8- 1-
Zweck der Genossenschaft.
Die Genossenschaft ist zur Förderung derjenigen An-
stalten und Vorbereitungen bestimmt, welche die Bedingungen
der gemeinsamen gewerblichen Interessen abgeben.
Insbesondere obliegt der Genossenschaft:
a) Die Sorge für die Erhaltung geregelter Zustände zwi-
schen den Mitgliedern der Genossenschaft und ihren An-
gehörigen (Gehülfen und Lehrlingen) hauptsächlich mit
Bezug auf den Lehr- und Dienstverband.
t>) Die Austragung der bezüglichen Streitigkeiten,
o) Die Gründung und Förderung von Fachschulen und die
Beaufsichtigung derselben.
ä) Die Gründung von Anstalten zur Unterstützung der
Mitglieder und Angehörigen der Genossenschaft in Fällen
der Erkrankung oder sonstigen Nothlage und die Be-
aufsichtigung dieser Anstalten;
e) die Erstattung der verlangten Auskünfte an die Behör-
den und die Handelskammer über die in ihrem Wir-
kungskreise liegenden Verhältniße;
f) endlich die Mitwirkung in allen Vorkehrungen der öffent-
lichen Verwaltung, welche sich ans die Gesammtheit der
Gcwerbsgenosscn beziehen.
8- 2.
Umfang der Genossenschaft.
Die Genossenschaft, für welche gegenwärtiges Statut
giltig ist, umfaßt jene Personen, welche in Oberösterreich das
Lederer-Gewerbe mit behördlicher Genehmigung selbstständig
betreiben, und hat ihren Sitz in der Landeshauptstadt Linz.
Mitglieder.
Wer in dem Bezirke der Genossenschaft ein Gewerbe
selbstständig betreibt, wird schon durch den Antritt des
Gewerbes Mitglied dieser Genossenschaft, und hat die damit
verbundenen Verpflichtungen zu erfüllen.
s- 4.
Aufnahmsgebühren.
Jedes in die Genossenschaft neu eintretende Mitglied
hat eine Aufnahmsgebühr zu entrichten.
Dieselbe beträgt für die Mitglieder in Linz und Urfahr
10 fl. und für die anderen in Oberösterreich wohnenden
Meister 5 fl. Oe. W.
Diese Gebühr wird niemals zurückerstattet, darf aber
nur Einmal abgefordert werden.
Uebersiedelt ein Landmeister nach Linz oder Urfahr, so
ist die Gebühr auf 10 fl. zu ergänzen.
8. 5.
Rechte der Mitglieder.
Der Eintritt in die Genossenschaft begründet die Theil-
nahme an denjenigen Rechten, welche nach der Gewerbe-
Ordnung und nach diesem Statute den Mitgliedern zustehen,
insbesondere die Theilnahme an dem Wahlrechte, sowie an
den gemeinnützigen Anstalten der Genossenschaft.
§. 6.
Stimmrecht.
Stimmberechtigt in der Genossenschaft und wählbar zu
Vertrauensmännern und Ausschüßen sind nur jene Mitglieder
der Genossenschaft, welche ihr Gewerbe bereits durch drei
Jahre aufrecht betrieben haben.
Ausgcschloßen vom Stimmrechte und von der Wähl,
barkeit, sowie von jedem Genossenschaftsamte sind diejenigen-
ivelche wegen eines Verbrechens überhaupt, wegen eines Ver-
gehens oder einer Uebertrctnng aus Gewinnsucht oder gegen
die öffentliche Sittlichkeit, wegen Schleichhandels, wegen
schwerer Gefälls-Uebertretnng oder schnldbaren Concurses ver-
»rthcilt worden sind.
Während der Zeit, als ein Gewerbö-Jnhaber wegen
einer der vbbezeichneteu Handlungen in Untersuchung steht
oder ihm das Gewerbe durch die Behörde eingestellt ist, kann
derselbe kein Stimmrecht in der Genossenschaft ausüben und
kein Amt in derselben bekleiden.
8- 7-
pflichten -er Mitglieder.
Jedes Genossenschafts-Mitglied ist im Allgemeinen ver-
pflichtet, zur Erreichung der Genossenschaftszwecke nach den
Bestimmungen dieses Statutes mitzuwirken, sich den ord-
nungsmäßig gefaßten Beschlüßen der Genossenschafts-Ver-
sammlung und des Genossenschafts-Vorstehers zu unterwerfen
und den Anordnungen Folge zu leisten.
Jnsbesonders hat jedes Mitglied die Pflicht, die An-
Heimsagung seines Gewerbes, den Standort und jede Verän-
derung desselben anzuzeigen.
Die in Linz und Urfahr wohnhaften Mitglieder haben
bei Vermeidung von Ordnungsstrafen diese Meldung inner-
halb 14 Tagen, jene auf dem Lande aber binnen 4 Wochen
mündlich oder schriftlich an den Vorsteher zu erstatten.
Wird ein Gewerbe verpachtet oder durch einen Stell-
vertreter betrieben, so ist hievon gleichfalls die Anzeige zu
machen.
s- 8.
Erlöschen der Mtgtte-schaft.
Diejenigen, welche ihr Gewerbe aufgeben, oder denen es
von der Gewerbsbehörde entzogen wird, hören auf, ferner
der Genossenschaft anzugehören.
8. 9.
Angehörige.
Angehörige der Genossenschaft sind die Gehülfen und
Lehrlinge der Mitglieder und sind als solche den Bestim-
mungen dieses Statutes unterworfen.
4. 10.
Gehülfen.
Unter Gehülfen werden die Hülfsarbeiter beim Ge-
werbsbetriebe verstanden, welche ihre Lehrzeit für dieses Ge-
schäft vollstreckt haben, und mit den erforderlichen Ausweisen,
als: Wander- oder Arbeitsbuche versehen sind.
Dieses ist beim Arbeitsantritte dem Arbeitsgeber in
Aufbewahrung zu übergeben.
Jeder Gehülfe, der bei einem der in Linz wohnhaften
Mitglieder in Arbeit tritt, hat sich innerhalb 14 Tagen ein
Auflagenbuch zu lösen und sich hiemit bei seinem Arbeits-
geber auszuweisen.
8- 11-
Arbeitszeit, Ablöhnung und Lün-ungsfrilt.
Die Arbeitszeit, Ablöhnung und Kündnngsfrist ist Ge-
genstand des beiderseitigen freien Uebcreinkommens.
Mangelt dieses, so gilt als festgesetzte Norm:
1) daß die Arbeitszeit jeden Werktag von 5 Uhr früh bis
7 Uhr Abends zu dauern hat;
2) daß die Ablöhnung alle 14 Tage, und zwar am Sonn-
tage zu geschehen hat;
3) daß die Kündigungszeit auf 14 Tage bestimmt wird,
und daß die Kündigung gelegentlich der Ablöhnung zu
geschehen hat.
Diese Bestimmungen haben auch dann zu gelten, wenn
ein Uebereinkommen sich nicht erweisen läßt.
7
§- 12.
pflichten «n- Rechte -er Gehülfen
Der Gehülfe ist verpflichtet, dem Arbeitsgeber Treue,
Folgsamkeit und Achtung zu erweisen, sich anständig zu be-
tragen, die Arbeitszeit einzuhalten, die ihm anvertrauten
gewerblichen Verrichtungen nach besten Kräften zu besorgen,
über die Bctriebsverhältniße seines Arbeitsgebers Verschwie-
genheit zu beobachten, sich gegen Mitgehülfen und Hausge-
nossen verträglich zu benehmen, und die Lehrlinge gut zu
behandeln.
Er ist berechtigt, die bedungenen Bezüge zu rechter
Zeit, eine anständige Behandlung und beim Austritte ein
wahrheitsgetreues Zeugniß in Anspruch zu nehmen.
8- 13.
Es ist den Gehülfen verbothen, willkürliche Feiertage
und sogenannte blaue Montage zu halten, und unter sich
Verabredungen zu treffen, um durch gemeinschaftliche Arbeits-
Verweigerung oder durch andere Mittel von ihren Arbeits-
gebern Bedingungen zu erzwingen. (H. 481 St. G. B.)
8- 14-
Auflösung des ArbeitsverhiiltniKes ohne Kündigung.
Das Arbeitsverhältniß kann aus wichtigen Gründen
vor Ablauf der ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen
Dauer ohne Aufkündung und sogleich aufgelöst werden.
I. Insbesondere ist der Arbeitsgeber zur Aufhebung
des Vertrages berechtiget, wenn der Gehülfe:
a) eine Handlung verübt, durch welche das in ihn zu se-
tzende Vertrauen gegründeter Weise verwirkt wird, oder
wenn eine solche Handlung nach der Aufnahme zur
Kenntniß des Arbeitsgebers gelangt;
b) ohne Einwilligung des Arbeitsgebers ein der Verwen-
dung beim Gewerbe abträgliches Nebengeschäft betreibt,
v) sich hartnäckig weigert, des Arbeitsgebers rechtmäßige
Weisungen zu vollziehen, oder die Mitgehülfen, Lehr-
linge oder die Hausgenossen zum Ungehorsam, zur Aus-
8
lehnung gegen den Arbeitsgeber, zu unordentlichen Le-
benswandel' oder zu unerlaubten Handlungen zu verlei-
ten sticht, oder wenn er sich einer Ehrenbeleidigung gegen
den Arbeitsgeber oder dessen Angehörige, oder einer
wesentlichen oder wiederholten Pflichtverletzung schuldig
macht;
ei) durch eigenes Verschulden arbeitsunfähig wird, oder
wenn die unverschuldete Arbeitsunfähigkeit über 4 Wo-
chen dauert,
Ls) durch länger als 8 Tage gefänglich angehalten wird.
II. Der Gehülfe ist zur allsoglcichen Aufhebung des
Vertrages berechtigt:
a) wenn er ohne Schaden für seine Gesundheit die Arbeit
nicht fortsetzen kann,
d) wenn der Arbeitsgeber sich thätlicher Mißhandlungen
oder der Uebertretung der Ehrenbeleidigung gegen ihn
schuldig macht,
v) wenn der Arbeitsgeber ihn zu unsittlichen oder gesetz-
widrigen Handlungen zu verleiten sucht,
<i) wenn der Arbeitsgeber ihm die bedungenen Bezüge vor-
enthält oder andere wesentliche Vertragsbestimmungen
verletzt,
e) wenn der Arbeitsgeber in Concurs verfällt, oder sonst
verhindert ist, dem Gehülfen Beschäftigung und Ver-
dienst zu geben.
8- 15.
Scha-loshattrmg Lei vorzeitigem Aufhören des
ArbeitsverhältniKes.
Wenn der Arbeitsgeber ohne einen gesetzlich Mäßigen
Grund einen Gehülfen vorzeitig entläßt, oder durch Verschul-
den von seiner Seite Grund zur vorzeitigen Auflösung des
Arbeitsverhältnißes gibt, so ist er verpflichtet, dem Gehülfen
den Lohn und die sonst bedungenen oder eingeführten Bezüge
für den noch übrigen Theil der Kündungsfrist zu vergüten.
8- 16.
Wenn ein Gehülfe seinen Arbeitsgeber ohne gesetzlichen
,9
Grund vorzeitig verläßt, so ist der Arbeitsgeber.berecksiiget,
denselben durch die Behörde zur Rückkehr in die Arbeit für
die noch fehlende Zeit zu verhalten, und den Ersatz des er-
littenen Schadens zu verlangen, Ucbcrdieß ist ein solcher
Gehilfe angemessen zu bestrafen.
8-17. - ---
Durch das Aufhören des Geiverbsbetriebes und den
Tod des Gehülfen erlischt das Arbeits-Berhältniß von selbst.
Doch ist im Falle des freiwilligen Aufgebend des Ge-
werbes oder der durch Schuld oder Zufall von Seite des
Arbeitsgebers herbeigeführten Entlassung des Gehülfen der-
selbe berechtiget, für den Entgang der Kündungsfrist Schad-
loshaltung anzusprechen.
8- 18. ,
Arbeits-Schiitigung.
Wird das Arbeits-Derhältniß geköset, so ist das Zeugniß
über die geleistete Arbeit in das Arbeits- oder Waudcrbuch
wahrheitsgetreu einzutragen und zwar für Gehülfen, die bei
einem Landmeister gearbeitet haben, von Seite deö Gemeinde-
Vorstehers, für Gehülfen aber, welche bei einem Mitgliede,
welches in Linz oder Urfahr wohnt, arbeiteten, von Seite
des Genossenschafts-Vorstehers.
Den letztbezeichneten Gehülfen ist ihr Arbeitsbuch nicht
früher einzuhändigen, bis sie sich durch eine Bestätigung
ausgewiesen haben, daß sie mit den zur Gehülfenlade zu
entrichtenden Auflagen nicht im Rückstände haften.
Bei Außerachtlassung dieser Vorschrift haftet der Ar-
beitsgeber für die jeweiligen Auflagcn-Rückstände seiner Ge-
hülfen, hat selbe aus Eigenem zu zahlen und ist bei wieder-
holter Beanständigung mit einer Ordnungsstrafe zu belegen.
8- 19-
Lehrlinge.
Als Lehrling wird angesehen, wer bei einem Mitgliede
zur praktischen Erlernung des Gewerbes in Verwendung ge-
treten und bei der Genossenschaft als Lehrling prvtokollirt ist
8. 20.
Um minderjährige Lehrlinge halten zu dürfen, muß der
Gewerbs-Jnhaber das 24. Lebensjahr zurückgelegt haben.
Jene, welche wegen eines Verbrechens überhaupt oder
wegen eines aus Gewinnsucht begangenen oder gegen die
öffentliche Sittlichkeit gerichteten Vergehens oder einer derlei
Uebertretung vcrurtheilt wurden, sowie jene, welchen das
Recht, Lehrlinge zu halten, entzogen wurde, dürfen weder
minderjährige Lehrlinge aufnehmen, noch die bereits aufge-
nommenen länger behalten.
Die politische Landesstelle ist aber ermächtiget, in Fällen,
' wo ein Nachtheil oder Mißbrauch nicht zu besorgen ist, nach
,. Vernehmung der Genossenschaft eine ausnahmsweise Bewilli-
' gung eintreten zu lassen.
IF ^ 8-21.
Art der Aufnahme eines Lehrlings.
Die Aufnahme minderjähriger Lehrlinge hat auf Grund
eines die Bedingungen der Aufnahme und Behandlung und
insbesondere die Dauer der Lehrzeit festsetzenden Vertrages
zu. geschahen, der vor dem Vorsteher der Genossenschaft ab-
zuschließen und aufzubewahren ist.
Der Lehrherr ist sonach verpflichtet, binnen längstens
sechs Monaten die Ausnahme eines Lehrlings bei dem Ge-
nossenschafts-Vorsteher anzuzeigen.
Bei der Aufnahme eines Lehrlings kann eine Probezeit
bedungen werden, während welcher, jeder der beiden Theile
nach Belieben zurücktreten kann.
Diese Probezeit darf 2 Monate nicht übersteigen.
11
§. 23.
Die Dauer des Lehrverhältnißes, das Lehrgeld, die Be-
dingungen der Verköstigung, Wohnung, Bekleidung, sind
Gegenstände freier Uebereinkunft; doch darf die Lehrzeit nicht
mehr als höchstens 5 Jahre dauern.
Z. 24.
Pflichten und Rechte des Lehrlings.
Der Lehrling ist dem Lehrherrn zu Folgsamkeit, Treue,
Fleiß, anständigen Betragen und Verschwiegenheit verpflichtet,
und muß sich nach dessen Anweisung iut'GeWerbe verwenden.
Ein minderjähriger Lehrling ist der häuslichen Zucht
des Lehrherrn unterworfen, er genießt seinen Schutz und
seine Obsorge.
8- 25.
Der Lehrherr hat sich die gewerbliche Ausbildung des
Lehrlings angelegen sein zu lassen und ihm die hiezu erfor-
derliche Zeit und Gelegenheit durch Verwendung zu änderen
Dienstleistungen nicht zu entziehen. '
Er hat den minderjährigen Lehrling zu Arbeitsamkeit,
guten Sitten, zur Erfüllung der religiösen Pflichten, zum
Besuche des gesetzlich vorgeschriebenen Unterrichtes, und wenn
in dem Orte eine gewerbliche Fachschule für Lehrlinge besteht,
auch zum Besuche der letzteren anzuhalten, sich jeder Miß-
handlung desselben zu enthalten und ihn gegen solche von
Seite der Arbcits- und Hausgenossen zu schützen.
Im Falle der Erkrankung oder des Entlaufend des
minderjährigen Lehrlings oder bei anderen wichtigen Vor-
kommnissen, welche die Dazwischenknnft der Eltern, des Vor-
mundes oder der sonstigen Angehörigen erheischen, hat er
diese zu benachrichtigen.
12
8-Z6.-
Auflösung des Lehrverhiiltuijscs vor Ablauf der
Lehrzeit.
Auch das Lehrvcrhältniß kann aus wichtigen Gründen
dar Ablauf der ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen
Dauer sogleich aufgelöst werden.
Dieß tritt insbesondere ein:
I. Von Seite des Lehrherrn:
n) wenn der Lehrling sich eine der im H. 11 I unter a
und v bezeichneten Handlungen zu Schulden kommen
läßt;
d) wenn sich unzweifelhaft herausstellt, daß der Lehrling
zur Erlernung des Gewerbes untauglich ist;
G wenn der Lehrling über 6 Wochen durch Krankheit an
der Arbeit verhindert ist;
ä) wenn der Lehrling länger als einen Monat gefänglich
angehalten wird.
II. Von Seite des Lehrlings, beziehungsweise seiner
gesetzlichen Vertreter :
n) wenn der Lehrherr die ihm obliegenden Pflichten gröb-
lich vernachläßigt, den Lehrling zu unsittlichen oder ge-
setzwidrigen Handlungen zu verleiten sucht, oder das
Recht der häuslichen Zucht mißbraucht;
b) wenn der Lehrherr durch mehr als einen Monat ge-
fänglich angehalten wird, oder auch bei kürzerer Frist,
wenn nicht für den Lebensunterhalt des Lehrlings ge-
sorgt ist;
o) wenn dem Lehrherrn durch Strafcrkenntniß das Gewerbe
zeitlich eingestellt wird;
ä) wenn der Lehrherr in eine andere Gemeinde übersiedelt;
doch muß der Antrag auf Lösung des Verhältnißes
längstens binnen 2 Monathen nach der Uebersiedlung
gestellt werden.
'8- 27.
Gegen eine 14tägige Aufkündung kann der, Lehrling die
Lehre verlassen, wenn er seinen Beruf ändert, oder zu ei-
nem andern Gewerbe übergeht, wenn er durch die Aushal-
tung der ganzen Lehrzeit verhindert wäre, von einer ihm sich
13
darbiethenden Gelegenheit der Versorgnng Gebrauch zu - ma-
chen, oder wenn derselbe von seinen Eltern wegen einge-
tretener Veränderung ihrer Umstände zu ihrer Pflege oder
zur Führung ihrer Wirthschaft oder ihres Gewerbes benöthi-
gct wird.
. 8- 28. '
Durch die eingetretene Unfähigkeit des einen, oder des
andern, die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen; durch
den Tod des Lehryerrn oder Lehrlings oder durch das Abtre-
ten des Lehrhcrrn vom Gewerbe erlischt der Lehrvertrag von
selbst.
8- 29.
Wird das Lehrverhältniß vor Ablauf der Lehrzeit gelö-
set; so ist Entschädigungsansprüchen statt zu geben.
8- 30-
Lehrzengltiß bei Auslösung des Lehrverhiiltniffes vor
Ablauf der Lehrzeit.
Bei Auflösung des Lehrverhältnisses vor Ablauf der fest-
gesetzten Zeit hat der Lehrherr dem Lehrlinge ans Verlangen
ein Zeugniß über die zugebrachte Lehrzeit, sein Betragen wäh-
rend derselben und die gewonnene Ausbildung im Gewerbe
auszustellen.
8- 31.
Freisprechen.
Nach Ablauf der bedungenen Lehrzeit hat der Lehrherr
den Lehrling durch den Genossenschafts-Vorsteher in das Ge-
hülfen-Protokoll'eintragen zu lassen, und ist ihm ein von
diesem auszustellendes und von dem behördlichen Commissär
zu vidirendes Lehrzeugniß zum Behufe der Erlangung eines
Wander- oder Arbeitsbuches zu erfolgen.
14
8- 32.
Bei dem Antritte der Lehre, sowie nach Ablauf dersel-
ben, hat der Lehrling eine Einschreibgebühr zur Genossen-
schafts-Kassa zu erlegen.
Dieselbe beträgt bei Beginn der Lehre 3 fl., bei deren
Beendigung 5 fl. ö. W.
Ist der Lehrling oder seine Vertreter zum Erläge die-
ser Gebühr unfähig, so ist der Lehrherr hiezu verpflichtet.
Armnthszeugniße, behufs der Befreiung von der Be-
zahlung dieser Gebühren, sind unzuläßig.
8- 33.
Aufnahme eines entwichenen Lehrlings.
Ein Mitglied, welches wissentlich einen entwichenen Lehr-
ling aufnimmt, macht sich strafbar, und hat mit letzteren dem
vorigen Lehrherrn für den ihm durch die Entweichung aus
der Lehre erwachsenen Schaden nach Maßgabe des Z. 1302
a. b. G. zu haften.
Der entwichene Lehrling wird auf Verlangen des Lehr-
herrn in die frühere Lehre zurückgebracht, und unterliegt ei-
ner angemessenen Bestrafung durch diesen, oder nach Umstän-
den durch die Behörde.
8- 34.
Lehrvoltjtreckung.
Die Lehrzeit muß in der Regel bei einem und demsel-
ben Meister vollstreckt werden, sonst geht die theilweise ver-
brachte Zeit verloren, ausgenommen, wenn von Seite des
Genossenschafts-Schiedsgerichtes die Bestätigung beigebracht
wird, daß dem Lehrlinge an der Lehrunterbrechung kein Ver-
schulden zur Last fällt.
8- 35.
Vertretung der Genossenschaft.
Die Genossenschaft wird vertreten, und deren Geschäfte
15
n)durch die Versammlung der Genossenschaft;
dadurch den Vorstand, bestehend aus den Ausschüßen un-
ter der Leitung des Vorstehers;
e) durch den Genossenschafts-Vorsteher.
8- 36.
Wirkungskreis -er Versammlung.
Der Versammlung vorbehaltene Gegenstände sind:
а) die Wahl des Vorstehers, seines Stellvertreters und der
Ausschüße;
d) die Verfügung über das Stammvermögen der Genossen-
schaft;
<r) die Prüfung und Genehmigung der jährlich zu legenden
Rechnung, so wie die Bestimmung über die Auflagen;
б) die Beschlüße bezüglich der Anstalten zur Unterstützung
der Mitglieder und Angekörigen der Genossenschaft;
e) die ausnahmsweise Bewilligung zur ratenweisen Ein-
zahlung der Einverleibungsgebühr;
l) die Entscheidungen über Beschwerden gegen Verfügun-
gen des Vorstandes;
§)die Beschlußfassung über die Abänderung dieses Statu-
tes vorbehaltlich der Genehmigung der k. k. Landesbe-
hörde; und
k) überhaupt die Fassung der Beschlüße über alles, was
die Förderung der gemeinsamen gewerblichen Jntereßen
der Genossenschaft zum Zwecke hat.
8- 37.
Die Versammlung der Genossenschaft tritt alljährlich in
Linz und zwar am nächsten Sonntage nach dem Feste Johannes
des Täufers zusammen.
Ort und Stunde des Zusammentrittes wird vom Vor-
steher im Einvernehmen mit dem behördlichen Commissär be-
stimmt, und den Genossenschaftsmitgliedern nebst den wichti-
geren Gegenständen der Verhandlung in geeigneter Weise
rechtzeitig bekannt gegeben.
Außerordentliche Versammlungen sind vom Vorsteher
zu veranlassen, so oft dringende Angelegenheiten der Genos-
senschaft oder ein von 10 Mitgliedern gestelltes, schriftliches
^6
Ansuchen unter Angabe des Zweckes den Zusammentritt der
Genossenschaft erfordern.
Die Mitglieder des engeren Genossenschafts-Bezirkes,
d. i. LW und Urfahr sind verpflichtet, an den Versamm-
lungen Heil zu, nehmen und können durch Ordnungsstrafen
dazu verhalten werden.
Den sogenannten Landmeistern ist cs freigestellt, ent-
weder persönlich bei der Versammlung zu erscheinen oder sich
durch eines der in Lin; oder Urfahr wohnhaften Mitglieder
vertreten zu lassen.
8- 38-
Den Vorsitz bei der Versammlung führt der Vorsteher;
die Beschlüße werden mit Stimmenmehrheit gefaßt; bei
gleich getheilten Stimmen entscheidet jene des Vorstehers.
Ueber die gefaßten Beschlüße ist ein Protokoll aufzu-
nehmen, welches vom Vorsteher und seinem Stellvertreter
zu unterschreiben, und vom behördlichen Commissär zu vi-
diren ist.
Der letztere hat den gesetzmäßigen Vorgang bei den
Versammlungen zu überwachen, kann jederzeit das Wort er-
greifen,"hat jedoch keine Stimme bei der Beschlußfassung.
8- 39.
Wirktmgskreiü des Vochimdes.
Der Vorstand besteht aus dem Vorsteher, seinein Stell-
vertreter und 3 Ausschüßen.
Das Amt des Vorstehers, sowie der übrigen Vorstands-
Mitglieder ist unentgeltlich; denselben gebührt jedoch die Ver-
gütung der bei Verwendung für die Genossenschaft gemachten
nothwendigen Auslagen.
Die Wahl der Vorstands-Mitglieder wird von der Ver-
sammlung mittelst Stimmzetteln vorgenommen; sie erfolgt
durch Stimmenmehrheit; bei gleicher Stimmcnzahl entscheidet
das Loos.
Die Amtsdauer des Vorstehers, seines Stellvertreters
und der Ausschüße dauert 3 Jahre, nach deren Verlauf sie
wieder wählbar sind.
17
Wird während der Wahlperiode die Stelle des Vor-
stehers erledigt, so hat der Stellvertreter, und in dessen
Verhinderung das älteste Ausschußmitglied bis zur nächsten
Versammlung die Geschäfte fortzuführen, und ist sodann eine
neue Wahl z»'veranlassen.
8- 40.
Ein Recht, die Wahl zum Vorstands-Mitgliede abzu-
lehnen, haben nur Personen:
a) welche über 60 Jahre alt, oder durch anhaltende Kränk-
lichkeit an der Uebernahme des Amtes gehindert sind,
1») welche nachweisen, daß ihre Geschäftsverhältniße zeit-
weise ihre längere Abwesenheit vom ständigen Wohnorte
erfordern,
v) welche das Amt bereits bekleidet haben.
8- 41.
Der Genvssenschafts-Vorstaud hat sich die Erreichung
der im tz. 1 dieses Statutes erwähnten Zwecke angelegen
sein zu lassen und den Vorsteher in der Erfüllung der ihm
obliegenden Pflichten bestens zu unterstützen.
8- 42.
Wirkungskreis des Vorstehers.
Der Vorsteher hat die gesummten Geschäfte der Ge-
nossenschaft und zwar mit Beihülfe der anderen Vorstands-
Mitglieder zu leiten und zu überwachen.
Er übernimmt alle an die Genossenschaft gerichteten
behördlichen Erläße und alle sonstigen Eingaben, und erledigt
alle Angelegenheiten, die wichtigeren mit Zustimmung des
Vorstandes; er beruft die Versammlung und den Vorstand
zu Berathungen und letzteren bei vorkommenden Streitigkei-
ten in das Schiedsgericht, leitet dieselben und führt dabei
den Vorsitz; er besorgt die Ausfertigung und Durchführung
der gefaßter! Beschlüße und vertritt die Genossenschaft nach
Außen; er hat die Einzahlung der Genossenschafts-Einnah-
men, die Ausgaben und die Verwaltung des Stammvermö-
gens zu überwachen; er hat das Absterben und die Entfer-
nung der Genossenschafts-Mitglieder an die Gewerbsbchörde
anzuzeigen; führt die Vormerkung über die Mitglieder und
Angehörigen der Genossenschaft; er besorgt die Abschließung
und Aufbewahrung der Lehrverträge, fertigt die Freisprech-
Zeugniße aus und besorgt die Eintragung der Arbeitszeugniße
für die in Linz und Urfahr befindlichen Gehülfen ins Ar-
beitsbuch.
Der Vorsteher hat die Aufsicht über die Gehülfen,
namentlich in Absicht auf die Verwendung der Auflagen und
auf den Umstand, daß sie nicht auf eigene Rechnung arbeiten.
Solche Gehülfen hat er der Behörde anzuzeigen.
Er hat ferner solche Personen, welche das Gewerbe
selbstständig betreiben, ohne es angemeldet zu haben, der
Behörde zur Strafamtshandlung anzuzeigen.
Glaubt der Vorsteher die Verantwortlichkeit für einen
Beschluß der Versammlung nicht übernehmen zu können, so
legt er seine Bedenken der Behörde vor.
k
8-^3.
Der Vorsteher ist nach eingeholter Zustimmung des
Vorstandes berechtigt, über Mitglieder lind Angehörige der
Genossenschaft bei Verletzung dieser Vorschriften, wenn nicht
der Gcwerbsbehörde oder dem Gerichte die Amtswirksamkcit
zusteht, Ordnungsstrafen zu verhängen.
Diese bestehen in Verweisen und Geldstrafen bis zu 5 fl.
Ueber dieselben ist eine Vormerkung zu führen.
8- 44.
-In Fällen der Verhinderung des Vorstehers gehen dessen
Rechte und Pflichten auf den Stellvertreter und falls auch
dieser verhindert wäre, an den ältesten Ausschuß über.
Genossenschafts-Vermögen nnd Rechnungslegnng.
Nachdem die bisher bestandene Lederer-Innung kein
Verinögen besitzt, so müssen die sämmtlichen Ausgaben aus
den laufenden Einkünften bestritten werden, worüber von
dem Vorsteher alle Jahre bei dem Zusammentritte der Ge-
nossenschafts-Versammlung Rechnung zu legen ist.
8- 46.
Die Einnahmen der Genossenschaft sind und zwar:
a) Von Seite der Meister nnd Lehrlinge:
19
1. Die Aufnahmsgebühren der neu eintretenden Mit-
glieder der Stadt Linz und Urfahr mit 10 fl. Oe. W.,
den Mitgliedern des Landes mit 5 fl. Oc. W.
2. die von den Lehrlingen bei Beginn und Beendi-
gung der Lehre zu entrichtenden Gebühren und zwar für den
ersteren Fall 3 fl., für den letzteren 5 sl. Oc. W. ohne
Unterschied.
3. die Jahrcö-Auflagcn der Meister ohne Unterschied
mit 50 kr. Oe. W.
4. die Ordnungsstrafen und die von der Gewerbs-
behörde wegen Uebertretung der Gewerbevorschristen verhängten
Geldbußen.
b) von Meile der Gesellen, welche eine eigene Lade haben:
1. Die Einschreibegebühr von jedem in Linz nnd
Urfahr in Arbeit eintretenden Gesellen mit 20 kr. Oe. W.
2. die Auflagen der in Linz und Urfahr befindlichen
Gesellen alle Quartal mit 20 kr. Oe. W.
Die oben angeführten Einkünfte können über Einschrei-
ten des Vorstehers im Wege der politischen Behörde zwangs-
weise eingebracht werden.
8- 47.
Bon den Einnahmen 1—4 n H. 46 werden verwendet:
n) Für das Krankenhaus der barmherzigen Brüder in
Linz alljährlich 12 fl. 60 kr. Oe. W., welche jedesmal
mit Anfang November dahin abzuführen sind,
ii) zur Unterstützung armer Genossenschafts-Mitglieder,
e) zur Verpflegung der reisenden Gesellen.
Sollten die Einnahmen zur Bestreitung dieser Auslagen
nicht ausreichen, so wird der Abgang auf die Genossenschafts-
Mitglieder in Linz und Urfahr verhältnißmäßig repartirt.
Von den Einnahmen d Z. 46:
rr) Für das Krankenhaus der barmherzigen Brüder all-
jährlich 12 fl. 60 kr. Oe. W.
d) für die Quartalmesse jedesmal 1 fl. 50 kr., sohin
jährlich 6 fl.
v) zur Unterstützung der reisenden Gesellen, denen über
einen Feiertag als Unterstützung 40 kr. zu verabreichen
sind, welche unter den Gesellen zu repartiern sind.
8. 48.
Schiedsgericht.
Die Beilegung der Streitigkeiten, welche zwischen den
Mitgliedern, ihren Gehülfen und Lehrlingen ans dem Ar-
bcitSverhältniße entstehen, besorgt bei den Mitgliedern, welche
in den weiteren Gcnossenschaftsbezirken, d. i. Ober-Oester-
reich mit Ausschluß der Stadt Linz und des Marktes Ur-
fahr gehören, die politische Behörde des Wohnortes des
Meisters; für jene, welche in dem engeren Bezirke wohnen,
hat der Vorsteher bei vorkommenden Streitigkeiten durch das
Loos ein Schiedsgericht zu bilden, welches aus einem Vor-
sitzenden und zwei unpartheiischcn Mitgliedern besteht.
Die Anhängigmachung der Streitsache erfolgt durch die
Anzeige an den Vorsteher. Dieser veranlaßt die Zusammen-
stellung des Schiedsgerichtes und hat die Partheien zur Ver-
handlung vorzuladen.
Das Schiedsgericht verschafft sich sohin durch Anhörung
der streitenden Theile die genügende Aufklärung des Sach-
verhaltes und versucht, die Partheien zu vergleichen.
Kömmt ein Vergleich nicht zu Stande, so ist ein Er-
kenntniß zu schöpfen, und sammt den Gründen den Par-
thcien bekannt zu geben.
Das Ergebniß ist kurz vorzumerken.
Erscheint eine Parthei nicht, so ist sie in eine Ord-
nungsstrafe zu verurtheilen und bei Androhung einer neuer-
lichen höheren Strafe vorzuladen.
Bleibt die Parthei auch bei dieser Sitzung aus, so wird
das Erkenntniß auf Grund der von dem Erschienenen ge-
machten Angaben gefällt.
8- 49.
Die Erkenntniße des Schiedsgerichtes, gegen welche im
Beschwerungsfalle binnen 3 Tagen die Berufung an die
politische Behörde 1. Instanz offen steht, sind im Verwal-
tungswege zu vollziehen.
Jene Streitigkeiten, welche nach Ablauf von 30 Tagen
seit ihrer Entstehung angebracht werden, gehören vor die
Gerichtsbehörde; alle anderen sind im Wege der politischen
Obrigkeit auszutragen.
Linz am 1. April 1865.