck h e l e, und Ludwig mit seinem Bruder Meinhard.
Im Jahre 1178 erscheint Meinhard von Tribans-
winkhel mit seinen Brüdern, Rapoto und Alb er 0.
Zu Anfang des dreyzehnten Jahrhundertes kommt Rapoto
von Tribanswinckhele als der Gemahl der Mechtil-
dis von Sparbarsbach und Schnepfenstein, in
einer Schenkungsurkunde vor, worin dieselbe durch diesen ihren
Gemahl dem Stifte Heiligenkreuz für eine Grabstätte in die-
3o4
fern Kloster einen Hof (praedium) zu Windischdorf schenkt.
Zu derselben Zeit schenkte Adelheid von Gadmen durch
die Hände desselben Rap oto von Triban swinckhel
dem Stifte Heiligenkreuz für eine Grabstelle daselbst einen
Weingarten zu Perwillstall. Im Jahre 1214 erscheint ein
Ulrich von Tribanswinchele als Zeuge/ als Bischof
Manig old von Passau der Capelle Alrenburg zu Krems
einige pfarrliche Rechte erlaubte. In der Bestätigungsurkunde-
die Herzog Friedrich der Streitbare im Jahre 1281
dem Stifte Klosterneuburg ertheilte/ kommt ein Heinrich
von Tr ibans winkl vor als Zeuge/ welcher wahrscheinlich
der nähmliche ist/ der in gleicher Eigenschaft schon in einigen
früheren Urkunden vorkommt; z. B. in den Urkunden/ die
Herzog Leopold VII. zwischen den Jahren 1204 und 1212
ausfertigte; und in dem Privilegium/ welches derKaiserFrie-
d r ich II. im Jahre 1217 zu Paffau ertheilte. Im Jahre 1277
kaufte Hertnid von Lichtenstein von einem Wichard
von Triban sminckhl vier Lehen (rnan808) zu Ringleins-
dorf/ die er dann dem Stifte Heiligenkreuz schenkte. Im Jahrs
1287 erhielt Abt Sighard von Heiligenkreuz eine
Mühle zu Windischdorf von Wichard von Tribanswin-
cke l. Spater kommt von dem Geschlechte dieser Herren von
Triebanswinckl keine Meldung vor; es scheint daher zü
Ende des dreyzehnten Jahrhundertes ausgestorben / und
der Ort in die Hände anderer Besitzer gekommen zu seyn/ ob-
schon neben denselben auch andere Herren Besitzungen in
Tribuswinkel hatten. So schenkte im Jahre 1243 Heinrich
von Prunne dem Stift Heiligenkreuz einen Hof (curiam)
bey Tribanswinkel. Im Jahre iz5i erhielt Abt Berth 0 ldII.<
von Heiligen kreuz die Rohrmühle/ die jetzt zur Pfarre
Pfaffstätten gehört/ damahls aber im Orte Tribuswinkel lag/
und daher ein Bewess ist/ daß der Ort Tribuswinkel vormahls
von viel größerem Umfange müsse gewesen seyn. Im Jahre
»261 hatte Abt Pi lg rin von Heiligen kreuz einen Streit .
mit Wülfing v 0 n P u e ch b e r g / der auf eine Mühte An-
spruch machte, die das Seift Heiligenkreuz zu Tribiswinkl im
Besitze hatte. Um die Mitte des vierzehnten Jahrhundertes
3o5
war Tribuswinkel ein Eigenthum der Familie v o n M i st e l-
dach. Im Jahre i35t) verkaufte Ehrenprecht von M l-
stelbach dieses Gut an Wolfgang von Winden, bei)
welcher Familie eS bis auf W e n z e l v o n W i n d e n im Jahre
>5c>3 verblieb. Ein Hanns, Herr von Winden, war in
den Jahren >410 und 1428 österreichischer Land - Marschall.
Im Jahre 1627 besassen Tribuswinkel die Herren von
Star Hemberg, denen es Appollonia, Freyin von
Äsen, geborne von Winden, übergeben hatte. Nach diesen
gelangten zum Besitze dieses Gutes wahrscheinlich durch Kauf,
ein gewisser Hanns Matseber zu Sotiaberg, und dessen
Gemahlin K ath a rin a, geborne Ederen. Am 1. May i54’3
verkauften es diese an Matzlawen von Hochkirchen,
'Freyherrn zuKollnung, und seine Ehefrau Magdalena, ge-
borne von Zelking, und an Wolsharten Strein,
Herrn zu Schwarzenau. Am 5. Julius >554 wurde das Gut
von W 0 l f h a r t e n Strein an die Gebrüder Gabriel
und Ulrich Strein, Herren zu Schwarzenau- überlassem
Von diesen kam das Gut durch Kauf an Johann Frey-
herr» von Hoyos auf Stiren stein, und Albrecht
von Hoyos; dann im Jahre >672 an Georg Chri-
stoph von Füllenstein, und von diesem an Joseph
von Preßing, Freyherr» zumStain; dann imI. >687
an C hri st op h Hörmann und Hannsen von Füllen-
stein. Im Jahre >58q kaufte das Gut Georg Föderl,
Bürger und Handelsmann in Wien, der es noch im Jahre >5yb-
und seine Witwe Helena noch im Jahre i6o5 besessen hat.
Deren Sohn Georg schrieb sich im I. 1607 Herr von
und zu Tr>beswinkel. Nach seinem Tode kam es an die
Witwe Maria Salome, geborne Bayer, im I. >682;
diese eheligte später einen Stahrenberg, und verkaufte das
Gut an Johann Ludwig Heeror, Grafen von Iso-
ta ni, im Jahre >687. Dieser hinterließ es im Jahre >64«
seiner Witwe Margaretha, gebornen Freyin v. Teufel;
und von dieser erbte es ihre Tochter Anna Maria Elisa-
beth, Gräfin von Sau rau. Im Jahre >b5y besaß Tri-
buswinkel Anna Regina, Gräfin von Isolani, und ver-
U
3o6
erbte das Gut an das I u n g f r a u e n k (o st er Sanct Jacob
zu Wien. Von diesem wurde es anMathias Wägete
von Walßegg im I. 1662 verkauft. Im 3.1666 besaß es
Franz Bernhard Wägete, der sich im Jahre 1678 Frey-
herr von Walßegg schrieb, und im Jahre i685 schon ge-
storben war. Im Jahre 1700 war Besitzer des Gutes Franz
An ton W äg ele, Freyherr von Walßegg, und verkaufte
es im Jahre 1707 an die Frau Fürstin EvaEsterhazy von
G a l a n t h a (welche laut desLeest 0 rfer Gedenkbuches schon
- im I. 1694 die herrschaftliche Mühle inne hatte), und diese,
im Jahre 1716 an Franz Christoph, Grafen von Skal-
vinioni, von dem es Isabelle, Gräfin von Skalvi-
nioni, erhielt. Im Jahre 1780 kam Tribuswinkel durch Wie-
derkauf an Julius Joseph Leopold, Grafen von Wal-
ßegg, von dem es im Jahre 1746 Franz Anton Joseph,
Graf von Walsegg erbte. Dieser verkaufte es im Jahre 1770
an Maria Anna, Gräfinn v. Schullenburg-Oenhau-
s e n, geborne K 0 t u l i n s k y, die es im Jahre 1784 an rhre
Tochter Antonia Gräfin von Atems, abtrat. Im Jahre
1799 kauften das Gut die Freyherren Christoph und
Johann von Bartenstein; im Jahre 1602 jedoch kam
Christoph durchAbtretung seines Bruders zum alleinigen
Besitze, und blieb es bis jetzt.
Ob im Dorfe Tribuswinkel im zwölften Jahrhunderte un-
ter den Herren, die den Ortsnahmen zu ihrem FamiliemNah-
men hatten, schon eine Kirche oder Capelle bestanden habe,
wissen wir nicht, doch ist dieses nicht wahrscheinlich; denn erst
der Ortsbesitzer, Wolfgang von Winden, entschloß sich,
hier zu Ehren des heiligen Wolfgang eine Kirche zu bauen,
zu der er im Jahre i368 einen eigenen Seelsorger als Pfarrer
stiftete, da Tribuswinkel bisher zur Pfarre Traiskirchen
gehörte. In der hierüber ausgefertigten Urkunde lesen wir Jo-
hann R ä t e p r u n e r, Abt zu Melk, dann Johann
May er Hofer, Probst zu Sanct Stephan in Wien, und
Albrecht, Pfarrer zu Traiskirchen, nebst Anderen als Zeu-
gen unterfertiget. Aus diesem Stiftsbriefe erfahren wir, daß
im herrschaftlichen Schlosse schon früher eine Capelle war,
3 Oy
bey dev ein eigener" Capellan angestellt war, welcher nun an-
gewiesen wurde, an Feyertagen die Messe in der Pfarrkirche
zu lesen, wenn die Herrschaft seiner nicht unumgänglich be-
nöthigt wären. Ferner, daß Kirche und Pfarre auf liegende Gü-
ter gestiftet wurde, und der Stifter für sich einen Jahrtag am
achten Tage nach Sanct Wolfgang anordnete. In demsel-
ben Stiftbriefe verordnete der Stifter ferner, daß das Patro-
nat bey seiner Familie bleiben, und im Falle deS Aussterbens
derselben an die verwandte Familie der S t a r h e m b e r g e
gelangen solle; daher übt noch heut zu Tage jederzeit der Se-
nior der Starhembergischen Familie das Patronat über diese
Pfarre aus.
Daß das erste Kirchen- und Pfarrgebäude besonders durch
die Verwüstungen det Türken in den Jahren 162g und i683
sehr viel müsse gelitten haben, unterliegt keinem Zweifel, da
die ganze Umgegend lange unter den Nachwehen, dieser Zerstö-
rungen seufzte. Ein herbes Schicksal führte für diese Pfarre
auch der im sechzehnten Jahrhunderte herrschende Reforma-
tionsgeist herbey, indem die Lehren Luthers hier sehr
viele Anhänger fanden, die sich auch hier am längsten erhiel-
ten , und besonders an der Ortsbesitzerin Helena Föderlin
um das Jahr 1600 eine eifrige Beschützerin hatten. Das Vi-
sitations-Buch vom Jahre i544 sagt Folgendes: »Pfarrer ist
Ludwig Schauer, Beneficiat zu Baden. Vor dem Jahre
s52<) ist ein Pfarrer sammt einem Caplan da gewesen, nun
ist der Pfarrer allein. Der Pfarrer zeigt an, er habe dem Le-
hnsherrn zugesagt, er wolle sich in Jahresfrist persönlich auf
die Pfarre setzen, und alle pfarrlichen Rechte, was ihm der
Lehensherr auferlegt, den Unterthanen mittheilen, das aber
bisher nicht geschehen. Der Gottesdienst wird hu Zeiten am
zweyten oder dritten Sonntage durch den Pfarrer mit Messe-
lesen und Predigen verrichtet, die andere Zeit schickt er nur ei-
nen Priester, der Altershalber nicht predigen kann.« Bald
nachher scheint der katholische Pfarrer gänzlich verdrängt wor-
den zu seyn. Erst im Jahre 1640 wurde wieder ein katholi-
scher Seelsorger hier angestellt, aber die zahlreichen im Stift-
brkbfe angeführten Renten waren vergeudet, die Kirchengrund-
U 2
3o8
stücke in andere Hände gerathen, und der neu angestellte Pfar-
rer konnte nur noch wenige derselben auffinden, und so waren
die pfarrlichen Einkünfte beträchtlich geschmälert. Die jetzigen
Einkünfte des Pfarrers bestehen, nebst der Srolgebühr und
Bewirthschaftung mehrerer Grundstücke, in einigen Untertha-
nen zu Großengersdorf, Leestorf, Tribuswinkel und Wienerstorf,
und einigem Zehent zu Großrußbach, Eberstorf und Oberstorf.
Die Kirche und der Pfarrhof brannten im Jahre 1700 ab, als
durch Freudenschüsse am Frohnleichnqmsfeste während der Pro-
zession eine Feuersbrunst entstand. Im Jahre 1780 ließ
Guido, Graf von Star Hemberg, den Pfarrhof und die
Kirche in der gegenwärtigen Gestalt wieder Herstellen.
Die Kirche ist auf einem erhabenen Platze, zu dem man
über mehrere Stufen kommt, mit einer Mauer und dem ehe-
mahligen Leichenhofe umgeben; sie ist hoch, licht und sehr ge-
räumig, und har das Sonderbare, daß der Hochaltar nicht,
wie gewöhnlich, gegen Sonnenaufgang, sondern gegen Son-
nenuntergang aufgestellet ist; denselben ziert das Bildniß des
heiligen Patrons Wolfgqng; doch wird nebstbey auch der
heilige Sigmund als Patron verehrt. Rückwärts der Sa-
oristey steht der Pfarrhof.
Seit wann hier ein Schulhaus bestehe, ist nicht bekannt.
Zur hiesigen Pfarre gehörte seit seiner Entstehung der Ort
Oenhausen; er wurde aber im Jahre 1780 zur Pfarre
Oberwalterstorf eingepfarrt. Es sollen vormahls im Orte
Tribuswinkel auch viele Juden gewohnt, und sogar eine
Synagoge hier gehabt haben.
Im Orte Tribuswinkel ist auch noch ein Freyhof, der
SengerHof genannt, bemerkenswerth. Er war vormahls
eine für sich bestehende Gülte mit vielen dazu gehörigen Grund-
stücken. Von der ersten Gründung desselben ist nichts bekannt.
In der Folge besaßen ihn die Herren von Räuber, Bren-
ner und Seng er, die sich unmittelbar auf einander folg-
ten, und zu dem zweydeutigen Nahmen des Hofes: Räuber-,
Brenner- und Senger-Hof Veranlassung gaben; der letzte
Nahme ist demselben bis jetzt geblieben. Unter den Besitzern
dieses Hofes war auch das fteyermärkische Stift N e u b est g,
3og
welches ihn im I. 1678 an den Ortsbesitzer Franz Bern-
hard v on Walsee verkaufte; seit welcher Zeit derselbe un-
unterbrochen bey der Ortsherrschaft geblieben ist. gv kommt
auch seitdem im ständischen Cataster nur mehr unter derselben
Einlage mit der Ortsherrschaft vor. Er ist ein altes, ziemlich
geräumiges Gebäude, das dermahlen größten Theils vonJnn-
leuten gegen einen mäßigen Miethzins, und die Verbindlich-
keit, sich vorzüglich bey den herrschaftlichen Feldarbeiten brau-
chen zu lassen, bewohnt wird. Vormahls war daselbst auch
eine kleine Capelle.zu Ehren des heiligen Johann des
Täufers, die aber jetzt nicht mehr besteht. Von obigem
Seng er befindet sich bey der hiesigen Gemeinde eine Stif-
tung, von welcher sie alljährig für seine Seelenruhe eine ge-
sungene heilige Messe abhalten läßt.
Unter den hiesigen Seelsorgern verdient eine besondere Er-
wähnung Johann Michael Bürger, der im Jahre ij3j
starb, und in der Kirche sein Grabmahl hat. Unter ihm wurde
die jetzige Kirche erbauet; er hinterließ auch ein Gedenkbuch,
aus welchem diese pfarrlichen Nachrichten zum Theile entlehnt
sind, die wir der gefälligen Mittheilung des jetzigen würdigen
Herrn Pfarrers, Ignaz Bugl, verdanken.
XX!i. Pfarre Trumau.
Ein Dorf mit einem herrschaftlichen Schlosse und einer
großen Mühle am Triestingflusse, eine halbe Stunde östlich
von Traiskirchen,, eine' Viertelstunde nordöstlich von Ober-
walterstors, drey Viertelstunden südwestlich von Münchendorf,
und drey Viertelstunden westlich von Kaiser-Ebreichstorf. Die-
ser Orr wurde im Jahre u38 vom Herzoge LeopoldV. dein
Freygebigen, dem Stifte Heiligen kreuz geschenkt.
Den Zehent dasesbst erkaufte der Abt Heinrich 1. im Jahre
n5i von Sighard, Abt zu Melk; und im Jahre 1233
schenkte Heinrich von Prunne den ihm zugehörigen drit-
ten Theil des hiesigen .Zehentrechtes ebenfalls dem Stifte Hei-
ligenkreuz.
Von den ferneren Schicksalen dieses Ortes ist wenig Merk-
würdiges bekannt. Am Jahre 1471 verbrannten die feindlichen
Unga r n , unrer dem Könige Mathias C 0 r v i n u s, die-
sen Ort. Eben so wurde der ganze Ort im Jahre \ 5cm) von den
Türken, im Jahre 1621 von den rebellischen Ungarn, und
rm Jahre i683 wieder von den Türken verbrannt. Das
Stift Heiligenkreuz blieb selbst in den dürftigsten Zeitumstäne
den im ununterbrochenes Besitze dieser Herrschaft. Abt Udal-
rich II. fing an die jetzige Pfarrkirche, die Mühle und daS
Schloß zu erbauen; Abt Johann VI. vollendete diesen Bau
im Jahre *588, und der Abt Michael erweiterte und verschö-
nerte das Schloß im Jahre i65o, laut einer Aufschrift über
dem Thore desselben. Auch der Abt Clemens stellte die von
den Türken verbrannten Gebäude wieder her, und verwendete
beträchtliche Ausgaben insbesondere für das Brauhaus, den
Meierhof und den Garten. Im Jahre 1811 entstand im Meier-
hofe durch Unvorsichtigkeit eine Feuersbrunst, welche das Dach
des Schlosses und der Wirtschaftsgebäude, und die Mühle
verbrannte. Abt Nie 0laus II. ließ im folgenden Jahre das
Schloß mit dem Meierhofe, jedoch ohne dem Brauhause, wie-
der Herstellen, und rückwärts des Meierhofes eine neue große
sehenswerthe Mühle von zehn Mahlgängen erbauen. Die Auf-
sicht über diese Herrschaft führt ein Mitglied des Stiftes Hei-
ligenkreuz als geistlicher Wirthschaftsverwalter, welcher nebst
Trumau auch die untertänigen Ortschaften Pfaffstätten und
Münchendorf zu besorgen hat. Das Justiz-Geschäft über diese
Ortschaften ist einem weltlichen hier wohnenden stiftsherrschaft-
lichen Landgerichts-Verwalter anvertraut. In pfarrlicher Hin-
sicht war dieser Ort früher der Pfarre Traiskirchen un-
tergeordnet. Abt Johann VI. machte im Jahre i588, mit
Bewilligung Urbans, Bischof von Passau, Trumau zu einer
eigenen von Traiskirchen unabhängigen Pfgrre, und vollendete
den vom Abte Udalrich II. angefangenen Bau der noch jetzt
bestehenden Pfarrkirche zum heiligen Johann den Täu-
f er, mit einem nahe gelegenen Pfarrhofe. Zu den Pfarr-
Einkünften bestimmte Abt Johanss, mit Bewilligung des
Convents, nebst einem Hause zur Wohnung des Pfarrers,
ich Joch Aecker, und 6^ Tagwerk Wiesen; dann jährlich einen
Muth Korn, fünfzehn Eirner Wein, und fünfzig Gulden in
baarem Gelde. Die Pfarrgemeinde versprach (nebst der Stol-
gebühr) jährlich zwey Muth Korn, und einen Muth Haber,
dann unentgeldliche Bearbeitung der Aecker und Wiesen, wie
ihr Fuhrwerk, die Feldfrüchte in den Pfarrhof zu führen. Sie
verpflichtete sich noch, das Kirchengebäude immer in gutem
Stande zu erhalten, und bestimmte dazu die Einkünfte einiger
Weingärten. Der Herr Abt versprach dafür immer einen
Stiftsgeistlichen als Pfarrer dahin zu stellen, und lösete das
Patronats-Recht, mit landesfürstlicher Bewilligung, mit ei-
ner Summe Geldes vom Stifte Melk ein. Der Bischof Ur-
ban von Passau bestätigte alles, und ließ die neue Pfarr-
kirche von seinem Suffragan weihen.
Diese Pfarre wurde wahrscheinlich auch alsogleich mit Stifts-
geistlichen von Heiligenkreuz besetzt. In der Handschrift Cch
i*ona officialium Sanctae Crucis fängt die ununterbrochene
Reihe der hiesigen Pfarrer vom Jahre i6i3 an; der erste
Pfarrer hieß Christoph Schwarzbeck, und bis zum
Jahre 1702 waren hier vier und siebenzig Pfarrer. Vom Ju-
lius bis October i683 war die Pfarre der Türken wegen ver-
lassen. Der vormahlige Pfarrhof wurde wahrscheinlich ein
Raub der Flammen, und nicht wieder hergestellt; daher wur-
den auch die zürn Lebensunterhalte des Pfarrers angewiesenen
Grundstücke mit der herrschaftlichen Wirthschaftsverwaltung
vereiniget, und der jeweilige Pfarrer hat jetzt seine Wohnung
im herrschaftlichen Schlosse, und bezieht nebst der Stolgebühr
auch ein angemessenes Honorar von der Ortsherrschaft. Die
Pfarrkirche hat keine Capitalien, besondere Stiftungen öder
sonstige Einkünfte; sie steht einige hundert Schritte außerhalb
des Ortes, nordöstlich an dem Wege nach Münchendorf; sie
hat nebst dem Hochaltare noch zwey Seitenaltäre, hat aber,
so wie der die Kirche umgebende Leichenhof, keine merkwürdi-
gen Grabmähler oder sonstige Denkwürdigkeiten. Im Schlosse
ist eine Capelle zum heiligen Bernhard, wo auch
Messe gelesen wird. Dem herrschaftlichen Gasthause gegenüber-
steht eine so genannte Pestsäule, zu Ehren der hei'igsten
3 155
Dreifaltigkeit und der seligsten Jungfrau Maria; dabey ist,
weit die Kirche zu entfernt ist, ein Glöckchen zum Eebethläuten
angebracht.
Im Jahre 178b hatte Trumau 647 Seelen; im geistli-
chen Schematismus vom Jahre 182.3 ist die Seetenzahl 614
angegeben. Die Einwohner sind alle der katholischen Religion
zugethan, und ernähren sich vom Ackerbaue, Viehzucht, Tag-
lohne und einigen Handwerken. Das hiesige S ch u l h a u ö
wurde im Jahre 1823 ganz neu und geräumig erbaut; die
Schule selbst besteht wahrscheinlich schon seit Entstehung der
Pfarre-
' r/‘
/ '/‘/(/ce/i
iTo/isr nn •> teeu
{/tu///Jif*( /1 -t/*(
ndei/r
Grub
Sltteno/o ri
v/en-berpf^p',
/Sdiu/bertJZf] Tha//rrn
i/farui
AJeier/i \i
Gro/dac/r
(ßftin/rtt.
\J'reinjfe/t/
'ofrwtj&ef
Rdr/oj/e/to fta
latA M-P/l 'sctr/tä
Minken//o r/‘
■ar teuft.
QZo/>c//w/‘
M: wf/r/wf
~2iuItltCHotdu !Vj
aS'c/ ar/in/tft
ZRau/iene/E^
iuvarzenoee
•fret j-j ti irc/icn
w x /M5
— O h ttihte
>r/ frric/nnn'/n/yir/
Rohr{)c/e/t
Breiten,
ALf r/i a n * tot n
Verthun
\p/)w\fTfe/ttm>dmd
JsaiMJwf
E b rs'Uh')/ts‘ / */'
lljjhmndirEb''
jf/tUac/n- /
dorf !
pvhortan,/
ivuJinh ru
(jroßxctA
Kett/'nej//
D/>r/Z
mb>d
K V II T E V
des
ji& t c a n a 1 s
Zn- ti Wien vr Zoll oder
/ TU/diche Meile zu !H)0O K/u/ier
Litljooi-. Lei 3os.Tr<mtseiirtky m Wien.
K $3?
H ' >
i! W
W'H