NiePajsion
Jas Wisteviensprek
dev^vüöev
Ärnout undTimon chwban
Jus demNanMs^en -e-IahresM
jrei übertragen von
Vitheün Tchmidlbonn
Egon Fleisches S Co., Berlin
Weitere Werke von Wilhelm Schmidtbonn
Uferleute
Rheinische Geschichten
Der Heilsbringer
Eine Legende von heute
Der Wunderbaum
Dreiundzwanzig Legenden
Mutter Landstraße
Das Ende einer Jugend. Schauspiel in drei Aufzügen
Die goldene Tür
Ein rheinisches Kleinstadtdrama in drei Akten
Der Graf von Gleichen
Ein Schauspiel
Der Zorn des Achilles
Eine Tragödie
Hilfe! ein Kind ist vom Himmel gefallen
Eine Tragikomödie
Der spielende Eros
Bier Schwänke
Der verlorene Sohn
Ein Legendenspiel
Lobgesang des Lebens
Rhapsodien
Die Stadt der Besessenen
Ein Wiedertäuferspiel
Menschen und Städte im Kriege
Fahrten an der Aisne, an der Küste, in dis belgischen Städte
Krieg in Serbien
Mit einem deutschen Korps zum Jbar
Dir Passion
Das Misterienspiel
der Brüder
Arnoul und Simon Greban
Aus dem Französischen des Jahres 1452
frei übertragen von
Wilhelm Schmidtbonn
Egon Fleische! L Co. / Berlin
19 2 1
Bühnen und Vereinen gegenüber Manuskript
Anbefugtes Ausschreiben der Nöllen verboten.
Das Aufführungsrecht für Deutschland,
Österreich und alle übrigen Länder ist nur zu
erwerben von den Vereinigten Bühnenvertrieben
Georg Müller / Drei Masken / Kurt Wolfs Verlag
Alle Rechte, besonders daS
der Übersetzung, vorbehalten
Amerikanisches Copyright 1919
by Egon Fleischel L Co. / Berlin
Pharisäer
Der Hohepriester KaiphaS
Jerobeam
Mardochias
Salmanazar
Pilatus, Statthalter von Judäa
Jesus
Petrus
Johannes
Jakobus
Simon
Judas
Matthäus
Philippus
Nembroth
Nabanus
Phares
Maria, die Mutter Jesus
Magdalena
Apostel
Die falschen Zeugen
Die heiligen Frauen
Julia
Veronika
Perusina
Die Frau des Pilatus
Barrak, der Türhüter des Pilatus
Breifort
Kriegsknechte des
Pilatus
Klakedanz
Orjart
Braiart
Abia
Kassandra
Kriegsknechte des
Mägde des Kaiphas
Malchus
Dentard
Nollart
Dragon
Ein Zimmermann
Ein Schmied
Urion, ein Landmann
Piragmon, ein Wasserträger
Simon von Kyrenäa
Ein Ausrufer
Ein römischer Hauptmann
Zwei Straßenräuber
Tubal
Moab
Abiron
Celius
Naphtalin
Nuben
Rebekka
Manasse
Benjamin, ein Kind
Barrabas, ein Mörder
Lucifer
Der Satan
Der Erzengel Michael
Die Verzweiflung
Apostel, Leute von Jerusalem,
Pharisäer, Schriftgelehrte, Advo-
katen, Kriegsknechte.
Arme Leute von
Jerusalem
Sieben Bilder
Das erste Bild
(Die Bühne zeigt rechts den Natsaal der Pharisäer, links das Tor der Stadt)
1
(Während man aus der Hölle undeutlich eine Weile das Wehgeheul und die
Sehnsuchtschreie der Verdammten hört, tritt in der Mitte auf)
Satan
He, Teufel, halb vom Schlamm erstickt,
vom Zackenfels gejagt, zerfleischt,
ob ihr im Ewigfeuer tierhaft kreischt,
ob Ewigdunkel euch die Augen eingedrückt:
Kommt doch, helft eurem König! Wut
heißer als Feuer brennt in meinem Blut.
Und Sorge bohrt mir in dem Hirn
um eines Manns geheim beglänzte Stirn,
Licht kommt aus feinen aufgehohenen Handen —
mein Erdenreich will dieser Jesus mir entwenden.
Je mehr ich ihn umspah, umschleiche Tag und Nacht,
hat er mir immer größere Furcht gebracht,
denn über alles Menschenmaß wachst er hinaus.
Ist er ein Mensch, ein Engel, Gott?
Aus meinem Griff entweht er schattenhaft,
Schinidtbonn, Die Passion. > ?
r
umsonst versucht' ich ihn im Wüstenbraus,
kein Hochmut dringt in seine Jünglingschaft.
Noch herrsche ich, doch spür ich seine Gegenkraft.
Denn das Gesindel in der engen Stadt
hängt sich an seinen Rock in Demut an.
Durch Zauberei die Herrschaft halb er schon gewann,
und die getreuen Pharisäer stehen ohne Rat.
Mein letzter Freund, mein treuer Lucifer,
des Todes Kaiser und des Feuers Herr,
verlaß mich nicht in dieser Not.
Und ihr. Söhne des Unglücks, finstere Masse
mit vorgequollenen Bäuchen, Augen blutig rot,
ihr Teufel, blast mit eurem Hasse
die Herzen seiner Feinde voll,
daß er in Hände falle toll,
daß er da stehe spottumschrien,
beschimpft, geschlagen, angespien,
und endlich wird er angekettet in den Schandentod geführt.
Tod — du! Wo hältst du dich versperrt?
Bleibst du von meinem Weh so ungerührt?
Mein Sohn, von mir gezeugt und jetzt gerufen,
ich weiß, was dich aus deiner Höhle zerrt:
lieg länger nicht in Scham auf Steinesstufen,
weil dieser Jesus dir den Lazarus geraubt —
schaff Ruhm und Reich dir neu, noch sind sie nicht verstaubt.
Ich übergebe dir den Menschen, Jesus genannt,
richt' auf ein hohes Kreuz auf Bergesstand,
davon ihn abnimmt keine Zauberhand.
(Er geht, Hoffnung im Gesicht)
2
2
(Die Pharisäer treten rechts auf)
Kaiphas
Ihr Herrn, ihr kennt das Ärgernis,
das Pharisäern, Schriftgelehrten allen
von diesem Menschen Jesus kommt.
An allen Ecken steht der Mensch, sagt laut:
daß unser Herzbekenntnis sei auf Lüge aufgebaut.
Ja, dieser dürftige Mensch im armen Kleid
dringt selbst in diesen Tempel, urgeweiht,
und was wir sagen, wir Doktoren und Präsiden,
wir, die regieren und Gesetze schreiben:
er weiß ein jedes Wort ins Gegenteil zu treiben.
Darum, ihr Herrn, hab' ich euch hergebeten.
Mardochias
Man fürchtet sich, die Gaffen zu betreten.
Die ganze Stadt ist wie zerstürzt von einem Wind.
Er hetzt das Volk sogar, nicht mehr nach Rom
die Steuern einzuzahlen, die des Kaisers Einkunft sind.
Jerobeam
Und schlimmer: unsere Einkunft selbst nimmt ab.
Wir sonnten uns im Ruhm des reinen Lebens stets,
geweiht dem Unterricht der Knaben, der Enthaltsamkeit,
und jeder gern sein Opfer in den Kasten gab.
Ein Beispiel waren wir dem Land, verehrt,
uns waren demutvoll gebeugte Scheitel immer zugekehrt.
Und jetzt ist dieser Mensch hierher gekommen!
Allein im Tempel an den Säulen stehn die Frommen.
z
Doch wo er geht, steht ganz gedrängt die Gaffe.
Nicht kümmern ihn die heiligsten Erlasse,
er hält den Festtag nicht, den wir beschließen.
Wird dieser Mensch nicht aus Jerusalem bald fortgeschafft,
zerstört den Tempel noch des Volks verirrte Zorneskraft.
Salmanazar
Gut, gut. Doch wessen klagen wir ihn an?
Kaiphas
Damit er heil nicht vom Gericht fortgeht,
so müssen Kläger wir und Richter sein in einem
und wählen ein Verbrechen, darauf Tod als Strafe steht.
Jerobeam
In diesem Menschen sind verfluchte Kräfte:
die Lahmen stehen auf und werfen ihre Krücken fort,
die Blinden sehn, aus Augen vorher ganz verdorrt.
Er zaubert nicht durch Sprüche, nicht durch Säfte.
Ein Wink mit seiner Hand, dann stehn selbst Tote auf.
Mardochias
Und Ehebrecherinnen küßt er auf das Haar,
vergibt die Schuld und stellt so Gott sich gleich,
ja, nennt sich Gottessohn! Er nennt sich Gottessohn!
Salmanazar
Dafür wird ihm der Tod zum Lohn.
Kaiphas
An Gründen sind für seinen Tod, ich seh, wir reich.
Doch denkt, daß unter seine Hände sanft das Volk sich bückt,
daß es nach Herdenart an seinen Schritt sich drückt,
daß irres Wort aus seinem Mund es ganz beglückt.
4
Ich sah ein Weib aus seinem Weg die Steine räumen
und Knaben seinen Weg mit Blumen säumen
und Greise in den dunklen Häusern kindisch von ihm träumen.
(Sie gehn)
(Links tritt nach und nach Volk auf)
Urion
Du: Jesus, der Profet, kommt nach Jerusalem!
Pyragmon
In Wahrheit?
Urion
Ja. Seine Schwester bringt er mit,
die heißt Gerechtigkeit. Mit jedem Schritt
zertritt er eine Kränkung und Gewalt.
Simon von Kyrenäa
In Wahrheit?
Tubal
Auf einer Eselin kommt er geritten,
sitzt tief, der Demut Echtgestalt.
Und jeder, der herzugelaufen ihm begegnet,
der wird von seiner Hand und seinem Aug gesegnet.
Moab
In Wahrheit?
Abiron
Laßt uns einander bei den Händen fasten
und ihm entgegengchn und singen durch die Gaffen.
Celius
Du, sag, ist das nicht dieser Märchenmann,
der plötzlich solchen Ruhm gewann.
5
der einen Toten wieder in das Leben rief —
Jesus, der himmlische Profet?
Naphtalin
Jesus von Nazareth.
Wir wollen vor ein Haus uns stellen
und, hören wir der Eselin Glocke schellen,
uns auf den Stein der Straße knien.
Rüben
Ein jeder soll sein Sonntagskleid anziehn,
Palmzweige brechen aus den Garten
und goldene Tücher auf die Straßen breiten:
das heilige Tier soll über Schönheit schreiten.
Manasse
Willst du den Wundermenschen sehn, komm schnell.
Ich höre schon der Frauen Lied wie Schellen hell.
Benjamin
Gib mir doch, Mutter, erst mein Sonntagskleid
und einen schönen grünen Zweig.
Dann will ich singen. Mund weit aus,
dann steht er mich, ich reich die Hand hinaus.
Rebekka
Zieh an das niegetragne Kleid, bring's Jesu dar.
Dazu bind ich dir rote Blumen in das Haar.
Julia
Wo laufen alle diese Leute hin?
Veronika
Hast du die Himmelsbvtschaft nicht gehört?
Jesus ist da, von Neid und Haß noch ungestört.
6
Julia
Schnell! Jesus sehn, ist herrlichster Gewinn.
(Sie gehn wie alle andern Jesus entgegen. Zugleich hört man vom Tor
her den Gesang derer, die mit Jesus sich naher»)
Das singende Volk
Jesus, Jesus, Licht vom Himmel,
Brich selig in unsere Stadt!
Wir rufen dich auf Knien der Finsternis,
der Mühsal so satt.
Andre (singen dagegen)
Nicht Klagen
ihm entgegentragen.
Jubel der Gaffen
soll ihn wie Sturm umfassen.
Die Armen (singen wieder)
Auf dem Stroh ungezählt,
von den Messern des Hungers gequält:
König der Armen,
du mußt dich der Bettler wie Frühling erbarmen.
Die Frauen (kommen und singen)
König, wir müssen endlich klagen:
unsere mageren Leiber tragen
— sieh — Söhne nur zum Leid.
Hunger war das Hochzeitskleid.
Wenn im Haar wir Blumen haben,
blühen aus uns schöne Menschenknaben.
Die Jungfrauen (kommen und singen)
Im unbewegten Garten
wir Mädchen ewig warten.
7
Jetzt singen wir dem Bräutigam stürzend zu:
in unser ganz bereites Herze komme du.
Die Kinder (kommen und finge»)
O mein Jesus, in deinen glänzenden Auen
dürfen nur Kinder spielen und Städte bauen.
Unser Jauchzen, daß du da bist, ist so groß:
laß uns stumm sitzen in deinem Schoß.
Die Greise (kommen und finge»)
Unsere Bärte sind weiß,
unsere Hände Eis,
unsere Schritte wie zerbrochene Schiffe schwanken:
wir haben dem Leben nichts zu danken.
Führ uns in deinem herrlichen Schein,
himmlischer Sohn, in deinen Garten ein.
4
(Jetzt kommt Jesus, niedrig auf der Eselin, um ihn die zwölf Jünger)
Alles Volk (singt)
Siehe, siehe, unser Jesus ist eingezogen,
nicht länger sind die Ausgestoßenen betrogen.
Was die Propheten beteten, was David sang:
das himmlische Wunder, o mein Jesus, gelang.
Hosianna!
Jesus
Jerusalem! Jerusalem!
Das Volk
Stadt Gottes
golden auf dem Berge,
stürz über deinen Kaiser mit Festgesängen.
8
Jesus
Jerusalem, du kaiserliche Stadt,
ich weine: denn dein Glück hast du verloren.
Ins Dunkel stürzt dein morgendlicher Glanz,
kein letztes Lied tanzt mehr aus deinen Toren.
Nur fauler Schutt stöhnt unter Wandrers Schuhn,
wo jetzt die goldnen Häuser unter Palmen brennend ruhn.
Demütig reit in deinen Glanz ich ein
und komme, um zu flehn: laß von dir selber ab,
ringe dich neu hervor, ich reiche dir den Stab.
Du hassest mich, ich werde bald von dir verlassen sein,
doch hör auf mich: ich schrei dir ins Gesicht das einzige Gesetz.
Ich liebe als ein Bräutigam dich, gespannt in deiner Schönheit
Netz.
Lieg' ich erst tot, dann wirst du mich erkennen.
Weine, weine, weine über dich selbst, Jerusalem:
Du wirst verdorren in die Wurzel und zu Staub verbrennen.
Ihr ganz Verirrten, tut die Augen auf:
das goldne Gottesreich ist nah.
Im Wüstensand verklärt Johannes stand, den niemand sah,
und rief wie ich, er rief wie ich:
wer Gott im Herzen dient und sei er arm auch ganz —
Herr wird der sein im Gottesreich, im Gottesglan;.
Jerobeam (tritt aus dem Volk)
Jesus, geliebter Meister, gütevoller Herr,
du gehst uns auf dem tastend unbekannten Weg zu Gott voran.
Der Hohepriester schickt mich, ob er eins von dir erfahren kann:
du bist der König — müssen wir noch zahlen Zins
in Rom dem Kaiser, Steuer jeglichen Gewinns?
y
Jesus
Gib mir ein Geldstück, laß doch sehn die Schrift.
Jerobeam (gibt ihm ein Geldstück)
Das Bild des Kaisers.
Jesus
So gib dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott dein Herz.
Jerobeam
Das steht geschrieben nicht im Wort.
Jesus
Ihr Worteheuchler! Hinterm Wort erst brennt
das Herz der Welt, das ihr mit keinem Wort benennt.
Mit Worten schüttet ihr das Wunder eures Lebens zu,
Wort wird zum Herrn, der Blut aus jedem Herzen sauft,
zum Himmel hat sich euer Wortekram gehäuft.
Wo eure Worte noch Leben gelassen haben, da würgt ihr
mit eurem Geld, mit Zöllen, Steuern, Zinsen den Menschen
den sehnsüchtigen Atem ab.
Mit Kleidern, Titeln, Würden, Ämtern, Reichtum meint
ihr die Welt zu schmücken, der Gott Schönheit genug mit
den Blumen und Vögeln und Kindern gab.
Ihr habt die Erde zu einem Sarg gemacht, der mit goldenen
Teppichen überglänzt ist — aber darunter stinkt Moder,
Moder, Moder.
(Hier geht Jesus zu den Kindern und segnet sie, wahrend sehr leise die
Harfen zu spielen anfangen)
Kaiphas
Hört, dieser Mensch verspeit ein Gift,
wie nie aus einem Menschen kam.
ro
Mardochias
Soviel, daß es ihn selber trifft.
Jetzt pack ich ihn:
mit Worten, Freund, dein Unglück seinen Anfang nahm.
Jerobeam
Vorsicht ist not, sein Anhang groß.
Wir müssen seiner Jünger einen suchen,
Judas genannt, der lebt von aufgehobenen Früchten bloß
und spart, spart, spart — muß seiner Armut fluchen.
Wo Habgier ist, ist in derselben Brust Verrat nicht weit:
Durch diesen Judas ziehn wir aus dem Bräutigam das Hoch-
zeitskleid.
(Hier geht Jesus, seine Eselin führend, während das Volk die Palmzweige
schwenkt)
Das Volk (singt)
Siehe, siehe, unser König ist eingezogen,
nicht langer sind die Armen der Erde betrogen.
Was die Profeten beteten, was David sang:
das himmlische Wunder, o du mein Jesus, gelang.
Hosianna!
Das zweite Bild
(Die Bühne zeigt rechts den Hof des Hauses Urions, links eine Quelle.
Petrus kommt mit Johannes und Jakobus, hinterher Judas)
1
Petrus
Johannes, unser Meister hat gesagt:
„Mit neuem Sonnenglanz das Osterfest ist da,
wir wollen mit den Menschen kindlich feiern.
Geh, Petrus, mit Johannes und Jakobus heut
auf diesem Pfad, der durch den dickten Wein sich schlagt.
Ihr werdet bald da sehen einen Mann,
der auf der Schulter einen Krug mit Wasser trägt."
Johannes
„Dem folgt und tretet mit ihm in sein Haus
und dem erstaunten Hausherrn sagt ihr dies:
,Wir bitten dick im Namen unsres Herrn,
weis einen großen Platz uns an,
wo unser Herr mit seinen Jüngern, andern Menschen fern,
ein unbekümmert Osterfest begehen kann/
Dann ladet er euch ein zu Bank und Tisch."
(Hier kommt Piragmo» mit einem Krug aus dem Hause und geht zum Brunnen)
Piragmon
Mein Brunnen morgenrein,
wie Knab aus Bett springst du aus Stein.
Was lacht aus meiner Hand dich an?
Ein Brot, das Müde tanzen machen kann.
Das dunkle Brot, das Wasser klar —
ich mache euch zum Hochzeitspaar.
Mein Lied wird von euch hell,
das ich dem Mädchen sing' zur Nacht,
dem ich den Krug ins Haus gebracht.
(Er geht wieder ins Haus)
Petrus
Das ist der Mann, von dem der Meister sprach.
Ihm nach.
Johannes
Er geht in dieses Haus.
Petrus
Komm, gehn wir auch hinein.
(Sie gehn zum Haus und grüßen den hervortretenden Hausherrn)
Petrus
Gott segne dieses Haus!
Urion
Was wünscht ihr Herren hier?
Petrus
Wir bitten dich im Namen unseres Herrn:
Weis einen großen Platz uns an,
wo unser Herr mit allen seinen Jüngern
ein ungestörtes Ostern feiern kann.
Dies bittet Jesus.
Urion
Jesus! Der heilige Mensch von Galiläa!
Willkommen dreimal! Ehre für mein Haus!
Ich danke ihm von Herzen, alle Türen stehn ihm auf.
Jakobus
So gehn wir gleich ans Werk.
Urion
Seht hier den Hof, gepflastert, überdacht:
hier könnt ihr sitzen bis in tiefe Sternennacht.
Nehmt, was ihr braucht, an Schüsseln, Krug, Tisch, Bank.
Petrus
Ein schöner Platz. Vom Himmel wirst du haben Dank.
Urion
Und wenn ihr brauchet Fleisch, Wein, Brot,
so hat's auch damit hier im Haus nicht Not.
Sagt nur und habt nicht Furcht, daß ich euch böse bin.
Judas
Dank dir! Doch darf ich fragen, ohne Nebensinn,
was alles kostet. Wein und Brot und Fleisch?
Ich trag für Herrn und Jünger hier die Kasse,
trag sie, du siehst, leicht über jeden Berg und Gasse.
Urion
Du tust mir Unrecht, Bruder. Was ich geben kann,
14
das bietet euch das Herz der Freundschaft an.
Nicht reich, besitz ich doch genug hierzu.
(Hier geht Urion mit Petrus, Johannes, Jakobus ins Haus und Judas
bleibt zurück)
Judas
Ein armer Teufel bist doch, Judas, du.
Mußt hinten siehn, die Ehr wird dem zuteil,
des Knecht du bist auf Straßen hart und steil.
Er schleppt uns durch der Wüsten Feuersand,
wie Tagediebe streunen wir durchs Land,
mit ganz zerriffnen Schuhn, voll Furcht, wenn Hunde lärmen,
nur Brot, nicht Fleisch, nicht Huhn in den Gedärmen.
Wir wären wahrlich gut genug,
um einem reichern Mann mit Zeit und Bein zu dienen,
mehr Lohn zu haben als im Gras die Bienen.
Und doch bleibt ihm am Rock der ganze Dienerzug.
Was maßt sich dieser Mensch denn an mit leerer Hand?
Zwölf Diener passen nicht zu seinem Stand.
Wer ist der Mann? Ein Niemand.
Und lebt wovon? Von dem, was man ihm zuwirft.
Was für ein Mensch? Ein guter Narr.
Wer spricht gut von ihm?
Wer weiß Gutes von ihm?
Wer hängt ihm an?
Nur ein paar einfache Leute.
Wer haßt ihn auf den Tod?
Tausend, die reiche Mäntel tragen.
Ich sehe wohl das Licht in meiner armen Nacht
15
und weiß, was endlich mich bezahlt für meine Erdenmühjal
macht.
Pfui Armut! Der arme Judas ist erwacht.
(Er geht)
2
(Jetzt kommt Jesus mit den Jüngern)
Jesus
Gottes Liebe diesem Haus, das einer fleißigen Spinne gleich
in einem Silbernetz von Älbaumästen hangt!
Sieht man das Haus von fern, sieht man: es ist an Erden-
fteude reich.
Urion
Willkommen zehnmal, Herr!
Sieh alles Menschliche im Hause an die Tür gedrängt,
zu grüßen diesen königlichen Gast.
Jesus
Gott segne, was an Liebe du verschwendet hast.
O meine Freunde, Brüder: euch hab ich erwählt,
am Tisch mit mir zu sitzen hingereiht,
das Ostermahl mit mir zu nehmen — nicht in Heiterkeit.
Die Tage unsrevWanderschaft aufWeinbergwegen sind gezählt.
Gefahr ist da — schon sehen meine Augen über euch hinaus.
Euch einzuweihen ins Geheimnis: Stunde ist und Ort gekommen.
Denkt ihr noch an die Zeit, da auseinander ich euch oft ge-
nommen,
mit allen Winden, um das neue Wort zu predigen, ausgesandt?
Zu denen hin, die auf euch warteten, verzehrt, im Geist und
Blut bedrückt?
War Winter oder Regen auch im Land,
nicht wart mit Ranzen, Geld und Schuhen ihr beglückt.
Und trotzdem — wart an Leib ihr jemals oder Herzen arm,
ob einzeln ihr zurückkamt oder gingt im bunten Schwarm?
Petrus
O selige Wanderzeit!
Jesus
Ach, andre Zeit ist jetzt.
Ich sage euch: wer einen Ranzen hat, der sticke ihn mit starken
Schnüren,
und wer nicht Schuhe hat, der bettle drum inständig an den
Türen.
Denn unsre sanfte Ruhe wird von Haß bald so gehetzt,
daß ihr müßt gehn mit eurem Wenigen ins offne Land,
wenn ihr euch Kopf wollt wahren und lebendigen Fuß und Hand.
Ihr werdet durch der Welt traumbunte Länder gehn
und mit besessenen Zungen vor den Menschen stehn
und künden:
herab senkt sich das neue Gottesreich jetzt aus den tiefen
Himmelsgründen.
Bettet, Brüder, die Kranken, tränkt die Fiebernden, wascht
Wunden aus.
Nennt Unrecht Unrecht, habt nicht Schmuck, nicht Geld, nicht
Haus.
Wie Schafe unter Wölfe müßt ihr wunderlich hinaus,
die Richter in den Städten werden euch wie wilde Tiere fangen,
die Henker brennen euch ins Fleisch mit Feuerzangen:
stehet im Blitz wie junge Gottesbäume, zittert nicht um
Wortesnot —
Schmidtbonn, Die Passion.
2
der himmlische Vater spricht für euch und hilft euch aus dem
Menschentod.
Jetzt, Freunde, um den Festtagstisch wie oft in Kinderzeit —
ach, könnten wir aus Kinderaugen sehn in Lebens Herrlichkeit.
(Jetzt gehn Jesus und die Jünger an den Tisch)
Urion
He, eifrig jeder jetzt und augenschnell an seinen Platz!
Hast du das junge Lamm bereitet braun und zart?
Piragmon
In duftigen Feldgemüsen liegt es aufgebahrt,
und neues Brot und alter Wein in Fülle stehen da.
Jesus
Gelobt der himmlische Vater, der uns diesen Reichtum schenkt.
Setzt Bruder euch zu Bruder, wie die Liebe lenkt.
(Alle setzen sich: da kommt Judas erregt)
i
Petrus
Judas, gegrüßt! Judas kommt spat.
Judas
Inzwischen hab ich für den Herrn und euch genagelt und genaht.
Jesus
Setz dich an unsern Tisch des Reichtums, Judas, her,
zart blickt das Lamm, vom Feld die Früchte schwer.
Die Welt zerstürz ich, dieser alte Brauch bleibt mir geliebt.
O meine Freunde, Helle Kette der Gesichter rings,
laßt Demut um euch sein und edle Armut immer.
Bleibt blind vor der Versucher Schatz und Schimmer.
Sie nennen sich des Himmels Spiegel und der Menschen Schild,
doch ihr Gesicht gleicht nicht des Vaters ewig reinem Bild.
Sie haben Rosse in den Stallen, Ring' und Steine an der Hand
und gehen aufrecht durch der Armen Arbeitsland.
Ihr Ruhm zerweht wie Rauch in Gottes urgerechtem Schein —
von nichts gekommen, werden nichts sie sein.
Die Armen aber gehn in meines Vaters Reich als Könige ein.
(Hier reicht Jesus seinen Jüngern die Schüssel mit dem Lamm. Jeder nach
der Reihe nimmt sich und ißt. Dann steht Jesus auf)
Petrus (zu seinem Nachbar)
Siehe, der Herr steht auf, Geheimnis im Gesicht.
Johannes
Wir müssen mit aufstehn.
Jakobus (sieht zum Himmel)
Was ist das für ein Licht?
Jesus
Schütt mir in diese Schüssel Wasser aus dem Krug.
Petrus
Was hat er vor?
Joh annes
Ein Meteor zieht Himmelsfiug.
Jesus
Judas, komm naher an das große Her; der Bruderschaft.
-O meine Brüder, zeigen will ich euch das Bild der Demutökraft.
Judas
Herr, dir zu lieb.
(Hier kniet Jesus vor Judas und wäscht ihm die Füße)
ly
Petrus
Laßt du das zu, daß unser Herr sich vor dir kniet?
Ich gehe lieber von dem Tisch, eh das bei mir geschieht.
Jakobus (unterdessen)
O Denkmal tiefster Liebe, nicht zu sagen!
Simeon.
So wäschst du, Herr, der ganzen Menschheit ab, was sie an
Erdenschmerz muß tragen.
(Hier setzen sich alle wieder an den Tisch)
Jesus
O Brüder meines Herzens, sehet klar,
was meines Dienstes Sinn für immer war.
Ich bin der Herr, ihr grüßt mich stets mit Dienergruß —
und dennoch wusch ich jedem ab den müden Fuß.
Schliefen nicht Pferd und Rind im Stalle schon,
ich höbe ihren Fuß und wüsche ab des Ackers Staub davon.
So sei nicht Herr und Knecht mehr auf der Erde,
Gott schuf sie ja, daß sie ein Himmelsspiegel werde.
Demut von Mensch zu Mensch, zu Tier, zu jedem Baum
und Gras —
und heiter ewig ist, darum ihr weint, der Welt Beschwerde.
(Hier fangen die Instrumente an zu spielen)
Laßt mich in alle eure Augen sehn.
Jesus (geht zu Petrus)
Petrus, sei sanft.
Wem ich den Fuß jetzt wasche, wird zugleich
Herzens rein.
Ach, einer nicht.
(Er wascht allen die Füße)
im Blut des
Denn darum wünschte ich, mit euch am Ostertisch zu stehn,
damit mein letzter Abschied von euch festlich sei.
O meine Freunde, nie mehr sitze ich am Tisch in eurer Reih:
den nächsten Abendwein
schenkt mir mein hoher Vater in dem Himmel ein.
Jetzt, vor dem Scheiden, will ich euch geben meinen Leib
feierlich.
(Er nimmt Brot, segnet es und gibt allen)
Geliebte Söhne, nehmt und esset, denn dieses ist mein Leib.
Petrus
Du glaubst, Herr, daß auch nur einer von uns das wert ist?
Johannes
O göttlicher Tiefsinn, himmlische Speise.
Jakobus
Wie? Unser Herr gibt uns also mit seinen Handen seinen
leuchtenden Leib?
(Hier nimmt Jesus Wein und segnet ihn ebenso)
Jesus
Aus diesem Kelch trinkt alle mächtig aufgetanen Herzens.
Denn das ist mein Blut, das für euch vergossen wird.
Johannes
Blut des Heilands, Strom der Brüderlichkeit, süßester
Trank, himmlischer Wein!
Diesem Sturzbach göttlicher Liebe, der mich tranken will,
reiß ich auf mein Herz.
Glückseligkeit macht trunken mein Herz.
2k
Ist dies noch Haus?
Die Erde tönt unter mir, und mein Schall tönt an die
Sterne, sie umbrennen mich.
Jesus
Brot und Wein, die mein Leib und Blut sind, eins - mit
mir, nehmt auch am nächsten Osterfest, zum Ge-
denken an mich. Geliebte meiner Augen, mein
Herz dreht sich in der Brust, schmerzlich, denn
bald gebe ich von euch und auf einen Weg, von
dem ich nicht zurückkomme und auf dem ihr mir
nicht folgen könnt.
Petrus
Herr, wohin gehst du?
Es ist kein Weg so jäh und steinig, auf dem ich dir nicht
voll Freude nachklimme: das ist der Entschuß meines
Herzens.
Jesus
Aber ich sage euch allen: noch diese Nacht werdet ihr mich
verlassen. Aus Furcht werdet ihr sagen: ihr kennt
mich nicht. Und ich werde ohne einen einzigen
Jünger allein unter Fremden stehn und Grausamen.
Petrus
Wenn dich alle im Stich lassen, Herr — Petrus bleibt
bei dir. Und wenn keiner dich mehr kennen will,
ich werde vor dir stehen und sagen: Dieses ist
mein Bruder und Herr — Jesus."
22
Jesus
Nein, Petrus, ich sage dir: ehe der Hahn zweimal gekräht
hat, wirst du dreimal gesagt haben: Ich kenne
diesen Menschen nicht.
Aber ich sage euch noch mehr: einer von euch Jünglingen,
die ich liebe, ach, wird mich verraten. Wird mich
noch diese Nacht in die Hände geben derer, die
mich töten wollen.
Johannes
Wie, Herr, du wirst verraten sein?
Jakobus
Und durch einen von , uns?
Petrus
Wer denn, Herr? Nenn ihn! Nenn ihn, und wir packen
ihn, schlagen ihn als den ersten nieder, den andern
zur Warnung.
Jesus
Mein Wort ist ganz klar und ausreichend: Einer von euch
ja, und sein Gewissen hält ihn nicht ab, geht, sich
den Geldlohn holen für meinen Tod.
Wahrhaftig, es ist keine große Summe, für die er den Sohn
des Himmels verrät — oh, weniger Schmerz litte
ich, wäre ich nicht auf eure Erde herabgestiegen.
Jakobus
Wen meinst du, Herr?
Johannes
Sprichst du, Herr, von uns, die mit dir am Tisch sitzen t
23
Jesus
Von einem, der mit mir aus dieser gleichen Schüssel aß.
Petrus
Und wer, Herr, wird mit seinem Herzen das wagen?
Jakobus
Werde ich dir eine solche schändliche Tat antun?
Mattaus
Werde ich der Verräter sein, mit Bewußtsein?
Philippus
Oder ich?
Johannes
Ich?
Simon
Ich?
Judas
Da es hier zu einem so strengen Verhör kommt — erkläre
doch, Herr, bin ich es?
Jesus (leise)
Du sagst es.
Johannes (leise)
Herr, o Freund, Bruder, bei meiner ganzen Liebe zu dir bitte
ich dich: sage, gib mir ein heimliches Zeichen —
wer von diesen sinnt auf solch eine unausdenkbare
Schandtat?
Jesus (leise)
Um der süßen Zuneigung willen, Johannes, die ich für dich
habe, und da du die Augen voll Tränen hast,
komm an mein Herz.
(Hier legt Johannes seinen Kopf an die Brust Jesus)
Sieh, Johannes, der ist es, der jetzt aus meiner Hand das
Stück Brot nimmt.
(Hier hält Jesus Judas ein Stück Brot hin)
Judas
Gut, ich nehme es dir zuliebe.
(Hier tritt Satan neben Judas, während man wieder die Schreie der
Verdammten in der Hölle hört)
Satan
Wie lange Zeit willst du dir lassen, Feigling? Bring das
zu Ende, wofür du Geld eingesteckt hast.
Judas
Die Schande meines Herzens nimmt mir den Mut. Alles
anstürmende Wasser im Meer kann das Feuer
meiner ewigen Scham nicht auslöschen.
Jesus
Judas, es ist Zeit, zu Ende zu bringen, was vollbracht sein muß.
Judas (geht)
Jakobus
So eilig wohin geht unser Bruder?
Jesus
Q Freunde, glühende Brüder, deren Schritt ungetrennt immer
neben meinem Schritt hinklang,
deren Lager in der Furcht der Nacht atmend sich neben mein
Lager immer drang,
und zur gleichen Sonne immer sahen wir in der Frühe empor:
haltet osten der Liebe immer eurer Herzen Tor.
25
Nicht Wort, eure Liebe muß Opfer sein:
sinkt ein Bruder müde am Weg, so tragt ihn auf Armen
ins Haus hinein,
hungert noch irgendwer in der Welt, so soll nicht Sattheit
in euren Leibern sein.
Nie laßt Liebe weise sein und bedenken,
verschwenden will Liebe sich und eher sich ganz ausschenken.
Wer nicht verblutend den letzten Fetzen Tuch mit seinem Bruder
teilt,
dem bleibt das menschkranke Auge, zu Gott gehoben, ewig
ungeheilt.
Will, meine Brüder, das giftige Feuer des Haffes einmal
unter euch aufbrennen
und Streit der Worte euch wie mit Messern, Blut von Blut,
trennen,
so nehme vergebend den Zahn der Hual aus dem Herzen,
an Gott denkend, jeder dem andern.
Gottessöhne, Bruderschaft, ein Gestirn werdet ihr dann über
die Erde wandern.
Dann wird Licht von euren Gesichtern scheinen,
und die beladenen Menschen werden vor euch knien und in
eure starken Hände weinen,
und wen ihr anrührt mit euren Händen,
dem stürzt Glück in das Herz, er wird mächtig sich zu euch
wenden,
wird im Zug hinter euch hergehn, mit euch leuchten und mit
euch Strahlung der Liebe aussenden.
Dann werden die Menschen zu Brüdern über die Erde hin,
keiner an Golde reich.
26
doch jeder dem andern am Schatz schmerzvoll opfernder Liebe
gleich.
Denn nur auf den Flügeln der Liebe wird der Mensch zu
Gott getragen,
und das neue Reich der Gerechtigkeit wird nur durch Liebe
endlich herrlich auftagen.
So hebe ich mich, mein Vater, zu dir auf, von Liebe durch-
stürzt, und bete zu dir:
(Hier kniet Jesus und alle Jünger)
Unser Vater, der du bist im Himmel,
geheiligt sei dein Name.
Dein Reich komme,
dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsre Schuld,
wie wir vergeben unsern Schuldigem.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Übel.
Amen.
27
Das dritte Bild
> (Die Bühne zeigt den Olbaumgarten Gethsemane und am Ende eines
Weges die Gartentür)
1
Jesus (kommt mit den elf Jüngern)
Gegrüßt, o meine Mutter! Möge, was du wünschst, geschehn!
Maria (ist von der andern Seite gekommen)
Wie lang hab ich vergebens nach dir ausgesehn!
Jetzt stehst du da — und schon ist wieder Glanz ins Herz
gekommen.
Jesus
Wie lang nicht hab ich Worte solcher Zärtlichkeit vernommen!
Maria
Sieh, Sohn, ich muß mein Herz mit beiden Handen fasten,
sonst bricht es aus der Brust vor Traurigkeit.
Du hast beim Abschied mir ein Wort zurückgelassen:
du müßtest sterben bald, gekommen sei die Zeit.
Jesus
Ich muß erfüllen, was Gott meiner Seele aufgetragen.
Der Tag ist, Mutter, da: du darfst nicht klagen.
28
Maria
Ich steh, mein Sohn: nicht einen Tag mehr bleib
in der verfluchten Stadt mit deinem süß geliebten Leib.
Feinde sind lautlos hinter dir in Gaffen her,
nachts aber neben deinem Lager ist's von Freunden leer.
Wer hat noch Mut, dir heimlich ein Stück Brot zu reichen,
obwohl vor Hunger deine Augen tiefen Höhlen gleichen?
Wenn dich an Rock und Hals die wilden Hände fassen,
bist du und ich vom letzten Freund verlassen.
Jesus
Zu leiden diese Pein,
hab ich gebildet diesen Leib in deinem kindlich zarten Schoß,
und um aus langer Nacht die wehe Menschheit zu befrein,
muß dieser Leib zertreten sein, blutig und bloß.
Das ist bestimmt.
Nur durch mein Leid, einsamer als Tod des Tiers,
der Mensch den Weg in das umglänzte Gottesreich auf Erden
nimmt.
Ein Denkmal ewig muß ich auf dem Berge stehn,
damit die ungeborenen fernen Menschen sehn,
wie blutig mir um ihretwillen ist geschehn,
daß den verkündeten und lichtverklärten Weg sie nach mir gehn.
Maria
Dann schenke Gott mir Blutesstärke,
daß ich, obwohl das Herz dagegen schreit,
dich nicht abhalte von dem hohen Werke.
Demütig geh ich denn, mein Sohn, jetzt fort.
Doch willst du deiner Mutter
n einem dich nicht fügen ohne Widerwort?
29
Hör, hör!
Dies ist der Leib, der dein Haus war, dich schützend vorm
Schmer; des Lichts,
dies sind die Brüste, die zartesten Brunnen der Kindheit,
und dies die schwachen Schultern, die im Schmer; nicht stehn.
Wenn es geschehn muß, so willfahre mir in einem nur:
daß kurz dein Tod und leicht ist.
Jesus
Ich muß sterben einen langen, schmerzlichen Tod.
Maria
Aber doch nicht gewaltsam, von den Menschen?
Jesus
Gewaltsam, von den Menschen.
Maria
Weit von hier, wenn ich dich fragen darf?
Jesus
In dieser Stadt.
Maria
Aber doch nicht gerichtet?
Jesus
Gerichtet. Zwischen ;wei Straßenräubern.
Maria
Wenigstens ohne Ausruf auf dem Markt, ohne Zug durch
die Gaffen?
Jesus
Hoch hingehängt am Kreuz auf dem Berge.
30
Maria
Wirst du wenigstens bekleidet sein?
Jesus
Ich werde da hängen ganz nackt.
Maria
Aber das alles wird später einmal sein, nach vielen Jahren,
wenn du alt bist?
Jesus
Jetzt, in der Morgenfrühe meiner Jugend.
Maria
Möchte wenigstens dein Blut nicht dabei vergossen werden;
Jesus
Ich werde gestreckt und ausgespannt sein, daß alle meine
Knochen unter der Haut wie Messer sich zeigen,
über meinen Rücken werden Menschen mit Peitschen geigen,
in meine Hände und Füße bohren sie tiefe Wunden,
aus deren roten Brunnen das Blut weint viele Stunden.
Maria
Auf die Bitten einer Mutter gibt dein Mund nur harte
Antworten.
Jesus
Das Wort des Profeten muß erfüllt sein, der sagt: „Der
Sohn Gottes wird ausgestoßen sein, seine Henker
werden kein Erbarmen haben, von der Fußsohle
bis zum Antlitz wird er voll Blut sein."
51
Maria
Weh, Weh! Folter ist schlimmer als Tod. O arme
Mutter in Herzensangst — ist meine Bitte denn
ganz vergebens?
Jesus
Ich möchte dir deine Stunde leichter machen, aber das
Messer des Schmerzes muß ganz einschneiden in
das Herz deines Lebens.
Sei dennoch stark, meine Mutter, trage das Herz hoch,
denn nach allem Leid siehst du verzückt aus dem Grab dann
umstrahlt mich auferstehn.
Dann komme ich zu dir, im goldenen Wind des Felds, und
aufleuchtet dein Herz.
Maria
Also muß ich mich umwenden und gehn, und ich weiß, daß
es der letzte Abschied ist.
Gott will es, und ich kann nichts dagegen sagen.
Küssend deine Hände als das unsäglich Geliebteste auf dieser
Welt, gebe ich dick Gott zurück, deinem Vater.
Leb wohl, Sohn.
Jesus
Leb wohl, Mutter.
(Hier geht Maria, und Jesus wendet sich zu seinen Jüngern)
2
Jesus
Brüder, geht ein wenig abseits, während ich hier sprechen
will mit Gott, meinem Vater — denn ich fühle,
das bittere Leiden ist nah.
X
Petrus du und du Johannes und Jakobus du — bleibet,
Brüder, ihr da.
(Hier zieht sich Jesus weiter zurück und kniet. Die Musik beginnt schmerzlich)
Jesus
Wenn ich das Leiden vorausdenke, in das ich Hineinschreiten
muß wie in ein finsteres Tor, und des unglücklichen
Leibes Not.
schreit meine Seele schon jetzt unter der Peitsche der Angst
und ist traurig bis auf den Tod.
Vater im Himmel, Vater der köstlichen Sterne und des
atmenden Windes, Vater der einsamen Menschen
und der hilflosen Tiere, Vater der stammenden
Berge und des stürmenden Meeres, der bunten
Trauben am Weinsiock und der weißen Blumen,
dicht geflüchtet am Bach — was alles nur Gezweig
deines Urherzens ist, Vater, der alles auf Erden
in einem Blick sieht und der alles, was kommt,
schon im Anfang weiß:
sieh hier deinen Sohn, der die Liebe ist, zitternd wie ein ge-
hetztes Tier in der Wüste und ganz naß von Schweiß.
Ich trage das schwere Holz des Kreuzes mit meinem Herzen
schon jetzt, und mein Herz sinkt schon jetzt umstaubt,
die spitzen Nägel, die Hände und Füße durchstechen, sind jetzt
schon in meine Stirn geschraubt.
Ein Berg ist mein Tod, allzu schwer für eines Menschen zart
Gerüst — ein Schlächter trüge ihn nicht, und wie
ich, dem gestockter Herzschlag, gebrochenes Aug, ver-
letzte Haut und das ungeschützte Blut die Seele mit
unendlichem Schauer füllt schon beim geringsten Tier?
Schmidtbonn, Die Passion.
33
Vater, dessen Herz voll Güte wie eine unsichtbare Sonne
zu mir herunterbrennt, laß diesen bittern Schmer;,
wenn es sein kann, vorübergehn an mir.
(Hier steht Jesus auf, geht zu den drei Jüngern und sieht, daß sie schlafen)
Petrus, kannst du nicht wach bleiben mit mir eine arme Stunde?
Wacht auf, meine Brüder, kniet an die Erde, betet mit mir,
denn nah ist Schande und Wunde.
(Als sie nicht wach werden, kniet Jesus aufs neue und betet)
Ich dränge die abgezehrte Brust an dich, Erde, Stem,
fremder, auf dem ich hinabgelandet bin,
dich sonst in Handen haltend wie einen Spielball und jetzt
klein vor dir, ein Menschlein, verloren, winzig Stirn
und Kinn.
Der ich dich früher umwachte mit Augen schlafloser Liebe, und
immer war mein Atem köstlich schützend um dich her:
schütz du mich jetzt, mit den Fingern scharre ich mir ein
Grab in dir, krieche in dich hinein wie zurück in
den Schoß der Mutter, wohlig und lautlos sehr.
Greif, Erde, mit tausend Wurzeln in mich, überschütte mich
mit Kühle, zehre mich auf, mahle zu Sand mein
Gebein und Gesicht,
daß ich du bin, mit dir atmend, mit dir Gras nährend, und
aus meinem Herzschlag wächst der Baum, stumm,
wehrlos ins Licht.
Ihr Engel, seligen Brüder, die ihr strahlt durchsichtig, daß
man die Sonne des Herzens in eurer Brust sieht
und daß meine Meuschenaugen daran versengen
müßten.
34
laßt einen Hall eures Liedes herunterwehen, daß Gefühl des
Himmlischen in mich schlagt. Gift der Furcht in
mir wegfressend mit Atem aus unirdischen Brüsten.
Hände, Hals, Stirn, Augen — seid nicht mehr ich, nicht
mehr Mensch, fallt ab von mir. Staub, daß mein
Herz körperlos schwebe über den Baumen und
steige zu den fernen Sonnengerüsten.
Ach, Vater, einmal kam ich durstig an einen Brunnen aus
Fels. Vater, der du mir zu Freunden des Herzens
gegeben hast, geliebter noch als die Büsche am
Feldrand, deine Brunnen — der Brunnen klang
nicht, war Eis.
Da ergriff mich, aus mir stürzend, ein Weinen, unendlich,
und du, Gott, ein lächelnder Vater dem unver-
nünftigen Kinde, gabst mir Stärke des Atems und,
angeatmet, oh, das Eis schmolz und das Wasser
tönte und das Wintergras stand auf, gefärbt mit
Leben des Sommers, und Vögel kamen herbei,
im Baum sitzend und mich betäubend mit Schall.
Nicht damals hatte ich dich gebeten, Vater, und du gabst.
Jetzt flehe ich von dir und du bleibst weit, nicht anzurufen,
als ob du nicht seist.
Petrus (jetzt erst erwachend)
Was sind wir für erbärmliche Kerle: schlafen, wenn unser
Herr wacht?
Johannes
Was ist mir für eine seltsame Müdigkeit auf die Augen
gebracht?
Z'
35
(Hier erscheint der Erzengel Michael, strahlend, daß die Baume des Gartens
erhellt werden, und die Musik wird tröstlich)
(immer auf den Knien)
Es wühlt eine Schlacht in meiner Seele, Wille zerfleischt
Wille, es schreit und blutet in mir.
Vater meines Herzens, vom Gesicht fällt mir der Schweiß
in Tropfen rot, Blut: ich schreie zu dir.
O hättest du mich zum Berg gemacht, hätt' ich vielleicht
die Nacht der Wolken durchstoßen mit felsigen
Lenden —
aber du hast mich zum Mensch unter Menschen gemacht, ich
muß fallen im Sturm: erlaß mir, Vater, das
Werk zu vollenden.
St. Michael
Sohn Gottes, des Sonnewigen, füll Mut in dich!
Tritt in die Schlacht, siegreich gehst du daraus hervor.
Schreit' in den Sturm: dein Schiff erreicht das goldnc
Tor,
und deinen Tod dankt dir die Menschheit auf den Knieen
ewiglich.
Leg festen Augs den Stein in deine Schleuder, schleudre ab,
stürz um den Goliath der Menschenqual ins Ewiggrab.
Dringe zu denen vor, die in der Finsternis mit Schreien
warten
auf dein lichtüberstürztes Bild und deinen Himmelsgartcn.
Jesus
O mein Vater, du hast mich nicht vergessen in der Rot,
ich spüre plötzlich Kraft von einem herrlich starken Himmelsbror.
36
Ich seh das ganze Menschgeschlecht, weinend, gekettet an die
Mühe:
ich bin bereit zu sterben: sende, Vater, deine Morgenfrühe.
(Hier steht Jesus wieder auf, geht wieder zu den drei Jüngern hin, findet
sie wieder schlafend)
Steht auf, o meine geliebten Freunde! Nicht Zeit ist's mehr
zu schlafen.
Sie kommen schon, den Gottessohn zu fangen und im Blut
zu strafen.
Die Sonn' erbrennt noch nicht, doch schon ein Vogel singt —
auch du von Gott, auch dir mein Tod die Liebe bringt.
O Gott! O Welt! Die Sonne stürzend aus mir dringt.
3
(Hier sieht man durch die Gartentür Judas kommen mit den Pharisäern)
Judas
Alles geht gut: da steht die ganze Sippschaft — drauf!
Jerobeam
Wir brauchen nicht die Schlucker alle da im Malsenkauf.
Not ist allein uns der Profet.
Judas
Der Hagere ist es, der inmitten steht.
Ich werde ihn, zu eurem Zeichen, auf die Stirne küssen.
Haltet bereit die Knechte hinter mir, die ihn umstellen müisen.
Malchus
Laßt mich als ersten an den Mann.
37
Ruhe.
Jerobeam
(Hier geht Judas zu Jesus hin und umarmt ihn)
Judas
Herr, ich grüße dich.
Jesus
Bruder, wozu kommst du heran?
Und mit so unterwürfigem Gruß, für so geringen Lohn?
O Judas, du verrätst mit einem Kuß den Gottessohn.
Jerobeam
Anpacken, Strick her, binden!
Was steht denn steif ihr da?
Malchus
Ich kann den Mann in einem Nebel nicht mehr finden.
-O Zauberei! Nahes ist weit, das Weite nah.
Jesus
Wen sucht ihr. Freunde, hier?
Jesus von Nazareth.
Dragon
Jesus
Der steht vor dir.
(Hier stürzen die Knechte hin)
Malchus
Verfluchte Hexerei! Was schmeißt mich an die Wand?
Ich kann nicht hoch, der Boden saugt mich fest.
Jerobeam
Ich hab euch doch gewarnt vor seiner Hexenhand.
Auf doch! Dran, reißt den Vogel aus dem Nest.
38
Steht auf.
Jesus
(Die Knechte erheben sich)
Jerobeam
Geschwind setzt an den Mann.
Malchus
Teufel, ich pack den Menschen an.
Rollart
Da hab ich ihn.
Dentart
Der spricht kein Vaterunser mehr.
Rollart
Zu End« ist er setzt mit seiner Zauberei.
Dragon
Jetzt, Bruder, ist das Hingeschlags an dir.
Schnür um den Fuß ihm einen Strick wie einem Stier.
Jesus
Warum kommt ihr zu mir in dunkler Nacht?
Ihr hättet mich doch leicht am Tage eingebracht.
Ihr findet mich doch seden Morgen in dem Tempel stehn-
Doch nehmt mich hin, nur meine Leute hier laßt gehn.
(Die Jünger sind in großer Furcht abseits gegangen)
Petrus
Seht, Brüder, diese Menge wild und dicht.
Fort! Sonst erleben wir den Morgen nicht.
Johannes
Zu spät, es ist kein Ausweg — ihrer ist die Macht
Mattäus
Wir sind zu unserm Tode aufgewacht.
(Hier fliehen die Jünger, nur Petrus und Johannes machen in der Ferne
wieder Halt")
Rollart
Der Knoten, Freund, ist eiserner als Eisen.
Die Füße hoch! Jetzt heißt es schmerzlich reisen.
Johannes
Da führen sie ihn weg! Sieh, wie sie auf ihn schlagen.
Petrus
O Zorn! Mit wehrlos leeren Händen solches müssen tragen.
Johannes
O Freund, ihm nachzugehn von weitem: laß uns leise wagen.
Das vierte Bild
(Die Bühne zeigt links den Hof im Hause des Kaiphas, rechts die Tür zum
Hause des Pilatus mit Treppe und Säulen. Davor steht der mächtige
Richterstuhl)
1
(Die Knechte kommen und stoßen Jesus vor das Tor des Hofes)
Jerobeam
He, Pförtnerin! He, aufgemacht!
Abia (innen)
Wer ist da?
Jerobeam
Hier ist nicht einer. Wachleute stehn bei mir —
sie haben eine große Sache hinter sich gebracht.
Abia
Bringt ihr den Jesus, den wilden Profeten, hier?
Jerobeam
Ja, Jesus — komm und sieh.
Abia (kommt heraus)
Dann werdet meinem Herrn ihr hochwillkommen sein.
Rollart
Nicht viel zu sehn an ihm, Strick um den Fuß wie Vieh.
Abia
Nicht viel: ein magrer Kerl. So kommt zum Hof herein.
Doch macht nicht zu viel Lärm.
Rollart (kneift sic)
Du hast's mit Kavalieren hier zu tun, mein Kind.
Abia
Wen glaubt ihr, wen ihr vor euch habt, ihr Blutgestnd?
Rollart
Kalt wie am Galgen heut, mein Herz friert mir zu Eis.
Abia (wirft Holz hin)
Da! Brennt das an. Dann ist euch bald zu heiß.
(Die Knechte machen ein Feuer.- Jetzt erscheinen Johannes und Petrus an
dem Tor)
Johannes
Frau, seid so gut, laßt mich ein wenig ein.
War oft schon hier, hab meine Fische euch gebracht.
Will nur die Finger wärmen in der kalten Nacht.
Abia
Komm nur, Johannes.
Petrus
Darf ich nicht auch ein wenig, Frau, herein?
Abia
Wozu?
42
Petrus
Seid doch so gut, ich stehe hier im Regen.
Abia
Fort! Keiner kommt herein, an dem mir nichts gelegen.
Wer bist denn du?
Petrus
Ein armer Teufel ohne Bett im Frost.
Johannes
Laß diesen Mann ans Feuer, liebe Frau.
Er will nur Warme, keinen Trank, nicht Kost.
Abia
Kennst du, Johannes, ihn genau?
Johannes
Ich stehe für ihn ein.
Abia
Weil du es bist, soll es für diesmal sein.
(Hier geht Petrus an das Feuer und wärmt sich)
Kassandra (die zweite Magd)
Wer ist der Mensch, der sich ans Feuer reiht?
Ich weiß genau: ich sah ihn oft schon in der Gaffe.
Komm her, Kerl, und die Wahrheit hören lasse:
Bist du ein Jünger nicht von dem? Du trägst dasselbe Kleid.
Petrus
Wer? Ich?
43
Kassandra
Ja, du. Wer bist du? Antwort, mit Verlaub!
Seht doch den Kerl!
Ich sah mit Jesus ihn zusammen stets in Volk und Staub.
Petrus
Wie? Gib doch acht, Frau, was du sagst.
Ich weiß von diesem Jesus nichts, nach dem du fragst.
Kassandra
Schwätz du, so viel du willst:
den Zweifel du mir damit doch nicht stillst.
Das ist gewiß: in dieser Gegend bist du nicht zu Haus.
Petrus
Ich kenne keinen Jesus, laß mich endlich aus.
Rollart
Uns redest du das vor? Ich hab dich doch gesehn
heut nacht im Garten neben Jesus stehn.
Dragon
Das ist der Kerl, der unserm Kamerad das Ohr abschlug.
Petrus
Bei Gott, ich kenne euren Jesus nicht. Genug!
(Hier kräht ein Hahn zweimal, und beim zweitenmal sieht Jesus Petrus an)
Petrus (abseits)
Ich Schuft! Ich Feigling! Meineidige Kreatur!
Wie sah mein Herr mich an bei meinem falschen Schwur !
Was habe ich getan? Untreu an meinem treuen Herrn!
44
Und geh ich, meine Schande zu beweinen, noch so fern —
nie glänzt mir jemals wieder überm Haupt des Herren
Gnadensiern.
(Hier geht Petrus und weint)
2
Der Ausrufer
Platz, Wachleute! Der Hohepriester!
(Jetzt kommt Kaiphas mit den Obersten der Pharisäer und Schrifigelehrten.
Die Wachleute führe» Jesus vor ihn)
Kaiphas
Hierher, du übler Mensch, verführend und verführt —
bist du der, der im ganzen Land den Brand des Aufruhrs schürt?
Der überall wie rasend das Gesetz verspottet,
Märchen dem Volk erzählend, das sich um dich rottet?
Du sollst noch schlimmerer Verbrechen schuldig sein.
Du hast zwölf Männer um dich, weniger nie, nie mehr:
gebrauchst du diese Zahl, man sagt, zu Zauberein?
Zu welchem Zweck hast du die Leute um dich her?
Du schleifst sie hinter dir von Stadt zu Stadt,
in halb zerlumpten Kleidern betteln sie an allen Türen,
sind mager und vor Hunger oft ganz sierbensmatt —
warum verdienen sie durch Arbeit nicht ihr Brot?
Warum hast du aus ihrer Tätigkeit sie müssen führen,
von Schusterschemel, Schneiderbank und Fischerboot?
Zeig mir an einem Beispiel doch, welch Lehre du sie lehrst.
Jst's wahr, daß diese Lehre heimlich dir des Nachts von
Gott zugeht,
und daß mit Gott auf diese Art du als ein Freund verkehrst?
Dann glaubst du auch zu sein ein heiliger Profet?
45
Jesus
Was fragst du mich? Du weißt doch, daß ich stand
im Tempel und auf Plätzen überall im Land,
Gespräche hielt und Beispiel gab vor jedermann:
so frag die Leute, heilig wild, die ich durch Wort genxmn
Kaiphas
So sprichst du mit dem Hohenpriester, Tagedieb?
(Er schlägt ihn)
Jesus
Kannst du: beweise mir das Gegenteil.
Doch sonst — was triffst du mich mit solchem Hieb?
Jerobeam
Hier bringen Zeugen nur uns Heil.
Laß doch, o Herr, ausrufen in der ganzen Stadt:
herkommen soll, wer Übles von dem Mann gesehen hat.
Kaiphas
Ein guter Rat. Schnell, Ausrufer vor!
Der Ausrufer
Aufgepaßt! Achtung! Ruhe!
Bürger von Jerusalem, hört, hört, hört!
Jesus ist aus dem Nest gestört.
Vorm Hohenpriester angebunden steht
der Hexenmeister, der Profet!
Wer gegen diesen Jesus zeugen kann,
der trete vor, der Richter hört mit Dank ihn an.
(Er geht. Man hört ihn in der Ferne immer aufs neue rufen,
beginnt sich zu sammeln, darunter Rembroth, Nabanus, Pharäus)
Nembroth
Seid ihr wie ich gesonnen, ist das Spiel gewonnen.
Pharäus
Gewonnen gut, wenn ihr nach meinem Rate tut.
Rabanus
Rat, was wir sollen.
Nembroth
Sie hassen Jesus bis aufs Blut.
Das Blut wird Geld und springt uns in die Hand,
wenn wir bezeugen, was sie wollen.
Pharäus
Zwölf neue Fälle sind von Jesus mir bekannt.
Nembroth
Vorwärts, mit dreister Stirne angerannt.
Der Ausrufer (kommt zurück)
Die Sitzung, hoher Herr, kann jetzt beginnen.
Kaiphas
Ich rief euch, Leute, her zu dem Behuf:
Da steht ein Mann, Jesus genannt, von üblem Ruf
und tödlich schwerer Fälle angeklagt.
Jetzt will ich sehn, ob einer ist, der gegen ihn besagt.
Rabanus
Hier ist schon einer.
Der Mann hat ein Geschmeiß um sich geschart
von Männern aus Galiläa, wild behaart,
mit denen er durch Stadt und Tal zieht aus und ein —
und wovon leben sie? Von Raub und Diebereien.
47
Nembroth
Kranke macht er durch Zauberei genesen
und sagt, er sei vor Abraham schon auf der Welt gewesen.
Pharäus
Er treibt dies Zauberwerk auch selbst am Sabbattag.
Und wenn er auf der Straße wird gefragt,
warum er mit den Händen solche Zeichen macht,
so sagt er: Gott der Vater macht es ebenso.
Kaiphas
Hat er nicht auch verkündet irgendwo,
er selber wäre des lebendigen Gottes Sohn,
herabgestiegen von des Vaters Thron?
Rabanus
An mehr als sieben Orten hab ich selbst gehört,
daß er so spricht und dadurch alle Ruhe stört.
Kaiphas
Du niederträchtiger Mensch — was willst du darauf sagen?
(Da Jesus schweigt)
Wie? Bist du taub? Bleibst du verstockt bei solchen Klagen?
Nembroth
Er macht, daß schon das Volk gen Rom und Kaiser brennt,
weil er — das hört' ich selber — sich der Juden König nennt.
Pharäus
Er sagt, daß solche Zauberkräfte ihm gehören,
daß in drei Tagen er den Tempel kann zerstören
und neu und goldner wieder auferbaun.
48
Kaiphas
Ein Todesweh ergreift mich und ein Graun,
und rasend schwillt das Her; mir an vor Zorn.
Wenn ungestraft der Mensch vom Hof hier geht,
mein Mund mir nie mehr lachend offen steht.
Hierher, Unmensch, verfluchte Kreatur, Schuft, Wicht,
komm ganz heran: bei dem lebendigen Gott
beschwör ich dich: sag mir jetzt ins Gesicht —
ob du bist Jesus, den verkünden die Profeten,
Jesus, um den wir alle auf den Knieen lange beten.
Jesus
Du sagst es. Und du siehst es bald:
wenn plötzlich über dir zerreißt des Himmels Lichtgewalt,
dann steht, stolz neben Gottes Ewigthron,
der jetzt gebunden sieht, des armen Menschen Sohn.
Nicht stolz: wenn ungeheuer Glanz und Strahl euch blenden
und ihr gestürzt daliegt auf Knien und Handen —
wird meine Stimme süß wie Engelsstimme singen,
daß euch die Tränen wie ein Urquell aus gelöstem Herzen springen.
Und Gott mein Vater küßt mich auf den Mund.
Kaiphas
Hört, hört den gotteslästerlichen Hund!
Was soll man da noch Zeugen fragen? Zeugen genug!
Schuldig des Martertods sag ich! Und ihr: seid klug!
(Er zerreißt sei» Kleid)
Alle Pharisäer
Schuldig des Martertodes! Todesspruch! Todesspruch!
Kaiphas
Pontius Pilatus muß das Todesurteil sagen.
Schrntdtborrn, Die Passton. *
Jerobeam
Vorwärts zu PontiuS Pilatus!
Dragon
Vorwärts, Hund!
Rollart
(wirft ihm ein Tuch über und schlägt ihn)
Profet, weissag': wer hat dich jetzt geschlagen?
(Alle gehen mit ZesuS vor da- Hau- de- Pilatus)
3
Jerobeam (klopft an die Tür)
He, Pförtner, der Herr Statthalter muß sogleich heraus-
kommen und Gericht halten!
(Er klopft wieder)
He, hörst du nicht? Ruf deinen Herrn heraus.
Barrak (der Pförtner, kommt)
Das nenn ich früh daran! Nock schläft das ganze HauS.
Jerobeam
Es gibt kein früh, kein spät vor dem Gesetz bei eiligem Fall.
Pilatus (kommt)
Wer bittet hier Gericht mit solchem Schall?
Was soll die Menge Volks? Warum dies mitten in derNacht?
Jerobeam
Statthalter, hör: wir haben einen Menschen hergebracht —
was Menschen? Einen tollen Hund.
Des Todes schuldig sprach ihn unser aller Mund.
Dock gibt zu töten dein Gesetz uns ja kein Recht.
Drum sprich du um den Hals den Teufelsknecht.
so
Pilatus
Wer sich an euerem Gesetz verfehlt, doch euch gehört.
Jerobeam
Er hat die bürgerliche Ruh in Galiläa gan; zerstört:
ein Feind des Staats gehört vor dein Gericht.
Pilatus
Ist er ein Galiläer, muß Herodes Urteil sprechen.
Jerobeam
Bist du Statthalter deines Kaisers nicht?
So richte die, die jede Achtung vor dem Kaiser brechen.
Pilatus
Herodes nehme dieses Falls zuerst sich an:
findet er Schuld, gut dann, so richte ich den Mann.
(Hier führen die Pharisäer Jesus fort zu Herodes)
Pilatus
Barrak, hör nickt auf dies Geschmeiß zu viel.
Ich spiel nicht mit in diesem Spiel.
Ruf deine Leute! Treib den Narren an sein Ziel.
(Er geht ms Haus)
Barrak
(geht zu den Knechten, die tiefschlafend unter dem Nichterstuhl verkrochen hocken,
während Breifort zusammengerollt darauf liegt)
He, auf! auf!
Wie alte Hahne liegen sie in ihren Federn da,
als wär der schönste Erdcnmorgen noch nicht nah.
Breifort
Laß mich in Ruh.
sr
Barrak
Was, ich, deinHauptmann, soll hier wach sein wie ein Kettenhund,
und ihr wollt schnarchen da mit aufgesperrtem Mund?
Klakedanz
Scher dich weg!
Barrak
Du schläfst im Amt?
Klakedanz
Schlaf ist mein Amt des Nachts.
Barrak
Orjart!
Orjart
Was für ein Esel blökt da?
Barrak
Ich weck' dich und du schnarchst schon wieder wie ein Vieh?
Klakedanz
Was kann ich Besseres tun so früh?
Barrak
Breiart! Herab vom Stuhl! Der Statthalter befiehlt.
Breiart
Was riecht da? Habt ihr schon den Braten auf dem Feuer?
Zum Teufel, gebt mir acht, daß hier im Hof ihn keiner stiehlt.
Barrak
Welch herrliche Gesellschaft! Euch zahlt Rom zu teuer.
Wolfshunde, auf! Heut gibt es ein gesegnetes Geschäft.
Klakedanz
Im Ernst? Da bin ich, dann wird mitgekläfft!
Soll ich zurecht die Peitschen, Ruten, Geißeln machen?
Barrak
Ja, los! Auch Zangen, Sägen und die andern süßen Sachen.
(Die Knechte gehen)
4
Maria (kommt mit den heiligen Frauen)
Schwestern, ich steh euch, daß ihr mir die Wahrheit sagt:
wo haben meinen Sohn sie hingebracht?
Ich irre durch die Gaffen — Schwestern, geliebt,
ist keine, die vom Sohn mir Nachricht gibt?
Johannes
Bei Gott dem Herrn — verlange nichts ;u wissen.
Mir ist der Atem aus der Brust gerissen,
mein Mund stöhnt auf, sieh, meine Augen weinen,
der Schmerz drückt fast den Leib herunter zu den Steinen.
Maria
Zu welchem Schmerz bin ich hierhergekommen?
Verheimliche mir nichts: denn ist es an der Zeit,
daß ihm von Gott das junge Leben wird genommen,
so darf mein Herz nicht langer jammern, ist bereit.
Johannes
O meine Frau Maria: Jesus ist gefangen,
und keines Menschen Hilfe kann zu ihm gelangen.
Sie höhnen ihn, er sagt kein bittres Wort.
Sie binden ihn, er hält die Hände hin.
Sie schlagen ihn, er bieget nicht einmal den Rücken fort.
Maria
Q unglückselige Mutter, die ich bin!
Gib Gott im Himmel, dies zu tragen, Kraft.
53
Magdalena
Frau, Frau, richt hoch dein Her;
und denk an Höheres als an Mcnschenschmerz.
Gott will dies und dein Schmerz erlischt,
wenn du erkennst, wie hinter deines Sohnes Schmerzen
das himmlische Geheimnis mächtig aus dem Dunkel bricht.
Maria
Man muß Gott gehorsam sein, so großes Leid sein Wille
auch bestellt.
Doch ich bin nur ein Mütterchen, das Einfachste auf der Welt.
Ich möchte, daß die Welt in Lieb zu meinem Sohne überdrängt.
Ist's zu verwundern, wenn mein Mund aufschreit?
Und zu verwundern, wenn mein Herz sich auseinander sprengt?
Wenn Gott mir seine starke Hand nicht leiht,
sink ich wie ein beladnes Pferd in Staub.
Ja, ganz zerstört in meiner Stirn, wcrf ich mich in den Staub
und schreie zu dem Lichte Gottes auf:
(Maria kniet und die Harfen beginnen zu spielen)
O in himmlischer Glut
Herz der feurigen Gnade —
du hast meinen Schoß erwählt, in meinem Schoß durfte er
Wurzel fassen,
willst du den einzig Geborenen, Vater, jetzt unter den Menschen
verlassen?
Nicht bitte ich ihn zurück, denn nie war ich wert,
einen Sohn zu haben wie diesen, doch er war mir beschert,
und doch habe ich ihn geboren in Schmerzen
und Kummer um ihn getragen in ruhelos blutendem
Herzen.
54
Vater, gewaltiger Gott, den Glan; deiner Steme verlöscht
kein Wind:
schützt vor den umbarmherzigen, wilden Menschen heute mein
Kind.
(Maria geht mit Johannes und den heiligen Frauen. Jetzt Hirt man die
Klage der fernen Seelen im Vorhimmel)
Die Seelen (singen)
Wann kommst du, süßer Heiland, her?
Der Fels der Hual bedrückt uns schwer.
Andere Seelen
Wann kommst du, Weltbefreier, an?
Daß unser Flug zum Licht mit Schall beginnen kann.
Die Teufel (singen dagegen)
Ewigtod, Ewigtod
ist unser Lied.
Dem Ewigtod
keiner von uns entflieht.
Ewigtod, Ewigtod
ist unser Lied.
SS
Das fünfte Bild
(Die Bühne zeigt dasselbe Bild wie vorher)
1
(Die Juden mit Jesus kommen zurück. Jerobeam klopft Barrak wieder heraus)
Jerobeam
Hier schickt Herodes wieder uns zurück:
Pilatus soll allein entscheiden über dieses Manns Geschick.
Barrak
Mein Herr beschwört euch, ihn in Ruh zu lassen,
er will nichts hören mehr von eurem Gift und Hassen.
Doch hier, sagt er, sind seine braven Leute,
die hängen euch den Mann noch heute.
Jerobeam
Wir haben doch — Pilatus weiß — kein Recht,
selber zu töten den geringsten Knecht.
Was denkt Pilatus? Will er uns von seiner Tür so schicken?
Sag ihm, wir warten hier, bis er sich läßt erblicken.
(Während alle Juden schreien, geht Barrak ins Haus. Dann erscheint oben
auf der Treppe Pilatus)
Pilatus
Zum Teufel! Was wieder?
56
Jerobeam
Herodes dankt dir für die Absicht deiner Ehrung sehr.
Pilatus
Viel Dank auch ihm! Doch dankt' ich ihm noch mehr,
hätt' er mir abgenommen dieses Urteils Last —
von diesem Menschen kommt mir Unglück, ahn ich fast.
Hat denn Herodes ihn befragt und Schuld nicht festgestellt?
Jerobeam
Wir haben dir gesagt, daß dieser Mensch die armen Leute prellt
und lügt, er sei von Gott selbst auf die Welt gesandt.
Rabanus
Er sagt, man solle keine Steuern zahlen mehr in Kaisers Hand.
Nembroth
Der Juden König nennt er sich vor jedem, der es hören mag.
Pilatus
Ärmster der Bettler — König nennst du dich am Hellen Tag?
Damit vergehst du dich am Kaiser, der dies Land besitzt.
Sag mir, du Tropf, worauf dein Königsrecht sich stützt?
Jesus
Mein Reich ist nicht von dieser Welt.
Jerobeam
Als Gottes Sohn hat er sich aufgestellt.
Das straft — erkundige dich — das jüdische Gesetz mit Tod.
Pilatus
Komm, Jesus, einmal her, sag mir doch einfach das:
wer bist du?
Du bleibst ganz stumm? Zeigst solchen Hochmut? Was?
Weißt du nicbt, daß von mir ein einzig Wort
dich frei macht oder führt zum Tode fort?
Jesus
Über mich hattest du auch mit tausend Worten nicht Gewalt,
wenn Gort es nicht so wollte.
Pilatus
Ein Mißgriff: macht ein Ende damit, Herrn.
Je mehr ich frage, sch ich Schuld von diesem Menschen fern.
Jerobeam
Du gibst ihn frei? Verweigerst uns Gerechtigkeit?
Pilatus
Um meines Amtes willen bin zu etwas ich bereit.
Man aikk euck stets zu Astern einen aus den Ketten frei.
Mörder Barrabas, ob Jesus dieser eine fei.
Piragmon
Jesus laß frei, den sanften, heiligen Profeten.
(Das Volk schreit: Jesus)
2
Kaiphas (schreit von der Treppe seines Hauses)
Was schreit ihr Narrn? Jetzt habt ihr um den
Was? Dieser Jesus? Jede heilige Crdenordnung schmähet er.
Wer schreit noch Jesus? Der soll uns das büßen schwer
Salmanazar
Wir tun, was du willst, Herr.
Pilatus
Wen wollt ihr frei?
Barrabas.
Jerobeam
Pilatus
So ho< den Mann herbei.
Brei fort (öffnet die Zelle)
He, hinten du! Rühr dich! Herausgchüpft!
Schneid nicht lang ein erstaunt Gesicht! Den Hut gelüpft!
Schad um den schönen Hals, der mir entschlüpft.
Hier, Statthalter, ist der Kerl.
Pilatus
Seht alle her!
Hier, Barrabas, bedeckt mit Raub und Totschlag schwer.
Hier Jesus, der Profet, der euch im Tempel lehrte sanfte,
hübsche Dinge,
wen wollt ihr, daß ich euch als Osiergabe bringe?
Kaiphaö
Barrabas.
Das Volk
Barrabas! Barrabas!
Salmanazar
Herr, alle wollen — hörst du? — Barrabas soll's sein.
Pilatus
Und was tu ich mit Jesus, eurem Profeten, dann?
Jerobeam
Ans Kreuz, ans Kreuz, ans Kreuz den Mann!
Pilatus
Ans Kreuz, wie, euren König?
Kaiphas
Erzürn uns nicht mit diesem Wort.
Dein Kaiser in Rom ist unser Herr allein.
Führ Jesus jetzt zum Tode fort.
Pilatus
Was soll ich, meine Freunde, euch noch weiter sagen?
Wenn hundert Rutenstreiche Jesus hat getragen,
wenn über seine Haut das Blut läuft — könnt ihr dann
noch klagen?
Kaiphas
Wir werden sehn.
Pilatus
Fangt, Knechte. , an zu schlagen.
(Jetzt führen die Knechte Jesus in eine Ecke, binden ihn an eine Säule und
beginnen ihn zu schlagen)
Breifort Eins.
Klakedanz Und zwei.
Orjart Und drei.
Breiart Und vier.
Breifort Braiarr, du läßt ihn nicht zu kurz kommen.
statt eines Schlags gibst du drei.
Klakedanz Eins.
Orjart Und zwei.
Braiart Und drei.
Breifort Und vier. Wenn es zwölf sind, schlag übers
Kreuz zum Zeichen.
Klakedanz Teufel, ich bin schon müde. Ich habe zu fest
zugehauen.
Breifort
Klakedanz
Orjart
Braiart
Klakedanz
Breifort
Klakedanz
Orjart
Braiart
Breifort
Klakedanz
Orjart
Braiart
Breifort
Klakedanz
Orjart
Laßt uns ein wenig zu Atem kommen. Ka-
meraden: dieser Jammerkerl hat sich
König der Juden genannt. Wir müssen
ihm einen Königsmantel anziehen. Wer
hat so was bei der Hand?
Hier, dieser Fetzen, purpurrot, voll Löcher.
Und das Szepter?
Hier, dieses Schilfrohr.
Und die Krone?
Eine Krone aus Dornen für den Stutzer.
Und in seine königlichen Schlafen drücken
wir sie hinein, bis ins Hirn.
Heit unser neuer König!
Sein Hut ist schön, aber sein Mantel ist ein
wenig schmutzig.
Wo sind seine Pagen? Sein Thron? Sein
Schloß?
Das ist ein König, hoch und stolz. Aber
er muß auch Ritter sein. Wir müssen
ihn zum Ritter schlagen. Ohne lange
Komplimente, Herr König, wir müssen
wieder mit den Hieben anfangen. Eins!
Und zwei.
Und drei.
Und vier.
Und noch eins.
Und zwei.
Und drei.
(Hier geht Pilatus zu Jesus hin)
sr
Pilatus
Halt! Ihr schlagt zu fest.
Kameraden, erlaßt ihm für heut den Rest.
So blutig steht er, daß er nicht mehr stehen kann,
ich seh mit meinen Augen das nicht länger an.
Ihr Herren Juden, da habt ihr, was ihr habt gewollt:
Ecce Homo!
Seht, das ist Leiden! Seht, was ein Mensch muß tragen.
Bedenkt, daß er ein Mensch ist, Mensch, wie zu beklagen!
Ein jedes Tier liebt seinesgleichen,
und dieser tragt an Stirn und Aug des Menschen Zeichen,
ist euer Bruder. Wenn ihr darum zornig brennt,
weil er im Wahn sich euren König nennt,
so seht sein jammervolles Königskleid,
wie's trug und tragen wird kein König noch zu keiner Zeit.
Seht diese Krone, dieses lächerliche Szepter an.
Sein Leib ist Scbmerz, daß er nickt Arm und Fuß mehr rührt.
Ich sag euch: meiner Amtspflicht ist genug getan.
Sagt ihr, ob ihm noch mehr gebührt?
Jerobeam
Ans Kreuz! Ans Kreuz! Sprich doch dein Urteil jetzt.
Pilatus
Kein Tiger wär von solcher Wut gehetzt.
Herren, ich bin verwundert über euch:
welch neuen Schmerz noch wollt ihr diesem armen Menschen tun,
der jetzt schon einem Toten gleicht?
Jerobeam
Statthalter, hüt dick, daß — läßt du ihn leben — er uns
nicht entweicht!
62
Nur wenn er hängt am Kreuz verdorrt,
ist er verwahrt an einem sichern Ort.
Pilatus
Aber ihr Herren!
Kaiphas
Ach was Herren!
Wenn er des Todes schuldig ist, was soll er leben?
Pilatus
Was liegt an diesem Leben viel? Ach Herren.
Kaiphas
Was Herren?
Wenn er ans Kreuz gehört, was willst du ihn dem Kreuz
nicht geben?
Ach Herren.
Pilatus
Kaiphas
Was Herren?
Willst du dich eines Gotteslästerers annehmen?
Pilatus
So müßt ihr Herren selber euch bequemen.
Mir steht, kurz, dieses Amt nicht zu.
Kaiphas
Dann gegen deines Kaisers Willen handelst du.
Du hast zu schützen gegen Aufruhr seinen Staat.
Er wird dir übel danken den — ich nenn es laut — Verrat.
Jerobeam
Wird dich vielleicht entheben aus dem Amt.
Pilatus
Seht diese Menge, Sklaven jedes schlechten Triebs gesamt:
was käme mir von ihnen für Gewinn?
O armer Mensch, ungern werf ich dich deinen Henkern hin.
Doch fürchte ich den Kaiser so, daß ich nachgeben muß.
Ihr Herrn, daß ihr zufrieden seid: steig ich zum Richterstuhl
mit schwerem Fuß.
4
(Wahrend Pilatus die Stufen zum Stuhl hinaufschreitet, eilt seine Gattin
herbei und halt ihn an)
Die Gattin des Pilatus
O mein geliebter Mann, was dieses Volk auch schreit:
tu gegen diesen armen Menschen nichts, ihn hat ein Gott geweiht.
Ich sah im Traum sein Antlitz, Augen, Stirn, so trauervoll —
gewiß bin ich, daß, wer ihn tötet, ewig Leid drum haben soll.
Pilatus
Ich habe, Frau, ein Amt: ich muß mein Amt versehn.
Kaiphas
Statthalter, fang an.
Pilatus
Ihr Freunde wollt, daß dieses Unrecht soll geschehn.
Nicht billigen kann mein Herz dieses unschuldigen Menschen Tod.
Darum, nach meiner Heimat Sitte, wasche ich in Unschuld
meine Hände.
Kaiphas
Was hat das mit dem Gesetz zu tun?
Statthalter, sprich das Urteil! Komm zu Ende!
64
Pilatus
So muß es sein.
Ich, Pontius Pilatus, Statthalter in Judaa, an Kaisers
Statt Richter in diesem Land, habe die Anklagen
gehört gegen Jesus, in seinem Beisein die Zeugen
vernommen. Ich verurteile ihn zum Tod am Kreuz.
Seid ihr zufrieden?
Sein Blut komme über euch und eure Kinder.
Jerobeam
Gut! Sein Blut komme über uns und unsere Kindeskinder.
Kaiphaö
Sein Blut komme über uns und die Kinder unserer Kindeskinder.
Schmldtbonn, Die Passion.
5
65
Das sechste Bild
(Die Bühne zeigt das Tor der Stadt nach dem Land zu, daneben die Buden
des Schmieds und des Zimmermanns)
1
Der Zimmermann
Die Sonne steht auf so prall, daß sie wirklich von Gold scheint.
Nach dem widerwärtig frostigen Nebel endlich ein schöner Tag,
Klakedanz (kommt)
Zimmermann, mein Freund, komm her: hast du Kreuze vorrätig?
Der Zimmermann
Wie viele brauchst du?
Klakedanz
Drei, für drei Schufte.
Der Zimmermann
Hier sind zwei fertige, prachtvoll schwer.
Klakedanz
Hübsch groß, das ist ganz mein Fall.
Aber ich brauche noch eins, noch schwerer, für einen ganz
ausgesuchten Kerl.
Der Zimmermann
Kein größeres habe ich hier. Aber ich habe ein altes Brett
66
in der Nähe, das stammt noch vom Tempel Sa-
lomons. Es ist so hart, daß es wie Eisen schallt.
Klakedan;
Das nimm, richte es her, mach deine Arbeit gut. Wenn
der Herr zufrieden ist, zahlt er darnach.
Der Zimmermann (gehend)
Gleich mache ich mich daran. Mein Her; tanzt vor Freude,
daß es Geld zu verdienen gibt.
Klakedan;
So sind diese Burschen: sie denken nur an Geld.
(Hier kommt BreiforL und klopft an die Bude des Schmiedes. Der Schmied
kommt heraus)
Breifort
Schmied, hallo! Wir haben neue Fälle, ich bringe dir Arbeit.
Der Schmied
Was gibt es wieder?
Breifort
Schmiede drei Nägel. Kaiphas braucht sie für eine große Sache.
Der Schmied
Ist das alles? Darum ein solches Geschrei?
Was für Nägel? Hausnägel? Fensternägel? Pferdenägel?
Breifort
Ach was! Nägel, um einen ganz gefährlichen Hund ans
Kreuz zu nageln.
Der Schmied
5*
Jesus?
67
Breifort
Genau diesen.
Der Schmied
Ist auch ein gesetzliches Gericht über ihn gehalten worden?
Breifort
Hämmere, hämmere, gackere nicht.
(Der Schmied hämmert, der Zimmermann kommt zurück)
Der Zimmermann
Da sind die drei Kreuze Kein Zimmermann auf der Welt
baut dir anständigere. Die, deren Namen darauf
zu stehen kommen, werden wenig Freude daran
haben. Denn das ist doch die niederträchtigste
Art, Menschen zu Tod zu bringen.
Klakedanz
Behalt deine Weisheit für dich, es bezahlt sie dir niemand.
Gib deine Kreuze her ohne so viel Geschrei.
Beim Jupiter! Das nenn ich ein Gewicht!
Der Zimmermann
Was? Das ist gewissenhafte Arbeit.
(Hier ladet Klakedanz seinen Gehilfen die Kreuze auf, und sie gehen damit
ans Tor und warten da)
Der Schmied
Hier die Nägel. Tadellos spitz, faß an.
Breifort
Das ist noch nicht in Ordnung.
Der Schmied
Was?
68
Breifort
Zu spitz. Das muß stumpf sein, damit dieser Scbandjcsus
mehr davon hat, wenn's in sein Fleisch hineingeht.
Der Schmied
Da, ist das stumpf genug? Bist du jetzt gut bedient?
Breifort
Prachtvoll stumpf. Er wird schreien und Gesichter drehen,
daß es eine Wollust wird.
(Er geht mit Klakcdanz ans Tor)
2
(Jetzt kommt das Volk und führt Jesus unter Mißhandlungen durch das Tor)
Jerobeam
Halt! Jesus, der König, muß Gefolge haben,
damit er sich nicht schämt vor seinen Leichenraben.
Faßt ihn als Kleinod mit den beiden Mördern ein,
dann werden wir befreit von allen dreien sein.
Aufgestellt zum Zug!
Der Hauptmann
Trompeten!
(Während die Trompeten zur Stadt hinunter schallen, ladet Klakedanz Jesus
das Kreuz auf)
Klakedanz
Hier, großer König, bring ich dir das Festgeschenk.
Pack auf, zum Teufel! Sich zu zieren ist nicht Zeit.
(Jetzt kommen die heiligen Frauen, wahrend zugleich die Geige» und Harfen
beginnen und das Volk sich sammelt)
Julia
O Frauen kommt! Das große Elend seht!
69
Jesus, der süße, unser goldenäugiger Profet,
der Himmelswunder tut und allen Armen so ist not,
wird jetzt zum Tod geführt, von vielem Blute rot.
Perusina
Irrsinnige! Den Gottesmenschen töten — habt ihr da;u Mut?
Erbarmungsreicher Gott, der fern und gar zu groß im Pa-
radiese ruht:
hör meinen Schrei, wach auf, gib deinem Sohn von deiner Kraft!
Veronika
Weh, weh, Jerusalem, umjauchzte Stadt der ewigen Fest-
tagfeier,
zieh schwarze Wolken über dich als Trauerschleier,
sitz da, gebeugt und ohne Trost, und weine, weine, weine:
Ehre ging von dir fort und Glück mit seinem goldnen Scheine.
(Hier hat der Himmel begonnen, sich zu verfinstern)
Jesus (tröstet sie)
O erdenschöne Töchter von Jerusalem, ihr heilig hingeschenkten
Frauen!
Nicht über mich, weint über euch, weint über eure Kinder.
Bald wird der Tag da sein, an dem ihr jammert,
umsonst an eures Tempels stumme Säulen angeklammerr:
„Berge, stürzt über uns! Äffne dich,
verschlinge uns, Abgrund der Welt!"
Breifort
Genug geschwätzt! Vorwärts, das Kreuzlein aufgestellt!
Veronika
O seht den Gott auf Erden! Tränen nicht genug,
da du vorbeigehst so und Blut ausströmst am ganzen Leib.
Du Antlitz, sonst so gottesschön, so arm und bleich jetzt, zu-
gewandt mir bleib —
dürft' ich anrühren dich, zärtlich abwischen deinen Schweiß
mit meinem Tuch!
(Sie tut's)
Seht, seht! Mir ist ein Abdruck hier geblieben dieses schmerzlich
heiligen Gesichts!
Wie bin ich selig, selig, dieses Himmelsbildnis an das Herz
zu halten!
Nie soll je Menschenhand dein Bild, o süßer Herr, entfalten.
Als Zeugnis breit ich's aus vorGott am letzten Tage des Gerichts.
(Hier tönen die Trompeten in einem kriegerischen Marsch, und der Hauptmann
kehrt mit Soldaten zurück)
Der Hauptmann
Ihr Herrn, gehorsamst: die Soldaten sind zur Stelle.
Jerobeam
Vorwärts die ersten! Vorwärts des Zuges erste Welle.
Johannes
Q Frau, komm, sieh hier den geliebten Sohn!
Sieh doch sein Blut, sieh sein Gesicht, entstellt durch dieser
Menschen Hohn.
(Jetzt sieht Jesus seine Mutter)
Maria
Kind! Kind!
Magdalena
Sie fällt. Sie stirbt.
Breifort
Mir scheint, es schläft der Kerl im Gehn. Er taumelt hin und her.
Klakedanz
Nein, weil ihm dieses Weibervolk kommt in die Huer,
ist ihm der Mut entstürzt — oha, jetzt schlagt er hin.
Jerobeam
Jagt doch die Weiber fort.
Breifort
Wahrhaftig, ja! So kommen wir hier nie vom Ort.
Wir hätten ikrer vier schon können hangen,
seit wir uns hier am gleichen Platze drängen.
Der Hauptmann
Das nützt ja nichts, wenn ihr ihn noch so treibt.
Er ist so schwach, daß er uns tot am Wege liegen bleibt.
Jerobeam
Verflucht, er darf nicht sterben, eh er nicht am Kreuze hängt.
Breifort
Da kommt ein starker Mann neugierig durch das Volk gedrängt.
He, Bauer, trag das Kreuz ein Stück den Berg hinauf.
(Er faßt Simon an)
Simon von Kyrenäa
Nein, Herren, für kein Geld lad ich mir diese Schande auf.
Ich bin kein Mörder und kein Dieb.
Der Hauptmann
Tu's diesem armen Menschen Jesus zulieb.
Simon (erkennt Jesus)
O Jesus, Wundermann! Du bist zu uns von Gott geschickt.
Ich trag dein Kreuz, wenn es auch Schande bringt und drückt.
Auf deine Richter komm die Schuld, ich werd von Gott dafür
beglückt.
72
Der Hauptmann
Am Himmel seh ich ein Gesicht, ein einzig Licht, verzückt.
Jerobeam
Vorwärts, ihr Hunde, niederträchtig allzusammen und verrückt.
(Der Zug verschwindet)
3
Au düs (kommt und steht allein)
Siehe, da führen sic meinen Herrn fort und mißhandeln ihn
jammervoll: durch meine Schuld.
O Herz voll Betrug, was hast du getan?
Wie hast du dich gegen dein Gewissen gekehrt, um ein wenig
Geld einzustecken!
Gemeines Geld, Blutgeld — verflucht der, der dich goß, der
dich hämmerte! Verflucht das Erz, Erde und Ort,
wo du wuchsest.
Kann ich noch ruhig bleiben und dich in meiner Tasche anfühlen?
Die Furcht, daß du mir an den Fingern klebst, treibt mich
aus der Welt, zu den Teufeln hinunter, in das
Loch der Hölle. Zitternd fühle ich die Stunde nah.
(Hier kommt KaiphaS mit einigen Pharisäern)
Da kommen diese falschen Hunde, alle mitsammen, Gott vep
fluche euch!
Ich muß ihnen meinen Haß ins Gesicht schreien.
Herren, da habt ihr euer Geld zurück.
Ich habe Sünde getan, so ungeheure Sünde, daß ich ewig
verdammt bin.
Kaiphas
Was kümmert das uns? Behalt dein Geld.
73
Judas
O Feuer der Habgier, heißer als, glühendes Eisen, du ver-
brennst die Herzen der Menschen fressender als
Teufelsflammcn: in die niedrigsten Hände habe ich
das gerechteste Blut der Menschen gegeben.
Das ist kein Geld, was ihr mir gegeben habt: das ist Feuer.
Da, wenn ihr es aufheben könnt!
(Er wirst das Geld an die Erde)
Salmanazar
Was tun mit diesem Geld? In den Tempel bringen?
Kaiphas
Blutpreis gehört nicht Gott.
Wir kaufen ein Stück Land und graben es ein.
Wenn die armen Pilger künftig daran vorbei wandern, so
werden sie sagen: Bluterde l
(Hier gehen die Pharisäer abseits)
Judas
Ihr Mißgeburten, in euren schwarzen Löchern, Teufel —
kommt hervor!
Ich, Judas, rufe euch: reißt meinen verfluchten Leib zu euch
herunter.
Die Verzweiflung
Was schreist du hier? Wohin soll ich dich bringen?
Judas
Ich weiß nichts mehr. Meine Augen wagen nicht mehr, den
Himmel anzusehen. Woher kommst du?
Die Verzweiflung
Aus dem tiefsten Loch der Hölle.
Dein Nam«?
75
Die Verzweiflung
Dies der Tod, den ich dir aufgehoben habe.
Siehst du den alten, entblätterten Baum da?
Nimm dies, Judas, erhänge dich daran.
Und ich erbe deine Seele.
(Sie gibt ihm einen Strick)
Judas
Riesenhafter Turm der Verzweiflung, aufgerichtet aus schmerz-
gekrümmten Leibern, umstürzt von Strömen fressen-
der Tränen, durchhallt von Haßschreien: ich komme.
Schlund voll Feuer, Grube von Schlangen überfließend, Meer
von stinkigem Schlamm: meinen Schmerz in dir
ertränken will ich.
Satt trinken ewig will ich mich an deinerGiftbrust,Verzweiflung.
Dies mein Glück, dies mein Glück.
(Er geht, während die Teufel singen)
Die Teufel
Im Ewigtod
schreien wir Verfluchten.
Gott wider verfluchen und seinen Schoß, '
ist unser ewig verfluchtes Los.
76
Das siebente Bild
(Die Buhne zeigt den kahlen Kalvarienberg. Pharisäer und Volk umstehen
das Kreuz, an das Jesus geschlagen wird)
1
Breifort
Zieh an, Mensch! Hierher muß die Hand.
Klakedanz
Ich ziehe mir die Finger ja in Brand.
Orjart
Fest, Kerl! Hast du kein Her; zu;iehn?
Breiart
Fest, Schuft! Die Hand, die muß hierhin.
Klakedan;
Fertig. Jetzt kommt die andere dran.
(Jetzt hört man die Schläge des Hammers)
Veronika
O Jesus, Brunnen der Seligkeit, der alle Gebückten mit
Aufblick getränkt!
77
Julia
Vergessen haben selbst die Ärmsten, wie du in Überfülle ihnen
dein Herz geschenkt!
Breifort
Getan ist das Geschäft.
Klakedan;
Noch ein paar Schläge drauf!
Jerodeam
Sind alle Nagel fest? So stellt das Kreuz jetzt auf.
Breiforr
Flink, Kinder, angefaßt!
Eins, zwei, hoch!
Qrjart
Eins, zwei, hoch.
Breifort
Zum Teufel halt! Auf mich herab kommt ja die ganze Last.
Klakedanz
Eins, zwei, hoch.
Orjart
Langsam.
Fertig.
Breifort
(Hier sieht man das Kreuz siebn zwischen den zwei niedern Kreuzen der
Mörder. Zugleich mit den tausend schreienden Verwünschungen des Volks
hört man den jauchzenden Gesang der Seelen im Vorhimmel)
Jerobeam
Seht ins Gesicht jetzt eurem König, Herrn!
Glänzt zwischen diesen beiden Mördern immer noch sein Stern?
78
Salmanazar
Wo ist der Hexenmeister? Hilf dir, Gottessohn.
Jerobeam
Er log nicht. Himmelhoch wahrhaftig ist sein Thron.
Jetzt predige, du, bespeie, was wir Frommes lehren.
Wir leben, du mußt in den Tod einkehren.
Brciforr
Predige, oder willst du, daß ich dich noch höher hänge?
Klakedanz
Herunter, wenn du kannst, steig, Gott, zu unsrer Pöbeimenge!
Jesus
Vater, verzeih ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
Vater, der du deine Boten auf Erden auswählst und in
dessen Hand alle Dinge dieser Erde sind: du siehst,
von welchen Menschen ich gefangen bin und wie
unmenschlich sie meinen Leib mißhandeln.
Vater, verzeih ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
Der Erzengel Michael
(erscheint am Himmel über dem Kreuz)
Sohn Gottes, alle Engel sehn zu dir herab,
eng angeschart und vor Beglückung goldne Tränen weinend
und jedes Antlitz von dem seligen Abglanz deines Werkes
widerscheinend.
Um Menschen zu befrein vom dunklen Tod, erduldest du jetzt
selbst das Grab.
Das Kreuz, das schandhaft und verlassen immer stand —
durch dich steht'6 jetzt erhöht und angebetet an des Himmels
Rand.
Halt aus, geliebter Herr, wir schmelzen ferne wünschend Hand
in Hand:
bring herrlich stark zu Ende, wozu Gott dich ausgesandt.
(Er wird unsichtbar)
Der erste Mörder
Du, warum hilfst du uns nicht, wenn du Jesus bist, her-
abgcstiegen vom Himmel zu den Menschen,
warum rettest du nicht dich und uns, die wir hier einen so
verfluchten Tod sterben müssen?
Der zweite Mörder
Schuft, beschimpf ihn nicht: wenn wir sterben für unsere Mord-
taten, so ist die Strafe, wie wir sie verdient haben.
Aber er, heilig, gerecht, voll Unschuld, und, während er über
die Erde ging, nur zu Gutem seine Hände aufhebend:
Jesus, mein Halt und meine Hoffnung, an dich habe ich
vollkommenen Glauben — wenn du in deinem
Reich bist, denk an mich.
Jesus
Heute noch wirst du sein mit mir im Paradies.
In Wahrheit sage ich dir, zum Lohn deiner Treue: diesen
Abend noch wirst du aufwehn mit mir zum Licht
des Paradieses.
2
Maria
(kommt mit Magdalena und Johannes)
Sohn, noch einmal tu die Augen auf, daß ich beglänzt hin-
einseh noch einmal!
80
Sieh an die Mutter, die hier steht, hochangeklammert an
dein Holz der Hual!
Wir sind nur ein Leib, ein Blut, alles ist uns gemein:
so laß auch, Gott, dasselbe Leben vom selben Tod mit fort-
gerissen sein.
Aber uns trennen kannst du nicht, Gott, und nicht der
Tod:
und hangst du, Sohn, auch noch so hoch in Kreuzesnot,
meine Seele hängt neben dir, durch Feuer des Mitleidens
hinaufgetragen,
und jede Wunde fühl ich mit, die blutig rot in deinen Leib
geschlagen.
Ich bin doch du, ich bleibe doch du.
O Sohn, unter allen Menschen der Erde wie herrlich deine
Wohlgestalt,
wie gottesschön dein Antlitz, Augen, Stirn voll himmlischer
Gewalt:
jetzt so entstellt, mundoffen, blutgefärbt,
die Fingernägel schmerzlich in das Fleisch der Hand ge-
kerbt.
Dein Mund stöhnt auf, daß mir das Herz erfriert —
doch also lebst du noch, vielleicht mein Flehen an dich
rührt.
Dein Blut färbt meine Hand, ich küsse mit dem Mund dein
Blut,
es kommt von dir, ist warm 'von deinem letzten Lebensgut:
Sohn, Sohn, die Augen auf, daß noch zum letztenmal dein
Blick in meinem strömend ruht.
(Hier schlägt Jesus die Auge» auf und sieht seine Mutter und Johannes)
Schmidrbonn, Die Passton. 0
Jesus
Mutter, sieh hier deinen Sohn.
Sohn, hier deine Mutter.
(Inzwischen und ebenfalls dicht am Kreuz streiten die Knechte um Jesu Kleid)
Breifort
Mein der Rock.
Klakedanz
Holla, holla! Halbpart.
Würfel heraus.
Da.
Zwei.
Vier.
Drei.
Orjarl
Breifort
Klakedanz
Orjart
Braiart
Breifort
Nichts.
Klakedanz
Fünf. Den Rock her.
Breifort
Der Teufel brech' sich den Hals, der das Spiel erfunden hat.
(Hier beginnt die Erde zu zittern, es blitzt und donnert)
Der Hauptmann
Das Wunder, seht!
Die Sonne färbt sich schwarz, Nacht ist die Welt.
82
Die Menge hinten schreit, vor Schrecken mancher fällt.
Die Vögel stürzen aus der Luft, am Boden hinzerschellt.
Jesus
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Mich dürstet.
Breifort
Hat einer zu trinken da für seine Majestät, den Sohn Gottes?
Klakedanz
Hier! Ein majestätischer Trank! Galle und Essig.
Breifort
Was? Und da drehst du den Kopf fort?
Es ist vollbracht.
Kind!
Maria
Jesus
Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.
Maria
O mein Sohn, o mein ganzes Leben.
(Sie fallt ohnmächtig hin und wird fortgetragen)
Die Engel (singen)
Auf dem Berg du hohe Stadt,
die der König verlassen hat.
Die Freude ging mit dem Sohne,
zerbrochen für immer ist deine Krone.
(Aier ersieht die Erde von neuem. Älleo iövlt sieht)
Der Hauptmann (ganz allein)
Wollt, Menschen, ihr die Wahrheit noch nicht sehn?
Daß Himmel donnert, Erde im Schmer; erbebt, macht dieser
Mensch am Kreuz geschehn.
Ich muß auf Knien mein Her; bekennen und mir Feuerworl
gestehn:
Dieser ist Jesus, der Sohn Gottes!
Dieser ist Jesus, Gottes Sohn, Gottes himmlischer Sohn!
(Licht bricht aus ihm)
Gedruckt bei Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Buchdruckerei G, m, b. L., Berlin SW «8